Physio 2030 – Leseprobe

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Im Kompetenz-Kompass für die Ausbildung in der Physiotherapie werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Rahmenbedingungen der Ausbildung von Physiotherapeuten sowie die Ausbildung selbst gestaltet werden könnten, um die Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz bei lernenden Physiotherapeuten zu unterstützen und die physiotherapeutische Versorgungsqualität über das Jahr 2030 hinaus zu sichern. Die Darstellung der Ausbildung von Physiotherapeuten, des Wandels im deutschen Gesundheitsmarkt sowie (inter)nationale Studien zu physiotherapeutischen Kompetenzen (SoPHY-Studie 2030) legen die Basis zur Diskussion. Spezifische zukunftsrelevante Kompetenzen werden in Anlehnung an den Kompetenzatlas aufgezeigt und erläutert.

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Becker Physio 2030

Mit Bezug zu den zukünftigen Anforderungen im Gesundheitsmarkt erfolgt die Vorstellung und Diskussion internationaler Berufsrollen von Physiotherapeuten. Die Verdeutlichung berufs- und ­bildungsrelevanter kritischer Aspekte für die zukünftige Entwicklung der Physiotherapie und der Ausbildung von Physiotherapeuten mündet in konkrete Handlungsempfehlungen.

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Der Kompetenz-Kompass für die Ausbildung in der Physiotherapie

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Impressum Autorin

Dr. Annette Becker E-Mail becker@becker-health-consult.de Website www.becker-health-consult.de

Hinweis

Die medizinische Entwicklung schreitet permanent fort. Neue Erkenntnisse, was Medikation und Behandlung angeht, sind die Folge. Autor und Verlag haben alle Texte mit großer Sorgfalt erarbeitet, um alle Angaben dem Wissensstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung anzupassen. Dennoch ist der Leser aufgefordert, ­Dosierungen und Kontraindikationen aller verwendeten Präparate und medizinischen ­Behandlungungsverfahren anhand etwaiger Beipackzettel und Bedienungsanleitungen eigenverantwortlich zu prüfen, um eventuelle Abweichungen festzustellen.

ISBN

978-3-9482-7701-7

Copyright

© 2019 by Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG, Lazarettstraße 4, 80636 München

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Bearbeitung sonstiger Art sowie für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Dies gilt auch für die Entnahme von einzelnen Abbildungen und bei auszugsweiser Verwendung von Texten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wir übernehmen auch keine Gewähr, dass die in diesem Buch enthaltenen Angaben frei von Patentrechten sind; durch diese Veröffentlichung wird weder stillschweigend noch sonst wie eine Lizenz auf etwa bestehende Patente gewährt. Sommer media GmbH & Co. KG, Feuchtwangen

Bibliografische Information

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Druck

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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INHALT Teil I Physiotherapie und Kompetenzen der Physiotherapeuten

Die Autorin

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Zur Einführung

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Danksagung 14

Gesundheits- und bildungspolitische Sachlage der Physiotherapie

21

1.1 Status quo der Ausbildung von Physiotherapeuten

22

1.2 Wandel im Gesundheitsmarkt

25

1.3 Berufs- und bildungspolitische Weichenstellungen

28

1.4 Berufliche Handlungskompetenz und Zukunftsfähigkeit

34

1.5 Zukunftsanforderungen an Physiotherapeuten

37

2 Kompetenzdiagnostik

39

2.1 Der KODE®-Kompetenzatlas

40

2.2 Entstehung des Kompetenzmodells

43

2.3 Wissen, Qualifikationen, Kompetenzen

44

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Studien zur Kompetenzdiagnostik in der Physiotherapie Kompetenzen der Physiotherapeuten Projekt KØDE-NQF SoPHY-Studie 2030

3

Sollprofil physiotherapeutischer Kompetenzen 2030 (SoPHY-Studie) 53

47 47 49 50

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3.2 Ergebnisse 3.2.1 Stichprobenbeschreibung 3.2.2 Am häufigsten gewählte Kompetenzen

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3.1 Hintergrund, Ziel, Durchführung

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Inhalt

Ab Seite 17

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Inhalt

3.2.3 Wahl der Grundkompetenzen P, A, S, F 3.2.4 Wahl der Quadranten je Grundkompetenz 3.2.5 Wahl spezifischer Kompetenzen

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Diskussion der Ergebnisse der SoPHY-Studie 2030

4.1 Befragtengruppen versus Kompetenzwahl und Zukunftsanforderungen 101 4.1.1 Am häufigsten gewählte Kompetenzen 101 4.1.2 Grundkompetenzen 103 105 4.1.3 Quadranten 4.1.4 Spezifische Kompetenzen 106 112 4.1.5 Kritische Anmerkungen 4.1.6 Resümee 112 4.2 Kompetenzwahl im (inter)nationalen Studienvergleich 4.2.1 Nationale Studie Heyse 4.2.2 Internationale Studie KØDE-NQF 4.2.3 Resümee

116 116 118 122

4.3 Kompetenzwahl versus berufliche Handlungskompetenz 4.3.1 Personale Kompetenz 4.3.2 Fach- und Methodenkompetenz 4.3.3 Sozial-kommunikative Kompetenz 4.3.4 Aktivitäts- und Handlungskompetenz 4.3.5 Resümee

124 124 127 129 130 132

Teil II Berufsrollen von Physiotherapeuten und Zukunftsanforderungen Ab Seite 135

5.1 CanMEDS-Berufsrollen

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Berufsrollen von Physiotherapeuten und spezifische Kompetenzen

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5.2 Physiotherapeutische Berufsrollen und Kompetenzen im Kompetenzatlas 143 5.2.1 Experte (Physiotherapy expertise) 145

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Kommunikator (Communicator) Teamworker (Collaborator) Manager (Manager) Health Advocate (Health care promotor) Lernender/Lehrender (Reflective practitioner) Professionsangehöriger (Professional)

6

Welche Berufsrollen und Kompetenzen benötigen Physiotherapeuten in 2030? 177

150 154 158 162 166 170

6.1 Berufsrollen im Abgleich mit dem Kompetenzatlas

178

6.2 Berufsrollen im Vergleich mit Studienergebnissen

181

6.3 Zukunftsanforderungen, Berufsrollen und relevante Kompetenzen

191

6.4 Resümee

198

Inhalt

5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7

Teil III Aufbruch in die physiotherapeutische Zukunft

7

Berufs- und bildungspolitische Casus knacksus

205

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3

Politisch-qualitativer Weitblick Einheitliche Zukunft braucht einheitliche Ausbildung an der Hochschule Bundesweite Ausbildung an der Hochschule erscheint möglich Qualifikation der Ausbildung an einer Hochschule einbringen können

207 207 211 213

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3

Entwicklung von Handlungskompetenz Begrenzte Kompetenzentwicklung je nach Ausbildungsinstitution Uneinheitliche Kompetenzentwicklung in Gesundheitseinrichtungen Ausbildung der Ausbilder nicht geregelt

214 215 217 219 224

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7.4 Berufsrollen in der Ausbildung

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7.3 Erfahrungen der Lehrenden im Theorie-Praxis-Transfer

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Ab Seite 201

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Inhalt

7.5 7.5.1 7.5.2

Zeitgemäßes physiotherapeutisches Selbstverständnis Selbstverständnis, Theoriebildung und Weiterentwicklung der Physiotherapie Selbstverständnis und Wertebasis der SoPHY-Studie im Vergleich zum DQR

226

8

Was wohl wirklich wichtig wäre …

237

9

Übersicht der 64 Schlüsselkompetenzen eines Physiotherapeuten

243

226 231

261

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10 Literatur

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Dr. Annette Becker

Seit 2010 freiberuflich selbstständig (Becker Health Consult). Schwerpunkt: Fortund Weiterbildung von Lehrkräften in den Gesundheitsfachberufen zum Thema ‚Kompetenzentwicklung bei Lernenden‘.

Promotion im Bereich Public Health am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Forschungsthema: Der Einfluss eines SOK-orientierten Coachings und der Physiotherapie auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit von Pflegenden mit muskuloskelettalen Beschwerden (CoPA-Studie).

Über 16 Jahre Schulleiterin einer Schule für Physiotherapie in NRW.

Sechs Jahre Vorstandsmitglied im Verband Leitender Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie Deutschland e. V. (VLL).

Mitarbeit an der Entwicklung der Empfehlenden Ausbildungsrichtlinie für die Physiotherapie NRW (EAR; MAGS 2005).

S tudium der Mehrdimensionalen Organisationsberatung, Supervision und Coaching (M.A.) Studium Lehramt Sek. I Physiotherapeutin Supervisorin (DGSv) Lizensierte KODE®- und KODE®X-Beraterin.

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Die Autorin

DIE AUTORIN

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Die Autorin

Veröffentlichungen Becker, A., Coester, S. (2019): Sollprofil physiotherapeutischer Kompetenzen im Jahr 2030, In: pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten_71 (2019) 3, Pflaum Verlag München, S. 96–102. Becker, A. (2019): Ein SOK-orientiertes Coaching kombiniert mit Physiotherapie für Mitarbeiter im Gesundheitswesen, In: Angerer, P., Gündel, H., Brandenburg, S., Nienhaus, A., Letzel, S., Nowak, D. (Hrsg.) Arbeiten im Gesundheitswesen. Psychosoziale Arbeitsbedingungen – Gesundheit der Beschäftigten – Qualität der Patientenversorgung, ecomedMEDIZIN, ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech, S. 367-381. Becker, A., Angerer, P., Müller, A. (2017): The prevention of musculoskeletal complaints: A randomised controlled trial on additional effects of a work related psychosocial coaching intervention compared to physiotherapy alone. International Archieves of Occupational and Environmental Health. May 90(4) S. 357-371, DOI 10.1007/ s00420-017-1202-6. Becker, A. (2015): Schlüsselkompetenzen deutscher Physiotherapeuten, In: Heyse, V., Giger, M. (Hrsg.) Erfolgreich in die Zukunft: Schlüsselkompetenzen in Gesundheitsberufen, medhochzwei Verlag GmbH, Heidelberg, S. 289–321. Mehr unter: www.becker-health-consult.de

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Kontakt: becker@becker-health-consult.de

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Zur Einführung

ZUR EINFÜHRUNG „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ (Francis Picabia)

Frei nach dem Motto von Francis Picabia wird in diesem Buch das Thema ‚Kompetenzen von Physiotherapeuten1‘ aus vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Dies erscheint aufgrund der aktuell bevorstehenden bildungs- und berufspolitischen Weichenstellungen erforderlich. Wohin entwickelt sich der deutsche Gesundheitsmarkt2? Was wird von den zukünftigen Physiotherapeuten erwartet? Wo soll es hingehen in der Physiotherapie? Wo muss es hingehen? Über welche Kompetenzen verfügen Physiotherapeuten im Moment? Wie muss sich die Ausbildung von Physiotherapeuten verändern und warum? All diese Fragen werden mit nationalem sowie internationalem Blick diskutiert. Die Idee zu diesem Buch entstand im Rahmen meines Vortrags ‚Die wandelnden Anforderungen an die Physiotherapie und ihre Bedeutung für die praktische Ausbildung von morgen‘. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage: Welche Kompetenzen benötigen Physiotherapeuten tatsächlich in der Zukunft, zum Beispiel im Jahr 2030? Daraus resultierte die Idee zur Durchführung der SoPHY-Studie 2030, um ein Sollprofil physiotherapeutischer Kompetenzen zu ermitteln. Im Jahr 2018 wurde diese Studie durchgeführt, deren Ergebnisse eine zentrale Rolle in diesem Buch spielen.

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Die Feststellung der Notwendigkeit einer gezielten Diskussion der Kompetenzentwicklung resultierte zusätzlich aus dem beruflichen Alltag der Autorin. Bei vielen Lehrenden, die Physiotherapeuten ausbilden, bestanden bzw. bestehen offensichtlich grundlegende Unklarheiten hinsichtlich der ‚Kompetenz‘ von Physiotherapeuten sowie der gezielten ‚Kompetenzentwicklung‘. Diese Annahme begründet sich durch nicht selten auftretende Fragen wie beispielsweise: Was bedeutet denn eigentlich Kompetenz? Ist Fachwissen Fachkompetenz? Was macht Methodenkompetenz, personale Kompetenz etc. aus? Woran erkenne ich, dass mein Lernender kompetent ist? Wie entwickele ich Lernkompetenz am schnellsten? Die Thematik der Entwicklung von Kompetenzen wird daher in diesem Buch aufgegriffen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für sämtliche Geschlechter.

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An dieser Stelle wird der Begriff des ‚Gesundheitsmarktes‘ gewählt, da sich dieser sowohl durch eine umfassende Gesundheitsversorgung als auch die Entwicklung innovativer Hightech-Produkte in der Medizintechnik und Arzneimittel sowie neuer Behandlungs- und Untersuchungsmethoden auszeichnet [1]. Da Physiotherapeuten zukünftig voraussichtlich auch diesbezüglich mehr gefordert werden, wird im Folgenden der Begriff Gesundheitsmarkt weiter verwendet, ausgenommen in Zitaten bzw. bei spezifischen Literaturhinweisen. Dieser Begriff soll explizit die weiterentwickelnde Perspektive des physiotherapeutischen Berufes sowie des täglichen Handelns in den Blickpunkt der Kompetenzdiskussion rücken.

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Zur Einführung

Nicht zuletzt motivierte zu diesem Buch auch die aktuelle Diskussion um die zukünftige Positionierung der Ausbildung von Physiotherapeuten im Bildungsbereich. Bedarf es zukünftig einer grundständig primärqualifizierenden Ausbildung an der Hochschule, einer Vollakademisierung ab DQR-Niveau sechs aufwärts oder einer Ausbildung an Schulen für Physiotherapie wie bisher? Oder beides? In diesem Zusammenhang rücken die international beschriebenen Berufsrollen von Physiotherapeuten in den Fokus. Im Zentrum aller Überlegungen dieses Buches stehen somit die beschriebenen Anforderungen der Zukunft im deutschen Gesundheitsmarkt, die Ergebnisse der aktuellen SoPHY-Studie 2030 und die international als ‚state of the art‘ bezeichneten Berufsrollen von Physiotherapeuten. Dieses Buch zielt darauf ab, die Notwendigkeit spezifischer berufs- und bildungspolitischer Handlungen und Regelungen für die zukünftige Ausbildung von Physiotherapeuten in Deutschland zu verdeutlichen und entsprechende Handlungsempfehlungen zu geben. Es gibt Hinweise darauf, wie Physiotherapeuten ausgebildet werden sollten, um dem zukünftigen Gesundheitsmarkt gerecht werden zu können und um die physiotherapeutische Versorgungsqualität sicherzustellen. Die Diskussion national und international beschriebener Kompetenzen von Physiotherapeuten verdeutlicht dazu die Perspektive einer zeitgemäßen Ausbildung von Physiotherapeuten. Darüber hinaus werden Problembereiche sowohl im zukünftigen Handlungsfeld von Physiotherapeuten aufgezeigt als auch im Rahmen der aktuellen und zukünftigen physiotherapeutischen Ausbildung. Um eine größere Klarheit hinsichtlich der Kompetenzen von Physiotherapeuten, ihrer Entwicklung sowie dem zugrundeliegenden Verständnis herzustellen, wird die Thematik der Kompetenzentwicklung bei Physiotherapeuten ausführlich betrachtet. Das Buch adressiert explizit die berufs- und bildungspolitisch Verantwortlichen bzw. Interessierten im Bereich der Physiotherapie sowie die hoch(schulischen) Lehrenden im Rahmen der Ausbildung von Physiotherapeuten. Darüber hinaus sollen natürlich sowohl die physiotherapeutische Community insgesamt als auch die Lehrenden anderer Gesundheitsfachberufe angesprochen werden. Nicht weniger ausdrücklich richtet sich das Buch an die lernenden Physiotherapeuten selbst, die sich noch in ihrer hoch(schulischen) Ausbildung zum Physiotherapeuten befinden und auch an alle weiteren physiotherapeutisch Interessierten.

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Drei Teile sind in diesem Buch vereint. Der erste Teil ist darauf ausgerichtet, die aktuellen Rahmenbedingungen physiotherapeutischen Handelns aufzuzeigen und die Kompetenzen von Physiotherapeuten zu diskutieren. Aufgegriffen werden Themen wie z. B. die Ausbildung von Physiotherapeuten, der Wandel im Gesundheitsmarkt, (inter)nationale Studien zu physiotherapeutischen Kompetenzen (incl. SoPHY-Studie 2030) und die Kompetenzdiagnostik mittels des Kompetenzatlas.

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Der zweite Teil des Buches zielt darauf ab, die internationalen Berufsrollen von Physiotherapeuten vorzustellen und zu diskutieren. Dies geschieht sowohl mit Bezug zu

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Im dritten Teil des Buches wird ein Fazit gezogen aus den vielfältigen Diskussionen der vorangegangenen beiden Teile. Es hebt besonders berufs- und bildungsrelevante Aspekte bzw. Knackpunkte für die zukünftige Entwicklung der Physiotherapie und die Ausbildung von Physiotherapeuten hervor. Beispielsweise werden Dissonanzen bzw. Unzulänglichkeiten im Rahmen der bisherigen rechtlichen Regelungen der Ausbildung von Physiotherapeuten aufgezeigt.

Zur Einführung

den zukünftigen Anforderungen im deutschen Gesundheitsmarkt als auch hinsichtlich der benannten Kompetenzen der SoPHY-Studie.

Das Buch schließt mit 15 konkreten bildungspolitischen Handlungsempfehlungen ab. Diese geben Hinweise darauf, an welcher Stelle und in welcher Art die Rahmenbedingungen der Ausbildung von Physiotherapeuten sowie die Ausbildung selbst gestaltet werden sollten, damit lernende Physiotherapeuten eine umfassende berufliche Handlungskompetenz erlangen und die zukünftige physiotherapeutische Versorgungsqualität über 2030 hinaus sichergestellt werden kann.

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An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen werden, dass all diese im Buch vorgenommenen Betrachtungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. uneingeschränkte Wahrheit erheben. Sie sind als ein Angebot zur Diskussion zu verstehen. Dennoch münden die vielfältigen Überlegungen abschließend in bildungspolitische Handlungsempfehlungen, die als durchaus bedeutend und hilfreich für die berufliche Entwicklung von Physiotherapeuten angesehen werden.

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Danksagung

DANKSAGUNG Die Autorin bedankt sich bei Herrn Stephan Coester (KODE GmbH), der die Nutzung des KODE-KompetenzAtlas für die Online-Befragung der SoPHY-Studie 2030 freigegeben hat. Ein weiterer großer Dank geht an Herrn Stefan Ortmann (ISB Information und Kommunikation GmbH & Co. KG) für seinen umfangreichen persönlichen Einsatz bei der technischen Umsetzung der Befragung sowie Bereitstellung des digitalen Hintergrunds. Dadurch ermöglichte er die Erfassung der Studiendaten. Darüber hinaus geht der Dank natürlich auch an diejenigen Personen, die im Vorfeld der Studie im Rahmen der praktischen Testung der Online-Befragung behilflich waren. Ein weiteres Dankeschön richtet sich an den Vorstand des Verbands der Leitenden Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie Deutschland e. V. (VLL) für die ideelle Unterstützung der SoPHY-Studie. Der besondere Dank geht dabei an den Vorstandsvorsitzenden Herrn Andreas Pust für seinen Beitrag zur Bekanntmachung der Studie im Vorfeld der Online-Befragung. Darüber hinaus gilt ihm weiterer Dank für die konstruktiv kritisch unterstützenden Anmerkungen bezüglich verschiedener Aspekte der SoPHY-Studie. Danken möchte ich nicht minder allen Lehrenden, die durch ihre Teilnahme an der Online-Befragung Daten für die Studie und somit für dieses Buch geliefert haben. Herrn Sebastian Ullrich (.05 Statistikberatung) gilt ebenfalls ein besonderer Dank für seine stetige und höchst professionelle Unterstützung während der statistischen Auswertung der Studienergebnisse. Er verkörpert den Leitspruch seines Beratungsunternehmens vollumfänglich „Wir sprechen Statistisch – fließend!“. Darüber hinaus richtet sich der Dank an all jene Personen, die im Rahmen von Vorträgen, in Diskussionsrunden und persönlichen Gesprächen unterschiedlichste Aspekte der SoPHY-Studie kritisch hinterfragten und durch ihre Anmerkungen zu weiteren Überlegungen in unterschiedlichsten Richtungen beitrugen. Weiter geht Dank an die Mitarbeiter des Pflaum Verlages, die die Umsetzung dieses Buchprojekts unterstützten.

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Abschließend danke ich besonders meiner Familie, die mich hinsichtlich der Idee bestärkte, dieses Buch zu schreiben und mir sowohl während der Durchführung der SoPHY-Studie als auch beim Schreiben dieses Buches den Rücken freigehalten hat.

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Teil I Physiotherapie und Kompetenzen der Physiotherapeuten

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Zu Teil I

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TEIL I PHYSIOTHERAPIE UND KOMPETENZEN DER PHYSIOTHERAPEUTEN

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Dieser Abschnitt des Buches ist darauf ausgerichtet, die aktuellen Rahmenbedingungen physiotherapeutischen Handelns aufzuzeigen und die Kompetenzen von Physiotherapeuten zu diskutieren, die ihnen bisher zugeordnet werden.

Zu Teil I

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Kapitel 1 beginnt mit der Darstellung der momentanen Ausbildung der Physiotherapeuten. Es folgt eine Beschreibung des prognostizierten Wandels im Gesundheitsmarkt sowie Erläuterungen aktueller berufs- und bildungspolitischer Weichenstellung. Dazu wird die berufliche Handlungskompetenz von Physiotherapeuten im Zusammenhang mit den zukünftigen Anforderungen hinterfragt. Kapitel 2 und 3 zeigen nationale sowie internationale Studien auf, die verschiedene Kompetenzprofile von Physiotherapeuten durch ‚Kompetenzdiagnostik‘ ermittelt haben. Die den Studien zugrundeliegende Kompetenzdiagnostik wird einleitend in Kapitel 2 dargelegt. Im Vergleich dazu wird in Kapitel 3 die aktuelle SoPHY-Studie 2030 aus dem Jahr 2018 erläutert. Diese Studie stellt die Kompetenzen von deutschen Physiotherapeuten heraus, die sie im Jahr 2030 voraussichtlich benötigen, um den zukünftigen Anforderungen im Gesundheitsmarkt gerecht zu werden. Hintergründe, Durchführung und Ergebnisse der Studie werden sehr ausführlich beschrieben und die von den befragten Lehrenden als zukunftsrelevant herausgestellten Kompetenzen detailliert erläutert.

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In Kapitel 4 folgt die Diskussion der physiotherapeutischen Kompetenzen mit Blick auf alle im vorangegangenen beschriebenen Studienergebnisse sowie die zukünftigen Anforderungen im Gesundheitsmarkt. Die Betrachtung der beruflichen Handlungskompetenz von Physiotherapeuten schließt diesen ersten Teil ab.

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Gesundheits- und bildungspolitische Sachlage der Physiotherapie

1 1.1 STATUS QUO DER AUSBILDUNG VON PHYSIOTHERAPEUTEN 22 1.2 WANDEL IM GESUNDHEITSMARKT

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1.4 BERUFLICHE HANDLUNGSKOMPETENZ UND ZUKUNFTSFÄHIGKEIT

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1.3 BERUFS- UND BILDUNGSPOLITISCHE WEICHENSTELLUNGEN 28 34

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1.5 ZUKUNFTSANFORDERUNGEN AN PHYSIOTHERAPEUTEN 37

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Kapitel 1

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1.1 STATUS QUO DER AUSBILDUNG VON PHYSIOTHERAPEUTEN Die Ausbildung und die Prüfung für die Berufe des ‚Physiotherapeuten‘ sowie des ‚Masseurs und medizinischen Bademeisters‘ regelt das Masseur- und Physiotherapeutengesetz (MPhG) vom 26. Mai 1994 [2]. Die beinhaltete Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (Physth-APrV) schreibt den Stundenumfang sowie die Fachinhalte der Ausbildung von Physiotherapeuten vor. Die insgesamt zu unterrichtenden 4.500 Stunden teilen sich in 2.900 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht in der Schule und 1.600 Stunden Ausbildung im Patientenkontakt in den Gesundheitseinrichtungen auf. Alle physiotherapeutischen Ausbildungsgänge der bundesweit 258 Schulen für Physiotherapie in 2019 [3] müssen den bundesgesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dennoch sind vielfältige curriculare und organisatorische Ausgestaltungsspielräume vorhanden, z. B. hinsichtlich der Unterrichtsinhalte, Semesterplanung und Prüfungsverfahren. So variiert die Ausbildung von Physiotherapeuten partiell zwischen den Schulen innerhalb eines Bundeslandes aber auch zwischen denen verschiedener Bundesländer. Insbesondere bundeslandspezifische kompetenzorientierte Rahmenrichtlinien bedingen die Unterschiedlichkeit der Ausbildungen (z. B. Empfehlende Ausbildungsrichtlinie für die Physiotherapie NRW [4], Rahmenrichtlinien für die Ausbildung in der Physiotherapie [5], Lehrplan für die Berufsfachschule für Physiotherapie in Bayern [6]). Diese Richtlinien sind meist ‚empfehlend‘ formuliert und nur in seltenen Fällen für alle Schulen verpflichtend umzusetzen (vgl. z. B. Bayern). Es ist somit sehr wahrscheinlich, dass an nicht wenigen Schulen für Physiotherapie in Deutschland immer noch entsprechend der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung von 1994 fachorientiert ausgebildet wird. Weiter darf geschlussfolgert werden, dass die zur Kompetenzentwicklung bei Lernenden erforderliche curriculare Planung sowie methodische Unterrichtsgestaltung an vielen Schulen für Physiotherapie nicht gelebt wird und eine gezielte Kompetenzentwicklung bei Physiotherapeuten nicht erfolgt.

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Im Jahr 2009 sind dazu im Berufsgesetz Regelungen in Kraft getreten, welche den Bundesländern unter bestimmten Bedingungen eine akademische Erstausbildung im Beruf des Physiotherapeuten erlaubt [2]. Die Regelungen sind befristet und treten am 31. Dezember 2021 außer Kraft (ebenda). Sechzehn Hochschulen aus zwölf Bundesländern haben bis zum Jahr 2016 verschiedene Modellstudiengänge angeboten und evaluiert [7]. In den Fachrichtungen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie sind derzeit „30 primärqualifizierende sowie 75 weitere, anders gestaltete Therapiestudiengänge erfolgreich etabliert“ [8, S. 2].

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Abb.1: Shutterstock / Photographee.eu

Kapitel 1

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Abb. 1 Physiotherapeutische Ausbildung in Theorie und Praxis

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Aufgrund der unterschiedlichen Niveaustufen ist der Inhalt der Lehre an der Hochschule sowie an der Schule für Physiotherapie verschieden ausgerichtet und die physiotherapeutische Ausbildung entsprechend anders gestaltet. Nach der Niveaustufe DQR sechs geht es bei der Ausbildung von Physiotherapeuten u. a. um den Erwerb von Kompetenzen hinsichtlich umfassender fachlicher Aufgaben- und Problemstellungen sowie eigenverantwortlicher Steuerung von Prozessen mit u. a. wissenschaftlichem Bezug, bei komplexen, sich schnell verändernden beruflichen Anforderungen [9]. Gemäß der Niveaustufe DQR vier ist die Ausbildung auf den Erwerb erheblich geringerer Kompetenzen ausgerichtet, auf keine umfassenden, eigenverantwortlichen

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Schulen für Physiotherapie und Hochschulen haben grundsätzlich einen anderen Bildungsauftrag. Entsprechend des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) bilden Hochschulen ab dem Niveau DQR sechs aufwärts aus, bei maximal acht Niveaustufen [9]. Die Ausbildung von Physiotherapeuten an der Hochschule entspricht der Niveaustufe sechs. Die physiotherapeutische Ausbildung an Schulen für Physiotherapie wurde jedoch dem DQR-Niveau vier zugeordnet [10] obwohl das Expertenvotum der AG Gesundheit zuvor empfohlen hatte, die bestehende Ausbildungsstruktur zum Physiotherapeuten dem DQR-Niveau fünf zuzuordnen [11], [12]. Die zu klassifizierenden Kompetenzen wurden dabei ‚theoretisch‘ anhand der bestehenden Ordnungspapiere ermittelt (z. B. Empfehlende Ausbildungsrichtlinie für die Physiotherapie NRW, Physth-APrV 1994) [12]. Die Niveaustufe vier umfasst alle drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungen [13], sodass dort die Physiotherapie ‚formal‘ untergeordnet ist.

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Kapitel 1

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(Steuerungs-)Aufgaben, in keinem wissenschaftlichen Bezug und hinsichtlich keiner komplexen Anforderungsstruktur (ebenda). Physiotherapeuten der Schulen für Physiotherapie sollen „über Kompetenzen zur selbständigen Planung und Bearbeitung fachlicher Aufgabenstellungen in einem umfassenden, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen“ [9, S. 6]. Der Deutsche Verband für Physiotherapie e. V. (ZVK bzw. physio-deutschland genannt) sieht schon seit Jahren die Zuordnung auf Stufe vier als Abwertung der deutschen physiotherapeutischen Ausbildung im Vergleich zu Europa und betont, dass dies zu einem Wettbewerbsnachteil deutscher Physiotherapeuten auf dem europäischen Arbeitsmarkt führen kann [14]. Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder bedauerte damals diese Eingruppierung und unterstützt ausdrücklich eine neue Beratung der Zuordnung und eventuelle Höherstufung nach einem Zeitraum von fünf Jahren, unter Berücksichtigung europäischer Entwicklungen [15].

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Dies zeigt auf, dass momentan eine bundesweit vielfältige physiotherapeutische fachsowie kompetenzorientierte Ausbildungslandschaft besteht. Die aktuellen Problemstellungen wie veraltetes Berufsgesetz, bundesweit variierende akademische sowie nicht-akademische Ausbildung von Physiotherapeuten, Entwicklung unterschiedlicher Fähigkeiten und nur begrenzter Kompetenzen bei Physiotherapeuten sowie die nicht adäquate Zuordnung der Physiotherapie im DQR, werden gegenwärtig vielfältig diskutiert. Der Ausgang der beruflichen Weiterentwicklung in Deutschland ist unklar, da sie sich entweder an der Gesundheitspolitik und am Arbeitsmarkt (z. B. Therapeutenmangel, mangelnde Anerkennung) orientieren kann, am „Prekariatspfad“ oder andererseits am „Wachstumspfad“ (z. B. Ausweitung der Kompetenzen, soziale Anerkennung) [16, S. 235]. Um die zukünftig erforderliche physiotherapeutische Versorgungsqualität sicherzustellen, bedarf es eines bewusst weiten Blicks in die Zukunft.

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Kapitel 1

1.2 WANDEL IM GESUNDHEITSMARKT

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Abb. 2: Shutterstock / Alexander Raths

Bei der Analyse physiotherapeutischer Kompetenzen müssen der zukünftige Versorgungsbedarf und die sich daraus ergebenden bevorstehenden Anforderungen an die Physiotherapeuten berücksichtigt werden. Die Zukunft bringt neben einer Alterung der Gesellschaft [17] auch Patienten mit Multimorbidität mit sich [18], [19], sowie eine steigende Pflegebedürftigkeit. In NRW beispielsweise waren zwischen 1999 bis 2005 relativ gleichbleibend je ca. 460.000 Pflegebedürftige erfasst, im Jahr 2013 wurde bereits eine Zahl von 581.492 Pflegebedürftigen festgestellt [20]. Dies weist auf eine betagtere und kränker werdende Gesellschaft hin, die einen veränderten bzw. intensiveren Versorgungsbedarf mit qualitativen Veränderungen mit sich bringt [21]. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren ein Rückgang des Gesundheitspersonals zu verzeichnen. Ein Fachkräftemangel an Physiotherapeuten wurde bereits im Jahr 2017 nahezu bundesweit festgestellt [22], [23], [24]. Dies wird zum einen mit einer Verringerung der Bewerberzahlen – um ein Drittel – bei den Ausbildungseinrichtungen in Verbindung gebracht [25] als auch mit einem verzeichneten Rückgang an Berufsanfängern in der Physiotherapie sowie der Verweildauer im Beruf [24], [25], [26]. Gegen einen langfristigen Verbleib im Beruf sprechen ungenügende rechtliche Rahmenbedingungen der Berufsausübung sowie der Anerkennung der Physiotherapeuten durch andere gesundheitsbezogene Professionen [24].

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Abb. 2 Zukünftig wird eine steigende Anzahl an betagten und multimorbiden Patienten erwartet

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Vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsangebotspotential rückläufig ist und bereits jetzt ein Fachkräfteengpass besteht, wird erwartet, dass im Jahr 2030 „rund 729.000 Personen (2016: 245.000) im nichtärztlichen Bereich fehlen [werden], sodass jede vierte Stelle in den entsprechenden Berufsgruppen voraussichtlich nicht besetzt werden kann“ [27, S. 6]. Dazu wird allein in NRW für das Jahr 2030 eine Zahl von 697.600 Pflegebedürftigen prognostiziert [20]. Das alles lässt darauf schließen, dass zukünftig weniger Physiotherapeuten in ihrer Arbeitszeit mehr und betagtere sowie multimorbide, chronisch kranke bzw. demente Patienten behandeln müssen. Eine die Therapeuten herausfordernde Behandlungszeitproblematik ist somit in Physiotherapiepraxen, Krankenhäusern, Seniorenheimen etc. sehr wahrscheinlich. Die Physiotherapeuten der Zukunft müssen über die entsprechenden Kompetenzen verfügen, um diesen veränderten Anforderungen, Arbeitsbedingungen und der Arbeitsverdichtung zu begegnen. Darüber hinaus ist mit einem grundsätzlichen Wandel der Arbeitswelt der Physiotherapeuten zu rechnen, mit veränderten physiotherapeutischen Tätigkeitsinhalten, mit stetiger Anpassung an Neuerungen sowie der Weiterentwicklung der Physiotherapie. Insbesondere wird die kooperative Arbeit einen größeren Stellenwert in der zukünftigen physiotherapeutischen Tätigkeit erhalten, wie auch die Technisierung sowie Digitalisierung (z. B. Robotik, smarte Systeme) [28], [29]. „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist eine der größten Herausforderung des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren“ [30, S. 101]. Alle Health Professionals werden sich entsprechend neu koordinieren müssen und es bedarf abgestimmter Betreuungs- und Behandlungskonzepte, um immer komplexere Aufgaben zu erfüllen, in gemeinsamer aber auch immer mehr in eigener Verantwortung [31]. Aus „dem medizinischen Fortschritt und der mit ihm verbundenen Erschließung neuer Möglichkeiten in der Diagnostik, Therapie, Prävention, Rehabilitation und Pflege“ resultiert eine zunehmende Komplexität in der Versorgung [21, S. 7]. Dies macht einen Wandel an erforderlichen Kompetenzen bei Physiotherapeuten nötig, insbesondere hinsichtlich der steigenden Komplexität in den Bereichen Beratung, Patientenedukation und der Therapie mit technischer Unterstützung (ebenda). Letztendlich werden im Jahr 2030 viele, im Moment noch unvorhersehbare berufliche Veränderungs- und Anpassungsprozesse zu bewältigen sein. Personale-, Methoden- und soziale Kompetenz nehmen daher im Gesundheitssektor an Bedeutung zu [20], [32].

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Dies weist darauf hin, dass bei Physiotherapeuten zukünftig spezielle Schlüsselkompetenzen ausgeprägt sein müssen – bedeutend andere als die im Moment in der Ausbildung fokussierten Kompetenzen –, um zukünftig eine adäquate therapeutische Versorgung im Gesundheitswesen sicherstellen zu können.

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Abb. 3: Shutterstock / Miriam Doerr Martin Frommherz

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Abb. 3 Ein Patient erhält Anweisungen zur Physiotherapie via Internet

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Im Kompetenz-Kompass für die Ausbildung in der Physiotherapie werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Rahmenbedingungen der Ausbildung von Physiotherapeuten sowie die Ausbildung selbst gestaltet werden könnten, um die Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz bei lernenden Physiotherapeuten zu unterstützen und die physiotherapeutische Versorgungsqualität über das Jahr 2030 hinaus zu sichern. Die Darstellung der Ausbildung von Physiotherapeuten, des Wandels im deutschen Gesundheitsmarkt sowie (inter)nationale Studien zu physiotherapeutischen Kompetenzen (SoPHY-Studie 2030) legen die Basis zur Diskussion. Spezifische zukunftsrelevante Kompetenzen werden in ­Anlehnung an den Kompetenzatlas aufgezeigt und erläutert.

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Becker Physio 2030

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Mit Bezug zu den zukünftigen Anforderungen im Gesundheitsmarkt ­erfolgt die Vorstellung und Diskussion internationaler Berufsrollen von Physiotherapeuten. Die Verdeutlichung berufs- und ­bildungsrelevanter kritischer Aspekte für die zukünftige Entwicklung der Physiotherapie und der Ausbildung von Physiotherapeuten mündet in konkrete Handlungsempfehlungen.

Dr. Annette Becker

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