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95 Seid gegrüßt, Rot-Weiße, ich bin’s - Fortuna. In irdische Gefilde habe mich begeben, um zu euch zu sprechen, denn es gibt allen Grund zu reden. Oder soll ich sagen, Revue passieren zu lassen? Mir wurde kürzlich gewahr: Ihr feiert bald Euer 125-Jähriges. Und dies in meinem Namen. Zeit, meine Stimme zu erheben und Euch mit allem göttlichen Abstand zu beglückwünschen.
Ernst Rott, erster Ehrenvorsitzender der Fortuna.
Es gereicht mir zur Ehre, nein, ich gebe zu: es erfreut mich und ich möchte mit Euch einstimmen in den Jubelchor, der den letzten eineinviertel Jahrhunderten gelten möge. Wobei: Ein wenig listig wart Ihr schon, als Ihr Euch schon 1925 auf die Fahnen schriebt, ihr seiet 30 Jahre alt. Na, war das nicht ein bisschen gemogelt? 1895 war doch von mir und vor allem von Fußball noch gar keine Rede. Das kam doch erst später, denn die Fußlümmelei war doch verpönt, damals in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
Matthias Bakkers, Mitgründer und langjähriger Vorsitzender.
Wie dem auch sei, Ihr habt es dann auf Eure Art geregelt, habt Euch mit anderen zusammengetan, den Turnern aus Flingern - denen von 1895 - und dann ab 1908 den Fußballern vom Spielverein, die dann zusammengingen mit der Mannschaft von Alemania aus 1911. Na, wenn ein Name so falsch geschrieben wird, dann muss man sich Gedanken machen, wie man es im zweiten Anlauf besser macht. Und als Ihr
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Nationalspieler Erich Juskowiak beim Seitfallzieher gegen den BVB im Januar 1957.
Euch dann zusammenrauftet, saht Ihr auch die Zeit gekommen, einen neuen Namen mit Strahlkraft zu wählen. Aber war es wirklich ein Pferdefuhrwerk, das Ihr inmitten von Flingern erblickt und als Inspiration für den neuen Vereinsnamen genommen hat? Ein von Kaltblütern gezogener Zweiachser, auf dessen Plane mein Name als Patin für eine Brotfabrik gestanden haben soll? Ich habe da bis heute meine Zweifel, auch wenn es eine schöne Anekdote ist. Und so bodenständig, so, wie der ganze Verein, den Ihr ab 1919 nach weiterem Zusammenschluss aus der Taufe gehoben habt: Der Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895.
Letztlich nahm ich es mit Stolz zur Kenntnis, also hattet Ihr meinen Segen. Der muss es gewesen sein, denn Ihr wurdet in kleinen Schritten immer erfolgreicher und bekannter. Denn so nahmt Ihr ab 1913 an Meisterschaften teil, Ihr stiegt von Klasse zu Klasse, und wurdet 1927 mit dem ersten großen Titel belohnt: Bezirksmeister. Da Euer Treiben beständig und Eure Spieler charakterstark waren, Ernst Albrecht zu seiner eigenen Überraschung der erste Nationalspieler 1928 wurde, durftet Ihr mit immer mehr Aufmerksamkeit rechnen. Als nach dem nächsten Schritt nach oben 1931 die Westdeutsche Meisterschaft stand,
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95 war abzusehen, dass Ihr weiter nach Höherem strebt, ehrgeizig und stolz zugleich als die »Roten Teufel von der Gasanstalt«.
Jürgen Schult, Schütze des ersten BundesligaTores der Fortuna.
Klaus Allofs und Gerd Zewe nach dem Gewinn des DFB-Pokals 1979
Ihr wusstet Pesch, Trautwein, Janes, Kobierski, Wigold, Albrecht, Nachtigall, Hochgesang, im Geiste und auf dem Feld zu vereinen, schlugt die Schalker mit 3:0 und wurdet Deutscher Meister 1933. Wie keck, dass es ausgerechnet in Köln war. Ich hätte es mir selbst nicht besser ausdenken können. Aber dann würdet Ihr wahrscheinlich wieder auf mich schimpfen, weil es 1936 nicht gleich zum zweiten Mal mit der Viktoria klappte und ihr Nürnberg unterlagt - aber in Berlin. Ihr wart die Besten und doch war Euch das Schicksal nicht hold. Verwechselt dies nicht bei jeder Gelegenheit mit meinem Einfluss, denn vieles beeinflusst und vieles wart Ihr selber schuld. Nein, ganz gewiss lag nicht der furchtbare Krieg, die Vertreibung und Verfolgung, das sinnlose Darben und Sterben in Euren Händen. Umso schwerer fiel’s, als die Waffen schwiegen und die Tyrannen verjagt, einen neuen Anfang zu finden. Ihr habt Euch recht schnell gewagt und seid mit frischem Mut ans Werk. Wusstet abermals große Namen zu versammeln, allein Erfolg und Triumphe blieben lange Zeit aus. Sicher, es hätte etwas mehr Glück bedurft, um 1957 und 1958 den Pokal zu gewinnen, der Euch schon 1938 vorenthalten worden war. Aber waren denn nun wirklich sechs Anläufe nötig, um das dicke, runde Teil aus Gold endlich in den Händen zu halten? Es sind so viele Fragen, die ich mir in all den
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Fortuna-Fanblock beim Europapokal-Endspiel 1979 in Basel.
Jahrzehnten stellte. Warum Ihr nicht in der Bundesliga wart von Anfang an. Oder warum Ihr, endlich dort angekommen, gleich wieder abgestiegen seid. So habe selbst ich lernen müssen, dass die rot-weiße Fortuna nicht nur dem Schicksal und dem Glück unterliegt, sondern der Geduld bedarf. Großer Geduld, wenn es sein muss. Denn Ihr habt vieles erreicht. Wart 16 lange Jahre am Stück in der ersten Liga, der Beletage des deutschen Fußballs. Wart im Europapokal, einmal sogar im Finale, doch auch dort war es Euch nicht vergönnt, den
Sieg zu holen und Euch selbst ein Denkmal zu setzen. Danach ging es auf und ab. Ganz schwindelig wurde es einem beim bloßen Zuschauen. Ich gebe zu, einer meiner Adepten schreibt nieder, was ich Euch zu sagen habe, denn ich spreche Eure Sprache nicht. Und so manches Mal wollte es mir vorkommen, dass Ihr untereinander auch nicht den gleichen Ton zu finden in der Lage seid. Welch ein Drama und fast am Boden zerstört, ging es für Euch, die Ihr so erstklassig
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95 wart und von Euch denkt, in ungeahnte Niederungen der Viertklassigkeit. Welch Schmach für einen Verein aus einer Hauptstadt, doch auch eine Folge lange kultivierter Hybris. Wie gut, dass damals drei Musketiere kamen, die letzten Ritter, und nicht alles Tote Hose wurde.
Andreas „Lumpi“ Lambertz nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 2009.
Ihr berappeltet Euch. Endlich ein heilsamer Schock und keiner redete mehr von Versehen oder Betriebsunfall. Ihr wart auf einmal demütiger geworden - und stelltet fest, dass Euch dies doch viel besser zu Gesicht steht. Wie oft habe ich gedacht: Denkt daran, wo Ihr herkommt. Als Ihr ausrieft »Einfach nur Fußball«, wusste ich, jetzt könnte es doch noch mal klappen. Viele Jahre sind seitdem wieder vergangen. Die Zeit sie rast - mehr für Euch als für mich, denn sonst hättet Ihr nicht so viel und vieles vergessen. Doch viel Gutes und Richtiges ist in den letzten Jahren geschehen, dies sei bemerkt. Vor allem auf dem Rasen und mit Mannen, die Lumpi heißen, aber keine Lumpen sind. Freude allenthalben, als es endlich wieder zurück ging in Liga 1, und die Trauer ach so groß, weil es nur ein kurzes Intermezzo wurde. So wie damals, 1967.
Vorzeitige Rückkehr in die Bundesliga im April 2018.
Doch wieder habt Ihr Euch gefasst, und geschafft, was kaum einer vorherzusagen vermochte. Ihr stiegt nicht nur auf, sondern bliebt auch drin, in dieser Klasse der Besten, die es in Fußball-Deutschland gibt und was so manchem ein Funkeln in den
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Kapitän Oliver Fink mit Meisterschale nach dem Aufstieg in die 1. Liga im Mai 2018.
Augen verlieh. Nun bleibt auch dort, denn es steht Euch gut zu Gesicht, und mit Verlaub, auch mir als Namenpatronin gebührt doch stets nur das Beste. Denkt immer daran, dass es viele gibt, die sich wie Ihr »Fortuna« nennen. Doch Ihr seid Ihr und die anderen aus meiner göttlichen Sicht nur Imitate. Mein kleiner Parforce-Ritt durch die rotweiße Geschichte, bei der man trefflich und bei der Ihr sicherlich streiten werdet, ob alles ristic dargestellt wurde. Denn Ihr streitet gern. Doch das gehört zu einer Familie dazu. Man muss auch unterschiedlicher Meinung sein und sie sich sagen dür-
fen, solange sich am Ende alle versöhnen und in die gleiche Richtung marschieren. Sodann, auf in die nächsten 125 Jahre. In Glück, aber sicher auch mit Schicksalen verbunden. Dabei gemahne ich, immerzu die Worte Eures Teufelskerls und Fußballgotts im Hinterkopf zu behalten. Streitet Euch nicht, wenn es um Fortuna geht. Seid eins, auch wenn es einmal nicht läuft.
Ad multos annos Eure Fortuna