FINANCIAL PLANNING Magazin II-2017

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02 | 2017 € 6,00

MITG LIE DE R Z EIT U NG DE R FIN A NZ PL A N E RV E R EIN E N FP U N D N FE P

Ehe- und Erbverträge in der Nachfolgeplanung bei Familienunternehmen von Karsten Seidel (S. 30)

„London was calling“ Ein Reisebericht zu „nfp goes London“ (S. 8)

Aktienkultur ist Beratungs- und Kommunikationskultur von Janko Laumann (S. 20)

Ein Überblick über den Gesundheitssektor von Enrico Braglia (S. 44)


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www.financialplanningmagazin.de


Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren, und Berufskollegen, Sehr geehrte Berufskolleginnen sehr geehrte FinanzplanerInnen, werte Leserinnen und Leser,

die TĂźrkei haben gewählt, ebenso einige Sie halten dieund ersteFrankreich Ausgabe des Financial Planning Magazins in deutsche Bundesländer. Vielerorts parallel dazu die Markt Säbel und den Händen. Ein Format, dasrasseln in dieser Form auf dem nichtKetten, so manche Ă„uĂ&#x;erungen Präsidenten lassen uns alle das Schlimmste verfĂźgbar war, obwohleinzelner Finanzplanung im deutschsprachigen Raum befĂźrchten, die Verschuldung steigt Vomdurch GefĂźhl her ist die seit gut 20 Jahren etabliert ist. Auch aufweltweit meinen an. Reisen Welt im Krisenmodus. Deutschland als Dozent fĂźr Financial & Estate Planning sowie im 3BINFO NFJOFS /FU[XFSLU˜UJHLFJU BMT 7PSTUBOE EFT OFUXPSL Ă?OBODJBM Und was macht die Wirtschaft? Sie wächst in diesem Umfeld merkwĂźrQMBOOFS F 7 IBCF JDI EFT Â?Ĺ&#x;FSFO EFO 8VOTDI OBDI TP FJOFN .BHB[JO digerweise, und die Kapitalmärkte folgen ihr. Von einer Krise ist hier vernommen. erst einmal nichts zu spĂźren, die Preise fĂźr Immobilien, Aktien und Sachwerte steigen Die FallhĂśhe steigt damit allerdings Inandere den letzten 15 bis 20 Jahrenweiter. sind allein in Deutschland, Ă–sterreich ebenfalls an. Vor den kommenden Sommermonaten gilt es daher, das und der Schweiz Tausende Berater als Financial Consultant, Financial VermĂśgensportfolio der Mandanten auf Risiken zu durchleuchten und Planner, FinanzĂśkonom oder Estate Planner ausgebildet worden. An es fĂźr mĂśgliche SommerstĂźrme wetterfest zu machen. sie richtet sich unser Magazin, an die Berater aus der FinanzdienstleisThomas Abel, CFP, CFEP tungsbranche sowie selbstverständlich an den interessierten Anleger. Chefredakteur Diese Ausgabe des FINANCIAL PLANNING Magazins beschäftigt sich schwerpunktmäĂ&#x;ig mit der Nachfolgeplanung als Teil der FinanzplaBisher fanden Fortbildung und Erfahrungsaustausch in unserer nung. Auch wenn in diesem Teilsegment fĂźr die meisten Finanzplaner #SBODIF [VNFJTU CFJ 5SFĹĽFO VOE 5BHFTWFSBOTUBMUVOHFO TUBUU besondere Sorgfalt aufgrund rechtlicher Vorgaben und Beschränkungen Thomas Abel, CFPÂŽ, CFEPÂŽ 'BDIMJUFSBUVS .BHB[JOF /FXTMFUUFS VOE #MPHT [VN 5IFNB Ă?OEFO geboten ist, so stellt es doch gerade fĂźr die älteren Mandanten einen dagegen kaum im deutschsprachigen Raum. Hier muss man Chefredakteur sich sehr wichtigen Baustein dar. Hier gilt es also insbesondere, ein Netzwerk aktuell auf englischsprachige Publikationen zurĂźckgreifen. aus Steuerund Rechtsberatern zu nutzen und zu pflegen, auf welches man dann fĂźr die umfassende Erarbeitung eines Nachfolgekonzepts Das Magazin soll diese LĂźcke und die Basis fĂźrvorliegende den Mandanten zurĂźckgreifen kann.nun DerschlieĂ&#x;en Leitartikel dieser Ausgabe fĂźr eine tiefer greifende Diskussion in derSteuerberater Financial-Planning-Branche von Karsten Seidel, Rechtsanwalt und bei K&L Gates LLP, IJFS[VMBOEF TDIBĹĽFO &T TPMM SFHFMN˜“JH FSTDIFJOFO VOE *IOFO "SUJLFM beschäftigt sich mit Ehe- und Erbverträgen in der Nachfolgeplanung bei BVT EFS 8FMU EFS 'JOBO[QMBOVOH MJFGFSO %BCFJ XPMMFO XJS BVDI ÂŻCFS Familienunternehmen, weitere Themenschwerpunkte sind die Betrachden deutschsprachigen hinausblicken, mit Artikeln und tung der NeuregelungTellerrand der Erbschaftund Schenkungsteuer von Dr. Lutz Schmidt sowie der Einsatz von Meinungen von europäischen undFinanzdienstleistungs-/Kreditinstituten amerikanischen Finanzplanern. Instrument Nachfolgeplanung Dr.Jahren Robert„erfunden“. Strauch. Inals den USA wurdeder Financial Planning vor von gut 40 8JS GSFVFO VOT TFIS EBTT XJS *IOFO EVSDI FJOF ,PPQFSBUJPO NJU EFN In unserer laufenden Rubrik–„Finanzplaner imder Interview“ finden Sie diesJournal of Financial Planning dem Sprachrohr Financial Planning mal die Antworten von ChristianInhalte Hirschbolz, CFP . Er ist als Finanzplaner Association (FPA) – kontinuierlich daraus inÂŽdeutscher Sprache fĂźr die Privatbank vorstellen kĂśnnen. Donner & Reuschel AG tätig und hat sein Hobby – die Finanzplanung – zum Beruf gemacht. Das Financial Planning Magazin ist in Rubriken wie Financial & Estate DarĂźberJournal hinaus finden Sie eine umfangreiche Auswahl an Themen: Planning, of Financial Planning, Investmentphilosophie undvon der Betrachtung der Kosten von Fondspolicen Ăźber die Renditeberechnung .BSLUNFJOVOH VOUFSUFJMU 8JS NŠDIUFO *IOFO GBDIMJDI BOTQSVDITWPMMF und Wiederanlageprämissen bis hin einzelnen Kapitalmarktthemen. Inhalte aus dem Financial Planning undzu den einzelnen Beratungssegmenten präsentieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind Kurz nach dem Erscheinen dieser Ausgabe finden einige interessante wir auf die Zusammenarbeit mit Ihnen als Leser und Finanzplaner Fortbildungsveranstaltungen statt. Zu nennen ist hier vor allem der BOHFXJFTFO 8JS GSFVFO VOT BVG *IS 'FFECBDL [VN BLUVFMMFO )FĹ&#x; 3. Hamburger Finanzplanertag am 16. Juni 2017. Am nächsten Tag feiert sowie Ăźber RĂźckmeldungen, welche Themen und Inhalte Sie gerne der network financial planner e.V. sein 15-jähriges Jubiläum mit einem [VLÂŻOĹ&#x;JH MFTFO NŠDIUFO umfangreichen Programm in Hamburg. Details zu allen Veranstaltungen finden Sie wie immer im Veranstaltungskalender dieses Magazins. *DI XÂŻOTDIF *IOFO WJFM 4QB“ CFJ EFS -FLUÂŻSF VOE IPĹĽF EBTT EJFTF dazu beiträgt, den Gedanken der ganzheitlichen Finanzplanung Auch die FPSB-Mitgliederversammlung am 23. Juni 2017 in Frankfurt noch tiefer ininteressant Ihrem Herzen zu verwurzeln. verspricht zu werden, da nicht nur das 20-jährige Bestehen

zelebriert wird, sondern auch drei Vorstandspositionen zur Wahl stehen, Beste GrĂźĂ&#x;e aus Berlin, fĂźr die es jeweils mehrere Kandidaten gibt. Wir dĂźrfen gespannt sein. Thomas Abel Herzliche GrĂźĂ&#x;e

Thomas Abel

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INHALT 08

3 | Editorial

Financial Planning | Verbände: News & Facts

6 | Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. network financial planner e.V.

8 | „London was calling“

Ein Reisebericht zu „nfp goes London“ von Birgit Bichlmeyer

Financial & Estate Planning | Praxis

10 | Die große CFP®-Lücke:

Weshalb 98 % des Programms Ihnen nicht helfen von Ronald Sier

14 | Die Entwicklung der vier Säulen für Renten-Portfolios von Michael E. Kitces

18 | Finanzplaner im Interview

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20 | Aktienkultur ist Beratungs- und

xx 28

Kommunikationskultur von Janko Laumann

Kolumne

22 | Ein Jahr politischer Risiken –

aber ökonomischer Chancen von Dr. Martin Lück

23 | Kapitaleinkommen: Dividenden von Hans-Jörg Naumer

Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

24 | Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer – Eine Gefahr für den Mittelstand? von Dr. Lutz Schmidt

28 | Der Einsatz von Finanzdienstleistungs-/

Kreditinstituten in der Nachfolgeplanung von Dr. Marc Henning Diekmann und Dr. Robert Strauch

mit Christian Hirschbolz

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30 | Ehe- und Erbverträge in der Nachfolgeplanung bei Familienunternehmen von Karsten Seidel

Software

34 | Digitalisierung im Vermögensmanagement – Mit Technik und Herz zum Kundenerlebnis der Zukunft von Marco Richter

36 | Herausforderungen durch

Digitalisierung und Informationszeitalter

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Investment

42 | Im Blick behalten, was wirklich zählt: Extremrisiken an den Finanzmärkten von Paul Skiba

44 | Ein Überblick über den Gesundheitssektor von Enrico Braglia

Recht & Regulierung

46 | Nachfolgeplanung macht auch vor

Vermögensverwalterbranche nicht halt von Andreas Grünewald

von Christian Tischer

38 | Finanzmathematische Grundlagen:

Rendite und Wiederanlageprämisse

48 | nfep-Expertengespräch: Digitalisierung – Bedrohung oder Chance? mit Dr. Holger Sachse

von Volker Weg

40 | Kosten von Fondspolicen sind entscheidend! von Daniel Woisch

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51 |

Veranstaltungskalender

50 | Impressum

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Financial Planning | Verbände: News & Facts

Aktuelles vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, das Thema Digitalisierung ist in aller Munde. Doch was bedeutet es konkret bei der Beratung vermögender Privatkunden? Werden Relationship Manager zukünftig noch einen Job haben? Wie kann man den technischen Fortschritt für eine bessere Beratung nutzen? Was verstehen Kunden in Zukunft überhaupt unter einer „besseren“ Beratung?

Ein probates Mittel dafür ist das FINANCIAL PLANNING Magazin, das wieder mit vielen interessanten Artikeln aufwartet. Auch auf unseren Abendveranstaltungen und dem 6. Frankfurter Finanzplaner Forum am 28. und 29. September werden Topreferenten über aktuelle Entwicklungen und Themen berichten.

In unserem mit Dr. Holger Sachse geführten Experteninterview auf Seite 48 erfahren Sie, welchen Weg Banken und Finanzdienstleister gehen müssen, um ihre Kunden im Digitalisierungszeitalter zu begeistern. Ohne zu viel vorwegzunehmen: Unsere Dienstleistungen sind zu komplex, um sie gänzlich von Algorithmen bestimmen zu lassen. Dennoch sollten wir unsere Beratungspraxis ständig reflektieren und prüfen, wie sich Kundenbedürfnisse verändern und ob unsere Herangehensweise noch passt. Als Basis wird es jedoch immer nötig sein, über aktuelle fachliche Finanzplanungsthemen Bescheid zu wissen.

Zunächst wünschen wir Ihnen aber viel Freude beim Lesen der zweiten 2017er-Ausgabe des FINANCIAL PLANNING Magazins. Mit freundlichen Grüßen Samir Zakaria 1. Vorsitzender des Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

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Financial Planning | Verbände: News & Facts

Neues vom network financial planner e.V.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Mitglieder, das erste Halbjahr nähert sich bereits seinem Ende. Auf der politischen Bühne hat sich einiges getan in dieser Zeit: Wahlen wurden angekündigt und durchgeführt, der Brexit wurde von der britischen Regierung bei der EU eingereicht, wohingegen Frankreich wohl doch in der EU verbleibt. Die Türkei hat sich für eine Diktatur – auf Neudeutsch ein „Präsidialsystem“ – entschieden. Im September steht dann schließlich wieder die Bundestagswahl an, und es wird spannend sein, zu beobachten, wie die deutschen Wähler auf all diese Entwicklungen außerhalb und innerhalb des Landes reagieren. Bei der Mitgliederversammlung und Wahl des Vorstands des network financial planner e.V. stimmten die Mitglieder für eine Fortführung der Zusammensetzung des Vorstands. Thomas Abel, Andreas Liebenow, Annika Peters, Dirk Breitsameter und ich sind damit weiterhin für das Wohl des Vereins zuständig und mit den damit verbundenen Aufgaben vertraut. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich für das entgegengebrachte Vertrauen und werden weiterhin unser Bestes geben, um den Verein und seine Mitglieder würdig zu vertreten! Dies werden Thomas Abel und ich auch über Deutschland hinaus umsetzen, denn zum wiederholten Male werden wir bei der CIFA-Konferenz in Monaco als Redner mit dabei sein und unsere Sicht auf die regulatorischen Rahmenbedingungen kommunizieren. Unsere im Verlauf des Jahres bereits durchgeführten Tagesund Abendveranstaltungen waren gut besucht, insbesondere unsere Finanzplanertage in Düsseldorf und Stuttgart. Beide Standorte und Finanzplanertage erfreuen sich steigender Beliebtheit, sodass wir in Düsseldorf in diesem Jahr bereits 50 Teilnehmer und in Stuttgart 40 Teilnehmer begrüßen konnten. Einen Bericht zur diesjährigen Mitgliederreise nach London (stark unterstützt durch unsere Fördermitglieder AB Europe und Jupiter Asset Management) vom 27. bis 29.04.2017 finden Sie ab Seite 8. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Reise in 2018 nach Zürich! Natürlich wollen und sollen auch die fünfzehn Jahre Vereinsbestehens gefeiert werden, sind wir doch der größte Finanzplanerverein in Deutschland (abgesehen vom Zertifizierungsverband FPSB Deutschland). Begonnen wurden die Feierlichkeiten dieses Jubiläums bereits mit einer kleinen Feier in Berlin am 21.04.2017. Als ein absolutes Highlight des

Jahres findet die offizielle Jubiläumsfeier am 17.06.2017 – im Rahmen des 3. Hamburger Finanzplanertages am 16.06.2017 – statt. Details sowie das Programm finden Sie auf den Webseiten www.nfpb.de und www.trainingsmanagement.com. Darüber hinaus sollten Sie sich auch den 5. Münchner Finanzplanertag am 12.10.2017 vormerken. Dieser findet zwar zum ersten Mal außerhalb der Wiesn-Zeit, dafür aber mit bezahlbaren Hotelzimmern für auswärtige Teilnehmer statt. Abgeschlossen wird das Jubiläumsjahr mit dem 13. Financial Planner Forum am 24. und 25.11.2017 in Berlin – nutzen Sie doch am besten schon jetzt die Jubiläumskonditionen und sichern Sie sich Ihre Teilnahme an dem Event für Finanzplanung in Deutschland! Die weiteren geplanten Termine können Sie dem Veranstaltungskalender im Magazin entnehmen, natürlich finden Sie diese aber auch in unseren Newslettern und auf unserer Webseite. Wir würden uns sehr freuen, Sie vor Ort in Berlin, Hamburg, Stuttgart, München oder Düsseldorf begrüßen zu dürfen. Abschließend möchte ich noch auf einen offenen Brief zum Thema „Umgang“ an Herrn Guido Küsters hinweisen. Leider gibt es immer wieder Interessenlagen, aus denen heraus nicht selten eine falsche beziehungsweise sachlich einfach nicht korrekte Kommunikation entsteht. Mit diesem Thema haben sich die Vorstände unseres Partnerverbandes Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. und des network financial planner e.V. im Rahmen eines offenen Briefs beschäftigt. Vor diesem Hintergrund wirft die FPSB-Mitgliederversammlung im Juni ihre Schatten voraus. Im Sinne von uns allen hoffe ich auf einen konstruktiven, fairen und sachlich korrekten Austausch. Dann lassen sich bei einer klaren Positionierung auch falsche Interessen nebst falscher Kommunikation vermeiden. Schließlich sollte es uns allen nur um eines gehen: die Förderung der Finanzplanung! Sprechen Sie uns gern an, wir sind für Sie da!

Sven Putfarken im Namen des Vorstands des network financial planner e.V.

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Financial Planning | Verbände: News & Facts

nfp-Reisegruppe im Foyer bei AB Europe

„London was calling“

Ein Reisebericht zu „nfp goes London“ vom 27. bis 29. April 2017

von Birgit Bichlmeyer

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uasi zum 15-jährigen Jubiläum und Dank der gewachsenen Netzwerke der Organisatoren wurde der network financial planner e.V. (nfp) dieses Jahr von den Fördermitgliedern Jupiter Asset Management und AB Europe an die Themse eingeladen – mit einem Blick aufs lebhafte Geldgeschäft und hinter die Kulissen sowie einer Kurzvisite bei der Repräsentanz von Standard Life (ebenfalls Fördermitglied des Vereins). Am Anreisetag war unser erster Treffpunkt das Bürogebäude „The Gherkin“ – „die Gurke“, wie das schillernde Millionengrab für viele Anleger des geschlossenen Fonds der IVG Immobilien AG liebevoll genannt wird. Es sollte mit einem Rundgang bei Standard Life starten inklusive Ausblick von der Dachterrasse im 31. Stock. Aufgrund eines Vorfalls vor der Westminster Abbey, der die halbe Stadt lahmlegte, kamen mit fast 50 Minuten Verspätung dann doch alle Kollegen aus gestoppten Zügen, festgesteckten Taxis und gesperrten Bahnhöfen zusammen. Zeit genug, um sich mit den bereits anwesenden Mitreisenden über den Schweizer-Franken-Swap mit Festzins auszutauschen, der den Anlegern des „Gurken-Fonds“ bei der Abkopplung vom Euro wenig Freude bereitet hatte. Heute dagegen steht The Gherkin mit

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neuem Eigentümer wieder glänzend da. Dreiviertel der Stockwerke hat die Swiss Reinsurance Company befüllt – und auch die übrigen Etagen beherbergen Träger/innen feiner Stoffe mit hippen Sonnenbrillen und neuester Handy-Technik. Also alles wieder im grünen Bereich, die Stadt boomt und freie Flächen sind rar. Aufgrund der Zeitenge reichte es leider nur noch für eine 30-minütige Vorstellung des MyFolio-Ansatzes von Standard Life, welcher in Großbritannien wohl sehr gut ankommt. Weiter ging es mit der „Circle Line“ (UBahn) zum Pub „The Sherlock Holmes“ – im inneren Kreis der City ist donnerstags jeder Pub ab 17 Uhr voll mit Berufstätigen. Untereinander wechselten wir ein paar neidische Blicke: FEIERABEND – ein fast ausgestorbenes Wort für manche von uns. Und hier erlebte ich es so real wie Sonntagsbrötchen: Nine-to-fiveJobs. In den Pubs sah es so aus, als gäbe es die noch. Mir gefällt diese Vorstellung. Um 21 Uhr begann die „Ghost Bus Tour“, die mit Blut- und Schauergeschichten die Highlights der City kreuzte. London kribbelt und baut an jeder Ecke – nirgendwo gibt es Stillstand. Nach einer Geisterstunde entstiegen wir dem Bus und die Crew verabschiedete sich in ih-

ren Feierabend. Bei uns wurde noch ein wenig und ganz individuell am großen Netz der Finanzplaner weitergesponnen – dem Namen des Vereins sollte schließlich Rechnung getragen werden. Am Freitag um 9 Uhr erwartete uns Gunnar Knierim (als Vertreter unseres Fördermitglieds AB Europe) in der Berkeley Street. Dank seiner Organisation erblühte der Morgen durch fachlich sehr gute Vorträge von ausgewiesenen AB-Kapitalmarktexperten:

„ Wo finde ich noch Rendite im europäischen Rentenmarkt?“ Jørgen Kjærsgaard, Head of European Corporate Credit, und Markus Peters, Senior Portfolio Manager Fixed Income

„ Qualität vor Quantität “ Mark Phelps, CIO Concentrated Global Growth

„ Schwellenländer 3.0: Wie investiere ich heute in Emerging Markets? EMMA: der vermögensverwaltende Mischfonds für SchwellenländerInvestments“ Markus Schneider, Senior Economist EEMEA, und Gunnar Knierim, Director EMEA Client Group

Wir erlangten tiefere Einblicke in das Management der Fonds und wollen

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Financial Planning | Verbände: News & Facts

Die Teilnehmer freuen sich auf Pub und Bustour

versuchen, diese in unsere Expertisen einfließen zu lassen. Nach der verdienten Mittagspause empfing uns um 13.30 Uhr Peter Peterburs (als Vertreter unseres Fördermitglieds Jupiter Asset Management) in der Victoria Street 70 im neuen Zig-Zag-Zuhause. Vor circa 5 Jahren ist Jupiter mit dem neuen CEO Maarten Slendebroek (niederländisch-schwedischer Doppelbürger) von dem Altbauviertel jenseits des Hyde Park ins moderne, quirlige Westminster umgezogen. Auch sonst hat dieser ehemalige BlackRock-Mann augenscheinlich viel erneuert. „Hell“, „Licht“, „Transparenz“, „nahbar“ – all das fiel mir ein. Man merkte Peter Peterburs an, dass er gern ein „Jupiter“ ist, seine Kollegen wertschätzt, ihre Arbeit verstehen will. Neugierig auf das Morgen und besonnen im Heute schienen sie alle hier zu sein. Und perfekt vorbereitet – hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Fabrizio Palmucci (Produktspezialist für Fixed Income und Multi-Asset) begegnete den Anleihemärkten mit recht wenigen Charts, aber cleveren Fragen und lebendiger Diskussion. Am Ende der Präsentation schaute noch kurz Ariel Bezalel (Head of Strategy Fixed Income) bei uns rein und gab noch einiges von seiner Weltsicht preis. Es war ein Geschenk, einen Menschen wie Ariel Bezalel mit all seiner Abgeklärtheit, Distanz und seinem warmen, trockenen Humor kennenlernen zu dürfen. Seine stille Neugier, einen naiven Optimismus und – entgegen aller politischer Unkenrufe – ein gepflegtes „Lassnur-kommen-Gen“ verbarg er nicht. Wie meine männlichen Kollegen war

auch ich begeistert von der Eloquenz und Präsenz von Ingrid Tharasook (Produktspezialistin für Emerging Markets und Asian-Income-Strategien), einer bildhübschen indischen Thai-Britin, die den Jupiter Global Emerging Markets gemeinsam mit Ross Teverson managt. Sie ist noch keine 30 Jahre alt, dennoch steckt sie viele „Möchtegern-Macher“ mit links in die Tasche. Sie war es auch, die konkret wissen wollte, was ihre Gäste denn bewegt. Wie ticken die anderen? Neugier, Toleranz und viel Engagement waren zu spüren. „Keep calm and carry on“ war bestimmt bewusst gewählt. Schließlich kochen aber alle mit dem gleichen Wasser, arbeiten mit der gleichen Korrelationstabelle und greifen auf dieselben demografischen Statistiken, Länderdaten und Konsumquoten zu. Dank Peter Peterburs betrat überraschend Maarten Slendebroek den Raum: lockeres graublaues Leinenjackett, offenes hellrosafarbenes Hemd, eine unaufgeregte Professionalität, interessierte Freundlichkeit, Augenkontakt. Brexit, Trump, Wettlauf um MiFID II, der EURegulationswahn: Ja, einige Mitbewerber werden wohl auf der Strecke bleiben, weil Kostentransparenz und Technisierung die Produkte herausschälen und „gleicher“ machen werden. Dann zählen nur noch wahrnehmbarer Service und Bindung. Und mit genau diesen Werten befindet sich Jupiter derzeit in einer aktiven Verjüngungsphase des Managements. Beim Abendessen mit Steak und Sashimi im Restaurant „M“ erfolgte ein reger Austausch von allem – vor allem von Erfahrung und Erfahrenem.

Im Meer der Möglichkeiten sondierten sich Orientierungsbojen, man skalierte die Reiseroute des nächsten Exkurses. Auch das Thema Honorar- oder Provisionsberatung kam noch mal hoch. Ich bin davon überzeugt, dass das Internet hier gnadenlose Transparenz schafft. Und das ist gut so. Vielleicht führt es den Käufer wieder zu mehr Eigenverantwortung trotz der hartnäckigen Versuche der Verbraucherschützer und der EURegulatoren, den mündigen Bürger zu „entselbstständigen“. Fazit nach dem dritten Glas „JupiterWein“: Die Vogel-Strauß-Taktik hilft weder dem Kunden noch dem Finanzplaner. Samstagvormittag um 11 Uhr flog unsere nfp-Gruppe mit einer von Jupiter gesponserten „Eierschale“ des London Eye in die Höhe. Von ganz oben blickte man auf den Buckingham Palace, das Parlament, das Bankenviertel und das Embankment – alles sah klein und überschaubar aus. Als Finanzplanerin sehe ich oft das Leben meiner Mandanten genau so vor mir ausgebreitet. Wie viel Verantwortung, Wissen, Weitsicht und Empathie fließen in die Gestaltung unserer Empfehlungen ein? Dafür brauche ich Orientierung und eine innere Skalierung. Jede Reise bildet. Herzlichen Dank an das Organisationsteam dieser Reise und an die unterstützenden Fördermitglieder. Birgit Bichlmeyer

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Financial & Estate Planning | Praxis

Financial & Estate Planning | Praxis

Die große CFP®-Lücke: Weshalb 98 % des Programms Ihnen nicht helfen (und was Sie dagegen tun können)

von Ronald Sier

Ihnen die Welt zu Füßen liegen. Oder etwa nicht? Das CFP® -Programm besitzt die außergewöhnliche Fähigkeit, uns zu lehren, unser Wissen aufzubauen und uns einen Abschluss in dem Fach zu verschaffen, das wir lieben. Denn das CFP® -Programm ist DAS Programm, um die Kunst der Finanzplanung zu beherrschen. Es ist DAS Programm, um Folgendes zu lernen:

Ronald Sier ist Financial Planner bei der Rabobank und seit 1999 in der Finanzbranche tätig. In seinem Blog www.seebeyondnumbers.com schreibt er regelmäßig zu aktuellen Themen der Branche.

G

eben Sie es zu. Sie haben Monate, Wochen, Tage, Nächte und sogar noch länger gelernt, um ein strenges 10-stündiges CFP® -Examen zu bestehen. Sie haben das gesamte Material zum Thema Finanzplanung akribisch untersucht, das die „Mechanik“ Ihres Berufs lehrt, um endlich den Abschluss zu erhalten, von dem Sie geträumt haben.

Um letztlich die Sachen zu lernen, die Sie zu einem schlaueren Menschen machen. Und nicht nur zu irgendeinem schlaueren Menschen … zu einem Certified Financial Planner®. Na, darauf kann man doch stolz sein. Denn ab diesem Zeitpunkt wird

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Risikomanagement Steuerplanung Professionelles Verhalten und Regeln Investitionsplanung Und vieles mehr

Doch damit hört es nicht auf, leider. Weshalb es nicht wichtig ist, wie hervorragend das CFP® -Programm ist. Nun, ich weiß, Sie arbeiten hart an Ihren Fertigkeiten der Finanzplanung – und wenn Sie studieren und all das wunderbare Wissen anwenden, das Sie im Programm erlernen, helfen Sie garantiert Menschen bei ihrer finanziellen Situation. Das gebe ich zu. Und wenn Sie wissen, dass Sie berechtigterweise eine exzellente Arbeit leisten, laufen Sie schnell Gefahr, in die fantastische Fabelwelt der Finanzplanung zu geraten. Sie wissen, welche. Sie sieht so aus:

• S ie lassen alle wissen, dass Sie endlich Ihren CFP®-Abschluss

haben und die Leute sagen freundlich, dass sie gerade

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Financial & Estate Planning | Praxis

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nach einem zertifizierten Finanzplaner gesucht haben, und bitten Sie um einen Termin in Ihrem Büro. In Ihrem Büro führen Sie dann mit ihnen ein tiefschürfendes Gespräch über Finanzziele und Ihre Gesprächspartner verschlingen Ihre intellektuellen Ausführungen geradezu. N un werden Sie, da sie sich Hals über Kopf in Sie und Ihre Leistungen verguckt haben, von ihnen beauftragt, einen Finanzplan zu erstellen, damit sie Ihrem Rat folgen können, und Sie werden aufgrund Ihrer Finanzplanungsleistung der hierfür bewunderte Messias.

Oh, was wäre das doch für eine wunderbare Welt, oder? Die raue Wirklichkeit der Situation sieht jedoch so aus: Die meisten Menschen wissen nicht einmal, was CFP® bedeutet. Ein Problem, das jeder Finanzplaner unmittelbar versteht. Das Beherrschen der Kunst der Finanzplanung hängt von Ihrer kontinuierlichen Weiterbildung als Finanzplaner ab. Dies bedeutet, dass Sie regelmäßig Ihre Fähigkeiten aktualisieren und verfeinern. Und wenn Sie jemanden sagen hören, Sie sollten sich weiterhin fortbilden, denken Sie: „Ja, das sollte ich!“ Dann sagt diese kleine Stimme in Ihrem Kopf leise etwas in der Art von: „Aber was soll ich machen, ich habe bereits meinen CFP® -Abschluss, was um Himmels willen kommt dann als Nächstes?“ Das ist die Kernfrage, oder? Sie wissen es nicht. Sie wissen nicht, welche Art der Ausbildung Sie von all den anderen CFP® -lern unterscheidet und Ihr Wissen, Ihre Fähigkeiten und Ihre Finanzplanungsleistungen ganz nach oben katapultieren wird. Deshalb tun Sie meistens am Ende … gar nichts. Oder noch schlimmer, Sie entscheiden sich für eine andere „in der linken Gehirnhälfte angesiedelte, vernunftbezogene, wissensbasierte Ausbildung“. Wie z. B. zum Chartered Financial Analyst. Oder, was soll’s, vielleicht sogar zu einem anderen Abschluss auf dem Gebiet der Finanzplanung! Die Folge? Ein weiterer Abschluss macht Sie NICHT schlauer. Sie stimmen nicht zu, oder? Sie denken: Natürlich werde ich dadurch schlauer, denn ich erweitere mein Wissen.

Aber lassen Sie mich Ihnen diese Frage stellen:

• Trägt dieses zusätzliche Wissen dazu bei, für mehr Klienten zu arbeiten?

• Hilft es Ihnen dabei, die Leute dazu zu bekommen, sich mit Finanzplanung zu beschäftigen?

• Steigert es Ihre Bedeutung für Ihre Klienten? Ich muss nicht viel mehr erklären, stimmt’s? Im Jahr 2008 schloss ich endlich mein 3,5-jähriges Studium der Finanzplanung an der Universität von Amsterdam ab. Ich hatte nun einen Master in Finanzplanung. Mann, war ich stolz. Ich war bereit, die Welt mit meinen Finanzplanungsleistungen zu regieren. Ich war bereit, vielen Dutzenden von Menschen mit meinen (ultimativen) Kenntnissen der Finanzplanung zu helfen. Das war im Jahr 2008. Zeitsprung ins Jahr 2011:

• B esaß ich ein florierendes Finanzplanungsunternehmen? Nein.

•W usste ich, wie man Leute dazu bringt, sich mit Finanzplanung zu befassen? Nein.

•W ar Finanzplanung für die Menschen ein wichtiges Thema? Nein.

Ich habe es erlebt. Ich war die ultimative Wissensmaschine. Der Zahlenakrobat Nummer 1. Aber habe ich etwas erreicht? Nichts.

Die Wahrheit über schlaue Finanzplaner Was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Wenn man ein florierendes Finanzplanungsunternehmen haben möchte, muss man schlauer werden. Nein, nicht schlauer im Sinne eines weiteren Abschlusses in Finanzplanung. Was ich meine, ist schlauer zu werden, indem man seine soziale Kompetenz nutzt. Wie, wenn sich jemand mit Ihnen unterhält und anschließend beim Weggehen denkt: „Wow, das ist mal ein wirklich toller Finanzplaner!“ Oder wenn Leute aus einem Gespräch mit

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Financial & Estate Planning | Praxis

Ihnen eine völlig neue Perspektive entwickeln.

mein Zeugnis aus dem Studiengang Master in Finanzplanung.

Und ich höre Sie schon sagen: „Das ist nicht unbedingt schlau. Das ist einfach nur menschliches Verhalten.“ Ich denke jedoch, dass es mehr ist. Hier einige Beispiele:

Und wenn ich jedes Modul als „in der linken Gehirnhälfte angesiedelt, vernunftbezogen wissensbasiert“ oder als „in der rechten Gehirnhälfte angesiedelt, intuitiv, menschenbezogen“ klassifizieren würde, würde dies in etwa so aussehen:

• S chlaue Planer können die Probleme von Leuten feststellen, indem sie die richtigen Fragen stellen.

•D ie Dinge, die schlaue Planer sagen, sind wirklich einzigar-

tig. Diese Dinge hat man noch nie zuvor gehört. Nirgends.

•D ie Leute stellen fest, dass sie über das, was solche schlau-

en Planer sagen, noch Wochen oder sogar Jahre in der Zukunft nachdenken.

Schlaue Finanzplaner bauen magische Beziehungen zu den richtigen Leuten auf, leisten wirklich bedeutungsvolle Arbeit und besitzen ein florierendes Unternehmen, weil sie ihr Potenzial durch den Einsatz ihrer sozialen Kompetenzen voll ausschöpfen. Betrachten wir einmal das folgende Bild. Entschuldigen Sie, dass es auf Niederländisch ist ... Das ist

In der linken Gehirnhälfte angesiedelt, vernunftbezogen, wissensbasiert: Investmentplanung (Beleggen), Wirtschaft (Economisch beleid), Vermögensplanung, Steuerplanung (Fiscale aspecten), Quantitative Methoden (Kwantitatieve methoden), Rentenplanung (Pensioenen), Immobilienplanung (Vastgoedbeleggingen), Erbschaftsgesetzgebung (Huwelijksvermogens erfrecht). In der rechten Gehirnhälfte angesiedelt, intuitiv, menschenbezogen: Behavioural Finance, d. h. die Wissenschaft der Psychologie der Anleger. Es wird sogar noch schlimmer. Der Behavioural Finance-Teil war eigentlich kein echtes Modul. Ich musste nur drei Kurse besuchen und das war’s … Somit gibt es ein Ungleichgewicht in diesem Studiengang: Vernunftbezogene linke Gehirnhälfte >> 98 % Intuitive rechte Gehirnhälfte >> 2 % Und was am meisten enttäuscht: Der CFP ® -Studiengang wird dieses Problem nicht lösen.

Wie die CFP®-Lücke zu überbrücken ist So, es ist an der Zeit, sich selbst die Frage zu stellen: Wollen Sie ein schlauerer Finanzplaner werden? Wenn die Antwort „ja“ lautet, könnten Sie nach einer zusätzlichen Ausbildung suchen, die Sie von anderen abhebt. Wenn Sie nur die richtige Ausbildung finden könnten, die bewährte Ausbildung, die von zuverlässigen Meistern gelehrt wird. Und wenn Sie Glück haben, finden Sie einen Lehrgang oder einen Studiengang, der Ihnen aus der Seele spricht und genau den Punkt behandelt, mit dem Sie gerade kämpfen. Er wird Sie verändern. Er wird Ihre Fähigkeiten ändern. Er wird Ihr Leben verändern. Das Ergebnis eines Programms zu kennen, bevor Sie es kaufen, ist eine reizvolle Vorstellung. Der Grund, weshalb dies so verführerisch ist, ist, dass Sie ein Ergebnis erwarten:

• B eziehungen zu Klienten und potenziellen Klienten aufbauen

• L eitlinien für Ihre Finanzplanungsgespräche

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Financial & Estate Planning | Praxis

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K lienten veranlassen, Maßnahmen zu ergreifen Ü ber eine überzeugende Handlungsaufforderung verfügen E in Gefühl der Dringlichkeit aufbauen S ignale und nicht nur Worte verstehen V ertrauen bei potenziellen und bestehenden Klienten schaffen Ü ber eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten verfügen V erstehen, weshalb man Ihre Finanzplanungsleistung kauft M it den Kunden einnehmende Gespräche über ihr Leben führen S ich als Autorität etablieren Ü berzeugende und konsistente Inhalte auf Ihrer Internetseite D en Leuten den Wert Ihrer Qualitätsberatung bewusst machen M ehr Kunden für Ihre Finanzplanungsleistung gewinnen

Sie werden bemerkt, aber lassen sich die Klienten wirklich auf Sie ein? Beziehen sie sich auf Sie? Kaufen sie bei Ihnen?

Leider gibt es nur bei wenigen Programmen ein garantiertes Ergebnis.

Er wird aufgrund seines Arsenals an Titeln, seiner Erfahrung und seines umfangreichen Wissens beachtet. Er hofft, gewählt zu werden.

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Daher stelle ich den Smart Financial Planner vor. Bei dem Smart Financial Planner geht es darum, die Lücke zwischen Ihrem CFP® und der Finanzplanung im realen Leben zu schließen. Es geht darum, Finanzplanern die Hilfsmittel an die Hand zu geben, Finanzplanung zu etwas Bedeutsamem zu machen, indem die Bereiche Sozialkompetenz, Onlinemarketing und Kundenakquise gelehrt werden. Und Sie fragen sich vielleicht: Ist der Smart Financial Planner etwas für mich? Nun ja, das kommt darauf an, da Finanzplaner sich auf ein weites Spektrum verteilen. Sie können jedoch in drei bestimmte Gruppen eingeteilt werden:

Der unwiderstehliche Finanzplaner

Ja, sie haben Ihre Erfahrungen zu Onlinemarketing, sozialen Kompetenzen und bewährten Strategien gemacht, um neue Kunden zu gewinnen. Aber funktioniert das wirklich? Sind Sie ein Nischen-Finanzplaner? Dann, ja. Der Smart Financial Planner ist etwas für Sie.

Der Finanzplaner-Experte Der Finanzplaner-Experte ist ein Finanzplaner, der viel, viel Zeit und Energie investiert hat, um der kompetenteste Planer zu werden, den es je gab. Der Finanzplaner-Experte ist fast per Definition „besser“ als der Wettbewerb.

Die Wahrheit ist, dass er nicht oft genug gewählt wird (obwohl er wirklich der Beste ist). Sie sehen, die meisten Leute kümmert es nicht, denn sie achten nicht darauf. Sie haben keine Zeit herauszufinden, ob sie besser als der Wettbewerb sind. Denn es gibt heute so viel zu betrachten und nicht genug Zeit, sich mit allem zu befassen. Die Botschaft des Finanzplaner-Experten lautet: „Wenn Sie den besten Finanzplaner wollen, kommen Sie zu mir.“ Hiermit bekommen Sie nicht die Ergebnisse, die Sie verdienen, es sei denn, Sie gehen zur nächsten Stufe über. Sind Sie ein Finanzplaner-Experte? Dann, ja. Der Smart Financial Planner ist definitiv etwas, das Ihnen weiterhelfen wird. Willkür verweigern und schlauer werden

Er ist das Bindeglied.

Es ist an der Zeit, es zuzugeben.

Er ist der Planer, der Arbeit leistet, über die die Leute sprechen MÜSSEN. Das ist der hervorstechende Planer, da die Finanzplanungsleistung, die Erfahrung und das Engagement es wert sind, darüber zu sprechen. Diese Aspekte sind nicht besser per Definition, aber sie sind so einnehmend, dass man einfach darüber sprechen muss.

Sie haben zu viel Energie in Ihr CFP® -Programm investiert, um nur minimale Ergebnisse zu akzeptieren.

Die Leute wollen zum Wirkungskreis dieses Finanzplaners gehören.

Ohne eine kohärente Strategie, um Ihre Zeit in Ergebnisse zu verwandeln, werden Ihre Ressourcen verbrannt sein, bevor Sie Ihr Ziel erreichen.

Sind Sie bereits ein Unwiderstehlicher Finanzplaner? Dann ist der Smart Financial Planner nichts für Sie.

Der Nischen-Finanzplaner

Die Wahrheit ist jedoch, dass die Willkür der Ausbildung Ihre wertvolle Zeit (und Ihre Erfolgsmöglichkeiten) zunichtemacht.

Sie müssen keinen komplizierten Plan haben – Sie müssen nur ausarbeiten, welches Programm Sie und Ihre Leistung auf das nächste Level heben wird.

Diese Planer sind „einzigartig“. Sie dienen ihrer Zielgruppe optimal. Zielgruppen wie Piloten, Fachärzte oder Lehrer. Sie konzentrieren sich darauf, „für wen sie etwas tun“.

Also, weshalb nicht den Smart Financial Planner nutzen?

Und daher werden diese Planer tatsächlich bemerkt. Die Leute erkennen sich in denjenigen wieder, von denen die Planer sagen, dass sie für sie die beste Leistung erzielen.

Ihre Klienten verdienen es.

Die Botschaft des Nischenplaners lautet: „Wenn Sie Leistungen von jemandem erhalten wollen, der Sie wirklich kennt, dann kommen Sie zu mir.“

Ihre Leistung verdient es.

Und Sie verdienen es verdammt noch mal auch. Geben wir Finanzplanung eine Bedeutung. Ihr Ronald Sier

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Financial & Estate Planning | Praxis

Die Entwicklung der vier Säulen für Renten-Portfolios von Michael E. Kitces

Anleihen kaufen, Zinsscheine verbrauchen Während der Anfänge der Anleihenfonds wurden Anleihen als „Inhaberzertifikate“ (oder „Inhaberobligationen“) ausgegeben, was wörtlich bedeutete, dass, wer auch immer der Inhaber (d. h. Besitzer) der Anleihe war, als deren Eigentümer betrachtet wurde (ähnlich wie heutzutage Bargeld funktioniert). Dies bedeutete wiederum, dass die Zinszahlungen, die die Ausgeber von Anleihen an die Anleiheneigentümer zahlen würden, direkt an denjenigen gezahlt wurden, der die Anleihe tatsächlich besaß – eingelöst für einen an der Anleihe befestigten Papierkupon, der sich physisch von der Anleihe lösen ließ und zur Zahlung vorgelegt werden konnte. Daher wird die Zinsrate einer Anleihe auch oft als Kuponrate und das Abholen der Zinszahlungen für eine Anleihe im Englischen immer noch umgangssprachlich als „clipping the coupon“, also „den Kupon abschneiden“, bezeichnet. (Denn in der Vergangenheit wurde dies wortwörtlich so gemacht.)

einlösen“ der führende Ansatz für ein Pensionseinkommen aus einem Portfolio, entweder anstelle eines Ruhestandsgehalts bzw. der Rente der Sozialversicherung (für diejenigen, die über keine verfügten oder nicht dazu berechtigt waren) oder als Ergänzung hierzu. Die stabilen Anleihezinszahlungen waren ein wirksamer Ersatz für stabile Rentenzahlungen und waren während der späten 1950er- und bis in die 1960erJahre zunehmend verlockend, da die Zinssätze mit dem Wirtschaftswachstum anstiegen. Und diejenigen, die gleichermaßen etwas mehr Geld brauchten, konnten immer noch die Anleihen verkaufen (oder auf deren Fälligkeit warten), um einige zusätzliche Bareinkünfte zu erzielen. Im Kontext der Rentenfonds und der Institutionen, die ein großes Volumen von fortlaufenden Zahlungen unterstützen mussten, war es üblich, die Fälligkeiten der Anleihen fortlaufend zu „stufen“, insbesondere um sicherzustellen, dass der Wert des Grundkapitals einer reifenden Anleihe verfügbar sein würde, um die geschäftsnotwendigen Barmittel

"CLIPPING THE COUPON" OF A BEARER BOND

© Michael Kitces, www.kitces.com

Mit dem Aufkommen des „modernen“ Investments und des Pensionszeitalters nach dem 2. Weltkrieg war die Strategie „Anleihen kaufen und Zinsscheine

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in diesem Jahr zu ergänzen. Für Einzelpersonen fand die Verwertung der Vermögenswerte der Anleihen selbst jedoch oftmals spontan statt, angesichts

der grundlegenden Unsicherheit des Zeithorizonts der Pensionierung.

Inflation löst eine Verlagerung zu Dividendenpapieren aus Eine der Kern-Herausforderungen der Anleihenstrategie des „Einlösens der Zinsscheine“ für das Erzielen eines Pensionseinkommens besteht darin, dass die Anleihen – insbesondere diejenigen, die im vergangenen Jahrzehnt ausgegeben wurden – schlichtweg eine „nominale” Kuponrate zahlten, die immer gleich war, unabhängig davon, wie hoch die Inflation war. Dies bedeutete, dass die Inflation im Laufe der Zeit an der Kaufkraft des Anleiheneinkommens nagen konnte und dies auch tat. Glücklicherweise waren die Inflationsraten in den 1950er- und 1960er-Jahren jedoch bescheiden. Und die meisten Menschen planten nicht unbedingt, jahrzehntelang in Rente zu leben, wodurch eine wesentliche Langzeitgefahr durch Inflation weiter begrenzt wurde. Dann schlugen die 1970er- Jahre zu und die Inflationsrate, die in den 1950erJahren nur durchschnittlich 2,0 % und in den 1960er-Jahren 2,3 % betrug, stieg sprunghaft auf 6,2 % im Jahr 1973 und dann auf den Spitzenwert von 11,0 % im Jahr 1974, wodurch die Kaufkraft der in den vorherigen Jahrzehnten gekauften Anleihen schwer beschädigt wurde. Tatsächlich betrug im Zeitraum von 1973 bis 1982 die durchschnittliche Jahreswachstumsrate der Inflation kolossale 8,7 %, wodurch die Kaufkraft der Anleihenzinsen in einem Jahrzehnt kumuliert um 57 % verringert wurde. Und gleichzeitig wurde man sich zunehmend bewusst, dass der „Ruhestand“ angesichts der immer besseren Gesundheit tatsächlich eine sehr lange Zeit dauern kann (wobei sich dann die kumulativen Auswirkungen der Inflation wirklich bemerkbar machen!). Infolgedessen verlagerte sich in den frühen 1980er-Jahren der Schwerpunkt bei den Altersvorsorge-Portfolios vom Kaufen der Anleihen und Einlösen der Zinsscheine zum Kaufen von Aktien

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Financial & Estate Planning | Praxis

Wenn ein Unternehmen beispielsweise Einnahmen in Höhe von 1.000.000 $ bei 800.000 $ Kosten generierte, die restlichen 200.000 $ als Dividenden auszahlte und die Inflation zu einer Verdopplung der Preise führte, würden die Einnahmen auf 2.000.000 $ steigen, die Kosten würden auf 1.600.000 $ springen und das Unternehmen würde 400.000 $ an Dividenden auszahlen. Das Endergebnis: Die Gewinnspannen des Unternehmens bleiben gleich, doch die durch die Inflation verdoppelten Preise sorgen dafür, dass sich die Dividenden gleichermaßen verdoppeln; somit wird es dem Dividendeninvestor möglich, seine Kaufkraft zu wahren. Und in den 1980er-Jahren passierte genau das. 1981 zahlte der S&P 500 ca. 7 $ an Dividenden (als der Index bei 133 $ lag, für eine 5,3 %-Rendite), während 1990 ca. 12,50 $ gezahlt wurden (als der Index auf 340 $ gestiegen war, für eine 3,7 %-Rendite). Letzten Endes fiel die Rendite tatsächlich, während die Aktienpreise stiegen, aber die das Geld ausgebenden Ruheständler sahen ihre als Pensionszahlung zur Verfügung stehenden Barmittel um ca. 80 % steigen (von 7 $ auf 12,50 $) und konnten somit einfach mit den Inflationsraten des Jahrzehnts mithalten (die durchschnittlich 4,7 % bzw. eine kumulative Steigerung von „nur“ 58 % betrugen). Natürlich lautete der Warnhinweis für die Dividendenpapier-Aktienstrategie für Pensionseinkommen, dass die Dividenden nicht garantiert sind und die Aktien selbst einem wirtschaftlichen Risiko unterliegen. Dies bedeutete, dass die Dividendenpapier-Strategien jener Zeit sich typischerweise auf die erstklassigen „Blue Chip“-Aktien konzentrierten, für die eine Kontinuität am wahrscheinlichsten war und die im Laufe der Zeit ihre Dividendenausschüttungen weiterhin steigern würden.

Die Hausse steigert durch Kursgewinne das Bewertungsniveau Während der 1990er-Jahre verlagerten sich die führenden Rentenstrategien erneut. Die „Herausforderung“ bestand darin, dass, auch wenn die Dividenden tatsächlich mit einer mehr als üppigen Rate stiegen, um mit der Inflation Schritt zu halten, der den Aktien zugrunde liegende Wert ebenfalls in recht beträchtlichem Maße wuchs. Wie bereits zuvor festgestellt, stiegen während der 1980er-Jahre nicht nur die Dividendenausschüttungen um 80 %, auch das Preisniveau des S&P 500 stieg um 150 %. Mit anderen Worten betrug der Kontostand des Ruheständlers

bis 8 % „angemessen“ und nachhaltig seien, wenn man die Gesamt-Ertragserwartungen der Märkte zu dieser Zeit berücksichtigt. Insbesondere wurde die Einbindung von Kursgewinnen als eine Säule der Renten-Portfolios auch deutlich durch den Rückgang bei den InvestmentTransaktionskosten unterstützt, da die Aktienhandelsprovisionen am 1. Mai 1975, noch heute als „May Day“ bekannt, dereguliert wurden. In den folgenden 20 Jahren fielen die Durchschnittskosten für die Durchführung einer Aktientransaktion um ca. 90 %, wodurch das Zugreifen auf Kursgewinne (über einen Verkauf) „beinahe“ so disponibel wurde, wie der alleinige Erhalt von Dividendenoder Zinszahlungen.

AVERAGE ONE-WAY TRANSACTION COSTS (HALF-SPREAD + NYSE COMMISSION) 1.60% 1.40% Total One-Way Costs

und Verwenden der Dividenden. Die schlechte Nachricht hinsichtlich der Dividenden war, dass die Rendite nicht so hoch war – 1982 lag die S&P 500-Dividendenrendite bei ca. 5 %, während die 10-jährigen Anleihen bei 12,5 % lagen. Die gute Nachricht lautete jedoch, dass der steigende Preis für Waren (durch die Inflation) die Gewinne der sie verkaufenden Unternehmen anhob; natürlich mussten die Unternehmen ihren Mitarbeitern in einer Umgebung mit steigender Inflation auch mehr bezahlen, das Nettoergebnis zeigte jedoch trotzdem eine beträchtliche Steigerung bei den nominalen Gewinnen.

1.20% 1.00% 0.80% 0.60% 0.40% 0.20% 0.00% 1900

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© Michael Kitces, www.kitces.com Source: Jones, Charles M., A Century of Stock Market Liquidity and Trading Costs (May 23, 2002)

am Ende des Jahrzehnts mehr als das 2,5-Fache des Kontostandes zu Beginn des Jahrzehnts, selbst dann, wenn sämtliche Dividenden während dieser Zeit ausgegeben wurden. Diese Erkenntnis, dass es notwendig ist, die Auswirkungen des Aktienwachstums und der Kursgewinne zu berücksichtigen, reformierte erneut die Denkweise in Bezug auf Renten-Portfolios. Die Verlagerung bestand darin, die Portfolios stärker ganzheitlich zu betrachten, die Verfügbarkeit von Zinsen und Dividenden sowie Kursgewinnen zu berücksichtigen, und Ausgaben auf der Basis des „Gesamtertrags“-Portfolios zu tätigen. Und die Auswirkungen waren vor dem Hintergrund des enormen Ausmaßes des Potenzials der Anlagewertsteigerung beträchtlich. Die damaligen Publikationen zum Thema Privatfinanzen schlugen routinemäßig vor, dass Ausscheideraten von 7 %

Das Grundkapital ausgeben, jedoch nicht zu bald In den Anfangszeiten einer Portfoliobasierten Rente wurde sie oftmals als Ergänzung für ein def inier tes Pensions-Sondervermögen oder für eine Rente aus der Sozialversicherung genutzt (bzw. andere einkommenserzeugende Vermögen wie Immobilien). Mit dem Rückgang des leistungsorientierten Pensionsplans und dem kometenhaften Aufstieg des Pensionsplans mit bestimmtem Einzahlungsbetrag während der 1980er- und 1990erJahre verlager te sich die Nutzung eines Vorsorgeportfolios, sodass es nicht mehr länger eine Ergänzung, sondern den Kern der Rentenfinanzierung selbst darstellte. Dies stellte die Denkweise über Rentenplanung vor eine neue Herausforderung: Wie mit dem Pensionskonto-Saldo selbst umgehen.

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Financial & Estate Planning | Praxis

In der Welt eines leistungsorientierten Pensionsplans gab es keinen Kontosaldo. Der Ruheständler erhielt Zahlungen während seines Lebens oder Zahlungen für die gemeinsamen Hinterbliebenen des Ruheständlers und seines Ehepartners, und im Todesfall hörten die Zahlungen einfach auf. Bei einem Pensionsplan mit bestimmtem Einzahlungsbetrag gab es jedoch einen Kontosaldo, der, wenn er nicht vollständig genutzt wurde, für die Erben verfügbar war. In manchen Fällen war das Potenzial, ein „Vermächtnis“ aus dem restlichen Rentenkonto-Saldo zu hinterlassen, einfach ein Geschenk für Familienmitglieder oder Wohltätigkeitsorganisationen. In vielen Fällen bestand das grundlegende Ziel des Ruheständlers jedoch darin, „das Geld für den Ruhestand zu nutzen“ – was sich nicht nur auf den Zuwachs auf dem Rentenkonto, sondern auch auf das Grundkapital bezog. Aus diesem Blickwinkel war das Rentenkonto etwas, das auszugeben und in maximaler Weise zu nutzen war; der am Ende verbleibende Saldo bedeutete versäumte Gelegenheiten dafür, wie das Geld während des Lebens hätte ausgegeben werden können. Der perfekte Rentenplan war derjenige, bei dem der letzte Scheck für den Bestatter war, und der würde nicht gedeckt sein. Selbstverständlich lautet die Herausforderung bei diesem Ansatz, dass die Ruheständler nicht unbedingt wissen, wie lange sie leben werden. Dies bedeutet wiederum, dass die Planung, den Scheck des Bestatters platzen zu lassen, riskant war, da, wenn der Ruheständler das Grundkapital zu schnell ausgab und dann „nicht zum passenden Zeitpunkt verstarb“, das gesamte Geld bereits ausgegeben wäre. Somit wurde die Nutzung des Renten-Grundkapitals ein weiterer Teil des Balanceakts – ein zu schnelles Ausgeben würde zu einer Katastrophe führen, aber nicht alles auszugeben wäre auch eine „Verschwendung“.

Koordinierung der vier Säulen der Renten-Kapitalflüsse Letztlich bilden diese Komponenten – Zinsen, Dividenden, Kursgewinne und Grundkapital – die vier Säulen für die Planung des Renteneinkommens. Wie bereits zuvor angemerkt, machen die immer geringer werdenden Transaktionskosten das Ausgeben von Zinsen und Dividenden bzw. deren Neuinvestition und dafür eine Realisierung von

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Kursgewinnen aus einer anderen Investition oder sie investiert zu lassen und Gelder aus dem Grundkapital auszugeben vergleichbar … mit anderen Worten sind die vier Säulen des Renteneinkommens zunehmend ersetzbar und austauschbar geworden und lassen sich von Jahr zu Jahr je nach Bedarf verlagern, um das Rentenziel zu finanzieren.

von Rentenkonten zu optimieren, ist komplett eigenständig, einschließlich der Festlegung, wann steuerpflichtige im Vergleich zu Vorsteuer- (IRA) im Vergleich zu steuerfreien (Roth) Konten anzugreifen sind, des korrekten Anlagenstandorts verfügbarer Investmentanlagen in den verschiedenen Arten der Rentenkonten sowie fortlaufender

THE FOUR PILLARS OF RETIREMENT INCOME

© Michael Kitces, www.kitces.com

Tatsächlich werden sich Verwertungen von Vermögenswerten aus dem modernen Renten-Por tfolio wahrscheinlich innerhalb aller vier Säulen von Jahr zu Jahr sowie von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verlagern. In manchen Jahren sind die größten treibenden Kräfte des Gesamtertrags die Zinsen und Dividenden, die sich nehmen und ausgeben lassen. In anderen Jahren bedeutet eine Hausse großzügige Kursgewinne, die sich stattdessen für Rentenausgaben als Vermögenswerte verwerten lassen, insbesondere in Zeiten geringer Renditen aus Zinsen und Dividenden. In „schlechten“ Jahren kann es eher wünschenswert sein, das Grundkapital anzuzapfen, um den Rest des Portfolios in Aussicht auf eine erhoffte zukünftige Wende investiert zu lassen. Tatsächlich kann eine Diversifizierung über die vier Säulen des Renteneinkommens eine hocheffektive Art und Weise sein, sich gegen potenzielle Stressfaktoren zu schützen, die einen Rentenplan nachteilig beeinflussen können. Es ist insbesondere entscheidend zu erkennen, dass nicht das gesamte Pensions- „Einkommen“ tatsächlich ein steuerpflichtiges Einkommen darstellt. Der Prozess, um die steuerlich effiziente Verwertung von Vermögenswerten

steuereffizienter Strategien wie der Zeitpunkt für die Ernte der Kursgewinne und -verluste sowie das Beanspruchen von systematischen partiellen RothKonversionen. Denkt man an ein Renten-Portfolio, ist es wohl tatsächlich besser, wenn man daran im Sinne der „Renten-Kapitalflüsse“ und nicht als ein Pensionseinkommen denkt, da das, was das „Einkommen“ für Investitionszwecke darstellt (Zinsen und Dividenden, jedoch nicht das Grundkapital) sich von dem unterscheidet, was das „Einkommen“ für steuerliche Zwecke darstellt (da Zinsen und Dividenden von einem Roth-Rentenkonto steuerfrei sein könnten, während der Grundbetrag voll steuerpflichtig sein kann, wenn er von einem Vorsteuer-Rentenkonto entnommen wird). Mit anderen Worten: Auch wenn es erforderlich ist, die steuerliche Behandlung des Einkommens zu betrachten (und dies optimiert werden kann), besteht letztlich der Zweck des Renten-Portfolios darin, den Geldfluss auf einer Basis der Gesamterträge zu generieren, um den Bedarf des Ruheständlers für seine Ausgaben zu erfüllen, unabhängig davon, ob dieser vom Steuergesetz als „Grundkapital“, „Einkommen“, „steuerpflichtig“ oder „steuerfrei“ bezeichnet wird.

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Risiken des herkömmlichen „Einkommens“-Ansatzes Unbeschadet einer Verlagerung bei der Betrachtungsweise und Forschung zum Pensionseinkommen aus Portfolios im Laufe der Jahre ist es bemerkenswert, dass sich ein beträchtliches Segment der Renten-Investoren immer noch auf einen „traditionellen“ einkommensbasierten Ansatz für Renten mit einem Schwerpunkt auf eine Investition für Zinsen und Dividenden konzentriert. Wie bereits zuvor angemerkt, besteht die erste Herausforderung dieses Ansatzes darin, dass er die anderen beiden Säulen der Kursgewinne und des Grundkapitals völlig ignoriert. Auch wenn einige einfach argumentieren könnten, dass der Umstand, das Grundkapital unangetastet und die Kursgewinne einen Bonus erzeugen zu lassen, schlicht dem Grundsatz der Vorsicht entspricht, führt das enorme Ausmaß ihres Potenzials die Gefahr ein, dass der Ruheständler drastisch weniger im Verhältnis zu dem Lebensstil ausgibt, den man sich mit dem Portfolio leisten könnte. Wie besehen lässt sogar ein Gesamtertragsansatz eine hohe Wahrscheinlichkeit offen, das Grundkapital bis zum letzten Jahrzehnt des Ruhestands unangetastet zu lassen. Die Situation wird jedoch im heutigen Umfeld aufgrund des niedrigen absoluten Niveaus der Renditen, einschließlich sowohl Dividendenrenditen als auch Anleihen-Zinsraten, deutlich verkompliziert. Dies wiederum kann die Ruheständler veranlassen „sich nach Renditen auszustrecken“, was typischerweise eine Risikosteigerung zur Folge hat, da die Anleihen-Investoren entweder Obligationsanleihen (steigendes ZinssatzRisiko) oder Anleihen geringerer Qualität (steigendes Ausfallrisiko) kaufen müssen, um mehr Rendite zu erzielen. Ähnlich suchen Aktien-Investoren nach besseren Renditen, indem sie sich auf die Aktien mit der höchsten Dividendenausschüttung konzentrieren, was üblicherweise zu einer Konzentration des Portfolios auf schmale Sektoren führt, was wiederum neue Risiken mit sich bringt; schließlich waren Finanzprodukte Mitte der 2000er Jahre der Sektor mit den höchsten Dividendenausschüttungen (bis dies durch Aufkommen der Finanzkrise im Jahr 2008 endete!). Im heutigen Umfeld sind die Sektoren mit Spitzendividenden auch Energieversorger und Grundmaterialien (Energie), die inzwischen beide Warnungen auf

sich ziehen, da die Bewertungen sich historisch niedrigen Niveaus nähern. Mittlerweile ist der S&P 500 seit dem Markttief im Jahre 2009 um über 200 % gestiegen, da die Investoren sich um Renditen in Anleihen und Dividendenpapieren bemühen. Doch wieder geht es eigentlich tatsächlich darum, sich auf (alle) vier Säulen des Renten-Einkommens zu stützen. Man muss nicht unbedingt wissen, welche Anlage Jahr für Jahr die gewünschten Ergebnisse erzielen wird; eine Diversifizierung bietet Ihnen jedoch die beste Möglichkeit, sie überhaupt zu erzielen, ohne ein übermäßiges Risiko oder eine Portfolio-Konzentration in dem Streben nach Renditen einzugehen.

Michael E. Kitces, MSFS, MTAX, CFP®, CLU, ChFC, RHU, REBC, CASL, ist Herausgeber des “The Kitces Report” und Blogger des “Nerd‘s Eye View”. Außerdem ist er Partner und Director of Research der Pinnacle Advisory Group in Columbia, Maryland.


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Finanzplaner im Interview mit Christian Hirschbolz

Beschreiben Sie bitte Ihre Tätigkeit und Ihr Unternehmen. Christian Hirschbolz: Ich bin als Finanzplaner für das Bankhaus Donner & Reuschel tätig und erstelle – je nach Kundenbedarf –  vollständige Finanzpläne oder Themenpläne. Im weiteren Verlauf begleite ich den jeweiligen Kundenberater bei der Umsetzung. Daneben bildet die Vermögensnachfolgeberatung einen Schwerpunkt meiner Tätigkeit. Hier steht die Erstellung eines Plans oft weniger im Vordergrund. Es geht eher um eine Begleitung oder Moderation, untermauert von der einen oder anderen Kalkulation.

Christian Hirschbolz ist CFP® beim Bankhaus Donner & Reuschel

Insgesamt sind wir in der Bank sechs Kolleginnen und Kollegen, die als Finanzplaner in Beraterteams eingebettet sind. So sind wir auch regelmäßig in Beratungstermine eingebunden, ohne dass es gleich um die Erstellung eines Finanzplans geht. Welche Kundengruppe beraten Sie schwerpunktmäßig? Christian Hirschbolz: Die meisten unserer Kunden sind unternehmerisch

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beziehungsweise selbstständig tätig oder haben zumindest einen entsprechenden Hintergrund. Was sind Ihre Beratungsschwerpunkte? Christian Hirschbolz: Finanzielle Strategien für Privatvermögen und für die Vermögens- respektive Unternehmensnachfolge. Außerdem landen regelmäßig steuerliche, familien- oder gesellschaftsrechtliche Fragen bei mir, für die ich ein inzwischen ganz gut entwickeltes Netzwerk nutze. Wie stellt sich Ihre Vergütung dar? Christian Hirschbolz: Erstgespräch und Datenerhebung bieten wir kostenfrei an. Für die weitere Beratung beziehungsweise für die Finanzplanung vereinbaren wir im Vorfeld ein festes Honorar. Dürfen wir die Finanzplanung mit dem Kunden umsetzen, bieten wir provisions- und honorarbasierte Vergütungsmodelle an. Welche Software setzen Sie ein? Christian Hirschbolz: Für die Finanz-

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planung nutzen wir Gschwind-Software. Damit bin ich sehr zufrieden. Welche Literatur lesen Sie und welche empfehlen Sie den Lesern des Magazins? Christian Hirschbolz: Im Wesentlichen die übliche Fachliteratur für Finanzplaner – nicht zuletzt das sehr lesenswerte FINANCIAL PLANNING Magazin und die ESTATE PLANNING INSIGHTS. Sehr gern lese ich auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung wegen ihres sehr guten Finanzmarktüberblicks und da sie regelmäßig lesenswerte Artikel zu Steuern, Recht und Finanzplanung bietet. Für Bücher habe ich leider nur im Urlaub Zeit. Zuletzt habe ich „Der begrabene Riese“ von Kazuo Ishiguro gelesen, einen unterhaltsamen, aber auch sehr nachdenklich stimmenden Roman eines wunderbaren Autors. Welche Fortbildungen und Netzwerke nutzen Sie und warum? Christian Hirschbolz: Mich weiterzuentwickeln und fortzubilden, ist mir sehr wichtig. Und ich schätze es sehr, dass der CFP® dies auch so vorsieht, und versuche daher, meine Credits wirklich breit gefächert zu sammeln.

Ein Fixpunkt ist für mich der Münchner Finanzplanertag des network financial planner e.V., der jährlich bei Donner & Reuschel stattfindet. Und die eine oder andere Veranstaltung in Frankfurt, da ich dort einige Jahre gelebt habe. So kann ich auch noch ein paar Kontakte zu ehemaligen Kollegen pflegen. Welche Ausbildung(en) haben Sie? Christian Hirschbolz: Neben dem CFP® und der Ausbildung zum Finanzökonom habe ich eine Ausbildung zum Immobilienverwalter absolviert. Was macht für Sie einen guten Finanzplaner aus? Christian Hirschbolz: Er ist offen und kann sehr gut zuhören. Gut ist, wenn er kreativ ist und überzeugende Ideen hat. Auf jeden Fall sollte er gut moderieren können und die überwiegend trockenen Aussagen der Finanzplanung so übersetzen, dass der Kunde etwas damit anfangen kann. Was wünschen Sie sich für die Zukunft an Unterstützung und Weiterentwicklung? Christian Hirschbolz: Eigentlich denke ich, dass ich für mein Glück und

meine Zukunft selbst verantwortlich bin. Ich wünsche mir möglichst viele Menschen, die erkennen, dass Finanzplanung glücklich macht. Welche Hobbys haben Sie? Christian Hirschbolz: Finanzplanung ist wohl mein wichtigstes Hobby, zumindest wenn ich mir ansehe, womit ich meine Zeit so verbringe. Und sie begleitet mich nun seit 17 Jahren, in denen ich Lösungen erarbeiten, Perspektiven aufzeigen oder interessante Entscheidungen unterstützen konnte. Das empfinde ich als großes Geschenk und es ist für mich spannend. Daneben gilt meine Leidenschaft dem Fußball, vor allem dem großartigen Verein aus dem Süden Deutschlands, der von vielen geliebt wird. Genauso gern bin ich in meiner Freizeit mit meiner Familie zusammen und mache Sport. Ich habe früh mit Ausdauersportarten angefangen und konnte auch schon ein paar MarathonWettbewerbe meistern. Je nach Jahreszeit und Gelegenheit kann man mich auch beim Windsurfen, Skifahren oder Biken treffen. Vielen Dank für das Gespräch.

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Aktienkultur ist Beratungsund Kommunikationskultur von Janko Laumann

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ie Meinungen zur Aktienkultur in Deutschland gehen weit auseinander. So stehen die Kommentare „Wie Draghi die deutsche Aktienkultur rettet“ (Handelsblatt 22.11.2014) oder jener, dass Deutschland von einer Aktienkultur wie in anderen Industrienationen noch weit entfernt sei (Deutsches Aktieninstitut 2016), beispielhaft für ein sehr diffuses und zumeist umsatzdefiniertes Aktienkulturverständnis. Aber gibt es eine Kultur, die umsatzabhängig ist? Auffällig ist, dass das Wort „Aktienkultur“ phasenweise in Deutschland verwendet wird. Werden mehr Aktien von Privatanlegern gekauft, so ist diese Kultur „ausgeprägt“, „gut“ oder hat sich sogar „etabliert“. Ist dies nicht der Fall, dann ist die Aktienkultur „entwicklungsbedürftig“ und bedarf sogar staatlicher Hilfen. Eine so kommunizierte Form der Aktienkultur hat einen zeitlichen Rahmen, denn spätestens bei den ersten Kursrückgängen findet sie ein jähes Ende. Was kann getan werden? Oder besser: Wer kann die Einstellung von Privatanlegern zu Aktieninvestments beeinflussen?

Aktie und Kultur Der Begriff „Kultur“ stammt ursprünglich sehr wahrscheinlich aus der Landwirtschaft oder aus den frühen Zeiten des Ackerbaus. Heute wird Kultur sehr weit gefasst und bezeichnet mit vielen Facetten das, was uns umgibt, und sie ist, wie sie ist. Das gilt für die Definition einer Ernährungskultur ebenso wie für die Definition einer Unternehmenskultur. So bleibt also festzustellen, dass es eine Aktienkultur in Deutschland gibt, auch wenn diese mit phasenweise geringen oder hohen Umsätzen bei Privatanlegern einhergeht. Zu bedenken ist, dass auch das Verneinen des Bestehens einer Aktienkultur dazu beiträgt, dass sich

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ein bestimmtes Kultur- und damit auch Entscheidungsverhalten entwickelt und manifestiert. Ein Blick auf die jüngere Spargeschichte verrät uns, dass es mit der Einführung des Vermögensbildungsgesetzes in den 1960er-Jahren erste Überlegungen und Entscheidungen gab, etwas dafür zu tun, um Privatanleger am Produktivkapital in Form von Aktien zu beteiligen. Und heute? Es gibt das Vermögensbildungsgesetz noch, die Förderung wird aber nicht nur für Aktien, sondern auch für andere Anlageformen gezahlt. Und schon war und ist die Aktie als zu fördernde Beteiligung am Produktivkapital nicht mehr ganz so wichtig, also eben nicht „alternativlos“. Selbst in der andauernden Nullzinssituation verhallt der Ruf nach einer steuerlichen Besserstellung von Aktieninvestments durch Vertreter der Finanzbranche nicht. Der permanente Ruf nach staatlicher Förderung, nach steuerlicher Unterstützung erreicht nicht nur die Ministerien, sondern auch potenzielle Privatanleger. Das Gefühl, der Eindruck, dass die Aktienanlage allein nicht attraktiv genug zu sein scheint, kann nur schwer vermieden werden und ist einer Anlageentscheidung nicht oder nur schwer dienlich.

Aktie und Marketing Es reicht ein Blick auf das Marketing der Finanzinstitute, um festzustellen, dass die Aktie kaum, nur phasenweise oder nur am Rand der Marketingkommunikation zu finden war und ist. Eine für Kunden leicht erlebbare Aktienkultur gibt es nicht. Die Aktie ist und bleibt eine Randmöglichkeit der Vermögensanlage und wird erst in Zeiten niedrigster Zinserträge für „alternativlos“ erklärt. Wenn die Aktie für Privatanleger nur als letzte Alternative in zinslosen Zeiten erlebbar

ist, dann wird die Zurückhaltung oder auch Ablehnung der Privatanleger verständlich. Wer investiert sein Vermögen gern in einen „Notnagel“? Die Veröffentlichung von Bilanz- und Absatzzahlen wird gern genutzt, um nicht nur ebendiese, sondern auch das Verhalten von Privatanlegern zu analysieren. Und leider basiert die dann folgende Analyse erstens oft auf einem Vorwurf („Du willst kein Risiko“, „Dein Finanzwissen ist lückenhaft“) und zweitens auf einem Müssen („Du musst Aktien haben“, „Du musst vorsorgen“). Im normalen Leben ist eine solche Strategie zur Befähigung einer anderen Person wenig zielführend und sollte vermieden werden. Ja, die Ergebnisse aktueller und vergangener Befragungen von Privatanlegern decken vermeintliche Schwachstellen im Anlageverhalten dieser auf. Ist es auch vorstellbar, dass sich Anleger weniger von den Ergebnissen betroffen fühlen, wenn sie sehen, dass sich sehr viele andere wie sie selbst verhalten? Können sich die publizierenden Organisationen, Verbände und Banken vorstellen, dass die permanenten Hinweise auf das aktuelle Anlegerverhalten den Herdentrieb und somit das Vermeidungsverhalten ihrer Kunden bezüglich der Aktienanlage verstärken? Warum wird permanent Finanzbildung vom Privatanleger eingefordert, wenn doch in Verbrauchertests auch die Beratungsleistungen der Finanzdienstleister Qualitätslücken aufweisen?

Aktie und Regulatorik Es kann nicht ausgeblendet werden, dass die aufsichtsrechtlichen und gesetzgeberischen Eingriffe und Vorschriften in und für die Aktienanlageberatung absatzdämpfende Einflüsse haben. Das Beklagen dieser Entwicklung und der damit verbundenen Auswirkungen auf

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die Beratungsdienstleistung ist aber wenig zielführend. Setzt sich der unter Finanzdienstleistern und Banken weit verbreitete Frust über die Protokollpflichten fest, wird die Aktie zur „Notlösung“ in der Niedrigzinsphase, welche mit einem hohen Beratungsaufwand verbunden ist. Wenn eine Aktien- oder Aktienfondsanlage unsicher erscheint und darüber hinaus auch noch viel Arbeit verursacht, dann wählt sie ein Privatanleger eher nicht. Regulierung schafft Spezialisierung und Spezialisierung schafft Professionalisierung. Kunden wollen und verdienen Anlageberatungsprofis!

Aktie und Beratung Die Rahmenbedingungen für die Beratung bei Aktien und Aktienfonds sind für den Berater und Privatanleger anspruchsvoll. Das der Aktie oder einem Aktienfonds anhaftende Image einer nicht kalkulierbaren Risiko- und/oder Spekulationsanlage und der erhöhte Beratungsaufwand lassen vermuten, dass beides schwer zu verbinden ist. Eine Schlüsselrolle zur Lösung kann den Anlageberatern zukommen. Warum und wie kann es ihnen gelingen?

1. Mehr Anlagegleichstellung wagen Aufgrund des beschriebenen Umfeldes kann in der Beratung beobachtet werden, dass der Aktie beziehungsweise dem Aktienfonds ein mentaler „Sonderstatus“ eingeräumt wird. Dieser resultiert unter anderem aus Erfahrungen und der bestehenden, wahrgenommenen Aktienkultur, welcher man sich nur sehr schwer entziehen kann. Da unsere Wahrnehmung sehr fein ist und präzise funktioniert, werden auch kleinste Regungen und erst recht Unsicherheiten vom Gegenüber wahrgenommen. So wie die Vorbehalte von Privatanlegern spürbar sind, kann ein Privatanleger auch die Vorbehalte seines Beraters erleben und spüren. Eine zustimmende Anlegerentscheidung rückt bei solchen Wahrnehmungen in weite Ferne. Nur wenn Berater akzeptieren, dass Aktien respektive Aktienfonds Anlagelösungen wie viele andere auch sind und dieses Selbstverständnis vom Anleger ehrlich erlebbar ist, wird eine Aktienanlage

wahrscheinlicher. Sicherheit ist ein gutes Gefühl und wird vom Berater – und nicht von der Anlagelösung – vermittelt. Die wahrgenommene Gleichheit der möglichen Anlageformen kann eine Anlageentscheidung vereinfachen und das Beratungsgespräch entspannen.

2. Komplexitäts- und Risikoreduktion durch intensivere Kommunikation Mit der Entscheidung für die Anlagelösung Aktie oder Aktienfonds steigt auch die Verantwortung für Anlageberater. Wie die Entscheidung für die Aktie oder einen Aktienfonds ist auch der Umgang mit dieser „neuen“ Anlageform für viele Privatanleger nicht selbstverständlich. Der Kauf von Aktien beziehungsweise Aktienfonds beinhaltet in Zeiten stärker schwankender Märkte einen Verwahrund darüber hinaus auch einen Kommunikationsauftrag. Je höher der Anteil dieser Anlageklasse ist, umso öfter sollte auch mit dem Anleger kommuniziert werden. Kommunikation schafft Verständnis und Sicherheit!

Aktienkultur – ein Ausblick Wir haben in Deutschland eine Aktienkultur. Aber wer die Aktie über Jahrzehnte zu einer geduldeten Notlösung verkommen lässt, darf sich in Zeiten von Nullzinsen nicht über die erlebbaren Konsequenzen im Anlegerverhalten beschweren.

von Privatanlegern richtigerweise auf. Vorhaltungen und Vorwürfe gegenüber Privatanlegern entfallen ersatzlos. Dafür werden deren Ängste und Empfindungen akzeptiert, die Beratungsdienstleistung und Risikokommunikation wird dem Verhalten der Privatanleger angepasst. Das bedeutet mehr Anlegertermine oder -kontakte, mehr Aktivität mit den Privatanlegern und folglich ein Mehr an Kontrolle. Für Privatanleger wächst über die Kontrolle die Sicherheit. Und Sicherheit ist ein gutes Gefühl. Nur ohne Vor wür fe, ohne „Muss“ und mit einer wirklich kundenorientierten Beratungsdienstleistung und Risikokommunikationsstrategie wird die Aktie ein Anlagebaustein wie jeder andere auch. Liebe Leserinnen und Leser, die Digitalisierung ändert die im Artikel beschriebene Situation nicht. Es ist auch keine Aufgabe der Politik, hier etwas Förderndes zu tun. Es geht viel einfacher: Eine positiv erlebbare Aktienkultur ist eine Frage der Anlageberatungskultur. Ein Aktienbaustein konnte und kann immer zu einer objektiven Anlagelösung dazugehören. Denken Sie daran – mehr Mut schafft mehr Rendite!

Das Verhalten von Privatanlegern ist im täglichen Leben und auch bei der Vermögensanlage einfach und überlebenssichernd geregelt.

1.

enschen verhalten sich bevorzugt M wie die Mehrheit ihrer Artgenossen. Das schafft Sicherheit und erhöht die Überlebenschancen.

2. M enschen müssen gar nichts. Erst

recht nicht, wenn bei eigenem Unvermögen keine oder nur wenig uneigennützige Hilfe von anderen zu erwarten ist.

3. „ Alternativlos“ gibt es nicht. Und nun? Versuchen wir es doch einmal damit. Befragungen und Verhaltensanalysen decken das aktuelle Verhalten

Janko Laumann M. A. (Wirtschafts- und Organisationspsychologie), Dipl.-Bankbetriebswirt, Leiter, Institut für angewandte Finanzpsychologie

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Kolumne

Ein Jahr politischer Risiken – aber ökonomischer Chancen von Dr. Martin Lück

Dr. Martin Lück, Managing Director, Chief Investment Strategist für Deutschland, Österreich und Osteuropa bei BlackRock

D

ie Weltwirtschaft ist gegenwärtig von zwei großen Trends geprägt. Der erste ist eine Verbesserung der ökonomischen Bedingungen, und zwar gleichzeitig in mehreren Teilen der Welt. Der zweite ist eine Ballung von Politikrisiken infolge immer stärkeren Einflusses populistischer Parteien und damit eine Drohkulisse kaum berechenbarer, möglicherweise heftiger Rückschläge an den Finanzmärkten. Gerade aus Sicht europäischer Assets hat sich das Potenzial der ökonomischen Erholung noch nicht einmal voll entfaltet, denn die Gefahr von Kurseinbrüchen infolge unerwünschter Wahlergebnisse in Europa ließ viele Investoren, besonders außerhalb von Europa, zunächst in Wartestellung bleiben. Nun, nachdem auch die Präsidentschaftswahl in Frankreich hinter uns liegt, dürften sich die dunklen Wolken verziehen. Es lohnt sich, zunächst einen genaueren Blick auf die Aufhellung des wirtschaftlichen Hintergrundes zu werfen. Hier sind nämlich mehrere Elemente am Werk, die zusammen eine potente Mischung ergeben. An erster Stelle ist zu nennen, dass sich das Wachstum in

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großen Volkswirtschaften zur gleichen Zeit beschleunigt. Der Optimismus bezüglich beschleunigten Wachstums ist somit keineswegs nur eine Konsequenz sehr optimistischer Erwartungen infolge der neuen US-Regierung. Im Gegenteil: Hier sind eher noch die meisten Zweifel angebracht. Dagegen ist es recht gut absehbar, dass das europäische Wachstum in diesem Jahr eher ein bisschen stärker ausfallen wird als im Vorjahr, ganz im Gegensatz zu den Einschätzungen noch vor wenigen Monaten. Statt sich auf 1,4 bis 1,5 Prozent zu verlangsamen, dürfte Europa in diesem Jahr eher in der Größenordnung von 1,6 bis 1,7 Prozent wachsen – eine signifikante Verbesserung der Aussichten. Auch in Asien steht eine Wachstumsbeschleunigung auf der Agenda. Japan dürfte dieses Jahr im Schnitt um rund 1 Prozent wachsen, gut doppelt so stark wie im Vorjahr. Und sogar in China, wo uns die Behörden noch vor Kurzem auf eine moderate Verlangsamung (von 6,7 auf 6,5 Prozent) eingestellt haben, stehen die Zeichen eher auf zunehmende Dynamik. Es ist eine breit angelegte, geradezu synchron verlaufende Wachstumsbelebung, die wir konstatieren. Dazu kommt, vielleicht sogar noch wichtiger, der graduelle Rückgang der Inflation. Es mag verfrüht sein, auf breiter Front die Normalisierung der Preise zu feiern, denn die Inflationsrate hat vor allem in den USA ihre Zielmarke wieder erreicht, während sie in Europa und Japan noch viel zu niedrig ist. Die wichtigste Verbesserung besteht auch gar nicht so sehr darin, dass schon wieder alles im Normalzustand ist, sondern dass wir zunehmend optimistisch sein dürfen, diesen Zustand auf Sicht wieder zu erreichen. Oder anders ausgedrückt: Die wesentliche Veränderung gegenüber der jüngeren Vergangenheit besteht darin, dass wir zum ersten Mal seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr das Abgleiten in ein Deflationsszenario befürchten müssen. Die Schlacht gegen die „Japanisierung“ der industrialisierten Welt scheint ge-

wonnen, auch wenn es noch Jahre brauchen mag, bis sich die Inflationsraten wieder normalisiert haben. Dieser positive Ausblick wird bis dato von politischen Risiken überlagert. Es ist eine Kombination von geopolitischen Unsicherheiten wie dem Syrienkrieg, der ungelösten Konfliktsituation in der Ukraine sowie der Bedrohung aus Nordkorea einerseits und des zunehmenden Einflusses populistischer Parteien in der industrialisierten Welt andererseits. Die gute Nachricht ist nun, dass sich die letztgenannten Risiken etwas weniger bedrohlich präsentiert haben. Nach den unerwarteten Ausgängen des BrexitReferendums und der US-Wahl hatte ja zu befürchten gestanden, dass auch wesentliche Wahlen in Europa, darunter die Parlamentswahl in den Niederlanden und die Präsidentschaftswahl in Frankreich, von Populisten gewonnen werden könnten. Viele Anleger hielten sich angesichts der absehbar negativen Auswirkungen für die entsprechenden Regionen, in diesem Fall also Europa, mit Investments zurück. Nun, nach dem Ende der populistischen Bedrohung sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden, öffnet sich der Blick auf die ökonomische Vorteilhaftigkeit. Beispielsweise sind europäische Aktien günstiger bewertet als amerikanische, und nun, nach dem Wegfall der politischen Risiken, dürfte gerade die Bereitschaft außereuropäischer Anleger zurückkehren, in diese Assets zu investieren. Unter dem Strich bleibt somit der Ausblick für den weiteren Jahresverlauf positiv. Zwar bleiben viele Unwägbarkeiten auf dem Zettel, angefangen bei den tatsächlichen Leistungen der neuen USRegierung bis zum immer noch beachtlichen Berg von Problemen in Europa, doch die als schwierig erwarteten ersten Monate dieses Jahres dürften die Märkte hinter sich haben. Damit ist der Weg frei für weiter steigende Aktienkurse und eine fortschreitende Normalisierung des Fixed-Income-Umfeldes.

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Kolumne

Kapitaleinkommen: Dividenden von Hans-Jörg Naumer

D

ie Dividendensaison nimmt wieder einen guten Lauf. Insbesondere europäische Unternehmen zeigten sich im internationalen Vergleich ausschüttungsfreundlich. So lag deren Dividendenrendite Ende 2016 marktweit bei durchschnittlich circa 3,5 Prozent (Basis: MSCI Europe). Durch eine Fokussierung auf dividendenstarke Titel ließ sich die zu erwartende Dividendenrendite im Portfolio weiter erhöhen.

kanischen Aktien, deren Unternehmen eine Dividende zahlten, gegenüber Aktiengesellschaften, die keine Gewinne ausschütteten, seit 1972 geringer war. Eine Analogie ist auch für europäische Dividendentitel seit den 1990er-Jahren erkennbar.

Aber auch in anderen Regionen liegt die Dividendenrendite zum Teil deutlich über den Renditen von 10-jährigen Staatsanleihen. Ganz vorn mit dabei sind Unternehmen aus den Euroländern Italien, Portugal und Spanien, was sich aus der noch immer bestehenden niedrigen Bewertung dieser Märkte erklärt.

1.

Dividendenpapiere – Stabilität fürs Depot

2.

Gleichzeitig ist zu beobachten, dass Dividenden dem Depot zu mehr Stabilität verhelfen können. Vor allem Investoren europäischer Aktien konnten sich in der Vergangenheit über hohe Ausschüttungssummen freuen. Diese halfen auch, die Gesamtperformance in Jahren negativer Kursentwicklungen zu stabilisieren. Dividenden konnten Kursverluste teilweise oder sogar ganz kompensieren. Über den gesamten Zeitraum wurde die annualisierte Gesamtrendite der Aktienanlage für den MSCI Europe zu ungefähr 38 Prozent durch den Performancebeitrag der Dividenden getragen. Doch nicht nur die Dividenden selbst können für mehr Stabilität bei Aktieninvestments sorgen. Dividendenstarke Aktien scheinen sich mit weniger deutlichen Schwankungen zu entwickeln als Aktien von Firmen mit geringeren Dividendenzahlungen. Das zeigt zumindest der Blick in den Rückspiegel am Beispiel der USA, wo die längsten Zeitreihen verfügbar sind. Deutlich wird dabei, dass die Volatilität (gemessen an der 36 Monate rollierenden Standardabweichung als Maß für die Kursschwankungen) von US-ameri-

Ursachen für die Wert- und Kursstabilität von Dividendenaktien können unter anderem folgende sein: Die Dividendenpolitik ist häufig aktiver Bestandteil der Unternehmensstrategie. Die Dividende hat einen außerordentlich starken Signaleffekt. Dividendenkürzungen oder -ausfälle werden vom Markt sehr negativ bewertet, da sie Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens schüren. Ein Vergleich von Dividenden und Gewinnen der Indexmitglieder des S&P 500 seit 1956 zeigt, dass die Unternehmensgewinne weitaus größeren Schwankungen unterworfen waren als die Dividenden. Insbesondere in den letzten 10 Jahren war die Volatilität der Gewinne mit annualisiert fast 60 Prozent deutlich größer als die Schwankungen der Dividenden mit knapp 6 Prozent per annum.

3.

Unternehmen disziplinieren sich tendenziell durch hohe Ausschüttungen sowie dem Bestreben, diese wegen der Signalwirkung zuverlässig und kontinuierlich zu leisten. Sie müssen mit ihren finanziellen Ressourcen umsichtig haushalten und diese effizient verwenden.

4.

Unternehmen mit hoher Dividendenrendite verfügen zumeist über gesunde Bilanzrelationen mit relativ hohem Eigenkapitalbestand und stabilen Cashflows.

Der Blick nach vorn: Wie nachhaltig sind Dividenden? Die Lehren der Vergangenheit müssen allerdings mit der zukünftig zu erwartenden Entwicklung geerdet werden. Folgende Faktoren sprechen im aktuellen Marktumfeld für stabile, wenn nicht sogar steigende Dividendenrenditen:

1. Während in Europa das Verhältnis von ausbezahlter Dividende zum Gewinn je Aktie mit derzeit etwa 80 Prozent deutlich über dem Vorkrisenniveau liegt, ist die Ausschüttungsquote in den USA und in Asien mit circa 50 Prozent und knapp 45 Prozent moderater. Der Spielraum für zukünftige Dividendenerhöhungen bleibt somit für die Unternehmen in diesen Märkten bestehen. 2. Unternehmen verfügen derzeit über

einen hohen Bestand an frei verfügbaren Mitteln (Cashflow). Beispielsweise liegt der Netto-Cashflow der US-Unternehmen in Relation zum USBruttoinlandsprodukt bei 12 Prozent. Er nähert sich damit seinem Höchststand von 2011.

3. Beim Gewinnausblick für 2017 über-

wiegen die Unterstützungsfaktoren gegenüber den Belastungsfaktoren. In den USA sollten sich bei den Gewinnen unter anderem die Erholung im Energiesektor, die zu erwartenden Steuersenkungen und die Ausgabenprogramme bemerkbar machen. Belastend dagegen wirken die Aufwertung des US-Dollar und der Margendruck infolge steigender Lohnstückkosten. Die Firmen in der Europäischen Union dürften ebenfalls, wenn auch nur mittelbar über die konjunkturelle Lage, von dem US-Fiskalstimulus profitieren – sowie von der Erholung im Energie- und voraussichtlich auch im Bankensektor. Belastend sollte die politische Unsicherheit wirken. Die Consensus-Schätzungen der Analysten bezüglich der Gewinnsteigerungen dürften dabei nicht ganz erreicht werden.

4. Da im Kontext der Geld- und Geopo-

litik eine erhöhte Volatilität zu erwarten ist, sollten Dividenden ihre Funktion als Stabilitätsanker ausspielen können. In der Gesamtsicht zeigt sich: Dividenden können per Kapitaleinkommen einen Ausweg aus dem Niedrigzinsumfeld bieten.

Hans-Jörg Naumer ist Head of Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer – Eine Gefahr für den Mittelstand? von Dr. Lutz Schmidt

Welchen Rahmen setzt das neue ErbStG? Die gute Nachricht zuerst: Unternehmer genießen auch zukünftig noch gewisse erbschaft- und schenkungsteuerliche Vorteile. Die schon bislang bestehende steuerliche Zäsur zwischen nichtbegünstigtem Vermögen – insbesondere Privatvermögen – und begünstigungsfähigem Vermögen – insbesondere bestimmtes unternehmerisches Vermögen – bleibt auch im neuen Recht bestehen. Diese Unterscheidung bezweckt dabei nicht etwa den Schutz des Erben oder des Beschenkten, sondern den Schutz des übertragenen Unternehmens und insbesondere der Arbeitsplätze.

Dr. Lutz Schmidt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

D

as deutsche Erbschaftsteuerund Schenkungsteuergesetz (ErbStG) steht seit jeher auf verfassungsrechtlich wackeligen Beinen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in 2014 zwischenzeitlich seine dritte Entscheidung zur (Nicht-)Verfassungsmäßigkeit des ErbStG getroffen hatte, war der Gesetzgeber nunmehr um eine „minimalinvasive“ Reform bemüht. Der erhoffte gesetzgeberische große Wurf blieb daher aus. Es ist damit zu rechnen, dass das neue ErbStG erneut verfassungsgerichtlich überprüft werden wird. Das neue Gesetz wird im Einzelfall – zum Beispiel bei Unternehmen mit gefüllten „Kriegskassen“, bei stark fremdfinanzierten Unternehmen, bei Handelsunternehmen und generell bei größeren, wertvollen Unternehmen – zu massiven, teils konfiskatorischen Steuerzugriffen führen. Gerade der deutsche Mittelstand wird sich auf ganz erhebliche Verschlechterungen einstellen müssen.

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Begünstigungsfähig sind wie schon bislang (inländisches) land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen und Beteiligungen an gewerblichen und freiberuflichen Gesellschaften sowie Anteile an Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland, wenn der Erblasser oder Schenker die 25-prozentige Mindestbeteiligungsquote erfüllt. Gestaltungshinweis: Diese Zäsur eröffnet steuerliche Gestaltungsspielräume, um an sich nichtbegünstigtes (Privat-)Vermögen in begünstigtes (Betriebs-)Vermögen zu überführen. Wer Geld oder Wertpapiere überträgt, wird nicht begünstigt. Wer stattdessen zum Beispiel geschlossene Fonds (etwa Solar-, Schiffs-, Wald- oder andere Sachwertfonds) überträgt, darf auf eine Begünstigung hoffen.

Welche Voraussetzungen bestehen, damit Unternehmensvermögen begünstigt wird? Die Voraussetzungen für eine Begünstigung von unternehmerischem Vermögen bleiben im neuen Recht im Grundsatz bestehen. Diese sind

1.

ie Trennung zwischen 85-prozend tiger Regel- und – auf Antrag und

unter strengeren Voraussetzungen – 100-prozentiger Optionsverschonung;

2.

as Erfordernis der Wahrung einer d sogenannten Behaltensfrist von fünf (Regelverschonung) oder sieben Jahren (Optionsverschonung), während der über das übertragene Vermögen nicht verfügt werden darf (Folge der Nichteinhaltung ist ein zeitanteiliger Entfall der Begünstigung);

3.

ie Zulässigkeit einer maximalen d Verwaltungsvermögensquote (VVQuote) innerhalb des begünstigungsfähigen Vermögens (Folge der Nichteinhaltung ist nicht mehr stets ein vollständiger Entfall der Begünstigung, sondern nur deren teilweiser Entfall);

4. die Wahrung einer Mindestlohnsum-

me, nach der grundsätzlich am Ende des fünften Jahres der Behaltensfrist 400 Prozent der Ausgangslohnsumme (Regelverschonung) beziehungsweise am Ende des siebten Jahres 700 Prozent der Ausgangslohnsumme (Optionsverschonung) erreicht werden müssen (Folge der Nichteinhaltung ist ein anteiliger Entfall der Begünstigung).

Doch nicht zu früh gefreut: Die Begünstigung von unternehmerischem Vermögen wurde ganz erheblich eingeschränkt. Dies folgt nicht nur aus der Verschärfung des Lohnsummentests, sondern insbesondere aus der Behandlung von sogenanntem Verwaltungsvermögen (VV) und daraus, dass ab gewissen Wertgrenzen eine Begünstigung nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr gewährt wird.

Der Lohnsummentest Die erbschaftsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen soll dem Erhalt von Arbeitsplätzen dienen. Die Gewäh-

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

rung der Begünstigung ist daher an die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern gekoppelt. Die Lohnsummenregelung griff bislang erst bei mehr als 20 Beschäftigten ein. Nunmehr findet diese bereits dann Anwendung, wenn der Betrieb mindestens fünf Beschäftigte hat. Die Gefahr: Auch kleine und kleinste Betriebe werden zukünftig ihre Beschäftigungs- und Vergütungspolitik am ErbStG ausrichten müssen. Dass dies Fehlsteuerungen im Unternehmen verursachen kann, ist unverkennbar. Ein kleines Trostpflaster bleibt: Um dem Einfluss von Beschäftigungsschwankungen bei Kleinbetrieben vorzubeugen, wird die Mindestlohnsumme bei einer Mitarbeiteranzahl zwischen sechs und zehn auf 250 Prozent (Regelverschonung) respektive 500 Prozent (Optionsverschonung) und bei einer Mitarbeiteranzahl zwischen elf und 15 auf 300 Prozent (Regelverschonung) beziehungsweise 565 Prozent (Optionsverschonung) der Ausgangslohnsumme begrenzt.

Das Verwaltungsvermögen Das bisherige Recht trennte innerhalb des begünstigungsfähigen unternehmerischen Vermögens in produktives (in der Regel begünstigtes) und nichtproduktives (in der Regel nichtbegünstigtes) Vermögen (VV). Die Trennlinie fußt auf der abstrakten Betrachtung, welche Gegenstände – wie etwa Geldvermögen, Wertpapiere oder fremdvermietete Immobilien – ihrer Natur nach auch als private Investitionen angesehen werden können. Mit der Kategorisierung soll verhindert werden, dass ihrer Natur nach eher private Gegenstände in den Genuss der Steuerbegünstigung kommen. Die „katalogmäßige“ Abgrenzung des VV wurde beibehalten. Die Abgrenzung des VV richtet sich daher auch zukünftig nicht danach, ob das Vermögen einer betrieblichen Tätigkeit als Hauptzweck dient. Das Regelungsdefizit, dass zum Beispiel fremdvermietete Immobilien eines Wohnungsunternehmens nichtbegünstigtes V V bilden, bleibt auch zukünftig bestehen. Die Abgrenzung des VV erfuhr einerseits eine gewisse Ausdehnung, andererseits aber auch eine gewisse Einschränkung:

1.

ücken im Katalog des VV wurden L geschlossen. Über die bereits erfassten Kunstgegenstände, Sammlungen und anderes mehr hinaus wurde er

um Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände, die nicht dem Hauptzweck des Betriebs dienen, erweitert. Damit sollen Gestaltungen unterbunden werden, wonach diese Gegenstände durch eine Einbringung in ein unternehmerisches Vermögen steuerfrei übertragen werden konnten.

2.

remdvermietete Grundstücke, die F vorrangig überlassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen, bilden – wohl als besondere Konzession an Brauerei- und Tankstellenbetriebe – kein V V mehr. Ein Hoch auf die Lobbyarbeit!

Der Verwaltungsvermögenstest Bisher bestimmte sich die Frage, ob begünstigtes oder nichtbegünstigtes Vermögen vorlag, nach dem „Alles-odernichts-Prinzip“:

1.

estand das unternehmerische B Vermögen zu höchstens 50 Prozent (Regelverschonung) beziehungsweise zu höchstens 10 Prozent (Optionsverschonung) aus VV, so lag insgesamt begünstigtes Vermögen vor.

2.

urden die entsprechenden QuoW ten hingegen unterschritten, so lag insgesamt nichtbegünstigtes Vermögen vor.

Diese Freigrenze lud dazu ein, begünstigtes Vermögen mit an sich nichtbegünstigtem VV aufzufüllen, sodass auch dieses steuerlich begünstigt wurde. Um dies zu unterbinden, wird das VV nunmehr selbst nicht mehr begünstigt, sondern vielmehr aus dem Unternehmensvermögen isoliert und grundsätzlich voll besteuert. Die Gefahr: Wer – wie viele mittelständische Unternehmer – Finanzmittel im Unternehmen ansammelt, um Vorsorge zu betreiben, ist vor einem steuerlichen Zugriff nicht mehr geschützt. Er wird nicht bessergestellt als derjenige, der die Mittel aus dem Unternehmen entnimmt und privat verwendet. Dass dies dem Bild des Mittelständlers nicht gerecht wird, ist offenkundig. Die 100-prozentige Optionsverschonung ist nur möglich, wenn die VV-Quote höchstens 20 Prozent beträgt. Der Anteil des VV am gemeinen Wert des Betriebs

bestimmt sich dabei nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des VV zum gemeinen Wert des Betriebs. Demnach wird das VV vor Schuldenkürzung dem gemeinen Wert des Betriebs nach Schuldenkürzung gegenübergestellt! Dieser Vergleich von „Äpfeln mit Birnen“ führt zu abstrusen Ergebnissen. Die Gefahr: Fremdfinanzierte Betriebe werden unter Umständen von der Optionsverschonung ausgeschlossen. Ein Unternehmen, das zu 50 Prozent mit Eigenkapital und zu 50 Prozent mit Fremdkapital finanziert ist und 20 Prozent VV sowie 80 Prozent an sich begünstigtes Vermögen hält, hat eine VV-Quote von 40 Prozent! Die Nutzung der Optionsverschonung scheidet daher aus. Zudem wird auch für begünstigungsfähiges Vermögen keinerlei Verschonung mehr gewährt, wenn das VV 90 Prozent des Werts des Betriebes übersteigt. Die Gefahr: Hierdurch werden ganze Branchen – insbesondere Handelsunternehmen – von jedweder Begünstigung ausgeschlossen. Ein voll eigenfinanziertes Handelsunternehmen, welches 90 Prozent Forderungen und 10 Prozent begünstigtes Vermögen hält, hat eine VV-Quote von 90 Prozent.

Der Finanzmitteltest Von der genannten Regelung waren schon bisher bestimmte Finanzmittel des Betriebs (Geschäftsguthaben, Geldforderungen, Forderungen aus Lieferung und Leistung) ausgenommen. Diese gehörten nur dann zum schädlichen VV, soweit ihr (Netto-)Wert nach Abzug aller Schulden 20 Prozent des Werts des Betriebsvermögens (BV) der Gesellschaft übersteigt. Dieser Freibetrag wird zukünftig auf 15 Prozent begrenzt. Im Übrigen soll das Privileg nur noch gewährt werden, wenn das entsprechende VV seinem Hauptzweck nach einer unternehmerischen Tätigkeit dient. Die Gefahr: Hierdurch sollen ausweislich der Gesetzesbegründung neue Möglichkeiten der „Cash-GmbH“ verhindert werden. Indes werden auch regulär wirtschaftende Betriebe hiervon betroffen. Kompensiert werden die engeren Grenzen bei den Finanzmitteln durch die Einführung eines pauschalen Zuschlages, nach dem reguläres (Netto-)VV wie begünstigtes Vermögen behandelt wird, soweit es 10 Prozent des begünstigten BV nicht übersteigt (unschädliches VV).

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

Doch Vorsicht: Für sogenanntes junges VV, das heißt für VV, welches dem Betrieb seit weniger als zwei Jahren zuzuordnen war, wird ein solcher Zuschlag nicht gewährt.

Finanzmittel betroffen sind, bleiben Schulden aber auch zukünftig generell unberücksichtigt.

Wie schon bisher bleiben junges VV und junge Finanzmittel stets von einer steuerlichen Begünstigung ausgeschlossen.

Um die Erfassung von VV abzumildern, wurde im neuen Recht eine Investitionsklausel eingeführt. Danach entfällt die Qualifizierung von VV – jedoch nur bei Erbfällen – rückwirkend, wenn der Erbe das vom Erblasser erworbene VV innerhalb von zwei Jahren in begünstigungsfähiges Vermögen überführt. Dies soll allerdings nur dann gelten, wenn die Investition auf einem vorgefassten Investitionsplan des Erblassers beruht.

Die konsolidierte Konzernbetrachtung Bei mehrstufigen Konzernstrukturen war die VV-Quote bislang zunächst auf der untersten Unternehmensebene zu ermitteln. Auf der nächsthöheren Ebene wurde danach der Anteil an der Gesellschaft dahingehend qualifiziert, ob dieser insgesamt begünstigtes Vermögen oder VV bildete. Hieraus ergaben sich Kaskadeneffekte, die gestalterisch genutzt werden konnten. Zukünftig wird die Frage, ob VV vorliegt, nur noch auf Ebene der Obergesellschaft geprüft. Hierzu soll das VV im Rahmen einer sogenannten Verbundvermögensaufstellung insgesamt für den Konzern ermittelt und zu dessen Unternehmenswer t ins Verhältnis gesetzt werden. Auch der Finanzmitteltest wird nur noch auf Ebene der Obergesellschaft durchgeführt. Dort ist zukünftig auch über den Umfang von jungen Finanzmitteln und jungem VV zu entscheiden. Hinweis: Konzernstrukturen sind erbschaftsteuerlich neu zu überdenken. Während die bisherige digitale Regelung dazu führte, dass eher grobe Wertberechnungen anzustellen waren, sind nunmehr präzise steuerliche Betrachtungen erforderlich.

Die Berücksichtigung von Schulden Außer bei Finanzmitteltests wurden Schulden bislang nur vom begünstigten BV, nicht aber vom VV abgezogen. Dies hatte zur Folge, dass Schuldüberhänge über die Finanzmittel hinaus praktisch unberücksichtigt blieben. Da das VV innerhalb des BV jedoch steuerlich umfassend freigestellt wurde, war dies nicht von erheblicher Bedeutung. Nachdem nunmehr VV steuerlich erfasst wird, werden Schuldüberhänge zukünftig grundsätzlich im Verhältnis der Werte des begünstigten und des nichtbegünstigten Vermögens berücksichtigt. Für stark fremdfinanzierte Unternehmen kann dies eine Besserstellung beinhalten. Soweit junges VV respektive junge

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Die Investitionsklausel

Hinweis: Die Regelung ist ein politisches Feigenblatt. Es gibt nur wenige Fälle, in denen Erblasser mit vorgefassten Investitionsplänen versterben. Die Anwendung der Regelung wird auch dann scheitern, wenn nicht etwa – wie bei einem Einzelunternehmen – Erblasser und Erben, sondern – wie das bei Unternehmen mit einem größeren Gesellschafterkreis häufig der Fall ist – das Management des Unternehmens die Investitionsentscheidungen trifft.

Der Erwerb von Großvermögen Massive s teuerliche Belas tungen werden sich zukünftig beim Erwerb von größeren Betrieben ergeben. Die Verschonung von BV wurde bisher unabhängig von dem Wert des Unternehmens gewährt. Nunmehr hat der Gesetzgeber dies stark eingeschränkt. In Abhängigkeit des Werts des Erwerbs sind zukünftig drei Stufen der Verschonung zu unterscheiden: – Die Sockelbegünstigung Die Regel- und die Optionsverschonung werden im neuen Recht nur noch uneingeschränkt gewährt, wenn das auf einen einzelnen Erwerber übergegangene begünstigte BV eine Grenze von 26 Millionen EUR nicht überschreitet (erwerberbezogene Freigrenze). Zur Vermeidung von zeitlich gestaffelten Übertragungen werden Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren zusammengerechnet; eine zuvor gewährte Begünstigung kann daher wieder aberkannt werden. Hinweis: Die Bedeutung von zeitlich gestaffelten Übertragungen im Zehnjahresrhythmus – beginnend gegebenenfalls schon während der Minderjährigkeit der Kinder – wird daher zunehmen.

Beträgt der Wert des Erwerbs mehr als 26 Millionen EUR, kann der Erwerber zwischen zwei alternativen Verschonungsmodellen wählen: – Das Abschmelzungsmodell Übersteigt der Erwerb die Grenze von 26 Millionen EUR, wird der Verschonungsabschlag von zunächst 85 Prozent beziehungsweise 100 Prozent stufenweise reduziert. Die Abschmelzung der Verschonung beträgt einen Prozentpunkt je 750.000 EUR zusätzlichen Erwerb; bereits ab einem Erwerb in Höhe von 90 Millionen EUR wird sowohl bei der Regel- als auch der Optionsverschonung keinerlei Begünstigung mehr gewährt. Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums von derselben Person werden für die Berechnung der Abschmelzung zusammengerechnet. Die Gefahr: Die Wertgrenze, ab der die Begünstigung abschmilzt, ist niedrig. Schon größere Handwerksbetriebe mit 2 Millionen EUR Jahresergebnis können betroffen sein. Ist die Abschmelzung aufgezehrt, beträgt die Erbschaftsteuer 30 Prozent des übergegangenen Vermögens! – Das Erlassmodell Eine weitergehende steuerliche Entlastung ermöglicht gegebenenfalls die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung. Hiernach wird die Steuer ganz oder teilweise erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er nicht in der Lage ist, diese aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Letzteres bestimmt sich aus der Summe von jeweils 50 Prozent des mit dem Erbe oder der Schenkung auf den Erwerber übergegangenen nichtbegünstigten Vermögens, des bereits beim Erwerber vorhandenen sowie des innerhalb der nächsten zehn Jahre zufließenden nichtbegünstigten Vermögens aus Erbschaften/Schenkungen. Ein (Teil-)Erlass der Steuer wird daher nur gewährt, wenn der Erwerber dem Finanzamt seine Vermögensverhältnisse offenlegt und zumindest große Teile seines nichtbegünstigten Vermögens zur Tilgung der Steuerschuld einsetzt. Der Erlass steht im Übrigen unter den Bedingungen des Einhaltens der Lohnsummenregelung und der Behaltensfrist. Die Gefahr: Wenn es zur Leistung der Steuerzahlung gegebenenfalls einer (ertrag-) steuerpflichtigen Liquidation von nichtbegünstigten Vermögenswerten bedarf, ist

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

unter Umständen das gesamte nichtbegünstigte Vermögen zur Begleichung der Steuerschuld einzusetzen. Dies gilt selbst für den Fall, dass es sich – wie etwa beim Familienwohnheim – um steuerlich nicht erfasstes Vermögen handelt. Hinweis: Es mag sich anbieten, Vermögen frühzeitig auf noch vermögenslose Kinder oder auf eine Familienstiftung (ohne vorhandenes Vermögen) zu überführen, um dort in den Genuss der Erlassregelung zu kommen. Es ist daher absehbar, dass es bei größeren Vermögen zu einer Renaissance der Familienstiftung kommen wird.

Der Wertansatz Nachdem im neuen Recht massiv auf Unternehmensvermögen zugegriffen wird, werden Bewertungsfragen bedeutsamer. Insoweit enthält das Gesetz Verbesserungen. – Unternehmensbewertung beim vereinfachten Ertragswertverfahren Nach dem sogenannten vereinfachten Ertragswertverfahren ist der Wert eines Unternehmens unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten zu schätzen. Hierzu ist der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag mit einem Kapitalisierungsfaktor zu multiplizieren. Durch das in den vergangenen Jahren stetig gesunkene Zinsniveau hat sich dieser Faktor von unter zwölf im Jahr 2010 auf nahezu 18 im Jahr 2016 erhöht. Dies führte häufig zu einer irreal hohen Bewertung von Unternehmen. Um dem abzuhelfen, ist künftig (derzeit) von einem Faktor von 13,75 auszugehen. Hinweis: Aufgrund der niedrigeren Bewertung dürften Gestaltungen, unter welchen Unternehmensvermögen noch lebzeitig unter Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs (und damit unter Abzug der Nießbrauchslast) übertragen werden, an Bedeutung gewinnen. Von Bedeutung ist, dass die Reduzierung des Faktors bereits rückwirkend auf alle Übertragungen ab dem 01.01.2016 Anwendung findet. Die Gefahr: Übertragungsvorgänge wurden nach bisherigem Recht präzise austariert, um eine größtmögliche Begünstigung auch von VV zu ermöglichen. Eine rückwirkende Absenkung der Unternehmenswerte kann nunmehr dazu führen, dass die bislang ermittelten VV-Quoten oder die Grenzen des Finanzmitteltests überschritten werden,

sodass zunächst begünstigte in nichtbegünstigte Übertragungen umschlagen. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich.

petuieren sich Übertragungsvorgänge, sodass „ewige“ gesellschaftsvertragliche Beschränkungen erforderlich wären.

Mindestwert bleibt bei der Bewertung weiterhin der Substanzwert, sodass die Entlastung bei der Ermittlung der Ertragswerte nicht in jedem Falle eingreifen wird.

Die Höhe des zu gewährenden VorabAbschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert, darf jedoch höchstens 30 Prozent betragen.

– Vorab-Abschlag bei bestimmten Familienunternehmen Neu ist die sogenannte Mittelstandskomponente. Gerade bei mittelständischen Unternehmen werden infolge von dort häufig anzutreffenden gesellschaftsrechtlichen Entnahme-, Abfindungs- und Verfügungsbeschränkungen oft weit überhöhte, weil nicht realisierbare Werte der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Nach der Neuregelung wird diesen Unternehmen vor Anwendung des Verschonungsabschlags ein zusätzlicher Vorab-Abschlag von maximal 30 Prozent des Unternehmenswerts gewährt. Dessen Gewährung setzt jedoch bestimmte Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag voraus:

ie Entnahme/Ausschüttung muss D auf höchstens 37,5 Prozent des steuerrechtlichen (Netto-)Gewinns beschränkt sein.

ie Möglichkeit der Verfügung über D die Beteiligung muss auf Mitgesellschafter, Angehörige oder eine Familienstiftung beschränkt sein.

Die Gefahr: Nicht alle sinnvollen Verfügungen (beispielsweise über eine Familienholding, eine gemeinnützige Stiftung oder die Angehörigen von Mitgesellschaftern) werden erfasst.

ür den Fall des Ausscheidens aus F der Gesellschaft muss eine Abfindung vereinbart sein, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung liegt.

Diese engen Beschränkungen müssen mindestens zwei Jahre vor dem Übertragungsstichtag bestanden haben und mindestens 20 Jahre (!) nach dem Übertragungsstichtag fortbestehen. Die Gefahr: Es handelt sich um ein weiteres politisches Feigenblatt. Die Frist von 20 Jahren ist unangemessen lang. Oft werden einzelne Gesellschafter schon gar nicht in der Lage sein, so lange eine Änderung des Gesellschaftsvertrages zu verhindern. Bei einer Vielzahl von Gesellschaftern per-

– Die Stundungsmöglichkeiten Bislang war eine Stundung der Steuer nur möglich, wenn dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig war. Nunmehr wird jedem Erwerber eines Betriebs für eine Dauer von maximal sieben Jahren eine Stundung gewährt. Der erste Jahresbetrag ist ein Jahr nach der Festsetzung der Steuer fällig, ohne dass dieser zu verzinsen ist. Für die weiteren Jahresbeträge werden ab dem zweiten Jahr nach der Festsetzung der Steuer Zinsen in Höhe von 6 Prozent jährlich fällig. Hinweis: Aufgrund der marktunüblichen Höhe der Zinsen dürfte die Stundungsmöglichkeit kaum praktische Anwendung finden. Für Steuern, die sich aus Verstößen gegen die Lohnsummenregelung und Behaltensfrist ergeben, wird keine Stundung gewährt.

Die rückwirkende Anwendung der gesetzlichen Änderungen Das neue Erbschaftsteuerrecht ist – abgesehen von der Neuregelung zur Bewertung, die bereits zum 01.01.2016 in Kraft getreten ist – rückwirkend für alle Übertragungsvorgänge nach dem 30.06.2016 anzuwenden. Auch gegen diese rückwirkende Änderung des Gesetzes bestehen verfassungsrechtliche Bedenken. Die Neuregelung der Erbschaftsteuer wird insbesondere für größere mittelständische Unternehmen, Unternehmen mit einem hohen Anteil an VV und auf Fremdfinanzierung angewiesene Unternehmen konfiskatorisch wirken. Es besteht die Gefahr, dass die Neuregelung zu einer erheblichen Gefährdung des Mittelstandes führen wird. Dies wurde von einem rein politisch, aber kurzsichtig agierenden Gesetzgeber wohl verkannt. Einer entsprechenden Steuerplanung und Steuergestaltung kommt daher zukünftig noch größere Bedeutung zu.

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

Der Einsatz von Finanzdienstleistungs-/ Kreditinstituten in der Nachfolgeplanung von Dr. Marc Henning Diekmann und Dr. Robert Strauch, Institut für Vermögensstrukturierung (IVS) e.V.

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rößere Vermögen mit unterschiedlichen Asset-Klassen stehen bei einem Übergang der Vermögenswerte in die nächste Generation vor einer besonderen Herausforderung: Die liquiden Vermögenswerte werden bei Begleichung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer naturgemäß als Erstes herangezogen. Damit ändert sich nicht nur dramatisch die Proportion der Asset-Allokation im Gesamtvermögen, sondern es treten auch unerwünschte Effekte auf wie beispielsweise eine Veräußerung von Immobilien oder sonstigen illiquiden Vermögenswerten. Ferner kann auch eine Umgestaltung der Vermögensstruktur im Unternehmen erforderlich werden. Vor diesem Hintergrund ist eine Beteiligung an einer Bank oder einem regulierten Finanzdienstleister eine interessante Möglichkeit zur Vermögensübertragung. Bei Banken, Leasinggesellschaften, Vermögensverwaltungen, Family Offices und anderen regulierten Finanzdienstleistern sind Liquidität und Wertpapiervermögen in der Regel originäres Betriebsvermögen und damit für Erbschaftsteuerzwecke begünstigtes Vermögen. Eine maßgeschneiderte Beteiligung, der Erwerb oder die Gründung eines Finanzdienstleistungsinstituts können daher geeignete Vehikel auch für Zwecke der Vermögensübertragung darstellen. Neben steuerlichen Überlegungen können auch familiäre Aspekte für die Errichtung eines Finanzdienstleistungsinstituts im Rahmen der Vermögensnachfolge sprechen: Finanz-

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dienstleistungsinstitute können ein gutes Instrument sein, um die nächste Generation an die Führung des Vermögens heranzuführen. Da diese in der Regel im ersten Schritt nicht über die entsprechende aufsichtsrechtliche Qualifikation verfügen, ermöglicht eine Tätigkeit in der „eigenen“ Vermögensverwaltung die Möglichkeit, an das professionelle Management von Vermögen schrittweise herangeführt zu werden. Diese Option ist aus der Sicht vieler, die Vermögen abgeben, ein wünschenswerter Effekt. Ein unternehmerisches Investment in ein Finanzdienstleistungsinstitut bedarf allerdings einer soliden Vorbereitung, einer langfristigen Planung und vor allem den unternehmerischen Willen, dieses Unternehmen auch entsprechend zu führen. Eine operative Eingliederung in das bestehende Umfeld ist dabei nicht nur von organisatorischem Vorteil, sondern bietet neben dem Vermögensübertragungsaspekt auch den Vorteil, dass man sich „auf bekanntem Terrain bewegt“ und somit im Rahmen derartiger Strukturen nicht unbekannte unternehmerische Risiken eingegangen werden müssen. Gleichwohl ist auf die richtige Personalausstattung des Finanzdienstleistungsinstituts zu achten sowie auf ein geeignetes Beraterumfeld. Tatsächlich ist das Aufsetzen eines Finanzdienstleistungs-/Kreditinstituts mit dem nötigen Know-how vom Komplexitätsgrad her überschaubar und auch nicht unbezahlbar. Bei der Etablierung eines Instituts kann zwischen Lösungen für

unternehmerisches Vermögen und den nichtunternehmerischen Bereich unterschieden werden.

Lösungen für unternehmerisches Vermögen Eine ganze Reihe großer deutscher Unternehmerfamilien hat in den letzten Jahren eine Bank oder eine Leasinggesellschaft aufgebaut. Dabei haben sicherlich auch Vermögensübertragungsaspekte eine wesentliche Rolle gespielt, was sich an der Kapitalausstattung dieser Unternehmen durchaus leicht ablesen lässt. Bei produzierenden Unternehmen spielen insbesondere regulierte Finanzdienstleister eine Rolle, die Leasing, Factoring oder Reverse Factoring anbieten. Dies dient häufig einer Reihe von Zielen. Schon aus Finanzierungsgesichtspunkten kann es interessant sein, eine Leasing- oder Factoring-Gesellschaft zu gründen, mit der Forderungen des eigenen Unternehmens angekauft oder Produkte (etwa Maschinen) an Kunden verleast werden. So stärken natürlich zusätzliche Finanzierungsoptionen die Sicherheit, die Perspektive und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Eine unternehmenseigene Leasinggesellschaft kann zudem als Instrument zur Kundenbindung eingesetzt werden. Aber auch der Aspekt der Vermögensübertragung von nichtbegünstigten und liquiden Vermögen ist ein gern gesehener Effekt. Es liegt in der Natur der Sache, dass das in einer Leasinggesellschaft vorhandene liquide Vermögen

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originäres Betriebsvermögen darstellt und daher begünstigtes Vermögen im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes ist.

Lösungen für den nichtunternehmerischen Bereich Familien, die ihre Vermögen in eigenen Family Offices oder Vermögensverwaltungen bereits strukturiert haben, suchen derzeit vermehrt den Weg in die Regulatorik. Auch dies dient mehreren Zwecken: Eine ganze Reihe nichtregulierter Unternehmer bewegt sich in einer aufsichtsrechtlichen Grauzone und ist daher in ihren Möglichkeiten begrenzt, da sich der Umfang der regulierten Bereiche zunehmend ausdehnt. Hier kann die Regulatorik die Handlungsalternativen und die Perspektiven einer Vermögensverwaltung oder eines Family Offices tatsächlich erweitern. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind dabei durchaus geeignet, ein Mehr an Sicherheit für einen Vermögensinhaber zu erzeugen. So können die zusätzlichen Kosten für Regulatorik und Aufsicht sinnvoll sein. Auch lässt sich mit einer Vermögensverwaltung mit Dienstleistungen für Dritte zusätzlicher Ertrag generieren; insbesondere wenn für das persönliche Umfeld eine Leistung zur Verfügung gestellt wird, die am Markt so bisher nicht erhältlich ist. Auch wenn bisher keine eigenen Strukturen zur Verwaltung eines umfangreichen Privatvermögens existieren, kann die Vermögensnachfolge ein Anlass sein, entsprechende Vehikel aufzubauen – und einen aufsichtsrechtlichen Rahmen für die bereits vorhandenen Anlagen und Investitionen zu wählen. Die Voraussetzungen für ein Finanzdienstleistungsinstitut könnten etwa aufgrund der Verwaltung von Wertpapieren im Wege der Finanzportfolioverwaltung vorliegen. Das Ergebnis ist auch hier, dass die eigene Liquidität und die Wertpapiere der Vermögensverwaltung originäres Betriebsvermögen eines Finanzdienstleistungsinstituts werden und so für Übertragungszwecke begünstigt sind.

Der Weg zu einem Finanzdienstleistungsinstitut Wie sieht der Weg zum eigenen Finanzdienstleistungsinstitut aus? Zunächst ist

die bestehende Vermögensstruktur zu analysieren und möglicherweise neu zu bestimmen. Ist der Anteil des liquiden Vermögens hoch oder würde das liquide Vermögen überproportional durch eine Schenkung oder Erbschaft steuerlich belastet werden, so ist dies ein erster Hinweis, über ein eigenes Finanzdienstleistungsinstitut nachzudenken. Ein zweiter Aspekt ist natürlich die Höhe des zu übertragenden Vermögens. Individuelle Strukturen bieten sich erst an, wenn substanzielles Vermögen mit einer erheblichen Erbschaftsteuerlast zu managen ist. Der dritte Punkt ist dann die Wahl eines geeigneten Partners, mit dem eine solche Struktur umgesetzt werden soll. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Marktteilnehmern, die in der Begleitung von Unternehmen Erfahrungen aufweisen kann. Sinnvoll ist dabei ein Partner, der nicht nur beratend zur Seite steht, sondern auch praktische Erfahrungen im Aufsetzen von Finanzdienstleistungsstrukturen hat. Der nächste Schritt ist natürlich die Wahl der geeigneten Institutsform: Passen Leasing und Factoring oder eher eine Vermögensverwaltung oder eine Privatbank? Die Antwort hierauf ist höchst individuell und Ergebnis einer ersten gemeinsamen Analyse. Sind die Rahmenbedingungen geklärt, so beginnt der aufsichtsrechtliche Prozess. Kern ist hierbei der Businessplan des neuen Instituts, der neben rein formalen regulatorischen Erfordernissen auch die Personalausstattung, das Tätigkeitsfeld, die Rechtsform und die Gesellschafterstruktur umfasst. Bei der Gründung eines regulierten Finanzdienstleisters ist ferner zu beachten, dass auch die Gesellschafter einer Prüfung unterzogen werden. Das sogenannte Inhaberkontrollverfahren verlangt von den Gesellschaftern eines Finanzdienstleistungsinstituts Transparenz und allgemeine Eignung. Mit der Einreichung der vollständigen Unterlagen beginnt eine Bearbeitungszeit von drei bis sechs Monaten, an deren Ende die Erteilung der Erlaubnis steht. Eine Alternative zum Selbstaufbau ist natürlich der Erwerb eines Instituts, das dann nach den entsprechenden Wünschen angepasst und umgestaltet wird. Der kritische Aspekt beim Erwerb eines Instituts ist – wie bei jedem Un-

Dr. Diekmann ist geschäftsführender Gesellschafter der CoInvest Unternehmensgruppe, einem erfahrenen Strukturierungsspezialisten im Bereich der Finanzierungs- und Anlagestrukturierungen. Herr Dr. Diekmann und Herr Dr. Strauch sind Initiatoren des Instituts für Vermögensstrukturierung (IVS) e.V. ternehmenserwerb – die Vergangenheit des Unternehmens, die ja gerade in einer Struktur, bei der erhebliches Vermögen in die Gesellschaft kommt, möglichst keine Risiken aufweisen sollte. Das ist ein hoher Anspruch und oft nicht umfassend zu lösen. Die Bonität des Verkäufers, der üblicherweise den Erwerber von Altrisiken freistellt, ist ebenso wichtig wie eine solide Due Diligence. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Kauf eines Finanzdienstleistungsinstituts deutlich schneller gehen kann als der Aufbau eines solchen. Der eigene Aufbau hat natürlich den Vorteil, dass Altlasten, Personalthemen, aber auch Kundenbeziehungen nicht in die neue Gesellschaft „übernommen“ werden. So gesehen haben beide Strukturen ihre Vor- und Nachteile. Dabei darf ein wesentlicher Aspekt nicht vergessen werden: Die Verfügbarkeit und die Bewertung von bestehenden Unternehmen ist zum einen derzeit eingeschränkt, zum anderen sind die Bewertungen hoch. So kann der Aufbau eines eigenen Finanzdienstleistungsinstituts neben der Vermögensoptimierung auch einen weiteren unternehmerischen Wert schaffen und perspektivisch ein gutes Investment sein.

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

Ehe- und Erbverträge in der Nachfolgeplanung bei Familienunternehmen von Karsten Seidel

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n Gesellschaftsverträgen von Familienunternehmen finden sich häufig Regelungen, die den Gesellschaftern bestimmte Vorgaben für ihre Nachfolgeplanung machen. Ziel ist es dabei unter anderem, die Anteile am Unternehmen nur im Kreise der Familie und hierbei nur auf (gegebenenfalls bestimmte) Abkömmlinge übergehen zu lassen. Mit den Regelungen im Gesellschaftsvertrag soll außerdem der Fortbestand des Unternehmens bei Tod, aber auch bei einer Ehescheidung des Gesellschafters gesichert werden, indem Forderungen von einzelnen Erben oder geschiedenen Ehegatten gegen den Gesellschafter oder gegen die Gesellschaft ausgeschlossen oder zumindest eingeschränkt werden. Einige ausgewählte Konstellationen sind Gegenstand dieses Beitrags.

I. Typische Klauseln in Gesellschaftsverträgen 1. Nachfolgeklauseln Je nach Gesellschaftsform (zum Beispiel GbR, OHG oder KG) hängt die Existenz der Gesellschaft bei Tod eines Gesellschafters von verschiedenen Bedingungen ab. Bei einer GbR muss mindestens eine Fortsetzungsklausel existieren, wonach die Gesellschaft nach Tod eines

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Gesellschafters mit den verbliebenen Gesellschaftern weitergeführt wird, anderenfalls würde die GbR aufgelöst. Bei einer OHG würde ohne gesellschaftsvertragliche Regelung der verstorbene Gesellschafter ausscheiden und die Gesellschaft fortgesetzt werden. Bei einer KG hingegen wird – ohne weitere Regelung im Gesellschaftsvertrag – die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Kommanditisten fortgesetzt. Die bloße Fortsetzung der Gesellschaft – ohne Erben oder mit allen Erben – ist regelmäßig nicht im Interesse des Unternehmensgründers. Deshalb bedarf es weiterer Klauseln im Gesellschaftsvertrag. Eine typische Regelung bei einer Familienpersonengesellschaft ist eine sogenannte qualifizierte Nachfolgeklausel, wonach der Gesellschaftsanteil bei Tod des Gesellschafters nur auf dessen Abkömmlinge oder auf andere aufgrund Verwandtschaft, Alter oder fachlicher Qualifikation ausgewählte Personen übergehen kann. Stirbt der Gesellschafter und werden neben den ausgewählten Personen auch andere Personen – gesetzliche oder gewillkürte – Erben des Verstorbenen, so treten bei einer solchen Nachfolgeklausel nur die durch den Gesellschaftsvertrag

berufenen Personen die Nachfolge in den Gesellschaftsanteil an. Trotz der aufgrund der Erbfolge eintretenden Universalsukzession in das gesamte Vermögen des Erblassers findet in Bezug auf den Gesellschaftsanteil eine sogenannte Sondererbfolge stat t. Das Personengesellschaftsrecht geht dem Erbrecht insoweit vor. Bei einer Personengesellschaft geht der Gesellschaftsanteil im Erbfall auf die dazu berufenen Personen unmittelbar über, diese werden direkt (gegebenenfalls anteilig) Gesellschafter. Es besteht also keine (Teil-)Erbengemeinschaft an dem Gesellschaftsanteil. In Bezug auf Anteile an einer Familienkapitalgesellschaft (zum Beispiel GmbH, AG oder KGaA) liegen die Dinge anders. Ein direkter Übergang des Anteils an der Kapitalgesellschaft auf den oder die ausgewählten Erben unter Ausschluss der weiteren Erben ist nicht möglich. Der Anteil wird zunächst Bestandteil des Gesamthandsvermögens der Erbengemeinschaft. Der Übergang des Anteils auf den ausgewählten Erben muss dann über Andienungs- oder Einziehungsklauseln im Gesellschaftsvertrag der Kapitalgesellschaft erfolgen oder vom Erblasser durch Vermächtnis angeordnet werden.

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2. Güterstandsklauseln Weiterhin sehen Gesellschaftsverträge von Familiengesellschaften häufig eine Verpflichtung der Gesellschafter vor, die Gesellschaftsbeteiligung aus einem Zugewinnausgleich mit dem Ehegatten herauszunehmen. Das soll dem Schutz des Familienunternehmens vor vermögensrechtlichen Ansprüchen des eingeheirateten Ehegatten bei Scheidung dienen. Begründet wird dies damit, dass die gesetzliche Zugewinngemeinschaft für den Bestand der Gesellschaft und damit für alle Gesellschafter ein erhebliches Risiko darstelle, der Gesellschaftsfrieden gefährdet werden könne und unter Umständen gar das Ende des Familienunternehmens drohe. Der Unternehmerehegatte als Schuldner des Zugewinnausgleichsanspruches kann diesen häufig nur aus der Substanz des Unternehmens befriedigen. Die Herausnahme der Gesellschaftsbeteiligung aus dem Zugewinnausgleich kann durch eine modifizierte Zugewinngemeinschaft oder die Vereinbarung einer Gütertrennung erfolgen. Bei einer modifizierten Zugewinngemeinschaft wird nur die Unternehmensbeteiligung aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen. Mit einer Gütertrennung wird gleich ein anderer Güterstand ohne Ausgleichsansprüche gewählt. Die Modifizierung der Zugewinngemeinschaft kann auf den Fall der Beendigung des Güterstandes durch Scheidung beschränkt werden. Ob das immer den Interessen des Unternehmerehegatten entspricht, muss im Einzelfall geprüft werden. Ein Ehevertrag unterliegt dem Zwang zur notariellen Beurkundung. Enthält der Gesellschaftsvertrag die Verpflichtung zum Abschluss eines Ehevertrages, spricht viel dafür, den Gesellschaftsvertrag ebenfalls beurkunden zu lassen, sofern dieser nicht ohnehin (GmbHVertrag) beurkundungspflichtig ist. 3. Pflichtteilsklauseln Flankierend zu den vorgenannten Klauseln enthalten Gesellschaftsverträge häufig Bestimmungen, mit denen die Gesellschafter verpflichtet werden, mit den Ehegatten oder mit nicht zu Nachfolgern in den Gesellschaftsanteil berufenen, pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen. Da der Anteil an der Familiengesellschaft bei der Berechnung eines Pflichtteils zu

berücksichtigen ist, besteht auch hier grundsätzlich die Gefahr, dass das Familienunternehmen durch vermögensrechtliche Ansprüche des Ehegatten beziehungsweise der nicht zu Gesellschaftern berufenen Abkömmlinge in seinem Bestand gefährdet werden kann. Verschiedene Konstellationen sind vorstellbar. Die von der Erbfolge in den Gesellschaftsanteil ausgeschlossenen Erben könnten nämlich einen sogenannten Zusatzpflichtteil gegenüber dem Unternehmenserben geltend machen, wenn ihr Erbteil geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils wäre. Geht der Anteil am Familienunternehmen im Wege eines sogenannten Vorausvermächtnisses auf einen Erben über, könnte der von der Unternehmensnachfolge ausgeschlossene Erbe seinen Erbteil ausschlagen und von dem Unternehmenserben seinen Pflichtteil verlangen. Da ein Pflichtteilsverzichtsver trag ebenfalls dem notariellen Beurkundungszwang unterliegt, dürf te die Pflichtteilsklausel bereits den Gesellschaftsvertrag beurkundungspflichtig werden lassen.

II. Praktische Umsetzung der gesellschaftsvertraglichen Klauseln 1. Nachfolgeklauseln Der Gesellschafter muss zunächst dafür Sorge tragen, dass die in der qualifizierten Nachfolgeklausel des Gesellschaftsvertrages – gegebenenfalls nur abstrakt – benannten Personen auch tatsächlich seine Erben werden. Fehlt eine entsprechende Erbeinsetzung, läuft die Nachfolgeklausel leer. Dann hängt es vom Gesellschaftsvertrag ab, ob die Erben einen Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft erlangen oder nicht. Die Erbeinsetzung kann entweder aufgrund gesetzlicher Erbfolge erfolgen oder durch letztwillige Verfügung. Hatte der Gesellschafter (= potenzieller Erblasser) gegebenenfalls in der Vergangenheit bereits ein gemeinschaftliches Testament (Ehegattentestament) aufgesetzt oder einen Erbvertrag geschlossen und will er das nun ändern, sind unter Umständen Bindungswirkungen dieser Verfügungen zu beachten respektive diese zuvor beispielsweise durch notariell beurkundeten Rücktritt zu beseitigen. Wie bereits dargestellt worden ist, geht bei der Nachfolgeklausel der Gesellschaftsanteil (zumindest bei einer Personengesellschaf t) unmittelbar

und direkt auf den dazu berufenen Erben über. Bei Wertunterschieden zwischen dem Gesellschaf tsanteil und dem übrigen Nachlass kann es dann bei einer Mehrheit von Erben zu Ausgleichsforderungen gegen den Unternehmenserben kommen. Um diese Ausgleichsansprüche zu vermeiden, könnte die Unternehmensbeteiligung im Wege eines Vorausvermächtnisses auf die dazu bestimmte Person übertragen werden. Dazu sollte aber flankierend ein Pflichtteilsverzicht mit den nicht zu Gesellschaftern berufenen Erben vereinbart werden. 2. Güterstandsklauseln (1) Vorbemerkung Die Umsetzung der gesellschaftsvertraglichen Güterstandsklauseln durch einen Ehevertrag stellt eine besondere Herausforderung dar, da hier ein erhebliches Unwirksamkeitsrisiko gegeben sein kann. Dieses Risiko wird regelmäßig verstärkt, wenn die Eheverträge über die güterrechtlichen Regelungen hinaus weitere Bestimmungen für den Scheidungsfall (zum Beispiel Unterhalt, Versorgungsausgleich) enthalten. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof (BGH) haben Maßstäbe zur Prüfung von Eheverträgen entwickelt, deren Grundzüge wie folgt lauten: Auszugehen ist davon, dass die im bürgerlichen Recht bestehende Vertragsfreiheit auch für das Familien- und Erbrecht gilt. Deshalb können zukünftige oder bereits verheiratete Ehepartner miteinander Erbverträge, Pflichtteilsverzichtsverträge und Eheverträge schließen. Gleichwohl unterliegen insbesondere Eheverträge einer richterlichen Wirksamkeits- und/oder Ausübungskontrolle, die an die Vorschriften über die Unwirksamkeit sittenwidriger Rechtsgeschäfte (§ 138 BGB) und den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anknüpft. Werden in einer Urkunde oder in engem zeitlichen Zusammenhang in mehreren Urkunden verschiedene der zuvor genannten Regelungen (zum Beispiel Erbvertrag, Pflichtteilsverzichtsvertrag) getroffen, besteht zudem die Gefahr, dass die Unwirksamkeit eines Teils die Unwirksamkeit sämtlicher Regelungen nach sich zieht (§ 139 BGB). Hier versucht man, sich mit sogenannten salvatorischen Klauseln zu helfen, deren Tauglichkeit zur „Rettung“ der anderen Vertragsbestandteile im Einzelfall aber zweifelhaft sein kann.

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• a n dritter Rangstufe der Erwerbslo-

Bei der richterlichen Inhaltskontrolle wird geprüft, ob der familienrechtliche Vertrag nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung eines der Ehegatten führt und das Kindeswohl gewahrt wird. Hierbei ist allerdings eine Gesamtschau anhand von objektiven und subjektiven Kriterien vorzunehmen. Eine unangemessene Benachteiligung soll bei einer evident einseitigen, durch die individuelle Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten nicht mehr gerechtfertigten Lastenverteilung gegeben sein.

sigkeitsunterhalt (§ 1573 Abs. 1 BGB),

• a n vierter Stelle der Krankenvor-

sorge- und Altersvorsorgeunterhalt (der Altersvorsorgeunterhalt wird mittlerweile der Rangordnung und dem jeweiligen Unterhaltstatbestand zugeordnet, wo der Altersvorsorgeunterhalt ehebedingte Nachteile ausgleichen soll) und

• a n fünfter Rangstelle der Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt (§§ 1573 Abs. 2, 1575 BGB).

Wirksamkeitskontrolle

In einem ersten Schritt nimmt der Richter eine Wirksamkeitskontrolle gemäß § 138 Absatz 1 BGB vor, deren Gegenstand eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten ist. Von Bedeutung sind dabei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der geplante oder bereits verwirklichte Lebenszuschnitt der Ehegatten. Im Zusammenhang mit § 138 Absatz 1 BGB verfolgt der BGH eine verhältnismäßig restriktive Linie. Eine Sittenwidrigkeit wird danach regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder zu erheblichen Teilen abbedungen werden (objektive Seite), ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt oder der Vertrag auf unfaire Weise zustande gekommen ist (subjektive Seite). Ergibt diese Prüfung, dass der Ehevertrag sittenwidrig und damit unwirksam ist, treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen (das heißt unter Umständen keine Herausnahme der Unternehmensbeteiligung aus der Berechnung einer Zugewinnausgleichsforderung).

Ausübungskontrolle

Ist der Ehevertrag zwar zu beanstanden, jedoch nicht sittenwidrig (etwa weil keine sogenannte subjektive Imparität vorliegt), hat in einem zweiten Schritt die Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB zu erfolgen. Dabei kommt es sowohl auf den Zeitpunkt des Zustandekommens als auch des Scheiterns der Ehe an. Insbesondere ist von Bedeutung, ob und inwieweit die Berufung auf den Ausschluss gesetzlicher Scheidungsfolgen angesichts der aktuellen Verhältnisse nunmehr missbräuchlich erscheint und

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Außerhalb dieses Kernbereichs verortet der BGH den Zugewinnausgleich, der regelmäßig keiner Beschränkung unterliegt (zu den Ausnahmen aber sogleich). Vereinbarungen, die die Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten beschränken, sind regelmäßig nur in besonders krassen Ausnahmefällen nach § 138 Absatz 1 BGB sittenwidrig. Vielmehr sind sie oft im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB anzupassen. deshalb das Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand des Vertrages nicht mehr schutzwürdig ist (unzulässige Rechtsausübung). Der Richter hat dann die Rechtsfolge anzuordnen, die den jetzigen berechtigten Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung trägt. Soweit es um den Unterhalt und den Versorgungsausgleich geht, ist der Gesichtspunkt des Ausgleichs ehebedingter Nachteile von besonderem Gewicht. (2) Objektiver Prüfungsmaßstab Die Rechtsprechung nimmt eine Rangabstufung oder -ordnung vor und orientiert sich dabei an der Wertigkeit des jeweiligen Rechts, auf das verzichtet oder das sonst eingeschränkt wird. Eine (unangemessene) Benachteiligung eines Ehegatten ist umso eher anzunehmen, je mehr die Vereinbarung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (sogenannte Kernbereichslehre). Dabei differenziert der BGH und legt im Wesentlichen fest, dass

n erster Rangstufe der Unterhalt a wegen Kindesbetreuung (§ 1570 BGB) steht,

• a n zweiter Rangstufe der Alters- und Krankheitsunterhalt (§§ 1571, 1572 BGB), aber auch der Versorgungsausgleich,

Mit einer richterlichen Beanstandung des ehevertraglichen Verzichts auf den Versorgungsausgleich ist deshalb insbesondere dann zu rechnen, wenn ein Ehegatte sich während der Ehezeit einvernehmlich der Betreuung gemeinsamer Kinder oder ausschließlich der Haushaltsführung widmet, deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet und für den Verzicht keine Kompensation erhält. Die Möglichkeiten des Ehegatten, nach der Scheidung voraussichtlich eine eigene Altersversorgung aufzubauen (zum Beispiel durch künftige versicherungspflichtige Tätigkeit oder durch Vermögenserwerb durch Erbschaft), finden Berücksichtigung. Ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich wird gleichwohl nur selten zur Nichtigkeit des Vertrages führen. Dies kann aber der Fall sein, wenn der benachteiligte Ehegatte zusätzlich zum Verzicht auf Versorgungsausgleich auf weitere Rechte von sehr beachtlichem Gewicht verzichtet – insbesondere auf hochrangige Unterhaltsrechte – und dafür keine Kompensation erhält. Die massive Beanstandung eines Verzichts auf Versorgungsausgleich kann unter Umständen dann sogar zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des gesamten Ehevertrages (und damit auch der weiteren Regelungen wie Gütertrennung et cetera) führen.

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Die Vereinbarung von modifizierter Zugewinngemeinschaft oder gar Gütertrennung liegen grundsätzlich außerhalb des Kernbereichs des Scheidungsfolgenrechts. Die Nichtigkeit der güterrechtlichen Regelungen wird deshalb nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht kommen, typischerweise bei subjektiver Imparität. Problematisch kann ein güterrechtlicher Verzicht auch dann sein, wenn er für sich allein zwar nicht zu beanstanden ist, jedoch aufgrund sittenwidriger anderer Teile des Ehevertrages (beispielsweise beim kompensationslosen Verzicht auf Versorgungsausgleich trotz voraussehbarer Betreuung kleiner Kinder) im Wege einer Gesamtbetrachtung in die Sittenwidrigkeit einbezogen wird. (3) Subjektiver Prüfungsmaßstab Zusätzlich zur objektiven Seite geht es auch um die Art und Weise des Zustandekommens von Eheverträgen und damit um die subjektive Seite. Der BGH legt dabei in seiner jüngeren Rechtsprechung ein besonderes Gewicht auf die subjektive Seite. Da es hierbei ganz wesentlich auch auf die Motivation der (zukünftigen) Ehegatten bei Vertragsschluss und die Umstände des Vertragsschlusses ankommt, ist auf eine bestmögliche Dokumentation zu achten. Familienrechtliche Verträge können wegen subjektiver Imparität insbesondere dann beanstandet werden, wenn

• d ie besondere wirtschaftliche oder

soziale Abhängigkeit eines Vertragspartners ausgenutzt wird,

• e ine intellektuelle Unterlegenheit eines Vertragspartners festzustellen ist oder

• d er Vertrag auf einer erheblich un-

gleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner oder gar auf einseitiger Dominanz eines Vertragspartners beruht.

Exemplarisch sollen die folgenden Umstände für die Prüfung der subjektiven Imparität bei Vertragsschluss genannt werden: Die notarielle Belehrung der Vertragsparteien ist ein ganz wesentlicher Punkt, um ausreichende Klarheit über die Folgen der zu treffenden Vereinbarungen bei den Ehegatten herbeizuführen. Von besonderer Bedeutung ist auch die

Verhandlungsdauer, also wie lange die Parteien über den Vertrag verhandelt haben. Dies gilt nicht nur für die Zeitdauer der Verhandlung vor der eigentlichen Beurkundung durch den Notar, sondern auch für die Ausführlichkeit des Beurkundungstermins selbst (keine „Überrumpelung“). Von Relevanz ist auch die Frage, ob beide Ehegatten anwaltlich beraten worden sind, um ein einseitiges Übergewicht zugunsten eines Ehegatten ausschließen zu können („Waffengleichheit“). Kritisch kann der Zeitpunkt des Vertragsschlusses sein, wenn etwa die Beurkundung äußerst knapp vor dem Hochzeitstermin stattgefunden hat. Dieser Umstand kann als Indiz für eine ungleiche Verhandlungsposition (Drucksituation) gewertet werden. Die hohe Schwangerschaft der (zukünftigen) Ehefrau vor Vertragsschluss indiziert nach Ansicht des BGH ebenfalls eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Imparität bei Vertragsschluss, die es rechtfertigt, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Nach Ansicht des BGH fühlt sich die Ehefrau zum Abschluss des Ehevertrages vor der Trauung gedrängt, um das Kind – bei etwaiger Verschiebung des Hochzeitstermins – nicht als nichteheliches Kind zur Welt bringen zu müssen.

Außerdem sind bei einer Prüfung des Erbvertrages die Beweggründe und Zwecke des Rechtsgeschäf tes zu berücksichtigen. Der Unternehmenserblasser ist ja gerade gesellschaftsvertraglich verpflichtet, einen entsprechenden Pflichtteilsverzichtsvertrag abzuschließen. Bei Nichteinhaltung drohen ihm regelmäßig Sanktionen (zum Beispiel Ausschluss vom Gewinnbezugsrecht). Vorteilhaft ist es jedenfalls, wenn die verzichtende Partei möglichst umfassende Kenntnis über das Vermögen des potenziellen Erblassers und den Wert dieses Vermögens hat (Transparenz). Weiterhin sind Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages (Überrumpelung) und eine etwaige anwaltliche Beratung beider Vertragsparteien (Waffengleichheit) in die Wirksamkeitsprüfung einzubeziehen.

III. Fazit Ehe- und Erbverträge sind wichtige Instrumente in der Nachfolgeplanung – gerade bei Familienunternehmen, aber auch bei sonstigen größeren Privatvermögen. Die Anforderungen an die wirksame Gestaltung dieser Verträge können im Einzelfall recht hoch sein, deshalb ist besondere Sorgfalt geboten.

Von Bedeutung sind auch die Lebenserfahrung und die beruflichen Voraussetzungen jeder Vertragspartei, die es ihr ermöglichen, den Vertrag in seiner Bedeutung und Tragweite beurteilen zu können. Von Relevanz können auch gegebenenfalls unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen sein. 3. Pflichtteilsklauseln Erbverträge (und damit auch Pflichtteilsverzichtsverträge) unterliegen keiner so strengen und ausdifferenzierten Inhaltskontrolle wie Eheverträge. Die Vertragsfreiheit ist hierbei deutlich weniger eingeschränkt. Allerdings sind auch Erbverträge am Maßstab des § 138 Absatz 1 BGB (Sittenwidrigkeit) zu messen. Eine Sittenwidrigkeit eines Erbvertrages kommt dabei insbesondere dann in Betracht, wenn dieser Vertrag ein erhebliches Ungleichgewicht zulasten des Verzichtenden beinhaltet, der gegebenenfalls schon über eine gefestigte Rechtsposition verfügt (Kind/Vater).

Karsten Seidel ist Partner, Steuerberater und Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der Sozietät und Mitglied der Praxisgruppe Steuerrecht. Er berät Unternehmer und vermögende Privatpersonen rechtlich und steuerlich in Bezug auf ihre Vermögens- und Nachfolgeplanung. Dies umfasst steueroptimierte Vermögensstrukturen, Stiftungslösungen, Wegzug/Zuzug und internationale steuerliche/rechtliche Aspekte.

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Digitalisierung im Vermögensmanagement – Mit Technik und Herz zum Kundenerlebnis der Zukunft von Marco Richter

Marco Richter M. A. (EBS), CFP®, Master in Wealth Management, Geschäftsführer, wealthpilot GmbH

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ealthpilot ermöglicht als digitale Lösung für das individuelle Vermögensmanagement ein perfektes Zusammenspiel aus den neuen technischen Möglichkeiten und der persönlichen Beratung. Die Digitalisierung im Wealth Management ist in aller Munde, denn der Geist der Veränderung liegt in der Luft. Für die einen ist sie eine Evolution, für die anderen eine beängstigende Revolution. Lassen Sie uns dazu den repräsentativen Alltag eines Beraters vor Augen führen: Stefan Zimmer ist Finanzplaner und Vermögensberater in Deutschland. In der

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Früh checkt er das Wetter mit seinem Smartphone und geht anschließend 6,3 Kilometer laufen, wie ihm seine Tracking-App ausrechnet. Später fährt er mit seinem Auto ins Büro, wo er via Bluetooth sein erstes Kundentelefonat führt. Im Büro angekommen endet jedoch abrupt das vernetzte Leben in der modernen digitalen Welt. Sein Arbeitsalltag ist von einer mühseligen und aufwendigen manufakturartigen Einzelbearbeitung geprägt, zum Beispiel bei der Beschaffung der Daten für die Erstellung eines Finanzplans. Aktenordner mit Depotauszügen und Versicherungsdetails sowie jede Menge Papier stapeln sich auf seinem Schreibtisch. Eigentlich ist er mit Leib und Seele Berater, doch für den direkten Kundenkontakt bleibt immer zu wenig Zeit. Dass seine Kunden einen Großteil seiner Arbeit nicht wahrnehmen und daher auch nicht entsprechend wertschätzen und honorieren, frustriert ihn zunehmend und schlägt sich auch in den Geschäftszahlen nieder.

im Wealth Management auf den reinen Effizienzgewinn zu reduzieren, würde viel zu kurz greifen. Denn mit dem richtigen Einsatz moderner Software kann man die Assets under Management (AuM) vermehren und ein Kundenerlebnis schaffen, das die Kundenbeziehung auf eine neue Ebene führt.

Welche Möglichkeiten hat er, um den Spaß an seiner Arbeit zurückzuerlangen und auch noch seine Geschäftszahlen zu verbessern? Genau hier kommen die Chancen der Digitalisierung ins Spiel. Der technische Fortschritt ermöglicht es heute, Daten digital über Schnittstellen zu erhalten und mittels spezieller Programme zu erfassen und auszuwerten. Das spart vor allem viel wertvolle Zeit und ist zudem weniger fehleranfällig. Aber den Mehrwert der Digitalisierung

Das Kundenerlebnis wird zukünftig also stark von digitalen Angeboten beeinflusst. Eine interaktive Beratung mit „Wow-Effekt“, die Beratern und Kunden Spaß macht, wird durch digitale Unterstützung erst möglich.

Die Erkenntnisse internationaler Studien zur Bedeutung von Kundenerlebnissen im Vermögensmanagement sprechen eine eindeutige Sprache:

•D as verwaltete AuM-Volumen je Be• •

rater mit digitaler Kundenplattform liegt um das Doppelte über dem eines Beraters ohne Kundenplattform. 7 3 Prozent der Endkunden positionierten denjenigen Berater mit einem digitalen und verständlichen Tool als ihren primären Berater. 7 5 Prozent der Berater bezeichneten den Einsatz digitaler Lösungen als größten Einfluss auf die Beziehung zu ihren Kunden.

wealthpilot erfüllt genau die Anforderungen, die die Digitalisierung an den modernen Berater stellt, und stellt den technischen Fortschritt in den Dienst der persönlichen Beratung.

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Nachfolgelösungen in der Finanzplanung

Mit der Software wealthpilot haben wir die Vision, die ich als langjähriger Berater und CFP® selbst immer hatte, wahr gemacht; nämlich alle relevanten Informationen über das Vermögen eines Kunden tagesaktuell verfügbar zu haben, um eine Grundlage für alle Finanzentscheidungen zu bieten. Und das alles ist so einfach zu bedienen wie mein Smartphone. Erstmalig am deutschen Markt verknüpft wealthpilot Schnittstellen und weitere Datenquellen so intelligent, dass die individuellen Vermögensdetails mit einem Klick generiert, analysiert und durch einen eigenen Algorithmus strukturiert werden können. Durch die visuelle Darstellung der Ergebnisse sind selbst komplexe Zusammenhänge für jedermann intuitiv verständlich. Außerdem können anhand der so vorliegenden Daten kundenindividuelle Reports auf Knopfdruck erstellt werden. Dabei kommt neben der Effizienz ein weiterer gewichtiger Vorteil der Digitalisierung zum Tragen: die Personalisierung. Ein Berater kann mit seinem Kunden individuell festlegen, mit welcher Detailliertheit ein Vermögensreport erstellt und wie häufig er bereitgestellt werden soll. Standardisierung im Hintergrund und personalisierte Dienstleistung im Vordergrund lautet die Zauberformel von wealthpilot. Zudem ist die vorliegende Informationsbasis die ideale Grundlage für eine weiterführende Finanzplanung. Weitere wealthpilot-Elemente, die auf die Stärkung des Beraters als zentrale Vertrauensperson abzielen, sind das intuitive Risikomanagement und die Möglichkeit zur Vereinbarung von Alarmfunktionen. Berater und Kunde legen dabei individuell fest, bei welchen Ereignissen der Berater den Endkunden kontaktieren soll. Dies können Rendite- oder Risikokennzahlen sein, ein Unterschreiten einer Mindestliquidität oder andere Merkmale, die in wealthpilot hinterlegt und dem Berater bei deren Eintreten angezeigt werden. Diese qualifizierten

Ansprachehinweise („Touchpoints“) und die proaktive Benachrichtigung des Kunden stärken nachgewiesenermaßen die Vertrauensbeziehung. Mehrfach ist das Wort „Daten“ genannt worden. Daten sind der Rohstoff, der uns hilft, den Beratungsalltag mit digitalen Lösungen zu vereinfachen. Diese zu erhalten, bedingt ein besonderes Vertrauen, und dieses Vertrauen ist bekanntlich die härteste Währung in der Kundenbeziehung. Als Digitalisierungspartner der Berater garantieren wir ein Höchstmaß an Datensicherheit. Alle uns anvertrauten Daten werden in einem Datentresor im DATEV-Rechenzentrum verschlüsselt gespeichert und bei der Übermittlung mit modernsten Techniken geschützt. Wegen der chiffrierten Speicherung aller Daten können – und wollen – auch wir bei der wealthpilot GmbH die eingespeisten Informationen nicht weiter verwerten. So tragen wir den hohen Anforderungen an den Datenschutz und seiner besonderen Relevanz Rechnung. Und wie gelingt es, dass der Kunde dem Programm wealthpilot zusätzliche Vermögensdetails anvertraut? Der Schlüssel dazu liegt darin, die Hoheit über die Daten beim Endkunden zu verorten. Nachdem der Berater seinen Kunden in wealthpilot angelegt und die bereits bekannten Vermögensdetails hinterlegt hat, erhält der Endkunde auf Initiative des Beraters eine Einladung mit einem persönlichen Zugang. Der Kunde kann somit weitere Vermögensdetails ergänzen und dabei entscheiden, welche Informationen der Berater einsehen kann und welche nicht. Durch Funktionen in wealthpilot, die ausschließlich dem Berater vorbehalten sind – wie zum Beispiel das Reportingtool –, motiviert der Berater den Kunden zur umfangreichen Datenfreigabe. Die Bereicherung des Beratungsalltags mittels der konsequent auf die Bedürfnisse der Berater ausgerichteten Software

wealthpilot nachfolgend einmal kurz zusammengefasst: 70 Prozent Zeitersparnis Durch die Automatisierung können bis zu 70 Prozent des Arbeitsaufwands für Datenerfassung und -analyse eingespart werden. Diese gewonnene Zeit, die bisher für Tätigkeiten ohne erkennbaren Wert für den Kunden aufgewendet wurde, kann nun wertvoller eingesetzt werden. Mehr Assets under Management Anhand der zusätzlichen Kundeninformationen kann der Berater Umsatzpotenziale identifizieren. Die größere Transparenz der Vermögensdetails sowie die RenditeRisiko-Zusammenhänge erleichtern das Verständnis und motivieren den Kunden zu Investitionen am Kapitalmarkt – anstatt auf Tages- und Festgeldkonten. Vom Berater zum Trusted Advisor Der Kunde honoriert die Bereitstellung einer umfangreichen Managementlösung, indem er den Berater zum primären Ansprechpartner in Finanzfragen, zum Trusted Advisor macht. So wird seine Rolle als zentrale Vertrauensperson des Kunden gestärkt. MiFID-II-ready Die EU-Richtlinie zwingt viele Berater zu sogenannten qualitätsverbessernden Maßnahmen und bedroht einen Großteil der provisionsbasierten Geschäftsmodelle von Finanzdienstleistern. wealthpilot erfüllt die definierten Anforderungen an ein „Informationstool“ im Sinne der Richtlinie und macht seine Nutzer so zu MiFID-II-Gewinnern. Wir sind Digitalisierungspartner der ganzheitlich arbeitenden Berater, die ihren Fokus auf die Beratungsqualität richten und dabei über den Tellerrand der liquiden Anlagen blicken. Unsere feste Überzeugung ist, dass die persönliche Beratung Zukunft hat für Berater und Finanzdienstleister, die die Digitalisierung als Chance begreifen und frühzeitig aufbrechen, um die neuen Möglichkeiten für ihre Kunden und für sich zu nutzen.

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Software

Herausforderungen durch Digitalisierung und Informationszeitalter Die Bedeutung der Finanzplanungssoftware fi.lux für Berater und Kunde

von Christian Tischer

F

inanzplaner und -berater sehen jetzt schon und auch zukünftig ihr Geschäftsmodell mit multiplen Herausforderungen konfrontiert: Digitalisierung, staatliche Regulierung, zunehmende Entscheidungskomplexität bei den Kunden durch leichten Informationszugang. Das stellt möglicherweise etablierte Geschäftsmodelle bei den Finanzplanern und -beratern infrage. Welche Ansätze gibt es also, um durch die Auswahl der richtigen Finanzplanungssoftware das eigene Geschäftsmodell zukunftsfest zu machen? In ihrer Studie „The Future of Employment: How susceptible are Jobs to Computerisation?“ analysierten Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne von der Universität Oxford im Jahr 2013 die Veränderung der Arbeitswelt für 702 Berufe durch Computerisierung für die Jahre 2023 bis 2033 auf der Basis von drei Dimensionen:

1.

ahrnehmung und Manipulation, das W heißt: In welchem Umfang müssen auch irreguläre Objekte und Umgebungen wahrgenommen und interpretiert werden, sodass eine Aktion erfolgen kann?

2.

K reative Intelligenz, das heißt: Inwiefern ist es für eine Aufgabe notwendig, neue und wertvolle Ideen zu kreieren?

3.

oziale Kompetenz, das heißt: WelS cher Grad an sozialer Interaktion mit dem Menschen ist für die Erfüllung einer Aufgabe notwendig?

Dabei wurden auch Tätigkeitsfelder im Bereich von Banken und der Finanzberatung analysiert (siehe Grafik oben rechts). Die Digitalisierung dürfte also bei Finanzplanern und Finanzspezialisten wesentliche Veränderungen der Geschäftsmodelle notwendig machen, weil sich das Verhalten der Kunden und deren Wahrnehmung ändern.

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WAHRSCHEINLICHKEIT DER COMPUTERISIERUNG Wertpapier-, Rohstoff-, FDL-Vertriebsmitarbeiter Finanzmanager Managementanalysten Führungskräfte, allgemein Finanzanalysten Manager, sonstige Finanzspezialisten, sonstige Ökonomen Kundenservicemitarbeiter Finanzberater Kreditberater Buchhalter und Revisoren Kreditbewilligung und Kreditorenüberwachung Angestellte Buchhaltung und Revisoren Kreditanalysten Schalterangestellte Kreditsachbearbeiter Angestellte Börsenhandel Angestellte Datenerfassung Angestellte Kontoeröffnung

2% 7% 13 % 16 % 23 % 25 % 33 % 43 % 55 % 58 % 92 % 94 % 97 % 98 % 98 % 98 % 98 % 98 % 99 % 99 %

Überträgt man diese Ergebnisse in die heutige Arbeitswelt der Finanzplaner und -berater, steigen die Anforderungen an diese Punkte:

und deren Tragweite er auch noch falsch einschätzt. Die Bewertung von Informationen nach Relevanz und Richtigkeit fällt den Kunden sichtbar schwerer.

Der Kunde stellt dem Berater 12 Aktenordner auf den Tisch – verbunden mit der Bitte, ihm zu sagen, wo er steht. Welcher gute Berater hat das so noch nicht erlebt? Leider kann sich der Kunde nicht daran erinnern, unter welchen Prämissen, zu welchem Zweck und mit welchen Leistungsmerkmalen er die Finanzbausteine gekauft hat. Noch weniger ist ihm klar, welche Wechselwirkungen es zwischen den Bausteinen gibt, welche Vermögensrisiken er sich eingekauft hat und ob er diesen Risiken gewachsen ist. Die Finanzbausteine wurden peu à peu ergänzt, ohne sinnvoll aufeinander abgestimmt zu sein.

• •

mgang mit Ambiguität (Situation unU ter Unsicherheit: der Entscheider hat keine eindeutigen Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse, was Unsicherheit bedeutet; der Entscheider ist auf subjektive Einschätzungen über seine Umwelt und deren Determinanten angewiesen) Kreative Intelligenz Soziale Kompetenz

Wir sehen bereits heute, dass sich Kunden über verschiedenste digitale Kanäle eigenständig informieren. Dadurch sinkt der Bedarf an Beratung. Allerdings hat der Kunde das Problem, dass er trotz der Vielzahl von Informationen, die zum Teil auch noch falsch oder widersprüchlich sind, Entscheidungen treffen muss. Er ist also in einem „Klarheits-Dilemma“, was ihm so oft gar nicht bewusst ist, er manchmal vielleicht noch ahnt und oft erst Jahre später bemerkt. Möglicherweise fokussiert er sich bei seinen Entscheidungen auf Dinge, die er nicht beeinflussen kann

Er merkt auf einmal, wie komplex Zusammenhänge in seinem Leben sein können, was zu einer zusätzlichen Unsicherheit führt und leider oft Entscheidungen verhindert. Hier hat der Berater im persönlichen Gespräch die Aufgabe, dieses Klarheits-Dilemma mit dem Kun-

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Software

den aufzulösen. Dem Berater kommt die Rolle einer „well-rounded personality“ zu, die über ihr Grundwissen hinaus kreativ ist und das große Ganze im Blick hat – inklusive der Risiken. Es geht also um ganzheitliches Denken bei erweitertem Technikverständnis und breiter Sozialkompetenz. Was banal klingt: Die tief gehende Ermittlung und die maßgeschneiderte Erfüllung von Kundenbedürfnissen werden auch für die Berater anspruchsvoller.

sich so sauber ausbalancieren. Der Kunde bekommt ein gutes Gefühl für langfristig tragfähige finanzielle Entscheidungen und die Entscheidungsunsicherheit sinkt deutlich.

5.

Hier kommt einer leistungsstarken Finanzplanungssoftware eine wesentliche Rolle in der Kommunikation und der Interaktion mit dem Kunden zu. fi.lux ist eine spezialisierte Finanzplanungssoftware mit modularem Aufbau.

1. Sie ermöglicht eine einfache und

logische Ordnung aller Bausteine und gibt der Finanzplanung Struktur. Damit schafft sie den äußeren Rahmen, um das Klarheits-Dilemma für den Kunden aufzulösen. Die Antwort auf die Frage des Kunden „Wo stehe ich?“ ist somit einfach. Die Verarbeitung großer Datenmengen (Big Data) erfolgt mit einfachen Eingabemasken und intuitiv, teilweise auch automatisiert.

2.

3.

Im nächsten Schritt sind alle wesentlichen Risiken für den Mandanten über ein Zusatzmodul im Rahmen der DIN SPEC 77222 mit Soll-Ist-Abgleich sichtbar (Krankheit, Pflege, Berufsunfähigkeit, Todesfall, Haftung, Vermögensrisiken). Richtig spannend wird es, wenn Berater und Kunde unterschiedliche Lebensszenarien durchspielen möchten. Die Software bietet über einen fast unbegrenzten und dynamischen Szenarienvergleich die Möglichkeit, Vermögens-, Liquiditäts-, Einkommensteuer- und Renditeverläufe von unterschiedlichen Investitions- und Konsumentscheidungen zu simulieren. Hier kann sich die kreative Kompetenz des Beraters voll entfalten. Der Kunde erlebt an dieser Stelle, wie wichtig sein Berater ist. Er lernt einen neuen Blickwinkel auf seine Finanzen kennen. Das Vertrauen in den Berater und die Wahrnehmung seiner Kompetenz steigen.

4. D ie

bei begrenzten Ressourcen (Einkommen, Vermögen) konkurrierenden Ziele (zum Beispiel Altersvorsorge, Immobilienerwerb, Ausbildung der Kinder, Konsumquote, Liquiditätsrücklage et cetera) lassen

ie Software wurde mit speziellen D Darstellungsmöglichkeiten für die Beratung von Freiberuflern und Unternehmern (beispielsweise Ärzte, Zahnärzte oder Anwälte) entwickelt. Welche Praxis kaufe ich? Hat der Einstieg in Praxis A die wirtschaftliche Substanz, um meinen gewünschten Lifestyle zu finanzieren? Bei welchen Worst-Case-Szenarien funktioniert das nicht mehr? Ist Praxis B eigentlich zu teuer oder könnte ich bei den Preisverhandlungen auch einen höheren Preis akzeptieren, weil ich die wirtschaftliche Substanz der Praxis mit meinem Berater zusammen genau analysieren konnte?

6. Kaum ein Kunde ist in der Lage, die Auswirkungen der aktuellen Niedrigzinsphase und seiner Lebenserwartung auf die Vermögensplanung auch nur annähernd richtig zu bewerten. Die Menschen schätzen ihre Lebenserwartung traditionell circa 6 bis 8 Jahre zu kurz ein. In fi.lux besteht die Möglichkeit, über wenige Klicks die Auswirkungen einer veränderten Lebenserwartung oder unterschiedlicher Kapitalrenditen zu analysieren und für den Kunden durch übersichtliche Grafiken zu veranschaulichen.

7.

in ausgefeiltes Reportingsystem E (unter anderem ein professioneller Immobilienreport) ermöglicht je nach Kundensituation ein hochwertiges Serviceangebot mit umfangreichen, detaillierten Reports. Kommunikation mit dem Kunden lässt sich hier automatisieren. Der Berater kann „Rituale“ einführen, die zur besseren Kundenbindung beitragen.

8.

er Trend zum Immobilienerwerb D ist derzeit ungebrochen. Kunden kaufen so ziemlich alles – ohne die Gesamtkapitalrentabilität nach Steuern über einen längeren Zeitraum zu kennen. Immobilienvermittler neigen dazu, Investitionsrenditen zu schönen. Der Berater entlarvt dieses Verhalten mit fi.lux im Rahmen eines professionellen Immobilienreports sehr schnell und führt den Kunden zu einem selektiven und transparenten Entscheidungsprozess.

Der Kunde erlebt auf einmal das, was er bei Banken oder anderen Beratern

vermisst: Entscheidungshilfen, Klarheit, Sicherheit, Kompetenz und vor allem Individualität. Er sieht sein finanzielles Abbild vor sich. Die Verteilung seines Vermögens auf beispielsweise unterschiedliche Vermögensverwalter empfindet er jetzt eher als Hemmnis, denn er weiß, wie seine Vermögensstruktur aussehen sollte. Notwendige Produktentscheidungen bereitet jetzt sein Berater für ihn vor. Eine Kombination von Mensch und Maschine (fi.lux) dürfte zukünftig die besten Ergebnisse liefern: große Datenmengen verarbeiten, sinnvoll kombinieren und richtig interpretieren durch menschliche Schlüsselqualifikationen (kreatives, nichtlineares Denken, soziale Kompetenz und personenbezogene Dienstleistungen). Die Konsequenzen für den Berater: eine Effizienzsteigerung der Profitabilität im Kerngeschäft und möglicherweise eine Transformation der bestehenden Geschäftsmodelle. Es entsteht die Möglichkeit einer herausragenden Positionierung und Zielgruppenansprache. Das Bedürfnis der Kunden an gemeinschaftlichem und persönlichem Austausch steigt – aber nur, wenn der Kunde beim Berater maximale Kompetenz zur Lösung seiner Fragestellungen und Probleme wahrnimmt. Die Wertschätzung des Beraters vonseiten des Kunden bekommt eine neue Dimension und ermöglicht andere, produktunabhängige Vergütungsmodelle – gegebenenfalls auch mit wiederkehrenden Einnahmen.

Christian Tischer, selbstständiger Finanzberater und Investmenttrainer, connect Sozietät für Finanzmanagement GmbH, Regensburg. Er berät seit 20 Jahren Kunden der Heilberufe, Unternehmer und Führungskräfte und hält Vorträge zu den Themen Finanzplanung, Investmentstrategien und Existenzgründung für Heilberufe.

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Software

Finanzmathematische Grundlagen: Rendite und Wiederanlageprämisse Definition der Rendite sowie Anmerkungen zur vermeintlichen „Wiederanlageprämisse“

von Volker Weg

D

ie Rendite ist ein wichtiger Eckpunkt des magischen Dreiecks „Risiko – Rendite – Verfügbarkeit“ und Basisparameter jeder Finanzund Ruhestandsplanung. Der Schichtenvergleich in der Ruhestandsplanung ist im Wesentlichen eine Renditeanalyse, und bei der Entscheidung für oder gegen ein Finanzprodukt ist die erwartete Rendite die zentrale Kennzahl. Auf der anderen Seite gibt es bisweilen immer noch die Meinung, dass der Rendite eine „Wiederanlageprämisse“ zugrunde liege und der Einsatz der Rendite dadurch kritisch zu sehen sei. Es gibt also Gründe genug, sich die Rendite einmal genauer anzuschauen.

Definition über Barwert und Endwert Diplom-Mathematiker Volker Weg ist Geschäftsführer der XPS-Finanzsoftware GmbH und absolvierte eine Ausbildung zum Aktuar (DAV) und Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS)

Um die Rendite oder den internen Zins einer Investition verstehen zu können, benötigt man Klarheit über die Begrifflichkeiten „Barwert“ und „Endwert“. Nehmen wir den einfachen Fall: Ein Anfangskapital von 100 EUR wird über 10 Jahre zu einem Zins von 7,2 Prozent per annum angelegt. Das Endkapital nach 10 Jahren beträgt 200 EUR. Dann sind 200 EUR der Endwert des investierten Kapitals und 100 EUR der Barwert der am Ende erhaltenen Leistung. Es gilt: Endwert

200 = 100 x 1,07210

Barwert

100 = 200 x

1 1,07210

Über Barwert und Endwert lässt sich

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die Rendite definieren. Die Rendite einer Investition ist der Zins, sodass gilt: Barwert der Einnahmen = Barwert der Ausgaben

Die gefundene Rendite erfüllt dann automatisch die gleichwertige Bedingung, dass der Endwert der Einnahmen gleich dem Endwert der Ausgaben ist.

Definition über Vergleichskonto Der Nachteil der Definition über Barwert und Endwert ist, dass sie sehr technisch ist. Die Definition über das Vergleichskonto ist anschaulicher. Beim Vergleichskontenmodell nimmt man ein Konto und bucht die Ausgaben der Investition als Einzahlung auf das Konto und die Einnahmen der Investition als Auszahlung von dem Konto. Der interne Zins ist nun der Zins, sodass gilt:

Kontostand am Ende

(nach der letzten Zahlung)

=0

Das Konto muss also auf null „aufgehen“. Die Investition verhält sich damit wie ein Sparkonto, dessen Verzinsung der ermittelten Rendite entspricht. Hier das Vergleichskonto für unser einfaches Beispiel:

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Software

Nr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Text Einzahlung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Zinsbuchung Auszahlung

Ausgabe 100,00

Einnahme

Termin 01.01.2017 31.12.2017 31.12.2018 31.12.2019 31.12.2020 31.12.2021 31.12.2022 31.12.2023 31.12.2024 31.12.2025 31.12.2026 01.01.2027

200,00

Konto 100,00 107,18 114,87 123,11 131,95 141,42 151,57 162,45 174,11 186,61 200,00 0,00

250 200 150 100 50 2018

2019

2020

2021

2022

2023

2024

2025

2026

These von der „Wiederanlageprämisse“

Das Vergleichskonto beinhaltet eine automatische Kontrolle der Renditeberechnung. Außerdem gibt der jeweilige Kontostand Auskunft darüber, auf welchen Betrag die Verzinsung wirkt. Die Rendite ist ja eine relative Größe, der man nichts über die Höhe der absoluten Erträge entnehmen kann. Das Vergleichskonto ergänzt dahingehend die Rendite.

Die Wiederanlageprämisse behauptet, die Rendite unterstelle, dass Ausschüttungen, die während der Laufzeit der Investition erfolgen, zum gleichen internen Zins wieder angelegt würden. Betrachtet man das Vergleichskontenmodell, so entspricht eine Ausschüttung einer Kontoauszahlung. Ob diese Auszahlung konsumiert oder wieder angelegt wird, darüber wird keinerlei Aussage getroffen. Einzig entscheidend ist, dass das Konto am Ende auf null aufgeht.

Anwendung „Unterjährigkeitszuschlag“ Der Zuschlag für monatliche Beitragszahlung einer Lebensversicherung beträgt in der Regel 5 Prozent. Statt einmal jährlich 1.200 EUR zu zahlen, werden also monatlich 105 EUR (= 1.260 EUR pro Jahr) fällig. Wer die Jahreszahlung wählt, spart in der Folge die Monatsbeiträge. Das Vergleichskonto sieht wie folgt aus:

Ermittlung der Zahlungsströme Für die Berechnung der Rendite benötigt man Klarheit über die Zahlungsströme aus der Investition. Die Ermittlung der Zahlungsströme stellt tatsächlich auch die Hauptschwierigkeit dar. Liegen die Zahlungsströme vor, kann man zum Beispiel in Excel mit der IKV-Formel oder der XINTZINSFUSS-Formel die Rendite recht einfach berechnen. Herauszufinden, welche Zahlungsströme sich aus der Investition ergeben, kann dagegen extrem aufwendig sein.

VERGLEICHSKONTO

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internen Zinsfuß mit einem expliziten Wiederanlagezins zu berechnen. Hierbei muss man aber ebenso kritisch fragen, wie denn der Wiederanlagezins zu wählen ist. Schließlich haben die Ausschüttungen unterschiedliche Restlaufzeiten und im privaten Bereich ist unklar, wie mit der Besteuerung umzugehen ist.

Würde man fordern, dass eventuelle Ausschüttungen bis zum Ablauf der Investition wieder angelegt werden müssen, so würde man die Investition praktisch auf eine „Zerobond“-Investi-

VERGLEICHSKONTO

Bestes Beispiel hierfür ist der Schichtenvergleich in der Altersvorsorgeberatung. Die finanzmathematische Aufgabe lautet: Welche Rentenversicherungen oder Fondssparpläne sollten in welcher Höhe abgeschlossen werden, damit die Rentenlücke geschlossen wird und der Aufwand für den Kunden möglichst gering ist? Gesucht wird die Lösung mit der höchsten Rendite – und zwar netto nach Steuern und Sozialversicherungen. Aufgrund der Vielzahl von Parametern ist diese Renditeoptimierung eine so komplexe Aufgabe, dass man hierfür Spezialsoftware benötigt. Die Durchführungswege unterscheiden sich alle in ihrer steuerlichen Wirkung. Hinzu kommt, dass eine renditeoptimierte Schließung der Rentenlücke in aller Regel nicht durch ein Produkt erfolgt, sondern durch eine Kombination von verschiedenen Bausteinen.

1.400 1.200

Die ermittelte Rendite beträgt 11,35 Prozent.

1.000 800 600 400 200 0

Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Wer also die Zahlweise von monatlich auf jährlich umstellt, erzielt im Mittel auf circa den halben Jahresbeitrag eine spitzenmäßige risikolose Rendite von 11,35 Prozent. Pro Jahr spart der Kunde 60 EUR und bei einer Laufzeit von 25 Jahren in der Summe 1.500 EUR – und das bei einem Monatsbeitrag von nur etwa 100 EUR!

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

tion normieren. Dies ist aber gar nicht Sinn und Zweck der Rendite. Die Rendite nimmt den Verlauf der Investition so, wie er ist, und liefert dazu die einzige wirklich „natürliche“ Rentabilitätskennzahl. Von den Kritikern des internen Zinsfußes wird vorgeschlagen, einen modifizierten

Schlussbemerkung Die Rendite ist die natürliche Rentabilitätskennzahl einer jeden Investition. Da die Rendite eine relative Kenngröße ist, sollten bei Investitionsentscheidungen zusätzlich absolute Kennzahlen wie der Gesamtüberschuss hinzugezogen werden. Wenn die Zahlungsströme klar sind, können Renditen mit einfachen Excel-Formeln berechnet werden. Bei komplexen Berechnungen wie dem Schichtenvergleich in der Altersvorsorgeberatung führt am Einsatz professioneller Software kein Weg vorbei. Volker Weg

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Software

Kosten von Fondspolicen sind entscheidend! Die Kostenunterschiede von Fondspolicen sind enorm, die Transparenz am Markt gering. Berater sollten sich allein schon aus Haftungsgründen intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

von Daniel Woisch

S

Daniel Woisch, CFP®, Inhaber, STRATEGOS Consulting. Er ist Experte für das komplexe Thema „Kosten von Finanz- und Altersvorsorgeprodukten“. Sein innovatives Vergleichsprogramm eLIGA® bringt mehr Transparenz in den Markt.

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tetig sinkende Garantien in einem dauerhaft zu erwartenden Niedrigzinsumfeld lassen Berater und Kunden aktuell stärker nach renditeträchtigen Alternativen suchen. Vor allem fondsgebundene Rentenversicherungen (FRV) rücken dabei immer stärker in den Fokus der Altersvorsorgeberatung. Die neuesten Absatzstatistiken vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) bestätigen einen Trend zur Fondspolice.

Grundsätzlich gliedern sich die Kosten einer FRV in diejenigen für den Versicherungsmantel und die Kapitalanlage (Fonds). Zusätzlich fallen Kosten für die Beratung, Vermittlung und Verwaltung an. All diese einzelnen Kostenparameter können den gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen entnommen werden. Fondsgebundene Rentenversicherungen lassen sich aber nicht über einzelne Kostenparameter vergleichen, sondern nur über die Summe aller Kosten.

Der Erfolg einer Fondspolice hängt bekanntlich von zwei Faktoren ab: Wertentwicklung und Kosten. Naturgemäß ist die Wertentwicklung immer erst im Nachhinein bekannt (ex post). Bei Produktvergleichen kann die Performance aber einheitlich angenommen werden, sodass dieses Entscheidungskriterium innerhalb gleicher Anlageklassen zunächst sekundär wird. Dagegen sind die spezifischen Kosten einer FRV schon zu Beginn (ex ante) weitestgehend bekannt und demzufolge auch primär zu betrachten. Denn unstrittig ist, dass hohe Kosten langfristig die Rendite deutlich schmälern.

Doch können die Gesamtkosten von Fondspolicen überhaupt transparent ermittelt werden? Schnell wird klar, dass eine Vergleichbarkeit am Markt nicht vorhanden ist, denn es werden immer nur einzelne Kostenpositionen ausgewiesen. Und dies von Anbieter zu Anbieter auch noch auf unterschiedliche Art und Weise. Auf den gesetzlich vorgeschriebenen Informationsblättern (Muster-PIBs, PIBs et cetera) werden die Kosten einer FRV auch nicht kumuliert dargestellt. Ein Vergleich über die Ablaufleistungen ist darüber hinaus sinnlos, da für deren Ermittlung keine einheitliche Berechnungsmethode

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Software

vorgeschrieben ist. Daher ist auch die Effektivkostenquote, eine Ableitung der Ablaufleistung, ungeeignet. Ein einheitlicher Produktvergleich ist aufgrund fehlender Transparenz am Markt de facto nicht möglich. Wie also weiter vorgehen? Im ersten Schritt könnten zunächst nur die Fondskosten berücksichtigt werden, denn bereits an dieser Stelle sind die Kostenunterschiede zwischen einzelnen Fondsarten wie zum Beispiel aktiven und passiven Fonds (ETF) enorm. Hier sind Kostenunterschiede von über 1.000 Prozent keine Seltenheit! Geht man bei einem Produktvergleich aber von gleichartigen Fonds und damit gleichen Gebühren aus, so müssen dennoch auch die Kosten des Versicherungsmantels berücksichtigt werden. Denn was nützt ein kostengünstiges ETF-Portfolio in der FRV, wenn dieser Kostenvorteil durch einen eventuell sehr teuren Versicherungsmantel wieder „aufgefressen“ wird? Hier hilft ein modernes Analyse- und Beratungstool wie der neue eLIGA ® -

Vergleichsrechner: eLIGA® ist eine Vergleichssoftware, die nicht nur die Kosten von Finanz- und Versicherungsprodukten in ihrer Gesamtheit transparent berechnen, sondern gleichzeitig auch deren Ablaufleistungen einheitlich ermitteln kann. Somit können die genannten Produkte endlich konsistent miteinander verglichen werden. Die Software wurde bezüglich ihrer mathematischen Korrektheit vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) geprüft und zertifiziert.

Bereich! Wohlgemerkt, nur aufgrund der Kostenunterschiede beim Versicherungsmantel.

In der folgenden Berechnung soll kurz die Notwendigkeit einer Kostenbetrachtung dargestellt werden, die allgemeinen Parameter sind dabei natürlich für alle gleich: Selbst bei einem monatlichen Beitrag von „nur“ 100 EUR, einer Laufzeit von 35 Jahren und einer durchschnittlichen Brutto-Wertentwicklung der Fonds von 6 Prozent per annum sind große Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern festzustellen. Vergleicht man beispielsweise den teuersten mit dem günstigsten Anbieter, so ergeben sich Unterschiedsbeträge im fünfstelligen

Allein diese beiden Kurzberechnungen zeigen eindrucksvoll, dass sich Berater mit dem Thema Kosten von Fondspolicen intensiv beschäftigen müssen. Nicht nur, um teure Fehlberatungen zu vermeiden, sondern allein schon aus Haftungsgründen. Analysen und Beratungen zu einer fondsgebundenen Rentenversicherung müssen daher immer kunden- und tarifindividuell erfolgen, um exakte Ergebnisse zu erhalten. Mit einer modernen Vergleichssoftware können vor allem qualifizierte CFP ® solche Dienstleistungen gewährleisten.

Noch signifikanter fällt folgender Vergleich mit den soeben angewandten allgemeinen Parametern aus: Es werden zwei Fondspolicen verglichen, eine mit aktiv gemanagten Fonds und eine, in der kostengünstige ETFs enthalten sind. Hier summiert sich der Unterschiedsbetrag schnell auf mehrere Zehntausend Euro!

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Investment

Im Blick behalten, was wirklich zählt: Extremrisiken an den Finanzmärkten

Seltene und extreme Ereignisse fachgerecht zu adressieren, ist ein Grundpfeiler professionellen Risikomanagements. Standardmethoden versagen jedoch im entscheidenden Moment. Die Schuld wird dann bei „schwarzen Schwänen“ gesucht. Extremwertmodelle erlauben hingegen, das extreme Verlustrisiko einzuschätzen, und entlarven viele vermeintlich schwarze Schwäne als kalkulierbares Risiko.

von Paul Skiba

wenn dies in der Werbung für Finanzprodukte häufig suggeriert wird, so muss man doch sagen, dass Zukunftsprognosen eher auf Jahrmärkte als auf Finanzmärkte gehören. Allerdings kann man auch einen anderen Ansatz wählen, den unsere Vorfahren schon in grauer Vorzeit nutzten: Sie beobachteten ihre Umgebung – die Natur oder bestimmte Phänomene –, um an deren Veränderung rechtzeitig aufziehende Katastrophen erkennen zu können. Heute erleben wir die praktische Anwendung dieser Idee in Form von täglichen Wetterprognosen bis hin zu überlebenswichtigen Tsunami-Frühwarnsystemen.

Paul Skiba studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und am University College Dublin sowie Finanzmathematik an der Cass Business School in London. Seit 2015 ist er im Risikomanagement des unabhängigen Vermögensverwalters BPM - Berlin Portfolio Management GmbH tätig. Er ist Mitentwickler einer UCITS-fähigen Multi-Asset-Investmentlösung auf Grundlage der Extremwerttheorie.

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ei der Investition am Finanzmarkt lassen sich Strategien, Zielvorstellungen und persönliche Wünsche häufig auf eine wesentliche Frage reduzieren: Wie schafft man es, investiert zu sein, wenn die Kurse steigen, und gleichzeitig nicht dabei zu sein, wenn es steil bergab geht? Nun werden Sie sagen, dass man dafür eine Glaskugel haben müsste, die einen Blick in die Zukunft erlaubt. Und auch

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Aber was haben Überschwemmungen, Erdbeben oder Wirbelstürme mit Crashs an den modernen Kapitalmärkten zu tun? Die Realität zeigt: deutlich mehr, als man gemeinhin annehmen würde. Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit ist eine messbar zunehmende Sensibilität oder „Fragilität“ im Vorfeld einschneidender Ereignisse. Nennen wir diese der Einfachheit halber „Vorbeben“. Sie alle kennen die Darstellungen von Seismografen, die uns eindrucksvoll zeigen, wenn ein Vulkan das Ausmaß seiner „normalen“ Vibration verlässt und in einen Zustand größerer Unruhe und Erschütterung übergeht. Einheimischen und Touristen wird daraufhin geraten, das Gebiet großzügig zu räumen. Wie aber misst man Vorbeben zum Beispiel an den Aktienmärkten, beim Ölpreis, bei einer Unze Gold oder an den Anleihemärkten? Die Antwort ist Grundlage unseres Risikomanagements. In ruhigen

Marktzeiten bewegen sich Preisveränderungen einer Anlage innerhalb einer bestimmten Bandbreite von beispielsweise 0 bis 1 Prozent am Tag. Bewegungen von 1 Prozent und mehr sind seltener und sollten bereits auffallen. Interessant wird es für uns aber erst dann, wenn Wertveränderungen in den Extrembereich vordringen! Genau dieser Bereich ist es, der ein deutlich zunehmendes Risiko für starke Rückschläge signalisiert, bevor es sich als Krise manifestiert. Die Herausforderung für den Betrachter ist es dabei, das Grundrauschen der „normalen“ Tagesbewegungen (die sogenannte Volatilität), welches natürlich auch bei steigender Zerbrechlichkeit des Marktes weiterhin vorkommt, auszublenden. Gleichzeitig stößt man häufig auf die fatale Fehleinschätzung, dass die Krisen der Vergangenheit auch den Maximalverlust zukünftiger Krisen akkurat beschreiben. Dem ist natürlich nicht so: Jeder Sturm kann stärker werden als der bisher stärkste, und jeder Börseneinbruch kann den bisher größten signifikant übertreffen. Um auf statistischer Basis eine verlässliche und qualitativ hochwertige Aussage zum eingegangenen Verlustrisiko einer Anlage treffen zu können, muss man daher nicht nur Verluste der Vergangenheit mit höchster Präzision beschreiben, sondern auch über den Tellerrand des Geschehenen schauen können. Dieses darf aber keine Schätzung „ins Blaue“ sein, sondern muss durch das Risikoprofil der Anlage begründet sein. Wie ein guter Deichbauer darf

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Investment

man den Schutzwall gegen die Flut daher nicht zu niedrig errichten und sollte idealerweise noch einen Sicherheitspuffer einplanen. Gleichzeitig darf der Deich nicht unnötig in den Himmel wachsen, da auch dieses Vorgehen ineffizient und kostspielig ist.

1

DIE AUSWIRKUNG VON KRISENZEITEN AUF DEN AMERIKANISCHEN MARKT

3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0

Tagesverluste über 3%

2

Dramatische Verluste hätten so verhindert werden können, und selbst bei sehr risikoreichen Anlagen wie Öl ließe sich die positive Wertentwicklung durch das konsequente Verwalten von Extremrisiken über die Zeit „konservieren“. Stringent umgesetzt, werden so verhinderte extreme Vermögensrückgänge zum Schlüssel für langfristigen Anlageerfolg.

S&P 500 Total Return Index

S&P 500 + EXTREMRISIKO-"FRÜHWARNSYSTEM"

Wertentwicklung (Log.)

Abschließen möchten wir diesen kurzen Abriss mit zwei konkreten Demonstrationen der historisch belegten Wirksamkeit dieses Vorgehens am Beispiel von US-Aktien in Form des S&P-500-Index (Grafik 2) sowie des Marktpreises für ein Barrel Rohöl (Grafik 3). In beiden Fällen haben wir das extreme Verlustrisiko für die letzten 15 Jahre auf täglicher Basis berechnet. Stieg dieses in besorgniserregende Höhe, also über einen bestimmten Wert, wurde das Portfolio nach diesem Vorbeben vollständig in Bargeld umgeschichtet. Anhand der beiden Graphen erkennt man deutlich, dass eine Risikobegrenzung mit Fokus auf auftretende Extremereignisse durch zeitweilige Desinvestition und Halten von Bargeld durchaus sinnvoll war. Der horizontale Verlauf der blauen Kurve kennzeichnet solche Phasen, in denen konsequent nicht investiert werden sollte. Nahmen die Extremrisiken dann ab, stand einer Anlage nichts mehr im Wege.

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

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S&P 500 + Extremrisiko-"Frühwarnsystem"

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S&P 500

CRUDE OIL (BRENT) + EXTREMRISIKO-"FRÜHWARNSYSTEM"

Wertentwicklung (Log.)

In der praktischen Umsetzung am Finanzmarkt hat dabei jede einzelne Anlageform interessanterweise ihre ganz eigene „Nervositätsgrenze“, ab der die Gefahr für extreme Ereignisse stark zunimmt. Historisch betrachtet wird dies immer wieder dadurch bestätigt, dass große Tagesverluste oft in zeitlich engem Rahmen hintereinander aufgetreten sind. Die konsequente Schlussfolgerung ist daher, dass bereits beim ersten Auftreten von extremen Verlusten das Portfolio geordnet „evakuiert“ werden muss. In der ersten Grafik erkennt man bereits, wie sich extreme Ausreißer (Tagesverluste über 3 Prozent) am amerikanischen Aktienmarkt in Krisenzeiten konzentrieren, während man sie bei steigenden Märkten höchstens als frühen Indikator eines Erdbebens vorfindet.

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Crude Oil (Brent) + Extremrisiko-"Frühwarnsystem"

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Crude Oil (Brent)

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Ein Überblick über den Gesundheitssektor von Enrico Braglia

dungen sowie neue wissenschaftliche Entdeckungen zugänglich macht. Neuartige Anwendungen wie Gentests (die Nutzung von Gentests zur Bestimmung genetischer Veranlagungen oder der Wahrscheinlichkeit, eine Störung zu entwickeln oder weiterzugeben) und die regenerative Medizin (die Kombination aus Zellträgern, Zellen und biologisch aktiven Molekülen in funktionellem Gewebe und Organen) werden tief greifende Auswirkungen auf unser Leben haben, indem „Ersatzteile“ für beschädigtes Gewebe oder Organe zur Verfügung stehen, doch vor allem, indem Grundlagen für neue Therapien geschaffen werden.

ie wohl größte Herausforderung für einen Anleger ist die Wahl der Asset-Allokation. Heutzutage können nur noch Aktien oder einige alternative Anlagen eine ehrliche Renditeentwicklung bieten. Doch sind Aktien und alternative Anlagen immer mit einem hohen Risiko und Volatilität verbunden. Zurzeit sind die Gesundheits- und die Informationstechnologie diejenigen Sektoren, die sich in unserer wissensbasierten Wirtschaft am meisten lohnen und am stärksten wachsen.

Die Weltbevölkerung lebt länger und benötigt innovative gesundheitsbezogene Ansätze, die an ihre Bedürfnisse angepasst sind. Für die Hälfte aller Krankheiten sind noch immer keine Heilmittel bekannt und gegenwärtige Medikamente wie Antibiotika verlieren aufgrund der Bakterienresistenz an Wirksamkeit. Das Gesundheitswesen und die Biotechnologie im Besonderen verlagern das Krankheitsmanagement sowohl in die personalisierte als auch in die präventive Medizin durch gezieltes Screening, Diagnostik und innovative Arzneimittelbehandlungen. Die Pharmakogenomik, die Informationstechnologie auf das menschliche Genom anwendet, hilft bei der Zusammenstellung, Entdeckung und Entwicklung von Arzneimitteln und wird diese radikale Veränderung weiter unterstützen.

Es findet eine Revolution im Gesundheitswesen statt, die neue Anwen-

Krebs-Immuntherapien, Gentherapien und Behandlungen für seltene Krank-

Enrico Braglia M. A. (Wirtschaftswissenschaften), Gründer und CEO, Onelife SA, Multiunternehmer mit über 25 Jahren Topmanagement-Erfahrung in der Gesundheits- und Finanzbranche, Vorstand mehrerer innovativer Unternehmen

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heiten sind für Anleger zunehmend interessant geworden. Der Gesundheitsmarkt ist in den vergangenen zwanzig Jahren stetig gewachsen (+ 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr im Jahr 20161). Tausende Unternehmen und Hunderte New Ventures steigen jedes Jahr in diese Branche ein, was zu sehr komplexen Verhältnissen führt. Darüber hinaus haben die Finanzkrise und der von der Regierung ausgeübte Druck auf die Kosten im Gesundheitssektor zur Volatilität des Marktes beigetragen. Die Vereinigten Staaten und Europa haben schon immer zu den führenden Akteuren im Gesundheitssektor gehört. Dennoch unterscheidet sich das Profil des Gesundheitssektors in diesen beiden Regionen aufgrund unterschiedlicher Regulierungssysteme und der Einstellung der Öffentlichkeit. Die Mehrheit der europäischen Unternehmen hat ihren Sitz in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, den Benelux-Staaten, der Schweiz oder Skandinavien. Das Gesundheitswesen und die Biotechnologie haben in den Vereinigten Staaten ein enormes Wachstum gezeigt und werden begeistert aufgenommen. In den vergangenen Jahren konnten wir beobachten, wie Schwellenländer wie zum Beispiel China, Indien und Singapur verstärkt in das Gesundheitswesen investierten und so die Lücke schnell schlossen. Die geringen staatlichen Investitionen in die Grundlagenforschung und Subventionen, die verschiedenen Sozialversicherungssysteme, ein komplexes und bruchstückhaftes Regulierungsumfeld

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sowie eine hohe Risikoaversion der Anleger und der Mangel an Risikokapital haben dazu geführt, dass der Gesundheitssektor in Europa hinter den USA zurückbleibt. Das lässt sich vor allem damit erklären, dass es für US-Unternehmen einfacher ist, Geld von Finanzmärkten, besonders in Form von Risiko-, Eigen- und Fremdkapital, aufzunehmen. Der europäische Gesundheitssektor wird auch durch die Zunahme staatlicher Eingriffe und einen sich ständig verändernden Regulierungsrahmen gehemmt. Im Gegensatz dazu ist die Inlandsnachfrage in den USA stetig gewachsen, das konnte die Branche für sich nutzen. US-Unternehmen wussten ihre Produkte auf internationaler Ebene auch deutlich besser zu vermarkten als ihre europäischen Pendants. In einem schwierigen Jahr 2016 blieb der Gesundheitssektor hinter den Erwartungen zurück. Die großen Pharma- und Biotech-Unternehmen mit zielgerichteten Projektmöglichkeiten und neuen Produkteinführungen werden das Aufwärtspotenzial auf lange Sicht vorantreiben. Obwohl die Herausforderungen der Preisgestaltung weiterhin kritisch bleiben, bieten Unternehmen mit innovativen neuen Produkten attraktive Margenchancen. Gesundheits- und Biotech-Unternehmen befinden sich in der Mitte eines neuen Produktzyklus, in dem mehrere Nachfolgeprodukte mit einem Wert von mehreren Milliarden Dollar erfolgreich in den Markt eingeführt wurden oder in einer späten Entwicklungsphase sind. In den nächsten 24 Monaten werden Fortschritte bei disruptiven

Therapien (zum Beispiel Immunonkologie) zunehmend häufiger, obwohl allgegenwärtige Preissorgen und eine größere politische Unsicherheit (beispielsweise neue US-Regierung und Wahlen in Europa) wohl weiterhin kritisch bleiben. Im Jahr 2020 werden rund 25 Prozent der Branchenerträge2 von diesen neuen Produkten stammen, die eine Phase höherer Margen aufrechterhalten oder den Verlust der Einnahmen aus Generika ausgleichen werden. Biosimilars werden eine bescheidene, aber zunehmende Marktdurchdringung beweisen, was eine bedeutende kommerzielle Gelegenheit für einige Unternehmen darstellt (für über 100 Milliarden USD aus biologischen Einnahmen wird bis 2020 das Patent ablaufen3).

l anger Entwicklungszyklus von über 12 Jahren und hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung

eue US-Regierung, Steuerreform n und Wahlen in Europa

oher Preisdruck/hoher Druck auf h Rückvergütungen

Solide Fundamentaldaten und neue Produk teinführungen werden ein starkes langfristiges Wachstum unterstützen und die jüngste unterdurchschnittliche Entwicklung kompensieren. Darüber hinaus rechnet man in dieser Branche mit großen Deals sowie Mergers and Acquisitions (M&A). Dazu gehören sowohl kleinere Akquisitionen als auch große M& A, da der Sektor über reichlich Bilanzkapazität verfügt, um diese Geschäfte zu verfolgen und auszuführen. Zusammenfassung für 2017 und danach: Negative Marktaussichten:

eltweite Unsicherheit und hohe w Volatilität schrecken Anleger ab

wissenschaftsbasierte Entscheidungen nur teilweise durch Fundamentaldaten ausgeglichen

Positive Marktaussichten:

s tarke Innovationen bedeuten IPSchutz (Ingress Protection), höhere Preise und weniger Wettbewerb

über 400 wissenschaftliche Katalysatorereignisse 4 im Jahr 2017 und gegebenenfalls 50 Zulassungen neuer Medikamente5

s tetiges Marktwachstum

attraktive Unternehmensbewertungen

&A-Chancen bei außergewöhnlichen M Leistungen

Die Wahl der richtigen Investition setzt ein hohes Know-how voraus, das ausschließlich Fachleute garantieren können. Die Evaluierung von Gesundheitsunternehmen, vor allem in der frühen Phase, erfordert sektorale und wissenschaftliche Kenntnisse, um klinische Studiendaten, Behandlungsstandards und Krankheitsinzidenzen korrekt einkalkulieren zu können, die herkömmliche Finanzkennzahlen abwegig erscheinen lassen können. Aus diesem Grund sollten Anleger ohne profunde Kenntnisse der Branche bei der Investition vorsichtig sein oder ihre Entscheidungen von Fachleuten überprüfen lassen.

1 | Deloitte: 2017 Global Life Sciences Outlook. 2 | Statista.com; Bloomberg.com; Onelife-firmeninterne Daten (2017). 3 | IMS Institute for Healthcare Informatics: Delivering on the Potential of Biosimilar Medicines (März 2016). 4 | Cowen and Company: 2017 Therapeutical Outlook (September 2016); J.P. Morgan Healthcare Conference 2017. 5 | Onelife-firmeninterne Daten (basierend auf dem Datenbankbestand des Office of New Drugs [OND] der U.S. Food and Drug Administration [FDA] im Januar 2017).

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Investment

Andreas Grünewald

Nachfolgeplanung macht auch vor Vermögensverwalterbranche nicht halt

Vorstandsvorsitzender

von Andreas Grünewald

Persönliche Daten

nehmer zur Unternehmensnachfolge bei weiter steigenden Anforderungen Geboren am 24.06.1968 in Mainz beraten, neun Prozent mehr als im Jahr 2014 und sogar 60 Prozent mehr als vor verheiratet, drei Kinder fünf Jahren.

aber noch mehr verschlechtern. Dies gleicht auch anderen Branchen, da die selbstbewusste „Generation Y“ eigene Zukunftspläne verfolgt und kein InteresDer Verband unabhängiger Vermöse hat, den elterlichen Familienbetrieb gensverwalter Deutschland e.V. (VuV) zu übernehmen. In der Folge begeben Beruflicher Werdegang beobachtet eine klare Tendenz, dass sich immer mehr Unternehmer auch immer mehr Inhaber Nachfolger oder außerhalb der Familie auf die Suche Andreas ist seitnachApril 2014 Nachfolger. Vorstandsvorauch TeilhaberGrünewald für ihr Unternehmen einem geeigneten suchen. Die regulatorischen Anforderungen nehmendes insbesondere mit MiFIDunabhängiger Für den Vermögensverwalter ist ausitzender Verbands VermögensverwalII noch mal deutlich zu. Vermögensverßerdem problematisch, dass früher walter werden sich fragen müssen, ob Unternehmen ganz einfach Familienter Deutschland e.V. (VuV). Dem Vorstand desanVuV gehört sie das mit ihrer Unternehmensgröße mitglieder übertragen werden konnten. noch wirtschaftlich stemmen können. Heute schaut die BaFin ganz genau hin, er bereits seit 2005 an. Grünewald ist Gründer und VorIn Zukunft werden immer mehr Unterob ein Familienmitglied in der Lage ist, nehmen mindestens fünf oder sechs das Unternehmen zu führen. Zahlreiche stand der Münchener Vermögensverwaltung FIVV AG Mitarbeiter haben. Man sieht auch bei Hürden erschweren die Übergabe. ManAndreas Grünewald, Vorstandsvorsitzender, den Neugründungen, dass – anders che Vermögensverwalter überlegen sich (FinanzInformation VermögensVerwaltung). Bereits wähVerband unabhängiger Vermögensverwalter als noch einige Jahre zuvor –& kaum ein angesichts zunehmender Regulierung Deutschland e.V. Gründer allein an den Start geht. und insbesondere eines als unverhältrend des Studiums zum Diplom-Kaufmann beschäftigte er sichangesehenen schwerpunktmäßig nismäßig Formalismus, ob mit icht nur die steigenden AnJunge Menschen verfolgen es überhaupt eine gute Empfehlung an forderungenKapitalmarktforschung der Regulierung, andereFinanzierung. Ziele die nächste Generation ist, eine Karriere den Themen und Nach einigen Jahren als Wertauch das erreichte Lebensalter in diesem Bereich zu beginnen. dürfte für einige Vermögensverwalter Ein weiterer Grund die vermehr-gründete Andreas Grünewald im papieranalyst bei der Privatbank Hauck & für Aufhäuser ein Grund für den Beginn von Nachfolten Übernahmen in der Zukunft ist der Der Verband erkennt geplanungen sein. Wer vor 20 Jahren, Generationenkonflikt. Nach Eindruck die Zeichen und reagiert Jahr 1999 die FIVV AG, die seit dem Jahr 2005 auch eine Repräsentanz in Peking unzum Zeitpunkt des Starts der staatlichen des Verbandes steigen „dank “ der Regulierung der Branche, den Schritt überbordenden Regulierung nur sehr VuV stellt sich auf das gestiegene terhält. Die unabhängige Vermögensverwaltung betreut Der Privatund Unternehmerkunin die Selbstständigkeit gewagt hat, wenige junge Leute in die Branche ein. Interesse an Nachfolgeplanungen ein dürfte heute etwa 60 bis 65 Jahre alt Die Branche wird nicht mehr als besonund hat darauf bereits mit Maßnahmen den, institutionelle Anleger Stiftungen in ganz Deutschland. Er2016 isthatAutor sein und vor dem Ruhestand stehen. und ders attraktiv wahrgenommen. Pro Jahr reagiert. Im Juni der VuVdiverser eine Der Vermögensverwalterbranche geht erhalten schätzungsweise bundesweit Internetplattform gestartet, auf der Fachbücher bzw. hält regelmäßig Gastvorträge an verschiedenen Univeres hier wie dem Rest desAufsätze deutschen und nur ungefähr 10 bis 15 Unternehmen sich Vermögensverwalter austauschen Mittelstandes. Laut DIHK-Report zur eine Zulassung als Vermögensverwalkönnen, die ihre Firma verkaufen oder Unternehmensnachfolge 2016 haben ter. Derzeit deckt sich die Anzahl der andere zukaufen wollen. Der Sinn der sitäten. die Industrie- und Handelskammern Neuzulassungen noch knapp mit den VuV-Generationenplattform ist, dass im Jahr 2015 rund 6.500 Senior-UnterRückgaben. Dieses Verhältnis wird sich Verbandsmitglieder sich anonym und

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neutral vorstellen können. Sie fangen erst dann mit intensiven Gesprächen an, wenn sie einen interessanten Partner gefunden haben. Solche Anbahnungen verlangen ein hohes Maß an Diskretion, weil das Signal, veräußern zu wollen, mitunter für erhebliche Unruhe im Kundenkreis sorgen könnte. Die Gespräche finden bilateral ohne Einbindung des Verbandes statt. Neben der Vernetzung von Interessenten steht auch die Weiterbildung im Fokus. Im Sommer 2017 wird der Verband eine eigene Weiterbildungseinrichtung unter dem Namen „VuV-Akademie“ ins Leben rufen. Neben vielen rechtlichen und finanzportfoliotheoretischen Themen werden auch Seminare im Bereich der Nachfolgeplanung für Vermögensverwalter auf der Agenda stehen. Darüber hinaus unterstützt der Verband die jungen Unternehmer beim Start beispielsweise über das verbandseigene Compliance-Management-System und das VuV-CRM, das die notwendigen betrieblichen Prozesse und Strukturen behandelt und alle relevanten Musterformulare und Dokumente enthält.

Banker scheuen das unternehmerische Risiko Trotz der Maßnahmen der Vermögensverwalter und des VuV stehen viele Vermögensverwalter vor dem Problem, einen passenden Nachfolger ausfindig zu machen. Die heutigen Vermögensverwalter waren früher bei einer Bank beschäftigt und dort in einer Führungsposition tätig. Den Schritt in die Selbstständigkeit haben sie gewagt, da sie frei von Vertriebsvorgaben und -druck agieren und rein im Sinne des Kunden handeln wollten. Heutzutage gewinnt man den Eindruck, dass Bankmitarbeiter sich schwertun mit dem Ausstieg aus dem gewohnten Arbeitsumfeld einer Bank. Trotz Bankenkrise und Mitarbei-

terabbau scheinen der sichere Hafen und das feste Anstellungsverhältnis eines Konzerns nicht an Attraktivität verloren zu haben. Die Selbstständigkeit gilt als unsicher. Monetäre Aspekte der Konzerne wie betriebliche Altersversorgung und Sonder- oder Bonuszahlungen gewichten zu hoch. Die finanziellen Chancen einer Selbstständigkeit werden zwar erkannt, gelten aber gerade in den Anfangsjahren als schwer planbar. Hinzu kommt, dass die Vermögensverwaltungsbranche durch die gestiegenen staatlichen Vorgaben an die Unternehmensorganisation zu zusätzlichen Arbeitsbelastungen führt. Bislang hatte ein Bankmitarbeiter sie in dieser umfassenden Form nicht zu verantworten. Als Beispiele können hier die Einrichtung von Ablaufprozessen und Regeln oder die Etablierung diverser Verantwortlichkeiten wie Compliance-, Datenschutz- oder Geldwäschebeauftragte sowie das Beschwerdemanagement aufgeführt werden. Zudem kennt die Regulatorik keine Grenzen. Ab 2018 ist eine neue Funktion zu regeln. Es gilt, die „Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT“ (BAIT) in den Vermögensverwaltungsunternehmen zu organisieren. Ein „Informationssicherheitsbeauftragter“ ist demnächst gefordert.

Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen Für die richtige Nachfolgeplanung gibt es drei bekannte Modelle, die in der Praxis angewandt werden. Viele Unternehmen bauen bereits sehr früh ein oder zwei potenzielle Nachfolger auf, die noch relativ jung ins Unternehmen einsteigen und eventuell nur wenige Berufsjahre vorweisen können. Diese Mitarbeiter sollen in den Unternehmen weiter ausgebildet und in der Finanzportfolioverwaltung intensiv mit den Kunden vertraut gemacht werden. Eine Nachfolge ist erst

circa 10 bis 15 Jahre später vorgesehen. Das VuV-Karriereportal auf www.vuv.de/ Karriere hilft bei der Suche. Das zweite Modell ist der abrupte Übergang, der oftmals mittels eines kompletten Verkaufs durchgeführt wird. Leider oft ausgelöst durch finanzielle Lücken in der Altersversorgung oder eine plötzlich auftretende Krankheit, die zum Handeln zwingt. Diese äußerst ungünstige Variante des Übergangs erlaubt wenig Verhandlungsspielraum bei der Unternehmensbewertung und birgt die Gefahr, dass Kunden verloren gehen. Dieses Modell scheint leider nicht selten angewandt zu werden, da 43 Prozent der deutschen Unternehmen nicht rechtzeitig auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet sind (DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2016). Das dritte Modell zählt wohl zu der derzeit am häufigsten gewählten Variante. Der Vermögensverwalter sucht seinen Nachfolger rund fünf Jahre vor seinem geplanten Ausscheiden und holt ihn ins Unternehmen. In dieser Zeit übergibt der Unternehmer die Kunden nach und nach an den jüngeren Kollegen und zieht sich Schritt für Schritt aus dem operativen Bereich zurück. Häufig reduzieren die Unternehmer ihre Arbeitszeit von fünf Wochenarbeitstagen um einen Tag pro Jahr, sodass sie nach vier bis fünf Jahren nur noch sporadisch ins Büro kommen müssen. Für die Kunden ist dieser Prozess besonders angenehm, da sie zunächst auf Altbewährtes zurückgreifen und sich mit dem „Neuen“ langsam vertraut machen können. Oftmals bleibt der Vermögensverwalter Gesellschafter des Unternehmens und ist so noch finanziell beteiligt. Dieses Modell findet auch auf Verbandsseite Befürworter. Der VuV steht auch hierbei gern mit Rat und Tat begleitend zur Seite.

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NFEP-Experteninterview

nfep-Expertengespräch: Digitalisierung – Bedrohung oder Chance? Im Interview: Dr. Holger Sachse

Wie stellt sich das konkret dar? Dr. Holger Sachse: Das Profil des Beraters wird sich ändern. Der Kunde wird erwarten, dass der Berater einen höheren Informationsgrad über den Kunden mitbringt. Es stehen sehr viele Informationen durch die Transaktionshistorie zur Verfügung. Der Kunde wird erwarten, dass der Berater davon Kenntnis hat und die digitalen Spuren in ein adäquates Beratungsangebot übersetzt. Wie wird das genau funktionieren?

Dr. Holger Sachse, Partner & Managing Director, The Boston Consulting Group Herr Dr. Sachse, angenommen, ich arbeite als Relationship Manager im Wealth Management. Werde ich mir in zehn Jahren überlegen, besser Informatik studiert zu haben? Dr. Holger Sachse: Nein. Aber ich glaube, dass sich die Aufgaben eines Relationship Managers in den nächsten zehn Jahren verändern werden. Wir nennen das „Bionik“. Wir glauben an die Parallelität von Technischem und Humanem im Angebot.

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Dr. Holger Sachse: Nehmen Sie einen vermögenden Kunden aus der Klasse bis drei Millionen Euro. Der interagiert laufend mit der Bank. Sie werden Informationen darüber erhalten, wie er sich durch Ihr Angebot navigiert, welche Transaktionen er tätigt, wofür er sich interessiert. Sie können aus dem Verhalten Typen ableiten mit den unterschiedlichsten Einstellungen zur Bank. Hunderte von Typen, die unterschiedlich angesprochen werden wollen: die einen proaktiv, die anderen reaktiv. Die einen wünschen einen konkreten Vorschlag, die anderen möchten zusammen mit dem Berater eine Lösung entwickeln. Eine Herausforderung für den Berater … Dr. Holger Sachse: Auf jeden Fall. Für einen klaren Bedarf eine Lösung zu

entwickeln, ist einfach. Aus diffusem Bedarf Lösungen zu entwickeln, stellt die Berater vor Herausforderungen. Und hier liegen die Chancen der Digitalisierung? Dr. Holger Sachse: Genau. Die Bedürfnisse werden in Zukunft genauer seziert und dem Relationship Manager zur Seite gestellt werden müssen. Die „Analytics“getriebenen Ansätze werden eine wesentliche Rolle spielen. Das heißt aber auch, dass Freiheitsgrade abnehmen werden. Ins Gespräch zu gehen und zu schauen, wie es sich entwickelt, wird nicht mehr funktionieren. Dafür nimmt die Toleranz bei den Kunden ab. „Analytics“-getriebene Ansätze bedeutet, dass ich die digitalen Spuren, die der Kunde hinterlässt, messen und auswerten und in Handlungsansätze überführen muss. So ähnlich wie Produktvorschläge von Amazon auf Basis der Produkte, die ich mir angesehen habe? Dr. Holger Sachse: Durchaus. Genau das wird vom Kunden verlangt werden. Wenn ich Amazon, iTunes oder Spotify benutze, bekomme ich auf Basis meines Verhaltens Vorschläge unterbreitet, was für mich noch passend sein könnte. Das funktioniert erstaunlich gut. Bin ich bei der Bank, fange ich bei einem Gespräch häufig wieder bei Adam und

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NFEP-Experteninterview

Eva an, weil mein Berater gewechselt hat. Erneut erzähle ich meine ganze Geschichte. Das ist frustrierend. Ich werde mir eine Bank suchen, die das zu verhindern weiß. Aber geht das ohne Berater? Dr. Holger Sachse: Nein. Wie eingangs gesagt: Wir glauben an die bessere Verzahnung aus digitaler Analyse und menschlichem Berater. Es gibt so viele Bedürfnisse, denen Sie nicht rein digital begegnen können. Natürlich können Sie komplexe Algorithmen bauen. Aber da müsste dann der Kunde auch so viele Informationen einpflegen, dass es für keine Seite mehr attraktiv ist. Gerade bei den Fragen, die die Menschen an wesentlichen Punkten ihres Lebens bewegen: die Fragen zur steuerlichen Gestaltung, zur Familienplanung, wie und wann Vermögen in welcher Form und unter welchen Rahmenbedingungen übertragen werden soll – all das ist nicht standardisiert erfassbar. Das verlangt nach gestandenen Beraterpersönlichkeiten. Dr. Holger Sachse: Unbedingt. Gute Berater stellen dem Kunden genau die Fragen, über die sich der Kunde bislang selbst keine Gedanken gemacht hat. Das setzt Erfahrung voraus, denn der Berater muss im Hintergrund immer überlegen, welche Fragen passen. Daraus entstehen die spezifischen Lösungen, die der Kunde als Mehrwert erfährt, für den er bereit ist, etwas zu bezahlen. Hier können dem Berater die Analysen digitaler Spuren einen großen Dienst erweisen – denn ein Kunde wird sich umso besser betreut und beraten fühlen, je individueller er behandelt wird. Berate ich den Kunden nach Standard, weiß der Kunde nicht mehr, warum er beispielsweise einen Aufschlag für sein Depot zahlen soll.

Wie beurteilen Sie die Robo-Advisors als Konkurrenz für die Banken und das Wealth Management? Dr. Holger Sachse: Digitale Robo-Advisors als Stand-Alone-Modelle werden nicht aufgehen. Zum einen, weil die Kunden die menschliche Interaktion wünschen, zum anderen, weil sie sich auch ökonomisch nicht rechnen. Die Fintechs, die nur Robo- oder AutoAdvice anbieten (möchten), sind nicht profitabel und werden es auch nicht, weil die Akquisitionskosten pro Kunde zu hoch sind. Und Lösungen für sehr vermögende Kunden sind für Fintechs uninteressant, weil diese Kundengruppe einfach zu klein ist. Und als integrierter Bestandteil des Bankangebots? Dr. Holger Sachse: Hier ist die Chance. Einige Fintechs werden genau darauf spekulieren, dass ihre Algorithmen von den Banken gekauft werden. Aber Banken müssen wieder innovieren. Tun sie es nicht, geraten sie unter Druck und rennen dem Markt hinterher. Man hat den Eindruck, dass die Banken der Digitalisierung hinterhergehechelt sind. Dr. Holger Sachse: Digitalisierung ist ein pauschaler Begriff. Er beinhaltet mehr als eine schicke Oberfläche und automatisierte Abwicklungsprozesse. Die wirklichen Herausforderungen liegen auf der Seite der Analytics, gerade je individueller das Kundengeschäft ist. Und die Banken nutzen die Chance? Dr. Holger Sachse: Nun, sie haben alle die Gelegenheit dazu. Die strenge Regulatorik dient ja auch als Schutzwall vor

Angriffen, auch vor denen der Fintechs. Aber erst einmal müssen sie investieren: in die IT und in Human Resources. Es besteht jedoch die Chance, eine andere Klientel als bislang bedienen zu können, einen breiteren Zugang zu bekommen. Möglicherweise erhöht es auch die Rendite, aber es ist eher ein Muss. Denn alle anderen investieren auch. Klingt eher nach Notwendigkeit als nach aktiver Gestaltung. Dr. Holger Sachse: Ja, es ist so. Die Banken nutzen ihr Innovationspotenzial viel zu wenig aus. Die Fintechs spielen eine Rolle, weil sie Angebote entwickeln, die die Banken versäumt haben. Die Banken haben sich vor allem um die eine oder andere Produktneuerung gekümmert. Aber Innovationen, um die Interaktion mit dem Kunden zu verbessern, sind zu oft auf der Strecke geblieben. Woran liegt das? Dr. Holger Sachse: Die Finanzkrise hat bewirkt, dass der Fokus auf Sicherungsaspekte gelegt wurde. Sicherlich verständlich. Rechtliche Rahmen einzuhalten, ist notwendig. Aber um ein Unternehmen profitabel und flexibel in die Zukunft zu führen, braucht es mehr, als sich an Regularien zu halten. Hier bietet die digitale Welt inspirierende Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung. Und die First Mover werden belohnt, weil sie schneller dazulernen. So wie Amazon. Und der Relationship Manager muss in Zukunft kein Informatiker sein, er muss aber der Maschine mehr vertrauen. Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führten Maximilian Kleyboldt (2. Vorsitzender) und Arne Meinking (Pressesprecher) vom Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V.

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Impressum Impressum

Herausgeber/Verleger Forum Trainingsmanagement UG (haftungsbeschränkt) Ebereschenallee 7 14050 Berlin Chefredakteur Thomas Abel, CFP®, CFEP® editor@financialplanningmagazin.de Redaktionsanschrift Forum Trainingsmanagement UG (haftungsbeschränkt) Ebereschenallee 7, 14050 Berlin Telefon: +49 30 20 84 55 25 Fax: +49 3212 12 07 854 E-Mail kontakt@financialplanningmagazin.de Anzeigen anzeigen@financialplanningmagazin.de

Autoren Birgit Bichlmeyer Ronald Sier Michael E. Kitces Christian Hirschbolz Janko Laumann Dr. Martin Lück Hans-Jörg Naumer Dr. Lutz Schmidt Dr. Marc Henning Diekmann Dr. Robert Strauch Karsten Seidel Marco Richter Christian Tischer Volker Weg Daniel Woisch Paul Skiba Enrico Braglia Andreas Grünewald Dr. Holger Sachse

Layout | Grafik Jessica Zimmerling Mediendesign mail@jz-mediendesign.de

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Veranstaltungen

Veranstaltungskalender 15 Jahre network financial planner e.V. 17.06.2017

Jubiläumsevent in Hamburg: 10:00–13:00 Uhr 11:00–13:00 Uhr 16:00–18:30 Uhr ab 19:30 Uhr

nfp-Golfturnier, Red Golf Moorflet Führung durch die Elbphilharmonie Alsterrundfahrt Abendevent im „clouds – Heaven‘s Bar & Kitchen“

Forum Trainingsmanagement UG in Kooperation mit dem network financial planner e.V. (www.trainingsmanagement.com) 16.06.2017

3. Hamburger Finanzplanertag

24./25.11.2017

13. Financial Planner Forum in Berlin

LPX Group (www.lpx-group.com) Roadshow – Assetklasse Infrastruktur

network financial planner e.V. (www.nfpb.de) 5. Münchner Finanzplanertag

Netzwerk der Finanz- und Erbschaftsplaner e.V. (www.nfep.de) 06.11.2017 19:00 Uhr

"Aktuelle Fälle aus der Beratungspraxis", Referent: Rechtsanwalt Karsten Seidel, Veranstaltungsort: Kanzlei K&L Gates, OpernTurm, Bockenheimer Landstr. 2-4, 60306 Frankfurt

Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. (www.fpsb.de) 23.06.2017

Mitgliederversammlung und 20. Jubiläum vom FPSB Deutschland, Frankfurt

Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (www.vuv.de) 24.11.2017

20. Jubiläum vom VuV, Feier in Wiesbaden

Weiterbildung

Finanzplaner Fortbildung in Kooperation mit dem NFEP (www.finanzplanerfortbildung.de) 28./29.09.2017

Weiterbildung

Netzwerke

12.10.2017

05.10.2017 09:30 Uhr

Augustiner-Keller, München Referent: Dr. Michel Degosciu (Gründer und Geschäftsführer der LPX Group)

06.10.2017 09:30 Uhr

Wirtschaftsclub Düsseldorf, Düsseldorf Referent: Dr. Michel Degosciu

13.11.2017 08:30 Uhr

Hotel Ku‘ Damm 101, Berlin Referent: Dr. Michel Degosciu

13.11.2017 15:00 Uhr

Hamburger Börse, Hamburg Referent: Dr. Michel Degosciu

15.11.2017 09:30 Uhr

Rotonda Business Club, Köln Referent: Dr. Michel Degosciu

FCM Finanz Coaching (www.fcm-coaching.de) 22.06.2017 09:15 Uhr

9. Expertenforum „Risikoprofiling mit Anlegern“, bis zu 5 CPD-Credits, IHK Wiesbaden

XPS-Finanzsoftware GmbH in Kooperation mit der Forum Trainingsmanagement UG (www.xps-finanzsoftware.de) 04.07.2017

Basisseminar, München Dozent: Sven Scherner (Forum Trainingsmanagement UG)

05.07.2017

Praxisseminar, München Dozent: Sven Scherner

05.09.2017

Basisseminar, München Dozent: Sven Scherner

06.09.2017

Praxisseminar, München Dozent: Sven Scherner

6. Frankfurter Finanzplaner Forum, Veranstaltungsort: Relexa Hotel, Lurgiallee 2, 60439 Frankfurt

Forum Trainingsmanagement UG Webinare 15.06.2017

Ethik in der Finanzplanung

20.06.2017

Ethik in der Finanzplanung

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