FINANCIAL PLANNING Magazin II-2020

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Das Magazin fĂźr Finanzplanung

FINANCIAL PLANNING Mitgliederzeitschrift der Vereine NFP, NFEP und DVVS

02.2020 | 6,00 E

Finanzplanung in Zeiten von Corona: Jetzt erst recht! Finanzplaner im Interview

Die Coronapandemie und die Immobilienfonds

Alternative Finanzierung in Sondersituationen und Krisenzeiten


I M P R ES S U M

Herausgeber/Verleger IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung GmbH Ebereschenallee 7 14050 Berlin Chefredakteur Thomas Abel, CFP®, CFEP® editor@financialplanningmagazin.de Autoren Marcel Reyers Sven Putfarken Markus Schmetz Janko Laumann Sarah E. Dale Krista S. Sheets Ronald Sier Meghaan R. Lurtz Prof. Dr. Rolf Tilmes Monika Müller Dr. Martin Lück Dr. Hans-Jörg Naumer Carl-Jan von der Goltz Manuel Wicke Ariel Bezalel René Kerkhoff Vinay Thapar Heiko Hartwig Maximilian Glintschert Thomas Abel

U NSE R E PARTN E R

Redaktionsanschrift IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung GmbH Ebereschenallee 7 14050 Berlin Telefon: +49 30 98 53 54 83 Fax: +49 3212 12 07 854 E-Mail kontakt@financialplanningmagazin.de Anzeigen anzeigen@financialplanningmagazin.de Layout | Grafik Susanne Pobbig www.susannepobbig.de Druck SAXOPRINT GmbH Abonnement Sie möchten die kommenden Ausgaben des FINA NCIAL PLA NNING Magazins bestellen? 4 Hefte/Jahr, Preis 20 Euro inkl. MwSt. Mehr dazu unter: www.financialplanningmagazin.de/abo ISSN (Print) 2626-9465 ISSN (Online) 2626-9503

Das FINA NCIAL PLA NNING Magazin ist die Mitgliederzeitschrift der Finanzplanervereine network financial planner e.V. (nfp) und Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. (nfep). Bildquellen www.depositphotos.com Risikohinweis Die im FINANCIAL PLANNING Magazin (FPM) enthaltenen Angaben und Mitteilungen sind ausschließlich zur Information bestimmt. Keine der im FPM enthaltenen Informationen begründet ein Angebot zum Verkauf oder die Werbung von Angeboten zum Kauf eines Anlageproduktes. Die IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung GmbH haftet nicht für Schäden aufgrund von Handlungen, die ausgehend von den im FPM enthaltenen Informationen vorgenommen werden. Nachdruck/Vervielfältigung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Redak­ tion gestattet.

Die nächste Ausgabe erscheint im ­September 2020.


E D ITO RIA L

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Leserinnen und Leser,

Im Rahmen einer gesamthaften Kundenberatung sind Aktien- und Rentenanlagen ja oft auch nur ein Teil der Betrachtung. hinter uns liegen drei Monate, die wohl Die Auswirkungen der Krise auf andere bisher noch niemand von uns so erlebt Vermögenswerte (wie Unternehmen oder hat. Mehr oder weniger über Nacht braImmobilien eines Mandanten) können chen Kontaktverbote, Reisebeschränkuneine viel größere Rolle spielen – ebenso gen, Schulschließungen und vieles mehr die Veränderung der Einnahmenseite aufüber uns herein. Bis Anfang März haben grund von Kurzarbeit, Firmenschließung die meisten wohl noch gedacht, dass oder Produktionsstopp aufgrund staatliSARS-Cov-2 an uns vorbeiziehen und keicher Maßnahmen. Auch hier gilt es also, ne großen Auswirkungen auf die Gesellzeitnah ins Gespräch zu gehen, um Manschaft und die Wirtschaft haben würde. danten in dieser Zeit als Ansprechpartner Welch ein Irrtum! zur Verfügung zu stehen. Diese Ausgabe des Magazins beschäfDie Kapitalmärkte reagierten bereits ab tigt sich mit finanzplanerischen Themen, Mitte Februar und haben einen Absturz ebenso werden aktuelle Investmentideen hingelegt, den es in den letzten 100 Jahvorgestellt. Hervorzuheben ist hier der ren in dieser Schnelligkeit noch nicht geArtikel von Prof. Dr. Rolf Tilmes, 1. Vorsitgeben hat. Der DAX fiel von seinem AllT H O M A S A B E L, CFP®, CFEP® zendes des FPSB Deutschland mit dem Tizeithoch von knapp 13.800 Punkten bis Chefredakteur tel „Finanzplanung in Zeiten von Corona: Mitte März auf etwa 8.400, also um circa Jetzt erst recht!“ 40 Prozent innerhalb nur eines Monats. Im Zusammenhang mit Leider mussten im Frühjahr bundesweit viele Veranstaltungen den schrittweise eingeführten Lockerungen der Bundes- und abgesagt oder verschoben werden. Dies betraf auch einige FiLandesregierungen stieg er zwischenzeitlich allerdings wieder nanzplanertreffen wie das 6. Estate Planner Forum in Berlin auf fast 11.000 Punkte an (um ca. 30 Prozent), als sei die Krioder den 2. Leipziger Finanzplanertag. Beide Tagungen wurden se bereits weitestgehend ausgestanden. Dabei werden die zum in den September verschoben, alle Details dazu finden Sie auf Teil wahrscheinlich katastrophalen Daten aus der Wirtschaft www.ifnp.de. und vom Arbeitsmarkt erst mit gewisser Verzögerung auf uns Zudem finden nun aber auch viele Veranstaltungen online statt, zukommen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich im Verlauf des die Einladungen dafür prasselten in jüngster Zeit nur so auf die Sommers nicht nur die Infektions-, sondern auch die WirtBerater ein. Dies wird sich in den kommenden Wochen sicher schaftszahlen Deutschlands und der Welt entwickeln werden. etwas legen, da erste Präsenzveranstaltungen wieder möglich sein werden. So kann der 6. Hamburger Finanzplanertag unDie zeitnahe Kommunikation mit Mandanten ist in diesen auter Einhaltung der Hygienevorschriften am 19. Juni (fast) wie ßergewöhnlichen Zeiten sehr wichtig. In solchen Momenten geplant stattfinden. Weitere Veranstaltungen finden Sie im Terzeigt sich auch, ob die mit den Mandanten vorgenommenen Riminkalender dieser Ausgabe. sikoanalysen und die darauf abgestimmten Vermögensanlagen tatsächlich deren Risikoprofil entsprechen, oder ob der ein oder Ich wünsche wie viel Spaß bei dieser Lektüre, bleiben Sie geandere aufgrund von Kursverlusten und Verlustschwellenmelsund und genießen Sie den Sommer – trotz Reisebeschränkundungen doch panisch reagiert. Vielleicht zeigt auch Ihre Erfahgen. rung aus den letzten Wochen, dass viele Mandanten durchaus realistisch mit der Krise umgehen und sogar Liquidität bereitHerzliche Grüße gestellt haben, um die niedrigen Kurse an den Märkten für Käufe zu nutzen. Wenn dem so ist, haben wir Berater vorher vieles richtig gemacht, denn man soll ja bekanntlich „kaufen, wenn die Kanonen donnern und verkaufen, wenn die Violinen spielen“ (Zitat von Carl Mayer von Rothschild, 1788-1855). Thomas Abel

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IN HALT 30 Impressum

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Editorial Von T H O M A S A B E L

FI N A N CIA L P L A N N I N G | V E R B Ä N D E N E W S & FAC T S

Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

network financial planner e.V.

Deutscher Verband vermögensberatender Steuerberater e.V.

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FI N A N CIA L & ES TAT E P L A N N I N G | P R A XIS

Die neue Normalität der Kommunikation des Ungewissen Von J A N K O L A U M A N N

Unternehmenskultur? Die Voraussetzung für Ihren Erfolg Von S A R A H E . D A L E und K R I S TA S . S H E E T S

Wie man als Finanzplaner mit Garantien Vertrauen aufbauen kann Von R O N A L D S I E R

Future Self-Continuity: Warum es für die Finanzplanung wichtig ist, sich die Zukunft vorzustellen Von M E G H A A N R . L U R T Z

Finanzplanung in Zeiten von Corona: Jetzt erst recht! Von P R O F . D R . R O L F T I L M E S

Spieglein, Spieglein an der Wand – Mensch oder Maschine, wer kommt besser aus der Krise? Von M O N I K A M Ü L L E R

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40 KO LU M N E

Phasen einer Krise Von D R . M A R T I N LÜ C K

Einstiegszeitpunkt nicht verpassen! Von der Strategie zur Tat. Von D R . H A N S - J Ö R G N A U M E R

R E C H T | R EG U LI E R U N G | A N A LYS E

Alternative Finanzierung in Sondersituationen und Krisenzeiten Interview mit C A R L - J A N V O N D E R G O L T Z

FI N A N Z P L A N E R I M I N T E R VI E W

Finanzplaner im Interview Mit M A N U E L WI C K E

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I N V ES T M E N T LÖ S U N G E N

Ein Überblick über die jüngsten Marktentwicklungen und Turbulenzen an den Kreditmärkten Von A R I E L B E Z A L E L

Digitale Stützen in der Krise Von R E N É K E R K H O F F

„Wir investieren in das Geschäft, nicht in die Wissenschaft“ Interview mit V I N AY T H A PA R

Die Coronapandemie und die Immobilienfonds Von H E I K O H A R T W I G

Der Aktienfonds awesome Future Tech Opportunities als Möglichkeit, vom rasanten Comeback auf der Weltbühne zu profitieren Von M A X I M I L I A N G L I N T S C H E R T

V E R A N S TA LT U N G E N

Veranstaltungskalender

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FI N A N CIA L P L A N N I N G | V E R B Ä N D E N E W S & FAC T S

Aktuelles vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, die Coronakrise hat uns in diesem Jahr eiskalt erwischt. Nicht nur die gesundheitlichen Sorgen erfassten alle Bevölkerungsgruppen. Auch die wirtschaftlichen Sorgen – resultierend aus Lockdownmaßnahmen historischen Ausmaßes – betrafen und betreffen nahezu jeden. Und hier spielt die Finanzplanung eine bedeutende Rolle. Wir Finanzplaner haben – hoffentlich – auch die Liquidität unserer Kunden berücksichtigt und ein Liquiditätspolster für 3 bis 6 Monate in die Planung integriert. Es geht nämlich nicht nur darum, möglichst viel Kapital margenstark anzulegen, es geht auch um die „Finanzlebensbegleitung“ unserer Mandanten. Sie können mit einem soliden Finanzplan in einer Krise deutlich zuversichtlicher sein. Dies liegt zum einen an dem erwähnten Liquiditätspolster und zum anderen daran, dass sie mittel- und langfristige Ziele haben. Diese Zieldefinition und die strategische Vermögensausrichtung geben einen Weg vor, der zwar von Hürden und Kurven geprägt ist, der aber langfristig zum erwünschten Ergebnis führen sollte.

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Neben den Mandanten haben uns auch die veränderten Kommunikationsweisen vor eine Herausforderung gestellt. Nach einigen Wochen Einfindungszeit zoomen, webexen und skypen wir aber fröhlich vor uns hin. Anfängliche Bedenken hinsichtlich der Umstellung auf Webkonferenzen sind verflogen und man erkennt schnell auch die positiven Seiten (weniger Fahrzeit, Flexibilität etc.) dieser veränderten Kommunikationsformen. Für unsere Mitglieder haben wir daher im April und Mai drei Webinare durchgeführt, die sehr gut angenommen wurden. Dieses Angebot werden wir aufrechterhalten, um auch überregionale Mitglieder zu erreichen. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und bleiben Sie gesund!

MARCEL REYERS 1. Vorsitzender vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.


FI N A N CIA L P L A N N I N G | V E R B Ä N D E N E W S & FAC T S

Neues vom network financial planner e.V.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Mitglieder, die Sommerferien stehen bundesweit so gut wie vor der Tür und der Sommerurlaub rückt in greifbare Nähe – so oder so ähnlich wäre es normalerweise gewesen, aber in 2020 ist alles anders. WIR haben Corona, besser gesagt Corona-Zeiten, COVID-19 und/oder Shutdown. Wie es weitergeht, ist ungewiss. Offiziell seit Januar dieses Jahres hält das Virus SARS-CoV-2 die Welt in Atem, ein Ende der Einschränkungen ist nicht in Sicht, ein Impfstoff leider auch nicht. Waren diese Einschränkungen nötig? Musste fast die gesamte Weltwirtschaft wirklich zum „Stillstand“ gebracht werden? Ist es nur das Virus oder steckt vielleicht doch noch mehr dahinter? Jeder von Ihnen wird sich in unzähligen Mediakonferenzen, Newstickern und Zeitungsartikeln sein eigenes Bild gemacht haben. Genaue Antworten werden wir wahrscheinlich nicht erhalten, aber unbequeme Fragen dürften im Laufe des Jahres auf Entscheidungsträger der Politik zukommen. Für unseren Verein bedeuteten und bedeuten diese Einschränkungen, dass wir in den ersten fünf Monaten dieses Jahres keinen einzigen Finanzplaner- oder Estate-Planner-Tag durchführen konnten, obwohl doch qualitativ hochwertige Finanzplanertreffen grundsätzlich stark nachgefragt sind. Wir mussten unsere Finanzplanertage in Leipzig und Stuttgart sowie das Estate Planner Forum in Berlin in die zweite Jahreshälfte verlegen. Unsere Abendveranstaltungen an unseren Standorten fielen ebenso dem Veranstaltungsverbot zum Opfer wie unsere Mitgliederversammlung und unsere Mitgliederreise nach Edin­ burgh. Wir hoffen, dass wir unser Format „nfp goes ...“ ab 2021 wieder uneingeschränkt fortführen können. Dafür freuen wir uns umso mehr darüber, dass wir den 6. Hamburger Finanzplanertag wie geplant am 19. Juni durchführen können – zwar in einem anderen Hotel, mit weniger zugelassenen Teilnehmern als in den vergangenen Jahren und wesentlich anderen Auflagen, aber das trübt unsere Stimmung nicht. Der Finanzplanertag in Köln wird hoffentlich ebenfalls wie geplant stattfinden – und natürlich auch das Financial Planner Forum im November.

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Wir bedanken uns für die vielen Rückmeldungen und den Zuspruch aus der Mitgliederschaft, die uns ermutigen, den manchmal steinigen Weg der Finanzplanung in Deutschland weiterzugehen und hartnäckig unserem Vereinsziel, der Verbreitung des Finanzplanungsgedankens in Deutschland, zu folgen. So haben in den letzten Wochen unsere Onlineangebote und Webinare regen Zuspruch erfahren. Es waren für uns arbeitsreiche Wochen seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen und wir hoffen, Sie alle nach deren Ende gesund und munter wieder begrüßen zu dürfen. Wir freuen uns sehr, dass Sie immer wieder gern an unseren Treffen und Finanzplanertagen teilnehmen. Es bereitet uns eine enorme Freude, das bundesweit größte Netzwerk für Finanzplanung weiterwachsen und kommunizieren zu sehen – gerade auch in diesen Zeiten. Alle neuen Termine nach der Sommerpause entnehmen Sie bitte dem Veranstaltungskalender im Magazin. Darüber ­hinaus finden Sie diese selbstverständlich auch in unseren ­News­lettern und auf unseren Webseiten www.nfpb.de und www.ifnp.de. Nutzen Sie gern die attraktiven Frühbucherkonditionen – es lohnt sich weiterhin – nicht nur monetär. Bleiben Sie uns gewogen und aktiv dabei, wenn wir Sie wieder vor Ort in Berlin, Hamburg, Stuttgart, München, Köln oder Leipzig begrüßen dürfen. Wir freuen uns sehr auf Sie und wünschen Ihnen und Ihren Familien einen gesunden Sommer!

SVEN PUTFARKEN im Namen des Vorstands des network financial planner e.V.

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FI N A N CIA L P L A N N I N G | V E R B Ä N D E N E W S & FAC T S

Aktuelles vom Deutschen Verband vermögensberatender Steuerberater e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, hier kommt ein etwas anderes Grußwort, als es eigentlich geplant war. Wie gern hätten wir über unseren Praktiker-Workshop in Hamburg berichtet. Aber innerhalb von ein paar Tagen hat das Coronavirus unser tägliches Leben ziemlich verändert. Nicht nur das tägliche Leben, auch die Art und Weise der Beratung hat sich wesentlich verändert: weniger persönliche Gespräche, mehr Telefonate und Videokonferenzen. Ebenso hat sich der Inhalt der Beratungen verändert: — Finanzierungsberatung: Soforthilfen sind gut, reichen aber meistens bei stark betroffenen Mandanten nicht aus. KfW-Darlehen sind das aktuelle Thema – die Förderprogramme ändern sich fast täglich. Hier gilt es, auf dem neuesten Stand zu sein und seine Mandanten rechtzeitig anzurufen, denn die Unternehmer-Kunden nehmen sich ebenfalls die Zeit, sich selbst schlau zu machen. Neben einer Rechnungswesen-basierten Liquiditätsplanung bis zum Ende des Jahres ist auch eine Übersicht über alle vorhandenen Darlehen wichtig. — Bestehende Finanzplanungen können jetzt für eine Worst-Case-Analyse genutzt werden: Welche Einkünfte sind wie stark? Welche privaten Verpflichtungen hat der Mandant und wie kann man diese anpassen?

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Durch Strecken privater Finanzierungen? Altersvorsorgebeiträge aussetzen oder mindern? — Sonderberatung: Kann bei Solo-Selbstständigen, die noch keine 55 Jahre alt sind, der Rückgang der Einkünfte dazu führen, wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen zu werden? „Es sei halt einfach alles so schön „typisch deutsch“ hierzulande: „Es gibt ein Problem, dann machen die Deutschen einen Plan“, und dann fingen sie an, „den abzuarbeiten, zu optimieren, und am Ende läuft alles wie am Schnürchen“, so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer bei Anne Will, 19.04.2020 (Quelle: www.spiegel.de). Krisen sind kein Grund für Aktionismus, sondern um Pläne zu machen. Bleiben wir für unsere Mandanten ruhig und zeigen Ihnen Wege auf.

MARKUS SCHMETZ Vorstandsmitglied des DVVS e.V.

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Die neue Normalität der Kommunikation des Ungewissen Von J A N K O L A U M A N N

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ie Stimmungslage ist unübersichtlich. Ein umfassendes Meinungsgewirr zu Corona, Pandemie, Krise, Rezession und Crash füllt die Zeitungen, Blogs und Diskussionen. Experten reden über Experten und aus 83 Millionen Fußballbundestrainern wurden 83 Millionen Virologen. Wie behaupten Sie sich als Finanz- und Vermögensexperte, wenn die Welt Kopf steht? Auf welche Strategie stützen Sie die Kommunikation mit Ihren Kunden?

Verstehen die Ausnahme und das Missverstehen der Normalfall ist. Meistens merken wir dies nicht unmittelbar und erleben die Konsequenzen erst später. Das ist bei der Krisenkommunikation nicht anders. Leider. Wenn Krisenkommunikation Kapriolen schlägt

Der französische Staatspräsident Macron sprach in einer seiner Ansprachen jüngst vom „Krieg gegen das Virus“, NordCOVID-19 – eine besondere Form der rhein-Westfalens Ministerpräsident Ar„unsicheren Unsicherheit“ min Laschet davon, dass es „um Leben und Tod geht“, und auch BundesfinanzMit dem Erwachen des neuen Coronavirus minister Olaf Scholz ließ vernehmen, es trat ein Ereignis ein, das auf eine besongehe gerade „um Leben und Tod für alle“. ders einfache Art und Weise den UnterNun können wir uns fragen, wie es mit schied im Risikoverständnis von ExperJA N KO L AU M A N N , Wirtschaftspsysolchen Ansprachen gelingen soll, Menten und Laien aufdeckt. Ist für Experten chologe, Institut für angewandte Finanzschen verständlich zu informieren und Risiko sehr eng mit Ereigniswahrscheinpsychologie Panikreaktio­nen zu vermeiden. Die Antlichkeiten und somit mit einer gewissen wort kann nur lauten: gar nicht! Mit der Berechenbarkeit verbunden, so ist Risiko für Laien einfach eine Ankündigung, dass es „um Leben und Tod“ oder „den Krieg „unsichere Unsicherheit“. Anders gesagt: Es kann etwas eingegen einen unbekannten Feind“ geht, werden die existentreten, von dem wir heute noch nicht einmal wissen, dass es ziellsten Fragen überhaupt aufgeworfen. Dazu kommt, dass überhaupt da oder möglich ist. Kannten Sie COVID-19, bevor keine Lösung wirklich in Sichtweite war und ist. Zu viel Raum Menschen in Bayern und Heinsberg daran erkrankten? wurde der Ungewissheit eröffnet und viele Menschen reagieren mit Panik, Hamsterkäufen und diffusem Angstverhalten. Nicht nur das Coronavirus an sich schafft Unsicherheit. Es sind Unser Gehirn schaltet in den überlebenssichernden Angstmoauch die erlebbaren Folgen der Pandemie, für die es so noch dus, das Angst- und Alarmsystem gewinnt die Kontrolle und keine Erfahrungen gibt. Ein häufig bemühter Vergleich mit der bereitet sich auf einen möglichen Extremfall vor. Die emotioSpanischen Grippe kann und muss Ihnen spanisch vorkommen. nalen Entscheidungsprozesse verhindern vernünftige EntscheiDie Welt von gestern ist nicht die Welt von heute. Auch die dungen und den klugen Umgang mit Handlungsoptionen. Wer derzeit kursierenden Hochrechnungen möglicher volkswirtHamsterkäufe tätigt, will Hunger und ausweglose Situationen schaftlicher Auswirkungen sind nicht mehr als sehr unsichere abwenden. Das ist weder irrational noch unsolidarisch. Es ist Prognosen, die als Planungsinstrument nur bedingt tauglich vielmehr eine logische und vor allem normale Folge der erlebscheinen. ten und nach wie vor erlebbaren Krisenkommunikation. Fakt ist: Die heute erlebbare Unsicherheit verbindet sich für sehr viele Menschen auf eine neue Art und Weise mit einer wirklichen Unsicherheit der Zukunft. Die in diesem Kontext stattfindende Kommunikation mit Ihren Kunden sollte daher besonders achtsam, verantwortungsvoll und gut vorbereitet erfolgen. Kommunikation ganz einfach Wenn wir versuchen, Kommunikation auf den einfachsten Nenner zu bringen, dann können wir sagen, dass Kommunikation eine Anregung zur wechselseitigen Konstruktion und Interpretation von Bedeutungen ist. Sprache ist so gesehen ein Medium zur Übersendung von Gedanken beziehungsweise Überlegungen. Offen ist dabei nur, ob der Empfänger die gehörten (oder gelesenen) Worte so interpretiert, wie sie der Sender gemeint hat. Lebensnah und aus Erfahrung lässt sich sagen, dass das

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Die beobachtbaren überdurchschnittlichen Verfügungen von Bargeld, der Kauf von Gold und der Verkauf von Wertpapieren reihen sich in diese verhaltensnormalen Entscheidungen ein. Viele Menschen bereiten sich damit auf die grundlegende Sicherung ihrer Existenz vor. Es ist der Versuch, die Kontrolle über eine in hohem Maße ungewisse Zukunft zu erlangen. Mit sachbezogenen Argumenten und Scheindebatten um theoretische Hochrechnungen und Prognosen kann und wird es nicht gelingen, die Situation zu lösen und vor allem menschliches Verhalten in Ausnahmesituationen wie der derzeitigen zu verändern. Willkommen in der Normalität der Coronawelt! Toilettenpapier sorgt für Kontrolle Ja, Toilettenpapier verschafft einem Kontrolle und vor allem Sicherheit. Sicherheit dahingehend, zu wissen, dass es für ein mögliches zukünftiges und „gefährliches“ Problem eine einfa-

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che Lösung gibt, nämlich das Bevorraten. Mit den ersten Berichten über leere Regale wurde eine selbsterfüllende Prophezeiung in Gang gesetzt. Dem Druck, erleben zu müssen, dass sich sehr viele Menschen im eigenen sozialen Umfeld plötzlich Toilettenpapier in ungeahnten Größenordnungen beschaffen, kann man nur sehr schwer widerstehen. Das persönliche Verhalten dem der Menge anzupassen, ist ein sehr einfaches, überlebenssicherndes und vor allem evolutionspsychologisch bewährtes Entscheidungsmuster. Was alle tun, kann nicht falsch sein. Erst klare Regeln und Hinweisschilder an den Regalen regulieren das Kaufverhalten ein wenig. Auch der Hinweis der Kreditwirtschaft, dass die Bargeldversorgung gesichert ist, kann im Hinblick auf die aktuelle Krisensituation kritisch hinterfragt werden. Für viele Menschen war er lediglich ein weiteres auslösendes Signal dafür, dass es sinnvoll sei, ausreichend Bargeld zu Hause zu haben, jedenfalls deutlich mehr als üblich. Und so durfte es nicht überraschen, dass nicht nur stapelweise Toilettenpapier, sondern an den Geldautomaten und in den Banken und Sparkassen auch haufenweise Bargeld beschafft wurde. Regeln helfen und schaffen Sicherheit In meinem Beitrag „Die Neuvermessung der Sicherheit“ im ersten Heft dieses Jahres hatte ich ausgeführt, dass klare, einfache und vor allem nachvollziehbare Regeln dabei helfen können, Entscheidungen auch bei Unsicherheit überhaupt und zudem emotionsregulierend zu ermöglichen. Dies gilt erst recht und gerade in Ausnahmesituationen, wie wir sie derzeit erleben. Dieser Bezug wurde in der allgemeinen Krisenkommunikation anfangs gar nicht und wird auch jetzt nur bedingt hergestellt. Die Ankündigung, Begründung und Erklärung klarer, allgemein verbindlicher und vor allem auch umsetz- und kontrollierbarer Verhaltensregeln verschafft sehr vielen Menschen Sicherheit und Entscheidungsklarheit. Das gilt besonders in als unsicher erlebten Zeiten. Die vielfältigen Vorgaben der Bundesländer zu physischen zwischenmenschlichen Abständen sind ein konsequent schlechtes Beispiel für den Versuch, in einer Krise Verhalten zu steuern – obwohl es durchaus auch einfach ginge. Erinnern Sie sich an die scherzhaften Meldungen, dass Franzosen nun Kondome und Rotwein horten und Holländer Haschisch und Käse, während sich Deutsche mit Mehl und Klopapier begnügen? Merken auch Sie gerade, dass sich viele Kunden

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wieder mit Gold eindecken, Bargeld bevorraten und sich von risikobehafteten Anlageformen trennen (trotz stellenweise hoher Verluste)? Dies ist nun kein Scherz. „Die Angst klopft an die Tür. Das Vertrauen öffnet. Niemand steht draußen.“ Im Sinne dieser alten chinesischen Weisheit können Sie als Experte eine vertrauensbildende Rolle für Ihre Kunden einnehmen, wenn diese mit ihrer Unsicherheit zu Ihnen kommen. Das kann umso besser gelingen, je mehr Sie als Experte wahrgenommen und vor allem akzeptiert werden. Ein wichtiger Baustein dafür ist der professionelle Umgang mit der in der neueren Geschichte dieses Landes einmaligen Situation. Grundüberlegungen zur Krisenkommunikation Für die Verständigung in besonderen Zeiten gibt es einfache Grundregeln, deren Beachtung die Kommunikation deutlich erleichtert. Dies gilt nicht nur für Coronaexperten, sondern auch für Experten zu Vermögensfragen ist es sinnvoll, sich daran zu orientieren. Ihre Kunden erleben zusätzlich zum coronabedingten Alltagsstress sehr deutliche Vermögensrückgänge. Emotionale Entscheidungen gewinnen augenscheinlich die Oberhand und ausgearbeitete Strategien werden nicht mehr beachtet. In einem volkswirtschaftlichen Artikel zum Brexit habe ich den folgenden Kommentar gefunden: „Es hat uns überrascht, dass diesmal die Emotionen über die Ratio gesiegt haben.“ Seien Sie sicher, dass es im Umgang mit der aktuellen Situation wieder so sein wird. Passen Sie Ihre Kommunikation entsprechend vor­ ausschauend an. Menschlichkeit — Ich verstehe die aktuelle Situation meiner Kunden. (Setzen Sie sich zur Vorbereitung auf den Kundenstuhl. Was beschäftigt Ihre Kunden gerade? Warum sind sie von der Situation besonders betroffen? Wie könnten Sie schnell und einfach helfen?) Kompetenz — Ich weiß es doch auch nicht“ verwende ich nicht. — Ich belehre meine Kunden nicht. — Ich erkenne an, dass ich kein Prophet bin. (Versuchen Sie nicht, Antworten auf Fragen zu finden, die Ihnen Ihre Kunden nicht stellen werden. Wie ich das m ­ eine?

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Derzeit eine verlässliche Prognose über den Ausgang der Coronapandemie oder die volkswirtschaftliche Zukunft geben zu wollen, ist Raten und Spekulieren auf höchstem Niveau. Das haben Ihre Kunden nicht verdient.) Schnelligkeit — Ich komme meinen Kunden zuvor. (Ja, Sie können auf mögliche Kundenanrufe warten. Aber ganz sicher ist es nicht so, dass das Ausbleiben von Anrufen darauf schließen lässt, dass es bei Ihren Kunden keine Pro­ bleme gibt. Stillhalten ist keine Option.) Zuverlässigkeit — Ich halte meine Leistungsversprechen. Gerade jetzt. (In Krisensituationen wird aus einem Berater ein guter Berater. Zeigen Sie gerade jetzt, dass Sie für Ihre Kunden und deren Familien da sind. Ihre Kunden werden es nicht vergessen.) Lernfähigkeit — Ich lerne täglich und passe meine Kundenansprache und Maßnahmen an. Empathie — Ich achte und nutze die menschlichen Grundverhaltensprinzipien.

Die richtigen Worte finden Viele Menschen machen sich gerade sehr existenzielle Gedanken über ihre Zukunft. Existenziell muss bei Ihren Kunden nicht bedeuten, dass das vorhandene Vermögen nicht ausreichen wird. Existenziell in diesem Sinne kann es auch sein, wenn die Geschäftsidee, das sehr persönliche Projekt oder auch eine gemeinwohlorientierte Idee nicht weiter umgesetzt werden kann. Auch in diesen Fällen ist es wichtig, die richtigen Worte oder sogar Empfehlungen zu finden. Auf zwei Faktoren möchte ich im Folgenden kurz eingehen. 1. Empathisches Verhalten Empathisch zu sein heißt auch, professionell zu sein. Empathie ist eine aus Kundensicht erwünschte und hoffentlich ausgeprägte soziale Kompetenz von Beratenden. Empathie zu vermitteln ist mehr als Kundenreaktionen zu erkennen und diese im Gespräch zu beachten.

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Empathisches Verhalten hat immer auch eine professionelle Facette. Dabei kommt es darauf an, als Experte einen Lösungsweg aufzuzeigen. So helfen Sie Ihren Kunden am besten aus den für sie möglichweise anstrengenden und unangenehmen Situationen heraus. Professionelles empathisches Verhalten beinhaltet die folgenden Schritte: 1. Schritt: Klare, einfache und verstehbare Botschaft senden. 2. Schritt: Pausen machen (bis zu 5 Sekunden). 3. Schritt: Reaktion des Kunden wahrnehmen und erkennen, dass er (emotional) betroffen ist. Verstärken Sie mögliche emotionale Reaktionen nicht. 4. Schritt: Eine Idee, Lösung oder auch Empfehlung vorstellen. Gerade bei der Begleitung von Beratungsgesprächen erlebe ich immer wieder, dass es die Sprechpausen sind, mit denen Beratende sehr sparsam umgehen. Geben Sie Ihren Kunden Zeit, sich nach Ihren Fragen zu sortieren und Antworten zu finden. Halten Sie Pausen ein und vor allem aus. Ihre Kunden werden die Pause als Antwortaufforderung verstehen. Zwischen dem dritten und dem vierten Schritt sollte es Ihnen gelingen, sich auf Ihren Expertenstatus zurückzuziehen. Gerade wenn es schwierig und emotional aufreibend wird, ist Ihr Expertenstatus gefragt. Es ist nicht hilfreich, wenn Sie sich zu emotionalen Reaktionen auf Kundenniveau hinreißen lassen. Signalisieren Sie, ohne dass Sie explizit darüber reden, dass Sie die emotionale Situation verstanden haben, und geben Sie eine Expertenempfehlung. Für solche Empfehlungen kommen die Kunden zu Ihnen. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um eine Produktempfehlung handeln. In vielen Fällen genügt es für den Moment, wenn Unterstützung signalisiert oder ein neuer Beratungstermin vereinbart wird. 2. Die Wortwahl Worte geben Bedeutung, und Bedeutung entscheidet. Das gilt umso mehr in besonderen Zeiten. Mit Ihrer Sprache kann es Ihnen gelingen, Entscheidungsprozesse Ihrer Kunden emotionsreguliert in bestimmte Bahnen zu lenken. Emotionsregulierung umfasst einerseits Versuche, unerwünschte Emotionen zu unterdrücken oder zu mindern, und andererseits Bestrebungen, erwünschte Emotionen zu intensivieren oder zu wecken. Durch eine vorausschauende und vor allem überlegte Wortwahl kann es einfacher gelingen, mögliche Kundenreaktionen zu gestalten.

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Verzichten Sie auf Worte wie Panik, Crash, unvorhergesehen, Ausnahmezustand, Corona, Coronagau, Apokalypse, Krieg und dergleichen. Oder wollen Sie sich darüber mit Ihren Kunden vertiefend austauschen? Wenn Sie empathisch und achtsam beraten wollen, dann reden Sie lieber über Aspekte wie beobachten, entscheiden, Zukunft, Ideen, abwarten oder gestalten und andere auf die Zukunft gerichtete Verhaltens- und Entscheidungsoptionen. Häufige Fehler in der Krisenkommunikation 1. Fehler: Mangelnde Fürsorge „Kein Kunde ruft an.“ Wie oft habe ich in den vergangenen Tagen und Wochen diesen Satz gehört! Ungern möchte ich hier mit Ihnen das Henne-Ei-Problem diskutieren – viel lieber verweise ich auf eine achtsame kundenorientierte Beziehungsgestaltung. Wenn Sie die Vermutung haben, dass es Ihren Kunden helfen würde, von Ihnen zu hören, dann sprechen Sie sie an. Wenn Sie sich gerade besonders mit Entscheidungen und Überlegungen befassen, die für Kunden relevant sind, dann nehmen Sie auch Kontakt zu Ihren Kunden auf. Es ist egal, auf welchem Weg das geschieht – sei es per E-Mail, Telefon, WhatsApp. Ihre Kunden werden das sehr einfache „Frau Müller, wie geht es Ihnen? Kann ich etwas für Sie tun?“ schätzen. Zeigen Sie sich – schnell, persönlich und vor allem – wie besprochen – professio­ nell vorbereitet. 2. Fehler: Spekulation über Schuldfragen Bitte denken Sie daran: Wenn Sie mit Ihren Kunden über die Vergangenheit diskutieren, diskutieren Sie damit auch Schuldfragen. Das ist wenig zielführend und wenig konstruktiv. Vermeiden Sie daher Diskussionen über vergangene Entscheidungen. Besprechen Sie stattdessen mit Ihren Kunden die Zukunft, diskutieren Sie mögliche Entscheidungen, egal, ob diese sofort oder später getroffen werden. Ein Hinweis darauf, dass auch die vorigen Entscheidungen wohlüberlegt getroffen wurden, kann neue Entscheidungen befördern. 3. Fehler: Flucht in die Versachlichung Einführend habe ich dargelegt, warum sich Menschen so verhalten, wie es gerade zu beobachten ist. Emotional geprägte Verhaltensmuster dominieren immer unser Entscheidungsverhalten. Das gilt für gute, also einfache, und erst recht für schlechte, also schwierige Zeiten. In der gegenwärtigen Lage ist es zielführend, sich mit Kunden auf der sozial-emotionalen Gesprächsebene zu bewegen. Wenn Sie Ihre Kunden auf dieser Ebene ernst nehmen, fühlen sie sich gut verstanden.

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4. Fehler: die juristische Auseinandersetzung Wenn Sie und Ihr Kunde sich juristisch entzweien, gehört das Vertrauen der Vergangenheit an. Das führt zum Ende der Kundenbeziehung. Priorisierung der Kundenansprache Die Entscheidung, welchen Kunden Sie wann und wie ansprechen, können Sie auf der Grundlage diverser Kriterien treffen, unter anderem aufgrund der Ertragsbedeutung Ihrer Kunden, mit Blick auf ihr Alter, hinsichtlich des Risikogehalts der Vermögensanlage, je nach Ihrer emotionalen Einbindung in die Kundenentscheidungen oder auch je nach dem Abschlusszeitpunkt. Aber weiten Sie Ihren Blick auch über die gewohnten Kriterien hinaus! Gerade jetzt ist der Zeitpunkt günstig, auch wieder einmal mit Kunden zu sprechen, zu denen Sie sehr lange keinen Kontakt hatten. Denken Sie auch an die Kunden, die sich von Ihnen getrennt haben oder mit denen Sie gerade erst anfängliche Gespräche aufgenommen hatten. „Alles wird anders sein.“ Kaum eine Prognose kommt im Moment ohne den Hinweis darauf aus, dass nach Corona die Welt eine andere sein wird. Ich überlege noch, ob es sich dabei um eine Drohung oder eine Verheißung handelt. Nach Corona werden Sie sich vielleicht fragen, wie Sie Ihren Kunden gegenüber aufgetreten sind. War ich zu arglos und habe Bedenken als banal oder hysterisch abgetan? Habe ich den Spagat zwischen Vertriebsbestrebungen und reflektiertem Entscheiden gemeistert? Habe ich mich wie ein achtsamer Begleiter meiner Kunden oder wie ein Produktbetreuer verhalten? So könnten die Fragen später lauten. Bedenken Sie also schon heute: Sie bestimmen jetzt und vor allem selbst, wie Sie von Ihren Kunden wahrgenommen werden. „Alles wird anders sein“ – das wünsche ich mir mit Blick auf Ihre Tätigkeit nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn Sie Ihre Kunden bisher, insbesondere heute und dann auch morgen achtsam in den Mittelpunkt Ihrer Tätigkeiten und Bemühungen stellen. Dann machen Sie vieles richtig. Wenn auf Sie immer – also auch unter den derzeitigen Umständen – Verlass war und ist, dann ist ein „Das machen wir auch weiterhin so“ eine wirklich gute Handlungsmaxime. Sprechen Sie mit Ihren Kunden darüber. ❚

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Unternehmenskultur? Die Voraussetzung für Ihren Erfolg Von S A R A H E . D A L E und K R I S TA S . S H E E T S

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ie Kultur Ihres Unternehmens wirkt sich in den folgenden und vielen weiteren Bereichen auf Ihr Geschäft aus: Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern und Kunden; Kundenerlebnis; Marken- und Unternehmensimage; gesellschaftlicher Ruf; Produktivität und Rentabilität sowie Zufriedenheit im Beruf. Doch was genau ist Kultur? Kultur wird generell definiert als ein Lebensstil einer Gruppe von Personen, also die Art und Weise, wie sie handeln – ihr Verhalten, ihre Überzeugungen, Werte und Symbole, die sie nicht in Frage stellen, die ihnen überliefert werden und die sie nachahmen. Wer ist also diese „Gruppe von Personen“ in Ihrem Unternehmen? Es sind die Mitglieder Ihres Teams. Kleine Unternehmen vernachlässigen oft den Aspekt der Kultur, weil sie meinen, dass diese nur für große Konzerne relevant sei. Das ist ein Fehler. Die Größe eines Unternehmens kann sich zwar auf seine Kultur auswirken, doch egal, ob in einer Firma 2 oder 2.000 Personen arbeiten, die Kultur ist in jedem Fall ein entscheidender Faktor. Auch wenn größere Unternehmen natürlich ihre festen Vorgehensweisen haben (bestimmte Standards), findet man bei einem Blick auf deren Abteilungen oder Teams trotzdem unterschiedliche Subkulturen. Große Broker-Dealer und regional tätige Firmen schaffen ihre eigene Kultur, doch auch bei ihnen gibt es kleine Beratungsteams, die wiederum ihre eigene Minikultur haben, die sich in das breitere Unternehmensumfeld einfügt. Kultur ist in einem kleinen Unternehmen ebenso wichtig wie in jedem großen Unternehmen. Schaffung und Pflege einer Unternehmenskultur Kultur beginnt mit Überzeugungen und Werten. Gandhi hat einmal gesagt: „Deine Überzeugungen werden deine Gedanken. Deine Gedanken werden deine Worte. Deine Worte werden deine Handlungen. Deine Handlungen werden deine Gewohnheiten. Deine Gewohnheiten werden deine Werte. Deine Werte werden dein Schicksal.“ Dies trifft für Einzelpersonen ebenso zu wie für Unternehmen. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem, was Sie glauben, – Ihren Gedanken – und Ihren Endergebnissen. Hierzu ein Beispiel: Wenn Sie glauben, dass Ihre Gebühren zu hoch sind und Sie Ihre Preise nicht wert sind, werden Sie Ihre Angebote rabattieren. Diese Rabatte werden zur Gewohnheit und wirken sich auf Ihr Gesamtresultat aus. In einer gesättigten Branche besteht die Herausforderung nicht darin, Personen zu finden, die das brauchen, was man anbietet (das ist ohnehin Grundvoraussetzung), sondern darauf, Geschäfte mit Personen zu machen, die die gleichen Überzeugungen haben. Ihre Teammitglieder, Kunden, Interessenten und Ihr Umfeld müssen Ihre Überzeugungen und Prinzipien kennen, denn es sind diese Prinzipien, die die Grundlage für

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Ihre Kultur bilden, und nicht leere Worte ohne Taten. Menschen sind entscheidend für die Kultur. Als Praxismanagementberater helfen wir Finanzplanern bei den unterschiedlichsten geschäftlichen Anforderungen. Wir glauben, dass Menschen die wichtigste geschäftliche Entscheidung darstellen, und die Erfahrung, die Sie ihnen bieten, entscheidet letztlich über Ihren Erfolg. Die Finanzdienstleistungsbranche neigt dazu, sich rein auf die Zahlen zu konzentrieren. Es sind jedoch die Menschen, die Ihre Zahlen ermöglichen und Ihre Kultur verkörpern. Die Kultur eines Unternehmens kann sich bedingt durch die Eigenschaften der von Ihnen eingestellten Personen erheblich weiterentwickeln. Wenn Sie stolz auf Ihr hervorragendes Kundenerlebnis sind, und dann Leute einstellen, die eher die Steigerung des Umsatzes als den von ihnen geleisteten Service im Blick haben, kann sich dies auf Ihre Unternehmenskultur auswirken. Wir können nicht genug betonen, wie wichtig Ihre Einstellungsentscheidungen für die Kultur und das Mitarbeitererlebnis Ihres Unternehmens sind. Wenn Sie also Ihre angestrebte Unternehmenskultur geschaffen haben, müssen Sie diese konsequent weiterverfolgen. Das beginnt an der Spitze: Führungskräfte sollten nicht nur regelmäßig die Bedeutung der Unternehmenskultur kommunizieren, sie müssen auch die Verhaltensweisen vorleben, die Ihre Teams als Teil Ihrer Kultur verinnerlichen und umsetzen sollen. Bei der Unterstützung Ihrer Unternehmenskultur kommt es darauf an, dass alle Überzeugungen, Äußerungen, Verhaltensweisen und Handlungen einheitlich und aufeinander abgestimmt sind. Viele Unternehmen versuchen, Kultur als Element zur Anwerbung von Mitarbeitern zu nutzen. Doch Kultur lässt sich nicht anbieten – man muss sie leben. Wenn neue Mitarbeiter einen ganz anderen Eindruck von Ihrem Unternehmen erhalten, als Sie ihnen bei der Einstellung als Kultur „verkauft“ haben, werden sie wahrscheinlich bereits im ersten Jahr wieder kündigen. So haben Sie nur Zeit verschwendet und vielleicht sogar Ihren Ruf innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschädigt. Was Ihre Mitarbeiter erleben und was die Öffentlichkeit wahrnimmt, wird in diesem Fall vermutlich komplett von der Kultur abweichen, die Sie anstreben. Wenn Sie dies lesen und gerade erst mit einem neuen Unternehmen gestartet sind, haben Sie den Vorteil, Ihre Kultur von Anfang an gestalten zu können. Die meisten von uns sind jedoch schon länger im Geschäft und haben bewusst oder unbewusst bereits eine Art von Kultur erschaffen. Sie sollten sich nun also Ihre derzeitige Kultur anschauen und diese mit Ihrer idealen Kultur vergleichen, um dann die erforderlichen Schritte zu bestimmen, durch die Sie die Lücke zwischen derzeitiger und idealer Kultur schließen können. Das braucht Zeit. Eine Unternehmenskultur lässt sich nicht einfach von einem Moment auf den anderen aktivieren. Hier unsere Ratschläge dazu.

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Erste Schritte Denken Sie in Ruhe über die folgenden Fragen nach: — Haben Sie Ihre Kultur bewusst geschaffen oder ist diese organisch gewachsen? — Haben Sie Überzeugungen und Werte Ihres Unternehmens schriftlich festgehalten? Sind diese Ihrem Team und Ihren Kunden bekannt? — Leben Sie die Überzeugungen Ihres Unternehmens konsequent? Stimmen Ihre Handlungen mit Ihren Überzeugungen überein? — Wofür möchten Sie bekannt sein? — Möchten Sie etwas an Ihrer Unternehmenskultur ändern? Faktoren, die sich auf die Kultur auswirken Unten haben wir eine Auswahl von Faktoren aufgeführt, die eine Unternehmenskultur beeinflussen können. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Halten Sie sich bei der Betrachtung dieser Faktoren vor Augen, wie sich nach Ihrer Idealvorstellung Ihre Mitarbeiter und Kunden fühlen sollten und wofür Sie in Ihrem Umfeld bekannt sein wollen. Diese Elemente schlagen sich letzten Endes in Ihren Umsatz- und Gewinnzahlen nieder. Wertschätzung: Wie oft zeigen Sie Ihrem Team Ihre Wertschätzung? Erfolgt die Anerkennung im persönlichen Rahmen? Oder öffentlich? Ist sie auf die jeweilige Person abgestimmt? Fühlen sich Ihre Mitarbeiter geschätzt? Persönliches Wachstum: Welche Möglichkeiten für Schulung und berufliche Weiterentwicklung bieten Sie an? Verfügen Sie über definierte und kommunizierte Wachstumspfade? Investieren Sie in das Wachstum Ihrer Teammitglieder? Coachen Sie diese und geben Sie regelmäßig Feedback zu deren Fortschritten? Geschäftliches Wachstum: Sind alle Teammitglieder auf Wachstum ausgerichtet? Bestehen Anreize für Mitarbeiter, den Gewinn des Unternehmens zu erhöhen? Ist allen Mitarbeitern klar, dass ohne Wachstum das Geschäft stagniert?

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Effektive Kommunikation: Ist den Mitgliedern Ihres Teams klar, dass sie mitreden können und ihre Ideen und Rückmeldungen wichtig sind? Wie stellen Sie fest, ob Häufigkeit, Stil und Struktur Ihres Kommunikationsplans angemessen sind? Besprechen Sie frühzeitig kritische Aspekte mit Ihren Mitarbeitern? Persönliche Verantwortlichkeit: Sind allen Teammitgliedern die an sie gestellten Erwartungen klar? Sind Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert? Haben alle Mitarbeiter spezifische Ziele, anhand derer sie beurteilt werden und für die sie verantwortlich sind? Haben alle Teammitglieder klare Erwartungen an Geschäftszeiten und Kleidungsordnung? Stellen Sie Arbeitsrichtlinien bereit, die festlegen, was von den Mitarbeitern erwartet wird und was sie vom Unternehmen erwarten können? Betreuung: Wie gut sorgen Sie für Ihre Mitarbeiter/Kunden? Wie gut kennen Sie diese und wissen, was ihnen im Leben wichtig ist? Pflegen Sie ein Umfeld, in dem man sich um andere kümmert und diese fördert? Wie wettbewerbsfähig/großzügig sind die von Ihnen gebotenen Leistungen (Vergütung, Gesundheitsversorgung, Ruhestand etc.)? Service: Verfügen Sie über dokumentierte Service-Zielsetzungen für jedes Ihrer Kundensegmente, die Ihr Team beständig erreicht? Sind Ihre proaktiven und reaktiven Serviceaktivitäten bemerkenswert und heben sich vom Wettbewerb ab? Hierarchie: Wollen Sie ein von oben nach unten, von unten nach oben, gleichberechtigt oder um 360 Grad strukturiertes Unternehmen? Verstehen die Teammitglieder die Struktur und kennen sie die Befehlskette? Werden die Teammitglieder dazu angehalten und in die Lage versetzt, innerhalb ihres Verantwortungsbereichs selbst zu denken, zu entscheiden und zu handeln? Welches sind die Führungsstile des Unternehmens (demokratisch, kollaborativ, autokratisch, unterordnend, individualistisch, strategisch etc.)? Umfeld: Ist das Umfeld so, wie es Ihre Mitarbeiter wünschen? Denken Sie an Büroräumlichkeiten, flexible Arbeitsbereiche, Gemeinschaftsräume und alle von Ihnen bereitgestellten Zu-

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satzleistungen, beispielsweise flexible Arbeitszeit, bezahlte Fortbildungen, Kinderbetreuung am Standort, kostenloses Mittagessen, Fitness-Kurse, monatliche Massagen – all dies wirkt sich auf Umfeld und Kultur aus. Diversität: Inklusion und Diversität sind heute wichtige Themen. Passt die Ausrichtung Ihres Unternehmens zu den von Ihnen betreuten Kunden und Gemeinschaften? Sind Sie generationenübergreifend aufgestellt, um die Familien Ihrer Kunden anzusprechen und eine Brücke für die Zukunft Ihres Unternehmens zu bauen? Verfügen Sie über die richtigen Mitarbeiter mit unterschiedlichen Talenten in den richtigen Positionen? Denken Sie daran, dass wir alle einzigartig sind und die Einzigartigkeit jedes Einzelnen verstehen müssen, um uns gegenseitig wirklich wertschätzen zu können.

— an eine vorausschauende Planung, eine konsequente Umsetzung und eine engagierte Nachverfolgung. — an die Kraft einfacher, wiederholbarer Prozesse, die in tägliche Abläufe integriert werden können und dauerhaft machbar sind. — an die Pflege eines fröhlichen, fairen und kreativen Umfelds, in dem Diversität, Ideen und harte Arbeit respektiert und belohnt werden. — an die Kraft der Wertschätzung und deren Weitergabe. — dass Vertrauen, Integrität sowie eine offene und ehrliche Kommunikation den Kern erfolgreicher Beziehungen bilden. — dass es im Leben letztlich darauf ankommt, etwas für unsere Familie, Kunden, Kollegen, Gemeinschaft, Freunde und Fremde zu bewirken. Fazit

Aktiv werden Jeder von Ihnen, die Sie diese Zeilen lesen, befindet sich auf einer anderen Stufe der Entwicklung Ihrer Kultur. Überzeugungen und Werte sind Ihr Ausgangspunkt, und wir wissen, dass es mitunter schwerfällt, diese zu artikulieren. Deshalb haben wir im Folgenden eine Auswahl unserer Überzeugungen ausgelistet, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen, aber denken Sie daran: Authentische Überzeugungen müssen von Ihnen kommen. Sie können keine Kultur nachahmen. Wenn Sie Ihre eigenen Überzeugungen formuliert haben, können Sie die Maßnahmen für deren Umsetzung in Ihrem Geschäft festlegen. Wir glauben: — an die Bereitstellung hochwertiger, innovativer Ideen, Lösungen und Kundenerlebnisse. — an die Entwicklung langfristiger Partnerschaften mit Kunden, Anbietern und Partnern. — dass es bei „Service“ um konkrete Handlungen geht, nicht nur um Worte. — an die Kraft von Zusammenarbeit und Partnerschaft. — an die Kraft von Teamarbeit, also das Erkennen des einzigartigen Talents des Einzelnen und zugleich die Nutzung der Erfolge, der Wirkung und der positiven Atmosphäre, die Teams gemeinsam erreichen können.

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Kultur ist mehr als eine weltanschauliche Vorstellung – sie ist ein entscheidendes Element, das Ihre Mitarbeiter mit ihrer Arbeit sowie Ihre Kunden mit Ihrem Unternehmen verbindet. Wenn Sie Unternehmenskultur bisher als nicht wichtig betrachtet haben, hoffen wir, Sie mit diesem Artikel zum Umdenken angeregt zu haben. Denn die Kultur, die Sie artikulieren und vorleben, wird sich direkt auf Ihren Erfolg auswirken, ebenso wie auf die Mitarbeiter und Kunden, die Sie gewinnen und halten, und die Zahlen, die Sie generieren und erreichen. ❚

S A R A H E . D A L E und K R I S TA S . S H E E T S sind Partner bei Performance Insights (performanceinsights.com), wo sie schwerpunktmäßig Finanzfachleute betreuen, um diesen durch optimiertes Praxismanagement und gezielte Personalentscheidungen zu besseren Ergebnissen zu verhelfen.

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Wie man als Finanzplaner mit Garantien Vertrauen aufbauen kann Als Finanzplaner Vertrauen aufbauen. Von R O N A L D S I E R

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tellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Taxi. Sie sitzen auf der Rückbank und betrachten den Taxameter. Ist es nicht eine Qual zuzusehen, wie die Anzeige immer weiter steigt und zu wissen, dass Sie jeder Zentimeter Ihres Wegs Geld kostet? Warum ist das so schlimm für Sie?

leicht beim siebenundvierzigsten Dollar nur noch ein leichtes Zwicken verspüren. Übertragen wir diese Weisheit nun auf unseren Finanzplanungsservice: Ob Stundensatz oder Monatshonorar – wie geht es Ihren Kunden wohl, wenn sie mehrmals bezahlen müssen? ES SCHMERZT.

Sie empfinden Schmerz dabei. Keinen körperlichen natürlich, aber es werden die gleichen Gehirnareale aktiviert wie bei physischen Schmerzen. Und nun denken Sie an Ihren Kunden, der für seine Finanzplanung einen Stundensatz bezahlt. Ist das nicht das Gleiche? Geld auszugeben tut weh. Wortwörtlich. Ihre Kunden wägen ihre aktuellen und künftigen Freuden nicht gegeneinander ab. Der Gedanke an den zu zahlenden Betrag versetzt ihnen unmittelbar einen schmerzhaften Stich. Wie wäre es also, wenn Sie Ihrem Interessenten und Ihrem Kunden diesen Schmerz ersparen könnten? Glauben Sie, das würde sich positiv auf die Zahl der Kunden auswirken, für die möchten? Die Frage ist: Wie?

R O N A L D S I E R ist Financial Planner bei der Rabobank und seit 1999 in der ­F inanzbranche tätig. In seinem Blog www.smartfinancialplanner.com schreibt er regelmäßig zu aktuellen Themen der Branche.

Sie tätig werden

Der wahre Grund, warum Menschen keine Finanzplanung kaufen Wenn wir Schmerz empfinden, leuchtet bei einem Hirnscan eine bestimmte Region unseres Gehirns auf, der so genannte Insellappen. Und das gilt nicht nur für körperliche Schmerzen, sondern auch für psychische. Was sind nun psychische Schmerzen? Geldausgeben gehört dazu. Sozialwissenschaftler nennen es „the pain of paying“, den Schmerz des Bezahlens. Das ist das unangenehme Gefühl, das sich unabhängig von den Umständen einstellt, wenn wir unser sauer verdientes Geld ausgeben. Der Schmerz des Bezahlens hat zwei interessante Aspekte. Siehe auch Dan Arielys Werk „Predictably Irrational“ (deutscher Titel: Denken hilft zwar, nützt aber nichts): Zuerst einmal gilt natürlich: Wenn wir nichts zahlen, empfinden wir auch keinen Schmerz des Bezahlens. Die zweite, weniger offenkundige Feststellung lautet: Die gezahlte Summe ist im Verhältnis wenig ausschlaggebend für den Schmerz des Bezahlens. Dieser wird zwar mit der Höhe der Rechnung stärker, doch jeder zusätzliche Dollar auf der Rechnung tut uns weniger weh! Die abnehmende Schmerzempfindlichkeit bedeutet somit, dass der erste Dollar, den wir bezahlen, uns am meisten Schmerz bereitet, der zweite weniger ... Das geht so weiter, bis wir viel-

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Jedes Mal, wenn Ihre Kunden Ihnen Geld bezahlen müssen, erleiden sie durch Sie den Schmerz des Bezahlens. Auch wenn der Preis niedrig ist, spüren sie doch immer einen psychischen Schmerz. Und es wird noch schlimmer: Forschern am Carnegie Mellon in Stanford und am MIT ist es gelungen, nachzuweisen, dass sich über die Aktivität im Insellappen VORHERSAGEN lässt, ob Menschen kaufen werden oder nicht ...

In dem Experiment wurde den Teilnehmern zuerst das Produkt und danach sein Preis gezeigt, dann entschieden sie sich für oder gegen den Kauf. Sobald die Probanden den Preis sahen, wurde der Insellappen aktiv ... Bei den Produkten, die die Teilnehmer letztlich nicht kauften, war die Aktivität deutlich stärker ausgeprägt als bei denen, die sie erstanden. Wenn Kunden also nicht kaufen, dann liegt das nicht nur daran, dass sie Ihren Service abschätzen und überlegen, was sie sonst noch mit dem Geld machen könnten, sondern auch daran, dass sie UNMITTELBAR den psychischen Schmerz des Bezahlens empfinden! So wird der Kauf Ihres Finanzplanungsservices weniger schmerzhaft Der Reihe nach: Warum erzeugt der Kauf Ihres Finanzplanungsservices Schmerzen? Der Schmerz des Bezahlens rührt daher, dass Ihr Finanzplanungsservice nicht greifbar ist. Ein Produkt ist greifbar. Eine Versicherung ist greifbar. Finanzplanung dagegen ist nicht greifbar. Sie existiert nicht einmal zu dem Zeitpunkt, an dem die Leute sie von Ihnen kaufen. Ihr Interessent kauft also einen Service ohne Garantien – und damit kauft er Unsicherheit: — Die Unsicherheit, dass Ihr Service seinen Erwartungen nicht gerecht wird. — Die Unsicherheit, dass er vielleicht eine große Zeitverschwendung ist. ­— Und obendrein die Unsicherheit, dass der Interessent eine teure Fehlentscheidung getroffen hat.

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Was ist also zu tun? Sie müssen die Unsicherheit beseitigen. Denn damit bringen Sie mehr Menschen dazu, Ihren Service zu kaufen. Wie schaffen Sie das? Ich verrate Ihnen das Geheimnis direkt: Sie machen die Kunden zu „Eigentümern“ Ihres Finanzplanungsservice. Warum Eigentum funktioniert (wissenschaftlich belegt) Warum wertschätzt der Verkäufer eines Hauses die Immobilie in der Regel mehr als der potenzielle Käufer? Und warum veranschlagt der Verkäufer eines Autos einen höheren Preis als der Käufer? Warum setzt bei vielen Transaktionen der Eigentümer den Wert seines Eigentums über dem an, was der potenzielle Eigentümer zu zahlen bereit ist? Ein altes Sprichwort besagt: „Wonach der eine sich streckt, tritt der andere mit Füßen“. Als Eigentümer finden Sie Ihr Angebot also sehr wertvoll, während Sie es als Käufer geringschätzen. Anders gesagt: Der Wert einer Sache steigt in den Augen ihres Eigentümers. Eigentum durchdringt unser Leben und prägt auf seltsame Weise unser Tun in vielfacher Hinsicht. Und da unser Leben so stark von Eigentum beherrscht ist, wäre es doch erfreulich, wenn wir dazu die bestmöglichen Entscheidungen treffen würden. Wäre es zum Beispiel nicht schön, genau zu wissen, wie viel Zufriedenheit uns der Service eines Finanzplaners bereiten würde? Das ist leider selten der Fall. Meistens tappen die Menschen im Dunkeln. Kommen wir noch einmal zurück auf Dan Ariely: 1. Die Menschen verlieben sich in das, was sie bereits haben. Haben Sie schon einmal ein Haus verkauft? Dann erinnern Sie sich möglicherweise noch daran, wie es war, als Sie das Verkaufsschild im Fenster aufgestellt haben. Sie denken vielleicht auch an die schönen und besonderen Momente, die Sie in diesem Haus erlebten. Eine warme Woge der Erinnerung erfasst Sie und das Haus. Ich glaube nun zwar nicht, dass Menschen sich beim Gedanken an ihren Finanzberater erwärmen. Dennoch fällt es ihnen schwer, sich von ihm zu trennen, denn insgesamt war es doch gut, mit ihm zu arbeiten.

2. Die Menschen konzentrieren sich eher auf mögliche Verluste als auf potenzielle Gewinne. Wenn wir den Verkaufspreis für unser geliebtes Haus festsetzen, denken wir mehr daran, was wir verlieren (die schönen Erinnerungen in dem Haus), als an das, was wir gewinnen werden (künftige schöne Momente im neuen Haus). In gleicher Weise stellt Ihr Kunde die guten Augenblicke in den Vordergrund seiner Erinnerung, in denen ihm sein jetziger Finanzberater in schwierigen Geldfragen geholfen hat. 3. Menschen gehen davon aus, dass andere ein Geschäft aus dem gleichen Blickwinkel betrachten wie sie selbst. Wir erwarten irgendwie, dass der Käufer des Hauses unsere Gefühle, Emotionen und Erinnerungen teilt. Oder wir setzen voraus, dass auch er es schön findet, wie das Sonnenlicht durch die Küchenfenster scheint. Leider wird der Käufer jedoch eher den schwarzen Schimmelfleck in der Ecke zur Kenntnis nehmen. So, wie viele neue Finanzberater die „Defizite“ in der Arbeit des bisherigen Finanzberaters sehen und weniger die guten Seiten. Es bleibt die Frage: Wie können Sie Ihrem Interessenten das Gefühl geben, dass ihm Ihr Service „gehört“, ohne dass er den „Schmerz des Bezahlens“ empfindet? Die Antwort lautet: Durch eine felsenfeste Garantie. Ich weiß, was Sie jetzt denken. Das Endergebnis meines Finanzplans lässt sich nicht garantieren! Das verstehe ich. Aber das meine ich gar nicht. Ich denke an eine Garantie, mit der die Unsicherheit des Interessenten auf SIE, den Finanzplaner übergeht. Beispielsweise, indem Sie zusagen, dass sie nicht mit leeren Taschen dastehen werden, wenn Sie nicht den erwarteten Wert liefern. Denken Sie nur an Zappos, FedEx und – für unsere niederländischen Leser – Coolblue. Diese berühmten Unternehmen bieten ihren Kunden die perfekte Garantie. Und sie haben Milliardengeschäfte aufgebaut ... Sie sind Finanzplaner? Möchten Sie wissen, warum Menschen keine Finanzplanung kaufen? Vier Arten von Garantien, die Sie bieten können:

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Derek Halpern (Gründer von socialtriggers.com) hat einmal einen Post über Garantien geschrieben. Dieser brachte mich dazu zu überlegen, wie wir Garantien in unserem Finanzplanungsservice einsetzen könnten. Gibt es etwas Irrationales bei Garantien, das Sie wissen sollten? Sie denken vielleicht, dass Garantien umso besser sind, je weniger Konditionen mit ihnen verbunden sind. Das stimmt aber keinesfalls. Untersuchungen haben ergeben, dass Konditionen Ihr Angebot tatsächlich glaubwürdiger machen, wenn sich Ihre Kunden im Vorfeld nicht sicher sind, was sie von Ihrem Service haben. Ich möchte Ihnen nun einige Arten von Garantien erläutern, die für Ihren Finanzplanungsservice geeignet sind. Garantie Nr. 1: Die übliche Geld-zurück-Garantie Eine Geld-zurück-Garantie erscheint Ihnen vermutlich für Ihren Finanzplanungsservice nicht machbar. Sie irren sich. Ich komme gleich dazu, wie das geht, aber zunächst sollten Sie Folgendes bedenken: Eine einfache Geld-zurück-Garantie wird Ihren Service nicht vom Wettbewerb abheben, es sei denn, Sie sind der einzige, der sie anbietet! So habe ich es gehalten, als ich mich als Finanzplaner selbstständig machte. Mein Ansatz (Anm. d. Red.: keine Übersetzung vorhanden):

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Was passiert hier? Ich erweitere vor allem den Kontext ein wenig. Die teuerste Option (das Angebot, das die Leute nicht wählen sollen) dient als Preisanker und lässt die beiden anderen Optionen günstiger aussehen – und die günstigste Option ist wirklich naheliegend. Die Wirkung besteht darin, dass sich die Menschen vernunftmäßig gegen die teuerste Option und für die weniger teure entscheiden. Hier können Sie in der Psychologie nachlesen, warum das funktioniert 1. Aber das ist nicht mein einziges psychologisches Instrumentarium. Zusammen mit meiner 195-EUR-Option biete ich eine Geld-zurück-Garantie. Die Kunden zahlen 195 EUR für meine Beratung. Wenn sie nicht zufrieden sind, können sie jeder Zeit die Geld-zurück-Garantie in Anspruch nehmen. Ohne jede Verpflichtung. Garantie Nr. 2: Die umfassende Geld-zurück-Garantie Wenn Sie ganz verrückt sein wollen, machen Sie es so wie Zappos. Das Unternehmen bietet ein 365-Tage-Rückgaberecht. Diese Strategie hat einen enormen Vorteil für Sie. Rufen Sie

1 https://smartfinancialplanner.com/fee/

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sich ins Gedächtnis, was ich Ihnen vorher über Eigentum erzählt habe, dann wissen Sie, was ich meine. Abgesehen davon, macht Sie diese Strategie absolut bemerkenswert. Lesen Sie hier, warum es sich lohnt, bemerkenswert zu sein. 2 (Eine Bemerkung am Rande: Wenn Sie eine solche Garantie bieten, dann legen Sie bitte auch das Geld dafür zurück ...) Garantie Nr. 3: Mehr-als-Geld-zurück-Garantie Versetzen Sie sich einen Moment in die Lage Ihres Kunden. Indem er Sie beauftragt, riskiert er nicht nur das Geld, das er ausgibt. Er investiert auch Zeit und lässt andere Gelegenheiten verstreichen. Wenn ihm also Ihr Service nicht zusagt, erleidet er tatsächlich nach wie vor einen Verlust, selbst wenn Sie ihm das gezahlte Geld erstatten. Um dieses Problem zu lösen, können Sie als kluger Finanzplaner Ihre Garantie noch vorteilhafter gestalten und MEHR anbieten als eine Rück­ erstattung ... Das können Sie in etwa so formulieren: „Wenn Sie nicht zufrieden sind, erhalten Sie Ihr Geld zurück UND wir vermitteln Ihnen andere Finanzplaner, die Ihnen besser helfen können.“ Wie bitte? Wir bringen andere Finanzplaner ins Spiel? Genau. So ist es. Versetzen Sie sich nochmals an die Stelle Ihres Kunden. Mit einer solchen Garantie bringen Sie tatsächlich Folgendes zum Ausdruck: „SIE sind für uns wichtig (und nicht unsere verwalteten Vermögen)“. Und im Übrigen ist wissenschaftlich erwiesen, dass aus Verletzlichkeit starke Beziehungen zu Ihren Interessenten entstehen. 3

Garantie Nr. 4: Die Mindestresultat-Garantie Es ist immer besser, statt einer vagen Zufriedenheitsgarantie klar und konkret zu sagen, mit welchen Ergebnissen der Kunde rechnen kann. Das ist bei einer Mindestresultat-Garantie der Fall. Mir ist klar, dass eine solche Garantie Angst machen kann. Denn was für ein Ergebnis liefern Sie letztlich nach vielleicht einem Jahr? Sie können nicht beispielsweise sagen: „Sie erreichen in einem Jahr Ihr finanzielles Lebensziel.“ Worin bestehen also die Alternativen? Denken Sie in kleinerem Maßstab. Überlegen Sie, welche Ergebnisse Sie bei früheren Kunden erreicht haben. Und fragen Sie sich: Was kann ich als Mindestresultat garantieren? Das wäre vielleicht etwas in dieser Art: — Sicherheit nach nur einem Gespräch — Kein Verkauf von Finanzprodukten — Wir sprechen zunächst über Sie selbst und erst dann über Ihre Finanzen Mir ist klar, dass es manchmal durchaus schwierig sein kann, diese etwas ungewöhnlichen Garantien in die Praxis umzusetzen, besonders dann, wenn Sie es noch nie versucht haben. ❚

Lassen Sie uns die Finanzplanung richtig angehen. Ihr Ronald Sier

2 https://smartfinancialplanner.com/matrix/ 3 https://smartfinancialplanner.com/matrix/

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Future Self-Continuity: Warum es für die Finanzplanung wichtig ist, sich die Zukunft vorzustellen Von M E G H A A N R . L U R T Z

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ie Tatsache, dass Amerikaner nicht ausreichend sparen, um ihren Bedürfnissen im Alter und anderen Finanzzielen gerecht zu werden, ist eine seit Langem bekannte Problematik, die nun wieder verstärkt in den Vordergrund tritt: Einer aktuellen Studie 1 zufolge sparen 21 Prozent der Amerikaner gar kein Geld an, weitere 20 Prozent legen maximal 5 Prozent ihres Jahreseinkommens für ihren Ruhestand, Notfälle und andere Ziele zurück. Doch während das Einkommensniveau und die Entschlossenheit, gesteckte Ziele zu erreichen, die Sparbereitschaft im Zusammenhang mit finanziellen Zielsetzungen fördern können, geben mitunter auch noch andere Faktoren dem Sparwillen eines Kunden starken Antrieb. Future Self-Continuity: Eine neue Lösung für ein altes Problem und wie sie funktioniert Future Self-Continuity (FSC, Selbst-Kontinuität in der Zukunft) bezeichnet die Verbindung und wahrgenommene Assoziation zwischen Ihrem heutigen Ich und der Person, die Sie in der Zukunft sein werden. Konzept und Theorie der Selbst-Kontinuität in der Zukunft sind das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, deren Ziel darin bestand, das Problem zu verstehen und zu lösen, dass wir die Zukunft außer Acht lassen, also die menschliche Neigung, künftigen Vorteilen weniger Bedeutung beizumessen als aktuellen. Dies führt mitunter sehr schnell dazu, dass Verhaltensweisen im Zusammenhang mit künftigen

1 https://www.bankrate.com/banking/savings/financial-security-march-2019/

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Vorteilen abgetan (oder sogar ignoriert) werden, so wie bei simplen Szenarien nach dem Prinzip „der Spatz in der Hand“ (zum Beispiel 50 USD heute sind besser als 60 USD nächste Woche) oder wenn es darum geht, für das Alter zu sparen und zu investieren (oder eben nicht). FSC-Forscher haben untersucht, was die Menschen dazu anregen könnte, jetzt und heute Gewohnheiten zu entwickeln, die ihnen helfen, sich in der Zukunft Vorteile zu sichern, statt zu versuchen, diese Vorteile zu einem erheblich späteren Zeitpunkt durch Maßnahmen zu erlangen, die dann unweigerlich dringlicher werden und möglicherweise auch schwieriger umzusetzen sind. Das Interessante (oder auch Witzige) an der FSC-Forschung ist, dass sie in der Praxis vor allem auf innovative Technologien zur Gesichtsalterung und auf Avatare zurückgreift! Doch auch mit diesen unterhaltsamen und neuartigen Methoden behandelt die FSC-Forschung wichtige und provokative Themen, die für Finanzberater von besonderem Interesse sind. Diese lassen sich in drei allgemeine Bereiche einordnen. Das erste für Berater relevante FSC-Forschungsgebiet befasst sich damit, wie weit sich die Wahrnehmungen einer Person in Bezug auf ihr heutiges Selbst und das Selbst gleichen, als das sie sich in der Zukunft sieht. Wird dieses künftige Selbst die gleichen Dinge mögen oder ablehnen und die gleichen Ziele und Werte haben wie das heutige Selbst? Das ist eine wichtige Frage für den Finanzberater, der von langfristigen Beziehungen zu seinen Kunden ausgeht, da sich deren Bedürfnisse im Hinblick auf die, Finanzplanung mit ihren Zielen und Werten entsprechend verändern. Der zweite Bereich erforscht, wie

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lebhaft jemand sein künftiges Selbst vor Augen hat. Dabei geht es darum, das eigene Gesicht altern zu sehen, und/oder darum, wie lebendig sich ein Zukunftsszenario visualisieren lässt, zum Beispiel die Vorstellung vom eigenen Ruhestand. Das dritte Forschungsgebiet untersucht, wie positiv man sich selbst in der Zukunft sieht. Ist Ihnen Ihr künftiges Selbst wichtig und/ oder glauben Sie, dass Ihr künftiges Selbst besser, glücklicher oder trauriger sein wird als Ihr heutiges? Sehen Sie beispielsweise den Ruhestand als etwas Gutes oder macht er Ihnen Angst? Der vielleicht wichtigste Aspekt dieses Forschungsgebiets liegt für Finanzberater jedoch darin, dass die Stärkung der Selbst-Kontinuität in der Zukunft die Selbstwirksamkeit in Finanzangelegenheiten steigern kann. Eine FSC-Übung oder ein FSC-Prozess können dazu beitragen, dass mehr Kunden sich mit ihren Finanzplänen identifizieren und ihren finanziellen Aufgaben nachkommen. Indem wir Kunden beim Aufbau von FSC-Skills helfen, tragen wir darüber hinaus unter Umständen zur Entwicklung einer starken finanziellen Selbstwirksamkeit bei. Damit können wir mehr erreichen als mit unseren anderen Ansätzen für häufige Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Finanzplanung ergeben, wie Kunden von höheren Sparbeträgen zu überzeugen oder Unterlagen für die Nachlassplanung auszufüllen, ganz zu schweigen davon, dass wir damit die Gelegenheit haben, einen Finanzplanungsprozess zu konzipieren, der stärker auf den Kunden ausgerichtet ist. Wie Risikokompetenz (also die Fähigkeit, durch Kenntnis und Verinnerlichen der Risikowahrscheinlichkeit sinnvolle Entscheidungen zu treffen) und andere Programme zur Steigerung der allgemeinen finanziellen Effizienz eines Kunden ist auch FSC ein Beispiel dafür, wie man auf sehr persönlicher Ebene auf den Kunden eingeht, um ihm bei der Entwicklung proaktiver Verhaltensweisen für sein eigenes Finanzleben zu unterstützen, ohne Automatismen zu erzeugen (beispielsweise durch Vorab-Verpflichtungen), ihm zu sagen, was er tun muss (was, wie wir wissen, nicht funktio­ niert) oder ihm etwas beibringen zu wollen (was offenbar nur bedingt funktioniert). Wie sich Future Self-Continuity in der Finanzplanung manifestiert (und warum FSC wichtig ist)

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Es wird vermutet, dass eine starke Selbst-Kontinuität (also eine enge Verbindung zum künftigen Selbst) zu einer besseren Gesundheit, mehr Wohlstand und ethischerem Verhalten beiträgt. Und doch ist sie nicht zwingend die Norm. Nach einer Studie aus dem Jahr 2009 2 neigen Menschen aus neurologischer Sicht dazu, ihr künftiges Selbst ähnlich zu sehen wie sie vielleicht andere Menschen sehen – die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass beim Gedanken an das künftige Selbst und an eine willkürlich gewählte prominente Persönlichkeit die gleichen Areale im Gehirn aktiviert wurden. Was den Zusammenhang zwischen FSC und dem Sparverhalten angeht, so kamen einige derselben Wissenschaftler in einer 2014 durchgeführten Studie zu dem Schluss, dass es die Spartätigkeit beeinflusst, wenn jemandem das eigene Selbst fremd ist/Probleme bereitet, weil „... diejenigen, denen ihr künftiges Selbst fremd ist, Sparen mit der Entscheidung gleichsetzen, Geld heute selbst auszugeben oder irgendwann in der Zukunft einem Fremden zu geben“. Sozialpsychologische Untersuchungen und Empathiestudien haben den Forschern außerdem verdeutlicht, dass Menschen anderen eher helfen, wenn diese ihnen gefühlt ähnlich sind. Wenn Ihnen also Ihr künftiges Selbst fremd ist und nichts mit Ihrem heutigen Selbst gemein hat ... dann wird es Ihnen sehr schwerfallen, gegenüber dieser Person „hilfsbereit“ zu sein. Umgekehrt macht es eine stärkere FSC einfacher, zum künftigen Selbst eine Verbindung aufzubauen und diesem gegenüber Empathie zu empfinden. Und das wiederum kann dazu beitragen, die Spartätigkeit zu steigern. Auch bei anderen, allgemeineren und vielleicht schwierigeren Finanzplanungsszenarien kann eine stärkere FSC von Nutzen sein, beispielsweise mit Blick auf den tatsächlichen Eintritt in den Ruhestand, den Vollzug einer Scheidung oder Gedanken über den Tod oder andere wichtige Ereignisse, die das Leben verändern. So hatten viele Berater schon Kunden, die sich eigenen Angaben zufolge einfach nicht vorstellen konnten, am

2 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2656877/

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Strand zu liegen, jemals wieder zu heiraten oder selbst einen Haushalt zu führen. Das ist nicht nur wortwörtlich ein Mangel an Selbst-Kontinuität in der Zukunft, sondern allgemeiner gesprochen ein Beispiel dafür, wie ungemein schlecht Menschen einschätzen können, wie sie in der Zukunft sein werden, was ihnen dann gefällt oder was sie sich dann wünschen (und das wiederum macht zielbasiertes Investieren sehr schwierig, weil keine Sicherheit über die Ziele besteht!). Wissenschaftlich gesehen, sind Menschen keine guten Gefühlsprognostiker. Wir können uns also nur schwer vorstellen, wie wir künftig vielleicht fühlen und uns leider auch nur schlecht ein Bild davon machen, wie stark uns diese Gefühle beeinflussen werden. Wir wissen im Wesentlichen nicht, was uns glücklich oder traurig machen wird, und auch nicht, wie glücklich oder traurig wir vielleicht sein werden. Wir über- und wir unterschätzen unsere Emotionen, wie Daniel Kahnemann und Amos Tversky in ihrem bahnbrechenden Werk zur Prospect Theory (Neue Erwartungstheorie) darlegt haben. Aber es besteht Hoffnung. Zumindest haben Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet ergeben, dass die in der Finanzplanung gebräuchliche Technik der Szenarioplanung dazu beitragen kann, unzutreffende Annahmen und potenzielle Enttäuschungen in der Zukunft auszugleichen. So wurden die Teilnehmer einer Studie zur Untersuchung der Auswirkungen der Szenarioplanung dazu aufgefordert, in Bezug auf einen persönlichen Wertgegenstand über den Abschluss einer Versicherung zu entscheiden. Alle Teilnehmer wurden instruiert, die Versicherungsdeckung für den Gegenstand zu wählen, jedoch nur einige von ihnen erhielten zusätzlich die Aufforderung, sich vorzustellen, was es für ihr künftiges Selbst bedeuten würde, wenn dieser persönliche Gegenstand gestohlen würde. Wie würden sie sich fühlen und was würden sie tun, um den Gegenstand zu ersetzen? Die Teilnehmer, die diesen zweiten Schritt absolvierten und sich Gedanken über ihr künftiges Selbst machten, wählten eher die optimale Versicherung. FSC kann den gleichen Nutzen durch den dreiteiligen Ansatz bieten, der die Gemeinsamkeiten zwischen dem wahrgenommenen heutigen Selbst und dem Selbst in der Zukunft, die Lebendigkeit des künftigen Selbst sowie von Zukunftsszena-

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rien und die positive Einstellung zum künftigen Selbst untersucht. Dieser Punkt soll anhand des folgenden hypothetischen Kundenbeispiels erörtert werden. Beispiel: Jamie ist 45 Jahre alt und hat Sie wegen eines Ruhestandsplans kontaktiert. Sie hat in den letzten etwa 20 Jahren fleißig gespart und ein gut diversifiziertes finanzielles Polster angehäuft und ist damit in jeder Hinsicht eigentlich eine ideale Kundin. Im Laufe des Finanzplanungsprozesses stellen Sie jedoch fest, dass sich Jamie, die Angestellte (das heutige Selbst), nicht mit Jamie im Ruhestand (ihr künftiges Selbst) identifizieren kann. Jamie arbeitet sehr gerne und findet, dass „im Ruhestand“ langweilig und zweckfrei klingt. Sie hat zwar in der Vergangenheit konsequent gespart, dabei aber keine Ahnung, wie sie den Übergang in den Ruhestand gestalten soll, weil sie keine Verbindung zu ihrem pensionierten Selbst hat. Und weil sie inzwischen Sinn und Zweck ihrer Spartätigkeit für den Ruhestand in Zweifel zieht, ignoriert sie nun Aufgaben, die der Finanzplan ihr stellt. Jamie spürt keine Verbindung zu ihrem künftigen Selbst und sieht ihre Zukunft faktisch als „zweckfrei“. Es ist ihr nicht möglich, sich ihr künftiges Leben lebendig vorzustellen, und es mangelt ihr im Hinblick auf ihre Zukunft auch an einer positiven Einstellung. Angesichts dessen wird es für Sie als Finanzplaner sehr schwierig werden, für Jamie einen Plan zu erstellen, mit dem sie sich identifizieren kann und den sie verfolgen wird. Insofern ist Jamie möglicherweise eine perfekte Kandidatin für den unterstützenden Einsatz von FSC-Methoden. Future Self-Continuity-Techniken in der Finanzplanung bemessen und einsetzen Wie könnte nun ein Finanzberater einen Prozess konzipieren, mit dem er den Kunden im Rahmen eines Finanzplanungsgesprächs dazu bewegt, sich mit der Kontinuität seines künftigen Selbst zu befassen und diese zu verbessern – in Anbetracht dessen, dass bei den meisten FSC-Studien die Teilnehmer mit Elektroden verkabelt werden, um ihre Reaktionen zu testen und zu messen und Finanzberater vermutlich einen „weniger invasiven“ Ansatz

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wählen sollten? (Aber lassen Sie es mich wissen, wenn Sie Kunden haben, die bereit sind, sich Elektroden aufkleben zu lassen und als Avatare herumzulaufen – ich habe ein paar experimentelle Ideen, die ich nur zu gerne ausprobieren würde!). Zunächst können Finanzberater die FSC messen und damit herauszufinden, wie nah sich ein Kunde seinem künftigen Selbst fühlt. Forscher haben eine einfache Methode entwickelt, um die FSC eines Menschen zu ermitteln. Dabei verwenden sie folgende zwei Fragen sowie verschiedene Grafiken: 1. Wie ähnlich und verbunden fühlen Sie sich Ihrem künftigen Selbst, das Sie heute in zehn Jahren sein werden?

2. Wie wichtig ist Ihnen Ihr künftiges Selbst, das Sie heute in zehn Jahren sein werden, wie viel Sympathie bringen Sie ihm entgegen?

die sich mit ihrem künftigen Selbst sehr gut identifizieren können, brauchen Sie unter Umständen nur einmal im Jahr ein Gespräch zu führen und ihr Plan muss möglicherweise nur alle fünf Jahre überprüft werden. Kunden wiederum, die sich ihrem künftigen Selbst sehr fremd fühlen, profitieren vielleicht von häufigeren Folgegesprächen, eventuell alle sechs Monate, und benötigen alljährlich eine Planaktualisierung. Ein weiteres FSC-Tool ist die Gesichtsalterungstechnologie. Sie ist etwas interaktiver, und es gibt verschiedene kostengünstige und sichere Möglichkeiten (wie die Website Changemyface.com, die Software AprilAge, eine einfache Gesichtsalterungs-App für das Handy wie AgingBooth oder auch die Gesichtsalterungsfilter in beliebten Apps wie Snapchat), mit deren Hilfe Ihre Kunden im Rahmen einer Ruhestands- oder Szenarioplanung ihrem künftigen Selbst begegnen können. Einem Kunden, der sein gealtertes Gesicht sieht, fällt es FSC-Studien zufolge leichter, sein künftiges Selbst lebendig vor sich zu sehen. Damit kommt ein zentraler Aspekt der FSC-Theorie zum Tragen. Nachdem Sie dem Kunden ein Bild von seinem künftigen Selbst gezeigt haben, können Sie die anderen Punkte der Theorie zum Einsatz bringen – die Ermittlung von Gemeinsamkeiten zwischen dem heutigen und dem künftigen Selbst und der positiven Einstellung gegenüber dem künftigen Selbst. Dabei brauchen Sie dem Kunden unter Umständen lediglich Fragen zu seinem künftigen Selbst zu stellen. So helfen Sie ihm letztlich dabei, eine Beziehung zu diesem Selbst aufzubauen und über seine Person, seine Verhaltensweisen oder Ziele und seine Emotionen in diesen Szenarien nachzudenken. Mögliche Fragen: 1. Welche Eigenschaft schätzen Sie heute an sich, die auch unbedingt Teil Ihrer Person sein soll, wenn Sie in Rente sind? 2. Welche Aktivität genießen Sie heute, die Sie in Ihrem Ruhestand unbedingt verstärkt ausüben möchten? 3. Welche Beziehungen schätzen Sie aktuell, die auch Ihr künftiges Selbst definitiv weiter pflegen soll?

Als Antwort auf Frage 1 wählt der Kunde aus verschiedenen Bildern aus, die Beziehungen zwischen dem „heutigen Selbst“ und dem „künftigen Selbst“ darstellen (siehe untenstehendes Beispiel). Bei Frage 2 wählt der Kunde die Antworten auf einer Bewertungsskala mit einer Bandbreite von Optionen (zum Beispiel Antworten von „interessiert mich überhaupt nicht“ bis „ist mir absolut wichtig“). Dieses FSC-Messwerkzeug könnte in Verbindung mit dem Eingabeformular des Kunden oder auch als Teil einer interaktiven „Ruhestandsplanungsübung“ (mehr dazu gleich) eingesetzt werden. In jedem Fall können die Resultate dem Berater eine Vorstellung davon vermitteln, wie gut (oder auch schlecht) eine zielbasierte Planung funktionieren könnte. Denn mit Kunden,

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Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Kunden ein sogenanntes „Vision Board“ erstellen zu lassen. Dabei handelt es sich um eine Kollage von Bildern und/ oder Sätzen, die für das künftige Selbst und die künftigen Ziele stehen. Diese lässt sich mithilfe von Websites wie Pinterest realisieren oder auch ganz altmodisch mit Zeitschriftenausschnitten und Klebeband. Vision Boards mögen in Verbindung mit einem traditionellen Finanzplanungs-Kundengespräch seltsam anmuten, aber sie können dem Kunden als Ruhestandsübung „verkauft“ werden, damit er sich darauf einlässt. Und sollte der Hinweis nicht ausreichen, dass das bei Oprah Winfrey funktio­ niert, dann gibt es immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen, die ebenfalls für den Einsatz von Vision Boards zur Bestimmung von Zielen für die Zukunft sprechen. Für Berater, die sich mit Gesichtsalterungstechnologien und Kunstprojekten nicht wohlfühlen, bietet sich eine weitere gute

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Möglichkeit, dem Kunden dabei zu helfen, sich mit seinem künftigen Selbst zu identifizieren: Sie lassen ihn einen Brief an sein künftiges Ich schreiben. Das ist eine sehr gängige Praxis in Führungskräfteschulungen und Hochschulstudiengängen. Nicht nur das Verfassen des Briefes, in dem künftige Ziele verankert werden, kann sehr viel bewirken, sondern auch der Erhalt des Schriftstücks zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft, mit dem man an diese Ziele erinnert wird. Bei Erhalt des Briefes (also die Erinnerung an Ziele durch ein „früheres“ Selbst, die persönliche Reflexion auslösen kann) wird es Kunden sehr viel schwerer fallen, zu ignorieren, ob sie Schritte zur Erreichung dieser Ziele unternommen haben oder nicht, wenn sie effektiv für die Erwartungen Rechenschaft ablegen sollen, die ihr jüngeres Selbst an sie gestellt hat. Das kann ein Weckruf sein oder auch eine Gelegenheit, den erzielten Fortschritt einer Bestandsaufnahme zu unterziehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen Berater ihren Kunden den Gedanken näher bringen können, einen Brief an ihr künftiges Selbst zu schreiben. Eine davon baut vor allem auf den Berater selbst. Nach der Vorstellung und Vereinbarung des Finanzplans kann der Finanzplaner gemeinsam mit dem Kunden einen Brief verfassen, in dem die Ziele des Kunden und die damit verbundenen Aufgaben dargelegt sind. So kann er den Kunden beispielsweise anleiten, eine Liste von Einzelaufgaben zu erstellen, die eine Erhöhung des Sparbetrags, den Abschluss einer Lebensversicherung oder die Aktualisierung eines Testaments betreffen. Bei einer zweiten Option ist eher der Kunde selbst gefragt. Der Finanzplaner kann gegenüber dem Kunden anregen, einen Brief an sein künftiges Selbst zu schreiben. Dazu erklärt er ihm, dass es sich dabei um eine wirksame Übung für die Zielfestsetzung und die Umsetzung von Aufgaben handelt. Danach kann der Kunde, auch hier nach Vorstellung und Vereinbarung des Finanzplans, 20 oder 30 Minuten dafür aufwenden, einen Brief an sich selbst zu schreiben, in dem er die Ziele darlegt, die er vereinbart hat, und die anstehenden Aufgaben, die zur Erreichung dieser Ziele ausgeführt werden sollen. In jedem Szenario besteht der letzte Schritt darin, dass der Finanzberater den Brief entgegennimmt und dem Kunden zu einem späteren Zeitpunkt zusendet. Das kann beispielsweise

nach der Hälfte der Zeit bis zum nächsten Gesprächstermin sein. Der Kunde sollte bis zum Eingang des Briefes genügend Zeit haben, um zu seinen gewohnten Routinen zurückzukehren. Gleichzeitig aber sollte auch noch ausreichend Zeit verbleiben, um bis zum nächsten Treffen mit dem Berater Verhaltensänderungen vorzunehmen (sofern erforderlich). Im Kern geht es letztlich darum, dass FSC-Tools (wie fokussierte Gespräche, Gesichtsalterungstechnologien, Vision Boards und das Schreiben von Briefen) dabei helfen können, die psychologische Kluft zwischen dem heutigen und dem künftigen Selbst zu überbrücken. Dabei kann ein Finanzberater seinen Kunden nicht nur dazu anleiten, sinnvolle Ziele für seine Zukunft aufzustellen und sich Klarheit über die Aufgaben zu verschaffen, die zu deren Umsetzung erfüllt werden müssen, sondern er kann auch die Akzeptanz des Kunden gegenüber der Umsetzung und Realisierung dieser Ziele stärken. Mit anderen Worten liegt die Aufgabe des Beraters zwar in der Unterstützung und Beratung seines Kunden, doch erreicht er in Wirklichkeit noch sehr viel mehr, wenn er und der Kunde an einem Strang ziehen und konsequent auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind. FSC bietet Beratern einen äußerst personalisierten Ansatz, um Kontakt zu ihren Kunden aufzubauen und diesen bei der Steigerung ihrer finanziellen Selbstwirksamkeit zu helfen, indem sie die „persönliche“ Verbindung der Kunden zu ihrem künftigen Selbst stärken, für das sie planen und Ziele umsetzen wollen. Das macht die Arbeit des Finanzberaters und den Finanzplan des Kunden für alle Beteiligten gewinnbringender und erfreulicher. ❚

M EG H A A N R . LU R T Z ist unsere Senior Research Associate bei Kitces.com. Zusätzlich zu ihrer Arbeit auf der Website unterrichtet Meghaan an der University of Maryland University College im R ­ ahmen ihres CFP-Programms. Meghaan hat ihren Ph.D. in Personal Financial Planning an der Kansas State U ­ niversity abgeschlossen. Sie ist auch die derzeitige Präsidentin der Financial Therapy Association und ist unter Meghaan@Kitces.com zu erreichen.

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Finanzplanung in Zeiten von Corona: Jetzt erst recht! Von P R O F. D R . R O L F T I L M ES

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ie derzeitige Corona-Pandemie talmarkt eine gute Rendite zu erzielen. Wer sorgt dafür, dass die Sorgen der einen simplen Exchange Traded Fund (ETF) Verbraucher zunehmen. Das ist auf den amerikanischen Aktienindex S&P – grob formuliert – das Ergebnis einer 500 kaufte, der konnte sein Geld seit der aktuellen Umfrage von Kantar (EMNID) Finanzkrise bis Ende vergangenen Jahres im Auftrag des Verbraucherzentrale Bunmehr als verdreifachen. Sie haben sicherdesverbands (vzbv). Gleichzeitig haben lich auch schon die Erfahrung gemacht, Deutschlands Unternehmen bis Ende April dass sich viele Menschen die Frage gestellt für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit haben, wozu sie eigentlich Finanzberatung angemeldet. Laut Schätzungen des McKinbrauchen, wenn der Vermögensaufbau und sey Global Institute ist für 2020 mit einem die Altersvorsorge mit einem ETF so einRückgang des Bruttoinlandsprodukts um fach sind. Durch die Corona-Krise und den 5 beziehungsweise 10 Prozent zu rechnen, nachfolgenden Einbruch am Kapitalmarkt und ohne nachhaltigen Strukturwandel dürfte vielen Verbrauchern aber vielleicht ist eine Rückkehr auf den ursprünglichen klar geworden sein, dass für den langfrisWachstumspfad in diesem Jahrzehnt nicht tigen Vermögensaufbau eine professionelle mehr machbar. Beratung doch sinnvoll sein kann. Es ist daher verständlich, dass sich viele Darüber hinaus dürften sich einige Ihrer Menschen nicht nur Sorgen um RückerKunden Gedanken über ihren persönlichen stattungen für ausgefallene Reisen oder P R O F. D R . R O L F T I L M E S , EFA®, – meistens nicht existenten – Notfallkoffer Wucherpreise für knappe Güter machen, CFP®, HONCFEP, Vorstandsvorsitzenmachen. Da fehlen nicht nur Bankvollmachsondern um ihren Arbeitsplatz und damit der, Financial Planning Standards Board ten, Testament oder Regelungen für den um die Altersvorsorge. Etwa ein Drittel Deutschland e. V. digitalen Nachlass, sondern auch Vorsorder von Kantar (EMNID) Befragten hat gevollmachten, Patientenverfügung und die Befürchtung, dass ihre private Vorsorge wegen sinkender Betreuungsvollmachten. Das alles sind Anknüpfungspunkte Aktienkurse oder niedrigerer Renditen an Wert verliert. Manche für Beratungsgespräche und eine ideale Ausgangsbasis für Immobilienfinanzierung wird ins Wanken kommen, Ziele und eine Finanzplanung. Wünsche müssen zurechtgestutzt werden. Oder denken Sie an das Krisengespräch mit dem Unternehmer, Selbständigen oder Handwerker. Nur mit einer soliden Und was ist Ihre Antwort als Beraterin/Berater, als FinanzFinanzplanung können Sie Fragen nach Steuerstundung oder planerin/Finanzplaner? -herabsetzung, Aussetzung von Zins- und/oder TilgungszahDiese Krise birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für lungen für bestehende Darlehen oder die Beantragung von verantwortungsbewusste, vertrauensvolle und persönliche Covid-19-Liquiditätshilfen fundiert beantworten. Beratung und Kundenbeziehungen. Kunden suchen nach dem ersten Schock und der Isolation durch den Lockdown, der auch Finanzplanung als Anker in stürmischen Zeiten viel Zeit zum Nachdenken gegeben hat, Orientierung. Die Fragen Die Frage lautet also nicht, ob Sie mit Ihren Kunden über die der Kunden sind vielfältig und haben doch alle etwas mit den finanzielle Langfristplanung reden sollten, sondern wann Sie Auswirkungen auf die finanzielle Lebensplanung und Absicherung eine ganzheitliche Finanzplanung oder einen Themenplan mit zu tun. Gerade jetzt sind Sie als Finanzplaner gefordert – getreu Ihren Kunden realisieren. dem Motto „Finanzplanung ist Lebensplanung“. Unterstützen Im internationalen FPSB-Netzwerk haben Vertreter aller 26 Sie Ihre Kunden in diesen Tagen, nehmen Sie Zukunftsängste CFP®-Länder intensiv über die Auswirkungen der Corona-Krise und versichern Sie Ihren Kunden Ihre Unterstützung – auch in diskutiert. Im Communication Advisory Panel haben alle LänKrisenzeiten. Denn gerade jetzt zeigt sich, dass Finanzplaner der ihre Materialien zur Verbraucherkommunikation und zur verantwortungsbewusst für ihre Kunden agieren. Diese UnUnterstützung der CFP®-Professionals geteilt sowie weitere terstützung wird uns alle nicht nur kurzfristig, sondern auch Maßnahmen besprochen. Natürlich kann es krisenbedingt teilmittel- bis langfristig fordern. weise zu weniger Neuzertifizierungen oder zu einem Rückgang Diese professionelle Unterstützung durch Finanzplaner gibt der aktuell knapp 190.000 zertifizierten CFP®-Professionals gerade in Krisenzeiten Kunden Halt und Sicherheit. Den Wert kommen, doch sind sich alle CFP®-Länder einig, dass die Krise einer solchen langfristigen Planung der Finanzen verdeutlicht auch zu einer Überprüfung der persönlichen Finanzstrategie eine weltweite Umfrage unter den Mandanten von Finanzplanern: führt – und da ist die Finanzplanung das richtige Instrument Demnach sind Verbraucher, die einen schriftlichen Finanzplan in Krisenzeiten. Deshalb wird der FPSB Deutschland dieses haben, fast dreimal so zuversichtlich, ihre finanziellen Ziele zu Thema zum Leitthema des World Financial Planning Day 2020 erreichen, als diejenigen ohne einen solchen Plan. Mit anderen machen: „Finanzplanung in unsicheren Zeiten: Früher planen“. Worten: Finanzplanung im Sinne einer langfristigen LebensMachen Sie mit – unterstützen Sie Ihre Kunden durch Finanzplanung zahlt sich aus – gerade auch in Krisenzeiten. planung in diesen herausfordernden Zeiten – und bleiben Sie In den vergangenen Jahren war es gar nicht so schwer, am Kapivor allem gesund! ❚

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Spieglein, Spieglein an der Wand – Mensch oder Maschine, wer kommt besser aus der Krise? Von M O N I K A M Ü L L E R

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orona und Digitalisierung verändern das Verhalten der Kunden dauerhaft. Für Finanzplaner, Vermögensverwalter und Finanzberater ist es eine gute Zeit, ihre Dienstleistung auf den Prüfstand zu stellen. Corona öffnet vorübergehend ein Lernfenster für die gesamte Gesellschaft. Innovationen werden von Kunden und Mitarbeitern schneller akzeptiert.

chen von Qualität, Kunden in den eigenen Räumen mit erlesenen Tees und Kaffees zu empfangen. Kundenorientierung bestand in Beratung mit Papier und Bleistift. Man schenkte den Kunden Zeit und konnte so Individualität für den Kunden signalisieren. Spätestens seit März 2020 ist die Zeit von Videotelefonie und Onlineberatung mit Zoom, Teams und Apps über alle Berater hereingebrochen. Für einige von ihnen war dies ein Digitalisierungsschock. Fast über Nacht haben Kunden ihre Vorliebe für neue Medien und räumliche Distanz entdeckt.

Krise als Chance – Corona als Innova­ tionsschub Finanzplaner der ersten Generation blicken auf eine Zeit mit Excel, Papier und Bleistift zurück. Ihre Nachfolger, ob Robo-Advisor (kurz Robo) oder die jungen Kollegen, kommen dagegen schon aus der Welt der Cloud. Etwas überspitzt könnte man sagen: Corona hat traditionelle Berater in eine Zeit geworfen, in die sie nicht ganz freiwillig eingetreten sind. Bisher war es ein Zei-

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M O NIK A M Ü L L ER, Dipl.-Psych., FCM Finanz Coach®, Master Certified Coach (ICF), Coachausbilderin, FCM Finanz Coaching

Wenn die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben sein werden, könnte es der traditionellen Beratung möglicherweise wie dem Patienten mit einem gebrochenen Bein ergehen, der aus dem Gipsbett entlassen wird. Er fühlt sich wieder frei, die Bewegungen sind aber noch ungewohnt. Die alten Routinen kommen erst mit der Zeit zurück. Sicher werden Kunden wieder verstärkt

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in Büros und Filialen kommen. Aber wie „früher“ – nein, ganz sicher nicht. Denn die Bequemlichkeit und die Möglichkeiten einer Beratung auf neuen Wegen vergessen Kunden nicht. Rasenmäher, Staubsauger, Robo-Advice – alles zu seiner Zeit Was macht die komplett digitale Konkurrenz? Erst in einigen Monaten wird klar sein, ob auch Robo-Vermögensverwaltungen von dieser Entwicklung profitieren konnten. Bis dahin hat jeder die Chance, seine Haltung zu diesen Angeboten auf solide Beine zu stellen. Kunden waren in der Coronazeit viel mehr im Netz unterwegs. Sie haben nach Lösungen gegoogelt und erkannt: Anzahl und Vielfalt der Angebote im Netz steigen stetig. Das bedeutet, sie können jetzt bequem zwischen Finanzplanung, Beratung oder Vermögensverwaltung online und offline vergleichen. Und das tun sie auch. Welche Kriterien legen Kunden bei diesem Vergleich an – Performance, Preis, Service? Wenn wir von der traditionellen Beratung ausgehen, dann sind die Bekanntheit, der Markenname und die Erfahrung von Familie und Freuden ausschlaggebend. Bei Robos zählen auch andere Faktoren. Robin, Scalable, Monviso, Whitebox und viele andere sind für Kunden noch keine „Namen“. Sie wirken fremd. Influencer – diese modernen „Freunde“ gibt es zwar, aber ihre Verbreitung ist noch spärlich. Und doch probieren Kunden aus, experimentieren und legen sich vielleicht eine Robo-Vermögensverwaltung zum Vergleich zu. Auch traditionelle Vermögensverwalter können jetzt ihre Strategien in verschiedenen White-Label-Lösungen anbieten. Sie hoffen auf das schnelle Geld. Die Herausforderung der Kommunikation mit dem Kunden über die Website und die Marketingkosten werden jedoch unterschätzt. Es ist wie bei Robos in anderen Lebensbereichen auch: Rasenmäher und Staubsauger haben lange gebraucht, bis sich der Kunde von ihrer Leistung überzeugt hat. Doch anderseits ist der Mensch von Natur aus neugierig. In den nächsten Jahren werden sicher immer mehr Kunden ausprobieren, was ihnen im Netz über den Weg läuft. Kurzfristig überwiegt bei der automatisierten Geldanlage vielleicht noch die Skepsis. Doch Corona

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hat gezeigt, wie schnell Menschen sich anpassen, wenn ihnen eine Gelegenheit nahegebracht wird. Finanzplaner, traditionelle Vermögensverwalter und Berater können die Zeit nutzen, sich mit den neuen Kollegen zu befassen. Die fallenden Preise am Markt werden sie über kurz oder lang zwingen, sich ihre Meinung zu bilden und eine Strategie für das neue Zeitalter zu entwickeln. In diesem Vergleichsprozess steckt für Berater ein Gewinn. Im Spiegel der Robos werden viele ihre Stärken schärfer sehen, aber auch die Schwachstellen glasklar erkennen. Eine gute Ausgangsbasis, um das eigene Unternehmen zukunftsfest zu machen. Wer diesen Prozess mit kritischem, externem Feedback angeht, der kann sein Wachstum erfolgreich steuern. Den Blick für die eigenen Stärken schärfen Es gibt verschiedene Wege seine Dienstleistung zu überprüfen. Ein Weg, der sich aktuell anbietet, ist der Vergleich mit der digitalisierten Konkurrenz. Für den Vergleich zwischen Robo und menschlichem Berater gibt es viele mögliche Kriterien. Die folgende Liste ist ein Einstieg und kann bei genauer Beschäftigung mit verschiedenen Robos wachsen. Mein Tipp: a) Wählen Sie fünf Robos aus und suchen Sie unabhängig von den Kriterien in der Liste nach deren Stärken. b) E rgänzen Sie die Liste um Stärken, die Ihnen zusätzlich aufgefallen sind. Geben Sie den Robos und sich (Ihrem Unternehmen) eine Bewertung von 0 (gar nicht vorhanden) bis 10 (voll und ganz erfüllt). c) Sprechen Sie mit drei Ihrer Kunden (neu – mittlere Beziehungsdauer – langjährig) und fragen Sie, welche Stärken diese Kunden bei Ihnen wahrnehmen. d) Springen Sie zehn Jahre in die Zukunft und werfen Sie – vielleicht mit den Augen Ihres Nachfolgers – einen Blick zurück. Welches Kriterium ist aus dieser Perspektive (vielleicht auch zusätzlich) unerlässlich?

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Vergleich Mensch und Maschine:

Kriterien

Stärken der Robos 0 – 10

Eigene Stärken 0 – 10

Von Kunden wahrgenommen

In 10 Jahren unerlässlich

Leichtigkeit Ganzheitlichkeit Verständlichkeit Zuverlässigkeit Objektivität Zeitaufwand Preis Risikoprofiling Produkte Persönlichkeit des Beraters Umgang mit schwierigen Situationen Website Performance

Bei diesem Vergleich wird es Punkte geben, die ein Berater eindeutig besser machen kann. Aber ob er es auch tut, kann nur ein kritisches Feedback von neutralen Dritten zum Vorschein bringen. Möglicherweise ist die Liste der Punkte, bei denen Robos vorne liegen, sogar recht lang. Bevor ein Berater in das Jahresgespräch geht, bei dem er vom Kunden auf diesen Vergleich angesprochen wird, lohnt sich eine ehrliche Analyse. Kluge Berater werden die vor ihnen liegende Zeit nutzen und an ihren Schwachstellen arbeiten. Auf die Frage des nächsten Kunden: „Was unterscheidet Sie von der digitalen Konkurrenz, warum sollte ich x EUR bei Ihnen investieren?“, haben diese Berater eine unschlagbare Antwort parat. Diese Antwort wird nicht nur lauten: „Wir sind Ihr persönlicher Ansprechpartner. Wir sind jederzeit für Sie da. Wir nehmen uns Zeit für Sie. Unsere Anlagelösungen sind individuell.“ Berater, die ihre Hausaufgaben gemacht haben, werden Kunden mehr handfeste Argumente liefern, zum Beispiel Einfühlungsvermögen, die außerhalb des Produkts und der Performance liegen. Dies vor allem, weil viele Anlageprodukte in der Krise nicht immer das gehalten haben, was sie versprochen hatten. Auch bei manchen Robos, die auf aktives Management setzen, konnte die Konkurrenz das beobachten. Der Robo als Partner Einige Berater und Vermögensverwalter wollen in Zukunft ihren Kunden einen Zugang zu einem Robo auf ihrer Website anbieten. Woran erkennt der Berater, ob er die richtige Auswahl trifft oder das eigene Robo-Angebot kundenorientiert entwickelt? Keine leichte Frage. Für die Reputation des Beraters steht viel auf dem Spiel.

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Die meisten Robos der ersten Generation werden von aktien­ affinen Selbstentscheidern zwischen 40 und 50 Jahren mit einem guten Grundstock an Finanzwissen genutzt. Das ist nicht die Zielgruppe, die die Masse der Berater und Vermögensverwalter ansteuert. Sie richten sich eher an Menschen, die sich Anlageentscheidungen kaum alleine zutrauen. Aber sie liebäugeln mit der Idee, dass der Robo für den „kleinen Anlagebetrag“ zuständig sein könnte. Dabei wird der Vermögensaufbau für die Kinder von Bestandskunden oder ein Angebot für weniger gut betuchte Kunden ins Visier genommen. Diese Kundengruppen sind jedoch viel sensibler zu behandeln. Fehlende emotionale Beziehung und finanzielle Bildung stehen dem Run auf die Robos durch diese Kunden – oder, wie wir es heute nennen, dem exponentiellen Wachstum – derzeit noch im Weg. Das ist eine spannende Herausforderung für die nächste Generation der Robos: Sensibilität für den Kunden, finanzielle Informationen, die jeder versteht, und Orientierung, die Sicherheit gibt. Der Robo, der dieses Versprechen einlöst, wird seinen Besitzer reich machen. Noch ist er nicht erfunden. Aber die Digitalisierungswelle rollt unaufhaltsam. Kunden werden in Zukunft ihr Geld nicht nur zwei oder drei Bankverbindungen und Vermögensverwaltern anver­trauen. Vielmehr werden zunehmend auch Kunden zum Berater kommen, die einen Teil ihres Vermögens beim Robo geparkt haben. Es lohnt sich, einen Überblick über die wesentlichen Robos zu haben und sich dabei nicht nur mit den leicht sichtbaren Kennzahlen zu begnügen. Wer seinem Kunden eine differenzierte Sicht bieten kann, hat ein weiteres „Asset“ für die Neukundenakquise der Zukunft gewonnen. ❚

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FINANCIAL PLANNING Magazin

goes digital

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Android-User: Bislang war die Einstellung für „Apps aus unbekannten Quellen installieren“ je nach Hersteller und Android-Version hier zu finden: Öffnen Sie die „Einstellungen“. In einem Bereich wie „System“ gibt es eine Einstellung „Sicherheit“. Hier sollten Sie die Option „Apps aus unbek. Quellen“ oder ähnlich finden. Auf anderen Geräten findet sich das via „Einstellungen/Sicherheit“ oder unter „Sicherheit & Datenschutz/Mehr/Unbekannte Apps installieren“. Auf neueren Geräten mit purem Android 8 hat sich das Konzept grundlegend geändert: Jetzt gibt es keinen zentralen Schalter mehr. Stattdessen sind es bestehende Apps, denen Sie das Installieren von Apps aus anderen Quellen erlauben oder verbieten können. Öffnen Sie die Einstellungen, tippen Sie „unbek“ ins Suchfeld. Öffnen Sie „Spezieller App-Zugriff“ und darin „Unbek. Apps installieren“. Oder Sie gehen via „Einstellungen“ zu „Apps & Benachrichtigungen/Erweitert/Spezieller App-Zugriff“. Tippen Sie allenfalls oben rechts aufs Drei-Punkte-Menü und wählen Sie System anzeigen.

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KO LU M N E

Phasen einer Krise Von D R . M A R T I N L Ü C K

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ie Coronakrise ist anders als andere fallende Kurse verzeichneten. Erst gegen Börsencrashs und Finanzkrisen der Ende der dritten Märzwoche kam diese jüngeren Geschichte. Anders als die erste Schockphase zu einem Ende, und Asienkrise der späten 90er, die geplatzte zwar vor allem durch die nie da gewesenen Dotcomblase der frühen 2000er oder die Stimulusprogramme der Regierungen, allen Finanzkrise 2008/2009 ist sie nicht auf voran das 2,2-Billionen-Dollar-Paket in den gescheiterte Geschäftsmodelle einzelner USA. Konsequenterweise drehte der Markt Branchen oder Länder zurückzuführen, in eine steile Erleichterungsrally. Schnell sondern auf eine ganz bewusst getroffene waren bei großen Indizes 25 Prozent geEntscheidung unserer Regierungen. Die genüber dem Tiefpunkt wieder aufgeholt. Entscheidung nämlich, unsere Wirtschaft Schon kurz später, Ende März, kam diese angesichts der Covid-19-Pandemie de facto Phase damit an ihr Ende. zum Stillstand zu bringen. Damit wird deutlich, dass der Weg aus der Krise ein Das läutete die Phase des volatilen Seitdenkbar einfacher wäre. Wir müssten nur wärtsmarkts ein. Diese Phase, in der wir die Wirtschaft von den beschlossenen Beuns auch heute noch befinden, ist dadurch schränkungen befreien, dann würde sich gekennzeichnet, dass Marktteilnehmer die ökonomische Aktivität in den meisten rationaler agieren als in der wilden Phase Bereichen relativ schnell alten Niveaus davor. Dennoch stehen vielversprechenden annähern und der Schaden bliebe auf den D R . M A R T I N L Ü C K , Managing DiErholungen, die über wenige Tage sehr bisher verzeichneten Ausfall an Output und rector, Chief Investment Strategist für markante Kurszuwächse bringen können, Nachfrage beschränkt. Bezahlen würden Deutschland, Österreich, Schweiz und oft ebenso schnelle Abverkäufe gegenüber. wir diese Begrenzung des ökonomischen Osteuropa, BlackRock Genau das sehen wir seit etwa Anfang April. Schadens allerdings mit einer Rückkehr Wuchs etwa die Hoffnung auf ein Medikader Infektionszahlen im exponentiellen Bereich, einer bald ment oder gar einen Impfstoff gegen Covid-19 beziehungsweise darauf folgenden Überlastung unseres Gesundheitssystems legten Regierungen und Zentralbanken noch großzügigere und Bildern, wie wir sie aus Bergamo oder New York kennen. Rettungsmaßnahmen nach, waren die Kurstafeln kräftig grün Es ist also die Ausbreitung des Virus, der Verlauf der Pandemie, eingefärbt. Brach dagegen wegen der weltweit kollabierenden was uns von dieser radikalen Entscheidung abhält. Damit ist es Nachfrage der Ölpreis ein oder ließen Infektionsstatistiken verauch die Pandemie, die den weiteren Verlauf für Volkswirtschaft muten, dass die Bekämpfung der Pandemie viel länger dauern und Märkte bestimmt, nicht Regierungen und Zentralbanken, würde als erhofft, gaben die Indizes die Gewinne auch sehr die alles in ihrer Macht Stehende tun, am Ende die Folgen des schnell wieder ab. wirtschaftlichen Stillstands aber nur abmildern können. Die Bisher ist Phase zwei von weiter steigenden Aktienkursen, aber wirklich bestimmende Frage ist, inwieweit es gelingt, Sars-CoV-2 auch höheren Risikoaufschlägen im Anleihebereich gekennund die globale Wirtschaft koexistieren zu lassen. zeichnet. Mit Blick nach vorn ist entscheidend, dass diese Phase vermutlich noch lange anhalten wird. Erst wenn absehbar ist, Angesichts der unerfreulichen Erkenntnis, dass es sich um ein wann das gesellschaftliche und damit auch das wirtschaftliche Phänomen weit außerhalb der Komfortzone von Volkswirten und Leben zu so etwas wie Normalität zurückkehrt, wird der volatile Investmentstrategen handelt, herrscht an den Finanzmärkten Seitwärtsmarkt enden. Dann beginnt Phase drei. nach wie vor Verwirrung darüber, wann es für Aktien endlich wieder aufwärts geht, ob wir uns an die Niedrigzinsen für alle Sobald sich der Ausblick auf die Welt nach überstandener CoZeit gewöhnen müssen und ob Cash vielleicht doch eine ganz ronapandemie abzuzeichnen beginnt, dürfte der Markt in die gute Anlageklasse ist. Da aber nichts, was Finanzanlagen betrifft, Phase eintreten, in der dieser Ausblick eingepreist wird. Ich in Stein gemeißelt ist, sondern sich im Verlauf der Zeit vieles nenne sie entsprechend die „Welt-danach-Phase“. In ihr werden verändert – gelegentlich sogar unangenehm schnell –, erscheint Fragen zu beantworten sein wie jene nach der Zukunft der Gloes sinnvoll, den bisherigen Verlauf der Coronakrise, soweit sie balisierung, dazu, welche Sektoren zu den Gewinnern gehören die Märkte betrifft, anhand ihrer Phasen zu analysieren. (und welche weniger), und auch dazu, ob die quasi unbegrenzte Zentralbankgeldschöpfung zu Inflation führt oder eher nicht. In einer ersten Phase, ich nenne sie die „Schock-und-ErleichteNatürlich stellen wir uns alle diese Fragen auch heute schon, nur rungs-Phase“, gaben die Aktienmärkte in beispielloser Geschwinbeeinflussen sie bisher kaum die Preisbildung an den Märkten. digkeit nicht nur die bisherigen Jahresgewinne her, sondern Insofern bleibt festzuhalten, dass wir uns bis auf Weiteres mit stürzten sogar tief in den negativen Bereich. Die meisten der beden Unsicherheiten der Phase zwei herumzuschlagen haben. sonders beachteten Indizes verloren 35 bis 50 Prozent, gemessen Über den Zustand der Welt von morgen zu spekulieren und daan ihren Höchstständen. Teilweise führte Liquiditätsknappheit rüber, wie er unsere Portfolios beeinflusst, können wir getrost dazu, dass auch andere Anlageklassen wie Anleihen oder Gold, auf eine spätere Kolumne verschieben. ❚ die normalerweise sichere Häfen bilden, verkauft wurden und

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KO LU M N E

Einstiegszeitpunkt nicht verpassen! Von der Strategie zur Tat. Von DR. HANS-JÖRG NAUMER

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enn die Zentralbanken rund um den Globus die Märkte mit Liquidität fluten und wieder verstärkt Staatsanleihen kaufen, dann sollte folglich das Negativzinsumfeld noch länger anhalten und sich sogar ausweiten. Eine verhaltensökonomische Betrachtung.

und hinterfragt und der Ihnen hilft, den Rahmen zu vergrößern, durch den Sie die Welt betrachten. Suchen Sie auch gezielt nach vertrauenswürdigen Informationen und Analysen jenseits des Mainstreams und jenseits der Tagesaktualität. Für viele Anleger ist es übrigens hilfreich, sich mit einem kleinen „Vertrag“ zu binden – der Advocatus Diaboli könnte der Gegenpart sein. Die „vertragliche Bindung“ lautet dabei in etwa: Erinnere mich an meine Vorhaben, hilf mir, meine Ziele im Blick zu behalten, damit ich nicht vorschnell handle. Hinterfrage meine Vorhaben, die sich möglicherweise aus dem Affekt ergeben.

Das Problem für Anleger, die Rendite suchen, wird mit den Maßnahmenpaketen, die gegen die ökonomischen Folgen des Corona­ virus auf den Weg gebracht wurden und werden, nur noch größer. Was ist in dieser Konstellation aus verhaltensökonomischer Sicht zu tun, damit Anleger nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden, aber auch nicht den Einstiegszeitpunkt verpassen?

Von der Strategie zur Tat Die Odysseusstrategie ist für mich immer wieder die beste Strategie: Es geht um Selbstbindung zum Erreichen der Ziele. Wie der Held aus der griechischen Sage, der sich an einen Mast binden ließ, um nicht dem Gesang der Sirenen zu erliegen, sollten sich auch Anleger an eine Strategie hilft, Kurs zu halten.

Wurde die strategische Allokation der Vermögenswerte festgelegt, geht es an die Umsetzung. Hier können sogenannte Multi-Asset-Produkte helfen, Fonds, die über alle Anlagegattungen hinweg investieren können – mit dem Ziel, Schwankungen des Portfolios zu minimieren und auch taktische Anpassungen vorzunehmen, also auf die Marktentwicklung zu reagieren.

DR. HANS-JÖRG NAUMER, Director Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors

binden, die ihnen

Daraus leiten sich vier Fragen ab: — Wie ist meine Risikoneigung? — Wie viel Verlust kann ich ertragen? — Welche Gewinnerwartung habe ich über welchen Zeithorizont? — Wie sind meine Erwartungen an die Zukunft? Kurz: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, über strategische Asset-Allokation, also die Aufteilung der Vermögenswerte, nachzudenken. Tipp: Denken Sie holistisch, nehmen Sie also nicht nur Ihr Geldvermögen in den Blick, sondern alle Vermögenswerte: Immobilien, Versicherungen, die Rente, ja auch die eigene Arbeitskraft, da auch diese einen Einkommensstrom erzielt. Der „Teufelsadvokat“ Wichtig ist: Nehmen Sie sich einen Advocatus Diaboli, einen „Anwalt des Teufels“, der Ihre Gedanken mit Ihnen diskutiert

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Sie verfügen über größere Geldbestände, die auf eine (Re-)Investition warten? Warum nicht einen großen Sparplan aufstellen und verfolgen? Ab einem bestimmten Zeitpunkt über mehrere Quartale zuzukaufen, um die angestrebte Vermögensstruktur zu erreichen, das glättet die Schwankungen und hilft, nicht zum falschen Zeitpunkt alles auf das eigentlich richtige Pferd zu setzen. Daneben gibt es natürlich auch den „kleinen“ Sparplan, der schon ab wenigen Euro pro Monat möglich ist – dafür ist eigentlich immer der richtige Zeitpunkt. Mein Extratipp zum Schluss: Denken Sie auch an die Nachhaltigkeit Ihrer Anlagen. Mit dem Begriff ESG (Environment, Social, Governance – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) als Filter bei der Anlageentscheidung lässt sich genau dies bewerkstelligen. ❚

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nfep-Expertengespräch:

Alternative Finanzierung in ­Sondersituationen und Krisenzeiten Über die Hälfte der kleinen und mittleren Unternehmen hat Schwierigkeiten bei der Nachfolgeregelung, so der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2019. Dabei kämpfen Unternehmer nicht nur mit bürokratischen Hürden, sondern auch die Finanzierung stellt eine große Herausforderung dar: Laut DIHK-Report bereitet es 39 Prozent der Befragten Probleme, die Nachfolge zu finanzieren. Zudem müssen sich viele Unternehmen derzeit oder auch künftig aufgrund der Coronakrise neu aufstellen und wichtige Restrukturierungsmaßnahmen einleiten. Klassische Banken stehen hier wegen verschärfter Regularien oftmals nicht als Finanzierungspartner zur Verfügung. Wir sprachen mit CARL-JAN VON DER GOLTZ, geschäftsführender Gesellschafter der Maturus Finance GmbH, über mögliche Alternativen in der Unternehmensfinanzierung, auch in Krisenzeiten. Maturus Finance unterstützt Mittelständler seit 2005 mit objektbasierten Finanzierungsmodellen wie Sale & Lease Back.

Wieso haben Mittelständler derart große Probleme, Unternehmensnachfolgen zu finanzieren? Die Banken fokussieren sich seit der Verschärfung der Basel-Regularien stark auf die Risikovermeidung: Sie müssen mehr Eigenkapital für ihre Risikopositionen vorhalten und eine strikte Obergrenze bei der langfristigen Verschuldungsquote beachten. Dadurch wird die Top-Bonität bei den Ratings zur Kreditvergabe zum Hauptkriterium. Unternehmen, die nicht über die geforderte Bonität verfügen, steht der klassische Kreditmarkt deshalb heute oft nicht mehr zur Verfügung. Auch bestimmte Branchen, beispielsweise die Landwirtschaft oder die Automobilindustrie, werden als risikoreich betrachtet und von den Banken häufiger abgelehnt. Doch selbst, wenn Interessent und Verkäufer eine gute Bonität aufweisen, finanziert

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die Hausbank die Übernahme insbesondere bei großen Summen oftmals nicht zu 100 Prozent. Ich empfehle Kaufinteressenten deshalb, auf einen Finanzierungsmix und mehrere Partner zu setzen. So erzielt man eine größere Unabhängigkeit und der Kaufpreis lässt sich meist leichter realisieren. Denkbare Mittel wären der klassische Bankkredit, ein Darlehen vom Übergeber, Mezzanine-Kapital oder auch Bürgschaften. Die objektbasierte Finanzierung Sale & Lease Back kann für produzierende Unternehmen eine optimale Ergänzung sein, denn damit lässt sich der Kaufpreis teilweise oder sogar gänzlich über eine reine Innenfinanzierung stemmen. Wie funktioniert Sale & Lease Back? C A R L-J A N V O N D E R G O L T Z , ­g e­s chäftsführender Gesellschafter, Maturus Finance GmbH

Viele Betriebe haben enormes gebundenes Kapital in ihren Hallen stehen. Das Unternehmen verkauft die Objekte und

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least sie direkt im Anschluss zurück. So werden stille Kapitalreserven des Betriebs gehoben und es erfolgt eine schnelle, flexible Zufuhr von Liquidität. Ein großer Vorteil: Die Finanzie­ rung funktioniert bonitäts- und bankenunabhängig und zielt hauptsächlich auf die Werthaltigkeit des vorhandenen Maschinenparks ab.

Sale & Lease Back kommt vor allem in produzierenden Unternehmen zum Einsatz, so zum Beispiel im Maschinenbau, in der Metallbe- und -verarbeitung, in der Kunststoff- und der Holzindustrie, in der Lebensmittel-, Textil- oder Druckindustrie. Doch auch Betriebe aus dem Hoch- und Tiefbau, aus der Land- und Forstwirtschaft oder aus dem Transportwesen nutzen Sale & Lease Back zur Liquiditätsgewinnung.

Wie ist der Ablauf bei der Finanzierungsanfrage? Unternehmen, die sich für eine Sale-&-Lease-Back-Finanzierung interessieren, schicken uns einen aktuellen und detaillierten Leasing- und Anlagenspiegel. Von renommierten Gutachtern wird dann der Wert der Assets ermittelt, aus dem sich der Ankaufswert und der mögliche Liquiditätszufluss für das Unternehmen ergeben. Innerhalb weniger Tage können wir daraufhin ein erstes Finanzierungsangebot erstellen. Wenn schlussendlich alles passt und der Mandant sein Geld erhalten hat, kann er damit uneingeschränkt wirtschaften und es beispielsweise für die Nachfolgefinanzierung einsetzen. Zudem stärkt er mit dem frischen Kapital seine Eigenkapitalquote und verbessert die Bonität, was wiederum einen zusätzlichen Hebel­ effekt bezüglich zusätzlicher Kreditanfragen bei Banken oder anderen Finanzierern bringen kann. Welche Voraussetzungen müssen bei den Unternehmen gegeben sein? Bei den infrage kommenden Anlagen darf es sich nicht um Einzelmaschinen oder Prototypen handeln. Wir gehen immer von einem mobilen, werthaltigen Maschinenpark aus. Die zu finanzierenden Güter müssen außerdem universal einsetzbar und zweitmarktfähig sein. Das Finanzierungsvolumen liegt meist zwischen 400.000 und 15 Millionen EUR, in Einzelfällen auch darüber. Dabei kommen neben Maschinen und Anlagen des produzierenden Gewerbes auch Objekte wie Baumaschinen, Spezialmaschinen aus der Land- und Forstwirtschaft oder Spezialfahrzeuge von Logistikunternehmen in Betracht In welchen Branchen bietet sich eine Finanzierung über Sale & Lease Back an?

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Sehen Sie besonderen Finanzierungsbedarf aufgrund der Coronakrise? Gerade vor dem aktuellen Hintergrund und angesichts des daraus resultierenden Konjunktureinbruchs stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, sich für die Zukunft neu aufzustellen. Auch die Anpassung an veränderte Marktbedingungen – sei es infolge von wirtschaftlichen oder geopolitischen Veränderungen – und an ein verändertes Konsumverhalten zwingen die Betriebe mitunter zu Restrukturierungsmaßnahmen. Für diese Investitionen und Prozesse hat der Mittelstand insbesondere nach der Coronakrise nicht unbedingt ausreichende finanzielle Mittel parat. Das 16. Restrukturierungsbarometer, das das Finanzmagazin FINANCE in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner veröffentlicht hat, gibt für solche Sondersituationen keine gute Prognose ab: Nicht nur, dass die befragten Experten einen rasanten Anstieg der Restrukturierungsfälle bescheinigen, sondern die Hälfte bestätigt auch eine kritischere Prüfung bei neuen Kreditengagements wegen zunehmender Krisenfälle. Dementsprechend schätzt auch die Hälfte der befragten Spezialisten die Finanzierbarkeit von Re­ strukturierungsfällen als schwierig oder sehr schwierig ein. Die Bereitschaft der Banken, Restrukturierungsfälle zu finanzieren, nimmt also deutlich ab und dürfte jetzt, da die Krise immer mehr spürbar wird, noch weiter abnehmen. Hier bietet der Verkauf von Anlagevermögen ebenfalls eine schnelle und flexible Lösung, das benötigte Kapital zu beschaffen. Der Faktor Zeit spielt in diesen Fällen oft eine wichtige Rolle. Bei uns als bankenunabhängigem Finanzierer sind die Entscheidungswege wesentlich kürzer als bei den klassischen Geldhäusern. Im

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R E C H T | R EG U LI E R U N G | A N A LYS E

Durchschnitt benötigen wir vom Erstkontakt bis zur Auszahlung sechs bis acht Wochen. Gibt es auch eine Lösung für Unternehmen ohne Produktionsanlagen, Maschinen oder Fuhrpark? Für solche Fälle bietet die Lagerfinanzierung eine Option abseits des klassischen Bankkredits. Gerade mittelständische Händler und Produzenten haben vom Einkauf über die Produktion bis zum Verkauf viel Kapital im Unternehmen gebunden. Solche Objekte können genutzt werden, um alternative Kredite für den Betrieb zu besichern. Zum beleihbaren Umlaufvermögen zählen wir wertbeständige und sekundärmarktfähige Handelsgüter sowie werthaltige Lagerbestände. Einzelprodukte, verderbliche Waren oder unfertige Produkte scheiden als Sicherheit aus. Die Tauglichkeit und den Beleihungswert der Assets ermitteln wir individuell, transparent und zeitnah. Dazu vernetzen wir uns unter anderem mit den Warenwirtschaftssystemen der Unternehmen und analysieren den Warenumschlag der vergangenen sechs bis zwölf Monate. Auch die aktuelle Bilanz und die betriebswirtschaftliche Auswertung des Unternehmens spielen eine Rolle. Die eigentlichen Kredite werden dann über eine Fronting-Bank vermittelt. Die „Lagerdarlehen“ eignen sich ebenfalls in Son-

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dersituationen oder für flexible Brückenfinanzierungen, beispielsweise zum Abfedern von Saisoneffekten oder zum Sichern lukrativer Skonti im Einkauf. Was raten Sie Mittelständlern in Sachen Unternehmensfinanzierung für die Zukunft? Mittelständler sollten sich jetzt die Zeit nehmen, ihre Finanzierungsstruktur für die Zukunft anzupassen und sich mehrere Geldgeber an Bord zu holen. Denn klassische Finanzinstitute haben aufgrund strikterer Regulierungen ihre Regeln für die Kreditvergabe verschärft, Bonität wird dabei zum zentralen Kriterium. Um die Liquidität für eine flexible Unternehmensführung dauerhaft sicherzustellen, sollten sich Mittelständler deshalb heute mit ergänzenden, bankenunabhängigen Modellen wie Factoring oder unbesicherten Fintech-Krediten beschäftigen, natürlich immer als ergänzende Instrumente zur klassischen Bankenfinanzierung. ❚ Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte MA XIMILIAN KLE YBOLDT vom Netz-­ werk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. (www.nfep.de).


FI N A N Z P L A N E R I M I N T E R VI E W

Finanzplaner im Interview Mit M A N U E L W I C K E

Wer sind Sie und wie leben Sie Finanzplanung?

gebraucht. Gerade in der Coronakrise zeigt sich deutlich: Eine ausreichende Liquidität entscheidet über das wirtschaftliche Seit gut 20 Jahren stehe ich meinen Kunden Überleben – eine gute Finanzplanung als MLP-Berater in wirtschaftlichen und wird sozusagen zur Lebensversicherung. finanziellen Fragen zur Seite. FinanzplaIm Jahr 2020 sollten Finanzplaner sicher nung heißt für mich, ihre Fragestellungen ein besonderes Augenmerk auf Liquidität ganzheitlich zu betrachten und zu lösen. legen. Gute Finanzplanung muss jedoch Dabei war mir Wirtschaftskompetenz nicht auch aufzeigen: Wer bei Liquidität an ein unbedingt in die Wiege gelegt – mit zwei prall gefülltes Tagesgeldkonto denkt, verLehrern als Eltern. Dafür habe ich viele schenkt viel Geld. Hier können wir als andere wertvolle Dinge von ihnen gelernt. CFP ® -Professionals mit Beratung und auf Nach dem Abitur und einer kaufmänniunsere Kunden sinnvoll abgestimmten schen Ausbildung im Einzelhandel habe Konzepten punkten. ich Betriebswirtschaftslehre in Ingolstadt studiert. In den ersten sechs Berufsjahren Was muss sich ändern? als Finanzberater habe ich viele Kenntnisse erworben – doch ich merkte, dass mir noch Wir sollten die Weiterbildung so flexibilisieetwas fehlte. Ich konnte das damals gar ren, dass sie zur jeweiligen Lebensplanung nicht so genau beschreiben, aber ich hatte M A N U E L WI C K E, MLP Executive Fides Finanzberaters passt. Es sollte einfadas Gefühl, ich könnte noch besser werden. nancial Consultant, Diplom-Betriebswirt, cher möglich sein, zuerst den European CFP® und EFA Financial Advisor EFA ® als etwas weniger Durch die Weiterbildung zum CERTIFIED anspruchsvollen Grad zu erlangen und dann FINA NCIAL PLA NNER ® im Jahr 2008 an der EBS Finanzakaden CFP ® zu ergänzen. Auch ist eine Einstiegsqualifikation noch demie habe ich meine Beratungskompetenzen schließlich pervor dem EFA denkbar. Diese wäre nicht einfach ein weiterer fektioniert. Außerdem konnte ich mich mit verschiedenen Titel, sondern für viele der erste Schritt in den Verband, was Fragestellungen auseinandersetzen, beispielsweise mit der diesen zusätzlich stärken würde. Betrachtung der Rendite des aktuell gebundenen Eigenkapitals im Gegensatz zur Betrachtung von Vergangenheitswerten. Dadurch Ein weiterer Aspekt: Die Weiterbildungsvorschriften im Bereich kann ich meine Kunden heute deutlich differenzierter beraten. Ethik sollten so angepasst werden, dass die Inhalte der vielen Seit 2010 bilde ich selbst CFP ® -Professionals aus – als Dozent guten Referenten auch dem Verbandsregelwerk entsprechen. an der MLP Corporate University. Mein Wissen und meine ErEine grundlegende Kenntnis des Regelwerks ist sinnvoll, doch fahrung an Kollegen weiterzugeben, bereitet mir große Freude. die ethische Weiterbildung sollte nicht auf ein Fragentool be grenzt werden. Warum kandidieren Sie erneut für einen Vorstandsposten beim FPSB Deutschland? Außerdem finde ich wichtig, dass die Pflichtaufgaben, Kosten und Vermögensverhältnisse des Verbands für alle Mitglieder Ich halte es für wichtig, bei Verbandsfragen sowohl die Finanztransparent und nachvollziehbar sind. Mit dem Umzug der planungspraxis als auch die Weiterbildung im Blick zu behalten. Geschäftsstelle ist ja nun auch ein wichtiger Wagnisposten Als jemand, der Finanzplanung mit Kunden erarbeitet und als konkret planbar. Dozent neue CFP ® -Professionals begleitet, möchte ich das Bindeglied zwischen Praxis und Weiterbildung im Vorstand des Was wollen Sie im Rahmen einer Vorstandstätigkeit beim FPSB FPSB Deutschland (kurz: FPSB) sein. erreichen beziehungsweise umsetzen? Die Nachwuchsfrage hat aus meiner Sicht für unseren Verband Mir ist wichtig, die Weiterbildung insbesondere hinsichtlich der besondere Bedeutung. Damit wir unseren Einfluss bei politischen Zeiten und „Zwischenabschlüsse“ flexibler zu gestalten und das und regulatorischen Entscheidungen als FPSB noch stärker Mitgliederwachstum zu fördern. Gemeinsam mit den Vorstandsgeltend machen können, ist wichtig, dass wir mehr werden – kollegen möchte ich den Verband noch gezielter als relevanten ganz zu schweigen von der medialen Aufmerksamkeit, die das Ansprechpartner für Qualität in der Finanzberatung bei Politik, mit sich bringt. Behörden und Medien etablieren. Dazu zählt für mich auch, dass wir mehr Unternehmen dazu bringen müssen, die EFA- und Wie schätzen Sie die Situation der Finanzplanung in Deutschland CFP ® -Zertifizierung ihrer Berater stärker hervorzuheben. Über im Jahr 2020 ein? die finanzielle Situation des Vereins – dies als abschließender Punkt – möchte ich verbandsöffentlich Klarheit herstellen. Wir leben in bewegten, aber auch interessanten Zeiten. Finanzplanung und Finanzwissen werden daher mehr denn je Vielen Dank für das Gespräch. ❚

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Ein Überblick über die jüngsten Marktentwicklungen und Turbulenzen an den Kreditmärkten Von A R I E L B E Z A L E L

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ie Angst vor einer Wirtschaftskrise durch das Coronavirus hat zu einem Rückgang der Staatsanleihenrenditen und einer Ausweitung der Kreditspreads geführt. Die fiskalpolitische Reaktion auf diese Krise ist positiv für die Kreditmärkte, vor allem in den USA, wo die Regierung ein 2 Billionen USD schweres Hilfspaket angekündigt hat.

Eindämmung des Coronavirus noch nicht komplett verarbeitet. In den vergangenen Wochen kam es zu einem undifferenzierten Ausverkauf, der vermeintlich sichere Staatsanleihen genauso in Mitleidenschaft gezogen hat wie Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen. Einen bedeutenden Anteil an diesem Ausverkauf hatten Zwangsverkäufe von Investoren, die ihre liquidesten Vermögenswerte verkaufen mussten, um Wir stehen am Beginn einer neuen Ära, in sich die notwendige Liquidität zu sichern. der der US-Dollar die gefragteste globale Dadurch standen US-Staatsanleihen (TreaWährung sein wird. Wenn die Erholung suries) in der vergangenen Woche massiv einsetzt, wird sie unserer Ansicht nach eher unter Druck. Eine komplett unerwartete Entschleppend verlaufen. Einen V-förmigen wicklung war dies allerdings nicht – ähnliche Aufschwung halten wir für unwahrscheinKursbewegungen gab es auch schon während lich. „Sichere Hafen“-Anlagen stabilisieder globalen Finanzkrise. Damals erwiesen ren sich, aber anhaltende Volatilität ist sich die Kursverluste von Staatsanleihen wahrscheinlich. Die Kursausschläge an den nachträglich als lediglich vorübergehenAnleihenmärkten sind unverändert hoch. des Phänomen. Als das Chaos im Handel Die Investoren haben die zu erwartenden A RIEL B E Z A L EL, Head of Strategy ­(Fixed nachließ, besannen sich die Investoren auch wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Income), Fondsmanager, Jupiter Asset wieder auf die Fundamentaldaten und die notwendigen staatlichen Maßnahmen zur ­Management Treasury-Renditen gingen wieder zurück.

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I N V ES T M E N T LÖ S U N G E N

Diese Dynamik ist auch jetzt wieder zu beobachten: Nach der „Liquidierungsphase“ gibt es am US-Staatsanleihenmarkt aktuell bereits wieder Hinweise auf eine Stabilisierung. Wir erwarten, dass es bei „Sichere Hafen“-Anlagen wie Staatsanleihen schon bald wieder zu einer Stabilisierung kommen wird und diese sich im Trend wieder überdurchschnittlich entwickeln werden. Investoren sollten sich aber auch auf eine anhaltende Volatilität einstellen. Was die Unternehmensanleihenmärkte angeht, werden viele Unternehmen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus sehr negativ zu spüren bekommen, und das Risiko von Herabstufungen wird zunehmen, wenn mehr Unternehmen von der sich ausweitenden Konjunkturabschwächung betroffen sind. Deshalb sind Unternehmensanleihen zuletzt genauso stark abverkauft worden wie Aktien. Gigantische geld- und fiskalpolitische Hilfsprogramme machen Mut. In den letzten sieben Tagen haben Regierungen und Notenbanken in aller Welt umfangreiche Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft und Märkte angekündigt. Die Bank of England hat die Leitzinsen von 0,25 auf 0,1 Prozent gesenkt. Die Reserve Bank of Australia hat die Zinsen von 0,5 auf 0,25 Prozent herabgesetzt und sowohl quantitative Lockerungsmaßnahmen als auch eine aktive Steuerung der Zinsstrukturkurve angekündigt. Die Europäische Zentralbank wiederum hat neue Anleihenkäufe im Gesamtvolumen von 750 Milliarden EUR in Aussicht gestellt. Die größte Nachricht war aber das Konjunkturpaket der US-Regierung mit einem Volumen von 2 Billionen USD. Parallel dazu hat die Fed angekündigt, unbegrenzt US-Staatsanleihen anzukaufen, und einen finanziellen Rahmen von 300 Milliarden USD für den Ankauf von Investment-Grade-Unternehmensanleihen und forderungsbesicherten Wertpapieren bereitgestellt. Damit wird die Fed erstmals überhaupt Unternehmensanleihen ankaufen, um den Kreditmarkt zu stützen. Dieser Schritt war unerwartet und wurde an den Märkten sehr positiv aufgenommen. Im Vergleich zur globalen Finanzkrise unterscheidet sich die Antwort der Politik auf diese Krise vor allem dadurch, dass neben Liquiditätsinjektionen der Notenbanken weltweit auch zunehmend groß angelegte fiskalpolitische Maßnahmen bekanntgegeben werden. Insgesamt werden enorme Mengen an Liquidität in die Weltwirtschaft gepumpt. Die Notenbanken signalisieren, dass sie sich um einen möglichen Anstieg der Staatsanleihenrenditen sorgen. Auch ist es ermutigend zu sehen, dass die Regierungen und Zentralbanken die Lehren aus dem Jahr 2008 gezogen haben und tun, was auch immer nötig ist, um die Funktionsfähigkeit des Bankensystems sicherzustellen. Das alles ist letztlich gut für Staats- und Unternehmensanleihen, obwohl nochmals darauf hingewiesen werden sollte, dass an diesen Märkten weiter mit einer hohen Volatilität gerechnet werden muss. Daher ist auch durchaus möglich, dass die Fed auch Aktien ankaufen wird – ­etwas, was die Bank of Japan schon länger macht. Wir vertreten seit langem die Ansicht, dass die entwickelten Märkte letztlich die gleiche Entwicklung nehmen werden wie Japan. Gefragter denn je ist jetzt der US-Dollar. An den Devisenmärkten hat es dramatische Bewegungen gegeben, wobei vor allem der Dollar stark aufgewertet und alle anderen bedeutenden Währungen überflügelt hat. Wir sehen die Welt am Beginn einer Phase einer hohen USD-Nachfrage, was auch an der Dollar-Knappheit in Offshore-Märkten liegt. Das dürfte eine erhebliche Belastung für die Weltwirtschaft darstellen und vor allem die Emerging Markets treffen, deren auf US-Dollar lautende Schulden auf insgesamt rund 12 Billionen USD geschätzt werden – aber auch

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den Mittleren Osten, wo die Auswirkungen des Ölpreisverfalls durch die Dollar-Stärke noch verschärft werden. An diesem kritischen Punkt für die Weltwirtschaft fließen einfach nicht genug US-Dollar in andere Märkte. Wie ist unsere flexible Anleihenstrategie positioniert? Die Strategie ist mit einer sehr defensiven Ausrichtung ins Jahr 2020 gestartet, da wir uns bereits zum Jahreswechsel Sorgen über die fragile Verfassung der Weltwirtschaft machten. Dadurch haben wir die jüngste, sehr volatile Phase relativ gut überstanden. Unsere Strategie liegt zwar in der Betrachtung seit Jahresanfang ebenfalls im Minus, hat sich aber besser geschlagen als der Durchschnitt ihrer Peergroup. Belastet wurde die Fondsperformance insbesondere durch das Engagement in Hochzinsanleihen (vor allem aus dem Energiesektor), wobei unsere Absicherungen über Credit Default Swaps (CDS) und eine Short-Position im omanischen Rial die Verluste etwas abfedern konnten. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen noch sehr viel länger auf ihrem niedrigen Niveau verharren werden – in den USA also noch länger bei null liegen werden. Allerdings haben wir auch das Risiko eines mittelfristigen „Bear Steepening“ im Blick – das Risiko, dass die langfristigen Zinsen schneller steigen als die kurzfristigen Zinsen und die Zinsstrukturkurve dadurch steiler wird. An den Kreditmärkten ist eine vorsichtige Haltung sicher von Vorteil. Trotz der geld- und fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen hat das Ausfallrisiko vieler Unternehmen deutlich zugenommen, da viele das Warten auf staatliche Nothilfe nicht überleben könnten. Viele stark verschuldete Unternehmen haben es jetzt ganz einfach mit einem erheblich wachstumsschwächeren Umfeld zu tun. Daher meiden wir sehr konjunkturabhängige Sektoren wie Fluggesellschaften, Automobilhersteller und die Freizeitbranche, bei denen das Risiko aktuell stark erhöht ist und die Perspektiven sehr unklar sind. Wir erwarten, dass der US-Dollar weiter aufwerten wird, und haben diese Einschätzung in unserem Portfolio auf unterschiedliche Weise abgebildet. Wir achten sehr genau auf Hinweise darauf, dass der Markt die negativen Folgen des Coronavirus maximal eingepreist hat. Dazu werden die Infektionsraten in Europa und den USA vermutlich erst ihren Höhepunkt erreichen müssen. Und davon scheinen wir aktuell noch relativ weit entfernt zu sein. In China zum Beispiel wurde der Höhepunkt der Infektionen erst nach ungefähr einem Monat erreicht – und das bei deutlich strengeren Lockdown-Maßnahmen, als sie in den westlichen Staaten zu erwarten sind. Positiv zu vermerken ist, dass die chinesische Wirtschaft als wichtigster globaler Wachstumsmotor gerade wieder anläuft. Allerdings rechnen wir mit einer lediglich schleppenden Erholung und nicht mit einem V-förmigen Aufschwung. Vor diesem Hintergrund behalten wir die Entwicklungen in diesen turbulenten Märkten weiter genau im Blick. Trotz unserer vorsichtigen Haltung betrachten wir diese Krise aber letztlich auch als Chance, künftig gute Anlageergebnisse für unsere Kunden zu erzielen, indem wir jetzt in Titel finanziell gut aufgestellter Emittenten investieren, die aktuell fehlbepreist sind. Bislang haben wir unsere Zukäufe auf Senior Secured Notes und Titel mit sehr kurzen Laufzeiten, aber attraktiven Renditen, von Unternehmen mit einem unserer Ansicht nach vertretbaren Schuldenprofil beschränkt. ❚

(Stand: Anfang Mai 2020)

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Digitale Stützen in der Krise Der Technologiesektor ist eines der wichtigsten Zugpferde der Weltwirtschaft. Das ändert auch die Coronapandemie nicht – im Gegenteil: In und nach der Krise werden neue digitale Lösungen verstärkt nachgefragt. Von R E N É K E R K H O F F

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er IT-Sektor von heute ist – anders als derjenige früherer Zeiten – geprägt von soliden Bilanzen und starken Cashflows. IT umfasst dabei sämtliche Sektoren der Informations-, Kommunikations- und Datenverarbeitung. Global betrachtet profitieren die IT-Unternehmen von starken Gewinnwachstumsraten. Diese sind größtenteils der voranschreitenden Digitalisierung zu verdanken: Technologie ist heute in allen Branchen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden. Wer nicht mitzieht, bleibt im Wettbewerb schnell auf der Strecke. Unternehmen weltweit haben erkannt, wie wertvoll ihre Daten sind. Folglich erhöhen sich global die Investitionen in Softwarelösungen, Big Data, künstliche Intelligenz (KI) und Cloud-Computing.

in Digitalisierungsmaßnahmen. Die Höhe der Investitionen schwankt allerdings je nach Branche stark. Die größte Bedeutung wird momentan den Investitionen in Cloud-Kapazitäten beigemessen. Bereits in den vergangenen Jahren ist die Nutzung von Cloud-Diensten stark gestiegen, mehr als 70 Prozent aller IT-Services werden inzwischen über eine Cloud bereitgestellt. In Zeiten von Homeoffice, Homeschooling & Co. dürfte sich der Trend in den vergangenen Wochen nochmals verstärkt haben, denn Cloud-Lösungen bieten den Vorteil, dass Kapazitäten nicht lokal bereitgestellt werden müssen und je nach Bedarf einfach angepasst werden können. Während die Unternehmen die Clouds größtenteils selbst betreiben, greifen sie für die den Clouds zugrunde liegenden Datenplattformen fast R E N É K E R K H O FF, Analyst für die Sekausschließlich auf externe Anbieter zurück. Die Krise als Beschleuniger für Cloud-­ toren Technologie, Automotive und Retail, Zu den aktuellen Größen in diesem BeLösungen Fondsmanager des DJE – Mittelstand & reich zählen Amazon, Microsoft, Alphabet Innovation, DJE Kapital AG und Alibaba. Die geschätzte weltweite Die aktuelle Krise sorgt hier für Tempo: Cloud-Durchdringung liegt derzeit erst Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen gewinnen immer zwischen 10 und 20 Prozent. Daran erkennt man das Wachsmehr an Bedeutung, und Unternehmen investieren zunehmend tumspotenzial des Marktes.

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I N V ES T M E N T LÖ S U N G E N

Softwareunternehmen mit Subskriptionsmodellen gut aufgestellt Eine der großen Veränderungen der letzten Jahre war die Umstellung auf das Subskriptionsmodell. Hierbei handelt es sich um ein (digitales) Geschäftsmodell, bei dessen Basisform der Anbieter eine definierte Leistung verkauft und der Kunde für deren Nutzung regelmäßig zahlt. Diese Vorgehensweise ist seit Langem verbreitet: Zeitungsabonnements und Vereinsmitgliedschaften sind typische Formen von Subskriptionsmodellen. In der Digitalwirtschaft ist das Modell dagegen relativ neu. In großem Stil kam es bei „Software as a Service“ (SaaS) auf. Anders als im traditionellen Softwarevertrieb, bei dem eine Lizenz individuell gekauft und lokal installiert wird, nutzen Unternehmen oder Privatpersonen beim Subskriptionsmodell eine Anwendung unter anderem mit einem Browser über das Internet und zahlen für die Nutzung, nicht für das Programm selbst. Updates und Wartung der Software entfallen. Gezahlt wird üblicherweise eine monatliche Gebühr pro Anwender, oft ergänzt um eine Zusatzgebühr oberhalb eines genutzten Datenvolumens. Die Vorzüge dieses Geschäftsmodells sind wiederkehrende Einnahmen, ein stabiler Cashflow und dauerhafte Kundenbindung – man könnte auch von einer gewissen Abhängigkeit sprechen. Einige Softwareunternehmen können über 90 Prozent ihrer Umsätze als wiederkehrend verbuchen. Das ist für Investoren gerade in Zeiten interessant, in denen die konjunkturelle Lage ungewiss ist. Künstliche Intelligenz: Grundstein für Technikstandards von morgen Der Begriff KI bezeichnet Technologien, die in der Lage sind, selbstständig zu lernen sowie Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Damit ist KI zukunftsweisend für viele Sektoren, unter anderem in den Bereichen kognitive Assistenten, Robotik, smarte Geräte, automatisierte Analysen, Bildverarbeitung und medizinische Diagnose. Aktuell ist KI allerdings noch ein „Nischenthema“, auf das sich nur wenige Unternehmen konzentrieren. Die meisten Menschen verbinden KI hauptsächlich mit autonomem Fahren oder Spracherkennungssystemen. Doch KI ist weit mehr: Sie legt den Grundstein für die Standards der Technik von morgen. Vor allem in den USA und China wurde auf diesem Gebiet in den letzten Jahren stark investiert: Die Ausgaben für intelligente Technologien sind von 10 auf 14 Prozent des gesamten IT-Budgets gestiegen. Diese Investitionen haben auch zu zahlreichen Patentanmeldungen geführt. IBM ist hier Spitzenreiter mit 8.920 Patenten, gefolgt von Microsoft mit 5.930 und verschiedenen asiatischen Technologieunternehmen, darunter Alibaba und Baidu. Die USA und China haben einen Wettbewerbsvorteil durch relativ lockere Datenschutzbestimmungen, sodass Unternehmen dort auf große Datensätze zugreifen können, ohne die Forschung und Entwicklung im Bereich KI nicht möglich wären. Branchenübergreifend: steigende Investitionen in Digitalisierung Die weltweiten Ausgaben für IT werden in diesem Jahr dem Forschungsinstitut Gartner zufolge voraussichtlich 3,9 Billionen USD betragen. Dies entspricht einer Steigerung von 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2021 werden die weltweiten IT-Ausgaben auf über 4 Billionen USD geschätzt. Zwar zeigen sich von Branche zu Branche deutliche Unterschiede hinsichtlich der Beträge, die investiert werden, doch ist allgemein zu erkennen, dass Effizienzsteigerungen wie auch Kostensenkungen

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als Triebfeder hinter den Digitalisierungsmaßnahmen stehen. Die Einstellung entsprechend qualifizierter Mitarbeiter, der Ausbau von Cloud-Kapazitäten, die Verbesserung softwaregesteuerter Datenanalysen und der Einsatz intelligenter Technologien gehören zu den wichtigsten Maßnahmen, da es gilt, die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Dabei genießen die Cloud-Kapazitäten – wie bereits erwähnt – die oberste Priorität. Der europäische Markt wächst im Bereich der Digitalisierung seit Jahren konstant. Im weltweiten Vergleich sind die USA und auch China mit deutlich höheren Wachstumsraten und einer höheren Basis allerdings weit voraus. Ob die europäische Wirtschaft in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben kann, hängt maßgeblich von der Digitalisierung ab. Nach Angaben von Gartner wird der weltweite Markt für Public-Cloud-Services von 214,3 Milliarden USD im Jahr 2019 auf 249,8 Milliarden USD im Jahr 2020 ansteigen. Darin ist SaaS weiterhin das größte Marktsegment – mit einer voraussichtlichen Größe von 110,5 Milliarden USD. Gute Investitionsmöglichkeiten für Anleger Generell gilt: Technologieunternehmen bieten Anlegern gute Investitionschancen. Die Branche vereint als eine von wenigen größtenteils solide Bilanzen mit hohen Wachstumsraten, was die erhöhten Bewertungen rechtfertigt. Vor allem der Bereich Software ist spannend. Hier konzentriert sich ein hohes, skalierbares Wachstum, das sich aus tendenziell zunehmenden Digitalisierungsinvestitionen ergibt. Ihren Anlegern bieten Softwareunternehmen auch in unsicheren Zeiten stetige Cashflows, getrieben durch Subskriptionsmodelle und somit wiederkehrende Umsätze. Aufgrund ihrer geringeren Verschuldung und der meist stetigen Umsätze haben Softwareunternehmen einen defensiveren Charakter und sind gerade in Krisenzeiten im Vergleich zu zyklischen Branchen weniger anfällig. Der strukturelle Trend der Digitalisierung wird sich durch die Krise noch weiter beschleunigen, und dadurch werden Softwareunternehmen auch langfristig höhere Wachstumsraten vorweisen können. DJE – Mittelstand & Innovation Der Mittelstand erfindet sich ständig neu und ist der Innovations-, Technologie- und Wirtschaftsmotor, vor allem in Deutschland, aber auch in der Schweiz und in Österreich (DACH). Im Rahmen unseres Fondskonzepts DJE – Mittelstand & Innovation (ISIN: LU1227570055) müssen die Firmen verschiedene Kriterien erfüllen: Gemessen an ihrem Marktanteil zählen sie zu den Top drei auf dem Weltmarkt oder sind die Nummer eins im Heimatmarkt, und sie sind kaum bekannt. Sie überzeugen seit Jahren zudem mit großer Innovationskraft, starken Wachstumsraten und hohen Marktanteilen in strukturell wachsenden (Nischen-) Märkten. Die Innovationskraft bemisst sich unter anderem am Marktanteil innerhalb des Sektors, an Patentrechten und an Investitionen in Forschung und Entwicklung. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen aus der Region DACH, die langfristig strukturell wachstumsstark sind, den Gesamtmarkt schlagen können. Wir wählen rund 90 Werte für das Fondsportfolio aus und achten unter anderem auf ein hohes Wachstum, den freien Cashflow, die Managementqualität, die Preissetzungsmacht, Markteintrittsbarrieren und die Liquidität. Unternehmensbesuche spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, da für kleinere Firmen oft weniger Researchmaterial zur Verfügung steht. Die Besuche dienen dazu, die Chancen und Risiken detailliert mit der Unternehmensführung zu analysieren und einen tiefen Einblick in das Geschäftsmodell zu erlangen. ❚

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„Wir investieren in das Geschäft, nicht in die Wissenschaft“ V I N AY T H A PA R , Manager des AB International Health Care Portfolio, stellt sich den Fragen von G U N N A R K N I E R I M , Director Financial Institutions bei AB Europe.

Wie wählen Sie Aktien aus und wie konstruieren Sie daraus ein Portfolio?

ausgedrückt: Wir wollen, dass Unternehmen Erträge erzielen, die über ihren Kapitalkosten liegen, und dass sie dann die Die traditionelle Art und Weise, wie Anleerwirtschafteten Gewinne in das Unterger in den Gesundheitssektor investieren, nehmen reinvestieren. Sie werden festbesteht darin, zu versuchen, klinische Erstellen, dass wir uns nicht mit dem Gefolge vorherzusagen. Wir sind mit diesem winnwachstum pro Aktie beschäftigen, Ansatz grundsätzlich nicht einverstanden. denn wir glauben, dass dies eine leicht Wenn man sich die akademische Literatur manipulierbare Kennzahl ist, insbesonansieht, erfährt man, dass über 90 Prodere im aktuellen Marktumfeld. Es ist zent der Arzneimittelstudien scheitern, ähnlich schwer zu glauben, dass jemand sobald sie in die Phase der klinischen wirklich vorhersagen kann, was ein UnErprobung am Menschen eintreten. Spe­ ternehmen wie Pfizer auf Quartalsbasis ziell im Biotechnologiesektor zum Beispiel über mehrere Jahre hinweg berichten zeigt sich, dass von etwa 800 börsennowird. Das ergibt für uns weder viel Sinn tierten Biotech­unternehmen nur fünf insnoch ist es aufschlussreich im Hinblick gesamt mehr als vier Medikamente intern auf den eigentlichen Wert eines Unterentdecken und entwickeln können. Unsenehmens. rer Meinung nach ist es höchst unwahrDas Portfolio ist nach dem Bottom­ -upscheinlich, dass Anlagespezialisten, die VIN AY T H A PA R, Portfoliomanager und Prinzip aufgebaut. Wir erstellen keine die meiste Zeit damit verbringen, Charts Senior Research Analyst für US Growth Prognosen zu den Konjunktur- oder sowie Finanznachrichten und -ergebnisEquities und AB International Health Care Marktaussichten, und wir versuchen auch se zu analysieren, besser in der Lage sein Portfolio nicht, Zinsen, Regulierungen oder politiwerden, den zukünftigen Erfolg von Mesche Ergebnisse vorherzusagen. Stattdesdikamenten vorherzusagen, als die Wissenschaftler und Untersen konzentrieren wir uns einzig und allein darauf, die besten nehmen, die ihre gesamte Zeit der Entdeckung und Entwickverfügbaren Unternehmen zu identifizieren, in die wir im Gelung neuer Therapien widmen. sundheitssektor investieren können. Sobald wir ein UnternehDeshalb konzentrieren wir uns als Investoren vollständig auf men gründlich analysiert haben und mit dem Geschäftsmodell die Identifizierung und Analyse der unserer Meinung nach besvertraut sind, hängt die Höhe der endgültigen Position innerten Unternehmen in diesem Sektor. Wir definieren ein gutes halb des Portfolios vom Aufwärtspotenzial ab, das unsere AnaUnternehmen und Geschäftsmodell auf zwei sehr spezifische lyse für die Aktie prognostiziert, sowie von ihrem Risikoprofil. Arten: Die eine ist eine hohe oder sich verbessernde KapitalEin Element unseres Anlageprozesses, von dem wir glauben, rendite und die andere eine hohe Reinvestitionsquote. Einfach dass es uns wirklich von unseren Konkurrenten unterscheidet,

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besteht darin, dass wir jede Aktie in Form eines Prozent­satzes ihres Beitrags zum Tracking Error im Portfolio einstufen. Jedes Mal, wenn ein Name 10 Prozent vom Tracking Error überschreitet, wird er reduziert, denn im Rahmen unseres disziplinierten Ansatzes bei der Aktienauswahl wollen wir nicht, dass die Performance des Portfolios von einer Handvoll starker Aktien abhängig ist. Wie hat sich die jüngste extreme Volatilität auf das Portfolio ausgewirkt? Trotz der extremen Volatilität nach dem Ausbruch des Virus SARS-CoV-2 bleiben wir unserem stringenten, fundamental gesteuerten Aktienauswahlprozess treu. Das Portfolio hat sich in dem derzeit sehr volatilen Marktumfeld gut behauptet. Vom Jahresbeginn bis zum 1. April 2020 hatten wir unsere Benchmark um rund 160 Basispunkte vor Gebührenabzug übertroffen, wobei das Aufwärts-Abwärts-Partizipationsverhältnis positiv war. Dieses Ergebnis lässt sich direkt auf die Stärke der Geschäftsmodelle zurückführen, die wir für das Portfolio zu identifizieren versuchen, und wir wollen aktiv vermeiden, dass wir durch Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil, die in diesem Umfeld eine größere Volatilität erfahren, stärker belastet werden. Wir meiden auch, was wir als unprofitable Biotechunternehmen mit binären Aussichten betrachten, die wahrscheinlich darunter leiden werden, wenn die Aktienrisikoprämien steigen, wie sie es in letzter Zeit getan haben. Während der scharfen Marktkorrektur, die durch die anhaltende Ausbreitung des Coronavirus ausgelöst wurde, wurde unser Anlageprozess diszipliniert umgesetzt, ohne dass kurzfristige Änderungen an unserer Anlagepolitik vorgenommen wurden. Als langfristige Investoren sind wir weniger daran interessiert, Modelle zu erstellen, um abzuschätzen, wann das Coronavirus schließlich seinen Höhepunkt erreichen könnte, oder uns auf Unternehmen zu konzentrieren, deren Gewinne kurzfristig sinken. Wir investieren vielmehr einen großen Teil unserer Zeit in das Nachdenken über die Zukunft, sodass wir drei bis fünf Jahre im Voraus Ausschau halten und uns nach Unternehmen umsehen, bei denen wir langfristig von den Grundlagen und Aussichten des Unternehmens überzeugt sind, und dann diese Positionen innerhalb des Portfolios methodisch ergänzen.

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Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Sektors und des Portfolios in diesem sehr unsicheren Umfeld? Wir bleiben unserem disziplinierten, langfristigen Ansatz bei Aktienauswahl und Portfoliokonstruktion treu und sind weiterhin zuversichtlich, dass unsere wichtigsten Aktienselektionen ein hohes Potenzial haben, langfristig überdurchschnittliche Erträge zu erzielen. Im Rahmen der aktuellen coronavirusinduzierten Marktkrise gab und gibt es klare Kaufgelegenheiten, auch im Gesundheitssektor. Wenn wir ein Unternehmen finden, das wir gern im Portfolio hätten, aber der Ansicht sind, dass der Preis nicht attraktiv ist, nehmen wir die Aktien in einen „Bull Pen“ auf. Wenn der Kurs neu bewertet oder korrigiert wird, führen wir eine weitere Überprüfung der Aktie durch, bevor wir in das Unternehmen investieren. In den letzten Wochen gab es Fälle, in denen wir entweder bestehende Aktienpositionen unter Ausnutzung des attraktiven Kursniveaus ausbauen oder aber aufgrund der Kurs­korrektur und unserer positiven Einschätzung der langfristigen Fundamentaldaten einige neue Positionen einleiten konnten. Das Ungewöhnliche an dieser Pandemie sind eigentlich die komplexeren Zweit- oder Dritteffekte, die damit verbunden sind. Jeder hat die Auswirkungen erster Ordnung auf bestimmte Branchen wie Kreuzfahrtgesellschaften, Fluggesellschaften, das Hotelgewerbe und die Reisebranche als Ganzes klar verstanden. Der Effekt zweiter Ordnung, medizinische Verfahren in den Krankenhäusern zu verzögern oder zu verschieben, war etwas, das in dieser Situation einzigartig war, ganz im Gegensatz zur globalen Finanzkrise. Die Folgewirkungen schlugen dann in eine weitere Welle ein, die Tierärzte und Zahnärzte betraf, indem sie Verfahren verzögerten, damit Schutzausrüstungen bevorzugt denjenigen, die sie am dringendsten benötigten, zugeteilt werden konnten – auch das war ein höchst ungewöhnliches Ereignis. Die Auswirkungen betreffen dann wiederum Patienten, die nicht an klinischen Studien teilnehmen oder sich nicht in Krankenhäuser begeben, um deren Kapazitäten zu entlasten. Die Pandemie hat also eine viel breitere Auswirkung auf den gesamten Gesundheitssektor als bisherige globale Krisen, aber der Unterschied ist, dass wir der Meinung sind, dass es sich dabei um Verschiebungen und nicht um völlige Annullierungen von Ausgaben handelt. ❚

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Die Coronapandemie und die Immobilienfonds LEADING CITIES INVEST mit unterdurchschnittlichem Risikoprofil in der globalen Krise Von H E I K O H A R T W I G

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ie Coronakrise umfasst seit Anfang März nicht nur in Deutschland alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche – sie hat die ganze Welt verändert. Längst hat die globale Pandemie die nationalen und globalen Finanzmärkte fest im Griff. Doch welche Auswirkungen sind am Immobilienmarkt und speziell bei den offenen Immobilienfonds (OIFs) zu erwarten?

unterdurchschnittliches Risikoprofil. Zudem sind die Anleger dieses Fonds gegen Verwerfungen der Art geschützt, wie sie infolge der Lehman-Pleite auftraten, da der LEADING CITIES INVEST ein Immobilienfonds der „neuen Generation“ ist, bei dem ohne Unterschied für alle Anleger die schockresistenten Mechanismen der neuen Anlegerschutzgesetzgebung gelten (zwölfmonatige Kündigungsfrist und vierundzwanzigmonatige Mindesthaltedauer).

Bei allen Immobilienfonds führte die Coronakrise inzwischen zu massiven Veränderungen – und dies vor allem auf der Die Coronapandemie und die Immobilien Managementseite. Um den Geschäftsbetrieb unter den aktuellen Umständen aufDie Pandemie hält die ganze Welt in rechtzuerhalten, hat beispielsweise die Atem. Die Bemühungen, ihre AusbreiKanAm Grund Group bereits Mitte März tung zu verlangsamen und das Virus alle Voraussetzungen geschaffen, die es einzudämmen, führen dazu, dass das gebrauchte, um bis auf ein Kernteam alle H EIKO H A R T WIG, Managing Director, sellschaftliche und wirtschaftliche Leben Mitarbeiter dezentral in den Homeoffices KanAm Grund Kapitalverwaltungsgesellin weiten Teilen Deutschlands und der zu vernetzen. So werden alle Kernprozesschaft mbH meisten anderen Länder zum Erliegen se wie Anteilwertermittlung, Reporting kommt. Besonders betroffen sind hieroder laufendes Risikocontrolling sichergestellt. Das läuft bisvon die Bereiche Hotel und Einzelhandel und zu einem gewisher völlig reibungslos. Geschäftsreisen sind auf das Nötigste sen Grad auch Wohnen. In diesen Branchen ist der LEADING beschränkt. ­C ITIES INVEST im Vergleich zur Gesamtbranche weitaus weniger investiert. Während sich beispielsweise der Anteil von Und wie geht es den Immobilienfonds selbst? An einem konkreHotelimmobilien bei offenen Immobilienpublikumsfonds in den ten Beispiel lässt sich das am besten veranschaulichen, wobei vergangenen drei Jahren um 4 Prozentpunkte auf 9 Prozent auch die konkreten Risiken Teil des Bilds sind. Der LEADING erhöhte, verkaufte der LEADING CITIES INVEST in Brüssel CITIES INVEST , der offene Immobilienfonds der KanAm sein einziges Hotel sowie die Deutschlandzentrale eines HoteGrund Group, verfügt in der jetzigen Krise vor allem durch seilanbieters in München und ist inzwischen schwerpunktmäßig nen Mietermix und sein gut diversifiziertes Portfolio über ein in Büroimmobilien investiert.

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Aktueller Stresstest Bei aktuellen Stresstests und RisikobewerBranchenverteilung des LEADING CITIES INVEST / auf Basis der Jahresnettosollmiete tungen geht die KanAm Grund Group derzeit (gemäß BVI-Definition) Stichtag: 31. März 2020 davon aus, dass es durch die Coronapande0,4 % 22,9 % mie zu einer signifikanten Beeinträchtigung Chemieindustrie und Banken und Finanzdienstdes Wirtschaftskreislaufs kommt. In der Folpharmazeutische Industrie leistungsunternehmen ge wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu 15,8 % 0,7 % Technologie- und Hotel-/ einem Negativwachstum und in besonders Softwareunternehmen Gastronomiebranche betroffenen Branchen zu Liquiditätsengpäs15,3 % 2,0 % sen und teils auch zu Zahlungsunfähigkeit Behörden/Verbände/ Versicherungen Bildungseinrichtungen 2020 kommen. 3,6 % 12,5 % Beim Portfolio des LEADING CITIES INUnternehmens-, RechtsSonstige Branchen und Steuerberatung VEST mit aktuell rund 90 Mietern handelt es 11,1 % sich um ein diversifiziertes Mieterportfolio, 4,1 % Konsumgüterindustrie Versorger und Teleund Einzelhandel das zudem durch eine Multi-Tenant-Strukkommunikationsunternehmen 7,1 % tur gekennzeichnet ist. Die gute Bonität 4,5 % Automobilbranche und der Hauptmieter trägt zur weiteren RisikoMedien/Unterhaltung Transportunternehmen reduktion bei. Während im Branchenvergleich sämtliche OIFs zu 34 Prozent in die Risikobranchen Handel (26 Prozent) und Hotel (8 Prozent) investiert waren (Stichtag: 03_Immobestand-Ausblick_Imageteil.indd 66 14.05.20 31.12.2019), sehen aktuelle Risikoanalysen für den LEADING tion zum Stichtag 31. Dezember 2019 eine Performance von CITIES INVEST mit seinem diversifizierten Mieterportfolio 17 Prozent und zählt damit zur Spitzengruppe vergleichbamit guter Bonität nach dem Erwerb der Immobilie PIXEL nur rer Fonds. Mit inzwischen 31 Immobilien im Bestand ist der 10,6 Prozent des Mieterportfolios mit einem erhöhten Risiko, LEADING CITIES INVEST heute (Ende März 2020) bereits an und das heißt nicht, dass dieser kleine Anteil an Mietern auch 23 Standorten in neun Ländern investiert. Was die regionale ausfallen wird. Verortung betrifft, ist dieser Fonds inzwischen in ganz Europa Wenngleich sich das Risiko von Mietausfällen beziehungsweise in ausgewählten zukunftsträchtigen Städten präsent – von HelMieterinsolvenzen auf Basis der Risikoanalyse nicht ausschliesinki in Finnland bis Barcelona in Spanien, von Dublin in Irland ßen lässt, ist die Bonität der Hauptmieter und des größeren bis Warschau in Polen. Teils der Mieter, die unmittelbar von der Die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Pandemie betroffen sind, dennoch weiterhin kulturellen Möglichkeiten der wichtigen als gut zu bewerten. Weltmetropolen werden für Menschen und Unternehmen in Zukunft weiter an BedeuLEADING CITIES INVEST : Verlässlichkeit tung gewinnen. Genau diese Anziehungsseit über sechs Jahren kraft macht sich der offene Immobilienfonds LEADING CITIES INVEST für seine AnleDie vom Management angestrebte wettbeger zunutze. Und anziehend wirkt er auch werbsfähige Rendite wurde über alle Bein anderer Hinsicht: Nach Umstellung der richtszeiträume hinweg erreicht oder überEnergieversorgung unter Nachhaltigkeitsgetroffen – mittlerweile sechs Jahre in Folge. sichtspunkten konnte der LEADING CITIES Im fünfjährigen Vergleich erzielte der erste INVEST im Jahr 2019 bereits 1.821 Tonnen offene Immobilienfonds der neuen GeneraCO 2 einsparen. ❚

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11:48


I N V ES T M E N T LÖ S U N G E N

China als Krisengewinner:

Der Aktienfonds awesome Future Tech Opportunities als Möglichkeit, vom rasanten Comeback auf der Weltbühne zu profitieren Von M A X I M I L I A N G L I N T S C H E R T

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ass China in wenigen Jahren die USA als die globale Wirtschaftsund Innovationsmacht Nummer eins ablösen wird, scheint eine ausgemachte Sache zu sein, und dass es bereits heute Deutschlands wichtigster Handels­ partner ist, ist wahrlich kein Geheimnis. Zugleich zeigt die aktuelle Lage – der Umgang mit dem Coronavirus – wieder einmal, wie überzeugt sich Washington hinter dem Banner der America-First-Politik positioniert und stärker denn je protektio­ nistische Maßnahmen ergreift. In dieser bipolaren Welt leidet vor allem Europa, das aufgrund des Mangels an Solidarität zwischen EU-Mitgliedstaaten und an einer klaren internationalen Ausrichtung noch stärker als bisher unter Druck gerät.

ten viele Reisen nach China, die immer wieder zu großartigen Erfahrungen und Erkenntnissen führten. Je mehr Zeit das Team vor Ort verbrachte, desto klarer wurde die konkrete Vorgehensweise. Dazu zählte unter anderem, sukzessive ein chinesisches Team vor Ort aufzubauen, aber auch ein großes Netzwerk mit chinesischen Partnern, Unternehmern und Politikern zu knüpfen. Nur so können ein ungefiltertes Bild der Ereignisse vor Ort und unmittelbare Investitions- und Anlageentscheidungen garantiert werden.

Doch nicht nur im fernen Osten war Begeisterung zu spüren – auch auf deutscher Seite wurde immer klarer, dass das Interesse an einer europäisch-chinesischen Zusammenarbeit riesig ist. So Diese Entwicklungen haben aber nicht A N D R E A S W I N I A R S K I , Chairman, wurden deutsche Investoren auf das Pronur Negatives, sondern begünstigen auch CEO und Founding Partner, awesome jekt aufmerksam und das Interesse am Projekte, die genau an dieser Schnittstelcapital Group Projekt Venture-Capital-Fonds wuchs. le ansetzen. Die awesome capital Group, Ziel dieses Fonds ist es, in deutsche Techeine deutsch-chinesische Investmentplattform, stellt eine einnologie- und Wachstums­ unternehmen zu investieren, die zigartige Brücke ins digitale China dar. Gegründet wurde das den Markteintritt in China suchen. Dazu gehören vor allem Unternehmen Anfang 2019 von Andreas Winiarski, ehemals Querschnittstechnologien in den Bereichen Automotive, HeKommunikationschef von Rocket Internet und Partner beim alth, Smart Manufacturing und Robotics. Parallel zur Arbeit Venture-Capital-Investor Earlybird. Die Plattform kombiniert an diesem initialen Fondsprojekt lernte das Team vor Ort auch die Erfahrungen und Ansätze der Venture-Capital-Branche zahlreiche vielversprechende börsennotierte Unternehmen mit internationalen Kapitalmärkten und fundamentaler Chinkennen, die in Europa und den USA weitestgehend unbekannt aexpertise. Dazu gehört neben einem Venture-Capital-Fonds, und teilweise auch nur schwer an der Börse handelbar sind. der ausgewählten jungen Technologieunternehmen in Zudem ist der Markt bis heute kaum durchdringbar und ohne Deutschland und China Investorengelder zur Verfügung stellt, größere Erfahrungen schlichtweg unüberschaubar. So entab sofort auch ein UCITS-Aktienfonds. Dieser investiert gestand die Zusammenarbeit mit der Berliner Vermögensverzielt in reife chinesische Technologieunternehmen, die bereits waltung Hansen & Heinrich und mit Universal-Investment börsengelistet sind und das Potenzial haben, ganze Industrien als Kapitalverwaltungsgesellschaft, mit denen das neuartige zu verändern. Gemeinschaftsprojekt des Aktienfonds awesome Future Tech Opportunities angestoßen wurde. Darüber hinaus ermöglicht Auf die Idee für awesome capital kam Winiarski bei einer die UBS als zusätzlicher Partner des Projektes einen weitreiSitzung des digitalen Beraterstabs von Bundeskanzlerin Anchenden Zugang zum chinesischen Aktienmarkt. gela Merkel im August 2018. Dort wurde schnell klar, dass Dieses Fondskonzept bündelt die Erfahrungen aus China und es für Deutschland in Zukunft nur einen Weg gibt, nämlich dem Start-up-Bereich mit der jahrzehntelangen Kapitalmarkt­ mit China zu kooperieren und gemeinsam internationale Proerfahrung aus dem Hause Hansen & Heinrich, da es gilt, jekte anzustoßen. Dies führt zu einer echten Win-win-Situa­ frühzeitig vielversprechende Geschäftsmodelle im Technolotion, die sich wiederum in der strategischen Ausrichtung von giebereich ausfindig zu machen und langfristig nachhaltig zu ­awe­some capital spiegelt. investieren. Allein 2019 gab es in China 200 Börsengänge mit Um die ersten Schritte nun strukturiert anzugehen und eine einem kombinierten Volumen von umgerechnet 32,8 Milliarfundamentale Expertise für Land und Leute aufzubauen, folgden EUR. Zudem ist das Wachstum der Tech-Titel im Mittel in

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I N V ES T M E N T LÖ S U N G E N

China aufgrund des gewaltigen Binnenmarkts ungleich stärker als in Europa. Die durchschnittliche Dauer eines chinesischen Technologieunternehmens bis aufs Börsenparkett beträgt im Schnitt nur etwa drei bis fünf Jahre, wohingegen wir in westlichen Ländern im Mittel von sieben bis neun Jahren ausgehen. Diese beeindruckenden Zahlen untermauern die aktuelle Relevanz des neuen Aktienfondsprojekts. In der Auswahl des Portfolios arbeitet das Team intensiv mit dem Chinateam vor Ort zusammen, um Anlageentscheidungen aus nächster Nähe und mit fundiertem Hintergrundwissen zu treffen. Dadurch sind auch Vor-Ort-Besuche bei Portfoliokandidaten durch die Experten möglich, wenn es gilt, eine vollumfängliche Aussage über den jeweiligen Titel zu treffen. Der Anlageschwerpunkt des Fonds liegt dabei auf Unternehmen, die das Potenzial haben, durch ihre Technologie Industrien nachhaltig zu verändern und Teilbereiche neu zu formen. Dabei wird jede Technologie in ihrer gesamten Wertschöpfungskette betrachtet. Der Fokus liegt hier – teilweise synergetisch mit dem Venture-Capital-Fonds – primär auf chinesischen Technologieunternehmen, die in den Bereichen Hardware (Halbleiter, Chips), Consumer Tech, Software, Automotive Technology sowie Financial Technology tätig sind. Das Zielportfolio des Fonds besteht mindestens zur Hälfte aus chinesischen Technologietiteln mit internationalen Ambitio­ nen, wobei zusätzlich verstärkt Vertrauen in den Standort Deutschland und die bilateralen Beziehungen zwischen China und Deutschland gesetzt wird. Darüber hinaus ist eine Diversifikation auf weitere Titel aus den USA, anderen europä­ ischen Ländern und Südostasien möglich. Auf dem Weg zum Zielportfolio von 30 bis 40 Titeln erfolgt die Titelauswahl mittels eines klar strukturierten Vier-SchritteProzesses, der mit unterschiedlichen analytischen und qualitativen Methoden zur Portfolioentscheidung beiträgt. Im Fokus der Analyse stehen die Bewertung des jeweiligen Titels im Vergleich zu einer Peergroup, eine Betrachtung der historischen Unternehmenskennzahlen sowie Prognosen. Darüber hinaus wird besonderer Wert auf die Bilanz und das Management Board gelegt. Diese Parameter werden stets beobachtet und führen bei Verletzung der Investmentkriterien zu einem Verkauf des Titels, der dann durch eine neue passende Posi­ tion ersetzt werden kann. Zudem gilt: Ausgewählte Titel mit einem bereits lang anhaltenden soliden Wachstum und stetig wachsenden Geschäftsbereichen werden höher gewichtet als solche, die sehr neu­ artige Technologien entwickeln und vertreiben, womit wir das Risiko und die Volatilität des Portfolios reduzieren. Zur weiteren Risikoreduzierung ist es für awesome capital außerdem unabdingbar, chinesische Titel immer auch in Zusammenarbeit mit dem vor Ort ansässigen Team zu untersuchen, um etwaige Undurchsichtigkeiten des Aktienmarkts und auch politische und wirtschaftliche Risikofaktoren zu minimieren. Neben dem operativen Team kann awesome capital auf ein exzellentes Netzwerk an weiteren Experten in beiden Ländern zurückgreifen, die jede Anlageentscheidung mit ihrer Expertise zusätzlich validieren. Beispielsweise sind hier Professor Wolfgang Wahlster, Gründungsdirektor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), Nikita Fahrenholz, Mitgründer des Berliner Unternehmens Delivery Hero, Timon Heinrich, Gründer und Vorstand der Hansen & Heinrich AG sowie Tim Xiong, CEO der awesome capital China mit Sitz in Peking, zu nennen.

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Im Angesicht der weltweit herrschenden Coronakrise braucht es mehr denn je Experten, die eine profunde Einschätzung zu langfristigen Entwicklungen liefern. Gegenwärtig hat der globale Aktienmarkt eine starke Talfahrt hinter sich, die im Januar 2020 in China begann und im Rest der Welt erst viel später ernst genommen wurde. Dieser „Crash“ ist unter anderem auf die Unterbrechungen globaler Produktions- und Lieferketten zurückzuführen. Langfristige Effekte lassen sich heute noch nicht vertrauenswürdig abschätzen, und dennoch können wir bereits Lehren aus der bisherigen Entwicklung ziehen. Welche? Der Tiefpunkt der Krise der globalen Aktienmärkte kann etwa in der Mitte des Monats März verortet werden. Seitdem haben sich einige Titel aus dem Portfolio des awesome Future Tech Opportunities bereits stark erholt, manche sind sogar auf einem Allzeithoch. Die meisten dieser Titel sind durch ihre technologische Komponente geprägt: E-Commerce, Kollaborationssoftware oder auch Internetdienstleistungen wie Social Networking und Digital Education. Für das Investmentteam bei awesome capital bestätigt sich damit, dass diese technologiegetriebenen und digitalen Geschäftsmodelle die Protagonisten der Zukunft sein werden und dass gerade jetzt ein exzellenter Anlagezeitpunkt ist. Dabei können vor allem Investoren, die auf wachstumsstarke Unternehmen fokussiert sind, stark profitieren. Seit wenigen Wochen ist der mehr als elf Wochen dauernde Lockdown in China nun beendet und die Arbeit wurde in weiten Teilen des Landes wieder aufgenommen. Bilanz für das erste Quartal: Chinas Wirtschaft ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,8 Prozent geschrumpft – ohne Frage eine Zäsur in der Geschichte ihres fast 50 Jahre andauernden stetigen Wachstums. Durch die anfängliche Ausbreitung des Virus in China, in Verbindung mit drastischen Maßnahmen zu seiner Bekämpfung, ist das Land, seines Zeichens Motor der Weltwirtschaft, jedoch nun bereits in der Lage, an die Zeit vor der Krise anzuknüpfen und seine Wirtschaft Stück für Stück wieder aufzubauen. In Europa und den USA dagegen wurde die Pandemie lange Zeit nicht ernst genug genommen, was in der Konsequenz bedeutet, dass die Wirtschaft dieser beiden Regionen noch eine erheblich längere Zeit benötigen wird, bis sie zur Normalität zurückkehren kann. In den USA kommt auch wachsender Unmut der Bevölkerung ob der Art und Weise, mit der die Coronakrise im eigenen Land behandelt wird, hinzu. Für das Investmentteam von awesome capital sind dies wesentliche Faktoren, die den primären Fokus auf Chinas Tech-Ökosystem zusätzlich bestätigen. Erste Erfolge konnte diese Strategie bereits über die vergangenen Wochen einfahren. Der awesome Future Tech Opportunities Fonds (WKN: A2PS21, ISIN: DE000A2PS212) weist derzeit bereits eine positive, vielversprechende Performance auf. Das Team der awesome capital Group ist der festen Überzeugung, dass der Ansatz, in zukunftsweisende Technologien zu investieren, auch in den kommenden Monaten und Jahren eine äußerst erfolgversprechende Strategie sein wird. Andreas Winiarski, Chairman, CEO und Founding Partner der awesome capital Group, über den Aktienfonds: „awesome ist die erste deutsch-chinesische Investmentplattform mit Venture-DNA. Unsere Partnerschaft ist in der Start-up-Szene in Deutschland und China groß geworden. Wir wissen, was es braucht, um erfolgreiche Unternehmen zu bauen, und welche digitalen Technologien sich durchsetzen werden. Dieses Wissen nutzen wir, um mit unserem ersten Aktienfonds Anlegern nun die Chance zu bieten, vom Aufstieg des digitalen Chinas zu profitieren.“ ❚

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V E R A N S TA LT U N G E N

Veranstaltungskalender

NET ZW E RKE IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung GmbH in Kooperation mit dem network financial planner e.V. (www.ifnp.de)

XPS-Finanzsoftware GmbH in Kooperation mit der IFNP Institut für Finanz- und Nachfolgeplanung GmbH (www.xps-finanzsoftware.de)

19.06.2020

6. Hamburger Finanzplanertag

12.08.2020

Basisseminar, München

16.07.2020

5. Stuttgarter Finanzplanertag

13.08.2020

Praxisseminar, München

04.09.2020

2. Kölner Finanzplanertag

08.09.2020

6. Estate Planner Forum Berlin

VUV Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. ( www.vuv-akademie.de)

18.09.2020

2. Leipziger Finanzplanertag

18.06.2020

Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. (www.nfep.de)

EBS Executive Education (www.ebs.edu) 22.06.2020

08.06.2020

8. Private Banking Trends

Finanzplaner Fortbildung in Kooperation mit dem NFEP e.V. Frankfurt a. Main

24./25.09.2020 9 . Frankfurter Finanzplaner Forum Finanzplaner Fortbildung in Kooperation mit dem NFEP e.V. Frankfurt am Main

Schenken und Erben

ompaktstudium K ­Testamentsvollstreckung 27. Jahrgang

09.09.2020

I ntensivstudium ­K apitalmarktprodukte und Portfoliomanagement 6. Jahrgang

09./10.09.2020 Kongress kontakte 2019:

­Financial Planning Praxis Mainz

Deutscher Verband der vermögensberatenden ­Steuerberater e.V. (www.vermoegensberatende-steuerberater.de)

14.09.2020

21./22.09.2020 20. Praktiker-Workshop für

14.09.2020

­Steuerberater des DVVS e.V.

Dreieich (bei Frankfurt a. Main)

18. Jahrgang

Intensivstudium Wirtschaftsmediation 8. Jahrgang 21.09.2020

WEIT ERBIL DUNG

ompaktstudium K Private Equity 18. Jahrgang

Kompaktstudium Sustainable & Responsible Investments 5. Jahrgang

FCM Finanz Coaching (www.fcm-coaching.de) Instrumenta GmbH – Beratungswerkzeuge für Steuerberater (www.instrumenta.de)

18.09.2020 12. Expertenforum

„Risikoprofiling mit Anlegern“ 23.-26.06.2020 Online-Aufbau-Schulung

„Beratung mit PriMa plan“ mit Dirk Klinkenberg

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Beratung und Entscheidungen in digitalen Zeiten Wiesbaden

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E VENTS & WEBINARE

Veranstaltung des DVVS e.V.

Save the Date! 19. Juni 2020

6. Hamburger Finanzplanertag 21. und 22. September 2020

20. Praktiker-Workshop für Steuerberater des DVVS e.V. und Gäste

Hotel Baseler Hof Esplanade 11 | 20354

ab 69 EUR netto

in Dreieich (bei Frankfurt am Main)

Die Idee des Praktiker-Workshops ist es, nicht nur inhaltlich und fachlich Beratungsprodukte vorzustellen, sondern insbesondere aufzuzeigen, wie man diese Beratungsprodukte umsetzt und am Markt platziert. Unsere Praktiker-Workshops stehen nicht nur unseren Mitgliedern offen. Wir freuen uns auch immer über Teilnehmer aus der Finanzbranche, die die interdisziplinäre Arbeit schätzen. Die Anmeldung und die Agenda finden Sie unter www.dvvs.de/seminare/

16. Juli 2020

5. Stuttgarter Finanzplanertag Steigenberger Graf Zeppelin Arnulf-Klett-Platz 7 | 70173 Stuttgart

ab 49 EUR netto

04. September 2020

2. Kölner Finanzplanertag Hyatt Regency Köln Kennedy-Ufer 2A | 50679 Köln

ab 49 EUR netto

08. September 2020

6. Estate Planner Forum Berlin Crowne Plaza Berlin - Potsdamer Platz Hallesche Str. 10 | 10963 Berlin

ab 199 EUR netto 6,5 Credits für den FPSB, Registrierungsnr. 20-020

18. September 2020

2. Leipziger Finanzplanertag Radisson Blu Hotel, Leipzig Augustusplatz 5-6 | 04109 Leipzig

ab 49 EUR netto 6 Credits für den FPSB Registrierungsnr. 20-051

FINANCIAL 02.2020 PLANNING


Transparenz für den Boutiquen Markt. BOUTIQUENFONDS.DE

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