FINANCIAL PLANNING Magazin IV-2017

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04 | 2017 € 6,00

MITG LIE DE R Z EIT U NG DE R FIN A NZ PL A N E RV E R EIN E N FP U N D N FE P

Risikomanagement in der Finanzplanung von Thomas Freiberger (S. 32)

Die Persönlichkeit hinter meinem Kunden von Katharina Mohr (S. 18)

Operation Exit beginnt Die Kolumne von Dr. Martin Lück (S. 24)

Investmentsteuerreformgesetz 2018: Gewinner und Verlierer von Volker Weg (S. 34)


Wer immer nur in eine Richtung blickt, verpasst viele Chancen. Deswegen legen wir uns nicht auf Garantien fest, sondern halten für Ihre Kunden viele Möglichkeiten offen. Entdecken Sie die Standard Life MyFolios: passend für jeden Risikotyp – von defensiv bis chancenorientiert. servicebox.standardlife.de/MyFolio


Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte FinanzplanerInnen, Sehr geehrte Berufskolleginnen und Berufskollegen, werte Leserinnen und Leser, Sie halten die erste Ausgabe des Financial Planning Magazins in den Händen. Ein Format, das in dieser Form auf dem Markt nicht die vierte 2017er-Ausgabe des FINANCIAL PLANNING Magazins läutet verfĂźgbar war, obwohl Finanzplanung im deutschsprachigen Raum den Jahresendspurt ein – in wenigen Wochen wird das ereignisreiche seit gut 20 Jahren etabliert ist. Auch auf meinen Reisen durch Jahr 2017 bereits hinter uns liegen. Die Bundestagswahl beschäftigt uns Deutschland als Dozent fĂźr Financial & Estate Planning sowie im alle immer noch, wir dĂźrfen daher gespannt sein, ob es noch in diesem 3BINFO NFJOFS /FU[XFSLU˜UJHLFJU BMT 7PSTUBOE EFT OFUXPSL Ă?OBODJBM Jahr erstmals eine schwarz-gelb-grĂźne Bundesregierung geben wird. QMBOOFS F 7 IBCF JDI EFT Â?Ĺ&#x;FSFO EFO 8VOTDI OBDI TP FJOFN .BHB[JO Wir dĂźrfen aber auch auf die Jubiläen und die damit einhergehenden vernommen. Feierlichkeiten des FPSB Deutschland und des network financial planner

zurĂźckblicken. Das „Triple“ wird mit dem 20-jährigen Jubiläum des VuV InDeutschland den letzten 15 bis 20 Jahren sindwenige allein in Deutschland, Ă–sterreich komplett, das nur Tage nach der VerĂśffentlichung und der Schweiz Tausende Berater als Financial Consultant, Financial dieses Heftes ansteht. Planner, FinanzĂśkonom oder Estate Planner ausgebildet worden. An sieDas richtet sich unser Magazin,Magazin an die Berater aus der FinanzdienstleisFINANCIAL PLANNING hat sich mittlerweile als BranchenThomas Abel, CFP, CFEP tungsbranche sowie selbstverständlich an den interessierten Anleger. lektĂźre etabliert, es lebt dabei auch von der aktiven UnterstĂźtzung Chefredakteur vieler Leser und Partner, fĂźr die wir uns an dieser Stelle ganz herzlich Bisher fandenFĂźr Fortbildung und Erfahrungsaustausch unserer bedanken. das kommende Jahr haben wir unsinvorgenommen, eine noch breitere Leserschaft zu erreichen, um den Gedanken der Finanz#SBODIF [VNFJTU CFJ 5SFĹĽFO VOE 5BHFTWFSBOTUBMUVOHFO TUBUU planung noch stärker in der Ă–ffentlichkeit zu etablieren. 'BDIMJUFSBUVS .BHB[JOF /FXTMFUUFS VOE #MPHT [VN 5IFNB Ă?OEFO sich dagegen kaum im deutschsprachigen Raum. Hier muss man Thomas Abel, CFPÂŽ, CFEPÂŽ aktuell Dieseauf Ausgabe beschäftigt sich schwerpunktmäĂ&#x;ig englischsprachige Publikationen zurĂźckgreifen.mit dem Thema Chefredakteur Risikomanagement. In den sehr interessanten Beiträgen geht es unter anderem um die Risikoabsicherung in der sowie um die Das vorliegende Magazin soll diese LĂźcke nunFinanzplanung schlieĂ&#x;en und die Basis Absicherung von Investmentdepots. DarĂźber hinaus erwartet Sie fĂźr eine tiefer greifende Diskussion in der Financial-Planning-Branche wie gewohnt ein vielfältiger Themenmix, der die einzelnen Facetten der IJFS[VMBOEF TDIBĹĽFO &T TPMM SFHFMN˜“JH FSTDIFJOFO VOE *IOFO "SUJLFM ganzheitlichen Beratung Ihrer Mandanten aufgreift. BVT EFS 8FMU EFS 'JOBO[QMBOVOH MJFGFSO %BCFJ XPMMFO XJS BVDI ÂŻCFS den deutschsprachigen Tellerrand hinausblicken, mit Artikeln und Unsere beiden ausländischen Autoren Ronald Sier und Michael E. Kitces Meinungen von europäischen und amerikanischen Finanzplanern. sind dieses Mal mit den Beiträgen „Wozu dient mein Finanzplanungsdienst? In den USA wurde Financial Planning vor gut 40 Jahren „erfunden“. Wozu dient mein Leben?“ und „Die komplexe Motivation von Geld und 8JS GSFVFO VOT TFIS EBTT XJS *IOFO EVSDI FJOF ,PPQFSBUJPO NJU EFN der Ruhestand als Freiheit, nach anderen als monetären Belohnungen Journal of Financial Planning – dem Sprachrohr der Financial Planning fĂźr die Arbeit zu streben“ an Bord – zwei wie immer sehr lesenswerte Association (FPA) – kontinuierlich Inhalte daraus in deutscher Sprache Artikel zu alltäglichen Gedanken sowie zu Fragen, die wir – Hand aufs vorstellen kĂśnnen. Herz! – uns selbst und unseren Mandanten aber viel zu selten stellen. Das Magazin in Rubriken wie & Estate In Financial unserer Planning laufenden Rubrik ist „Finanzplaner im Financial Interview“ finden Sie Planning, of Financial Investmentphilosophie und diesmal Journal die Antworten vonPlanning, Darius Gevelhoff, CFPÂŽ, der Ăźber sein Ge.BSLUNFJOVOH VOUFSUFJMU 8JS NŠDIUFO *IOFO GBDIMJDI BOTQSVDITWPMMF schäftsmodell berichtet. Inhalte aus dem Financial Planning und den einzelnen Beratungssegmenten präsentieren. Um diesem Anspruch gerecht zuin werden, Kurz nach dem Erscheinen dieser Ausgabe findet Berlin sind das 13. Fiwir auf die Zusammenarbeit mit und Ihnen Leser und 2017 Finanzplaner nancial Planner Forum am 24. 25.alsNovember statt – wie jedes BOHFXJFTFO 8JS GSFVFO VOT BVG *IS 'FFECBDL [VN BLUVFMMFO )FĹ&#x; Jahr ein GroĂ&#x;ereignis in der Finanzplaner-Community, auf das wir uns sowie RĂźckmeldungen, welche Inhalteauf Sie die gerne sehrĂźber freuen. Das Forum bietet Zeit Themen fĂźr einenund RĂźckblick Ereignisse [VLÂŻOĹ&#x;JH MFTFO NŠDIUFO des aktuellen Jahres sowie fĂźr einen Ausblick auf das Jahr 2018, das mit Sicherheit neue Herausforderungen mit sich bringen wird. Denken wir dabei nur einmal an die vielen Regulierungen, die ab dem kommenden *DI XÂŻOTDIF *IOFO WJFM 4QB“ CFJ EFS -FLUÂŻSF VOE IPĹĽF EBTT EJFTF Jahrbeiträgt, in Kraft treten werden.der ganzheitlichen Finanzplanung dazu den Gedanken noch tiefer in Ihrem Herzen zu verwurzeln. Ich wĂźnsche Ihnen und Ihren Lieben eine schĂśne und besinnliche Adventszeit. Beste GrĂźĂ&#x;e aus Berlin, Thomas Abel Herzliche GrĂźĂ&#x;e

Thomas Abel

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INHALT

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3 | Editorial

Financial Planning | Verbände News & Facts

6 | Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

7 | network financial planner e.V.

Financial & Estate Planning | Praxis

8 | Wozu dient mein Finanzplanungsdienst? Wozu dient mein Leben? von Ronald Sier

12 | Die komplexe Motivation von Geld

und der Ruhestand als Freiheit, nach anderen als monetären Belohnungen für die Arbeit zu streben von Michael E. Kitces

16 | Finanzplaner im Interview mit Darius Gevelhoff

18 | Die Persönlichkeit hinter meinem Kunden von Katharina Mohr

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20 | Die Planungsdiskussion braucht

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eine neue Kernfrage

von Mitch Anthony und Steve Sanduski

22 | nfep-Expertengespräch:

Unternehmensnachfolge im Mittelstand: Last oder Lust? Im Interview: Nils Koerber

Kolumne

24 | Operation Exit beginnt von Dr. Martin Lück

25 | Überliste dich selbst: Wie sich mit den

Erkenntnissen der Verhaltensökonomie die Altersvorsorgeprobleme lösen lassen von Hans-Jörg Naumer

Risikomanagement in der Finanzplanung

26 | Tücken und Fallstricke

für die Rendite der ausländischen fondsgebundenen Versicherung von Alexander P. Letzsch

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30 | Risikoabsicherung in der Finanzplanung – Sachversicherungen für den privaten Haushalt und Unternehmen von Sven Putfarken

32 | Risikomanagement in der Finanzplanung von Thomas Freiberger

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42 | Alles eine Frage von faktorbasiertem

Investment, Indexierung und beweisorientierten Anlagelösungen! Oder doch nicht? von Robert G. J. van Beek

45 | Das Risikomanagement für die Praxis: Chance-Risiko-Management

von Henning Opitz und Christian Hartwig

Software

34 | Investmentsteuerreformgesetz 2018: Gewinner und Verlierer von Volker Weg

36 | Freiberufler aufgepasst!

Individuelles Risikomanagement mit fi.lux von Christian Tischer

46 | Das Aktien-Weltportfolio –

Wie viele ETFs müssen es sein? von Arne Scheehl

48 | Differenzieren lernen!

Wo in den Frontier-Markets die echten Chancen liegen von Axel Krohne

50 | Dividenden und Small Caps:

Investment

Das Beste aus zwei Welten

38 | Welche Kosten hat ein Risikomanagement?

von Markus Herrmann

von Michael Heidinger

40 | Verdeckte Risiken bei der Anleihenallokation von Markus Peters und Sahil Khan

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11 | Veranstaltungskalender

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Financial Planning | Verbände News & Facts

Aktuelles vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, die Bundestagswahl fand kürzlich statt und Risiko ist das Thema dieser Ausgabe. Dass Entscheidungen Risiken bergen, sieht man an den Wahlergebnissen. Eine „sichere Bank“ ist auch die zukünftige Regierung nicht mehr. Denn viele unterschiedliche Meinungen unter einen Hut zu bekommen und in einem Koalitionsvertrag zu bündeln, ist nicht einfach. Auch wir Finanzplaner müssen häufig viele Ziele unserer Mandanten in den Griff bekommen. Das Erreichen dieser Ziele wird dabei häufig von einer Vielzahl von Abweichungsrisiken begleitet, die es aufzuzeigen und für den Kunden zu minimieren gilt. Diese Risiken zu erkennen und zu bewerten, ist eine der Kernkompetenzen eines guten Finanzplaners.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Vorstand des FPSB Deutschland diese Risiken erkennt und im Sinne aller Mitglieder managt. Denn nur wer Risiken richtig beurteilt, ist auch in der Lage, Strategien zur Minimierung und Vermeidung zu entwickeln. Wir sind gespannt, ob dies auch in der Zukunft gelingt – und ob die Ausbildung zum CFP® irgendwann bei Regulierern und Verbrauchern den Nimbus haben wird, den diese Ausbildung verdient.

Wo begleiten uns Finanzplaner weitere Risiken? Risiken zeigen sich auch immer mehr in der Positionierung der Marken CFP® und CFEP®. Steigender Regulierungsdruck – verbunden mit der Anerkennung diverser Weiterbildungsabschlüsse durch den Gesetzgeber – in der Honorar- und Finanzberatung wird zunehmend für den Berufsstand des Certified Financial Planner® zum Risiko. So scheint der CFP® auch in der aktuellen Regulierungsdiskussion unbeachtet zu sein.

Mit freundlichen Grüßen

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende und lehrreiche Lektüre.

Marcel Reyers 1. Vorsitzender vom Netzwerk der Finanzund Erbschaftsplaner e.V.

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Financial Planning | Verbände News & Facts

Neues vom network financial planner e.V.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Mitglieder, in Kürze werden wir uns zum 13. Mal beim Financial Planner Forum in Berlin einfinden, das Jahr 2017 neigt sich somit seinem Ende entgegen und die ersten Weihnachtsmärkte stehen kurz vor der Eröffnung. Was wird uns von diesem Jahr in Erinnerung bleiben? Wird es die Pleite von Air Berlin, die Wahl in Frankreich mit dem Sieger Macron, der Terror in Europa, die Aggression aus Nordkorea, der unermüdlich provozierende US-Präsident Donald Trump oder der Dieselskandal sein? Vermutlich nichts davon, markiert das Jahr 2017 doch einen entscheidenden Einschnitt in die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland mit dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag – und zwar als drittstärkste (!) Partei bei der Bundestagswahl vom 24.09.2017. Nachdem sich der „Rechtsruck“ schon in anderen europäischen Ländern in den Wahlergebnissen widergespiegelt hat, war es – wie Voraussagen bereits vermuten ließen – nun auch in Deutschland so weit. Die politischen Auswirkungen sind noch nicht absehbar, es dürften aber spannende vier Jahre in Berlin und für Deutschland werden. Somit werden uns auch die letzten Wochen des Jahres mit Sicherheit noch bewegen, wahrscheinlich sogar kontroverse Diskussionen bringen, dann aber hoffentlich friedliche Vorweihnachts- und Weihnachtstage. Impulse für die Märkte, die wir für unsere Planungen berücksichtigen müssen, wird es mit Sicherheit ausreichend geben. Die Frage bleibt, inwieweit wir sie mit zuverlässigen Rahmendaten füllen können. Eine zuverlässige Größe im Süden der Republik war wieder

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einmal der Münchner Finanzplanertag, der am 12.10.2017 bereits zum fünften Mal, jedoch erstmals außerhalb der Wiesn-Zeit stattfand und dennoch – wie immer – ausgebucht war. Starken Zuspruch finden bereits auch das Fachforum für Heilberufe in der Finanzplanung am 19.01.2018 in Stuttgart sowie der 4. Düsseldorfer Finanzplanertag am 23.02.2018. Wir freuen uns darauf, Sie bei unseren ersten Veranstaltungen in 2018 begrüßen zu dürfen, und natürlich haben wir darüber hinaus bereits Weiteres für Sie geplant. Sie dürfen sich schon jetzt auf ein abwechslungsreiches und spannendes Veranstaltungsprogramm freuen! Bitte entnehmen Sie die weiteren bereits feststehenden Termine dem Veranstaltungskalender dieses Magazins, natürlich finden Sie alle Termine auch in unseren Newslettern und auf unserer Webseite www.nfpb.de. Erwähnen möchten wir bereits jetzt, dass wir unser Netzwerk in diesem Jahr erneut enorm erweitert haben, mehr dazu erfahren Sie in der nächsten Ausgabe des FINANCIAL PLANNING Magazins. Sie dürfen gespannt sein. Zum Abschluss dieses Grußwortes wünschen wir Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit, ein geruhsames Weihnachtsfest im Kreis Ihrer Liebsten und einen guten Start in das Jahr 2018. Genießen Sie die besinnliche Jahreszeit und bleiben Sie uns gewogen – wir freuen uns auf Sie!

Sven Putfarken im Namen des Vorstands des network financial planner e.V.

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Financial & Estate Planning | Praxis

Financial & Estate Planning | Praxis

Wozu dient mein Finanzplanungsdienst? Wozu dient mein Leben? von Ronald Sier

etwa Ihre CFP-Prüfung zu bestehen –, können Sie nicht einfach das Handtuch werfen, wenn es mal haarig wird. Regelmäßig fallen mehr als 40 % der Teilnehmer bei dieser knallharten, zweitägigen 10-Stunden-Prüfung durch (in den Niederlanden, Anmerkung der Redaktion). Sie nicht. Und das ist Beharrlichkeit. Das ist Biss.

Ronald Sier ist Financial Planner bei der Rabobank und seit 1999 in der Finanzbranche tätig. In seinem Blog www.seebeyondnumbers. com schreibt er regelmäßig zu aktuellen Themen der Branche.

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rinnern Sie sich noch an den Moment, in dem Sie entschieden haben, dass Sie Finanzplaner werden wollten? Sahen Sie sich selbst damals als eine hilfsbereite Person an? Ja, das taten Sie, nicht wahr? Aber zählte „Hilfsbereitschaft“ zu den Voraussetzungen für den Einstieg in die Finanzplanungskarriere? In den meisten Fällen umfassen die Voraussetzungen Folgendes: Ehrgeiz: Ohne Ehrgeiz kein beruflicher Erfolg. Um einen gewissen Bildungsabschluss, berufliches Ansehen und ein hohes Einkommen zu erzielen, ist Ehrgeiz eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Karriere als Finanzplaner. Fachliche Kompetenzen: Cleverness, analytisches Denkvermögen und Objektivität sind zwingend erforderlich. Mit anderen Worten: Sie müssen ein hammermäßiger Zahlenjongleur sein. Biss: Ehrgeiz und fachliche Kompetenzen sind toll, aber wenn Sie wirklich etwas Großes erreichen wollen – wie

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Erfahrung: Die meisten Finanzplaner beginnen ihre berufliche Tätigkeit nicht erst, nachdem sie die Sekundarstufe abgeschlossen haben. Einfach ausgedrückt: Sie verfügen zu diesem Zeitpunkt Ihres Lebens nicht über den Wissensstand, der für den Job nötig ist. Und nebenbei bemerkt, müssen Sie für die CFP-Zertifizierung in den meisten Ländern drei Jahre Berufserfahrung in einem Finanzplanungsunternehmen vorweisen. Lebenserfahrung: Je mehr finanziellen Herausforderungen Sie in Ihrem eigenen Leben gegenüberstanden, desto empathischer werden Sie gegenüber Ihren Kunden. Verkaufskompetenzen: Mein Chef sagte mir vor einigen Jahren: „Finanzplanung ist wichtig, aber um davon leben zu können, musst du Finanzprodukte verkaufen.“ Doch zum Glück stellen wir fest: „Die Zeiten ändern sich“, um Bob Dylans berühmtes Lied The times, they are a-changin zu zitieren. Aber was ist nun mit der „Hilfsbereitschaft“? Ich meine, Sie sind eine hilfsbereite Person, nicht wahr? Warum zählt das dann also nicht zu den Voraussetzungen für einen Finanzplaner?

Ist Hilfsbereitschaft genug? Wenn Sie meine Beiträge schon eine Weile verfolgen, haben Sie von mir auch schon zum Thema „Hilfsbereitschaft“ gelesen. Und dazu, dass Ihre Hilfsbereitschaft in Kombination mit Ihren soliden, fundierten Kenntnissen bereits jahrzehntelang einen Unterschied bewirkt hat, der unserer Welt langsam aber sicher eine bessere Zukunft eröffnete. Das war genug, um erfolgreich zu sein. Aber das war gestern. Als wir noch im Informationszeitalter lebten. Als die Men-

schen noch nicht Google hatten, um ihre Finanzprobleme zu lösen. Als es noch keinen Online-Vermögensberater gab, der sich mit ein paar streichenden Fingerbewegungen um Ihre Anlagen kümmerte. Dennoch denken die meisten Finanzfachleute nach wie vor, dass sie ihren Kunden immer besser helfen, je mehr Fachkenntnisse sie anhäufen. Je mehr ein Fachanwalt für Steuerrecht über die Abgabenordnung weiß oder die Versicherungsfachkraft über die qualifizierte Altersvorsorge oder der Finanzplaner über Finanzen, desto mehr Kunden können sie helfen und demnach auch ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen. Es stellt sich heraus, dass die meisten Finanzplaner noch immer glauben, sie könnten ihren Kunden am meisten dadurch helfen, dass sie ihr Wissen erweitern. Zwei Beispiele lassen jedoch darauf schließen, dass dies einfach nicht stimmt. Und ein drittes und viertes scheinen es zu belegen.

1. Der US-amerikanische Gerichtssaal Brillante Anwälte mit einer umfassenden Rechtskenntnis spulen ihre Litanei ab, während Richter auf die Uhr schielen und Geschworene nicken. Die Anwälte versuchen, ihr überragendes fachliches Know-how zu verkaufen, aber ihre Zuhörer – die Personen, die darüber entscheiden, ob der Anwalt gewinnt oder verliert – wollen etwas anderes.

2. Die hohe Kunst der Medizin In bemerkenswert kurzer Zeit hat die medizinische Forschung Heilmittel gegen die Pest, gegen Tuberkulose und gegen Pocken entdeckt. Jeder mit einem lebensbedrohlichen Herzdefekt kann sich jetzt ein neues Herz kaufen. Die Medizinbranche ist fachlich eindeutig kompetenter und sachkundiger geworden. Und die Branche hat ganz klar große Fortschritte bei der Umsetzung des fachlichen Teils ihrer Dienstleistungen gemacht. Aber 37 Prozent der Menschen geben

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Financial & Estate Planning | Praxis

an, dass es Ärzten an einem ehrlichen Interesse für ihre Patienten mangelt. Warum ist das so?

erreichen wollte, dass die Menschen Geld sparen, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen.

Die Ärzte glauben, dass sich ihr Wert an ihrer Fachkompetenz misst. Die Patienten sind ganz offensichtlich anderer Auffassung.

Wer ist John F. Kennedy? Er ist derjenige, der einen US-Amerikaner zum Mond schicken wollte.

3. Goldman Sachs Im Bericht von Goldman Sachs „The Coming Evolution of the Money Management Industry“ räumt das Unternehmen ein, dass es beim Money Management in Wahrheit nicht um die geschickte Verwaltung von Geld geht. Das bedeutet aber nicht, dass Goldman Sachs das kundenseitige Beharren auf Performance ignoriert. Nicht im Geringsten. Als die Kunden gebeten wurden, die wichtigsten Kriterien für die Auswahl einer Investmentgesellschaft nach Rangfolge anzugeben, ordneten sie die Rendite – den besten Beleg für Fachkompetenz im Investment-Bereich – durchweg nach Vertrauen und anderen „Themen rund um die Zusammenarbeit“ ein. In einer Kundenumfrage landete die Erfolgsbilanz auf dem neunten von siebzehn Plätzen, noch nach „einem aufrichtigen Wunsch nach einer langjährigen Zusammenarbeit“ und anderen Kriterien, die scheinbar von der rechten Gehirnhälfte gesteuert werden.

4. Was am meisten zählt Wie beantworten die Menschen die folgende Frage: „Welche Eigenschaften Ihres Finanzberaters sind Ihnen am wichtigsten?“ Es stellt sich heraus, dass die Leute nicht so sehr darauf achten, wie gut Sie Ihre Sache machen. Vor allem achten sie darauf, wer Sie sind und wozu Sie das tun, was Sie tun. Hier ein paar Anregungen: Wer ist Martin Luther King? Er ist derjenigen, der Frieden sowohl für Schwarze als auch für Weiße erreichen wollte. Wer ist Steve Jobs? Er ist derjenige, der erreichen wollte, dass die Menschen den Status quo hinterfragen. Wer ist Michael Jackson? Er ist derjenige, der der Welt mit seiner Musik Freude bringen wollte. Wer ist Sam Walton? Er ist derjenige, der

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Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie zwingend genauso berühmt werden wie diese außergewöhnlichen Persönlichkeiten, aber haben Sie sich jemals die Frage gestellt:

Wer sind Sie und wozu tun Sie, was Sie tun? Das ist eine schwierige Frage, nicht wahr? Und sind Sie nicht auch zumindest ein kleines bisschen skeptisch? Möglicherweise fragen Sie sich: „Ist mein WOZU, mein Zweck, wirklich wichtig für meine Kunden?“ Und wenn dies der Fall ist, „wie (um alles in der Welt) maximiere ich den ‚Zweck‘ als Finanzplaner?“. Nun, zu diesem Thema werden immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, die belegen, dass der Zweck von Bedeutung ist, und die ich Ihnen gleich vorstellen werde. Doch zuvor müssen wir noch eine große Hürde nehmen. Denn das meiste, was unser Verständnis von „Zweck“ ausmacht, kommt aus Hollywood. Genau, Hollywood ... Sie müssen verstehen, die meisten Geschichten, die wir auf der Leinwand gesehen haben, vermitteln uns eine verklärte Sichtweise auf die Rolle des Zwecks bei unserer Arbeit. Sie erschaffen Mythen rund um den Zweck, wodurch es für uns in Wahrheit schwerer wird, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Räumen wir also mit diesen Mythen auf, bevor wir fortfahren.

4 Mythen zum Thema „Zweck“

Mythos Nr. 1: Zweck = Grund Viele von uns, die nach einem Grund suchen, sind der Ansicht, wir müssten unsere einzig wahre Bestimmung finden. Wir wollen im Brustton der Überzeugung sagen können, dass es unsere Mission ist, einbeinige Kätzchen zu retten oder ein Heilmittel gegen Krebs zu entdecken. Hollywood-Stars tragen zur Popularität dieser Auffassung bei.

Denken Sie einmal darüber nach: George Clooney – Darfur Brad Pitt – New Orleans Matt Damon – Wasser Angelina Jolie – Flüchtlinge Und auch außerhalb von Hollywood: Al Gore – Umwelt Jimmy Carter – Habitat for Humanity Für uns restliche Menschen geht es bei der Suche nach dem Zweck darum, eine Richtung zu finden und kein Ziel. Mit anderen Worten: Der Zweck ist aktiv, nicht passiv. Womöglich finden wir niemals unsere einzig wahre Bestimmung, aber wir können unseren Zweck finden und dadurch unserer Karriere und unserem Leben einen viel tieferen Sinn geben.

 Der Zweck ist nicht der Grund. Es

ist eine Art der Herangehensweise an unsere Arbeit und an die Bereitstellung von Dienstleistungen für andere.

Mythos Nr. 2: Zweck = Luxus Warum spenden die ärmsten US-Amerikaner 3,2 Prozent ihres Einkommens für wohltätige Zwecke? Und warum spenden die Reichsten nur 1,3 Prozent? Der wohl bekannteste Verfechter des Zwecks, den die Welt je gesehen hat, ist Viktor Frankl, der über die Bedeutung und Allgegenwart von Zweck in den Konzentrationslagern der Nazis schrieb, wo er während des Holocausts lebte. Er fand heraus, dass der Zweck für ihn überlebenswichtig war. Alles kann einem Mann oder einer Frau genommen werden, mit einer Ausnahme: die letzte Freiheit des Menschen, seine Haltung in jeder Situation selbst zu wählen, seinen eigenen Weg zu wählen. ~ Viktor Frankl Es stellt sich heraus, dass sich die Priorisierung des Zwecks in vielerlei Hinsicht umgekehrt proportional zu Reichtum verhält.

 Zweck ist ein universelles Bedürfnis und kein Luxus für alle jene, die über finanziellen Reichtum verfügen.

Mythos Nr. 3: Zweck = Offenbarung Batman musste mit ansehen, wie seine Eltern ermordet wurden, und daraufhin entschloss er sich, in Gotham City auf Verbrecherjagd zu gehen. Superman fand heraus, dass sein Volk durch einen Bürgerkrieg ausgerottet

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Financial & Estate Planning | Praxis

wurde und setzte sich daraufhin für Frieden und ein entgegenkommendes Miteinander ein. Doch blicken wir der Realität ins Auge: So verläuft es in der Regel für die wenigsten von uns. „Wir empfangen die Weisheit nicht; wir müssen sie für uns selbst entdecken im Verlauf einer Reise, die niemand für uns unternehmen oder uns ersparen kann“, stellte Marcel Proust trefflich fest. Die meisten von uns arbeiten 45 bis 50 Jahre lang. Uns bieten sich unzählige Gelegenheiten, unser Finanzplanungsunternehmen so zu gestalten, dass es unserer Sichtweise der Welt und der Art und Weise, auf die wir am liebsten unseren Beitrag leisten wollen, am besten entspricht. Deshalb ist jetzt möglicherweise der richtige Zeitpunkt gekommen, Ihren Finanzplanungsdienst neu zu erfinden.

 Der Zweck ist eine Reise. Er erschließt sich uns nicht durch eine Offenbarung von oben, sondern indem wir mit offenen Augen durchs Leben gehen und stets nach neuen Erfahrungen Ausschau halten.

Mythos Nr. 4: Zweck = Einfach An einem Marathon teilzunehmen tut weh. Trotzdem beschreiben es viele als eine erhebende Erfahrung, bei einem Marathon durchs Ziel zu laufen. Es bringt die Läufer an ihre Grenzen – sowohl körperlich als auch emotional. Professionelle Athleten lassen es so einfach aussehen. Wenn wir sie anschauen, dann scheinen sie das Vorhaben natürlich und mühelos zu bewältigen. In Wahrheit arbeiten Athleten für den Erfolg unglaublich hart und nehmen gewaltige Schmerzen auf sich. Als Fans nehmen wir selten die Verletzungen oder die tausenden von Stunden monotonen Trainings wahr. Ein Rennen oder ein Spiel zu gewinnen ist fantastisch, aber die Zufriedenheit rührt von einem umfassenden Einsatz her. Das gleiche gilt für Arbeiten, die sich durch ein hohes Maß an Sinn oder Zweck auszeichnen. Ein weiteres Zitat von Viktor Frankl bringt es auf den Punkt: Das Interesse eines Menschen ist nicht, Vergnügen zu finden oder Schmerz zu vermeiden, sondern den Sinn des Lebens zu finden. ~ Viktor Frankl

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Nach meinem Verständnis sind auch unsere Finanzplanungsdienste nicht ohne harte Arbeit und stetige Herausforderungen zu bewältigen. Tatsächlich inspirieren und animieren sie Sie, sich weiter aus Ihrer Komfortzone herauszuwagen. Der Fall wird tiefer sein, aber gleichermaßen wird sich auch der Erfolg so viel besser anfühlen.

 Der Zweck erfordert, dass Sie etwas

von sich selbst geben.

Ich weiß, was Sie jetzt denken: Aber was ist nun mit dem Umsatz, Ronald? Zahlt sich ein zweckorientierter Finanzplanungsdienst aus? Oh ja. Wie sich herausstellt, fördert der Zweck die Performance mit Blick auf den Umsatz. Dies zeigt Professor Adam Grant in seinem Buch „To Sell Is Human: The Surprising Truth About Moving Others“ : Im Jahr 2008 führte er eine Studie in einem Callcenter einer großen US-amerikanischen Universität durch. Jeden Abend riefen die Angestellten Absolventen an, um Geld für die Universität zu sammeln. Grant unterteilte die Angestellten in drei zufällig zusammengestellte Gruppen ein. Anschließend sorgte er dafür, dass die Arbeitsbedingungen für alle identisch waren – mit Ausnahme der letzten fünf Minuten vor Beginn ihrer Schicht. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden las eine Gruppe Berichte von Personen, die zuvor in dem Callcenter gearbeitet hatten; darin erläuterten sie, dass sie durch die Arbeit viele nützliche Verkaufskompetenzen erlernt hätten. Dies war die Gruppe „persönlicher Nutzen“. Eine andere Gruppe, die Gruppe „Zweck“, las Berichte von Absolventen der Universität, die Stipendien erhalten hatten, die mithilfe der von diesem Callcenter gesammelten Spenden finanziert worden waren; sie beschrieben, wie diese Stipendien ihnen geholfen haben. Die dritte Gruppe von Telefonistinnen und Telefonisten diente als Kontrollgruppe; sie las Berichte, in denen es weder um persönlichen Nutzen noch um Zweck ging. Nach der Leseübung klemmten sich die Angestellten hinter ihre Telefone, wobei sie darauf hingewiesen wurden, die gerade gelesenen Berichte den Personen gegenüber nicht zu erwähnen, die sie gerade davon überzeugen wollten, zu spenden.

Ein paar Wochen später wertete Grant die Umsatzzahlen aus. Die Gruppe „persönlicher Nutzen“ und die Kontrollgruppe holten etwa die gleiche Anzahl an Spendenzusagen ein und sammelten etwa die gleiche Geldsumme wie vor Beginn der Studie. Die Gruppe „Zweck“ schaltete hingegen auf Turbo. Diese Angestellten konnten die Zahl der Spendenzusagen, die sie sonst in einer Woche einholten, und auch die wöchentlich erzielte Spendensumme mehr als verdoppeln. Finanzplaner aufgepasst. Durch diese fünfminütige Leseübung wurde die Produktivität mehr als verdoppelt. Die Berichte gaben der Arbeit nicht nur eine persönliche Note, ihr Inhalt verlieh ihr auch einen Zweck. Was, wenn Sie also die Zeit Revue passieren lassen, als Sie am Anfang Ihrer Finanzplanerkarriere standen. Als Sie erpicht darauf waren, Ihren Kunden zu helfen. Dafür muss es einen konkreten Grund gegeben haben. Denken Sie zurück und entdecken Sie Ihr WOZU wieder. Denn Ihr WOZU ist wichtig. Tatsächlich ist es sogar das Herzblut Ihres Finanzplanungsdienstes. Und ich wette, bei Ihrem Zweck, Ihrem WOZU, geht es einzig und allein darum, das Leben Ihrer Kunden und dadurch auch die Welt zu verbessern, während Sie selbst ebenfalls ein sinnvolles und erfolgreiches Leben verbringen. Und falls Sie Schwierigkeiten dabei haben sollten, Ihr wahres WOZU zu finden, gebe ich Ihnen eine kleine Hilfestellung an die Hand. Beantworten Sie einfach diese beiden Fragen, die den Kern Ihres Finanzplanungsdienstes bilden:

1. Wenn die Kundin oder der Kunde zu-

stimmt, Ihren Finanzplanungsdienst gegen Bezahlung in Anspruch zu nehmen, wird sich ihr bzw. sein Leben dadurch verbessern?

2.

Wenn die Geschäftsbeziehung beendet ist, ist die Welt dann ein besserer Ort als zu Beginn? Wenn die Antwort auf beide Fragen „JA“ lautet, dann hält Sie nichts mehr auf. Lassen Sie uns die Finanzplanung richtig angehen. Ihr Ronald Sier

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Veranstaltungen

Veranstaltungskalender

Forum Trainingsmanagement UG in Kooperation mit dem network financial planner e.V. (www.trainingsmanagement.com) 24./25.11.2017

LPX Group (www.lpx-group.com) Seminar - Assetklasse Infrastruktur

13. Financial Planner Forum in Berlin

Netzwerke

network financial planner e.V. (www.nfpb.de) 04.12.2017, 18:00 Uhr

nfp-Treffen, Ameron Hotel Abion Spreebogen Waterside, Alt-Moabit 99, Berlin

23.02.2018

4. Düsseldorfer Finanzplanertag, InterContinental Hotel, Königsallee 59, Düsseldorf

20.03.2018

4. Estate Planner Forum, Steigenberger Hotel Am Kanzleramt, Ella-Trebe-Str. 5, Berlin

Finanzplaner Fortbildung in Kooperation mit dem NFEP (www.finanzplanerfortbildung.de)

Weiterbildung

20.04.2018

13.11.2017 15:00 Uhr

Hamburger Börse, Hamburg Referent: Dr. Michel Degosciu

15.11.2017 09:30 Uhr

Rotonda Business Club, Köln Referent: Dr. Michel Degosciu

15.11.2017

Basisseminar, München Dozent: Sven Scherner (Forum Trainingsmanagement UG)

16.11.2017

Praxisseminar, München Dozent: Sven Scherner

24.01.2018

Basisseminar, München Dozent: Sven Scherner

25.01.2018

Praxisseminar, München Dozent: Sven Scherner

EBS Executive Education (www.ebs.edu)

6. Private Banking Trends, Veranstaltungsort: Relexa Hotel, Lurgiallee 2, 60439 Frankfurt

Financial Planning Trends (www.fp-trends.de) 19.01.2018

Weiterbildung

Deutscher Vermögensverwaltertag und Feier zum 20. Jubiläum in Wiesbaden

Hotel Ku‘ Damm 101, Berlin Referent: Dr. Michel Degosciu

XPS-Finanzsoftware GmbH in Kooperation mit der Forum Trainingsmanagement UG (www.xps-finanzsoftware.de)

Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (www.vuv.de) 24.11.2017

13.11.2017 08:30 Uhr

Wissensforum Heilberufe, Steigenberger Graf Zeppelin, Arnulf-Klett-Platz 7, Stuttgart

Frankfurt School of Finance & Management gemeinnützige GmbH (www.frankfurt-school.de) Studiengang „Financial Consultant/Financial Planner“ 09.03.2018

Frankfurt

16.03.2018

Frankfurt

07.09.2018

Frankfurt

14.09.2018

Frankfurt

14.11.2017

Kompaktstudium Testamentsvollstreckung 22. Jahrgang

05.12.2017

Tagesseminar „Praxisforum Finanzplanung 2017/2018: Steuern – Recht – Trends“ mit Hans Nickel

29.01.2018

Kompaktstudium Verhandlungsmanagement 3. Jahrgang

31.01.2018

Kompaktstudium Ruhestandsplanung 3. Jahrgang

27.02.2018

Intensivstudium Stiftungsberatung 6. Jahrgang

27.02.2018

Intensivstudium Stiftungsmanagement 17. Jahrgang

28.02.2018

2. Regionale Fortbildung Mittleres Ruhrgebiet und Rheinland "EBS Praxis"

08.03.2018

Intensivstudium Generationenmanagement & Estate Planning 24. Jahrgang

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Financial & Estate Planning | Praxis

Die komplexe Motivation von Geld und der Ruhestand als Freiheit, nach anderen als monetären Belohnungen für die Arbeit zu streben von Michael E. Kitces

Fördert eine finanzielle Belohnung die Leistungsbereitschaft wirklich effizient? Traditionsgemäß wird Geld als äußerst wirksames Mittel zur Motivation angesehen, insbesondere für das „leidige Übel“ Arbeit. Deshalb werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vergütungen und Boni gezahlt, um ihnen Anreize und Motivation zu bieten, damit sie mehr arbeiten (und teilweise schwierige Aufgaben bewältigen). Das vermeintliche Ziel besteht letztendlich darin, genügend Belohnung (Geld) anzuhäufen, damit man die Aufgabe (Arbeit) nicht mehr ausführen muss, und sich stattdessen zur Ruhe setzen kann.

Michael E. Kitces, MSFS, MTAX, CFP®, CLU, ChFC, RHU, REBC, CASL, ist Herausgeber des “The Kitces Report” und Blogger des “Nerd‘s Eye View”. Außerdem ist er Partner und Director of Research der Pinnacle Advisory Group in Columbia, Maryland.

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Untersuchungen haben vor kurzem jedoch ergeben, dass unsere Motivationsquellen für die Leistungsbereitschaft wesentlich facettenreicher und komplexer sind. In seinem kürzlich erschienenen Buch „Payoff: The Hidden Logic That Shapes Our Motivations“ berichtet der Wissenschaftler Dan Ariely, der auf dem Gebiet der Psychologie tätig ist, von einer Studie, die er gemeinsam mit seinen Kollegen durchgeführt hat. Dabei konnten sich die Beschäftigten einer Halbleiterfabrik am ersten Tag ihres viertägigen Arbeitszyklus aus Zwölfstundenschichten einen potenziellen Bonus verdienen. Der in Aussicht gestellte Bonus bestand in einer Barprä-

mie von rund 30 US-Dollar, einem etwa wertgleichen Gutschein für eine leckere warme Pizza (zur Bestellung für das Abendessen mit der Familie am gleichen Abend) oder einfach in einer lobenden Textnachricht von ihrem Vorgesetzten mit dem Inhalt „Gut gemacht!“ (Selbstverständlich hatten einige Beschäftigte keinerlei Anspruch auf einen Bonus; diese dienten als Kontrollgruppe.) Die Ergebnisse zeigten, dass alle drei potenziellen „Boni“ – Bargeld, Pizza und ein Lob – am ersten Tag vergleichsweise gut als Motivation wirkten. Die Pizza steigerte die Produktivität an diesem Tag um 6,7 %, das in Aussicht gestellte Lob generierte einen Leistungsschub von 6,6 % und die mögliche Barprämie landete mit einer Leistungssteigerung von 4,9 % auf dem letzten Platz (aber nur mit knappem Abstand). Am folgenden Tag des Vier-Tage-Zyklus ergab sich jedoch ein völlig anderes Bild: Die Leistungsfähigkeit all jener, die das Geld erhalten hatten, sank im Vergleich zur Kontrollgruppe um 13,2 %, da der potenziell mit dem Geld verbundene Nutzen abklang (auch am Tag 3 lag ihre Leistungsfähigkeit noch 6,2 % niedriger und am Tag 4 waren es 2,9 %!) Auf die ganze Woche gerechnet waren diejenigen, die die Barprämie verdient hatten, 6,5 % weniger produktiv! Im Gegensatz dazu war die Produktivität all jener, die den Pizza-

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Gutschein erhalten hatten, über die gesamte Woche hinweg leicht erhöht (im Laufe der Tage sank sie allmählich in den Bereich der Kontrollgruppe ab). Diejenigen, die das Lob erhalten hatten, wiesen in der Woche die höchste Gesamtproduktivität auf (obwohl die Ergebnisse auch bei ihnen am Ende des viertägigen Schichtzyklus zurück auf den Wert der Kontrollgruppe sanken).

tatsächlich senkt (während die Produktivitätssteigerung endet oder sich gar wieder negativ entwickelt, sobald keine Barprämien mehr geboten werden!). Die voraussichtlichen negativen Folgen der Umwandlung einer zwischenmenschlichen, sozialen Belohnung in eine finanzielle zeigen sich dabei nicht nur in Umfeldern wie jenem der Be-

WORKER PRODUCTIVITY BASED ON DIFFERENT BONUSES 110% 105%

Productivity

100% 95% 90% 85% 80%

Day 1 Cash

Day 2 Pizza

Day 3

Day 4

Complement

Note: Pizza and complement lines estimated to fit the qualitative description in Payoff, but specific data points were not provided.

Mit anderen Worten: Die höchste kumulative Produktivität war bei jenen Beschäftigten zu verzeichnen, die von ihrem Vorgesetzten als Bonus ein Lob erhalten hatten. Gleichzeitig galt, je stärker die Belohnung finanziell ausgerichtet war, desto weniger konnte das Geld die Motivation für eine größere Leistungsbereitschaft aufrechterhalten! Aus diesen Ergebnissen lässt sich mindestens ableiten, dass Geld allein eindeutig nicht unsere einzige – vielleicht nicht einmal unsere wichtigste – Motivationsquelle darstellt, und dass die stärkere finanzielle Ausrichtung von Belohnungen die Motivation langfristig

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© Michael Kitces, www.kitces.com Source:Payoff by Dan Ariely

schäftigten der Halbleiterfabrik. Ariely stellt beispielsweise auch das folgende Gedankenexperiment vor: Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Thanksgiving bei Ihrer Schwiegermutter zu Besuch und haben gerade ein üppiges, wunderbares Festtagsessen mit der gesamten Familie eingenommen. Anschließend zücken Sie Ihr Portemonnaie und fragen: „Wie viel schulde ich dir für die ganze Liebe, die du in dieses Familienessen gesteckt hast? Sind dreihundert Dollar angemessen? Oder vierhundert?“ Wäre es für Ihre Schwiegermutter wirklich ein „Bonus“, wenn Sie ihr nicht nur Ihre Dankbarkeit für ein liebevoll und sorgsam zuberei-

tetes Familienessen ausdrücken, sondern ihr darüber hinaus eine finanzielle „Belohnung“ geben? Oder würde dies nicht eher alle daran erinnern, wie unangemessen es ist, wenn man versucht, eine unbezahlbare Sache wie familiäre Zuneigung mit einem Preis zu beziffern?

Soziale gegenüber finanziellen Strafen zur Unterbindung von schlechtem Verhalten Die Dynamik zwischen finanziellen und sozialen Motivationsquellen (z. B. Bargeld oder Lob, Dankbarkeit oder Bezahlung für ein Festtagsessen im Kreis der Familie) existiert nicht allein bei Belohnungen, durch die „gutes“ Verhalten und Produktivität gefördert werden sollen. Ein vergleichbarer Effekt lässt sich auch mit Blick auf Strafen beobachten, die zur Abschreckung oder Abstrafung von schlechtem Verhalten eingesetzt werden. Die Wissenschaftler Uri Gneezy und Aldo Rustichini führten beispielsweise eine Studie durch, bei der untersucht wurde, wie Eltern dazu animiert werden könnten, ihre Kinder pünktlich von der Tagesbetreuung abzuholen (oder anders ausgedrückt, wie sie davon abgehalten werden könnten, sich „schlecht zu verhalten“ und zu spät zu kommen). Im Allgemeinen waren die Eltern pünktlich, aber ab und zu kamen manche Eltern erst nach 16:00 Uhr, der offiziellen Abholzeit. Dementsprechend führten die Wissenschaftler ein Bußgeld von etwa 3 US-Dollar je 10 Minuten Verspätung ein. Statt also einfach nur an das Gewissen der Eltern zu appellieren, den Angestellten der Tagesstätte durch das Zuspätkommen keine übermäßigen Umstände zu bereiten, wurde darüber hinaus eine finanzielle Strafe eingeführt. Das Ergebnis: Nach der Einführung des Bußgeldes stieg die Zahl der Verspätungen der Eltern um mehr als das Doppelte. Mit

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anderen Worten: Die Eltern waren eher bereit, für den bekannten Preis von 3 USDollar pro 10 Minuten zu spät zu kommen als für die unbezifferten, aber implizierten Umstände, die sie den Angestellten der Tagesstätte dadurch bereiteten, dass diese so lange bleiben mussten, bis die Eltern die Kinder abholten. Im Wesentlichen wurden die finanziellen Kosten, die durch das Bußgeld für das Zuspätkommen entstanden, als eine unbedeutendere Folge angesehen als eine Strafe, die einzig auf die implizierte soziale Vereinbarung zwischen Eltern und Angestellten der Tagesstätte abzielte, die besagte: „Wir schließen um 16:00 Uhr, seien Sie also bitte zuvorkommend und holen Sie Ihre Kinder pünktlich ab.“ Durch die Einführung finanzieller Folgen wurde das Übereinkommen von einer sozialen Vereinbarung in eine finanzielle umgewandelt, bei der die Kosten klar festgelegt waren (und als erschwinglich erachtet wurden) – zahlen Sie 3 USDollar und Sie sind von jeglicher sozialen Schuld des Zuspätkommens freigesprochen. Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis der Wissenschaftler bestand darin, dass der finanzielle Aufwand für das Zuspätkommen, nach dem er einmal in den Köpfen der Eltern verankert war, dort auch blieb. Selbst nachdem die Strafe später wieder abgeschafft wurde, kamen die Eltern weiterhin genauso oft zu spät – also doppelt so oft wie vor der Einführung –, denn der finanzielle Preis war zu diesem Zeitpunkt bereits in ihren Köpfen verankert (und erschien ihnen als akzeptable Gegenleistung). All dies zeigt ein weiteres Mal, dass die soziale Verbindung zwischen Menschen das Verhalten stärker beeinflussen kann als rein finanzielle Belohnungen oder Geldstrafen. Und die Umwandlung einer sozialen Vereinbarung in eine rein finanzielle Übereinkunft kann die verhaltensbasierte Motivation, „das Richtige zu tun“, sogar eher hemmen!

Die Wirksamkeit von Belohnungen abschätzen: Intrinsische und extrinsische Motivation Ungeachtet der Erkenntnis, dass Geld als Mittel zur Motivation (oder als wirksame Strafe) nicht immer geeignet ist, besteht eine der großen Schwierigkeiten von Motivation darin, dass wir denken, solche extrinsischen Motivationsquellen – wie ein höhere Lohnzahlung oder ein netter Bonus, den man sich verdient – würden sich wie eine Belohnung anfühlen (und ein Bußgeld würde demgemäß schlechtes Verhalten bestrafen und unterbin-

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den). Doch wenn es dann soweit ist, stellen wir fest, dass uns intrinsische Motivationsquellen (z. B. die Tatsache, ob uns unsere Arbeit Spaß macht und wir darin aufgehen) und soziale Impulse (z. B. die Tatsache, ob unsere Vorgesetzten uns loben oder unser Engagement ganz allgemein unsere sozialen Beziehungen vertieft, oder die Tatsache, dass wir jemanden nicht im Stich lassen wollen, wenn wir einmal stillschweigend oder ausdrücklich zugestimmt haben, etwas zu tun) viel stärker motivieren. Dies ist von großer Bedeutung, da sich mit Blick auf die Finanzplanung in der Praxis maßgebliche Auswirkungen auf unsere Kompromissfindung hinsichtlich Stellenauswahl und Einkommen, eines höheren Verdienstes für bessere Sparmöglichkeiten und hinsichtlich der grundlegenden Gestaltung unseres Ruhestands ergeben. Untersuchungen von Daniel Kahneman und Angus Deaton zeigen beispielsweise, dass oberhalb eines Haushaltsjahreseinkommens von rund 75.000 USDollar kein Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und größerer Zufriedenheit besteht (aufgrund unterschiedlicher Lebenshaltungskosten variiert der Wert in einigen Landesteilen möglicherweise etwas). Allerdings war aus den Ergebnissen auch ersichtlich, dass die Selbsteinschätzung der Zufriedenheit mit dem Leben oberhalb dieses Schwellenwerts tatsächlich besser ausfällt, je höher das Einkommen ist. Anders ausgedrückt: Auch wenn Personen höherer Einkommensschichten angeben, zufriedener mit ihrem Leben zu sein, stellt sich bei einer Bewertung ihrer tatsächlichen positiven und negativen Empfindungen im Alltag heraus, dass sie eigentlich gar nicht glücklicher sind! Eine Umfrage von Bankrate aus dem Jahr 2009 zum Thema Finanzwissen ergab, dass sage und schreibe 75 % der Verbraucher planen, so lange zu arbeiten, wie sie können. In einigen Fällen lautete die Begründung, dass sie das Geld tatsächlich brauchten, doch die meisten gaben vielmehr als Grund an, dass sie gern arbeiten. Und angeblich würden diejenigen, die angaben, dass sie länger arbeiten werden, weil sie es müssen, möglicherweise auch weiter arbeiten, weil es ihnen Spaß macht ...und wenn sie über ausreichend Geld verfügen würden und statt einer Arbeit, bei der es vordergründig ums Geld geht, versuchten, eine Stelle zu finden, die ihnen zudem stärkere intrinsische Motivationsfaktoren bietet, möglicherweise auch?

Finanzielle Unabhängigkeit und die Freiheit, nach anderen als monetären Belohnungen für die Arbeit zu streben Im Grunde genommen deuten all diese Untersuchungen der Finologie darauf hin, dass unser Verhältnis zu Geld wesentlich komplexer ist als der simple Gedankengang, dass wir arbeiten, um Geld zu verdienen, und dass wir Geld verdienen, um nicht länger arbeiten zu müssen. In Wirklichkeit sind die intrinsischen Motivationsfaktoren und die sozialen Belohnungen von „Arbeit“ mitunter deutlich wichtiger und machtvoller als die extrinsische Motivationsquelle einer finanziellen Belohnung. Wir mögen glauben, dass letztere (Geld) motivierender ist, aber wenn wir sie dann erhalten, stellt sich diese Wirkung nur selten ein. Aus diesem Grund sagen wir zwar, dass wir einen finanziellen Bonus als Anreiz für unser langfristiges Verhalten haben möchten, aber sobald der Bonus dann gezahlt wird, lässt unsere Produktivität deutlich nach. Und aus diesem Grund sagen wir auch, dass wir Geld für unseren Ruhestand und die „arbeitsfreie“ Phase unseres Lebens erarbeiten wollen, aber wenn wir dann tatsächlich aufhören zu arbeiten, stellen wir fest, dass es gar nicht so toll ist, wie wir dachten (denn wir verlieren unsere Identität, unseren Lebenszweck und den Grund, um jeden Morgen aufzustehen). Also suchen wir uns doch wieder eine Arbeitsstelle (aber dieses Mal vielleicht für eine andere Belohnung als Geld). Natürlich sind finanzielle Notwendigkeiten im wahren Leben Realität, und viele Menschen können es sich nicht leisten, einfach zu leben und (für andere als monetäre Belohnungen) zu arbeiten, sondern sie müssen arbeiten, um zu leben (und sich dies leisten zu können). Nichtsdestotrotz lassen all diese wissenschaftlichen Untersuchungen darauf schließen, dass das Ziel der finanziell vergüteten Arbeit im besten Fall nach wie vor nicht darin besteht, irgendwann nicht mehr arbeiten zu müssen, sondern dass es darum geht, „finanzielle Unabhängigkeit“ zu erreichen, damit man in die Lage versetzt wird, den Schwerpunkt der Arbeit stattdessen auf andere als monetäre Belohnungen zu legen. Diese Erkenntnis ist in erster Linie für all jene von großer Bedeutung, die mit ihrer derzeitigen Arbeitsstelle überhaupt nicht zufrieden sind, die Arbeit jedoch trotzdem ausführen, um genügend Geld für einen Ruhestand zu verdienen, der sie vermutlich sowieso nicht sehr viel

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glücklicher machen wird. In einem solchen Falle wäre es eventuell eine gute Idee, sich eine erfüllendere Arbeit zu suchen, selbst wenn sie weniger Geld einbringt ... insbesondere dann, wenn Sie die weniger erfüllende Arbeit mit besserer Vergütung einzig und allein für einen „Ruhestand“ ausführen, der Sie möglicherweise nicht einmal glücklich macht. Noch beachtlicher ist hingegen die einfache Erkenntnis, dass „nicht finanzielle Arbeit“ letztendlich oftmals (wenn auch zugegebenermaßen nicht immer) doch mit irgendeiner Form der finanziellen Belohnung verbunden ist. Der finanziell unabhängige Ruheständler engagiert sich vielleicht einfach nur ehrenamtlich in der Kirche, ist als Betreuer tätig oder nimmt ein neues Hobby auf, doch in der Praxis ergibt sich daraus oft eine bezahlte Teilzeitstelle, eine Vereinbarung über eine unternehmensberatende Tätigkeit oder eine neue Geschäftsmöglichkeit. Dies spielt eine maßgebliche Rolle, denn wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich zumindest eine moderate finanzielle Belohnung aus größtenteils nicht monetärer Arbeit entsteht, dann bedeutet dies, dass viele künftige „Ruheständler“ bereits eher zu einer bedeutsamen nicht monetären Arbeit wechseln könnten! Immerhin kann bei einer Entnahmerate von 4 % ein jährlicher Zuverdienst durch Teilzeitarbeit im Ruhestand von „nur“ 10.000 US-Dollar den Bedarf an Ersparnissen für den

Anzeige

Ruhestand um bis zu 250.000 US-Dollar senken! Und der Bezug einer „Rente“ von lediglich 40.000 US-Dollar pro Jahr kann das erforderliche finanzielle Polster um sage und schreibe 1.000.000 US-Dollar schmälern!

Unterm Strich ergibt sich schlicht die Tatsache – und dies legt auch die zunehmende Zahl der wissenschaftlichen Untersuchungen nahe –, dass sich unser Verhältnis zu Geld wesentlich komplexer darstellt, als gemeinhin angenommen wird. Dies geht mitunter sogar soweit, dass wir Ziele verfolgen, von denen wir glauben, dass wir sie verfolgen wollen, nur um schließlich festzustellen, dass uns das Erreichte nicht glücklich macht. Wie die Untersuchungen zeigen, die Ariely in seinem Buch „Payoff“ erläutert, liegt dies darin begründet, dass Geld nicht die einzige Motivationsquelle und nicht das einzige Ziel ist – eine schwierige Lektion in einer Welt, in der scheinbar praktisch „alles“ in ein monetäres Ziel, eine monetäre Belohnung oder eine monetäre Strafe umgewandelt wird. Ungeachtet dessen scheint unser menschliches Gehirn dennoch darauf programmiert zu sein, nach Belohnungen zu streben (und Strafen zu vermeiden). Die Kombination aus diesem Drang, nach Belohnungen zu streben, und unserer Fähigkeit, auf die Früchte unseres Tuns zu warten, ermöglicht es uns, heute zu „arbeiten“, um die (finanziellen) Belohnungen zu generieren, die

uns die Möglichkeit bieten, später nicht zu arbeiten. Doch dank der Erkenntnis, dass ein erheblicher Teil unserer Belohnungen sozialer und zwischenmenschlicher (statt finanzieller) Natur ist und dass sich unsere Motivation auch auf intrinsischen Faktoren gründet, verstehen wir besser, warum so viele Personen weiterhin „arbeiten“, selbst wenn rein finanziell keine Notwendigkeit mehr dazu besteht. Dieses Verständnis ist maßgeblich, denn wenn wir planen, auch nach Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit weiter zu arbeiten, dann versetzen wir uns finanziell möglicherweise in die Lage, den Übergang bereits viel früher zu vollziehen! Für die Zukunft sollte die Frage demnach vielleicht nicht lauten: „Wie viel brauchen Sie, um in den Ruhestand zu gehen?“, sondern vielmehr: „Welcher Arbeit würden Sie für andere als monetäre Belohnungen nachgehen, wenn Sie finanziell unabhängig wären und das Geld nicht bräuchten? Und wie viel Geld würden Sie wahrscheinlich schlussendlich trotzdem durch diese Arbeit verdienen?“. Und dann arbeiten Sie einen entsprechenden Plan aus! Was denken Sie? Fördert eine finanzielle Belohnung die Leistungsbereitschaft wirklich effizient? Sind wir schlecht darin, abzuschätzen, ob uns extrinsische oder intrinsische Belohnungen motivieren? Besteht unser finanzielles Ziel letztendlich darin, dass wir einer Arbeit für andere als finanzielle Belohnungen nachgehen können?


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Finanzplaner im Interview mit Darius Gevelhoff

Beschreiben Sie bitte Ihre Tätigkeit.

Darius Gevelhoff, CFP®, Testamentsvollstrecker (EBS)

Darius Gevelhoff: Seit dem Frühjahr 2010 bin ich als selbstständiger Finanzplaner und Berater tätig. Dabei habe ich in den ersten Jahren versucht, als Allfinanzberater Fuß zu fassen, was sich aber als komplex und schwierig herausstellte und meinem Anspruch nur bedingt genügte. Als CFP® mit rund 10 Jahren Private-Banking-Erfahrung war es mein Wunsch, Kunden bei komplexen Sachverhalten zu beraten und zu betreuen. 2012 begann ich dann damit, mich auf drei Kerngebiete zu fokussieren. Zum einen auf das Baufinanzierungsgeschäft unter dem Label „Rhein-Main-Baufinanzierung“, weil ich merkte, dass wirkliche Beratung im Baufinanzierungsbereich Mangelware ist. Darüber hinaus berate ich in Kooperation mit einem Münchener Unternehmen bAV-Lösungen im Bereich der pauschaldotierten Unterstützungskasse. Last, but not least erstelle ich Finanzpläne für vereinzelte Kunden. Welche Kundengruppe beraten Sie schwerpunktmäßig? Darius Gevelhoff: Im Bereich der pauschaldotierten Unterstützungskasse sind es primär Unternehmer mit in der Regel 5 bis 50 Angestellten, die kein

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Interesse an einer versicherungsgebundenen Lösung haben und sich auf eine intensive und lukrative Beratung einlassen wollen. Im Bereich der RheinMain-Baufinanzierung sind es private als auch gewerbliche Kunden, die eine Finanzierung für den Kauf oder Bau einer Immobilie suchen. Daraus ergeben sich immer wieder komplexe Sachverhalte, weshalb ich den Kunden nach einem Erstgespräch nahelege, eine Finanzplanung erstellen zu lassen, um zuallererst einen umfassenden Überblick zu bekommen. Was sind Ihre Beratungsschwerpunkte? Darius Gevelhoff: Im Baufinanzierungsgeschäft ist es weniger beratungsintensiv, sondern eher Fleißarbeit, die Unterlagen so gut wie möglich aufzubereiten und auch die passenden Kontakte bei den Banken zu haben, um das Engagement in der passenden Art und Weise vorstellen zu können. Ich erlebe hier immer wieder, dass dieser Punkt maßgeblich für die tatsächliche Machbarkeit einer Finanzierung ist. Die Vorstellung und Durchführung einer pauschaldotierten Unterstützungskasse ist da erheblich beratungsintensiver und erfordert einen deutlich längeren Atem. Aber es ist ja auch ein komplexes Thema, das viel Erklärung benötigt.

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Wie stellt sich Ihre Vergütung dar? Darius Gevelhoff: Das ist in Deutschland nach wie vor ein schwieriges Thema. Zum einen sind Kunden im Finanzbereich selten bereit, für gute Beratung Geld zu zahlen, zum anderen bin ich als Berater häufig zu schüchtern, meinen – in meinen Augen fairen – Preis aufzurufen. Im Bereich der Finanzplanung arbeite ich nur noch auf Honorarbasis. Finanzierungen für Privatkunden werden in der Regel durch die finanzierende Bank verprovisioniert. Bei gewerblichen Finanzierungen vereinbare ich nach dem Erstgespräch ein fixes Stundenhonorar, das unabhängig vom Zustandekommen der Finanzierung ist, bei den Beratungen zur pauschaldotierten Unterstützungskasse ebenfalls. Welche Software nutzen Sie? Darius Gevelhoff: Für die Finanzplanung XPS-Software. An allen anderen Stellen sind es Insellösungen, im Finanzierungsbereich beispielsweise das Onlinetool der Prohyp. Welche Literatur lesen Sie? Darius Gevelhoff: Ich lese eigentlich viel zu wenig. Vereinzelt spezifische Fachpublikationen und Aufsätze, die zu einzelnen Fachthemen passen. Sporadisch

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lese ich den einen oder anderen Blog. Für den fachlichen Austausch bin ich vorrangig mit Menschen im Gespräch. Welche Fortbildungen und Netzwerke nutzen Sie und warum? Darius Gevelhoff: Zum einen nutze ich den jährlichen Austausch der XPS-Berater, der weniger fachlich spannend als vielmehr ein Austausch unter Kollegen ist. Ähnliches gilt für die „Investment & more“-Tagungen. Darüber hinaus bin ich Mitglied beim Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. und besuche hier in Frankfurt die regelmäßigen Abendveranstaltungen, die für den Austausch unter Kollegen sehr empfehlenswert sind. Welche Ausbildung(en) haben Sie?

schaut über den Tellerrand und begleitet seinen Mandanten umfassend, er ist „Lebensbegleiter“ und damit oft noch viel näher dran als andere Berater, bekommt persönliche Probleme schneller mit und kann für den Mandanten „da sein“. Ein guter Berater ist für diverse Lebenssituationen so gut vernetzt, dass er dem Mandanten die richtigen Menschen an die Seite stellen kann. Um dieses Vertrauen des Mandanten zu gewinnen, ist es wichtig, sich selbst verletzbar zu machen und von sich und seinen Schwächen zu erzählen. Ein guter Berater arbeitet nicht in seinem Beruf, er lebt seine Berufung. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Was macht für Sie einen guten Finanzplaner aus?

Darius Gevelhoff: Für mich wäre es wünschenswert, dass wir wegkommen von Verprovisionierungen aller Art – egal ob bei Versicherungen oder Finanzierungen – und jeglicher Form von Quersubventionierung. Wenn dann der Kunde einen Preis für die Beratung zahlen muss, wird er sehr schnell die Qualität der Beratung schätzen lernen, wodurch sich faire und ehrliche Finanzplaner durchsetzen werden.

Darius Gevelhoff: Ein in meinen Augen wirklich guter Finanzplaner

Vielen Dank für das Gespräch.

Darius Gevelhoff: Nach der Ausbildung zum Bankkaufmann habe ich an der Frankfurt School of Finance & Management die Ausbildung zum CFP® gemacht und im Jahr 2009 abgeschlossen, danach habe ich diverse Lehrgänge, etwa zum Testamentsvollstrecker, absolviert.

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Die Persönlichkeit hinter meinem Kunden Persönlichkeitsspezifische Vermittlung von Finanzplanungskonzepten

von Katharina Mohr

Psychologie: die Finanzpsychologie. In diesem Teilgebiet wird erforscht, wie Menschen sich im Umgang mit Geld oder geldnahen Produkten verhalten. Diese Wissenschaft zeigt, dass bei jeder getroffenen Entscheidung beispielsweise der Verstand, die Intuition und die Emotionen eine Rolle spielen. Darüber hinaus wird eine Finanzentscheidung durch die individuelle Risikobereitschaft eines potenziellen Kunden beeinflusst, und an diese schließt sich direkt die Frage nach Verstand- oder Vernunftentscheidung. Die Liste der beeinflussenden Faktoren ist lang.

Katharina Mohr, Diplom-Psychologin und Systemischer Coach (DBVC), verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der operativen und strategischen Personalentwicklung in internationalen Unternehmen sowie in der Mitarbeiterführung. Sie ist selbstständig als externe Beraterin, Trainerin und Coach für unterschiedlichste Unternehmen tätig.

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ermutlich jeder von Ihnen kennt die Situation: Sie haben ein interessantes Konzept für Ihren Kunden, Sie fühlen sich gut vorbereitet auf den Termin, Sie hatten ein gutes Gespräch, Sie gehen mit einem positiven Gefühl aus dem Termin und sind guter Dinge, dass Ihr Kunde Ihnen einen Auftrag erteilen wird. ABER: Es kommt zu keinem Auftrag! Warum? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich ein Teilgebiet der

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Dabei fällt auf, dass es vorwiegend emotionale Faktoren sind, die zum Vertriebserfolg führen. Die moderne Gehirnforschung unterstreicht diese Erkenntnis und zeigt, dass der Mythos des vorwiegend rationalen Kunden völlig überholt ist. Die Kaufentscheidungen werden zumeist (zu 70 Prozent) unbewusst getroffen. Maßgeblich beteiligt sind das Motiv- und das Emotionssystem im Gehirn. Abhängig davon, welches der Systeme das individuelle Handeln steuert, treffen Kunden ihre Kaufentscheidungen. Starke Konzepte oder Marken sprechen gezielt bestimmte Emotionsfelder an. So ist zum Beispiel bebe auf das Fürsorge-Feld ausgerichtet, während der Audi R8 das Dominanz-Feld bedient und Maggi das Geborgenheits-Genuss-Feld triggert. Dieser Fokus auf Emotionen ist aber nicht nur im klassischen Handel Erfolg versprechend, sondern prinzipiell in jeder Branche. Die Kommunikation, der Gesprächsverlauf, die Nutzenargumen-

tation und die angefertigten Unterlagen sollten individuell auf Ihren potenziellen Kunden mit seinen Motiven und Emotionen zugeschnitten sein. Aber wie geht das? Anhand psychologischer Typenlehren wie denen von Aristoteles, C. G. Jung oder William Moulton Marston, um nur drei Beispiele aus der Historie zu nennen, lassen sich Verhaltenspräferenzen ausmachen. In der heutigen Zeit lässt sich daraus unter anderem ableiten, was zielgruppengerechte Kommunikation generell und speziell in Vertrieb, Marketing, Beratung und Führung bedeutet. Nehmen wir beispielsweise einen Typ, ich nenne ihn mal „dynamischer Entscheider“ (Schwerpunkt im Bereich der Dominanz): Er möchte schnell vorankommen, Ziele effizient und besser als andere erreichen. Bei einer solchen Persönlichkeit mit einer entsprechenden Verhaltenspräferenz wird ein Satz wie „Sie entscheiden sich jetzt für ein extrem vielversprechendes Konzept, das Ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber anderen Anlegern verschafft“ fast immer zu einem Abschluss führen. Wohingegen beispielsweise ein anderer Typ, ich nenne ihn „kontinuierlicher Bewahrer“ (Schwerpunkt im Bereich der Sicherheit), darauf bedacht ist, ob etwas reibungslos funktioniert und sich schon bewährt hat. Der mögliche Abschlusssatz lautet in einem solchen Gespräch: „Da müssen Sie sich um nichts mehr kümmern.“ Und bereits die vorangegangene Vorstellung des Konzepts sollte typengerecht erfolgen: Wenn Sie dem dynamischen Entscheider

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umfangreiche Unterlagen vorlegen und Ihr Konzept ausführlich erläutern, haben Sie meist schon verloren. Dieser Typ möchte kompakte Informationen mit einem eindeutigen und knackig formulierten Mehrwert von Ihnen präsentiert bekommen, während der kontinuierliche Bewahrer sich bei kurz gehaltenen Informationen unsicher fühlen wird und insofern ein Gespräch vorzieht, in dem er sich absichern kann und Fragen beantwortet bekommt. Interessant ist: Bei sämtlichen Typen kann ein und dasselbe Konzept das richtige sein – die individuell auf den potenziellen Kunden abgestimmte Präsentation ist entscheidend. Trotzdem ist es aber mitunter ratsam, unterschiedliche Produkte respektive Konzepte vorzustellen, damit beispielsweise der „Quick Win“ des risikofreudigeren dynamischen Entscheiders oder eben das erhöhte Sicherheitsbedürfnis des kontinuierlichen Bewahrers besser bedient werden kann. Um eine individuelle Ansprache umsetzen zu können, bedarf es natürlich zunächst der Kenntnis verschiedener Verhaltenstypen. Anhand der unterschiedlichen Verhaltenspräferenzen lassen sich individuelle Motive ableiten. Dabei ist es zunächst wichtig, festzustellen, nach welchen Mustern und Motiven ich selbst handele. Hier besteht beispielsweise die Möglichkeit einer computergestützten Analyse zur Selbsteinschätzung mit einer Zuverlässigkeit von circa 80 Prozent, je nach System. Zu empfehlen ist das „DISC-Modell“ („Vier-Farben-Modell“), welches heute mehreren Hundert Systemen als wissenschaftliche Basis dient. Durch die Kenntnis der eigenen Verhaltenspräferenzen lässt sich eine Kundenansprache deutlich effektiver und Erfolg versprechender gestalten. Und wenn ich ein Verständnis der Typen erlangt habe, gelingt es mir besser, einzuschätzen,

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welche Emotionen, Motive und Muster das Verhalten meines Gegenübers beeinflussen. Zu diesem Zweck kann schon ein kurzes Telefonat, eine E-Mail, eine Recherche auf sozialen Plattformen oder eine kurze persönliche Begegnung hilfreich sein. Es gibt unterschiedliche Merkmale, anhand derer ich erkennen kann, wie mein Gegenüber „tickt“. Bleiben wir bei den zuvor aufgeführten Beispielen: Die Kommunikation des dynamischen Entscheiders ist gekennzeichnet durch einen vorwiegend formellen Austausch, der sehr aufgabenorientiert ist. Die Kommunikation mit dem kontinuierlichen Bewahrer zeichnet sich durch spürbare Harmonie und genaues Zuhören aus. Auch die Sprache gibt Anhaltspunkte zur Einschätzung des Typs: Spricht mein Gegenüber eher schnell, direktiv und kommandoartig oder langsam, zurückhaltend und konfliktvermeidend? Weiterhin lässt sich aus der Körperhaltung, Gestik und Mimik sowie der Aufnahmefähigkeit und dem Umgang mit einer Stresssituation ableiten, welche Motive mein Gegenüber antreiben und ihn Entscheidungen treffen lassen. Nun fragen Sie sich sicherlich: „Und wann soll ich das alles tun? Das nimmt doch unglaublich viel Zeit in Anspruch!“ Glauben Sie mir, die Investition lohnt sich. Das Auseinandersetzen mit der eigenen Vertriebs- beziehungsweise Beraterpersönlichkeit und das Trainieren der eigenen Kompetenzen in diesem Bereich machen sich schon bald mehr als bezahlt, denn Sie ersparen sich unnötige Vorbereitungen an anderer Stelle und können gezielter und effizienter auf Ihre Kunden zu- und eingehen. Das wiederum führt mittelfristig und mit einiger Übung zu deutlich besseren Ergebnissen und längerfristiger Bindung

Ihrer Kunden – und sicherlich auch zu der einen oder anderen Weiterempfehlung. Probieren Sie es aus! „Du kannst nicht wieder und wieder tun, was du schon immer getan hast, und erwarten, dass dir etwas anderes passiert, als was dir schon immer passiert ist.“ (Albert Einstein) Vertrieb hat sich gewandelt, konzeptioneller Verkauf steht mehr und mehr im Fokus und hebt den professionellen Finanzplaner vom Markt ab, da man vielerorts dasselbe Produkt zu vergleichbaren Konditionen erhält. Jeder von uns hat in Kauf- oder Beratungssituationen ein Gespür dafür, ob unser Gegenüber sich für mich als potenziellen Kunden und meine Bedürfnisse interessiert oder der Fokus auf der Präsentation des vermeintlich besten Produktes liegt, wobei mich Letzteres meist vom Kauf abhält. Besonders im Bereich der Finanzplanungskonzepte sollte neben dem Konzept die Beziehung zwischen Kunde und Berater im Mittelpunkt stehen. Es geht hier nicht um den Kauf eines Küchengerätes, zu dem ich fünf Preisvergleichs- und Testberichtsportale im Internet befragen kann und am Ende 39,99 EUR ausgebe. Wenn die Chemie stimmt, weil der Kunde sich schon im Erstkontakt (auch per E-Mail oder Telefon), durch den Umfang des Angebotes, die Gestaltung der Unterlagen und schließlich Ihren Auftritt (inklusive Gestik, Mimik und Kleidung) als Berater oder Vertriebsmitarbeiter persönlich angesprochen fühlt, sind Sie einer langfristigen Zusammenarbeit ein ganzes Stück näher. Sollte Ihr Interesse an diesem Thema geweckt sein, so besuchen Sie gern meinen gleichnamigen Vortrag im Rahmen des 13. Financial Planner Forums am 24. und 25. November 2017 in Berlin.

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Die Planungsdiskussion braucht eine neue Kernfrage von Mitch Anthony und Steve Sanduski

Hinweis der Redaktion: Dies ist der zweite in einer Serie von drei Artikeln. Der erste Artikel mit dem Titel „Der Wechsel von einer ROI-zentrierten Planung zu einer Lebensrendite-Planung“ erschien in der Ausgabe Mai 2017 des Journal of Financial Planning.

Wir haben 10 Kernaspekte des Lebens ermittelt, die in direktem Zusammenhang mit Umsicht und Besonnenheit in finanziellen Fragen stehen; und diese 10 Aspekte bilden die drei Kategorien, die für die meisten Menschen zusammen ein „erfülltes Leben“ bedeuten.

n unserem Einführungsartikel zur Lebensrendite-Planung (oder Return on Life, kurz ROL) in der Mai-Ausgabe schrieben wir: „Wollen wir die Dynamik finanzieller Beziehungen dahingehend ändern, dass ihnen ein bedeutungsvoller Wert zugrunde liegt, so müssen wir damit beginnen, die zentrale Frage, die in diesen Beziehungen beantwortet werden soll, anders zu stellen.“

Diese Kategorien sind: (1) ein Gefühl des Wohlergehens; (2) das Gefühl, im Leben voranzukommen; und (3) das Gefühl der Freiheit, genau das Leben führen zu können, das man sich wünscht.

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Bislang lautete die Kernfrage in Beratung und Planung im Wesentlichen: „Verfügen Sie über genügend Geld, oder werden Sie es in der Zukunft tun?“ Kein Wunder, dass Planer so viel Zeit mit dem Validieren von Allokationen, Investments und Renditen verbringen und damit einen Teufelskreis erschaffen, in dem jeder immerzu seine Leistungen im Vergleich zu allen anderen bewerten muss - ein Spiel, in dem es keine Gewinner geben kann. Im ROL-Paradigma lautet die zentrale Frage nicht: „Verfügen Sie über genügend Geld?“ Stattdessen fragen wir: „Leben Sie das erfüllteste Leben, das mit dem Geld, das Sie besitzen, möglich ist?“ Diese Frage legt den Fokus dorthin, wo er hingehört: auf Verhaltensweisen, die messbare Ergebnisse bewirken. Das ROL-Paradigma versetzt den Planer in eine wirkliche Beraterposition und ermöglicht es ihm, mit all seinem Wissen so auf die finanziellen Verhaltensweisen und Prinzipien seines Kunden einzuwirken, dass dessen Situation merklich verbessert werden kann. Im vergangenen Jahr haben wir untersucht, wie genau „das bestmögliche Leben“ aussehen könnte. Welche wichtigen Komponenten eines erfüllten Lebens stehen in direktem Zusammenhang zur finanziellen Entscheidungsfindung?

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Wie misst man ein „erfülltes Leben“? Nach dem Ermitteln der 10 Kernaspekte für eine bessere Lebensrendite, bestand unsere nächste Herausforderung darin, einen Weg zu finden, die individuelle Situation unserer aktuellen und zukünftigen Kunden anhand dieser 10 Faktoren einschätzen zu können. Wir kamen zu dem Schluss, dass Menschen dazu neigen, ihren derzeitigen Status mit den Idealvorstellungen abzugleichen, nach denen sie im Kontext einer Lebensrendite streben. So entstand der ROL-Index. Der ROL-Index hilft unseren Kunden bei der Beantwortung der Frage: „Lebe ich das erfüllteste Leben, das mit dem Geld, das ich besitze, möglich ist?“ Für jeden der 10 Kernaspekte haben wir je eine Frage mit Finanz- und eine mit Lebensbezug formuliert, um Erfolg in allen Lebensbereichen zu bewirken. Unsere Kunden haben dann die Möglichkeit, ihrem gefühlten Fortschritt in jedem dieser Bereiche einen numerischen Wert zuzuweisen. Wir wollen mit dem ROL-Paradigma das Hauptaugenmerk vom wettbewerbsfokussierten Markt auf den persönlichen Fortschritt verlagern, was sowohl für den Kunden wie auch für den Planer große Vorteile mit sich bringt..

Komponenten der Lebensrendite In der folgenden Beschreibung der ROLKomponenten nennen wir die 10 Kernaspekte, die Wohlergehen, Fortschritt

und Freiheit maßgeblich beeinflussen. Für jeden Kernaspekt haben wir Fragen formuliert, die sowohl die Finanzsituation wie auch den persönlichen Lebensentwurf betreffende Erfolgsfaktoren einbeziehen. Jeder Aspekt ist in einfacher, klarer Sprache erläutert und wird durch zwei entscheidende Erfolgsfaktoren definiert. Anschließend nennen wir einige Beispielfragen (sowohl zur Finanzsituation wie auch zum persönlichen Lebensentwurf), anhand derer sich unsere Kunden mit Verbesserungsmöglichkeiten für jeden Kernaspekt ihres Lebens auseinandersetzen können.

Kategorie 1: Wohlergehen

Aspekt 1: Gesundheitsrendite (Ich achte auf mich selbst.) Ich konnte meine Gesundheit bisher ohne finanziellen Stress aufrechterhalten. Ich lasse meine körperliche Gesundheit und mein generelles Wohlergehen regelmäßig ärztlich überprüfen.

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erfüge ich über eine angemessene V Krankenversicherung? Trage ich aktiv dazu bei, gesund zu bleiben? Ernähre ich mich richtig? Treibe ich regelmäßig Sport? Gehe ich ins Fitnesscenter? Habe ich einen persönlichen Hausarzt? L asse ich mich regelmäßig untersuchen?

Aspekt 2: Beziehungsrendite (Ich habe gesunde Beziehungen zu Familie und Freunden.) Meine Beziehungen wurden nicht von Geldangelegenheiten beeinträchtigt. Ich kann es mir leisten, für die Menschen zu sorgen, die mir wichtig sind.

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Habe ich meinen Kindern/Enkelkindern beigebracht, wie man klug mit Geld umgeht? Gab es Probleme, weil ich an Freunde oder Familienmitglieder Geld verliehen habe?

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Financial & Estate Planning | Praxis

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enötigen meine Eltern oder andere B Familienmitglieder finanzielle Unterstützung? Habe ich/haben wir einen Überblick über die Haushaltsausgaben?

Aspekt 3: Wohnortsrendite

(Ich befinde mich dort, wo ich sein möchte.) Ich fühle mich in meinem Zuhause geborgen. Ich kann meine Wohnsituation bequem finanzieren.

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öchte ich auf lange Sicht an diesem M Ort bleiben? Gäbe es Wohnsituationen, die praktischer oder lebenswerter wären? Kann ich die Kosten meiner Wohnsituation problemlos tragen? Denken wir über eine Zweitwohnung oder ein Ferienhaus für die Sommeroder Wintermonate nach?

Aspekt 4: Sicherheitsrendite

(Ich fühle mich mit meiner finanziellen Situation wohl.) Meine gegenwärtige finanzielle Situation gibt mir Sicherheit. Ich blicke zuversichtlich in meine finanzielle Zukunft.

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ühle ich/fühlen wir uns angemessen F abgesichert im Hinblick auf Gesundheit, Haushalt und Eigentum? Könnten meine Liebsten nach meinem Tod ihren Lebensstil beibehalten? Bin ich an Investitionen beteiligt, an denen ich Zweifel habe? Wann habe ich zuletzt meine finanzielle Gesamtsituation bewerten lassen?

Kategorie 2: Fortschritt

Aspekt 5: Ausbildungsrendite

(Ich bin zufrieden mit meinen Ausbildungsinvestitionen.) Ich habe das Gefühl, dass ich meine finanziellen Mittel sinnvoll für Ausbildungszwecke einsetze. Ich bilde mich kontinuierlich fort durch Lektüre, Fortbildungen und Diskussionen mit anderen.

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abe ich eine ROI-Analyse für die H universitäre Ausbildung meiner Kinder unternommen? (falls zutreffend) Habe ich oder jemand aus meiner Familie Schulden aus Studentendarlehen?

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elche Investitionen würde ich gern W hinsichtlich meiner eigenen Verbesserung und Fortbildung tätigen? Gibt es Lernerfahrungen, die ich immer wieder hinauszögere?

Aspekt 6: Leistungsrendite (Ich vollende, was ich beginne.) Ich kann meine Bedürfnisse befriedigen und mir meine Wünsche erfüllen. Ich bin zufrieden mit dem, was ich bisher geleistet habe.

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ibt es Dinge, die ich ausprobieren G würde, wenn ich das Geld dazu hätte? Bin ich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens da, wo ich sein möchte? Gibt es Dinge, die mich daran hindern, etwas Neues auszuprobieren? Kann ich mir Vorstellen, meiner derzeitigen Tätigkeit noch eine lange Zeit nachzugehen?

Aspekt 7: Freizeitrendite (Ich genieße das Leben.) Ich kann mir meine Hobbys und Interessen leisten. Ich nehme mir die Zeit, Ort zu besuchen, die mich interessieren, die Dinge zu tun, die mir Spaß machen, und Zeit mit den Menschen zu verbringen, die mir wichtig sind.

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ann ich mir die Mitgliedschaften, die K ich besitze, bequem leisten? Gibt es Reisen, die ich lieber jetzt als in der fernen Zukunft machen möchte? Gibt es Menschen in großer Entfernung, die ich gern besuchen würde? Gibt es neue Hobbys oder Interessen, die ich immer wieder hinauszögere?

Kategorie 3: Freiheit

Aspekt 8: Freiheitsrendite (Ich tue genau, was ich tun möchte.) Ich nutze mein Geld, um mir freie Zeit zu schaffen. Ich fühle mich frei in Bezug auf meine Arbeit, meine Beziehungen und meinen Lebensstil.

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Gab es Anschaffungen in meinem Leben, die mir Probleme bereitet haben? Bin ich an Investitionen beteiligt, mit denen ich mich unwohl fühle? H abe ich das Gefühl, die Dinge tun zu können, nach denen mir der Sinn steht? Habe ich die Zeit, die Dinge zu tun, die mir am wichtigsten sind?

Aspekt 9: Arbeitsrendite

(Ich bin glücklich mit dem, was ich beitrage und leiste.) Ich habe das Gefühl, für die Werte, die ich schaffe, angemessen entlohnt zu werden (finanziell oder anderweitig). Die Arbeit, die ich tue, macht mich glücklich.

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ntspricht meine Entlohnung dem E Wert, den ich mir selbst zuschreibe? Habe ich das Gefühl, das meine Leistungen angemessen gewürdigt werden? Beziehe ich kontinuierlich neue Energie und Motivation aus meiner Arbeit? Erhalte ich positives Feedback für meine Anstrengungen?

Aspekt 10: Wertrendite

(Mein Leben hat Bedeutung.) Ich habe das Gefühl, dass mein Leben „einen Sinn“ hat.

Ich fühle mich in der Lage, mit meiner Zeit, meinem Talent und/oder meinen finanziellen Mitteln großzügig umzugehen.

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püre ich das Bedürfnis, mehr von S meiner Zeit oder meiner Kraft zu investieren? Bin ich absolut überzeugt von den Dingen, die ich unterstütze? G ibt es wohltätige Zwecke, die ich gern unterstützen würde, es aber noch nicht getan habe? Gibt es tiefere Werte, mit denen ich mich gern näher Beschäftigen würde?

Sie müssen nur die Kernfrage, auf die Sie eine Antwort suchen, anders stellen, dann verändert sich automatisch auch der Blick auf Ihren eigenen Wert. Der ROL-Index ist der Versuch, umfassende Antworten auf genau die Fragen zu finden, die unsere Kunden beschäftigen.

Mitch Anthony ist der Autor von The New Retirementality (mittlerweile in der 4. Auflage), Your Clients for Life und Your Client’s Story. Er ist außerdem ein begehrter Keynote Speaker und weithin anerkannter Pionier im Bereich Financial Life Planning. Steve Sanduski, CFP®, ist New York Times-Bestseller-Autor und Podcast Host. Sein Unternehmen Belay Advisor hilft Einzelpersonen und anderen Unternehmen, ein schnelleres Wachstum zu erreichen. Gemeinsam haben Anthony und Sanduski ROL Advisor gegründet, ein Unternehmen, das Finanzberater dazu befähigen will, ihren Kunden und zukünftigen Geschäftspartnern Lebensrendite-orientierte Beratungen anbieten zu können.

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Recht | Regulierung | Analyse

nfep-Expertengespräch: Unternehmensnachfolge im Mittelstand: Last oder Lust? Im Interview: Nils Koerber

bensabschnitt zur Verfügung zu haben. Und was wäre der konkrete Tipp für eine Lösung? Nils Koerber: Ich empfehle jedem Übergeber, sich mal für 1 bis 2 Tage komplett aus dem Alltag rauszuziehen und sich in Ruhe grundsätzliche Fragen zu stellen. Was bereitet mir heute und zukünftig nachhaltig Freude? Was könnte der Sinn meiner Nachfolgelösung sein? Und was muss ich tun, um diese Ziele zu erreichen?

Nils Koerber, Gründer, K.E.R.N – Die Nachfolgespezialisten, eine Beratergruppe für Unternehmensnachfolge im Mittelstand aus Bremen Herr Koerber, warum fällt Familienunternehmern das „Loslassen“ eigentlich so schwer? Nils Koerber: Die Antwort ist bei jedem Übergeber einer Firma vielschichtig und individuell. Was wir in unserer täglichen Arbeit mehrheitlich feststellen können, sind drei wesentliche Hintergründe.

1) Dem älteren Unternehmer fehlt ein

neues Ziel. Eine Vision von einem neuen Leben nach dem Unternehmen, die ihn motiviert, diesen Schritt zu gehen.

2) Egal ob ich meine Firma verkaufe oder meine Kinder die Nachfolge übernehmen: Viele Entscheider fühlen sich mit der Nachfolgefrage auch selbst infrage gestellt. 3) Fehlende oder lückenhafte Vorsorge

machen es besonders den Inhabern kleinerer Unternehmungen schwer, genügend Einkünfte für den neuen Le-

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Das klingt nach einer sehr persönlichen Herausforderung und Reflektionsfähigkeit. Nils Koerber: Ganz bestimmt. Wer tagein, tagaus über viele Jahre oder Jahrzehnte verantwortlich in seinem „System“ Firma tätig war, nimmt sich selten schon früh die Zeit für diese gewichtigen Fragestellungen. Aus unserer Sicht ist es aber genau das Prinzip der Eigenverantwortung, das unternehmerisch im Alltag gelebt wird und bei der ganz privaten Lebensplanung häufig vergessen wird. Klingt ein wenig ungewöhnlich, aber es fällt Senior-Unternehmern wirklich schwer. Als müsste man etwas Neues lernen. Etwas Unbekanntes anschauen. Auch wenn man es selbst ist. Was würden Sie denn einem Unternehmer empfehlen, wenn dessen Kinder Lust haben, den Generationswechsel anzunehmen und die Nachfolge anzutreten? Nils Koerber: Aus meiner eigenen Lebensgeschichte mit unserem früheren Familienunternehmen, mit meinen El-

tern und Geschwistern, kann ich sagen, dass für mich die Freiheit dieser gewichtigen Entscheidung an erster Stelle steht. Freiheit aus der Sicht der Eltern, die übergeben, und Freiheit aus der Sicht der Kinder, die übernehmen. Was meine ich damit? Kinder sollten im Idealfall wissen und auch fühlen können, dass eine Übernahme des elterlichen Betriebes wirklich freiwillig erfolgen kann. Ich kann, ich muss aber nicht. Und es erfolgt auch kein Beziehungsdrama zwischen Eltern und Kindern oder sogar Liebesentzug. Ich kann als Kind wirklich frei entscheiden, ob ich mich dazu berufen fühle. Und das gilt umgekehrt auch für die Eltern, die Übergeber einer Firma. Die Unternehmung, die alle ernährt, hat Anforderungen an die zukünftige Führung. Welche Qualitäten braucht es in der Führung? Und ist es dann wirklich der Nachwuchs, der diese Aufgabe in der Zukunft erfolgreich meistern wird? Sind die Kinder bereit, ihre Ausbildungen und Qualifikationen danach auszurichten? Je nach Entwicklung sollten Eltern dann auch die Freiheit besitzen, sich gegebenenfalls anders zu entscheiden und ihren Betrieb zu verkaufen. Das gilt es für beide Seiten zu akzeptieren. Das klingt ja schon in den wenigen Sätzen nach Konfliktpotenzial und einem anspruchsvollen Umgang in einem Familiensystem. Nils Koerber: Stimmt! Und gerade die besonders enge Beziehung zwischen Familienmitgliedern macht diesen Entwicklungsprozess in der Nachfolgelösung schwer. Die Rollen in der Familie unterliegen einem komplett anderen Wertesystem als die Rollen und Ansprü-

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Recht | Regulierung | Analyse

che in einer Unternehmung. Und genau das bereitet Schwierigkeiten. Und wie kann es dann gelingen? Was wären die Optionen für ein Familienunternehmen? Nils Koerber: Alle Betroffenen, Übergeber und Übernehmer, sind langjährige Mitglieder einer Familie und unterliegen somit ganz bestimmten Glaubenssätzen und Projektionen. Wir empfehlen in jedem Fall, für diese Prozesse immer einen externen, neutralen und sehr erfahrenen Spezialisten und Moderator beziehungsweise Mediator als Begleiter hinzuzuziehen. Er hat dann die Aufgabe, die richtigen Fragen zu stellen, beim Reflektieren zu helfen und Sichtweisen zu übersetzen. Das ist übrigens der Grund, warum in unserer Beratergruppe fast alle Partner Zusatzausbildungen als Mediatoren und systemische Coaches in die Beratung einbringen können. Was empfehlen Sie, wenn Kinder nicht wollen, können oder dürfen? Nils Koerber: Das ist ein Trend, der inzwischen nach unserer Betrachtung für gut über 50 Prozent der deutschen Familienunternehmen Alltag ist. Ich lasse die Hintergründe an dieser Stelle außen vor und konzentriere mich für die Leser auf die Beantwortung dieser Frage. Wenn innerhalb einer Familie keine Lösung im Generationswechsel zu erwarten ist, stellt der Verkauf der Unternehmung auf jeden Fall eine gute Alternative dar. Es bedeutet ja nicht, dass etwas nicht funktioniert – nur kann in der jeweiligen Familie die Geschichte eben nicht weitergeschrieben werden. Es gibt aber viele andere Einzelpersonen oder Unternehmen, die mit Sicherheit Interesse an einer externen Nachfolgelösung haben. Und dahinter stecken in der Regel und mehrheitlich andere Familien. Der Mittelstand bleibt also in familiärer Hand und die besondere Kultur einer Familienunternehmung wird in eine neue Familie überführt. Und wie sehen Sie Nachfolgelösungen mit den Mitarbeitern einer Firma?

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Nils Koerber: Auch das kann eine tolle Lösung sein. Ein sogenannter MBO (Management-Buy-out) macht eine Nachfolge oftmals sogar leichter, denn die leitenden Mitarbeiter der betroffenen Unternehmung kennen den Betrieb aus dem Effeff und benötigen häufig sogar keine große Einarbeitung oder Einweisung. Da wissen beide Seiten, Übergeber und Übernehmer, was sie erwartet und worauf es ankommt. Zugleich kann die Finanzierung der Transaktion eine solche Lösung aber auch besonders schwierig machen. Woran liegt das? Nils Koerber: Nicht jeder Mitarbeiter eines Familienunternehmens verfügt privat über die erforderlichen Mittel und kann eine eigene Finanzierung auf die Beine stellen. Wenn dann der Übergeber nicht bereit ist, zu helfen, wird es nichts mit der internen Nachfolge im Betrieb. Und wie könnte eine Hilfe aussehen? Nils Koerber: Da gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Ich nenne mal zwei Modelle, die sehr häufig als Lösungsansatz gewählt werden:

• Ein Teil des Kaufpreises wird als Verkäuferdarlehen ausgewiesen, somit wird der Übergeber neben einer Bank zum weiteren Finanzierungspartner des Übernehmers.

• D ie Anteile werden über die Jahre hinweg Schritt für Schritt übertragen und der Nachfolger kann somit versuchen, einen Teil der Finanzierung selbst zu verdienen.

Natürlich haben diese Modelle auch ihre Risiken und die gilt es gegenüber einer externen Nachfolge durch fremde Käufer abzuwägen. Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht der Markt für Unternehmensnachfolgen? Nils Koerber: Wir erarbeiten in diesen Wochen eine bundesweite, eigene Nachfolgestudie und haben dafür die Altersklassen der Inhaber und die

Anzahl der Betriebe in den deutschen Kammerbezirken unter die Lupe genommen. So viel kann ich hier schon verraten: Die Lage ist ernster, als wir es im Alltag wahrnehmen, und aus unserer Sicht haben die politisch Verantwortlichen die volkswirtschaftliche Dimension bis heute nicht erkannt. Aufgrund der enorm hohen Kleinteiligkeit der Firmen und Strukturen fällt dieser schleichende Prozess nicht sonderlich stark auf. Über 90 Prozent der deutschen Firmen beschäftigen weniger als 25 Mitarbeiter. Und wenn die morgen verschwinden, fällt es erst nach Jahren und bei einem höheren Tempo der Firmenvernichtung wirklich auf. Und was wäre dann die Lösung? Nils Koerber: Die einzig und allein glücklich machende Lösung gibt es nicht. Ich halte persönlich auch bei dieser Frage viel vom Prinzip der Eigenverantwortung. Wenn Unternehmer die Nachfolgefrage wirklich ernst nehmen und sie als größte unternehmerische Herausforderung schlechthin begreifen, sollte ein großer Teil aller Nachfolgefragen in Familienunternehmen lösbar sein. Nur muss ich es wollen und mich darauf einlassen. Auch mit Zeit, denn unter Druck gelingen Unternehmensnachfolgen eher selten oder gar nicht. Welche Unterstützung können sich Unternehmer suchen oder erhoffen? Nils Koerber: Unternehmensnachfolge ist extrem komplex. Sie betrifft juristische, wirtschaftliche, steuerliche und emotionale Bereiche. Und alles ist massiv miteinander verwoben. Da kann ich als Firmeninhaber nicht alles selbst wissen und muss mir Experten suchen. Begleiter, die genau diese Erfahrungen haben und mich wie bei einer anspruchsvollen Tour im Gebirge als Bergführer sicher zum Ziel bringen. Ohne Absturz und idealerweise auch ohne Umwege. Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Maximilian Kleyboldt vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

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Kolumne

Operation Exit beginnt von Dr. Martin Lück

der Gewinne – und damit der faire Aktienwert – ist damit höher.

Dr. Martin Lück, Managing Director, Chief Investment Strategist für Deutschland, Österreich, Schweiz und Osteuropa bei BlackRock

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ie Weltwirtschaft befindet sich seit Mitte letzten Jahres in einer Phase soliden Wachstums, und zwar in Amerika genauso wie in Asien und Europa. Gleichzeitig nimmt die Inflation nur langsam Kurs Richtung Norden, was den Zentralbanken alle Zeit der Welt gibt, ihre Geldpolitik zu normalisieren. Entsprechend bleiben die Zinsen niedrig. Aus beiden Faktoren, solidem Wachstum und niedrigen Zinsen, ergibt sich ein günstiger Mix, der insbesondere die Aktienpreise antreibt. In der ersten Jahreshälfte war nun gelegentlich zu hören, Anleger seien sorglos geworden. Als Beleg dafür wurde gern angeführt, dass Aktien inzwischen wirklich teuer seien und die niedrige Volatilität darauf hindeute, dass Investoren den Blick für die Risiken verloren hätten. Höchste Zeit also für eine Korrektur, so der Tenor. Bewertung ist ein ziemlich relativer Begriff. Nicht alles, was teuer aussieht, ist auch wirklich teuer. Ist man sich nämlich darüber einig, dass die Zinsen vermutlich noch lange niedrig bleiben, bleiben Aktien auch auf längere Sicht relativ attraktiver als im Durchschnitt vergangener Jahrzehnte. Darüber hinaus bedeuten niedrige Zinsen, dass zukünftige Unternehmensgewinne mit einem geringeren Diskontierungsfaktor abgezinst werden. Der Gegenwartswert

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Auch bezüglich der Volatilität glauben wir nicht an die Geschichte vom sorglosen Anleger. Perioden niedriger Volatilität sind in der langfristigen Betrachtung nämlich keineswegs eine Ausnahme, sondern eher die Regel gewesen. Seit 1872 befand sich der amerikanische Aktienmarkt in 80 Prozent der Fälle in einem Umfeld niedriger Volatilität. Auffällig ist, dass solche Phasen oft mit einem positiven makroökonomischen Umfeld einhergegangen sind. Lief die Volkswirtschaft, schwankten Aktienkurse weniger. Das klingt plausibel, und das ist es auch. Natürlich wurde die Volatilität seit der Finanzkrise auch durch die Zentralbankpolitik niedrig gehalten, die andererseits auch der Volkswirtschaft auf die Beine geholfen hat. Insofern hat sich dank der Zentralbanken der Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und Volatilität bestätigt. Andersherum ausgedrückt: Hätten die Zentralbanken nicht ihre oft kritisierten Extremmaßnahmen durchgeführt, wäre heute die wirtschaftliche Lage um einiges düsterer und die Luft an den Börsen wesentlich rauer. Während bisher im beschriebenen Umfeld niedriger Volatilität auch größere Politikrisiken (Brexit, US-Wahl, Nordkorea et cetera) stets nur zu temporärer Nervosität geführt hatten und die Volatilität schnell wieder auf ihre niedrigen Ausgangswerte zurückgekehrt war, steht mit dem anstehenden Richtungswechsel der Zentralbanken möglicherweise ein echter Game-Changer ins Haus. Sowohl die Fed als auch die EZB werden nämlich in den kommenden Quartalen ihr Quantitative Easing (QE) zurückdrehen – ein noch nie da gewesenes ökonomisches Experiment. Die US-Notenbank, die im Prozess der geldpolitischen Normalisierung ihren europäischen Kollegen um gute vier Jahre voraus ist, verringert ab sofort graduell ihre Bilanzsumme. Auch wenn wir keinen starken Anstieg der US-Anleihezinsen erwarten, ist es doch eine offene Frage, ob sich bei den gegebe-

nen Renditen für die Bonds, die dann nicht mehr von der Fed gekauft werden, am Markt genügend Interessenten finden. Wenn nicht, werden die US-Zinsen steigen. In Europa tastet sich die EZB gerade erst zum ersten Schritt dieses Exits auf Raten vor: der Absenkung der monatlichen Anleihekäufe. Die EZBBilanz wächst also zunächst weiter, aber weniger schnell, bis sie an einem Punkt weit in der Zukunft auch zu schrumpfen beginnen wird – genau wie die FedBilanz heute. In Europa, wo zuweilen die Emittenten von Staatsanleihen sehr unterschiedliche Wertschätzung seitens der Investoren genießen, könnte es zu Problemen kommen, wenn etwa für Anleihen eines Landes, für die bisher trotz sehr niedriger Zinsen zuverlässig die EZB als Käufer bereitstand, nun Käufer gefunden werden müssen, die sich aber nur bei niedrigeren Kursen, also höheren Renditen, zum Erwerb bereitfinden. In Südeuropa, wo die von Strukturreformen, Rentenkürzungen und Sozialabbau betroffenen Menschen gerade erst ein wenig Morgenluft schnuppern, könnte es bei wieder anziehenden Anleihezinsen, also höheren Finanzierungskosten und größerem Spardruck auf die Regierungen, als Erstes wieder ungemütlich werden. Insbesondere das krisengeplagte Italien, wo im Frühjahr 2018 Parlamentswahlen anstehen, könnte sich zum Sorgenkind entwickeln. Hat nämlich gerade der Rückenwind für die antieuropäischen Populisten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung etwas abgenommen, könnte ein Wiederaufflammen der Eurokrise den entsprechenden Parteien neue Unterstützung verleihen. Ein gefährlicher Kreislauf aus Vertrauensverlust und höheren Spreads, gefolgt von noch mehr Vertrauensverlust, könnte leicht die Folge sein. Die EZB macht also alles richtig, wenn sie den Exitpfad auf Samtpfoten beschreitet. Ein falscher Tritt – und die Eurokrise könnte zurückkommen. Normalisierung der Geldpolitik mag harmloser klingen als Säbelrasseln in Nordkorea, für Anleger ist sie aber das wesentlich konkretere Risiko.

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Kolumne

Überliste dich selbst: Wie sich mit den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie die Altersvorsorgeprobleme lösen lassen Altersvorsorge könnte so einfach sein. Das „Center for Behavioral Finance“ von Allianz Global Investors hat dafür einen auf der Verhaltensökonomie basierenden Beratungsprozess entwickelt.

von Hans-Jörg Naumer

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ieser Prozess setzt an drei Verhaltensmuster an, die den Anlegern bei der (richtigen) Allokation von Vermögenswerten ebenso im Wege stehen wie bei der Altersvorsorge:

kann, die Vorsorgefalle zu umschiffen, sich also selbst zu überlisten:

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ie Trägheit („inertia“), d d ie Verlustaversion („loss aversion“) und die Kurzsichtigkeit („myopia“).

Trägheit: Keine Entscheidung treffen zu müssen, ist die bequemste „Entscheidung“. Die Altersvorsorge muss also warten. Die Theorie der Verlustaversion, entwickelt von Kahneman und Tversky, steht ganz am Anfang der Verhaltensökonomie. Sie hat die Erkenntnis gebracht, dass ein Verlust in absoluten Einheiten mehr wiegt, als ein Gewinn in gleichem Umfang Freude bringt. Und nicht nur das: Bei der Geldanlage neigen Menschen zudem dazu, die Performance aus der Vergangenheit, etwa aus den letzten zwölf Monaten, abzulesen, statt sich nach ihren zukünftigen Erwartungen und der Performance über den eigentlichen Anlagezeitraum zu orientieren. Sie nehmen also die Wertentwicklung über einen verkürzten Zeitraum wahr, wobei die Verluste stärker ins Gewicht fallen als die Gewinne.

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Ü berwinde die Trägheit mit Einfachheit. Überwinde die Verlustaversion mit Risikomanagement. Überwinde die Kurzsichtigkeit, indem die eigene Zukunft greifbar gemacht wird.

Was bedeutet das konkret? Überwinde die Trägheit des Vorsorgenden mit Komplexitätsreduktion und einer besseren Entscheidungsarchitektur aufseiten des Produktangebots. Die Empfehlungen: Vorsorgepläne der Arbeitgeber sollten auf Opt-out umgestellt werden. Bei der Investitionsentscheidung selbst sollten nur wenige Entscheidungen erforderlich sein. Per Voreinstellung sollte den Vorsorgesparern ein entsprechend ihrem jeweiligen Risikoprofil passendes MultiAsset-Produkt vorgeschlagen werden – der Erkenntnis gemäß, dass circa 90 Prozent der Menschen froh über eine konkrete Lösung sind, weniger als 10 Prozent diese ihren Bedürfnissen anpassen wollen und nur rund 1 Prozent die vollkommene Entscheidung über die Allokation bevorzugt.

Schlechte Karten also für die Altersvorsorge?

Zur Überwindung der Verlustaversion sollte zum Beispiel der Sparbetrag zu Beginn verhaltensökonomisch optimiert werden, also ganz nach dem Motto: lieber heute weniger, dafür aber morgen mehr. Denn ein zukünftiger „Verlust“ wird weniger als Verlust wahrgenommen (Zeitpräferenz). Es wird Geld gespart, das man ohnehin noch nicht hatte. Die Dynamisierung sollte deshalb analog zu künftigen Gehaltssteigerungen vorgenommen werden.

Unsere US-amerikanischen Kollegen vom Center for Behavioral Finance adressieren bei ihren Beraterschulungen diese drei Verhaltensmuster sehr bewusst und leiten daraus ihre Empfehlungen ab, wie Menschen geholfen werden

Die Verlustaversion sollte sich auch in der Produktwahl ausdrücken, sei es bei der Einmalanlage oder dem Ansparprozess. Ein aktives Management, das Risiken dem Anlegerprofil gemäß kontrolliert, hilft hier weiter. Insgesamt helfen

Kurzsichtigkeit: Evolutionsbedingt leben wir im Hier und Heute. Wir wollen eine sofortige Befriedigung unserer Bedürfnisse („instant satisfaction“) und empfinden Sparen als Verlust. 100 EUR im Sparplan sind eben 100 EUR, die uns heute nicht für den Konsum zur Verfügung stehen.

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Multi-Asset-Produkte, die Verlustangst zu verringern, da sie in der Regel deutlich weniger volatil sind als beispielsweise ein reines Aktienportfolio. Um die Kurzsichtigkeit zu überwinden, sollten schon im Beratungsprozess gewisse Fragen gestellt werden, die helfen, sich den in der Zukunft liegenden Nutzen möglichst konkret vorzustellen: „Was wäre, wenn sich das Altersvorsorgeprodukt in dieser Richtung weiterentwickelt? Welchen Betrag hätten Sie gern pro Monat mehr? Was würden Sie mit dem Geld machen (Weltreise, Enkelkinder verwöhnen, neues Auto kaufen et cetera)?“ Dadurch wird das zukünftige Ergebnis greifbarer.

Erfolgsfaktor Verhaltensökonomie Wie die Erfahrungswerte zeigen, können die Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie sehr vorteilhaft zum Zwecke der Vorsorge genutzt werden. Tatsächlich tun sie nichts anderes, als den Vorsorgesparern bei der Selbstüberlistung zu helfen. Verbunden mit der Einsicht, dass ohne Risikoprämie kein Wohlstand zu erreichen ist, liefert die Verhaltensökonomie wertvolle Erkenntnisse zur Lösung des Altersvorsorgeproblems, die sich durchaus auch für das Anlagegespräch nutzen lassen.

Hans-Jörg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors

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Risikomanagement in der Finanzplanung

Tücken und Fallstricke für die Rendite der ausländischen fondsgebundenen Versicherung Kostenelemente und mangelhaftes Controlling

von Alexander P. Letzsch

maßgebliches Kriterium der Ausschluss der Einflussnahme des Kunden auf Anlageentscheidungen bleibt. Die Nettorendite der fondsgebundenen Lebensversicherung wird von verschiedenen Elementen getragen: dem allgemeinen Anlageerfolg des Assetmanagers auf Basis der gewählten Strategie und den Kosten, die insgesamt über die Versicherung entstehen. In Zeiten von Niedrigzinsen wurde bereits sehr viel über die Erfolg bringende Strategiewahl diskutiert und der Wettbewerb der Assetmanager trägt einen weiteren Teil hierzu bei.

Alexander P. Letzsch, ass. iur., exec MBA (HEC Paris), Jurist, arbeitet seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Positionen im In- und Ausland im Bereich der Vermögensverwaltung, -planung und -strukturierung.

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unden, die eine fondsgebund e n e L e b e ns v e r si c h e r un g abschließen, erhof fen sich hierdurch eine durchweg höhere Anlagerendite, als mit einer Garantieverzinsung bei einer klassischen Lebensversicherung erreicht werden kann. Auf Ebene der fondsgebundenen Lebensversicherung sind dabei inländische und gleichberechtigte EU-/EWRAnbieter zu unterscheiden. Letztere haben in der Regel freiere Vorgaben für die Anlagepolitik innerhalb des Versicherungsvertrages, als dies bei nationalen Anbietern der Fall ist. Die steuerliche Anerkennung aller Anbieter ergibt sich dann daraus, dass gesetzlichen Vorgaben des EStG und dem Schreiben der Verwaltung vom 01.10.2009 (BMF IV C 1 – S 2252/07/0001) gefolgt wird, wobei unter Verwendung von segregiertem Versicherungsvermögen

Weitgehend unbeachtet blieb in der bisherigen Diskussion der Anteil der verdeckten oder vermeintlich unabänderbaren Kosten. Diese Kosten stellen aber einen wesentlichen Teil des Erfolges oder Misserfolges einer Anlage dar, vor allem in Zeiten niedriger Zinsen. Insbesondere ausländische Anbieter stehen hier im Fokus, wenn dort mit unterschiedlichen Assetmanagern und Verwahrstellen gearbeitet wird. In der Praxis setzt sich die Erfolgsrechnung der fondsgebundenen Versicherung für den Versicherungsnehmer im Wesentlichen wie in Abbildung 1 zusammen. Beim Abschluss des Vertrages wird ausführlich über die Kostenpositionen 1 bis 5 gesprochen und diese werden meist in der Renditeberechnung beispielhaft ausgewiesen. Die Kosten des Maklers und dessen Mehrwert muss der Kunde selbst beurteilen – denn Versicherungen dieser Art werden häufig auch direkt vertrieben. Eine rechtliche und steu-

erliche Beratung darf der Makler nicht leisten, lediglich eine gewisse Erfahrung mit den Produkten kann für den Kunden hilfreich sein, ebenso die Haftungsvorschriften1 für den Makler in Bezug auf Beratungs- und Hinweispflichten als Sachwalter für seinen Kunden. Transaktionsbezogene Kosten bleiben außen vor und unbeachtet. Die allgemeinen Bedingungen (AVB) der Versicherer weisen dann in der Regel nur grob beschreibend auf die weiteren Kostenpunkte 6 bis 8 hin, wobei meist auf die Erstattung von einbehaltenen Quellensteuern (Punkt 9) kaum eingegangen wird. Der Grund hierfür ist recht einfach: Die Positionen 6 bis 9 erhöhen die Komplexität für die Versicherung erheblich, und das bedeutet, dass der Kostenaufwand für diese ebenfalls erheblich ansteigt, wenn darauf eingegangen wird. Dem Kunden ist beim Abschluss des Vertrages kaum bekannt, was für Kosten mit seinem Versicherungsvertrag in Verbindung stehen können. Und dabei gilt: Was nicht bekannt ist, danach wird auch nicht gefragt. Die einzelnen Beteiligten am Versicherungsvertrag mit möglichen Kostentreibern sind in Abbildung 2 zusammenfassend – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – dargestellt. Etwas einfacher wird es auf den ersten Blick, wenn die Bank sowohl Assetmanager als auch depotführende Bank ist – aber nur in Form der einzelnen Kostenpositionen. Keineswegs wird dabei aber offensichtlich, welche Abreden diese Bank beispielsweise mit

1| §§ 60, 61 VVG und einschlägige Vorschriften des BGB

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Risikomanagement in der Finanzplanung

Fondsmanagern und anderen über Kick-backs getroffen hat. Erschwert wird die Transparenz dadurch, dass die Versicherung alleiniger Vertragspartner der Bank und des Assetmanagers sowie Inhaber des Kontos ist. Auf diese Beziehungen kann der Versicherungsnehmer qua Geschäftsmodell keinen Einfluss nehmen und nur selten Einblick in jene haben. Das steuerlich notwendige Verbot der Einflussnahme durch den Kunden auf die einzelnen Anlageentscheidungen führt dazu, dass der Kunde in der Regel auch vom Kontakt mit der Bank oder dem Vermögensverwalter ausgeschlossen wird. Der Kunde wird keine Möglichkeit haben, den Versicherer davon zu überzeugen, die einzelvertraglichen Regelungen zwischen ihm und der Bank, stellvertretend für den Teil der Vermögensanlage im Versicherungsvertrag, offenzulegen – es sei denn, der Versicherer wäre vorvertraglich dazu verpflichtet oder müsste für ein Fehlverhalten zum Nachteil des Kunden haften. Zwar gibt es ein Verbot für Retrozessionen bei Privatanlegern und das Bedürfnis nach vollkommener Transparenz, in diesem besonderen Dreiecksverhältnis der ausländischen fondsgebundenen Versicherung wird die Transparenz aber nicht möglich, wenn der Versicherer als institutioneller Anleger diese nicht einfordert oder in seinen Vertragsbeziehungen mit den Vermögensverwaltern berücksichtigt hat. Folgende Beispielsfälle sollen die wesentlichen Probleme ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein wenig erläutern, wobei folgender Musterfall zugrunde gelegt wird: Ein 45-jähriger deutscher Kunde hat eine fondsgebundene Lebensversicherung im EU-/EWR-Ausland (zum Beispiel Irland, Liechtenstein, Luxemburg) über 1 Million EUR Einmalprämie direkt bei der Versicherung abgeschlossen. Die Verwaltungsgebühr der Versicherung liegt bei 0,6 Prozent inklusive Risikokosten per annum; die Bank ist gleichzeitig Vermögensverwalter und verlangt für die moderate Strategie 0,6 Prozent pro Jahr. Fall 1: Der Kunde hat eine Strategie gewählt, mit der die gesamte Summe in einen in Irland verwahrten Fonds angelegt werden soll. Dieser Fonds weist nach dem Jahr 1 eine Wertsteigerung von 5 Prozent aus, im Jahr 2 erzielte er eine Wertsteigerung um 4,5 Prozent. Fall 2: Der Kunde überlässt der Bank

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in einem diskretionären Mandat die Vermögensverwaltung. Die Bank setzt die Anlagestrategie nach ihren Grundsätzen um, die der Anlageausschuss der Bank entsprechend definiert und überwacht. Fall 3: Die Bank in Fall 2 erwirtschaftet brutto 5 Prozent Anlageerfolg, wobei Quellensteuern zwischen 15 und 35 Prozent (meist um 20 Prozent) in verschiedenen Ländern anfallen. Die Versicherung ist zum Doppelbesteuerungsabkommen berechtigt und kann einbehaltene Quellensteuern zurückfordern. In Fall 1 scheint es auf den ersten Blick ziemlich einfach zu sein: In einen Fonds werden 1 Million EUR investiert. Was dem Kunden aber nicht offenbart wird, ist, ob es Ausgabeaufschläge bei dem Fonds gibt oder ob in eine sogenannte industrielle Tranche mit geringeren Kosten investiert wird. Die Ausgabeaufschläge können bis zu 5 Prozent ausmachen. Dies soll im Beispiel auch der Fall sein und die Bank erhält eine Vertriebsprovision von 20 Prozent hiervon. Damit startet der Kunde dann nur mit 950.000 EUR in seinem Versicherungsvertrag auf der Anlagenseite. Das Fondsmanagement selbst – nicht das der vermögensverwaltenden Bank – schlägt auch noch einmal mit Kosten zu Buche, die hier im Beispiel bei 0,8 Prozent liegen sollen – 0,2 Prozent davon (also 25 Prozent) fließen als Bestandsprovision an die Bank zurück. Ein weiteres Element ist die Verwahrstelle: Die Bank ist eine deutsche Inlandsbank, das Depot des Versicherungsvertrages wird in Deutschland geführt. Aber: Der gezeichnete Fonds wird an einer Drittstelle im Ausland verwahrt. Hierfür wendet die Bank – mangels anderer Regelung mit der Versicherung – ihre allgemeinen Preisbedingungen laut Aushang an. Dort lautet die Gebühr für die Verwahrung von Wertpapieren bei einem Dritten 0,5 Prozent per annum. Dem stehen in der Regel viel geringere Kosten der externen Verwahrstelle gegenüber – das erhöhte Preisniveau wird dann mit zusätzlichem Berichtsaufwand et cetera begründet. Die Ergebnisse des ersten Falles sehen Sie in der Abbildung 3. Die in der Abbildung 3 dargestellte Neuberechnung nach kontrollierten Kosten zeigt das zusätzliche Ertragspotenzial für den Kunden auf, das sich bei ordentlichem Vertragsmanagement und Kenntnis aller Kosten umsetzen lässt. Das Ergebnis liegt bereits nach 2 Jahren

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Risikomanagement in der Finanzplanung

um 4,2 Prozentpunkte höher als im Ausgangsfall beziehungsweise ist es insgesamt um das mehr als das 6-Fache (!) besser. Stringentes Kostenmanagement kann damit auch in Niedrigzinsphasen zu deutlichen Ergebnisverbesserungen führen. Die Realkosten für die Drittstellenverwahrung wurden hier lediglich geschätzt, es ist sicher möglich, das Ergebnis auf dieser Ebene weiter zu verbessern. Wenn die Realkosten der Drittstellenverwahrung der Realität entsprächen, so würde im Ausgangsfall die Bank – neben den Gebühren für das Assetmanagement, das hier lediglich aus dem Überwachen des einen Fonds besteht und auch der Höhe nach angezweifelt werden könnte – insgesamt circa 1,8 Prozent Gebühren im ersten Jahr und rund 1 Prozent im zweiten Jahr einnehmen. Für den Versicherungskunden ist das natürlich ein entsprechender Kostentreiber. Der Fall 2 ist komplexer, als er zunächst scheint. Natürlich werden die Anlageentscheidungen von einem Anlageausschuss in der Bank getroffen, und die Gründe für Über- und Untergewichtungen in der Vermögensverwaltung sind volkswirtschaftlich und wirtschaftlich begründbar. Aber in diesem Fall werden die Vehikel, die die Anlageentscheidungen umsetzen, sehr häufig von der Bank selbst aufgelegt. Möglich sind hier – neben Ausgabeaufschlägen wie in Fall 1 und hohen Managementkosten innerhalb des Fonds – weniger hohe externe Verwahrgebühren. Denkbar ist auch, dass „Ladenhüter“ aus dem Anlagespektrum der Bank in die spezifische Verwaltung aufgenommen werden, die gerade so in die Anlagestrategie des einzelnen Versicherungsvertrages passen, oder im schlimmsten Fall das eigene Buch der Bank zulasten des Kunden gesäubert wird, um kritische Investments loszuwerden. Es dürfte jedem Leser klar sein, dass in dem hier geschilderten Beispiel nicht unbedingt das Anlageinteresse des Kunden an erster Stelle steht. Bei der Versicherung heißt es bilanztechnisch, dass die Assets des Versicherungsvertrages solche sind, bei denen der Versicherungsnehmer das Risiko der Anlage trägt. Damit wird aber auch deutlich, dass sich die Versicherung nicht unbedingt in der Verpflichtung sieht, das Anlageergebnis im Sinne des Kunden zu verbessern oder gar dafür zu sorgen, dass gewisse Anlagestandards von den von ihr mandatierten Asset-

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managern – bei denen häufig auch die Form des Auswahlverfahrens fraglich ist – eingehalten werden. Erst recht ist dann Vorsicht geboten, wenn der Assetmanager als Teil einer Bank die meisten Wertschöpfungsinstrumente einer Vermögensanlage selbst abbildet. Der Kunde sollte dem Versicherer in diesem Fall eindeutige Auflagen zu Anlagevehikeln und Kosten machen, um ihn zu verpflichten, eine interessenwahrende Kontrolle auszuüben.

ren, wo welche Kosten entstehen und was er für diese Aufwendungen erwarten kann. Schließlich reduzieren diese Aufwendungen seinen Ertrag. Einerseits sollte der Versicherer eine Organisationsstruktur entwickelt haben, die seinen zusätzlichen Preis für den Kunden gerechtfertigt erscheinen lässt, andererseits sollte der Kunde sich überlegen, ob ein Versicherer, der eine solche Struktur nicht implementiert, der richtige Anbieter für ihn ist.

Im letzten Fall 3 soll einfach davon ausgegangen werden, dass 50 Prozent der Anlagen in direkter Form erfolgt sind. Die Auswirkung der einbehaltenen Quellensteuern zeigt sich am Ergebnis: Eine Anlage von 500.000 EUR rentiert mit 5 Prozent brutto aus Zinsen und Dividenden – Kapitalgewinne bleiben außen vor. Das sind 25.000 EUR im Jahr. Hiervon werden 5.000 EUR Quellensteuern einbehalten. Werden diese nicht zurückgefordert, so ist die Gesamtrendite des Versicherungsvertrages bei gleicher Bruttorendite nach Steuern um mindestens 0,5 Prozent per annum niedriger. Mit anderen Worten: Werden die Quellensteuern nicht zurückgefordert, so wird Rendite verschenkt. Die Versicherung ist ein anerkanntes Vehikel, das von Quellensteuern befreit ist. Häufig werden die Quellensteuern vom Versicherer aber nicht zurückverlangt, weil es ihm beispielsweise zu kosten-/ personalintensiv ist oder der Kunde niemals danach gefragt hat. Ist es ein zugesicherter Vertragsbestandteil, so muss der Versicherer das umsetzen, in der Regel dürften die AVB hierzu aber keine konkreten Verpflichtungen ausweisen. Eigentlich sollte die automatische Quellensteuererstattung als Best Practice gelten, einige halten sich aber hier noch an weiche vertragliche Regelungen, deren Wirksamkeiten im nationalen Recht noch gerichtlich überprüft werden müssen.

Juristisch stellt sich natürlich immer die Frage, wie weit die Vermögensbetreuungspflicht des Versicherers im Rahmen des gesamten Versicherungsvertrages geht und ob sich dafür bei bestehenden Verträgen von Kunden entsprechende Ansprüche ergeben könnten. Eine Freizeichnungsklausel für den Versicherer wird es nicht geben können, aber der Sachwaltergedanke sollte hier fortgeschrieben werden.

Die vorstehenden Beispiele zeigen deutlich auf, wie stark die Rendite im fondsgebundenen Versicherungsvertrag von Elementen abhängt, die dem Kunden oft nicht bekannt sind. Erfolg und Misserfolg liegen sehr nah beieinander. Es sollte nachvollziehbar sein, dass nicht alle Kosten zu akzeptieren sind. Augenmaß und Nachhaltigkeit sollten hier eingefordert werden. Eine Leistung muss nicht kostenlos erbracht werden. Der „billige Jakob“ wird auch nicht der zu bevorzugende Anbieter sein. Kostentransparenz muss sein – der Kunde hat ein Recht darauf, zu erfah-

Natürlich wäre es verfehlt, den fondsgebundenen Versicherungen aus dem EU-/EWR-Ausland eine treuhänderische Funktion zuzuordnen – auch wenn dies früher unter gewissen Voraussetzungen der Fall gewesen sein mag. Aber: Die fondsgebundene Lebensversicherung weist eine Koordinierungsfunktion der verschiedenen Vertragsbestandteile auf, und der Versicherer hat die Möglichkeit, diese als Vertragspartner im Sinne des Kunden zu beeinflussen. Und damit sollte der Versicherer gewisse Handlungsmaximen umsetzen, die bei Banken bereits anerkannt sind. Dies fängt bei Best-Execution-Grundsätzen für den Wertpapierhandel an, geht über kurze Fristen bei der Umsetzung von Strategiewechseln mit Qualitätssicherungselementen und endet dabei, dass auch ein Kostenmanagement umgesetzt wird, das die Rendite für den Kunden im Auge behält. Ebenso muss der Versicherer über ein internes Compliancesystem verfügen, das die Vorgaben der Verträge im Interesse der Kunden genau kon-trolliert und bei den Partnern umsetzt. Dies schließt neben dem normalen Gebührenmanagement auch die Kontrolle der abgerechneten Kosten der Vertragspartner ein. Denn auch hier ist nachvollziehbar, dass die Versicherung aufgrund der Ver tragshoheit die Interessen des Kunden an einer ordentlichen Rendite wahrnehmen muss – und das schließt wiederum ein, dass der Versicherer die Einhaltung der Vertragspflichten seiner Vertragspartner kontrolliert. Letztlich lassen sich damit auch die Gebühren der Versicherung rechtfertigen.

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Risikomanagement in der Finanzplanung

1

ERFOLGSRECHNUNG DER FONDSGEBUNDENEN VERSICHERUNG FÜR DEN VERSICHERUNGSNEHMER Anlageerfolg ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./. ./.

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9)

Administrativkosten des Versicherungsunternehmens Risikokosten der versicherten Person Vertriebskosten des Versicherungsunternehmens Kosten des Maklers (Bestandspflege) Kosten des Assetmanagers Kosten der Verwahrstelle (Custodian), wenn nicht bereits in (5) enthalten Kosten der Transaktionen innerhalb des Versicherungsvertrages Retrozessionen für Fonds, Bestandspflegeprovisionen Einbehaltene und nicht zurückgeforderte Quellensteuern auf Zinsen und Dividenden

Ergebnis nach Kosten

2

DIE EINZELNEN AM VERSICHERUNGSVERTRAG BETEILIGTEN MIT MÖGLICHEN KOSTENTREIBERN Makler VN

Lebensversicherung

Versicherungsvertrag

BP

VP

externe Verwahrstelle

Depotbank

Assetmanager „Bank“

Fondsverwalter

Einzeldepot

Quellensteuern Quelle: eigene Grafik zur beispielhaften Illustration

3

BERECHNUNGSBEISPIEL NACH FALL 1 Jahr 1 Ergebnis Versicherungsprämie Ertrag im Jahr 1 Kosten der Versicherung Kosten des Assetmanagers Ausgabeaufschlag Verwahrstellenkosten Ergbnis im Jahr 1

-

in Euro versteckte Erträge 1.000.000,00 47.500,00 6.000,00 6.000,00 10.000,00 50,000,00 4.750,00 980.750,00

Einsparpotenzial Kosten des Assetmanagers Verwahrstellenkosten Ausgabeaufschlag NEUBERECHNUNG Versicherungsprämie Ertrag im Jahr 1 Kosten der Versicherung Kosten des Assetmanagers Ausgabeaufschlag Verwahrstellenkosten Ergbnis im Jahr 1

-

Jahr 2

10.000,00 2.375,00 25.000,00 37.375,00 in Euro 1.000.000,00 49,250,00 6.000,00 6.000,00 15.000,00 2.462,50 1.019.787,50

in Euro Wert Versicherungskonto 980.750,00 Ertrag im Jahr 2 44.133,75 Kosten der Versicherung 5.884,50 Kosten des Assetmanagers 5.884,50 Ausgabeaufschlag Verwahrstellenkosten 4.903,75 Ergbnis im Jahr 2 1.008.211,00

Teil des Ausgabeaufschlags Realkosten Reduktion auf 1,5% insgesamt

versteckte Erträge

-

-

1.961,50 2.451,88

-

4.413,38

in Euro Wert Versicherungskonto 1.019.787,50 Ertrag im Jahr 2 45.890,44 Kosten der Versicherung 6.118.73 Kosten des Assetmanagers 6.118.73 Ausgabeaufschlag Verwahrstellenkosten 2.549,47 Ergbnis im Jahr 2 1.050.891,01

versteckte Erträge

1.961,50

Bestandsprovision Realkosten

versteckte Erträge

-

Quelle: eigene beispielhafte Berechnungen, Fehler und Irrtum vorbehalten.

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Risikomanagement in der Finanzplanung

Risikoabsicherung in der Finanzplanung – Sachversicherungen für den privaten Haushalt und Unternehmen von Sven Putfarken

Absicherung von ein paar existenzbedrohenden Risiken mit einem für alle Beteiligten überschaubaren Beitrag. Trotzdem – oder gerade deswegen – sehen die Mandanten in der Bandbreite der Versicherungen ein Dickicht, welches nur mit scharfem Auge und spitzem Bleistift zu durchschauen ist. Dennoch ist, nur weil sie von Gesellschaften angeboten wird, nicht jede Versicherung für den Einzelnen notwendig. Daher sollte es in diesem Bereich unser aller Ziel sein, gemeinsam mit den Mandanten eine schlanke, effiziente und bedarfsgerechte Absicherung der Risiken aufzubauen.

Sven Putfarken, Geschäftsführer, M+P Vorsorge- und Vermögensmanagement GmbH & Co. KG, CFP ®, EFA, Finanzfachwirt (FH)

I

ch möchte mich heute einem wichtigen Teil der Finanzplanung widmen: der Absicherung von Risiken über Versicherungen im privaten und gewerblichen Bereich.

Die Absicherung des erarbeiteten Vermögens spielt für unsere Mandanten eine große Rolle, ist doch speziell der deutsche Mandant sehr sicherheitsorientiert aufgestellt. Das gilt in der Regel für sein Wertpapierdepot genauso wie zum Beispiel für die Haftpflicht-, Gebäude-, Hausrat-, Rechtsschutz- und Kfz-Versicherung oder alle Unternehmensversicherungen. Dabei wurden Versicherungen, anders als allgemein gedacht, nicht vorrangig für Bagatellschäden entwickelt. Das ursprüngliche Ziel war die individuelle

30

Daher möchte ich in diesem Artikel auf eine Auswahl der notwendigsten Absicherungen eingehen.

Privathaftpflichtversicherung Wer einem anderen gegen dessen Willen einen Schaden zufügt, muss dem Geschädigten entsprechenden Schadenersatz leisten. Es gibt keine pauschale Begrenzung der Höhe eines Schadenersatzanspruchs. Verursacht der Mandant einen entsprechend hohen Schaden, können auch mehrere Jahreseinkommen gefordert werden. Beispielhaft für solch hohe Schäden wäre eine Mietwohnung, die wegen einer versehentlich angelassenen Herdplatte ausbrennt. Eine Privathaftpflichtversicherung kommt für diese Kosten auf. Sie übernimmt aber auch die Rolle einer „passiven Rechtsschutzversicherung“ und prüft Schadenersatzansprüche, die an die Mandanten gestellt werden, darauf, ob sie gerechtfertigt sind. Sämt-

liche Kosten, bis hin zu einem eventuell entstehenden Rechtsstreit, werden dann von der Haftpflichtversicherung getragen. So genießt der Mandant Versicherungsschutz auch als Mieter einer Wohnung, bei der Teilnahme am Straßenverkehr als Radfahrer oder Skater, auf Reisen oder beim Sport. Die Privathaftpflichtversicherung ist eine absolute Notwendigkeit für jeden! Besitzer von Hunden, Pferden, Öltanks oder Drohnen benötigen gegebenenfalls einen zusätzlichen Haftpflichtschutz, der nicht in der Privathaftpflichtversicherung enthalten ist.

Betriebshaftpflichtversicherung Die Betriebshaftpflichtversicherung als Pendant zur privaten Haftpflichtversicherung ist die wichtigste aller gewerblichen Versicherungen. Sie ist eine unbedingte Notwendigkeit für jeden Gewerbetreibenden. Die Betriebshaftpflichtversicherung kommt für Schäden auf, die durch den Mandanten oder seine Mitarbeiter einem Dritten gegenüber verursacht werden. Darüber hinaus prüft sie, ob die an den Mandanten gestellten Schadenersatzansprüche gerechtfertigt sind. Sämtliche Kosten, bis hin zu einem eventuell entstehenden Rechtsstreit, werden auch hier von der Haftpflichtversicherung getragen. Neben Schäden, bei denen der Mandant oder dessen Mitarbeiter andere durch eine Handlung aktiv (also durch „eigenes Tun“) schädigen, kann beispielsweise auch eine Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht zu einem Schaden mit entsprechenden Forderungen führen. Da es keine pauschale Summenbegrenzung für Schadenersatzansprüche gibt, kann bei einem großen

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Risikomanagement in der Finanzplanung

Schaden schnell der Fortbestand der Firma auf dem Spiel stehen. Einzelunternehmer und Freiberufler sind in der Regel zudem auch persönlich mit ihrem Privatvermögen haftbar. Für einen besonderen Teil ist dann als Unterform eine Vermögensschadenhaf tpflicht versicherung zuständig. Während die Betriebshaftpflichtversicherung für Personen- und Sachschäden sowie daraus resultierende Vermögensschäden (etwa Verdienstausfall) aufkommt, sind reine Vermögensschäden eben nicht versichert. Ursachen für echte Vermögensschäden können beispielsweise Beratungsfehler, Fehlauskünfte, Fristversäumnisse, Planungsfehler und Ähnliches sein. Eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kommt für solche Schäden auf. Bei den meisten Kammerberufen (zum Beispiel Steuerberater, Anwälte, Wirtschaftsprüfer) ist das Vorhandensein einer solchen Haftpflichtdeckung mittels Pflichtversicherung eine Zulassungsvoraussetzung. Ein Abschluss ist für jeden empfehlenswert, der beratend, planend, verwaltend oder betreuend tätig ist. Eine Berufshaftpflichtversicherung kann auch eine perfekte Ergänzung dazu sein.

Hausratversicherung In einer Wohnung sammeln sich hohe Werte an. Dessen wird man sich oft erst nach einem Schadensfall bewusst, leider ist es dann aber meistens zu spät. Die Hausratversicherung erstattet die Kosten einer Reparatur respektive Neuanschaffung nach Totalschaden des Hausrats. Die im Rahmen der Hausratversicherung versicherten Gefahren decken einen Großteil dessen ab, was Ursache für einen Schaden sein kann (unter anderem Einbruchdiebstahl, Brand, Wasser). Gewiss kann man den neuen Fernseher nach einem Überspannungsschaden noch selbst bezahlen – eine komplett neue Wohnungseinrichtung, Kleidung, Elektronik et cetera nach einem Brand können jedoch schnell zu einem existenzbedrohenden Problem werden. Auch die Hausratversicherung ist daher als ein absolutes Muss anzusehen.

Geschäftsräumen betreibt, eine Werkstatt oder Lagerhalle unterhält, hat dort auch eine Betriebseinrichtung, die einen beträchtlichen Wert darstellen kann. Ungeachtet dessen, ob es sich um Büromöbel, Computer, Maschinen, Werkzeuge oder Vorräte handelt, ist es immer problematisch, wenn Betriebseinrichtung etwa durch Feuer oder einen Einbruch beschädigt wird oder abhanden kommt. Auch bei gebraucht erworbenen Geräten kommen schnell hohe Belastungen auf den Mandanten zu, wenn sie neu angeschafft werden müssen. Eine Inhaltsversicherung deckt im Rahmen der abgesicherten Gefahren die Kosten der Schadenbeseitigung, Reparatur und gegebenenfalls Neuanschaffung. Ergänzend dazu, und im Gegensatz zur Hausratversicherung, sollte die Betriebsunterbrechungsversicherung berücksichtigt werden. Wurde nämlich der Betrieb – wie soeben beschrieben – Opfer eines versicherten Schadens, der den Geschäftsbetrieb lahmlegt oder zumindest vorübergehend lähmt, kann es problematisch für den Mandanten werden, die weiteren laufenden Kosten zu decken. Miete, Leasingraten, Personalkosten et cetera fallen weiterhin an und müssen natürlich auch gezahlt werden. Oft enthält die Inhaltsversicherung bereits eine Betriebsunterbrechungsversicherung in einer Höhe, die dem versicherten Wert der Firmenausstattung entspricht. Sie greift bei den in der Inhaltsversicherung gewählten Gefahren. Ist absehbar, dass der Jahresumsatz diesen Wert übersteigen wird, sollte die Versicherungssumme der Betriebsunterbrechungsversicherung entsprechend angepasst werden. Eine interessante Alternative zur hier vorgestellten klassischen Deckung kann eine Existenzbetriebsunterbrechungsversicherung (EBU) darstellen. Auch hier sind verschiedene Sachgefahren als Ursache der Betriebsunterbrechung versichert. Darüber hinaus ist aber auch der krankheitsbedingte Ausfall eines Firmenlenkers abgesichert. Die EBU stellt damit auch eine Alternative zum Krankentagegeld dar – und lässt sich sogar als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen.

Inhaltsversicherung Die Inhaltsversicherung ist vergleichbar mit einer Hausratversicherung für den Betrieb. Wer sein Gewerbe in

Rechtsschutzversicherung für private Haushalte Die Rechtsschutzversicherung stellt quasi das Gegenstück zur Privathaft-

pflichtversicherung dar. Sie übernimmt unter anderem die entstehenden Kosten eines Rechtsstreits, in dem der Mandant eigene Ansprüche durchsetzen möchte. Je nach gewähltem Umfang deckt ein solcher Vertrag verschiedene Rechtsbereiche ab. Deckung für Mietrecht, alles rund ums Fahrzeug oder auch Arbeitsrecht stellen eigene Bausteine dar. In gewissem Umfang tritt eine Rechtsschutzversicherung auch für strafrechtliche Probleme ein. Viele Anbieter haben auch eine Beratungshotline für ihre Mandanten, über die man eine erste rechtliche Orientierung erhalten kann, wenn man vermutet, ein Problem zu haben, das zu einem Rechtsstreit werden könnte. Jeder Rechtsstreit ist mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, muss doch der „Verlierer“ sämtliche Gerichtsund Anwaltskosten beider Parteien zahlen. Daher ergibt der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung durchaus Sinn, sofern die Mandanten nicht auf ihr gutes Recht verzichten möchten, nur weil sie das finanzielle Risiko nicht tragen können.

Rechtsschutzversicherung für Unternehmer/Unternehmen Eine Rechtsschutzversicherung ist eine sinnvolle Ergänzung zur Betriebshaftpflichtversicherung. Rechtliche Auseinandersetzungen bleiben im Geschäftsleben nicht aus. Seien es Schadenersatzforderungen, die Mandanten selbst durchsetzen möchten, oder Streitigkeiten mit einem ehemaligen Mitarbeiter, dem gekündigt wurde – eine Rechtsschutzversicherung hilft. Viele Versicherer bieten inzwischen auch Möglichkeiten des Forderungsmanagements für ihre gewerblichen Kunden, was ein enormer Mehrwert sein kann. Damit können sich Mandanten einen hohen Zeitaufwand und großen Ärger mit säumigen Kunden sparen und haben den Kopf frei für ihre eigentliche Arbeit. Je nach gewähltem Tarif sind auch private Risiken versichert, was eine gesonderte Absicherung obsolet macht. Wie erwähnt handelt es sich nur um einen Teil der Möglichkeiten, um die wesentlichen Bausteine eines Versicherungsportfolios. Wie immer ist jeder Mandant und jede Planung individuell, weshalb in diesem Bereich das Hinzuziehen eines Versicherungsexperten zu empfehlen ist.

Quellen: www.vema-eg.de, www.gewerbe-assekuranzmakler.de, www.fidi-online.de

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Risikomanagement in der Finanzplanung

Risikomanagement in der Finanzplanung von Thomas Freiberger

Markowitz verdeutlichte, dass das Risiko einer einzelnen Anlage nicht darin besteht, wie sich diese Anlage in Isolation (unsystematisches Risiko oder Varianz der einzelnen Anlage), sondern im Verhältnis zu den anderen Anlagen des gesamten Vermögens verhält (systematisches Risiko oder Kovarianz der einzelnen Anlage zum Vermögen). Für die Praxis bedeutet dies, dass neben dem Risikomanagement einzelner Vermögensbereiche oder Anlagen das Risikomanagement im gesamten Vermögenszusammenhang an Bedeutung gewinnt.

Thomas Freiberger, Geschäftsführer, Thomas Freiberger Vermögensverwaltung GmbH

Das Gesamtportfolio eines vermögenden Mandanten kann sich vereinfacht aus drei Komponenten zusammensetzen:

Ähnlich ist es beim Humankapital unserer Mandanten: Sicherheit und Stabilität der Einnahmenströme, biometrische Risiken wie Mortalität sowie Langlebigkeit und deren Absicherung durch Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen stehen im Mittelpunkt. Das illiquide Vermögen besteht aus Immobilien und Beteiligungen und erfüllt oft nur teilweise einen Risikoausgleich unternehmerischer Tätigkeit. Es entstehen zusätzliche Risiken aus einer hohen Konzentration auf wenige einzelne Risiken in Beteiligungen und Immobilien (mangelnde Diversifikation). Im Verhältnis zum unternehmerischen Vermögen wird die Liquiditätssituation nicht verbessert (Illiquidität). Zusätzlich sind diese Anlagen oft intransparent. Das liquide Vermögen aus Wertpapiervermögen stellt eine wichtige Aus-

Anleger

Anpassung des Chance- und Risikoprofils

Unternehmerisches Vermögen

Klaus Lehr, geschäftsführender Gesellschafter, PT Asset Management GmbH „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, lautet ein altes Sprichwort. Finanzielle Investitionen an den Kapitalmärkten tragen neben der Gewinnchance immer auch ein Verlustrisiko. Finanzplaner stehen daher regelmäßig vor der Aufgabe, die Risikofähigkeit und -toleranz ihres Kunden richtig einzuschätzen.

1. Moderne Portfoliotheorie und Risikomanagement Die moderne Portfoliotheorie (MPT) beeinflusste mit ihren Erkenntnissen das Risikomanagement in der Finanzplanung. Der Nobelpreisträger Harry

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Immobiles Vermögen

Liquides Privatvermögen

Humankapital

Immobilien Beteiligungen

Kein Alpha-Vermögen

Alpha-Vermögen

Illiquides Vermögen

Liquides Vermögen

Das unternehmerische Vermögen bezeichnen wir als das Alpha-Vermögen unserer Mandanten, da es sehr von der individuellen unternehmerischen Schaffenskraft abhängt. Unternehmerisches Vermögen entsteht durch Bündelung (Konzentration) von individuellen (unsystematischen) Risiken und birgt ein nicht zu vernachlässigendes Klumpenrisiko aus einer Konzentration des Vermögens in ein einziges Unternehmen respektive einer Abhängigkeit von der persönlichen Leistungsfähigkeit. Deshalb können die Renditen dieses Bereichs erheblich über denen eines Wertpapierportfolios liegen.

gleichs- und Steuerungsfunktion für Klumpen-, Illiquiditäts- und ökonomische Risiken der illiquiden Vermögensbereiche dar. Die Anpassungsfähigkeit erfordert Liquidität der Anlagen und eine im Gesamtzusammenhang risikoadäquate Aufteilung in defensive und offensive Anlagen. Eine Folgerung der Arbeiten Markowitz’ ist, die Risikoprofile aller drei Bereiche nicht in der Isolation zu analysieren, sondern deren Zusammenwirken zum Betrachtungszeitpunkt als auch deren Veränderung im Zeitverlauf. Vor über 100 Jahren empfahl der Unternehmer Andrew Carnegie noch, alle Eier in einen Korb zu legen und den 04|2017


Risikomanagement in der Finanzplanung

Korb dann zu beobachten. „Die größten Erfolge entstehen durch Vermögenskonzentration“, beschrieb der Autor Jason Zweig in einer Neufassung des Werkes „The Intelligent Investor“ von Benjamin Graham das Risikomanagement vor den Erkenntnissen der MPT. Ähnlich wie der Vater fundamentaler Aktienanalyse argumentierte die Investorlegende Peter Lynch, der darauf beharrte, das Vermögen in Anlagen zu stecken, die man besonders gut kennt. Und tatsächlich: Beinahe alle reichen US-Amerikaner können ihr Vermögen auf eine Konzentration in nur einen Unternehmensbereich zurückführen. Allerdings blieben mit dieser Vorgehensweise nicht sehr viele Vermögen erhalten, wie folgendes Beispiel zeigt: Die Forbes-Rangliste der 400 reichsten US-Amerikaner ist seit ihrer Erstveröffentlichung 1982 durch Vermögenskonzentration geprägt. Nur 64 der 400 ursprünglichen Mitglieder, also 16 Prozent, schafften es 2002 erneut auf die Forbes-Liste. Dabei hätte das durchschnittliche Mitglied der 1982er-Liste nur 4,5 Prozent per annum erwirtschaften müssen. Und dies in einer Zeitspanne, in der Bankeinlagen mehr als diese Rendite und der Aktienmarkt im Schnitt 13,2 Prozent erzielten. Frühzeitiges Umsteuern in die anderen Vermögenssegmente hätte den Vermögenserhalt gesichert.

2. Unsere Risikotests für das liquide Vermögen Meist sind unternehmerische und illiquide Vermögen tatsächlich oder emotional gebunden. Veränderungen sind nur im Laufe der Zeit oder nach langer Überzeugungsarbeit möglich. Leichter kann das liquide Vermögen als freies Vermögen eine Ausgleichs- und Steuerungsfunktion der Klumpen-, Illiquiditäts- und ökonomischen Risiken für die gebundenen Vermögen im ganzheitlichen Risikomanagement übernehmen. Als Mittel zur robusten Risikoaufteilung des Wertpapierportfolios in offensive Anlagen (wie Aktien) und defensive Anlagen (wie Anleihen) empfiehlt sich ein Dreistufentest.

2.1 Der Dreistufentest 2.1.1 Das Können – Die Fähigkeit, Risiken zu tragen Schon aufgrund gesetzlicher Vorschriften sind Berater verpflichtet, die Risikotragfähigkeit ihrer Kunden zu

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ermitteln. So erfordert § 31 Absatz 4 WpHG eine Geeignetheitsprüfung. Vor allem bestimmen der Anlagehorizont, die Einkommensstabilität, Liquiditätsbedürfnisse und das Vermögen die Risikofähigkeit, also die tatsächliche Fähigkeit des Kunden, mit einem bestimmten Einkommen und Vermögen ein bestimmtes Risiko einzugehen. Je länger der Anlagehorizont, desto länger ist der Zeitraum, um einen Bärenmarkt auszusitzen. Selbstverständlich ist diese Risikoermittlung auf die Gesamtvermögenssicht aus den drei großen Vermögensbereichen eines Mandanten abzustimmen. Je stabiler die Einkommensströme aus dem unternehmerischen Vermögen, Humankapital oder illiquiden Vermögen sind, desto mehr Aktienrisiko kann ein Anleger im Wertpapierportfolio eingehen – unter Umständen sogar auch mehr als 60 Prozent, wenn die Gesamtumstände es zulassen. Treffend formuliert der kanadische Forscher Moshe A. Milevsky: „Are you a stock or a bond?“

2.1.2 Das Wollen – Die emotionale Bereitschaft, Risiken zu tragen Die Risikotoleranz, also die Bereitschaft, ein bestimmtes Risiko aufgrund individueller Neigungen einzugehen, kann von der ermittelten objektiven Risikotragfähigkeit erheblich abweichen. Dieser Faktor ist auch vom persönlichen Lebensweg, Investmentwissen und von der Erfahrung bei der Geldanlage geprägt. Letztlich ist die subjektive Risikotragfähigkeit sehr persönlich und für Externe schwer quantifizierbar. Die moderne Verhaltensforschung zeigt im Gebiet der Prospect-Theorie, dass Menschen Gewinne und Verluste nicht gleich gewichten. Investoren leiden unter relativ gleichen Verlusten stärker, als sie sich über relativ gleiche Gewinne freuen. Menschen empfinden Gewinne und Verluste nicht mathematisch linear, sondern komplex. Außerdem verändert sich das Risikoempfinden mit der Zeit. Als Daumenregel empfehlen wir: Maximal tolerierter Verlust in %

Maximale Aktienquote in %

5

10

10

20

15

30

20

40

25 30

50 60

2.1.3 Das Müssen und Brauchen – Die Notwendigkeit, Risiken zu tragen Die notwendige Rendite, die ein Mandant erzielen muss, um seine Ziele zu erreichen, bestimmt die mindestens erforderliche Risikotragfähigkeit. Je höher die notwendige Rendite ist, desto höher ist die erforderliche Aktienquote. Wichtig ist, zwischen dem Müssen und dem Brauchen zu unterscheiden: Ein Mindestziel kann der Erhalt des Realwerts des liquiden Vermögens sein. Wir empfehlen in diesem Fall eine Mindestaktienquote von 15 bis 20 Prozent. Andererseits kann das Gesamtvermögen eines Mandanten schon so groß sein, dass der Grenznutzen aus einem noch größeren erwarteten Vermögen bei der Wahl einer höheren Aktienquote nicht mehr im Verhältnis zum eingegangenen Risiko steht. Der Mandant braucht das Risiko einfach nicht mehr. Das „Wann ist genug? “ zu beantworten, entzieht sich einer quantitativen Betrachtung. Lebensweisheit ist gefragt.

3. Der Simulationstest: Monte-Carlo-Simulation Als Ergänzung zu unserem Dreistufentest hat sich die Simulation verschiedener zufallsgetriebener zukünftiger Bandbreiten von Vermögensverläufen mithilfe der sogenannten Monte-Carlo-Simulation (MCS) bewährt. Man kann dem Mandanten mit zwei oder drei verschiedenen Verläufen zeigen, welchen Schwankungen das Depot unterworfen sein kann – und dass ein Entnahmeplan durchaus auch vorzeitig enden kann, wenn das Depot infolge einiger negativer Jahre schneller aufgezehrt wurde.

4. Schlussbemerkung Die Aufgabe eines Finanzplaners ist, das Risiko einzelner Vermögensbereiche im gesamten Vermögenszusammenhang zu beurteilen. Das Risiko hängt nicht nur von objektiven Kriterien, sondern auch von der subjektiven Risikowahrnehmung der Kunden ab. Finanzplaner sollten ihre Kunden entsprechend dem Dreistufentest richtig einschätzen und sie dazu bringen, das Risiko eines Investments möglichst realitätsnah wahrzunehmen.

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Software

Investmentsteuerreformgesetz 2018: Gewinner und Verlierer Auswirkungen des Investmentsteuerreformgesetzes auf die Rendite von Investmentfonds

von Volker Weg

die Vermögenswerte direkt besitzen. Eine Besteuerung der Investmentfonds selbst findet nicht statt. Mit dem Investmentsteuerreformgesetz werden Investmentfonds zum Steuersubjekt. Investmentfonds müssen dann auf inländische Dividenden und Immobilienerträge eine Körperschaftssteuer von 15 Prozent zahlen.

Teilfreistellung

Diplom-Mathematiker Volker Weg ist Geschäftsführer der XPS-Finanzsoftware GmbH und absolvierte eine Ausbildung zum Aktuar (DAV) und Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersvorsorge (IVS)

„Durch das Investmentsteuerreformgesetz wird die Besteuerung von Investmentfonds drastisch vereinfacht.“ Solche Aussagen hört und liest man, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Sie betreffen allerdings lediglich die administrative Seite der Medaille. Was die rechnerische Seite betrifft, findet man vermutlich niemanden, der dem ohne Weiteres zustimmen würde. Will man die Auswirkungen des Investmentsteuerreformgesetzes rechnerisch analysieren, ist einiges zu beachten. Derzeit werden nach dem Prinzip der steuerlichen Transparenz die Erträge aus Investmentfonds beim Anleger so versteuert, als würde der Anleger

34

Um durch die neue Besteuerung von inländischen Dividenden und Mieterträgen auf Fondsebene eine Doppelbesteuerung der Kapitalerträge zu verhindern, wird über eine Teilfreistellung je nach Anlageart ein gewisser Anteil der Erträge steuerfrei gestellt. Die Höhe der Teilfreistellung hängt von der Art des Investmentfonds ab und ist auf alle Erträge des Investmentfonds anzuwenden. Die Teilfreistellung beträgt 0 Prozent bei sonstigen Investmentfonds, 15 Prozent bei Mischfonds (Aktienquote größer 25 Prozent) und fondsgebundenen Versicherungen, 30 Prozent bei Aktienfonds (Aktienquote größer 50 Prozent), 60 Prozent bei offenen Immobilienfonds (bzw. 80 Prozent bei Anlageschwerpunkt im Ausland).

Vorabpauschale Aktuell werden die steuerpflichtigen Erträge beim Anleger versteuert, unabhängig davon, ob die Erträge ausgeschüttet oder thesauriert werden. Künftig versteuern Anleger grundsätzlich jährlich die Ausschüttungen der Investmentfonds. Damit der Fiskus bei thesaurierenden Investmentfonds aber nicht leer ausgeht, ist eine Mindestbesteuerung auf Basis einer sogenannten Vorabpauschale vorgesehen.

Für thesaurierende und teilthesaurierende Fonds ermittelt die depotführende Stelle die Vorabpauschale aus der Differenz zwischen dem Basisertrag, der sich aus der risikolosen Marktverzinsung ergibt, und den Ausschüttungen, die der Anleger bereits mit der Abgeltungssteuer versteuert hat. Wirtschaftlich betrachtet werden über die Vorabpauschale zukünftige Wertsteigerungen vorab versteuert. Die bereits versteuerten Vorabpauschalen werden daher konsequenterweise bei der späteren Ermittlung des steuerpflichtigen Veräußerungserlöses berücksichtigt.

Beispielfall Angenommen wird eine Kapitalanlage in Höhe von 100.000 EUR für die Dauer von 10 Jahren in einen Aktienfonds. Die Zins- und Dividendenerträge betragen jeweils 0,5 Prozent und die Wertsteigerung 3 Prozent. Unterstellt werden realistische Ertragsschwankungen und ein Basisertrag von 0,7 Prozent. Dann könnte sich ein tatsächlicher Verlauf ergeben, wie er in der Tabelle dargestellt ist (siehe Grafik 1). Es ergeben sich verschiedene Fallkonstellationen:

ie Ausschüttung im ersten Jahr beD trägt 1.157 EUR und ist damit höher als der Basisertrag von 700 EUR. Von der Ausschüttung werden nach Abzug der Teilfreistellung von 347 EUR lediglich 810 EUR versteuert. Die Steuerzahlung hierauf beträgt 214 EUR.

• I m zweiten Jahr beträgt die Ausschüttung 615 EUR. Der Gesamtertrag aus der Anlage ist aber aufgrund eines Wertverlusts insgesamt negativ. Da

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Software

der Basisertrag auf das Anlageergebnis begrenzt ist, wird lediglich die Ausschüttung versteuert, was nach Berücksichtigung der Teilfreistellung von 184 EUR zu einer Steuerzahlung von 114 EUR führt.

• I m siebten Jahr liegt die Ausschüttung mit 554 EUR unterhalb des Basisertrags von 856 EUR. Neben der Ausschüttung wird die Vorabpauschale von 302 EUR als Differenz aus diesen beiden Beträgen zusätzlich versteuert. Die Teilfreistellung beträgt 257 EUR und die Steuerzahlung 158 EUR.

Thesaurierende Investmentfonds Bei thesaurierenden Aktienfonds entfallen Ausschüttungen und Steuerzahlungen hierauf. Während der Laufzeit fallen lediglich die interne Fondssteuer von 15 Prozent auf die regelmäßig gerin-

gen Dividenden sowie die Abgeltungssteuer auf den ebenfalls geringen Basisertrag an. Per Saldo gibt es also auch mit der neuen Investmentbesteuerung einen erheblichen Steuerstundungseffekt. Hinzu kommt die Teilfreistellung von 30 Prozent auf alle Erträge, also auch auf die Wertsteigerungen, insbesondere bei der Veräußerung. Bei einer entsprechenden Vergleichsrechnung mit einer Laufzeit von 20 Jahren ist die Nachsteuerrendite nach „neuem“ Recht um fast 0,3 Prozent höher als nach „altem“ Recht (siehe Grafik 2).

Ausschüttende Investmentfonds Die soeben genannten Vorteile der thesaurierenden Aktienfonds entfallen bei ausschüttenden sonstigen Investmentfonds. Die Aktienquote ist hier nicht dauerhaft über 25 Prozent, sodass die Teilfreistellung komplett entfällt. Auf anfallende Dividenden wird die interne

1

Fondssteuer und auf sämtliche Ausschüttungen die Abgeltungssteuer fällig. Per Saldo kommt es zu einer – wenn auch geringen – Doppelbesteuerung auf die Dividendenerträge. Wenn der Investmentfonds keine nennenswerten Wertsteigerungen verzeichnet, liegt die Steuerlast dann sogar über der Abgeltungssteuer.

Schlussbemerkung Die rechnerischen Auswirkungen durch das Investmentsteuerreformgesetz sind alles andere als offensichtlich. Gewinner bei der Besteuerung sind die thesaurierenden Aktienfonds, Verlierer sind beispielsweise ausschüttende sonstige Investmentfonds. Die konkreten Renditeauswirkungen hängen von der speziellen Konstellation mit vielen Parametern ab und müssen im Einzelfall über spezialisierte Rechentools ermittelt werden.

BEISPIELFALL

Jahr

Div. / Fonds- Anlagen- Zins / Div. Mietsteuer ergebnis Mietauss. ertrag

Wertstei- Zinsgerung ertrag

Einzahlung

Stpfl. Basis- Vorab- TeilfreiSteuernach Teilertrag pausch. stellung zahlung freist.

Kontostand

Liquidität nach Steuern

1

100.000

3.880

576

684

-103

5.037

1.157

700

0

347

810

-214

103.880

2

0

-2.183

245

435

-65

-1.568

615

0

0

184

430

-114

101.697

-99.056 501

3

0

3.626

546

490

-74

4.589

963

712

0

289

674

-178

105.323

785 888

4

0

9.016

375

839

-126

10.105

1.089

737

0

327

762

-201

114.339

5

0

3.632

504

350

-52

4.433

801

800

0

240

-561

-148

117.971

653

6

0

4.336

654

543

-82

5.452

1.116

826

0

335

781

-206

122.307

910

7

0

2.595

179

441

-66

3.149

554

856

302

257

599

-158

124.902

396

8

0

3.343

578

746

-112

4.555

1.212

874

0

364

848

-224

128.245

988

9

0

4.320

26

644

-97

4.893

573

898

325

269

628

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132.565

407

10

0

1.722

823

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-24

2.679

957

928

0

287

670

-177

134.287

10.098

23.562

-6.214

128.072

12.997

30.326

-7.999

35.325

11

34.287 4.506

5.330

2

-800

43.323

9.037

7.331

627

780

STEUERVERGLEICH „AKTIENFONDS”

300.000

Produkt

250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0

Aktienfonds „neu” Steuern

Einzahlungen

Aktienfonds „neu”

Aktienfonds „alt”

Einzahlungen (inkl. Steuern auf Vorabpauschalen)

104.676

100.000

Erträge

216.950

210.954

Steuern

44.477

55.639

Auszahlungen

277.149

255.315

Überschuss

172.473

155.315

Rendite vor Steuern

6,00 %

6,00 %

Rendite nach Steuern

5,09 %

4,80 %

Aktienfonds „alt” Auszahlungen

04|2017

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Software

Freiberufler aufgepasst! Individuelles Risikomanagement mit fi.lux Freiberufler und Unternehmer tragen Risiken häufig in unbekannter Höhe und sichern ihre Arbeitskraft, die Familie, das Vermögen und die betrieblichen Assets nicht ausreichend ab. Mit dem Finanzplanungstool fi.lux werden diese Risiken transparent und einfach quantifizierbar.

von Christian Tischer

G

erade Existenzgründer im Bereich der Heilberufe sind oft ausgesprochen sensibel, wenn es darum geht, die zinsgünstigste Bankfinanzierung an Land zu ziehen. Die wenigsten können sich allerdings vorstellen, welche Risiken beim großen Schritt in eine selbstständige berufliche Zukunft für Vermögen, Arbeitskraft, Familie und Praxis lauern. Das ist auch gut so, schließlich ist erst einmal Optimismus und Vorfreude auf das Kommende angesagt. Aus diesem Grund hat der Berater große Verantwortung beim Umgang mit individuellem Risikomanagement. Die finanzierende Bank legt zumeist noch Wert auf die Todesfallabsicherung der gewährten Darlehen, gibt manchmal vor, wer wie hoch abgesichert werden soll. Aus Sicht der Bank mag diese Absicherung ausreichend sein, aus Sicht des Existenzgründers allerdings oft nicht. Darüber hinaus lässt die Bank den Arzt oder Zahnarzt zumeist gewähren. Manchmal werden noch Pi mal Daumen Summen für die Absicherung der betrieblichen Assets definiert, und weil der Cross-SellingDruck immer größer wird, gibt es noch eine kleine Berufsunfähigkeitsrente dazu. Ich habe in den letzten 10 Jahren kaum eine Situation erlebt, wo seitens der Banken (und übrigens auch seitens etlicher Berater) die Risikoabsicherung in ausreichender Höhe, ohne gravierende Deckungslücken und perspektivisch unter Berücksichtigung der privaten und beruflichen Pläne des Mandanten erfolgte. Woran liegt das? Es gibt sicher mehrere Gründe: Zeitmangel, fehlendes Risikobewusstsein, keine umfassende Finanz- und Vermögensplanung vorhanden, daraus resultierend unzureichende Kenntnis der Pläne und Perspektiven des Mandanten. Die Höhe der Risiken lässt sich schlecht berechnen oder ändert sich andauernd – und das bedeutet Arbeit für den Berater. Durch den Einsatz der leistungsstarken Finanzplanungssoftware fi.lux lassen

36

sich diese Hürden weitgehend beseitigen. Sie schützt sowohl Mandant als auch Berater. Ein konkretes Beispiel: Dr. Zahnarzt ist 32 Jahre alt und möchte sich niederlassen. Er kauft eine bestehende Praxis. Er plant umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen, erwirbt ein digitales Röntgengerät, ersetzt diverse Medizintechnik und führt eine neue Praxissoftware inklusive Hardware für alle Arbeitsplätze ein. Das Gesamtinvestitionsvolumen beträgt 400.000 EUR. Der Praxisabgeber hatte eine reine Inventarversicherung mit Absicherung des Risikos Feuer. Dr. Zahnarzt ist ledig, plant auf Sicht den Erwerb einer eigenen Immobilie und die Familiengründung. Er bringt eine Berufsunfähigkeitsabsicherung von etwa 3.000 EUR monatlich mit in das Projekt ein und möchte gern mit 65 Jahren finanziell unabhängig sein. Hier bietet fi.lux wertvolle Hilfe. Dr. Zahnarzt ist bereits daran gewöhnt, dass sein Berater auf eine Finanzplanungssoftware zurückgreift, um seine Empfehlungen zu qualifizieren. Ihm wird die zunehmende Komplexität seiner Finanzplanung durch die Existenzgründung vor Augen geführt. fi.lux ist eine spezialisierte Finanzplanungssoftware mit modularem Aufbau. Integriert sind diverse Risikoanalysetools, die die wesentlichen Risikofaktoren für Gesundheit, Vermögen und Arbeitskraft sichtbar machen und im dynamischen Zeitverlauf quantifizieren: Todesfallabsicherung – Berufsunfähigkeitsabsicherung – Krankentagegeldabsicherung – Praxisinventarversicherung – Elektronikversicherung – Softwareversicherung – Betriebsunterbrechungsversicherung – normierte DIN-SPEC77222-Auswertung. Sein Berater zeigt ihm durch vielfältige Szenarienvergleiche mit fi.lux problemlos auf, wie sich das Eintreten von Risiken für ihn auswirken würde, wo Deckungslücken bestehen und wie er diese schließen kann.

Die perspektivische Darstellung durch eine dynamische Planungsvariante mit Immobilienerwerb und Familiengründung (egal in welcher Reihenfolge) zeigt ihm, dass die Praxis ertragsstark genug ist, um seine Pläne in den gewünschten Zeithorizonten zu realisieren. Ihm wird klar, wie wichtig ein diszipliniertes Ausgabeverhalten und regelmäßige Planungsupdates sind. In der Nachsteuerbetrachtung wird auch klar, wie hoch die Absicherungsempfehlung in der jeweiligen Vorsorgeschicht ist (siehe Abbildung 3). Der Mandant wird sensibel für seine Risiken. Er sieht, dass hinter den Empfehlungen seines Beraters viel Arbeit und verantwortungsvoller Umgang mit seinem Leben steckt. Er erlebt auf einmal das, was er bei Banken oder anderen Beratern (bisher vielleicht noch nicht) vermisst: Entscheidungshilfen, Klarheit, Sicherheit, Kompetenz und vor allem Individualität. Er sieht sein finanzielles Abbild vor sich. Die Konsequenzen für den Berater: die Möglichkeit einer herausragenden Positionierung beim Umgang mit Risikomanagement und Vermögensplanung sowie gezielte Empfehlungsansprachen. Das Bedürfnis des Mandanten an gemeinschaftlichem, persönlichem Austausch steigt, wenn er beim Berater maximale Kompetenz zur Lösung seiner Fragestellungen und Probleme wahrnimmt. Die Wertschätzung des Beraters durch den Kunden bekommt eine neue Dimension und ermöglicht andere, produktunabhängige Vergütungsmodelle – gegebenenfalls auch mit wiederkehrenden Einnahmen.

Christian Tischer, selbstständiger Finanzberater und Investmenttrainer, connect Sozietät für Finanzmanagement GmbH, Regensburg. Er berät seit 20 Jahren Kunden der Heilberufe, Unternehmer und Führungskräfte und hält Vorträge zu den Themen Finanzplanung, Investmentstrategien und Existenzgründung für Heilberufe.

04|2017


Software

1

BEISPIEL PRAXISABSICHERUNG Unternehmens-/Praxisversicherung (09/2017)

420.000 400.000 380.000 360.000 340.000 320.000 300.000 280.000 260.000 240.000 220.000 200.000 180.000 160.000 140.000 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 Betriebsunterbrechungsversicherung

Absicherungsbedarf Absicherung Unterdeckung Oberdeckung

428.000 295.000 133.000

Inventarversicherung

Elektronikversicherung

Softwareversicherung

160.670 295.000

133.824

4.433

133.824

4.433

134.330

2

BEISPIEL BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG BU-Simulation für Dr. med. dent. Michael Zahnarzt ab 01.01.2017 (von 2017 bis 2027)

420.000 400.000 380.000 360.000 340.000 340.000 340.000 320.000 300.000 280.000 240.000 220.000 200.000 160.000 140.000 120.000 80.000 60.000 20.000 0 2017 (32)

BU-Renten

2018 (33)

Lücke

2019 (34)

2020 (35)

Außerordentl. EfA (A)

3

2021 (36)

Ausgaben

2022 (37)

2023 (38)

2024 (39)

2025 (40)

Steuern (A)

ZUSAMMENFASSUNG Ergebnis der BU-Analyse

Durchschnittliche mtl. Lücke im Zeitraum von 1-2017 bis 12-2030:

3.086 €

Lücke inklusive außergewöhnlicher Einnahmen / Ausgaben ("+" => Lücke, "-" => Überschuss)

Derzeit abgesicherte BU-Leistung Notwendige mtl. BU-Brutto-Rente

Schicht 1:

2.847 € 3.622 €

Steuersatz: 20,00%, Steuerpflichtiger Anteil der Rente: 74,00%

Schicht 2: Direktversicherung oder Pensionskasse mit Pauschalbesteuerung:

3.311 €

Volle nachgelagerte Versteuerung:

3.858 €

Schicht 3:

3.311 €

Steuersatz: 20,00%, Steuerpflichtiger Anteil der Rente: 34,00%

Steuersatz: 20,00%, Steuerpflichtiger Anteil der Rente: 100,00% Steuersatz: 20,00%, Steuerpflichtiger Anteil der Rente: 34,00%

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Investment

Welche Kosten hat ein Risikomanagement? von Michael Heidinger

29,99 EUR kostet ein solides Risikomanagement im Freizeitbereich: der Fahrradhelm. Er schützt vor schweren Kopfverletzungen und hat keine laufenden Kosten, abgesehen von der Beeinträchtigung der Frisur. Übertragen auf die moderne Finanzplanung sollten sich Anleger die Frage stellen, was der Einsatz von Risikomanagementsystemen wie Value at Risk (VaR), Crash-Puts oder Volatilitätssteuerung kostet.

Michael Heidinger, Investment Director, Spezialist für Multi-Asset-Lösungen und MyFolio, Aberdeen Standard Investments

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Die Frage danach ist absolut berechtigt, da in Zeiten von MiFID II der Anleger ein Recht auf Transparenz hat. Um sich den Kosten zu nähern, muss man einen Schritt zurücktreten und sich anschauen, warum ein Risikomanagement eigentlich eingesetzt wird. Hier wird als Grund häufig die Risikoaversion genannt. Die Wissenschaftler Tversky und Kahneman gelten als die Ersten, die sich in der Forschung zur Risikoaversion verdient gemacht haben. Ihre These lautet: „Verlustvermeidung wiegt emotional für Investoren schwerer als ein entgangener Gewinn.“ Daher wird bei vielen Finanzprodukten eine Absi-

cherung nach „unten“ eingebaut, um die Investoren vor negativen Erfahrungen zu bewahren. Um sich den Kosten eines Risikomanagements weiter zu nähern, sollte man nun eine Ebene tiefer gehen und sich damit befassen, wie moderne Risikomanagementsysteme gesteuert werden. Dies erfolgt meist über Derivate wie Aktien- und Rentenfutures, Swaps (wie CDS, Variance-Swaps, Zinsswaps) oder Optionen, um die Risiken der Investments schnell, aber auch kostengünstig abzusichern. Betrachtet man die direkten Kosten, so kommt es hier auf die Handelsfrequenz an. Je höher diese ist, desto höher fallen auch bei günstigen Derivaten in der Summe die Kosten aus. Neben der Handelsfrequenz ist noch ein weiterer Aspekt auf der Kostenseite zu berücksichtigen. Der Einsatz von Derivaten benötigt Barmittel oder kurzlaufende Anleihen, die als Collateral hinterlegt werden müssen, um im Härtefall die Marginanforderungen der Derivate zu begleichen. Folglich ist ein Teil der Anlage nicht mehr in der eigentlichen Anlagestrategie investiert,

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Risikomanagement in der Finanzplanung Investment

Zusätzlich zu den bereits aufgeführten eher direkten Kosten kommt es bei einigen Konzepten auch zu einer „Refinanzierung“ der Absicherung. Diese erfolgt beispielsweise, indem man Calls verkauft und die Prämie vereinnahmt, um die Kosten für die eingesetzten Puts zu finanzieren. Bei so einer Long-Put-/Short-Call-Struktur verliert man jedoch in gewissen Marktphasen eine Partizipation nach „oben“. Die gewählte Kalibrierung ergibt folglich eine gewisse Pfadabhängigkeit. Einige Marktphasen sind „günstige Pfade“, wo die Gelder der Investoren vor größeren Verlusten abgesichert sind, andere jedoch führen zu eher ungünstigen Investmentergebnissen. Genau hier setzt unsere Kritik an vielen Risikomanagementkonzepten am Markt an. Die Definition dieser Pfade bedingt eine feste Vorstellung darüber, wie sich Märkte entwickeln werden oder – genauer gesagt – wie

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die nächste Krise aussehen wird. Wird sie wie 2008/2009 verlaufen? Wird sie eher länger andauern? Gibt es eine Erholung, das heißt, könnte es womöglich Sinn ergeben, das Risikobudget über das Jahr zu strecken?

Als zentrale Plattform für unabhängiges Asset Management finden Sie bei uns eine Vielzahl erfolgreicher unabhängiger Vermögensverwalter, die zu Ihren Anlagebedürfnissen passende Fondslösungen anbieten. Nutzen Sie den Fonds-Selektor auf unserer Website und finden Sie die richtigen Investmentfonds für Ihren Vermögensaufbau.

Wir glauben nicht daran, dass man den Verlauf der nächsten Krise fundiert vorhersagen kann. Insbesondere nicht in Zeiten, in denen politische Ereignisse die Börsen stark beeinflussen, jedoch weder der Ausgang noch die Effekte auf die Börsen adäquat abgeschätzt werden können. Wir verfolgen daher eine andere Strategie und sind davon überzeugt, dass man sich an drei Prinzipien halten sollte, um erfolgreich zu investieren:

1. 2. 3.

In Deutschland und Luxemburg: +49 69 71043-114 www.universalinvestment.com

eine langfristige Ausrichtung der Anlagestrategie; Einsatz von Diversifikation zur Streuung von Risiken; die Kosten der Anlage so niedrig wie möglich halten.

Warum halten wir die Kombination dieser drei Prinzipien für Erfolg versprechend? Nur so können die „wahren Kosten“, nämlich die langfristig niedrigere Partizipation am Kapitalmarkt, so gering wie möglich gehalten werden. Und nur so kommt es nicht zur CashLock-Falle, bei dem Anleger Multi-AssetFondsgebühren für einen Geldmarktfonds bezahlen, der keine ausreichend hohe Rendite erzielen kann.

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sondern am „Seitenrand“ geparkt, um für den Worst Case zur Verfügung zu stehen. Die Höhe dieser Barmittel bemisst sich dann wiederum an den getroffenen Annahmen und kann auch schon mal bei über 10 Prozent liegen. Als daraus resultierende Kosten kann man hier wiederum zwei Faktoren sehen: zum einen die fehlende Rendite aus der eigentlichen Anlagestrategie, zum anderen negative Zinsen, die aktuell für Barmittel zu zahlen sind.

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Die auf www.universal-investment.com zur Verfügung gestellten Informationen sind nicht als Werbung, Verkaufsangebot oder Aufforderung zur Abgabe eines Kauf- oder Zeichnungsangebots für Anteile der auf dieser Website erwähnten Fonds zu verstehen. Alleinverbindliche Grundlage für die Zeichnung und die Ausgabe von Fondsanteilen sind die jeweils gültigen Verkaufsunterlagen (Wesentliche Anlegerinformationen, der jeweils gültige Verkaufsprospekt mit den Anlagebedingungen in Verbindung mit dem jeweils letzten Jahres- und/oder Halbjahresbericht des Fonds). Diese sind kostenlos bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft Universal-Investment (Theodor-Heuss-Allee 70, 60486 Frankfurt, Tel. 069-71043-0) sowie im Internet 39erhältlich. unter www.universal-investment.com


Investment

Verdeckte Risiken bei der Anleihenallokation von Markus Peters und Sahil Khan

F

inanzplaner wählen die Anlagevehikel für ihre Kunden nicht zuletzt in Hinsicht auf deren Verträglichkeit mit dem jeweiligen Risikobudget aus. Dabei wurde der Fokus zur Eingrenzung von Risiken meist auf den Aktien- und Alternatives-Bereich gelegt, da dieser in der Vergangenheit oft eine höhere Volatilität und Drawdowns aufgewiesen hat. Doch wenn Investoren in neuere Anleiheinstrumente investieren, ist ein genaueres Hinsehen heute auch hier unverzichtbar. Lange Zeit war es ausreichend, mit einem Kernportfolio von europäischen Staatsanleihen die Renditebedürfnisse der Kunden abzudecken. Im aktuellen Umfeld ist zur Erreichung der Einkommensziele eine breite Streuung auf viele Sektoren vonnöten, von denen einige – wie europäische High-Yield-Unternehmensanleihen oder Lokalwährungsbonds aus den Emerging Markets – vor zwanzig Jahren kaum existierten. Investitionen in diese Bereiche erfordern jedoch oft umfangreiche Analysen und Erfahrung, „Abkürzungen“ im Risikomanagement in diesen Assetklassen können unvorhergesehene Konsequenzen haben.

Capital oder Bank of America Merrill Lynch wenden bei der Aufnahme von Titeln in den Index transparente Regeln an. Da es jedoch bei Anleihen keinen allgemein anerkannten Standardindex gibt, können selbst kleinere Anpassungen von Anbietern große Performanceauswirkungen nach sich ziehen. Anleger sollten daher nicht außer Acht lassen, wie das Fehlen kleiner Emittenten einerseits und die starke Wirkung von Kurzläufern mit Niedrigstrenditen andererseits die Wertentwicklung des Indexes beeinflussen.

Zwangsläufig immer im Fluss

Markus Peters, Senior Portfolio Manager Fixed Income, AllianceBernstein

In der Hoffnung, kostengünstiger am Anleihemarkt teilzuhaben, übertragen einige Investoren zum Beispiel ihre Erfahrungen mit Aktien-ETFs blindlings auf entsprechende Anleiheprodukte. Dabei unterscheiden sich diese beiden Segmente erheblich, insbesondere im hochverzinslichen Bereich, und die Risiken werden ganz einfach oft unterschätzt oder missverstanden. Bei der Analyse der Wertentwicklung der durchschnittlichen ETF-Benchmark (dargestellt durch den Markit iBoxx EUR Liquid High Yield Index) zum Beispiel offenbart sich gegenüber der durchschnittlichen Manager-Benchmark-Performance der breiteren Euro-High-Yield-Indizes ein Minderertrag. Unserer Meinung nach bedeutet dies, dass das „Beta“ des ETF erheblich niedriger als jenes des breiten High-Yield-Universums ist. Um dies zu erklären, muss man sich verdeutlichen, worin die Unterschiede zwischen Anleihen und Aktien beste-

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Es liegt in der Natur von Anleihen, dass ihre Restlaufzeit bis zur Fälligkeit stetig kürzer wird. Unternehmen müssen daher immer wieder neue Wertpapiere begeben, um ihre Geschäftstätigkeit zu finanzieren. Anders als bei „ewigen“ Aktien führt dies zu einer hohen Umschlagshäufigkeit von Anleihenindizes. Im Jahr 2016 zum Beispiel waren (gemessen am Marktwert) 23 Prozent des Bloomberg Barclays Euro High Yield Index Neuzugänge, wohingegen rund 15 Prozent den Index verlassen haben. Zum Vergleich: Beim Aktienindex S&P 500 waren es nur 4 bis 6 Prozent Turnover. Anleihenindizes müssen zudem monatlich neu gewichten, bei Aktienindizes ist das höchstens alle drei Monate der Fall.

Anleihen – Ein komplexes Universum

Sahil Khan, Quantitative Analyst Fixed Income, AllianceBernstein hen und was diese Unterschiede für Anleihen-ETFs bedeuten.

Nicht alle Benchmarks sind gleich Anleihen und Aktien ähneln sich insofern, als dass die Indizes sich bei der Gewichtung der Einzeltitel an der Kapitalisierung (Aktien) beziehungsweise dem Ausmaß der ausstehenden Schuld (Anleihen) orientieren. Unabhängige Indexanbieter wie Bloomberg, Barclays

Anleihen sind viel differenzierter ausgestaltet als Aktien und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Laufzeit, Position in der Kapitalstruktur und Optionen (etwa Calls). Die Emittenten legen großen Wert auf diese Flexibilität und sind auch bereit, dafür zu bezahlen. Das eröffnet vielfältige Möglichkeiten im Anleihenbereich, die findige Anleger nutzen können. Doch diese Vielfalt hat ihren Preis: Anleihen sind nicht standardisiert und der Markt ist weit stärker fragmentiert als bei Aktien. Hinzu kommt: Aktien werden fast immer an Börsen gehandelt, wo ihre Kurse transparent und für alle sichtbar sind. Anleihen hingegen werden außerbörslich, also „over the counter“ (OTC) gehan-

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Investment

delt. Eine Vielzahl von Marktteilnehmern einigt sich jeweils bilateral auf einen Handel, dessen Konditionen oft nur teilweise und mit zeitlicher Verzögerung bekannt werden. Es sind daher besondere Kompetenzen erforderlich. Anleihenhändler müssen Risiken eingrenzen können, wenn sie Marktverzerrungen zu ihrem Vorteil nutzen möchten. Das ist nur mit einer aktiven Auswahl möglich. Anleihen sind weniger liquide Die starke Fragmentierung und die inhärente Komplexität der Anleihenmärkte führen zudem dazu, dass die meisten Papiere nicht sehr oft gehandelt werden. Laut Daten von JPMorgan Chase werden rund 90 Prozent des Handels mit US-Unternehmensanleihen mit nur 20 Prozent des Emissionsvolumens getätigt. Das bedeutet, dass es schlicht nicht möglich ist, immer jede als attraktiv eingestufte Anleihe zu kaufen. Intelligente Vorbereitung kann jedoch erfahrenen Fondsmanagern dabei helfen, Anleihen gleich zum Emissionszeitpunkt zu erwerben. Neben detaillierten Kenntnissen des jeweiligen Marktsegments spielt auch der menschliche Faktor hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle: Die Bondtrader der Investmentgesellschaften bauen oft langfristige Geschäftsbeziehungen zu den Emittenten auf. Auf Basis des dabei entstehenden Vertrauens haben sie bessere Chancen, bei der Zuteilung berücksichtigt zu werden.

sie dafür bezahlen müssen, würden sie wohl gern darauf verzichten. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Während einer akuten Marktkorrektur gibt es keinerlei Garantie, dass High-YieldETFs die versprochene Liquidität auch liefern können. Das liegt daran, dass sie durch ihre wachsende Beliebtheit dazu gezwungen sind, immer größere Anteile an wenig liquiden Vermögenswerten zu halten. Sollten die Kurse stark fallen, würde die Suche nach Käufern eine echte Herausforderung, und zum Verkauf gezwungene Anleger könnten erhebliche Verluste erleiden. Denn im Hochzinsbereich variiert die Bonität der Emittenten stark, daher variieren auch die damit verbundenen Risiken. Aktive Manager können auf ein detailliertes Kreditresearch zurückgreifen, um die relative Attraktivität verschiedener Schuldner und Sektoren einzuschätzen. Sie haben auch bessere Auswahlmöglichkeiten bei der Wiederanlage von Geldern aus fälligen Anleihen. Passive ETF-Anleger hingegen händigen ihr Geld an jedes Unternehmen aus, das sich hoch genug verschuldet, um Bestandteil des Indexes zu werden. Das kann zu ungewollten Engagements in überbewerteten oder riskanten Sektoren führen.

Im Sekundärmarkt sind die Transaktionskosten für hochverzinsliche Anleihen signifikant höher als bei Aktien. Laut Barclays betrug der durchschnittliche Preis für den Kauf und Verkauf einer Anleihe während der Eurokrise fast 2 Prozent des Anleihenwerts. Und auch heute sind es noch etwa 0,7 Prozent, was fraglos ertragsschmälernd wirkt. Erfolgreiche aktive High-Yield-Investoren minimieren daher den Handelsaufwand und antizipieren Phasen hoher Liquidität. Das hilft ihnen dabei, effizient und kostengünstig zu handeln.

Anleihen-ETFs weisen zudem eine strukturelle Besonderheit auf: Sie werden mithilfe von Stichprobenverfahren konstruiert. Es muss dabei eine Auswahl von Wertpapieren gekauft werden, welche die gewünschte Benchmark möglichst genau widerspiegelt. Das ist ein großer Unterschied zu kapitalisierungsgewichteten Aktien-ETFs, die alle Bestandteile des Indexes enthalten. Bei AnleihenETFs entstehen daher zwangsläufig höhere Tracking Errors als bei den Aktienprodukten. Im High-Yield-Bereich umso mehr, da dieses Segment typischerweise mehr Ausreißer birgt als der Aktienmarkt. Aufgrund dieser Ausreißer kann sich die Performance erheblich stärker von dem unterscheiden, was herkömmliche Risikoparameter eigentlich vermuten lassen.

Doch viele Käufer von High-Yield-ETFs sind keine Händler. Es sind oft Privatanleger, die für ihre Altersvorsorge oder den Kauf eines Eigenheims investieren. Um diese Ziele zu erreichen, benötigen sie ein langfristiges Engagement im Markt und eine flexible Strategie, die Chancen dann nutzt, wenn sie sich ergeben. Echtzeit-Liquidität gehört nicht zu den wirklichen Bedürfnissen dieser Anleger. Und wenn sie wüssten, was

Anleihen-ETFs haben zweifelsfrei eine Daseinsberechtigung, insbesondere für kurzfristig orientierte Händler und taktische Engagements im High-YieldMarkt. Doch Anleger, die hoffen, mit Anleihen-ETFs kostengünstiger am High-Yield-Markt teilzunehmen, sollten sich der strukturellen Probleme und Risiken bewusst sein und nicht blindlings den Erfahrungen mit Aktien-ETFs vertrauen.

Transaktionskosten von Anleihen sind viel höher

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Investment

Alles eine Frage von faktorbasiertem Investment, Indexierung und beweisorientierten Anlagelösungen! Oder doch nicht? Auf der Suche nach dem heiligen Gral sprechen Anleger gern über die Wissenschaft des Investments. Und setzen Wertschöpfung gleich mit besseren Renditen, die durch Kompetenzen und Erfahrungen erzielt werden, die Fondsmanager nur zu gern lobpreisen. Dies ist seit Jahren der klassische Ansatz und er ist nach wie vor weit verbreitet. Aber da gibt es noch etwas. Etwas anderes. Für einige sogar etwas Neuartiges ... Im Grunde geht es beim faktorbasierten Investment einfach nur darum, einen Rahmen, ein Verfahren für das Portfoliomanagement festzulegen und zu befolgen und somit diversifizierte Portfolios zusammenzustellen.

von Robert G. J. van Beek

I

Robert G. J. van Beek, CFP®, €FA, Certified Wealth MentorTM, gründete 2010 sein eigenes Unternehmen „About Life & Finance“, nachdem er zuvor als Unternehmensberater, Vermögensplaner, Kundenbetreuer und Vermögensberater für verschiedene große und kleine Finanzunternehmen tätig war. Als Autor schrieb und veröffentlichte er bereits mehr als zwölf Bücher (auf Niederländisch) rund um Anlageverhalten und -psychologie, Vermögens- und Finanzplanung und Finanzwissen sowohl für Konsumenten als auch für Berater. Weiterführende Informationen: www.robertvanbeek.eu

n den letzten Jahren wurden in der Branche unzählige verschiedene Faktoren für diese Diversifizierungsregeln ermittelt (und geschaffen). Anlageberater haben einen regelrechten "Faktor-Zoo" hervorgebracht. ( John Cochrane 2011, American Finance Association, denn zu diesem Zeitpunkt waren bereits über 600 Faktoren ermittelt worden). Und all dies mithilfe der Wissenschaft. Doch nur von einigen dieser Faktoren wurde nachgewiesen – nennen Sie es Beweise –, dass sie nachhaltig, weit verbreitet, solide, intuitiv und investierbar sind1. Und nochmals: Faktoren an sich sind selbstverständlich nichts Neues. Das CAPM war ursprünglich ein Ein-FaktorModell, denn Risiko und Rendite eines Portfolios wurden ausschließlich durch den Einfluss des Betafaktors auf das Portfolio bestimmt. Einer der Gründe, aus denen Fama & French ihr berühmtes Drei-Faktoren-Modell als verbesserten Ansatz einführten. Darüber hinaus erfreut sich in unserer BeNeLux-Region die Indexierung als Einzelansatz wieder zunehmender Beliebtheit. In der Vergangenheit war „Indexschmusen“ über Investmentfonds laut der niederländischen Finanzaufsicht AFM keine gute Vorgehensweise für aktive Manager. Diese Aussage führte zu einem Streit zwischen aktiven und passiven Managern. Statt sich für Investmentfonds zu entscheiden, sollten Anleger lieber passive Instrumente wie ETFs und Indexfonds

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wählen. Zumindest die aktiven Manager sollten ihre Kunden darauf hinweisen, dass Investment auch anders geht. Zudem sollten sie erläutern, warum sie als Manager aktive statt passive Instrumente einsetzen und worin die Unterschiede bestehen. Das war im Jahr 2012. Und die Branchenakteure fragten die Regierung: Ist es in Ordnung, wenn sich eine Aufsichtsbehörde durch solche Aussagen einmischt? Fast fünf Jahre später hat sich die Anlagebranche weiter verändert. Erlauben Sie mir, Ihnen meine Sichtweise dessen darzulegen, wie sich diese Entwicklungen der letzten Zeit als einzelne Puzzleteile zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Oder auch als wesentliche Erfolgsfaktoren, mit deren Hilfe Sie zu einem besseren Anleger werden. Dabei möchte ich auch einige Worte zum Anlegerverhalten verlieren, bei dem es sich womöglich gar um die größte Fallgrube und Herausforderung handelt, die zahlreiche (professionelle) Anleger überwinden müssen! Grund dafür ist, dass Trends heutzutage eher durch Anleger- statt Anlageverhalten entstehen. Und dass sowohl Sie als Berater als auch Ihre Kunden nur Menschen sind, und mit Ihrem ( jeweiligen) Anlegerverhalten zurechtkommen müssen.

Anlegerverhalten Eine interessante Erläuterung von Anlegerverhalten ist folgende: Der Bereich des Anlegerverhaltens versucht, Ent-

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Investment

scheidungen von Anlegern durch eine Kombination der Gebiete Psychologie und Investment auf Mikroebene (d. h. Entscheidungsprozesse von Einzelnen und Gruppen) sowie auf Makroebene (d. h. die Bedeutung der Finanzmärkte) zu verstehen und zu erklären. Der Entscheidungsprozess von Anlegern umfasst sowohl einen quantitativen (objektiven) als auch einen qualitativen (subjektiven) Aspekt. Beim Anleger verhalten werden die kognitiven Faktoren (geistige Prozesse) und die affektiven (emotionalen) Problemstellungen untersucht, die bei Einzelpersonen, Finanzexperten und Tradern im Rahmen der Finanzplanung und des Investmentmanagementprozesses zu Tage treten2. Die Beziehung zwischen Anlagen und Finanzplanung sowie der entsprechende Prozess können beim Umgang mit Einflussgrößen entscheidend dazu beitragen, dass Anleger besser werden, bessere Entscheidungen treffen und schließlich bessere Anlagerenditen erzielen. Zudem hilft ihnen dies dabei, ihre Ziele zu erreichen. Die Zielsetzung ist mindestens genauso wichtig wie die Anlagelösung – wenn nicht gar wichtiger. Was der Anleger braucht, muss genau dem entsprechen, was die Anlagelösung liefern kann. Und dies gilt in jeder Situation – ganz egal, ob aktive oder passive Lösung.

Alpha & Beta ... clevere Anleger Aus Verhaltenssicht findet darüber hinaus ein Wandel hinsichtlich des Unterschieds zwischen aktivem und passivem Management statt. Inzwischen finden Sie sehr aktive Strategien und Anlageportfolios, die sich auf kostengünstige passive Instrumente stützen. Wie ist das möglich? Einige Anleger lieben das Handeln und das wird auch immer so bleiben. Es liegt in ihrer Natur. Zudem sind die Handelskosten heutzutage wesentlich niedriger als früher. Einige Anleger gelangten über kostengünstige, gut diversifizierte Indexfonds in den aktiven Handel. Nicht alle Anleger glauben den Unmengen an wissenschaftlichen Untersuchungen, die zeigen, dass Geduld, der Einsatz passiver, indexorientierter Strategien und geringe Kosten schlussendlich

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unter fast allen Marktgegebenheiten zu besseren Ergebnissen und höheren Renditen führen, als wenn man versucht, den Markt zu schlagen. Wo es eine Marktnachfrage gibt, dort kann die Finanz- und Anlagebranche Lösungen bieten – das wird sich nicht ändern. Einige Anleger sind immer noch der Meinung, sie könnten schlauer sein als der Markt. Übermäßiges Selbstvertrauen! Ist daran etwas falsch? Natürlich nicht, doch wenn diesen aktiven Anlegern ausschließlich passive Lösungen geboten würden, dann wären sie wahrscheinlich ziemlich enttäuscht. Und sie würden den Markt zum falschen Zeitpunkt verlassen, was sehr viel Geld kosten würde. Andererseits gibt es vermutlich noch immer Anleger, die gar nicht wissen, dass es auch anders geht, dass sie ihr Ziel auch auf anderem Wege erreichen können. Diese Anleger sind wiederum nicht zufrieden und glücklich, wenn ihnen nur aktive Handelsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die meisten von ihnen sind angesichts negativer Renditen enttäuscht. Das lässt sie nervös und emotional werden, denn ihnen wird bewusst, dass sich die Lösungen, die sie sich auf Empfehlung ihrer Berater und in ihrer eigenen festen Überzeugung ausgemalt haben, nicht in die gewünschte Richtung entwickeln. Dieses Problem lässt sich dadurch lösen, dass Anleger vor und während des Finanzplanungs- und Anlageentscheidungsprozesses eine bessere Wahl treffen können. Es müssen also beide Seiten der Medaille aufgezeigt werden, auf Erwartungen muss eingegangen und Anleger müssen über die Unterschiede zwischen allen verfügbaren Lösungen aufgeklärt werden. Dies bedeutet, dass bessere Informationen bereitgestellt werden müssen. Dann können die Anleger – zusammen mit ihren Beratern – zwischen beweisorientiertem und klassisch-aktivem Investment die für sie jeweils am besten geeignete Lösung wählen3. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass der Grundsatz „Handle wenig, sei geduldig“4 der bessere Weg ist, doch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Handel nötig

ist. Wie allgemein bekannt ist, besteht gar ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und einem übermäßigen Selbstvertrauen (Studie „Boys Will Be Boys“ von Brad Barber und Terrance Odean aus dem Jahr 2001). Ich nehme an, Sie wissen bereits, wer die besseren Anleger sind, denn diese Studie wurde mehrfach wiederholt – stets mit den gleichen Ergebnissen. Alpha-Männer streben nach mehr Alpha. Frauen erweisen sich dagegen als weniger selbstsicher, erzielen letztendlich aber die besseren Anlageergebnisse. In Zeiten, in denen Alpha schwer zu finden ist, hat der Markt eine „Lösung“ für das Problem geschaffen: cleveres Beta! Achten Sie als Anleger unbedingt darauf, dass Sie am Ende nicht einfach mit einer neu verpackten, umbenannten quantitativen Managementstrategie dastehen, die Sie allen Faktoren des Faktor-Zoos aussetzt, die nicht funktionieren! Als William Sharpe das Capital Asset Pricing Model (CAPM) der modern Portfoliotheorie entwickelte, erklärte er das Beta als Markt-Beta wie folgt: Es handelt sich dabei schlicht um die Empfindlichkeit des Portfolios gegenüber Bewegungen des Gesamtmarktes. Gibt es dabei eine clevere Komponente? Dies bringt uns zurück zu der Frage, ob es so etwas wie ein cleveres Beta überhaupt gibt. Es ist weder clever, noch eine Alternative, noch besser. Es ist einfach da! Aber ... Wie Larry Swedroe erklärt 1, lernten wir mit Fortschreiten der Theorie zur Preisbildung von Vermögenswerten, dass das, was im Verhältnis zum CAPM wie eine Outperformance (Alpha) der aktiven Manager aussah, in Wahrheit das Ergebnis der Beeinflussung durch andere Faktoren, oder Betas, wie Umfang, Wert, Dynamik und Rentabilität/ Qualität war. Multi-Faktor-Modelle liefern wesentlich bessere Erklärungen für die Renditen als das ursprüngliche CAPM, aber in vielen Modellen bleiben Anomalien mitunter weiterhin ungeklärt. Seiner Meinung nach kann es Wege geben, um „intelligenteres Beta“ zu schaffen, wie es am Markt so gern genannt wird.

1)

Ein Anleger benötigt klare und intelligente Regeln für die Fondskonstruktion.

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2)

ei der Abbildung eines Indexes B muss der Anleger über entsprechende Finanzmittel verfügen und Abweichungsfehler gering halten. Wenn Sie jedoch mit gewissen Abweichungsfehlern leben können, dann können Sie bei Ihrer (algorithmischen statt von Menschen gemachten?) Handelss trategie geduldiger sein und dadurch die Handelskosten senken.

3)

iehen Sie Multi-Style-Fonds statt Z mehreren Single-St yle-Fonds in Betracht.

4)

ahl des Indexes und der Regeln W für die Fondskonstruktion. Untersuchungen haben ergeben, dass eine monatliche oder vierteljährliche Neugestaltung die Renditeerwartung steigern kann. Dies hängt selbstverständlich von den Transaktionskosten ab!

Wir wollen bessere, intelligentere Entscheidungen treffen, und wir wissen, dass wir dafür einen gewissen Rahmen benötigen. Wir brauchen ein Regelwerk und einen Bezugsrahmen für den Fall, dass unsere Emotionen unserem Kopf in die Quere kommen. Aus diesem Grund sollten Sie sich einen Plan erarbeiten und es den Piloten – cleveren Leuten – gleichtun, die sich auch stets an ihre Flugpläne halten.

Planungs- und Anlageprozesse sollten aufeinander abgestimmt sein Wenn Sie clevere Anlage- und Finanzentscheidungen treffen wollen, dann müssen Sie Ihre Ziele vor Augen haben: Den ZWECK! Dann richten Sie Ihre Geldentscheidungen nämlich an Ihren Zielen aus. Zur Ermittlung der Ziele und des Zwecks, die die Kunden verfolgen, kann sowohl das zielorientierte Investment als auch die Finanzplanung hilfreich sein. Finanzplanung und Investment sollten auf die Zukunft ausgerichtet sein; dennoch können und sollten wir aus der Vergangenheit lernen! Zudem sind Geduld und Hartnäckigkeit erforderlich, damit Sie an Ihrer Anlagephilosophie und Ihrem Plan festhalten. In einem Plan oder Szenario, die Renditeerwartungen und Risiken umfassen, spielen Zahlen eine bedeutende Rolle, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Doch wie bei vielen Modellen können wir uns auch hier wieder nur auf die Geschichte stützen. Wir können versuchen zu erklären, warum etwas schief gelaufen ist und was dies für die Zukunft bedeutet. Hat es funktioniert; wird es in (näherer) Zukunft immer noch funktionieren? Falls nicht, falls Sie feststellen, dass Sie Ihre Strategie verändern müssen, dann wissen Sie zumindest, warum Sie etwas ändern, statt nur deshalb Veränderungen vorzunehmen, weil ein neuer Trend, eine

neue Lösung aufgekommen ist, die besser klingt als die vorherigen oder die anderen Lösungen. Wenn Sie Faktoren in Ihre Anlagetätigkeit einfließen lassen wollen, dann können Beweise hilfreich für Sie sein. In diesem Fall müssen Sie nach Lösungen Ausschau halten, die nachhaltige, weit verbreitete, solide, intuitive und investierbare Faktoren umfassen. Zudem sollten Sie mit Indizes arbeiten (bzw. diese als Benchmark heranziehen), von denen Sie wissen, dass sie für Ihre Anlagen geeignet sind und Ihnen die nötigen Erklärungen oder Beweise für Ihre Anlageauswahl liefern können. Wie Soren Kierkegaard einmal sagte: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es aber vorwärts.“ Dies zeigt, dass die Vergangenheit eine Rolle spielt. Sie ist jedoch niemals eine Garantie! Manchmal sollten Anleger ihr Bedürfnis nach Gewissheit zurückstellen und sich stattdessen auf eine Strategie konzentrieren, die Planung und Investment vereint und die, wenn sie auch keine Garantien geben kann, ihnen doch die besten Chancen bietet, ihre Ziele zu erreichen. Ihr Leben zu leben ist wichtiger, als es sich von Anlageentscheidungen bestimmen zu lassen. Einige Anlageexperten werden mir in diesem Punkt widersprechen. Es ist eine Frage von „About Life & Finance“.

Quellen: 1) Larry Swedroe & Andrew Berkin Your Complete Guide to Factor-Based Investing, BAM Alliance Press 2016, ISBN 978-0-692-78365-8 2) I nvestor Behavior, The Psychology of Financial Planning and Investing, Herausgeber: H. Kent Baker und Victor Ricciardi, Wiley 2014, ISBN 978-1-118-49298-7 und kürzlich zusammen veröffentlicht mit Financial Behavior: Players, Services, Products, and Markets, Herausgeber: Greg Filbeck, Wiley 2017, ISBN 978-0-190-26999-9 3) Evidence-Based Investing Visual Poster von Wendy J. CookCommunciations & Mineral: www.wendyjcook.com/category/evidence-based-investing 4) High Returns from Low Risk, a remarkable stock market paradox, Pim van Vliet, Jan de Koning, Wiley 2017, ISBN 978-1-119-35105-4

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Das Risikomanagement für die Praxis: Chance-Risiko-Management von Henning Opitz und Christian Hartwig

geeignet. Getätigte Investments müssen fortlaufend überwacht und kontrolliert werden. Dazu ist es notwendig, den Überblick zu behalten und regelmäßige – am besten von einem Profi vorgenommene – Bestandsaufnahmen zu erstellen.

Henning Opitz und Christian Hartwig, geschäftsführende Gesellschafter der Veermaster Asset Management GmbH

Es gibt viele Arten von Risiken und Ansätzen, um sie zu managen. An der Börse wird zum Beispiel das Kursrisiko gern mit der Volatilität gleichgesetzt. Die Volatilität, die Standardabweichung der Veränderungen eines Parameters, gibt letztlich die Schwankungsintensität an. Schwankung ist jedoch nicht gleich Risiko. Schwankung kennt beide Richtungen und bietet Risiken und Chancen. Dies gilt in gleicher Weise auch für weitere Risiken, etwa bei der relativ zu Wertpapieranlagen geringeren Fungibilität von Anlagen wie Immobilien und nicht börsennotierte Beteiligungen. Bei aller Konzentration auf die Vermeidung von Risiken darf ein Investor also nicht vergessen, dass es letztlich die Risiken sind, die den Ursprung der gewünschten Rendite bilden. Ein einfaches, bekanntes und zu empfehlendes Instrument ist die Diversifikation. Der Vorteil der Diversifikation ist, dass sie auf allen Ebenen durchgeführt werden kann. Es kann auf Anlageklassenebene (Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe, Immobilien et cetera), auf regionaler Ebene (Länder, Märkte oder Ähnliches) sowie innerhalb einzelner Anlageklassen detailliert gestreut werden. Der Ansatz, einfach so breit wie möglich zu investieren, bringt aber weder automatisch den gewünschten Nutzen noch ist er für viele Kapitalanleger praktisch

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Ziel einer Diversifizierung unter dem Risikoaspekt sollte sein, mit einer angemessenen und überschaubaren Breite eine geringe Korrelation innerhalb der Vermögensstruktur zu erreichen. Korrelation beschreibt den Gleichlauf zweier oder mehrerer Anlagen: Gold entwickelt sich beispielsweise mit einer Korrelation von nahezu null relativ unabhängig vom Aktienmarkt. Es kann sich positiv entwickeln, wenn der breite Aktienmarkt fällt, jedoch auch einbüßen oder seitwärts verlaufen. Eine möglichst geringe Korrelation hat folglich den Vorteil, weniger von der Entwicklung einzelner Märkte abhängig zu sein. Die nicht zu unterschätzende psychologische Wirkung hieraus beim Investor ist, dass er auch in extremen Zeiten nicht nur Verluste zu ertragen hat, sondern diese mit positiven Erfahrungen auch emotional gemildert werden. An dieser Stelle ist es berechtigt, die Frage zu stellen, ob man denn zu jeder Zeit in jeder Anlageklasse investiert sein sollte, wie es laut Diversifizierungsansatz üblich wäre. Obgleich „Timing“ eine große Herausforderung darstellt, halten wir es für eine Bereicherung in der Gesamtvermögenssteuerung. Entscheidend hierbei ist, dass es ein übergeordnetes Regulativ zur Orientierung gibt. Aus unserer Sicht kann beim Chance-Risiko-Management die allgemeine Marktbewertung diese Orientierung darstellen. Ist die allgemeine Marktbewertung unter Einordnung in den Wirtschaftszyklus hoch, sollte die Risikobetrachtung in den Vordergrund rücken. Ist die Bewertung niedrig, sollte die Wahrnehmung von Chancen fokussiert werden. Obwohl

wir überzeugte Investoren in Sachwerte wie Aktien und Immobilien sind, können unter dem vorgenannten Aspekt alle Anlageklassen attraktiv wie unattraktiv sein – selbst das Halten von größeren Barbeständen kann zeitweise eine angemessene Strategie darstellen. Viele Vermögensinhaber tun sich aber gerade in zinslosen Zeiten schwer, wenn Gelder nicht angelegt sind, und wählen dann häufig Anlagealternativen, die ein für sie unpassendes Chance-Risiko-Verhältnis aufweisen. Ein zweiter Aspekt des aktiven Vermögensmanagements: Wenn man eine Investition tätigt, hat man eine gewisse Erwartung. Sobald die Erwartung erfüllt wird, sollte die Anlage veräußert oder zumindest eine Neubewertung des verbleibenden Potenzials vorgenommen werden. Verluste wiederum sollten daher nur realisiert werden, sofern sich die fundamentale Einschätzung grundlegend verändert hat. Ist der Preis durch Verluste attraktiver geworden, so drängt sich eher eine Aufstockung als eine Veräußerung auf. Hierin besteht ein häufiger Fehler von Anlegern, die sich aus Angst und nicht auf fundamentaler Basis für einen Verkauf entscheiden und Verluste realisieren. Bei dem Thema Risiko dürfen wir Experten den Faktor Mensch nie aus den Augen verlieren. In der Praxis muss jeder Investor ein Risiko tragen, um Chancen wahrnehmen zu können. Andernfalls trägt er ein ebenso schmerzliches Risiko: entgangene Chancen. Es ist das Wichtigste, dass er oder sie Risiken bewusst eingeht. Es sollte unser Bestreben sein, das magische Dreieck der konkurrierenden Ziele einer Vermögensanlage, bestehend aus Rendite, Liquidität und Sicherheit, als ein magisches Viereck zu verstehen. Wenn sich durch Verständnis unserer Arbeit der vierte Faktor namens Wohlgefühl einstellt, trifft der Kapitalanleger häufiger die richtigen Entscheidungen und hält auch in schwierigen Zeiten an sinnvollen Investments fest.

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Das Aktien-Weltportfolio – Wie viele ETFs müssen es sein? von Arne Scheehl

Doch wie viele ETFs benötigt ein Anleger, um ein breit diversifiziertes Aktien-Weltportfolio aufzubauen? Diese Frage stellen sich viele Anleger, die ihre Investments überschaubar und einfach handhabbar halten wollen. Dies ist besonders dann wichtig, wenn zum Beispiel Sparpläne genutzt werden oder das Wertpapierdepot aufgrund von zahlreichen Aktienpositionen unübersichtlich geworden ist.

Der erste Schritt zum Weltportfolio

Arne Scheehl, ETF-Experte bei ComStage, Commerzbank AG „Suche nicht die Nadel im Heuhaufen, kaufe einfach den Heuhaufen“, so lautet eines der bekannten Zitate des USamerikanischen Unternehmers und Autors wirtschaftswissenschaftlicher Bücher John Clifton Bogle. Im Jahr 1975 gründete Bogle die Investmentgesellschaft The Vanguard Group und legte einen der ersten Indexfonds auf. Was damals eine Sensation war, ist heute der Kassenschlager – auch in den Depots von vielen deutschen privaten und institutionellen Anlegern. Überträgt man den „Heuhaufen“ in die heutige Börsenwelt, so landet man im Prinzip beim sogenannten Weltportfolio, dem Inbegriff der Diversifikation. Da das Abbilden eines Aktien-Weltportfolios für den normalen Privatanleger mit Einzelaktien so gut wie unmöglich ist und aktiv gemanagte Fonds häufig mit zu hohen Kosten behaftet sind, beherzigen immer mehr Anleger die Worte Bogles und nutzen vermehrt die Vorteile von ETFs zur Zusammenstellung ihres Portfolios.

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Intuitiv würden die meisten Anleger sicherlich im ersten Schritt zu einem ETF auf den MSCI World greifen. Kein Wunder, denn dieser Index zählt unbestritten zu den wohl bekanntesten Aktienindizes der Welt. Das Wichtigste zum Index in Kürze: Die vier Buchstaben MSCI stehen als Abkürzung für „Morgan Stanley Capital International“ und damit für die zwei Gründerfirmen des über 40 Jahre alten Indexanbieters. Seit 2007 ist der Indexanbieter jedoch unabhängig und eine börsengehandelte Aktiengesellschaft. Beim MSCI-World-Index besteht die Grundsystematik darin, den Index mit Aktien aus 23 entwickelten Ländern weltweit abzubilden. Hierbei wird das Gewicht einer einzelnen Aktie durch ihre jeweilige Marktkapitalisierung bestimmt. Der MSCI-World-Index beinhaltet circa 1.600 Aktientitel und deckt damit rund 85 Prozent der Streubesitzmarktkapitalisierung des jeweiligen Landes ab. Insgesamt ist der MSCI World ein stark diversifizierter Index, der eine große Anzahl von Ländern und Währungen widerspiegelt. Ein wesentliches Merkmal ist, dass der Index allerdings nur große Unternehmen aus entwickelten Ländern berücksichtigt. Aktien

aus Entwicklungsländern (Emerging Markets) und Aktien kleinerer Unternehmen (Small Caps) sind im Index nicht enthalten. Zu beachten ist zudem die hohe Gewichtung der USA (mit knapp 60 Prozent) und eine leichte Konzentration auf einige Branchen.

Der zweite Schritt zum Weltportfolio Bei einem tieferen Blick auf die Zusammensetzung des MSCI-World-Index wird recht schnell deutlich, dass der Index allein für die Abbildung eines Weltportfolios nicht ausreicht. Im zweiten Schritt liegt es daher nahe, den ETF auf den MSCI World mit einem ETF auf den MSCI Emerging Markets zu kombinieren. Diese zwei Indizes bilden in Summe fast 2.500 Aktien aus 46 Ländern ab. Eine breite Streuung mit nur zwei ETF-Depotpositionen ist also durchaus möglich. Schaut man hinter die Systematik der beiden Indizes, so fällt schnell auf, dass nur zwei „Typen“ von Aktienmärkten abgedeckt werden (siehe Grafik): Der MSCI World konzentriert sich auf die entwickelten Länder und der MSCI Emerging Markets auf die Schwellenländer. Dabei nutzt der Indexanbieter MSCI Kriterien wie ökonomischer Entwicklungsstand des Landes, Größe und Liquidität des jeweiligen Aktienmarktes sowie Qualität des Marktzugangs für ausländische Investoren. Außen vor bleiben folglich die Länder, die weder Industrienation noch Schwellenland sind. Diese sogenannten Frontier-Märkte sind Aktienmärkte in Ländern unterhalb der Kategorie „Schwellenländer“. Beispiele hierfür sind Jordanien, Argentinien und Vietnam. Diese Aktienmärkte sind relativ klein und die Handelbarkeit der Aktien häufig schwierig. Daher werden sie weder durch den MSCI World noch durch den MSCI Emerging Markets abgedeckt.

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Unter dem Strich erreicht man mit der Kombination der beiden ETFs eine sehr kostengünstige und übersichtliche Möglichkeit, um relativ nah an ein gut diversifiziertes Aktien-Weltportfolio heranzukommen. Dennoch sollten Anleger folgende Punkte beachten:

s ergibt sich eine Konzentration E auf einige wenige Länder (und damit einhergehend das entsprechende Währungsrisiko respektive die Währungschance). So hat beispielsweise der MSCI World einen US-Aktienanteil von circa 60 Prozent, und der MSCI Emerging Markets ist mit 29 Prozent in China, mit 14,7 Prozent in Korea und mit 11,7 Prozent in Taiwan gewichtet. ufgrund der geringen Gewichtung A von deutschen Aktien im MSCI World (3,6 Prozent) ist der Home-Bias – also der Investmentschwerpunkt des Heimatlandes – für einen deutschen Investor nicht gegeben.

• Da beide Indizes im Wesentlichen nur große Unternehmen berücksichtigen, sind Aktien kleinerer aufstrebender Unternehmen (Small Caps) im Index nicht enthalten. Auch wenn es dafür keine Garantie gibt, können kleinere Unternehmen jedoch vor allem in guten Börsenjahren einen stärkeren Kursanstieg aufweisen als die bereits etablierten großen Konzerne. In schwachen Aktienjahren wiederum besteht die

Gefahr, dass kleinere Unternehmen dagegen stärker an Wert verlieren.

Der letzte Schritt zum Weltportfolio Aufgrund der genannten Gründe sollten Investoren die finale Zusammenstellung ihres Aktien-Weltportfolios gut überdenken. Viele deutsche Investoren ergänzen die Mischung aus MSCI World und MSCI Emerging Markets daher noch um ein heimatnahes Investment. Dies ist häufig ein ETF, der ausschließlich aus deutschen Aktien besteht, oder aber auch ein ETF auf europäische Titel, bei dem Deutschland ein großes Gewicht hat. So ist es möglich, nach persönlichen Vorlieben bestimmte Regionen noch höher zu gewichten. Aber nicht nur die Ergänzung mit Deutschland- und Europa-ETFs kann für Investoren interessant sein. Dieselbe Möglichkeit bieten Indizes anderer Länder, speziell auf Branchenindizes aufgelegte ETFs, die nur Aktien aus einem Sektor enthalten und so sehr zielgenau ein Investment in diese Unternehmen ermöglichen. So sind für den paneuropäischen STOXX Europe 600 beispielsweise 19 Branchenindizes verfügbar. Auch der Aspekt der Small-Cap-Unternehmen kann durch die Hinzunahme von ETFs, die sich speziell auf Aktien

kleinerer Unternehmen spezialisiert haben, ausgeglichen werden. Ganz egal, ob deutsche beziehungsweise europäische Aktiengesellschaften oder Unternehmen aus den USA – Anleger haben die freie Wahl.

Fazit Für Aktienanleger, die es sehr einfach und überschaubar halten möchten, kann ein Portfolio aus weltweiten Industrienationen-Aktien und Schwellenländer-Aktien eine Möglichkeit sein. Ein erheblich individuelleres und auf den Investor angepasstes Portfolio wird jedoch eher die Mindestanzahl von vier bis sechs ETFs enthalten. Insbesondere die höhere Gewichtung des Heimatmarktes Deutschland respektive Europa ist bei vielen deutschen Anlegern beliebt. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass lediglich die Aktienquote im Portfolio abgedeckt ist. Aus Risikooptimierungsgründen sollte jedoch noch über eine Diversifikation in andere Anlageklassen nachgedacht werden: Anleihen und gegebenenfalls Rohstoffe bieten sich hierzu für die meisten Investoren an. Des Weiteren ist die Risikotoleranz eines jeden Anlegers immer eine Momentaufnahme, und so sollte auch die grundlegende Aufteilung des eigenen Weltportfolios hinsichtlich des persönlichen Chance-Risiko-Verhältnisses regelmäßig überprüft werden.

ALL COUNTRY WORLD INDEX UND SCHWELLENÄNDER-INDEX

Stand: 27. Oktober 2018; Quelle: MSCI Inc. 1|Die West African Economic and Monetary Union (WAEMU) besteht aus den folgenden Ländern: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal und Togo.

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Differenzieren lernen! Wo in den Frontier-Markets die echten Chancen liegen von Axel Krohne

den kleineren Schwellenländern – den Frontier-Markets – ging der Rebound aber erst einmal völlig vorbei. Hier sind die Anleger erst Anfang dieses Jahres aufgewacht. Seitdem nehmen auch die Frontier-Markets wieder Fahrt auf, und zwar mit einer Dynamik, die inzwischen für jedermann sichtbar ist. Damit entsteht jetzt auch endlich wieder ein Bewusstsein für die Werthaltigkeit, die man an diesen Börsen noch vorfinden kann.

Axel Krohne, Head of Portfoliomanagement des AvH Emerging Markets Fonds, EM Value AG

W

enn man sich unter global agierenden Anlagestrategen umhört, dann ist zurzeit eine Sache völlig klar: Die Frontier-Markets sind das nächste große Ding!

Die Logik dahinter ist bestechend. Die westlichen Börsen laufen schließlich schon seit Jahren gut und erscheinen allmählich ausgereizt. Dann sprangen 2016 auch die Emerging Markets wieder an – beflügelt von einer deutlich freundlicheren globalen Konjunktur. An

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Ob ich den zurückgekehrten Optimismus für die Frontier-Markets teile? Ja und nein. Die Erholung bestätigt mich natürlich, denn sie war längst überfällig. Außerdem sind wir noch weit von der Frontier-Markets-Begeisterung entfernt, die wir vor einem Jahrzehnt schon einmal hatten. Wir stehen also vielleicht erst am Anfang eines sehr ausgeprägten Aufschwungs. Möglicherweise steht uns sogar eine echte Hausse bevor, vergleichbar mit der, die wir zu Beginn dieses Jahrtausends erlebt haben.

Was den Blick auf Chancen verstellt Ich kann aber immer wieder nur mit dem Kopf schütteln, wenn Analysten den Daumen über die Frontier-Markets pauschal heben oder senken. Die Globalstrategen haben es sich bei

den Schwellenländern ja inzwischen angewöhnt, Tausende von Aktien aus den unterschiedlichsten Ländern als eine einzige Anlageklasse zu betrachten – also als einen kompakten Block, in dem man jeweils „übergewichtet“ oder „untergewichtet“ sein soll. Das ist schon bei den großen BRICS-Staaten wenig zielführend, und es wird völlig absurd, wenn man sich im Universum aller Emerging Markets und FrontierMarkets bewegt. Kann man wirklich eine seriöse Einschätzung zu diesen Märkten abgeben, wenn man komplett unterschiedliche Volkswirtschaften wie Vietnam, Argentinien, Pakistan oder Lettland allesamt über den gleichen Kamm schert? Die Chancen in den Frontier-Markets sind durchaus greifbar. Die Voraussetzungen für den Aufbau eines dauerhaft werthaltigen Portfolios waren dort selten so gut wie jetzt. Ich kann jedem Investor nur raten, über seinen Schatten zu springen. Man darf diese Zukunftsmärkte nicht als homogene Anlageklasse betrachten, sondern sollte sie möglichst differenziert sehen und sich dabei auch eine gewisse Unvoreingenommenheit bewahren. Es sind nicht immer die besonders glamourösen Märkte, an denen man die attraktivsten Aktien findet. Im Nachhinein stellt sich

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fast immer heraus: Die besten Investments sind die, die zum Kaufzeitpunkt niemand sonst haben wollte.

Weltbörsen, und sie tanzen auch nicht nach der Pfeife der US-amerikanischen oder europäischen Geldpolitik.

Qualität gewinnt

Große Chancen in Nigeria und Kenia

Beim AvH Emerging Markets Fonds haben wir uns beispielsweise vor anderthalb Jahren reichlich mit russischen Aktien eingedeckt. An den Märkten saß der Schock über die Spannungen mit dem Westen und die Sanktionen tief. Heute spielt die Politik am russischen Aktienmarkt dagegen so gut wie keine Rolle mehr. Die großen Öl- und Gasaktien haben wir seinerzeit gemieden, denn in der zweiten Reihe fanden wir jede Menge Werte, deren Unterbewertung zum Himmel schrie. Am Großteil dieser Russland-Positionen halten wir auch heute noch fest, obwohl sie schon deutlich zugelegt haben: etwa an den beiden Hafenbetreibern Novorossiysk Commercial Sea Port und Global Ports Investments oder an der HMS Hydraulic Machines & Systems Group, einem Hersteller großer Pumpanlagen, der enorm vom schwachen Kurs des russischen Rubels profitiert hat.

Ein Land, um das die Investoren gerade einen großen Bogen machen, ist Nigeria. Seine Staatseinnahmen sind wegen des gefallenen Ölpreises und wegen Rebellenattacken auf Ölpipelines geschrumpft, und seine Währung brach deshalb in den letzten drei Jahren gegenüber dem US-Dollar um mehr als 50 Prozent ein. Jetzt ist die Inflation aber schon seit sieben Monaten wieder rückläufig, die Verschuldung ist mit 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts immer noch sehr überschaubar und das Bruttoinlandsprodukt ist im zweiten Quartal 2017 wieder um 0,55 Prozent gestiegen. Auch das Negativwachstum der vorangegangenen fünf Quartale ist somit überwunden.

Damit soll nicht ausgesagt werden, man müsse an der Börse einfach alles kaufen, was stark gefallen ist. Die Erfahrung lehrt aber: Wenn an den Märkten irgendwelche Faktoren dafür sorgen, dass solide Qualität plötzlich zu herausragend niedrigen Bewertungen zu haben ist, dann gewinnt die Qualität früher oder später wieder die Überhand. Sondersituationen können enorm hilfreich sein, wenn es darum geht, sich ein renditestarkes Portfolio aufzubauen. Und solche Sondersituationen treffen wir gerade in den Frontier-Markets immer wieder an. Die Frontier-Markets korrelieren am wenigsten mit den großen

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Nigeria ist für viele Anleger immer noch ein Sinnbild für Armut und Chaos. Die enorme Wachstumsdynamik in den zehn Jahren vor 2015 wird dabei außer Acht gelassen. Nigerias Wirtschaft ist während dieser Zeit immer um vier bis acht Prozent pro Jahr gewachsen, und sie wird auf diesen Wachstumspfad auch wieder zurückkehren. Die Abwertung der Währung stärkt außerdem Nigerias Wettbewerbsfähigkeit und verschafft der heimischen Industrie auf dem Binnenmarkt mit 180 Millionen Verbrauchern große Vorteile. Viele nigerianische Gesellschaften, die direkt vor Ort in Lagos börsennotiert sind, weisen jetzt hervorragende Kennzahlen auf – sie sind profitabel, substanzstark und absolut günstig bewertet. Ein anderes afrikanisches Land, dessen

Börse die langfristigen Aussichten nicht annähernd widerspiegelt, ist Kenia. Die Landwirtschaft litt dort unter einer schweren Dürre, außerdem ist zurzeit oft von „politischer Verunsicherung“ die Rede. Die Regierung hat deshalb gerade erst ihre Wachstumsprognose für 2017 nach unten korrigiert – die neue Schätzung liegt aber immer noch bei plus 5,5 Prozent. In meinen Augen ist das ein sehr ordentlicher Wert, ich sehe auch die politische Lage nicht so negativ wie andere Beobachter. Es stimmt schon, dass die Präsidentschaftswahl vom Obersten Gerichtshof wegen Wahlmanipulationen annulliert wurde. Die eigentliche Überraschung war für mich aber, dass sich der Amtsinhaber Uhuru Kenyatta diesem Beschluss ohne große Gegenwehr gebeugt hat. Meiner Meinung nach erleben die Demokratie und das politische System Kenias gerade keine Niederlage, sondern eher einen Triumph.

Wissen, was man will Ganz generell ist das Momentum in den Frontier-Markets zurzeit stark, und ich freue mich für jeden Investmentmanager und jeden Anleger, der davon profitiert. Ein gutes Marktsentiment ist aber kein Ersatz für Expertise und für eine tragfähige Strategie – zumindest nicht für langfristig orientierte Anleger und schon gar nicht für Value-Anleger. Wenn wir uns schon an „exotischen Börsen“ engagieren, dann sollten wir das vor allem deshalb tun, weil wir dort echte Chancen sehen – in einem globalen Anlageumfeld, das ansonsten nicht mehr viele Chancen bietet. Und es hat noch nie geschadet, wenn diese Chancen nicht nur auf Konsensüberzeugungen beruhen, sondern sich auch fundamental untermauern lassen.

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Investment

Dividenden und Small Caps: Das Beste aus zwei Welten

Viele der Hidden Champions in Europa sind Marktführer in ihren Geschäftsbereichen mit stetigen Erträgen und soliden Kursverläufen. Kombiniert mit einer Dividendenstrategie ergibt sich ein Portfolio aus Qualitätsunternehmen. Gerade für Anleger, die eine eher defensive Aktienstrategie suchen, ist das eine vielversprechende Anlagealternative.

von Markus Herrmann

Also Aktien, die den Investor letztlich deutlich besser schlafen lassen.

ADVERTORIAL

Dividenden gelten als Nachweis wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, was insbesondere in konjunkturell schwierigen Zeiten von Vorteil ist. So waren in der Vergangenheit die Unternehmen, die in der Lage waren, dauerhaft Dividenden aus dem Cashflow zu zahlen, ökonomisch erfolgreicher als der breite Markt.

Starke Kombination aus Dividendentiteln plus Nebenwerten

Markus Herrmann, Portfoliomanager des Lupus alpha Dividend

E

uropäische Aktien sind gefragt. Der Konjunkturausblick für Europa ist positiv und viele der Unternehmen sind gut aufgestellt. Zudem fehlt es Anlegern wegen der anhaltend niedrigen Zinsen an vielversprechenden Anlagealternativen. Marktexperten raten daher zu Sachwertanlagen wie Aktien. Gleichwohl suchen viele Anleger nach defensiven Aktienstrategien, die ein vergleichsweise reduziertes Risiko mit geringeren Maximalverlusten aufweisen. Eine solche Aktienstrategie können Anleger mit Unternehmen umsetzen, die für eine verlässliche Dividendenpolitik stehen. Denn das sind zumeist wettbewerbsstarke Qualitätstitel, die von einer Nachfragedelle oder einer konjunkturellen Schwächephase nicht gleich aus der Bahn geworfen werden.

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Eine erfolgreiche Dividendenstrategie versucht daher, die verlässlichen Dividendenzahler zu identifizieren sowie jene Aktien zu meiden, bei denen in Zukunft eine Dividendenkürzung oder gar ein -ausfall zu erwarten ist. Die meisten Dividendenfonds konzentrieren sich auf die großen Standardwerte und vernachlässigen dabei einen Großteil der Wirtschaftskraft einer Volkswirtschaft. Denn erst eine Anlage in Nebenwerte eröffnet Investoren den vollen Zugang zur Wertschöpfung eines Landes. In Kombination mit einer Dividendenstrategie lässt sich ein deutlicher Mehrwert erzeugen. Die volkswirtschaftliche Bedeutung europäischer Nebenwerte spiegelt sich auch in ihrem Renditepotenzial wider. Im Vergleich zu Large Caps überzeugen Nebenwerte in Europa mit einer besseren Performance. So haben europäische Nebenwerte seit dem Jahr 2000 in 13 von 16 Jahren eine deutliche Outperformance gegenüber Large Caps erzielt. Bei der Suche nach den Hidden Champions an der Börse konzentriert sich

das Team von Lupus alpha auf Qualität: europäische Nebenwerte mit einer lückenlosen Dividendenhistorie, die krisenerprobt und gut für die Zukunft aufgestellt sind. Diese kleineren Unternehmen sind oft Marktführer in ihrem Segment – mit soliden Bilanzen, stabilen Geschäftsmodellen und guter Dividendenhistorie.

Qualitätsunternehmen identifizieren Ihre Renditestärke konnte die Nebenwerte-Dividendenstrategie von Lupus alpha seit ihrem Start im Dezember 2012 nachhaltig unter Beweis stellen. So glänzte der Lupus alpha Dividend Champions mit einer jährlichen Rendite von 17,1 Prozent. Damit übertraf er seinen Vergleichsindex im Durchschnitt um 2,78 Prozentpunkte pro Jahr (Stand Ende August 2017). Der Fonds richtet sich an Aktienanleger, die in europäische Nebenwerte investieren wollen und gleichzeitig eine Low-Beta-Strategie suchen, die geringere Schwankungen als der Gesamtmarkt aufweist, selbst wenn der Fonds dadurch in Haussephasen etwas zurückbleiben kann. Der Portfoliomanager Markus Herrmann setzt auf ein konzentriertes Portfolio aus europäischen Qualitätsunternehmen, die auch im Falle einer Schwächephase am Aktienmarkt gut aufgestellt sind und eine kontinuierliche Dividendenzahlung versprechen. Bislang konnte der Fonds jährlich 2 Prozent ausschütten. Fazit: Mit einer Dividendenstrategie aus dem Universum der Small und Mid Caps kombinieren Anleger das Beste aus zwei Welten und erhalten ein stabiles, risikoreduziertes und dennoch performancestarkes Aktienportfolio.

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Herausgeber/Verleger Forum Trainingsmanagement UG (haftungsbeschränkt) Ebereschenallee 7 14050 Berlin Chefredakteur Thomas Abel, CFP®, CFEP® editor@financialplanningmagazin.de Autoren Ronald Sier Michael E. Kitces Darius Gevelhoff Katharina Mohr Mitch Anthony Steve Sanduski Nils Koerber Dr. Martin Lück Hans-Jörg Naumer Alexander P. Letzsch Sven Putfarken Thomas Freiberger Volker Weg Christian Tischer Michael Heidinger Markus Peters Sahil Khan

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„Meine Kunden vertrauten mir. Aber die Vertriebsvorgaben meiner Bank deckten sich nicht mit meiner Vorstellung, langfristig und strategisch zu agieren bzw. zu beraten. Das war der Grund, warum ich mich selbständig gemacht habe – mit Erfolg!“ René Radtke 20 Jahre Berufserfahrung im Bankensektor

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