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2020 IIHF WM IN ZÜRICH UND LAUSANNE Netzwerken an der «historischen Eishockeyparty

NETZWERKEN AN DER «HISTORISCHEN EISHOCKEYPARTY»

DIE ORGANISATION EINES SPORTLICHEN UND GLEICHZEITIG AUCH EINES GESELLSCHAFTLICHEN GROSSEVENTS MIT INTERNATIONALER STRAHLKRAFT IST EINE ENORME HERAUSFORDERUNG FÜR EIN ORGANISATIONSKOMITEE WIE AUCH FÜR DIE MARKETINGABTEILUNG. UND ERST RECHT, WENN MAN VERANTWORTLICH IST FÜR EIN WELTMEISTERSCHAFTSTURNIER IN EINER SEHR POPULÄREN SPORTART WIE EISHOCKEY. DAS MOTTO DER 2020 IIHF EISHOCKEY WELTMEISTERSCHAFTEN IN ZÜRICH UND LAUSANNE – «LET'S MAKE HISTORY!» – HAT ES SCHON MAL IN SICH UND VERSPRICHT HOCHKARÄTIGES. WIR HABEN UNS MIT SPORTDIREKTOR UELI SCHWARZ UND DEM VERANTWORTLICHEN MARKETINGLEITER MIKE DÄHLER GETROFFEN.

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VON JOËL CH. WUETHRICH

Das Organisieren eines Grossevents, der in der Regel in dieser internationalen Strahlkraft nur einmal pro Jahrzehnt im eigenen Land stattfindet, ist ein dickes Brett. Die Erwartungen sind hoch, nur schon, weil die internationale (Sport-) Gemeinschaft von der Schweiz eine qualitativ hochstehende Organisation und Abwicklung erwartet. Auch die international als Hochpreisinsel taxierte (oder zumindest so wahrgenommene) Schweiz schüre Erwartungen bei den vielen Fans und Gästen aus aller Welt. Ja, man spüre die Erwartungshaltung, sagt Sportdirektor und OK-Mitglied Ueli Schwarz. «Wir stellen uns dem gerne und werden unser Bestes tun, den Ansprüchen gerecht zu werden!» Das sei aber zu erwarten gewesen und ganz normal. Man wisse eben schon gleich zu Beginn, was Sache sei, scherzt er. Ueli Schwarz war schon an den Weltmeisterschaften 2009 involviert und in einer zentralen Rolle tätig und weiss, worauf es ankommt. Dennoch ist heuer alles anders: neue Stadien, neue technische und strukturelle Bedingungen, andere Ansprüche an die Städte mit den Tourismus-Verantwortlichen, die Infrastruktur ist natürlich eine andere, Marketing und Kommunikation an ein breiteres und deutlich mehr segmentiertes und sehr anspruchsvolles Zielpublikum ist nötig und die Vernetzung sind grosse Herausforderungen. Und natürlich ist die Organisation im Speziellen eine ganz andere als 2009, auch wenn manche Rezepte und Herangehensweisen sich bis heute bewähren konnten. Ueli Schwarz: «Wie schon 2009 starteten wir mit einem Kernteam und waren nur sehr wenige Involvierte. Enorm spannend war der Prozess, als dann die verschiedenen Teams wuchsen und sehr viele Menschen in die Projekte eingebunden wurden. Es begann gewissermassen mit einer Top-Down-Organisationsform und entwickelte sich zu einer Bottom-up-. Das heisst, dass sämtliche Mitwirkende – seien es Freiwillige, Leute in Leitungsfunktionen, Ausführende und auch die sogenannten History Makers, wie wir die Volounteers nennen – sich als wichtige Bestandteile sehen können.»

Es ist nämlich Fakt, dass in einer solchen riesigen Organisation wirklich jede und jeder Einzelne wichtig ist, damit die Umsetzungen garantiert sind.» Ueli Schwarz betont hierbei, dass man sich schon auch der sogenannten New-Work-Philosophie bedient. Diese hat als Kernsignal beziehungsweise – die Aussage, dass man am meisten Effizienz und Erfolg erwirkt, wenn die Mitwirkenden an einem Projekt oder generell Mitarbeitende eine sinnstiftende und wirkungsvolle Aufgabe zugeteilt erhalten, an welcher man wachsen kann. «Das ist nämlich auch ein Aspekt bei uns: Einige haben viel Erfahrung in der Organisation von grossen Sportevents. Dazu gehöre wohl ich, aber natürlich auch Gian Gilli, Peter Lüthi und Mike Dähler für das Marketing, um nur wenige zu nennen. Aber für viele ist es das erste Mal, und es entsteht ein intensives Learning by Doing. Auch wenn alle qualifiziert sind für die Aufgabe, müssen manche auch in die verantwortungsvolle Rolle hineinwachsen», fügt Ueli Schwarz hinzu. Dieses bewusste Einbinden junger Leute ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie – möglichst viel Know-how und Network soll auf möglichst viele Leute in der Schweizer Hockey Community verteilt werden.

50-MILLIONEN-BUDGET Die Komplexität des Sports macht es sehr anspruchsvoll, ein starkes Netzwerk zwischen den zahlreichen Akteuren aufzubauen. Dadurch stehen Organisatoren von vielen Sportveranstaltungen vor der Herausforderung, wie sie ihre Veranstaltung mit weniger Sponsoren und Partnern aus der Wirtschaft solide finanzieren können. Sportveranstaltungen geniessen in Zürich eine lange Tradition und lösen bei den Teilnehmenden sowie den Zuschauenden mehrheitlich positive Emotionen aus. Zudem sind Sportveranstaltungen gewinnbringend für die Standortförderung und können die Menschen aller Altersklassen für die jeweilige Sportart motivieren.

Natürlich muss auch die Budgetfrage gestellt werden: Offiziell wurde kommuniziert: Um ökonomisch auf eine «schwarze Null» zu kommen, müssen die Organisatoren bei einem Budget von 50 Millionen Franken rund 21 Millionen generieren und 307’000 Tickets verkaufen. Zum Vergleich: Die letzten Eishockey Weltmeisterschaften in der Schweiz mobilisierten 224’500 (1998) und 300’000 Zuschauer (2009). Das Fassungsvermögen der Arenen Hallenstadion (10’200) und Lausanne-Malley (8500) ist ähnlich gross wie vor zehn Jahren in Bern (11'454 Plätze) und Kloten (6300). Jedoch ist die Austragungsstätte in Lausanne im Vergleich zu Kloten 2009 nicht nur infrastrukturell besser aufgestellt und zeitgemäss, sondern bietet auch im ganzen flankierenden Veranstaltungsbereich (Logen, Catering, Events im Event und so weiter) weitaus bessere Voraussetzungen. Das Ziel sei jedoch, so sagt Ueli Schwarz, nicht in erster Linie einen Gewinn herauszuholen, sondern eine besondere Nachhaltigkeit zu erzeugen. Das bedeute, man wolle den Eishockeysport bei den Kindern >

Mike Dähler (links) und Ueli Schwarz: Die Erwartungen an alle Involvierten im WM OK sind hoch.

Der Haupspielort dfer 2020 IIHF WM, das Zürcher Hallenstadion in Oerlikon.

und Jugendlichen, bei den Mädchen und Frauen und neuen Zielgruppen populär machen, und allfällige Überschüsse würden sicherlich auch in diesen Bereich fliessen, sprich in die Förderung und Promotion an der Basis.

VERMARKTUNG AUCH ALS CORPORATE EVENT Mike Dähler, der für das Marketing verantwortlich ist, bestätigt den Ansatz und auch die neuen Vermarktungsmöglichkeiten: «Es ist evident, dass wir die neuen Zielgruppen für diesen Event genau erkennen und mit unseren Kommunikationsmassnahmen bedienen müssen. Wir haben den Vorteil, dass wir eine Kernzielgruppe haben und genau wissen, wie diese tickt und was sie interessiert. Und dann kommen noch die erweiterten Zielgruppen hinzu wie die Unternehmerinnen und Unternehmer, die KMU im Generellen und jene, die einen solchen Event als gesellschaftliches Ereignis sowie als Corporate Event wahrnehmen.» Hier habe man, so Mike Dähler, sich Schritt für Schritt gemäss der Entwicklung in der B2B- beziehungsweise Corporate-Vermarktung der WM 2020 angepasst. Sei es infrastrukturell wie auch beim inhaltlichen Angebot. «Natürlich konnten wir nicht einfach ein grosses B2B-Village aufbauen. Wir mussten uns an die Rahmenbedingungen halten und bauen sukzessive das Angebot passend zur Nachfrage auf. Die Nachfrage für Corporate Events und -Angebote entwickelt sich sehr gut. Für das Netzwerken werden wir sehr gute Voraussetzungen generieren. Sei es im Hallenstadion Zürich, in der Arena in Lausanne, aber auch im unmittelbaren Radius der Spielstätten.» Mit den Städten würde man auch gut zusammenarbeiten. Für Zürich Tourismus und besonders auch für Lausanne mit seinem Label «Capital Olympique» ist das Grossereignis, welches sich über mehrere Wochen erstreckt, eine Herausforderung. Da tun sich für Mike Dähler in der Vermarktung natürlich viele Türen auf. Generell ist die Wertschöpfungskette während einer Eishockey-Weltmeisterschaft sehr hoch. Eine hohe Wertschöpfung wird vor allem bei mehrtägigen Anlässen gebracht, so wird der Konsum in

den Bereichen Shopping, Gastronomie, Hotellerie und Stadtbesichtigungen gefördert. Noch mehr Potenzial wird freigesetzt, wenn ganze Familien anreisen.

ONCE IN A LIFETIME? Der grosse Unterschied in der Organisation wie auch in der Vermarktung zu anderen Grossereignissen sei, so Dähler und Schwarz, folgendes Alleinstellungsmerkmal: Wir können unsere Arbeit nicht vergleichen mit jener bei den wiederkehrenden Sportevents, die zudem auch an den gleichen Austragungsorten stattfinden. Eine solche Veranstaltung sei eine internationale Party, die vielleicht nur einmal pro Jahrzehnt in der Schweiz stattfindet. Ueli Schwarz: «Ich bezeichne den Event gerne als grosse Eishockeyparty. Es kommen Eishockeyfans aus aller Welt zu uns. Um die Spiele in einer guten Atmosphäre ohne giftige Fan-Rivalitäten zu geniessen und anschliessend in der Stadt zu feiern. Wie cool ist das denn?»

«LET’S MAKE HISTORY!»

2020 findet die WM zum 11. Mal in der Schweiz statt, in Zürich und Lausanne. Die Schweizer OK-Crew begibt sich nicht auf organisatorisches Neuland. Sowohl OK-Chef Gian Gilli (Geschäftsführer schon bei der WM 2009 in Bern und Kloten) wie auch Sportdirektor Schwarz arbeiteten schon bei der WM vor zehn Jahren im OK an vorderster Front mit. Gilli gilt als einer der erfolgreichsten Schweizer Sport-Manager. Nebst der Eishockey-WM 2009 organisierte er auch die Ski-WM 2003 in St. Moritz; später führte er als Leiter Spitzensport olympische Missionen an. Sein Job als WM-Geschäftsführer ist es, für den Schweizer Verband den Gewinn zu optimieren. Inoffizielle anderthalb Millionen erhält der Schweizer Verband alleine für die Ausrichtung der WM. Die WM in der Schweiz soll Geschichte schreiben. «Let's Make History!» ist das offizielle Motto.

Entsprechend sind die 1000 freiwilligen Helfer nicht «Volunteers», sondern «History Makers». «Der Impuls für dieses Motto kam von der Nationalmannschaft», sagte Gian Gilli an einer Pressekonferenz. «Das gefiel uns. Das wollten wir übernehmen. Die Aussage zeugt von Mut. Auch wir Organisatoren wollen mit der Weltmeisterschaft in Zürich und Lausanne etwas Besonderes schaffen.» ■

ENTWICKLUNG DER SCHWEIZER SPORTWIRTSCHAFT

Die Schweizer Sportwirtschaft hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt. Das zeigen Zahlen aus einer Untersuchung, die das Forschungsunternehmen Rütter Soceco im Auftrag des Bundesamts für Sport BASPO erstellt hat. Die Bruttowertschöpfung des Sports ist um mehrere Prozent gestiegen. Die Beschäftigung ebenfalls. Die Zunahme ist primär auf ein Wachstum in den Bereichen Sportanlagen, Sportvereine und -verbände sowie Sportunfälle zurückzuführen. Dabei waren Faktoren wie der anhaltende Boom bei den Gymnastikund Fitnesscentern, eine gesteigerte Arbeitsproduktivität bei den internationalen Sportverbänden sowie zunehmende Sportunfallzahlen und allgemeine Kostensteigerungen im Gesundheitswesen ausschlaggebend. Der Anteil der Sportwirtschaft ist ungefähr gleich gross wie derjenige der Branche Energie- und Wasserversorgung und mehr als doppelt so hoch wie jener der Land- und Forstwirtschaft. Mit nahezu 100’000 Vollzeitstellen leistet der Sport einen Beitrag von über 2.5 Prozent zur Gesamtbeschäftigung der Schweiz.

WWW.IIHF.COM/DE_CH/EVENTS/2020/WM

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