METROPOL.X Mobilit채t und Aktivismus
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Liberté, Égalité, Fraternité, Mobilité In New York, einer Stadt, deren Identität durch Vielfalt und Experimentalismus definiert werden kann, sind Volksaktionen, die nach Beteiligung in der Stadtpolitik suchen, sehr inspirierend und widersprüchlich: ein Porträt der Freiheit und des Individualismus, die von der aktuellen Demokratie gebracht wurden Vor 225 Jahre, ging das von der Aufklärung beeinflusste französische Volk auf die Straßen um die derzeitige absolutistische Regierung streitig zu machen, was für viele Historiker der Ursprung der heutigen Demokratie war. Nach viele Revolutionen und staatliche Streitigkeiten ist es möglich zu behaupten dass dieser frisch entstandener und mittlerweile weitverbreiteter politisch- und sozialer Zustand erst seit etwa 50 Jahre anfängt sich standfest zu erweisen. Nun muss sowohl die Bevölkerung als auch die Regierung sich anpassen und ein Gleichgewicht zwischen Autorität, Repräsentativität und Volksbeteiligung finden. Die Folgen und Herausforderungen der vorherigen Zeiten zeigen sich auf einer intensiveren Art und Weise. Die Welt wie man sie einst kannte gibt es nicht mehr: Das Wetter änderte sich, die Bevölkerung ist um ein vierfaches 2
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gestiegen und die Globalisierung ist mittlerweile allzu gut bekannt. Neue Themen werden in der Weltpolitik diskutiert. In den letzten Jahrzehnten kam es zu einigen Fortschritte und die Aussicht auf weitere Fortschritte besteht. Wenn man in Betracht zieht, dass die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten wohnt, die ökonomische Struktur einen effizienten Massentransport erfordert um das System in Betrieb zu erhalten und eine offensichtliche Umweltsorge besteht, kann man darauf schließen, dass die urbane Mobilität einer der wichtigsten dieser Herausforderung darstellt.
Eine demokratische Gesellschaft steht im engen Zusammenhang mit einer effizienten urbanen Mobilität um Rechte wie Freizeit und Pflichten wie Arbeit gewähr zu leisten. Anderseits sollen die politischen Maßnahmen, die für diese Effizienz zuständig sind, auf einer demokratischen Art und Weise bestimmt werden. Im Rahmen des Zusammenhangs zwischen Demokratie und urbaner Mobilität kann New York, heutzutage einer der größten und wichtigsten Städte der Welt als ein interessantes Beispiel dafür gelten.
Der “Manhattan Grid’, der heutzutage immer noch als Wahrzeichen der rentabilitätssuchend kapitalistischen Sehensweise gilt, schrieb ein Modell vor, das seitdem die Entwicklung der Stadt leitet. Nicht wegen seiner kommerziellen Eigenschaften, sondern wegen einer „Formel, die das kritische Niemandsland hervorbringt, auf dem der Manhattanismus seine Ambitionen ausleben kann“. Das Muster ist das Gesetz und jegliche Architektur, die sich innerhalb der Grenzen eines Blocks befindet, wird akzeptiert. Diese Logik verwandelte New York in einer Art von urbanem Labor des Experimentalismus, sodass die Interessen, Errungenschaften und Problemen der zeitgenössischen Zivilisation sich in der Stadt widerspiegeln.
NEW YORK: EIN URBANES LABOR
Wegen dieser Eigenschaft werden viele Phänomene, zu denen es ohnehin in sämtlichen Hauptstädten der Welt kommen würde, schon viel früher in New York erlebt. Der Horizont der Stadt war bereits in den 30er Jahren von einer Unmenge an Wolkenkratzern besiedelt, und die Straßen von Autos, Menschen und Straßenbahnen überflutet. Was heute beobachtet wird, sind die Mühen um den Aufbau einer Stadt, wessen Menschen- und Straßenverkehr sich den Rahmen der Zukunft anpassen. Was bezeichnet jedoch diese Rahmen?
In 1626, aus einer niederländischen Kolonie in der heutigen Manhattan entstand New York. Ihre Geschichte aber, wird erst ab 1807 interessanter als eine Kommission zusammengestellt wurde, um die „eigentliche Okkupation“ der Insel zu planen. Das vorliegende Projekt, das später durchgeführt wurde, kann als sehr gewagt beschrieben werden: Es teilte die gesamte Insel in einem rechteckigen Muster auf, wessen Einzelteile unbekannten Gebäuden und Tätigkeiten zugewiesen werden sollten. Der Grund dieser Aufteilung war einfach die Verhandlungen um die Landstücke zu vereinfachen.
New York mag zwar keine konkrete Antwort für diese Frage haben, zeigte sich aber sehr erfolgreich in einer Reihe von Experimenten, die mögliche Antworten bieten könnten. Der in 2008 vom Bürgermeister Michael Bloomberg und Verkehrssekretärin Janette Sadik-Khan in
Abb.01: Mannhattans Luftbild [Sergey Semenov] 3
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Kraft gesetzte PlaNYC stellt sich als einen ehrgeizigen Plan dar, dass die Mobilitätspolitik der Stadt in einer neuen Richtung lenkt. Die Gründe dafür sind die dringende Notwendigkeit eines Umweltfreundlicheren urbanen Lebestils und die Aufrechterhaltung eines Verkehrsnetzes, das einer ständig wachsende Bevölkerung effizient und sicher dient. Die Strategien spiegeln das Wesen der Stadt: der Experimentalismus.
Abb.02: PlaNYC - Times Squares Fußgängerzone Abb.03: Verhaftung der Critical Mass Teinehmern [Jennifer Szymaszek / Associated Press 2004]
Seitdem es in Kraft gesetzt wurde, trug der Plan durch (vorerst) vorläufiges Eingreifen dazu bei die Straßen der Stadt zu verändern, indem es mehr Platz für Busse, Personen und Fahrräder geschaffen hat. Das beste Beispiel dafür ist das sechsmonatige Pilotprojekt dass den Autoverkehr an dem Broadway zwischen der 42nd St und 47th St – die Times Square – sperrte und dadurch 50 Tausend Quadratmeter öffentlichen Raum für Fußgänger schaffte. Seine ephemerische Natur trägt dazu bei dass das Projekt als annehmbarer gestaltet wird, da es eine Reversibilität vorweist. Auch andere Maßnahmen wurden getroffen: die Erschaffung von 50 Fußgängerzonen, 560km Fahrradwege, ein Bikesharingprogramm dass 6000 Mietfahrräder einbezieht und ein BRT-System (bus rapid transit) mit eigenen Spuren. Die durch die neue Verkehrspolitik New Yorks erzeugte Statistik war den Vorstellungen weit überlegen. Was ist, jedoch, das demokratische Kennzeichen dieser neuen Politik?
BETEILIGUNG DES VOLKES Unter den meist bekannten und betätigten Arten der Volksbeteiligung in den Entscheidungen des Staates entlang der Geschichte befindet sich, zweifelsohne, der Aktivismus. Der Begriff bezeichnet eine Reihe von individuellen, gruppen- oder organisationskoordinierten Taten, die direkt oder indirekt für eine Intervention in der Gemeinschaft sprechen. Proteste, Streike, Revolutionen, Petitionen, Interventionen, Besetzung des privaten oder öffentlichen Raumes, Volksinitiativenprojekte und Lobby sind einige Beispiele für die meisten herkömmlichen Methoden, die von Aktivisten auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Auf New York trifft die Aussage auch zu. Die Transportation Alternatives (T.A.) ist eine in 1973 gegründete Non-Profit-Organisation, die schon lange vor der Ausarbeitung vom PlaNYC die Idee die Straßen an den Fußgänger und Fahrradfahrer zurückzugeben befürwortete. Mehr als 100.000 Aktivisten und Unterstützern werden von einem Komitee betreut, das lokal in jedem New Yorker Bezirk tätig ist, und dabei eine 4
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Besserung der Infrastruktur für Fußgänger und Fahrradfahrer fördert und den Autoverkehr weniger intensiv und sicherer gestaltet. Selbst bei einer langen Liste von Errungenschaften und seinem bedeutenden Einfluss über diese neue Politik hat die T.A. immer noch ein höheres Ziel: die Todesfälle und schwere Verkehrsunglücksraten auf null zu senken. Auch andere Gruppen mit nicht so ehrgeizige Anstrebungen helfen dabei, die urbane Politik der Stadt zu steuern. Critical Mass (kritische Masse) ist eine Veranstaltung die zum ersten Mal am Anfang der 90er Jahre in San Franscisco stattfand und dass heute in mehr als 300 Städten auf der Welt wiederholt wird, in New York eingeschlossen. Jeden letzten Freitag des Monats treffen sich Fahrradfahrer in einer vorbestimmten Stelle um zusammen Fahrrad zu fahren. Die Fahrten bringen Tausende von Leuten
zusammen die eine große Masse bilden und allen Spuren der Straßen überfüllen. Nach der Meinung von vielen Teilnehmern ist dies keinen herkömmlichen Protest, sondern eine Art der Wiederbesetzung der Stadt, wobei das Vergnügen eine Hauptrolle spielt. Die Idee ist eine urbane Erfahrung zu bieten, die nicht so gewöhnlich ist: die Autos durch das, was laut der Teilnehmer das Verkehrsmittel der Zukunft ist, auszutauschen. Im Gegensatz zu der Transportation Alternatives besitzt die Critical Mass keine Führer und Organisatoren. Ihre Aktionen haben als Ziel eine nicht so direkte Intervention in der Politik der Stadt. Ihre Bedeutung jedoch wird klar, wenn man die wachsende Nummer von Teilnehmer und den großen Einfluss dieser Bewegung in der öffentlichen Meinung betrachtet. Die ersten Fahrten der Critical Mass in New York geschahen in 1993, elf Jahre später waren sie aber Grund für Spannungen. In August 2004, als eine nationale Konvention der Republikanischen Partei vonstattenging, wurden mehr als 400 Fahrradfahrer verhaftet und ihrer Fahrräder konfisziert wegen Verkehrsunterbrechung. Seitdem kamen die Auseinandersetzungen
Literaturverzeichnis KOOLHAAS, R. (1978). Delirious New York. Rizzoli, New York. NEW YORK CITY, Department of Transportation (2007). Strategic Plan for the New York City, New York 2007. SADIK-KHAN, J. (sep.2013). New York‘s Streets? Not So Mean Any More, TED. (01/02/2014). Transportation Alternatives. https://www.transalt.org LYNN, A., PRESS, E., RYAN, C. (2005). Still We Ride, In Tandem Productions. SEMENOV, S. (2012). Aerial Panorama Photo of NYC. The EPSON International Pano Awards.
Über den Autor Frederico Almeida ist Architekturstudent in der brasilianischen Universität UFMG und Stipendiat von CAPES Foundation (Ministry of Education of Brazil, Brasilia – DF, Zip Code 70.040-020) im KIT.
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zwischen der Polizei und den Teilnehmern immer häufiger vor: „Es verwandelte sich in einen Kulturschock (...). Die Kontrolle des Gesetzes gegen das Recht der Kritische Masse ihre Fahrräder zu fahren“. Der Fall wird im Film „Still We Ride“ (2005) dokumentiert und zeigt wie die durch die Demokratie errungene Freiheit noch nicht ganz unter Kontrolle ist, was zu Konflikte führen kann.
ERBE FÜR DAS NEUE JAHRHUNDERT Heutzutage, selbst nachdem die Regierung die Ansprüche der Bevölkerung nachgegangen ist und ein Programm wessen Erfolg offensichtlich ist implementiert hat, gibt es Meinungskonflikte. Trotz der Opposition von Teil der Medien ist die Volkszustimmung gegenüber den Maßnahmen des PlaNYC von circa 70%. Selbstverständlich erwartet man nicht, dass sowohl die Staatsaktionen als auch die Volksaktionen von allen unterstützt werden, da die Verschiedenheiten natürlich und akzeptable in dieser Regierungsart sind. Obwohl man einerseits die Schwierigkeiten und Verzögerungen des demokratischen Modells hat, besteht anderseits die Gewissheit dass es die beste bekannte Weise ist um eine gerechte Gesellschaft zu bilden, die bereit ist künftige Herausforderungen entgegen zu treten. Davon ausgehend sollte man nicht den Wert des Aktivismus im Aufbau einer mitwirkenden Verwaltung vernachlässigen, da er die öffentliche Meinung in enger Zusammenarbeit mit dem Staat darstellt.
New Yorks neue Verkehrspolitik und die Art und Weise wie sie von Bewegungen und Organisationen wie die T.A. und die Critical Mass beeinflusst wurde haben ein Erbe hinterlassen, wovon vieles zu lernen gibt. An erster Stelle sind die Notwendigkeit und die konkreten Effekte der Einsetzung eines neuen Modells der urbanen Mobilität deutlich spürbar. Außerdem soll der Wert der Volksbeteiligung in der urbanen Politik unterstrichen werden, sodass die Städte sich gerechter und bewohnbarer gestalten. Zuletzt zeigt uns der Prozess wie die Aktionen, sowohl der Aktivisten als auch des Staates, von Freiheit und Respekt geführt werden sollten damit die Verschiedenheiten der Demokratie sich nicht nur in Auseinandersetzungen und Gewalt verwandeln.
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