Ausgabe Sommer 2018
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Thema:
Veränderung Von der Notwendigkeit des Wandels – und den Chancen neuer Denkansätze.
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Ausgabe Sommer 2018
DENKRAUM
Thema:
Veränderung Von der Notwendigkeit des Wandels – und den Chancen neuer Denkansätze.
Big Data Wenn man Veränderungen feststellen und verifizieren möchte, ist die Statistik das Mittel der Wahl. Besonders seriös klingt es, wenn die Daten aus diesem Gebäude stammen: dem Hauptgebäude des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, Mitte der 1950er-Jahre erbaut, 1995 in die Liste der Kulturdenkmäler in Wiesbaden eingetragen, 2010 modernisiert. Nicht zu verwechseln mit dem Buddhistischen Standesamt.
Editorial
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Liebe Leser, wir sollten nicht zufrieden sein mit den immer gleichen Antworten! Der stete Drang und die Möglichkeit, scheinbar selbst verständliche Antworten und unumstößliche Fakten kritisch zu hinterfragen, bringt uns alle weiter und ist ganz nebenbei ein Beleg für Frei heit. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in persönlichen, politischen und gesellschaftli chen Belangen ist dies zu erleben. Als Kinder wachsen wir auf mit den Erkenntnis sen und üblichen Denkweisen der jeweiligen Zeit. Aber ändern sich die Anforderungen, ändern sich die bestimmenden Faktoren, dann brauchen wir neue Ideen – und neue Antworten. Dies können wir aktuell sehr gut in der Gesellschaft und der Politik beobachten. Aber auch die Entwicklung der Menschheit ist eine Erfolgsgeschichte der laufenden Anpassung an neue Gegebenheiten – Veränderung eben. Wer sich nicht verändert, wird irgendwann keine Antworten mehr finden. Nur Mut!
„Es sind dieselben Fragen, aber die Antworten haben sich geändert.“ Ich wünsche Ihnen viel Inspiration zur Verände rung mit unserer neuen Ausgabe des DENKRAUM. Schreiben Sie mir doch einfach ein kurzes Feedback zum Heft unter a.roessel@hansbeckergmbh.de
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Ihre Anja Rössel
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Inhalt
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Editorial 5 „Es sind dieselben Fragen …“ Ansichtssache 8
Flächenverbrauch in der Ecke
Fokus 10 Eine Geschichte vom Schnitzel Checkliste 13 Die Dos and Don’ts bei Veränderungsprozessen 14 Die Psychologie der Veränderung 18 Homo Deus: Das Ende des Homo sapiens? Interview 20 „ Der Einkauf der Zukunft muss spannende Aufgaben mit Gestaltungsmöglichkeiten anbieten.“ Im Gespräch mit Nenad Milosevic / Constantia Flexibles Umfrage 23 Digitalisierung im strategischen indirekten Einkauf Inspiration 26 Farbflash 28 Einkaufen wie im Film Indirekter Einkauf für eine Messegesellschaft 30 Sprache: Nur der Wandel ist beständig Porträt 32 Sören Seewald: Mobiles Denken und Handeln auf stabiler Basis Genuss 34 Zu gut für die Tonne! auch das noch! 36 Fundstücke, Neuheiten und Neuigkeiten Denkraum 37 „ Des hama ja no nia so gmacht!“ Die Anziehung des Bestehenden 38 Vorschau, Impressum
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Ansichtssache
„Ecke!“ Laut dem Bundesumweltamt betrug der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr in Deutschland in den Jahren 1997 bis 2000 im Schnitt 129 Hektar (ha) pro Tag. In den letzten Jahren ging diese Zahl auf „nur noch“ 66 ha zurück, und das Ziel der Bundesregierung bis 2020 ist die Begrenzung des Flächenverbrauchs auf 30 ha. Täglich. Ein Hektar entspricht in etwa einem Fußballfeld und in Hamm hat man am Kreisverkehr Kleine Werler Straße und Kamener Straße diesen Vergleich zur Veranschaulichung der Größenverhältnisse offenbar wörtlich genommen.
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Fokus: Veränderung
Eine Geschichte vom Schnitzel oder: Warum Veränderung für viele so schwer ist
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von Hans Becker / Fotos: Sarah Illenberger
Die wahre Geschichte Ein gut besuchtes Restaurant. Ein Herr mittleren Alters kommt herein und setzt sich an einen der letzten freien Tische. Die Bedienung bringt ihm die Speisekarte. Die ist durchaus inno vativ mit interessanten und kreativen Gerichten, hat aber auch Bekanntes zu bieten. Der Gast ist unschlüssig, er braucht an gesichts der Auswahl etwas Zeit, denn es gibt ja viele interes sante Gerichte. Schließlich winkt er der Bedienung, jetzt ist er bereit für die Bestellung. Die Bedienung eilt herbei und der Gast: „Ich nehme das Schnitzel – das ist etwas Altbewährtes.“ Er sagt nicht: „Ich nehme das Schnitzel – da habe ich mal wie der richtig Lust drauf“, oder: „Schnitzel habe ich lange nicht mehr gegessen“, oder etwas Ähnliches. Er sagt: „Das ist etwas Altbewährtes.“ Da ist sie, die Angst vor dem Neuen, vor dem anderen, vor der Veränderung. Die Speisekarte bietet eine interessante Auswahl. Doch der Gast kennt die neuen Gerichte nicht, er weiß nicht, wie sie schmecken. Er hat Angst vor Neuem, er setzt auf Sicherheit. Kurz: Es fehlt ihm der Mut, auch mal ein Risiko einzugehen und etwas zu probieren, was er noch nicht kennt. So bestellt er ein Schnitzel, denn beim Schnitzel weiß er, was er hat.
Ohne Veränderung kein Wachstum Die Natur macht es uns vor. Schon allein der Wechsel der Jah reszeiten liefert in unseren Breitengraden permanente Ver änderung. Die Entwicklung des Planeten Erde und die Ent stehung der Menschheit ist eine Geschichte der ständigen Verwandlung. Und diese Veränderung geht immer schneller
vonstatten. Das erste Auto mit Benzinmotor ist rund 125 Jahre alt, der erste Motorflug fand 1903 statt, 1969 betraten die ers ten Menschen den Mond, nach 1958 durften Frauen in der Bundesrepublik Deutschland ohne Erlaubnis ihres Eheman nes den Führerschein machen und nach 1962 sogar ein eige nes Bankkonto eröffnen. Amazon wurde 1994 gegründet, Face book gibt es seit 2004. Das erste Smartphone nach heutigem technischen Standard erschien 2007 und wurde von Apple auf den Markt gebracht. Und seit Kurzem dürfen sogar in SaudiArabien Frauen Auto fahren und bestimmte Aufgaben beim Militär übernehmen. Kronprinz Mohammed bin Salman kün digte jüngst an, dass Frauen künftig nicht mehr verpflichtet werden sollen, Kopf und Gesicht zu verhüllen und lange Ro ben zu tragen – eine Revolution in dieser konservativen Ge sellschaft! Die kurze Aufzählung einiger solcher einschneidenden Neu erungen ließe sich noch endlos fortsetzen. Wenn aber nun doch immer und überall Veränderung ist, warum ist es dann für die meisten Menschen schwer, diese erst einmal als Chance und nicht als Bedrohung zu sehen? Denn eines zeigt schon diese Aufzählung: Solche Veränderungen werden in der Re gel durch einzelne Personen angestoßen, die offenkundig das Neue, das Unbekannte, das Risiko wagen.
Das Unvertraute macht uns Angst Veränderungen, die wir nicht selbst initiiert haben, bringen in erster Linie Unbekanntes mit sich. Neues wirkt oft bedrohlich, wir können noch nicht richtig einschätzen, was da auf uns zu kommt. Die Skepsis, Vorsicht und auch Angst vor Unbekanntem
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feststellte: „Wir wollen, dass es sich ändert, aber wir wollen nicht, dass wir uns ändern. Wozu sind die anderen da?, denkt jeder und wiegt sich im Schaukelstuhl.“ Sich im Schaukelstuhl zu wiegen, ist allerdings eine sehr passive Angelegenheit. Aktiv leben bedeutet auch, Verände rungen selbst anzustoßen und nicht abzuwarten, bis etwas passiert. Jetzt wird sich so manche Leserin und mancher Leser fragen, wie das denn so funktionieren soll mit diesem „sich selbst verändern“. Zu diesem Thema gibt es unzählige Rat geber, Experten und Seminare. Dazu wird Change-Manage ment geboten und die Psychologie des Wandels und unend lich viel Theorie. Das endet dann irgendwann in partizipativen Veränderungsprozessen und in der Reflexion über die eigene Ambiguitätstoleranz. Spätestens dann steht der Veränderungs kollaps bevor und es wird zu viel mit dem Change.
Der erste Schritt: Fragen
haben wir noch von unseren Ur-Urahnen geerbt und sicherte früher das Überleben. Diese Gefühle sind im instinktgesteu erten Teil unseres Gehirns angelegt und somit vollkommen natürlich. Doch im Vergleich zum früheren Leben in der Wild nis haben wir uns weiterentwickelt und sollten als hoch ent wickelte Wesen anders und bewusster mit unseren Verände rungsgefühlen umgehen können. Voraussetzung ist aber, dass wir dies auch wollen oder bereit sind, dies zu lernen, wenn wir es noch nicht können.
Veränderung fängt bei uns selbst an Ist es nicht besser, selbst etwas zu verändern, statt durch äußere Einflüsse gezwungen zu werden, sich zu verändern? Der Wandel gehört zum Leben und zu unserer Welt. Verände rungen sind unvermeidlich. Ohne Veränderung ist weder Ent wicklung noch Wachstum möglich. Allerdings ist es bei den meisten Menschen so, wie bereits Erich Kästner in „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ (erstmals erschienen 1931)
Dabei müssen wir uns gar nicht mit komplexen Theorien zum Thema Veränderung beschäftigen. Es genügt, sich Fragen zu stellen. Wer Fragen stellt, ist schon mal neugierig und re flektiert seine Umwelt und auch sein eigenes Handeln. Wer fragt, der zweifelt an bestehenden Situationen und will wis sen, warum dieses oder jenes so ist und nicht anders. Kinder beherrschen diese Technik sehr gut, denn sie sind noch nicht mit Gewohnheiten und angeblichen Wahrheiten überfrachtet. Auch leiden sie noch nicht unter der Scheu, sich mit Fragen zu blamieren. Später werden die Kinder leider sehr oft dazu er zogen, nicht mehr unbefangen zu fragen. Und spätestens im Erwachsenenalter ist die Neugierde und die Lust am Fragen verschwunden – das Leben ist ja so schon schwierig genug … Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt! Jede Veränderung fängt im Kleinen an, es muss nicht immer gleich der ganz große Wurf sein. Es ist schon viel erreicht, wenn man nicht immer nur am Altbekannten festhält. Gandhi hatte zu dem Thema einiges zu sagen. Etwa: „Wenn man sich selbst ver ändert, dann verändert man die Welt.“ Oder: „Wenn man nicht handelt, kommt man nirgendswohin.“ Also fangen wir doch am besten einfach an und stellen wie der Fragen. Und verändern Gewohnheiten, bei denen wir oft gar nicht mehr wissen, warum wir so oder so handeln. So könn ten wir doch statt dem altbewährten Schnitzel mal ein neues unbekanntes Gericht bestellen. Könnte ja sein, dass wir sehr positiv überrascht werden. //
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Dos and Don’ts bei Veränderungsprozessen
Checkliste KOMMUNIKATION
Dos:
VORBEREITUNG
Dos:
• Klären und erklären: Warum wollen wir die Veränderung? Was nehmen wir uns ins gesamt vor? Was bedeut et diese Ver änderung für jeden Ein zelnen? Was sind die gen auen Ziele, die wir erreichen wollen ? Was ist bereits gut un d soll auch nach einer Veränderun g so bleiben? • Betroffene müssen Ver änderungen verstehen und akzeptieren. • Klären, was jeder zum Gelingen der Veränder ung beitragen kann. • Klären, welche Unter stützung für einzelne Mitarbeiter not wendig ist.
Don’ts: • Der Chef weiß alleine, wie er seine Mitarbeit er zur Verände rung bringt oder besser zwingt. • Möglichst nur das Zie l präsentieren. Teilzie le, Roadmap … das sind Dinge, die nu r die Führungskräfte wis sen müssen.
• Zu Idee, Zielen und Nutzen informieren und regelmäßi gen Status kommunizieren.
• Auch mehrfache Kommu nikation ist wichtig, schließ lich dauert es, bis ein Nutzen geh ört, verstanden, angenomm en und umgesetzt werden kan n. • Bedarfsgerechte Kommu nikation Top-down (Chang eManager informieren) UND Bottom-up (Mitarbeiter wer den in Einzelgesprächen oder Teamgesprächen befragt).
Don’ts:
• Schriftlich zu informiere n reicht aus. Zwar kann die Füh rungskraft beweisen, dass die Information verteilt wur de. Doch auch wenn die E-Mail gelesen wurde, kommt der I nha lt möglicherweise nicht an. • Wenn jemand Fragen hat , dann wird er sich schon me lden. • Über den „Flurfunk“ wird sich die Info ohnehin verteil en. Doch was kommt dann als wirkliche Information noc h an?
UNTERSTÜTZUNG ANBIETEN Dos:
ESS VERÄNDERUNGSPROZ
• Veränderungen bei Mitarbeitern fördern und fordern. • Erforderliche Motivationsphase sowie Block aden und Hindernisse erkennen.
Dos:
er großen Ver ssungen führen zu ein • Mehrere kleine Anpa änderung. r die zeitliche le und prüfen nicht nu • Wir definieren Teilzie eichbarkeit ch regelmäßig deren Err Einhaltung, sondern au l ab. Zie ße lziele bilden das gro und Aktualität. Die Tei Veränderung ng der „Betroffenen“ der • Frühzeitige Einbindu . Das erhöht die Veränderungsprozess in den Planungs- und angenommen au ss Veränderungen ch Wahrscheinlichkeit, da und akzeptiert werden. s, stellt mögliche ent begleitet den Prozes • Ein Projektmanagem rmaßnahmen ktu rre Ist) dar und regt Ko Abweichungen (Soll – in den Teams an.
Don’ts:
eitsanweisun- rden beschlossen, Arb • Die Veränderungen we eiter handeln. arb müssen Mit gen definiert. Danach
• Begleitung durch einen neutralen Coach/ M
Don’ts:
oderator.
• Mitarbeiter werden sich schon an die neue Situation gewöhnen. • Umsetzung der Veränderung mit Druck – wer aufmuckt, kann sich einen anderen Job suchen.
ERFOLG ? Wie sind wir t das Feedback is ie W : rn Wurde ie fe ter als geplant? • (Teil-)Erfolge besser/ schlech t uf ung/ lä irk as W W te s? unterweg ch die erwarte reicht? Stellt si er or ? id el rr Zi e ko st el der Zi das näch tzen ein? Was ist eine der erwartete Nu m Teil ab, dass sichern zu eine d un n re . ie rd iv wi ot • Erfolge m ion verhindert wohnten Situat Rückkehr zur ge
Dos:
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Die Psychologie der Veränderung
„People don’t resist change – they resist being changed“ Peter M. Senge, Senior Lecturer of Behavioral and Policy Sciences am MIT
von Franz Tramberger
Wenn sich die Fakten ändern, ändere ich meine Meinung. So ähnlich dürfte der Vater des Keynesianismus, John Maynard Keynes, das berühmte Zitat in einer seiner Reden formuliert haben. Klingt eigentlich logisch, oder? Wenn sich die Fakten zu einem bestimmten Sachverhalt ändern, dann sollte man auch die bisherigen Meinungen bzw. Lösungsansätze dazu anpas sen oder zumindest kritisch hinterfragen. Doch warum scheint diese einfache Logik in der Praxis oft nicht zu funktionieren? Ein Blick in die menschliche Psychologie liefert Antworten.
„Die Schwierigkeit liegt nicht in den neuen Ideen, sondern darin, den alten zu entfliehen, die sich bei den meisten von uns bis in jeden Winkel unseres Denkens verästelt haben.“ John Maynard Keynes
Die Tendenz zu Konsistenz Wenn wir uns erst einmal zu etwas verständigt haben, ein Ver sprechen abgegeben haben, eine Wahl getroffen haben, Zeit
und vielleicht auch Geld investiert haben, dann haben wir die Tendenz zur Konsistenz. Und je mehr wir in eine Veränderung investiert haben, desto schwieriger wird es, das ursprüngliche Verhalten aufzugeben – auch dann, wenn die ursprünglichen Entscheidungsgrundlagen dafür oft gar keinen mehr Sinn er geben, weil sich Fakten verändert haben. Die Gründe dafür sind vielfältig, folgende oder ähnliche Aussagen dazu haben Sie vielleicht schon einmal gehört: • „Ich kann mich nicht in eine Richtung verhalten, die inkonsistent mit meinem Selbstbild ist.“ • „Ich habe eine Reputation zu verteidigen.“ • „Da stehe ich ja schön dumm da und verliere mein Gesicht.“ • „Ich möchte als zuverlässig wahrgenommen werden.“ • „Dann hätte ich ja bisher jahrelang alles falsch gemacht und mein halbes Leben verschwendet.“ Eine Hauptursache für unsere starke Neigung zu Konsistenz ist der drohende Gesichtsverlust. Das ist vor allem bei Men schen mit großem Ego ein häufiges Problem und verursacht oft erhebliche Probleme. In der Politik werden nicht selten Wahlversprechen nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ um
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gesetzt, um ja nicht dumm vor den Wählern dazustehen bzw. keine Stimmen zu verlieren. Selbst wenn eine weitere Umset zung der Versprechen aus rationaler Sicht keinen Sinn mehr ergibt (z. B. ausufernde Kosten bei öffentlichen Bauprojekten, Bau einer Mauer an einer Landesgrenze). Das gleiche Phänomen lässt sich überall beobachten. Sie entscheiden sich beispielsweise, einen neuen Fernseher zu kaufen, der in einer Aktion gerade besonders günstig ist. Der Verkäufer sagt Ihnen im Geschäft aber, dass dieses Modell be reits ausverkauft sei. Da Sie aber bereits den Kaufentschluss getroffen haben, kaufen Sie deshalb ein teureres Modell. Oder Sie entscheiden, dass es dumm sei, ein Projekt abzubrechen, da bereits ein hoher Aufwand in ein Vorhaben geflossen ist, reden sich aber vielleicht den Restaufwand bzw. die restli chen Kosten schön. Viele Verkäufer kennen diese psychologi schen Tendenzen und nutzen sie bewusst aus. Seien Sie also auf der Hut und beobachten Sie sich beim nächsten Kaufent scheid genau.
„Verrate mir, wie ich gemessen werde, und ich werde Dir sagen, wie ich mich verhalte. Wenn deine Messgrößen unlogisch sind ... dann beschwere dich nicht über unlogisches Verhalten.“ Eliyahu M. Goldratt, israelischer Physiker und Business-Guru
Anreize Anreize sind eines der mächtigsten Instrumente, um Verhal ten zu beeinflussen. Daher ist es umso wichtiger, gerade bei Veränderungen zu wissen, wer von der Veränderung profitiert und wer davon einen Nachteil hat. Denn es macht keinen Sinn, Leute um Unterstützung zu bitten, die von einer Veränderung benachteiligt wären. Getreu dem Motto „Wenn du einen Sumpf trockenlegen willst, dann frag nicht den Frosch um Hilfe“. Ein Blick auf die jeweiligen Anreize (z. B. Geld, Anerkennung, Macht, Eifersucht, Moral …) sollte hilfreich sein. Was sind die Interessen und Motivationen? Wer profitiert, wer verliert?
VERÄNDERUNG
NACHTEIL (–)
… … …
… … …
STATUS QUO
VORTEIL (+)
… … …
… … …
Tabelle 1: Matrix Vorteile/ Nachteile: Veränderung vs. Status quo
Sehr oft müssen Anreize verändert werden, um eine erfolgrei che Veränderung zu schaffen. Es ist jedoch gar nicht so einfach, immer die richtigen Anreize zu schaffen. Die Politik kann davon ein Lied singen und der Kobra-Effekt sollte eine Warnung sein.
Die Bezeichnung Kobra-Effekt bezieht sich auf ein historisches Ereignis in Britisch-Indien: Um einer Kobraplage zu begegnen, setzte ein britischer Gouverneur ein Kopfgeld aus auf jedes erlegte Exemplar. Zunächst schien das Konzept zu funktionieren, immer mehr Schlangen wurden abgeliefert. Allerdings hatte die Bevölkerung begonnen, Kobras zu züchten und zu töten, um die Prämie zu bekommen – die Kobrazahl reduzierte sich also nicht. Als das Kopfgeld wieder aufgehoben wurde, ließen die Züchter die Tiere einfach frei. Dadurch hatte sich dank staatlicher Förderung die Zahl der Kobras vervielfacht.
Die Gestaltung der Anreize sollte nicht unterschätzt werden und eines der wichtigsten Dinge bei Veränderungsprozessen sein.
„Man kann nicht etwas ändern, wenn es die Leute lieben.“ Faith Popcorn, amerikanische Trendforscherin
Die Angst zu verlieren Wir neigen dazu, mehr Angst vor einem Verlust zu haben, als einen möglichen Gewinn zu schätzen. Der Effekt wird noch ver stärkt, wenn es sich um etwas handelt, an das wir uns bereits gewöhnt haben („die lieb gewonnenen Gewohnheiten“), bzw. etwas, auf das wir auf keinen Fall verzichten wollen. Droht ein solcher Verlust, dann gehen wir ganz schnell auf die Barrikaden und vergessen oder ignorieren oft, dass die Veränderung vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Rationales Denken fällt dann oft nicht leicht. Im Casino spielen viele Leute nach einem anfänglichen Ver lust so lange, bis der ganze Einsatz weg ist, da man ja keinen Verlust machen möchte. Und vielleicht haben Sie auch schon einmal immer wieder Geld in ein Investment (Haus, Wohnung, Auto etc.) gesteckt und nicht verkauft, weil Sie den investierten Betrag nicht zurückbekommen hätten, obwohl der Marktwert vielleicht wesentlich niedriger war.
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Dieser Effekt wird verstärkt, wenn bei einer Veränderung neben einem drohenden Verlust auch die eigene Konsistenz wie oben beschrieben in Gefahr ist. Das ist auch der Grund, warum Ver änderungen in Krisensituationen einfacher sind. Wenn bereits der Verlust droht, ist es einfacher, etwas dagegen zu tun. Gibt es hingegen ein Maximum an Sicherheit wie z. B. bei Behörden und Ämtern, dann sind Veränderungen schwer umzusetzen.
„Nichts würde jemals versucht werden, wenn erst alle denkbaren Hindernisse überwunden werden müssten.“ Samuel Johnson, englischer Gelehrter, Lexikograf, Schriftsteller und Kritiker
Die Angst vor Fehlentscheidungen Viele Menschen sind nicht sehr entscheidungsfreudig – aus Angst vor Fehlentscheidungen. Aber die Entscheidung, nichts zu tun, ist ebenfalls eine Entscheidung, auch wenn diese oft unbewusst getroffen wird. „Wieso heute etwas ändern, wenn wir noch gar nicht genau wissen, wie die Zukunft aussieht?“ Solche und ähnliche Aussagen sind Ihnen bestimmt bekannt. Noah hat viele Jahre an seiner Arche gebaut, als noch schö nes Wetter war. Und die Leute dachten, er sei verrückt, bis es doch zu regnen begann.
Was populär ist, ist jedoch nicht immer das Richtige. Es sollte stets hinterfragt werden, ob etwas Sinn macht. Und wenn Antworten wie „Alle machen es so” kommen, sollte erst recht die Kernursache erforscht und hinterfragt werden, ob der ur sprüngliche Beweggrund noch korrekt ist.
„Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts.“ SØren Kierkegaard, dänischer Philosoph und Theologe
Sinnstiftung Wir können die Vergangenheit verstehen und einen Grund bzw. Sinn aus einzelnen Entwicklungen ableiten. Für die Zukunft fällt uns das viel schwerer; Veränderungen betreffen aber ge nau diese Zukunft. Daher ist es umso wichtiger, den Hinter grund und den Sinn von Veränderungen gut zu kommunizie ren, vor allem, wenn die Veränderung etwas Neues, Ungewisses oder Beängstigendes zu sein scheint.
„Ein Mann würde vieles tun, um geliebt zu werden, aber er würde alles tun, um beneidet zu werden.“ Mark Twain, amerikanischer Schriftsteller
„Auch wenn 40 Millionen Menschen etwas Idiotisches sagen, wird es nicht vernünftig.“ William Somerset Maugham, englischer Romanautor
Imitation „Wenn die Menschen machen können, was sie wollen, dann imitieren sie sich normalerweise gegenseitig.“ Das schreibt der amerikanische Philosoph Eric Hoffer in seinem Buch „The True Believer“. Er sagt, dass wir soziale Tiere sind, die von dem beeinflusst werden, was andere Menschen tun oder glauben. Wir denken häufig, dass andere Menschen mehr wissen als wir. Wir wollen, was andere Menschen wollen. Schließlich wollen es ja alle, dafür muss es ja einen Grund geben. Wir vermeiden, was andere Menschen vermeiden. Wir imitieren, ohne nach zudenken. Vor allem dann, wenn viele oder uns ähnliche Men schen das Gleiche tun. Das Marketing weiß das schon lange und „Influencer-Mar keting“ wird auch immer populärer, vor allem dank der so zialen Medien, die dieses Imitieren extrem intensiviert haben. Es scheint, je mehr Menschen etwas ähnlich machen, umso weniger fühlt sich der Einzelne verantwortlich, etwas kritisch zu hinterfragen. Vielleicht ist es auch mentale Faulheit, bei Unsicherheit einfach zu schauen, wie es andere machen, statt selbst nachzudenken.
Neid und Eifersucht Manche Veränderungen scheitern, weil Neid oder Eifersucht im Spiel sind. Besonders dann, wenn das eigene Gefühl von Fairness verletzt wird. Dies ist zunächst schwer zu erkennen, da oft alle möglichen Argumente vorgeschoben werden, um die tatsächlichen unschönen Beweggründe zu verschleiern.
„Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.“ Blaise Pascal, französischer Mathematiker, Physiker und Philosoph
Emotionen Wie uns Daniel Kahneman in seinem Buch „Thinking, Fast and Slow“ gelehrt hat: Emotion kommt vor Rationalität. Oft neh men die Gefühle überhand und man ist nicht mehr in der Lage, rational zu denken und macht oft im Affekt große Fehler. Un ter Druck und Stress wird das noch verstärkt, da dann meist wenig Zeit zum Nachdenken bleibt. Und Veränderungen sind oft getrieben von Druck, Stress und Emotionen. Ein chinesi sches Sprichwort bringt das zum Ausdruck: „Ein weiser Mann kontrolliert sein Temperament. Er weiß, dass Ärger zu Fehlern führt.“ Daher gilt: durchatmen, die Gründe für die Emotionen erforschen und auf die Sache konzentrieren!
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UMSETZUNG
LÖSUNG
PROBLEM
GRUNDSATZFRAGEN ZUR VERÄNDERUNG
6 SCHRITTE DER ERFOLG REICHEN VERÄNDERUNG
10 EBENEN DES WIDERSTANDS
PSYCHOLOGISCHE EINFLUSSFAKTOREN
1. Warum braucht es eine Veränderung?
1. Konsens, dass es ein Problem gibt.
1. Uneinigkeit, dass es ein Problem gibt.
Die Tendenz zu Konsistenz
2. Was soll verändert werden?
2. Konsens zum Problem.
2. Uneinigkeit über das Problem.
Anreize
3. Uneinigkeit, dass das Problem innerhalb unserer Kontrolle bzw. unseres Einflussbereichs ist.
Die Angst zu verlieren
4. Uneinigkeit über die Richtung der Lösung.
Die Angst vor Fehlentscheidungen
3. Wie soll die Verän derung aussehen? (Was ist die Lösung für das Problem?)
3. Konsens zur Lösungsrich tung. 4. Konsens zu den Vorteilen der Lösung. 5. Behandlung von allen möglichen Bedenken aller Beteiligten zur Lösung.
4. Wie verläuft der Weg zu d ieser Ver änderung? (Wie wird die Lösung implementiert?)
6. Konsens über die Maß nahmen und deren Um setzung.
5. Uneinigkeit zu den Lösungsdetails. 6. Uneinigkeit, da die Lösung negative Auswirkungen mit sich bringt.
7. Uneinigkeit, dass die Lösung um gesetzt werden kann. 8. Uneinigkeit über die Umsetzungs details.
Imitation Sinnstiftung Neid und Eifersucht Emotionen
9. Uneinigkeit, dass die Risiken zu friedenstellend gemindert werden können. 10. Soziale und psychologische Barrieren
Tabelle 2: Die Ebenen des Widerstands bei Veränderungen
Lösungsansätze Vielleicht ist es Ihnen schon einmal passiert, dass Sie eine tolle Lösung hatten, aber letztendlich an den Widerständen Ihrer Mitstreiter gescheitert sind? Wie finden Sie nun heraus, wa rum gewisse Mitstreiter sich gegen eine Veränderung wehren oder an einer der oben beschriebenen Befangenheiten leiden? Die Theory of Constraints nach Eliyahu M. Goldratt und die Ebenen des Widerstandes nach Efrat Goldratt-Ashlag liefern praktikable Modelle dafür. Diese wurden vom Autor übersetzt, überarbeitet, teilweise neu kombiniert und um die psycholo gischen Faktoren ergänzt. Daraus wurde ein Praxisleitfaden erstellt. (Tabelle 2) Grundsätzlich sollten bei jeder Veränderung folgende Grund satzfragen gestellt werden: • Warum braucht es eine Veränderung? • Was soll sich ändern? • Wie soll die Veränderung aussehen? • Wie verläuft der Weg zu dieser Veränderung? Die Antworten auf diese Fragen eignen sich auch hervorragend zur erfolgreichen Kommunikation von Veränderungsprojekten.
In der nächsten Spalte folgen in diesem Leitfaden sechs Schritte für eine erfolgreiche Veränderung. Diese bauen auf einander auf und sind als Meilensteine eines Veränderungs prozesses zu verstehen. Gibt es zwischen den jeweiligen Schrit ten Probleme und Widerstände, so soll die nächste Spalte mit den zehn Ebenen des Widerstands eine Hilfestellung liefern. Hier werden die häufigsten Arten von Widerständen syste matisch behandelt. In der letzten Spalte sind die psycholo gischen Einflussfaktoren wie oben beschrieben zusammen gefasst. Diese spielen in alle Ebenen des Widerstands hinein und sollten bei Problemen und Widerständen entsprechend geprüft werden. Gerne stellen wir Ihnen die Tabellen elektronisch zur Verfügung, die wir für diesen Artikel erstellt haben. Schreiben Sie uns dafür einfach eine kurze Nachricht an info@hansbeckergmbh.de.
Und nun viel Erfolg bei Ihren persönlichen Veränderungen! //
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Das Ende des Homo sapiens? Mit seiner „Kurzen Geschichte der Menschheit“ hat der israelisch-britische Historiker Yuval Noah Harari einen viel diskutierten Megaseller vorgelegt. In seinem neuesten Werk „Homo Deus“ wagt er nun, gleichsam als Fortsetzung, einen Blick in die Zukunft der Menschheit.
von Hans Becker
Es ist eine Geschichte von morgen, die das menschliche Dasein auf eine völlig neue Stufe der Evolution hebt. In Rela tion zur bisherigen Entwicklungsgeschichte des Homo sapiens scheint diese Zukunft nicht mehr fern zu sein, die Welt des humanistischen Homo sapiens verändert sich im Augenblick rasend schnell in eine Welt des „Dataisten“.
Menschliche Historie Die „Kurze Geschichte der Menschheit“ erzählt, wie vor 13,5 Mil liarden Jahren Materie, Energie, Raum und Zeit entstanden (der Urknall), wie sich vor 3,8 Milliarden Jahren bestimmte Moleküle zu Organismen verbanden und vor ca. 2,5 Millionen Jahren die ersten menschenähnlichen Tiere die Weltbühne betraten. Die meisten Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass vor un gefähr 150.000 Jahren in Ostafrika die ersten anatomisch mo dernen Menschen lebten. Neueste wissenschaftliche Erkennt nisse deuten allerdings darauf hin, dass der Homo sapiens be reits vor ca. 300.000 Jahren existierte. Als dann vor ungefähr 70.000 Jahren die kognitive Revolution in Gang kam, vollzogen sich die Veränderungen in der Entwicklung der Menschheit in immer kürzeren Zeiträumen. Unsere Spezies eroberte die Welt und ist gerade dabei, eine weitere neue Stufe der Evolu tion zu erklimmen.
Rasender Fortschritt „Homo Deus“ versucht zu erklären, welche gravierenden Ver änderungen uns bevorstehen. Der Blick in die Zukunft ist im mer ein Risiko, weil viele unvorhergesehene Ereignisse die Ent wicklung natürlich völlig verändern können. So überraschend sie auch zunächst klingen mögen, erscheinen die Thesen von Yuval Noah Harari dennoch als eine logische Fortführung des sen, was bisher passierte. Die neuen Technologien können dem Menschen gottgleiche Fähigkeiten verleihen – schöpferi sche, aber auch zerstörerische. „Big Data“, „Industrie 4.0“, das „Internet der Dinge“ usw. sind alles Begriffe, die uns schon seit einiger Zeit beschäftigen. Mit Algorithmen werden Unmengen von Daten verarbeitet und die technische Wissenschaft entwickelt mit großer Energie Metho den, wodurch der Mensch immer weniger selbst entscheiden muss, was für ihn (angeblich) gut ist. Das Navi sagt uns, wo wir hinfahren, und bald gibt es Autos, die nicht mal mehr einen Fahrer brauchen. Der Kühlschrank füllt sich von selbst. Part nerbörsen oder entsprechende Apps sagen uns, wen wir hei
raten sollen. Eine Gesundheits-App sagt uns, wie viele Schritte wir heute noch gehen sollen und welche Lebensmittel wir noch essen sollen, damit unser Vitamin- und Mineralienhaushalt optimal ist, usw. usw. Die Algorithmen werden immer intelli genter. Aber was ist, wenn der Algorithmus bald so intelligent ist, dass er unsere geistigen Fähigkeiten nicht mehr benötigt und dann über die Menschheit entscheidet?
Wohin führt der Weg? So muss der Mensch der Zukunft immer mehr zu einem Cy borg mutieren, dessen körperliche und geistige Fähigkeiten ein technologisches „Upgrading“ erleben. Er wird zu einer Kombi nation aus Organismus und Hightech-Implantaten, um unge ahnte, gottgleich scheinende Leistungen zu vollbringen. Dieser „Homo deus“ wird, so der Autor, weniger Verwandtschaft mit dem Homo sapiens haben als dieser mit dem Neandertaler oder einem Schimpansen. Eines ist sicher: So viel Veränderung und so schnelle Ver änderung wie derzeit war noch nie. Ob sie zu unserem Nutzen oder sogar zu unserem Schaden ist, weil das Ende des Homo sapiens in der heutigen Form bald gekommen ist, wissen wir noch nicht. Das werden wir erst wissen, wenn die Zukunft Ge genwart geworden ist. Beide Bücher kann ich sehr empfehlen, da sie uns zeigen, woher wir kommen und wohin es gehen könnte. Wer beide Bücher liest, ist klar im Vorteil. Interessant und kurzweilig ge schrieben, geht die Lust zum Lesen nie verloren. //
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„Der Einkauf der Zukunft muss spannende Aufgaben mit Gestaltungsmöglichkeiten anbieten.“
Constantia Flexibles ist einer der weltweit führenden Hersteller flexibler Verpackungen. Die Gruppe beliefert zahlreiche multinationale Konzerne sowie lokale Marktführer in der Nahrungsmittel-, Tiernahrungs-, und Pharmaindustrie. Unter dem Leitprinzip „People, Passion, Packaging“ stellen die rund 8.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeschneiderte Verpackungslösungen an 40 Standorten in 18 Ländern her. Nenad Milosevic leitet als Vice President Category Management Indirect Spend & Capex den gruppenweiten strategischen Einkauf für indirekte Bedarfe.
Franz Tramberger im Gespräch mit Nenad Milosevic
Herr Milosevic, Sie haben mittlerweile neue Ressourcen für den indirekten Einkauf geschaffen und Ihr Team vergrößert. Was waren Ihre Beweggründe dafür? Die Antwort auf diese Frage muss man im Kon text der Entwicklung der Gesamteinkaufsfunk tion der Constantia Flexibles suchen. Initiiert durch ein klares Mandat des Managements der Constantia Flexibles Gruppe und voran getrieben und geleitet durch meinen Vorge setzten Roland Schwögler, Senior Vice Presi dent Group Procurement, hat der strategische Einkauf der Constantia Flexibles Group in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Von Anfang an wurde konsequent die Entwick lung aller fünf Einkaufsbereiche vorangetrie ben. Das hat sich mit der jährlichen Verbesse rung der Performance deutlich bestätigt und den Einkauf als wichtigen Businesspartner im Unternehmen etabliert. Einer dieser Bereiche ist der „indirekte Spend & Capex“, den ich für die Gruppe verantworte. Parallel zu dieser Ent wicklung befindet sich auch mein Team auf einem Erfolgskurs, was unsere Ergebnisse in den letzten Jahren auch klar bestätigen. Meine persönlichen Beweggründe waren dabei die Herausforderung, aber gleichzeitig auch die einmalige Gelegenheit, eine globale Organi
sation „aus dem Boden zu stampfen“ und die Erfahrungen aus früheren Projekten praktisch umzusetzen. Haben Sie sich für diesen Veränderungsprozess interne bzw. externe Unterstützung geholt? Welche Hürden gab es? Eine der größten Herausforderungen in die sem Bereich war die globale Ausrichtung der Cflex-Gruppe und die damit verbunde nen Herausforderungen in der Zusammen arbeit, gepaart mit der großen Heterogenität der Warengruppen, was generell typisch ist für den indirekten Spend. Dazu kommt noch, dass an vielen Standorten das Thema indi rekter Einkauf organisatorisch nicht besetzt ist bzw. wir haben teilweise keinen dedizier ten Einkäufer für diesen Einkaufsbereich. Hürden gab es also viele, aber wichtig ist zu betonen, dass einer der Haupterfolgsfakto ren für unsere erfolgreiche Entwicklung un ser Fokus auf eine gesunde Zusammenarbeit und Kooperation „auf Augenhöhe“ mit den Kollegen in den Werken gewesen ist. Wir ha ben sehr viel Zeit und Energie in dieser Hin sicht investiert, aber ich kann nun bestätigen: Ohne diese Grundlage wäre unsere Erfolgs geschichte nicht möglich.
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Welche Warengruppen bearbeiten Sie mit Ihrem Team? Der Bereich Indirect Spend & Capex macht ca. ein Drittel des Gesamtspends der Cflex-Gruppe aus und ist organisatorisch in vier soge nannte Category Cluster strukturiert: Capex & Utilities, Logistik & Verpackungen, Produkti onswerkzeuge & MRO, und IT & Services. Un sere Bedarfe sind unterteilt in 20 Hauptwaren gruppen mit mehr als 130 Subwarengruppen. Mein Team managt ca. 80 Prozent des welt weiten indirekten Bedarfes der Cflex-Gruppe. Sie vergeben bewusst auch Aufträge an externe Dienstleister, wie z. B. das Thema Versicherungen, bei dem wir gemeinsam die Einsparpotenziale gehoben haben. Wann holen Sie sich externe Expertise und was genau sollte man dabei beachten? Abgesehen vom Gruppeneinkauf, bei dem wir vor ca. drei Jahren ein groß angelegtes Ein kaufsoptimierungsprojekt sehr erfolgreich umgesetzt haben, haben wir konkret im Be reich Indirect Spend sehr gute Erfahrungen mit sogenannten Boutique-Beratungen ge macht, also „kleineren“ Beratungen mit kon kretem bzw. maßgeschneidertem Know-how auf Ihrem Gebiet (wie z. B. Hans Becker für den Einkauf von Versicherungsleistungen). So ein Vorgehen hat uns erlaubt, ausgewählte Themenbereiche – bei denen teilweise spe zielles Know-how erforderlich ist – gezielt zu adressieren und danach die notwendige Ex pertise im Unternehmen nachhaltig zu ver ankern. Als ehemaliger Berater kann ich sa gen, dass sich dieser praxisnahe Bottom-upAnsatz für ausgewählte Warengruppen sehr gut eignet. Für organisatorische/strategische Transformation haben wir uns wieder für die andere Form der Beratungen umgeschaut. Was hat sich seit Ihrem Start bei Constantia Flexibles bereits verändert bzw. verändert sich gerade? Die letzten Jahre bei der Constantia Flexibles waren geprägt von Änderungen und perma nentem Wachstum, sowohl organisch als auch durch Akquisitionen. Eine sehr spannende und interessante Entwicklung, die einen im mer wieder vor neue Herausforderungen stellt und Gelegenheit bietet, weiter zu wachsen. Für den Einkauf der Gruppe als auch aus meiner Sicht war sicherlich die Implementierung der neuen strategischen Einkaufsorganisation de finitiv das Highlight des letzten Jahres.
Rund um das Thema Digitalisierung gibt es aktuell einen großen Hype. Wie stehen Sie zu diesem Thema und wie digital ist bei Ihnen der Einkauf bereits? Beim Thema Digitalisierung im Einkauf der Constantia Flexibles haben wir derzeit „alle Hände voll zu tun“ und holen hier sehr schnell auf. Alleine dieses Jahr stehen zwei große Im plementierungsprojekte vor uns: die Einfüh rung von Ariba für die Unterstützung des stra tegischen Prozesses im Gruppeneinkauf sowie die Implementierung eines TransportationManagement-Systems für den Logistikeinkauf. Aber Sie haben ein aus meiner Sicht sehr passendes Wort gewählt: Es ist ein „Hype“. Ich glaube, es stellt sich im Einkauf nicht mehr die Frage der Digitalisierung – die ist fast, würde ich sagen, eine Notwendigkeit geworden. Es ist eigentlich eine neue Ära der künstlichen Intelligenz gekommen und es stellt sich eher die Frage: Welches Potenzial davon wird sich konkret im Einkauf realisieren? Es kursieren schon viele „Stichworte“ wie z. B. Data Mining für die Spend-Transparenz, Machine Learning für Contract Analytics, Cognitive Sourcing usw. Im Moment ist es noch schwer zu erkennen, in welche Richtung die Anwendungen führen werden. Aber eines ist sicher: Es wird schnel ler kommen, als man erwartet. Das wage ich zu behaupten, aus eigener Erfahrung: Vor nicht
Nenad Milosevic, Vice President Category Management Indirect Spend & Capex Leitung und Management vom globalen/gruppenweiten strategischen Einkauf für i ndirekte Bedarfe und Capex in der Constantia-Flexibles-Gruppe (Indirect Spend: ca. 330 Mio. €) Seit März 2014 bei Cflex, davor acht Jahre Erfahrung in der Grundlagen- und industrie nahen Forschung (Atomphysik und Neuroinformatik), anschließend mehr als sechs Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung im Bereich Strategischer Einkauf und Supply Chain Management.
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mal zehn Jahren, als ich noch in der Forschung tätig war, habe ich mich vier Jahre lang inten siv mit den Themen Neuroinformatik, Pattern Recognition und künstliche Intelligenz be schäftigt. Wir haben damals an ersten biolo gisch inspirierten Systemen und Algorithmen gearbeitet, die enormes theoretisches Poten zial hatten, wobei aber aus damaliger Sicht eine konkrete Anwendung noch schwer abzu sehen war. Und es ist erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit Entwicklungen ablaufen. Wir erleben jetzt schon Produkte, die Marktreife erreicht haben, man braucht nur an Amazon oder Algorithmen in Smartphones zu denken. Was sind Ihre persönlichen Ziele und was ist Ihre Vision für den indirekten Einkauf bei Constantia Flexibles? Meine persönlichen Ziele bzw. Visionen für in direkten Einkauf würde ich in zwei Stichwörter zusammenfassen: „smart“ und „sexy“. Ich bin fest davon überzeugt, dass Einkauf als rich tiger Value Driver agieren muss, der heute mehr als nur „harte Verhandlung“ anbieten kann. Dieses Bild des „harten Verhandlers“ ist in meinen Augen definitiv überholt und greift zu kurz (ist aber leider noch immer zu finden), vor allem im Einkauf. Aufgrund sei nes cross-funktionalen Charakters – man fin det nur wenige Unternehmensfunktionen mit
Lösungen für die Pharmaindustrie umfassen Verpackungsmaterialien auf der Grundlage von Aluminium, wie kindersichere Blisterfolien, kalt verformbare Folien sowie Kunststoffaufbauten, Sachetverbunde mit Sperrschicht für die Segmente Pharma, Medizintechnik/Healthcare und Kosmetik.
solcher Komplexität, Einfluss auf Unterneh menserfolg und Anzahl an Schnittstellen – gibt es eine Vielzahl an sophistizierten Me thoden und Werkzeugen, die einen enormen Wertbeitrag generieren können. Also, meine Devise lautet: „Smarter, not only harder.“ Auf diese Weise glaube ich, wird es möglich sein, den Einkauf auch „sexy“ zu machen, also at traktiv und interessant für andere Mitarbeiter und Jobanwärter in der Wirtschaft. Ich muss zugeben, der Einkauf als Funktion wird selten als erste Wahl bei den Jobsuchenden gese hen (bei mir war das auch der Fall), und die ses Bild müssen wir ändern. Der Einkauf der Zukunft muss spannende Aufgaben mit Ge staltungsmöglichkeiten anbieten, die einem helfen, sich weiterzuentwickeln. Nur so kann man es schaffen, junge Talente anzuziehen und auch zu behalten. Denn jede Unterneh mensfunktion ist nun einmal nur so gut wie ihre Mitarbeiter. //
Zur Erfüllung von Kunden anforderungen werden innerhalb der Constantia Flexibles Produktionsprozesse ständig überwacht und weiterentwickelt, wie z. B. die Implementierung von ISOkonformen Verfahren und Prozessen sowie die Befolgung von sogenannten Good Manufacturing Practices (GMP).
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Zu Jahresbeginn wurden über 4.000 Einkaufsentscheider im deutschen Mittelstand von der Hans Becker GmbH aufgefordert, an der Umfrage zur Digitalisierung im strategischen indirekten Einkauf teilzunehmen. Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Trend zu anstehenden Veränderungen in den Einkaufsorganisationen.
Gibt es in Ihrem Unter nehmen einen strategischen indirekten Einkauf?
33 % nein
zur Digitalisierung im strategischen indirekten Einkauf
Welchen Digitalisierungsgrad hat Ihr indirekter Einkauf? (Skala von 1 bis 10)
1 2 67 % ja
Umfrage
3456 72 % der Befragten schätzen ihren Digitalisierungsgrad mit Werten zwischen 3 und 6 ein.
von Anja Rössel
Ist der Purchase-to-Pay-Prozess im indirekten Einkauf bereits digitalisiert?
39 % zum Teil 22 % ja 39 % nein
Im Zuge der Umfrage sollte ermittelt wer den, welche Bedeutung der allgemeinen Ent wicklung zu mehr Digitalisierung im indirekten Einkauf beigemessen wird. Das Thema ist seit Langem ein Dauerbrenner in Fachzeitschrif ten, bei Messen und in Diskussionsrunden. Bereits mit unserer Sonderbeilage vom Früh jahr 2017 „Indirekter Einkauf, Big Data und Einkauf 4.0“ widmeten wir diesem wichtigen und scheinbar alles beherrschenden Thema einen DENKRAUM extra. Die nun durchge führte Umfrage sollte das Bild noch einmal abrunden und hinterfragen, wie weit die An strengungen zur Digitalisierung speziell im indirekten Einkauf bereits gehen. Die aktuelle Auswertung zeigt nun deut lich, dass die deutschen Unternehmen sich – allen Kritikern zum Trotz – mit großem Elan und Engagement auf den digitalen Wandel vorbereiten: Zu Anfang des Jahres planten 94 Prozent der Umfrageteilnehmer, für 2018
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Wie hoch schätzen Sie Ihre Maverick-Buying-Quote im indirekten Einkauf (quantitativ)? 56 %
0 – 20 %
22 %
6 %
17 %
21 – 40 %
41 – 60 %
> 60 %
Über die Hälfte der Befragten schätzten Ihre Maverick-BuyingQuote auf maximal 20 %.
Planen Sie 2018 eine weitere Digitalisierung im indirekten Einkauf?
{
94 % ja
• automatisierte Bezahlung • Electronic Invoicing • Einkaufsplattformen • E-Procurement-Portale • systemgestützte Bedarfsanforderungen • digitale Lieferantenregistrierung,
-qualifizierung und -bewertung
• Anbindung an Marktplätze • digitale Genehmigungsworkflows • elektronische Belegerkennung • Digitalisierungen im Dienstleistungs-
einkauf
6 % nein
weitere Maßnahmen in diesem Bereich um zusetzen. Dazu gehörten Aufgaben wie • die Automatisierung von Bezahlvorgängen bzw. die elektronische Rechnungsstellung, • die Implementierung von Plattformen und E-Procurement-Portalen, • die digitale Lieferantenqualifizierung und -bewertung, • die Digitalisierung des gesamten Purchase-to-Pay-Prozesses. Unbestritten ist dabei von den meisten Unter nehmen, dass es noch immer enorme Hürden auf diesem Weg gibt. So wurden häufig feh lende Ressourcen und Kapazitätsengpässe als Hauptgrund genannt, weshalb diese Projekte nicht mit der nötigen Energie umgesetzt wer den können. Dabei liegt gerade hier eine mög liche Lösung dieses Problems: Optimale digital gestaltete Prozesse und Strukturen in den indirekten Warengruppen entlasten vor allem den Einkauf und die Buch haltung. Es lohnt sich also, den einmaligen Aufwand in diesen Veränderungsprozess zu investie ren, um danach gestärkt und effizienter da raus hervorzugehen. Immerhin knapp zwei Drittel der Teilneh mer gaben an, bereits Einkaufs-ControllingInstrumente im indirekten Einkauf einzuset zen und bilden damit eine solide Grundlage für den strategischen Einkauf dieser rund 50 verschiedenen Warengruppen. Dieser Trend
Wie informieren Sie sich über die Entwicklungen zur Digitalisierung?
Studien, Messen, Literatur, Seminare, Lieferanten
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ist positiv hervorzuheben. Denn nur, wer seine Mengen, Konditionen und Bedarfe kennt, kann sich optimal auf Verhandlungen vorbereiten. Den größten Hebel zur – digitalen – Opti mierung dürften jedoch die Unternehmen ha ben, die in diesen Warengruppen noch nicht besonders aktiv waren. Dies betrifft beispiels weise jene rund 45 Prozent der Befragten, die angaben, eine Maverick-Buying-Quote im in direkten Einkauf von über 20 Prozent zu ha ben, ebenso wie das Drittel der Umfrageteil nehmer, in deren Unternehmen es bis dato noch keinen strategischen indirekten Einkauf gibt. Für diese Unternehmen wird es eine wich tige Weichenstellung hin zu mehr Effizienz sein, die Beschaffung und die Strukturen in diesen Warengruppen modern und weitge hend digital zu gestalten. Das Ergebnis dieser Veränderungen kann einerseits die Kapazi tätsengpässe langfristig beseitigen und an dererseits die Kosten erheblich senken. Darüber hinaus werden die vereinfachten Prozesse und Abläufe, die die Digitalisierung im indirekten Einkauf mit sich bringt, von den meisten Bedarfsträgern gern gesehen. Die vielen manuellen Arbeiten und die oft vor herrschende Intransparenz der Daten sind den meisten Einkäufern und Bedarfsträgern lästig. Ein gut strukturierter Veränderungs prozess mit klarer Kommunikation der Vor teile wird dann von allen Seiten mitgetragen werden. //
Nutzen Sie bereits EinkaufsControlling-Tools?
61 % ja
33 % nein
Welche Bedeutung sehen Sie in der Digitalisierung für Ihren indirekten Einkauf?
72 % eher keine wesentliche Bedeutung
Welche Hürden sehen Sie für die weitere Digitalisierung im indirekten Einkauf Ihres Unternehmens?
optimale Gestaltung de r Veränderungsprozesse und Integration aller Beteili gten falsche Priorisierung und Fehleinschätzungen
d Kapazitätsengpässe un fehlende Ressourcen
n einer Technologie g n Umgebun heterogene n. nden werde u b r e v n e s s mü fehlendes Know-how
Unterstützung aus allen Unternehmensbereiche n und Leitungsebenen
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Inspiration
Farbflash Brillant ketzerisch fragt die Kabarettistin Martina Schwarzmann, ob man wohl Chamäleon-Wurst im Kühlschrank wiederfände. Tatsächlich haben Forscher der Universität Genf vor einiger Zeit herausgefunden, wie die Männchen des Panther-Chamäleons so extreme und schnelle Farbwechsel bewerkstelligen können: Nanostrukturen in der Haut reflektieren und verändern das Licht. Dabei ist die Haut der außergewöhnlich grellbunten Verwandlungskünstler aus zwei Schichten spezialisierter Zellen, sogenannter Iridophoren, aufgebaut, welche photonische Kristalle enthalten. Je nach Gemütszustand des Tieres verändert sich der Abstand zwischen den Kristallen und bewirkt so die dramatischen Farbänderungen. Das klingt mehr nach Star Trek als nach Salami.
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Indirekter Einkauf für eine Messegesellschaft
Einkaufen wie im Film Mit Erklärvideos will der Zentraleinkauf der Messe Stuttgart den Kollegen ihre Services künftig noch einfacher näherbringen – Teil einer fortlaufenden Optimierung des Angebots „Messe“.
von Silvia Stoll
Ein doppelt so großes Messegelände bespielen, mehr in ternationale Aussteller und Besucher, mehr Veranstaltungen, eine weiterhin hohe Auslastung der Hallenflächen und Kon ferenzräume: Das waren die Anforderungen an die Mitarbeiter der Messe Stuttgart beim Umzug vom alten auf das neue Mes segelände beim Stuttgarter Flughafen im Jahr 2007. Schnell wurde klar, dass dies alles nur zu schaffen ist, wenn die Mitarbeiter von unnötigen Aufgaben entlastet werden, um ihre Kapazitäten voll und ganz dieser Mammutaufgabe widmen zu können. Dies war die Geburtsstunde der Abteilung Zentral einkauf. Sie wurde von ihrer Leiterin Daniela Löbbe 2009 maß geblich aus der Taufe gehoben. Mit großem Erfolg: Standard beschaffungssituationen wurden seitdem vereinfacht und di gitalisiert, Lieferantenpools für Werbe- und Presseagenturen, Fotografen, Übersetzungsbüros und Vertriebsunterstützung (Callcenter-Service) erstellt. Da es sich um Nichtproduktions materialien bzw. indirektes Material handelt, das beschafft werden muss, ist die Entlastung der Mitarbeiter groß. Sie müs sen keine drei Einzelangebote mehr für jeden Auftrag einho len, haben transparente Preisübersichten zur Verfügung und können sich auf klare, ausgehandelte Rahmenbedingungen verlassen. „Dabei geht es etwa um Fragen zur Scheinselbst ständigkeit, aber auch zur wirtschaftlichen Stabilität unserer Lieferanten. Sind sie überhaupt in der Lage, unsere Aufträge zu den vereinbarten Bedingungen auszuführen?“, präzisiert Löbbe, was damit gemeint ist. Für die Mitarbeiter verringert sich durch die zentrale Be schaffung der Zeit- und Kostendruck erheblich, viele Bestell prozesse werden deutlich vereinfacht. „Wir hatten in der Ver gangenheit mit mehr als 50 Druckereien Kontakt. Mittlerweile ist es nur noch eine, die unseren Anforderungskatalog bei jeder Drucksache kennt und umsetzen kann“, erklärt Löbbe. Von der Bestellung bis zur Rechnungsabwicklung laufen die Bestellvorgänge mittlerweile im Purchase-to-Pay-Prozess, das bedeutet: komplett automatisiert und papierlos. Chefin Daniela Löbbe hat im Zentraleinkauf noch zwei Voll zeit- und eine Teilzeiteinkäuferin an ihrer Seite, denn es gibt auch einen großen Bereich an flexiblen Bestellungen. Zusätz lich ist noch eine Versicherungsspezialistin in Teilzeit beschäf
tigt. Der Termindruck im Messegeschäft ist durchweg hoch. Nicht nur die Messen selbst haben feste Termine, sondern auch die begleitenden Veranstaltungen wie Fachkonferenzen, Pressekonferenzen, Seminare oder Events. „Der Kunde ist auf den ersten Blick der Mitarbeiter, aber auf den zweiten oftmals ein Messeveranstalter oder Aussteller, der seine Standortwahl maßgeblich von der termingerechten Umsetzung seiner Wün sche abhängig macht“, erklärt Löbbe. Häufig müssen kurzfris tig und einmalig Dinge beschafft werden, wobei es hier neben dem Best Price und der Best Quality vor allem darum geht, den Termin zu halten. Ein Beispiel für solch einen Bestellvorgang ist der Fototer min im Januar dieses Jahres zur offiziellen Eröffnung der neuen Paul Horn Halle (Halle 10) und des Einganges West im Rahmen des Neujahrsempfangs. Nachdem die Planungen dafür vor Weihnachten abgeschlossen waren, ging es darum, für einen Fototermin mit viel Prominenz einen passenden Rahmen mit großen Styroporbuchstaben zu schaffen. „#HALLE10“ war das Motto. Ein Anruf in der Einkaufsabteilung kurz vor Weihnach ten mit der Bitte um Beschaffung. Hier zeigt sich, dass es ohne professionell ausgebildete Einkäufer nicht geht. Die fraglichen Styroporzuschnitte konnten kurzfristig be schafft werden, sogar eine Formatänderung schaffte der Liefe rant noch. „Das war ein Glücksfall für uns. Wir hatten mit dem Lieferanten bereits eine andere Bestellung realisiert. Auch auf deren Seite saßen Profis. Immer wieder schön, wenn alles so reibungslos klappt“, freut sich Löbbe. „Wir sehen die Digitalisierung als Zusammenspiel Mensch – Maschine. Sie soll die Menschen unterstützen, wird sie aber so schnell nicht ersetzen“, ist Löbbe überzeugt. Das beste Beispiel dafür sind Messen selbst. Die Face-to-Face-Kommunikation ist nach wie vor sehr wichtig, Messen haben trotz der Digitalisie rung sogar an Bedeutung gewonnen, profitieren aber stark von ihr, etwa durch Liveschaltungen in Fertigungshallen, OP-Säle oder durch Videokonferenzen. Nicht jeder im Haus fand es anfangs gut, Bedarfe über eine zentrale Beschaffungsabteilung abwickeln zu müssen. Es gab vereinzelt Vorbehalte und Ängste, in den eigenen Kompeten zen beschnitten zu werden oder das digitale Bestellsystem
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Die Messe Stuttgart gilt nicht nur als eines der schönsten Messegelände Europas, sie verfügt mit ihrer Anbindung an den Flughafen Stuttgart und die Autobahn A 8 auch über eine hervorragende Verkehrsinfrastruktur. Die neue Paul Horn Halle (Halle 10) und der neue Eingang West wurden im Januar mit Vertretern aus Wirtschaft und Politik offiziell eröffnet, darunter auch die beiden Geschäftsführer der Messe Stuttgart Ulrich Kromer und Roland Bleinroth (links und zweiter von links). Die Styroporbuchstaben für den Fototermin beschaffte der Zentraleinkauf.
Künftig werden Erklärvideos die Abläufe bei einer Bestellauslösung noch anschaulicher verdeutlichen. Das MesseTV-Team und die Mitarbeiterinnen des Zentraleinkaufs haben schon viele Ideen dafür. (v. l. n. r.: Kira Hesselschwerdt, Anastasia Ouroumidou, Daniela Löbbe, Nadja Beckett)
„Wir haben die Kollegen mit ihren Bedürfnissen ernst genommen und von den Vorteilen des Zentraleinkaufs überzeugt.“ Daniela Löbbe, Leiterin Zentraleinkauf, Messe Stuttgart
nicht zu verstehen. Darum ist für die Implementierung einer Einkaufsabteilung die Kommunikation sehr wichtig. „Wir haben die Kollegen mit ihren Bedürfnissen ernst genommen und von den Vorteilen überzeugt. Sie wurden eng mit eingebunden beim Aufbau der Lieferantenpools und haben ihre Wunschlie feranten eingebracht“, erläutert Löbbe die Vorgehensweise. Um die Bestellauslösung so einfach wie möglich zu gestalten, wurden anschauliche Leitfäden entwickelt, und die Mitarbeite rinnen der Abteilung stehen jederzeit telefonisch für Fragen zur Verfügung. Doch damit nicht genug. Löbbe arbeitet in Sachen Leitfaden bereits am nächsten Schritt: Erklärvideos. „Nachdem sich unsere Berichterstattung über die Veran staltungen der Messe Stuttgart immer mehr auf Kurzvideos in den unterschiedlichen digitalen Kanälen verlegt hat, pro duzieren wir gerade Erklärvideos für unsere Bestellprozesse. Das Messe-TV-Team um Moderatorin Stefanie Kromer und Ka merafrau Kira Hesselschwerdt war begeistert von der Idee“, freut sich Löbbe. Im hausinternen Social Intranet Messe Stutt gart (SIMS), auf dem sich die Mitarbeiter in Workspaces über ihre Arbeit, aber auch über Freizeitaktivitäten austauschen, ist die Einkaufsabteilung ebenfalls vertreten und wird dort demnächst mit ihren Erklärvideos auch visuell stärker prä sent sein. //
In den vergangenen Jahren hat Daniela Löbbe mit der Hans Becker GmbH mehrfach Coachings zum Thema Marketing-Einkauf durchgeführt. Wie baut man diesen auf? Welche Teildisziplinen gibt es? Wie funktioniert der Markt? Welche Anbieter gibt es? … Durch den regelmäßigen Austausch ist eine gute Zusammenarbeit entstanden. Frau Löbbe hat unseren fachlichen Input in die Praxis umgesetzt und damit hilfreiche Prozesse etablieren können.
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Nur der Wandel ist beständig Man sollte mal mitschreiben, was die Leute so reden, meinte Kurt Tucholsky, der ja stets sehr genau zugehört hat. Doch ebenso interessant ist, was sie nicht (mehr) reden: verwandelte und verschwundene Wörter.
von Herbert Lechner
Sprache ist ein sehr vitales Lebewesen, es gibt ein ständi ges Kommen und Gehen von Wörtern und Begriffen, Fremd-, Lehn- und Fachwörter, Anleihen aus dem Wortschatz bestimm ter Peergroups oder auch aus dem Dialekt, dazu andererseits Wörter, die aus der Mode kommen, ungebräuchlich werden, aussterben. Sprache, das muss einmal betont werden, ist die größte Errungenschaft der Menschheit und entscheidende Triebfeder ihrer besonderen Evolution. Übrigens verdanken wir wohl auch sie dem weiblichen Geschlecht am gemeinsamen Herd. Denn beim herkömmlichen maskulinen Blick auf die Jäger als Spracherfinder dürften doch eher stumme Zeichen gebung (vorher) und Siegesgebrüll (nachher) angesagt gewe sen sein. Sprache als Kommunikationsmittel ist recht ökonomisch. Was nicht gebraucht wird, wird erst mal abgelegt, mit 600 bis 800 Wörtern kommt der Deutsche im Allgemeinen aus – nicht viel angesichts der rund 450.000 Begriffe, die das Grimmʼsche Wörterbuch aufführt, und der ca. 145.000 im aktuellen Duden. Neuzugänge erleben wir laufend und nutzen sie auch: g oogeln, recyceln, Tablet, Smartphone, Dieselskandal, hartzen … Manche sind kurzlebig, verschwinden wieder, wenn das Sujet nicht mehr aktuell ist, etwa die Floppy Disc aus der ComputerSteinzeit oder „guttenbergen“ (für Abschreiben). Andere sind als „deutsche“ Wörter längst fest etabliert: Noch Anfang des 20. Jahrhundert waren Cakes (Keks) und Strike (Streik) korrekte Schreibweisen, und die Marke Teekanne schrieb sich zu Beginn ihrer 125-jährigen Karriere natürlich mit „h“. Zahllos sind die Übernahmen aus anderen Sprachen und Kulturen – die neben all den modernen Anglizismen aus oft sehr überraschenden Quellen kommen. So stammen z. B. Joghurt, Diwan, Kiosk, aber auch die Tulpe aus dem Türkischen, den Pfirsich haben wir vom Mittellateinischen persica („die persische [Frucht]“), weil der Baum über Persien nach Europa kam. Auch unsere wohlvertraute Semmel ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen (simila), in das es aus dem Griechischen und dort wiederum aus orientalischen Sprachen entlehnt wurde. Und wer denkt schon beim Croissant daran, dass er in einen symbolischen Halbmond beißt, den ein Wiener Konditor nach dem Sieg über die Türken 1683 kreiert hat … Klar, dass beim Sprachgebrauch auch einiges auf der Stre cke bleiben muss. Da sind zuerst jene Begriffe, die mit dem bezeichneten Objekt obsolet werden: Zwischengas etwa, Rechenschieber oder gar Stenorette, das legendäre Grundig
Diktiergerät. Viele, vor allem regional geprägte Fachbegriffe, die z. B. aus der Landwirtschaft verschwunden sind, gibt es ebenso nicht mehr wie die zugehörigen Geräte. Hier sind viele klangvolle Dialektwörter verloren gegangen. Das (Taschen-) Fei(d)l etwa, das Johann Andreas Schmeller im großartigen Bayerischen Wörterbuch noch mit der Erklärung schlechtes Messer, Taschenmesser verzeichnet, wird wohl niemand mehr so nennen. Ähnlich natürlich bei Berufen, die es nicht mehr gibt. Wer weiß noch, was auf Stör gehen bedeutete? „Deutsch“ ist – wie jede Sprache! – ein außerordentlich heterogenes Gebilde. Außer den Dialekten, die zunehmend durch audiovisuelle Medien nivelliert werden, gibt es regionale Vorlieben, die in Sprachatlanten dokumentiert sind – etwa Krawatte, Binder, Schlips oder Semmel, Brötchen, Weck(en). Ähnlich geht es natürlich mit dem „Deutsch“ in Österreich, der Schweiz und verschiedenen Sprachexklaven. Wenn selbst in der so seriösen Neuen Zürcher Zeitung berichtet wird, dass ein Töffli beim Parkieren verunfallte, wundert man sich hier zulande. Ein Kapitel für sich bildet die Sprache der DDR, an der sich der Wandel gleichsam am lebenden Objekt zeigt. Wir werden sehen, wieweit Broiler, Soljanka, SERO und Bückware über leben bzw. auch von den Wessis adaptiert werden. Dann gibt es natürlich Sprachmoden: Während es heute im ICE „Senk ju for träwelling“ (so Mark Spörrle, Lutz Schumacher) heißt, nachdem wir unser Ticket am Counter im Servicecenter abgeholt haben, reiste man früher eher Französisch und er wartete auf dem Perron mit dem Kondukteur den Waggon mit unserem reservierten Coupé, das Billet in der Hand. Solch ein Worttausch ist weit häufiger, als man denkt. Besonders auffäl lig etwa bei den Verwandtschaftsbezeichnungen: Der Onkel hat den Oheim ersetzt, die Cousine die Base und wohl niemand würde ernsthaft den Schwiegersohn noch als Eidam bezeich nen. Auch der Hagestolz ist verschwunden, jener eingefleischte ältere Junggeselle, der nicht einmal die Sommerfrische für ein Stelldichein mit einem – zweibeinigen – Backfisch nutzte, selbst wenn er ihm nicht ein Blaustrumpf zu sein dünkte und gar einen Knicks machen würde … Sie merken schon, das klingt alles recht vorgestrig. Wörter machen aber auch Karriere bzw. sinken in der Wer tung. Weib und Dirne waren bekanntlich einst neutrale Be zeichnungen, smart und clever dagegen eher zweifelhafte Ei genschaften mit dem Beigeschmack von windig. Ein schönes
Und wer denkt schon beim Croissant daran, dass er in einen symbolischen Halbmond beißt, den ein Wiener Konditor nach dem Sieg über die Türken 1683 kreiert hat?
Beispiel ist geil: Ursprünglich im Althochdeutschen (ca. 750 bis 1050 n. Chr.) „überschäumend beim Garen“ wurde es im Mittel hochdeutschen (ca. 1050 bis 1350) übertragen auf Charaktereigenschaften wie fröhlich, glücklich, stolz, auch ungestüm und wild. Das verschob sich zu sinnlich, lustvoll, wollüstig und landete schließlich im ein deutig sexuellen Bereich des „So was sagt man nicht“. Die ses Absinken ins Anstößige ist beliebt, auch so verschwinden Wörter aus dem offiziellen Sprachgebrauch. Ernst Bornemanns Grundlagenwerk „Der obszöne Wortschatz der Deutschen. Sex im Volksmund“ bietet dafür eine Fülle von Belegen. Solche Tabubegriffe eignen sich bestens zur Provokation, verlieren aber ihren Reiz, wenn sie Mainstream werden. So wie eben geil, das es über die Jugendsprache bis zu „Geiz ist geil“ und den Edeka-Werbespot „Supergeil“ geschafft hat. Aber dann ist das Wort eben nicht mehr geil, sondern muss mit (falschem) Superlativ – einzigst, optimalst, weitreichendst – oder mög lichst provokanter Begriffsaddition gepimpt werden, siehe: oberaffentittengeil! //
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Porträt
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Sören Seewald Mobiles Denken und Handeln auf stabiler Basis
„Klare Priorisierung auf der Erarbeitung handfester, umsetzungsfähiger Ideen und Konzepte für den Kunden und einem erfolgreichen Projektabschluss,“ lautet sein Credo.
Manchmal erfüllen sich kindliche Berufswünsche schließlich doch noch – wenn auch auf andere Weise als ursprünglich ge dacht. So, wie es auch Sören Seewald gegangen ist. Sein kind heitstypischer Traum, Lokführer zu werden, sollte sich zwar ebenso wenig erfüllen wie der spätere, seine Karriere bei der Kriminalpolizei zu starten. Aber in gewisser Weise ist seine heutige Tätigkeit durchaus mit diesen beiden Berufszielen ver bunden: Denn als Logistikspezialist bei Hans Becker beschäf tigen ihn kniffelige Verkehrs- (und Rangier-) Aufgaben tagtäg lich. Und nicht selten muss er dabei sein ganzes detektivisches Geschick aufbieten, um die für den Kunden optimale Lösung zu erarbeiten. Mit den Schwerpunkten seiner Aufgaben – externe Logistik, nationale und internationale Transportorganisation und -kon zeption sowie Netzwerkplanung und Frachteneinkauf – gibt es da Anlass genug, besondere Fähigkeiten und volles Engage ment einzusetzen – langweilig wird es jedenfalls nie. Dafür kann Sören Seewald umfassende Erfahrungen aus allen Bereichen der professionellen Güterbewegung nutzen. Denn der gelernte Speditionskaufmann bringt nicht nur die
Weiterbildung zum Verkehrsfachwirt und Logistikmaster mit. Sein beruflicher Werdegang bescherte ihm unter anderem 13 Jahre Erfahrung im speditionellen Umfeld, sieben Jahre in der verladenden Wirtschaft und weitere fünf Jahre in der Lo gistikberatung. Und das bei ersten Adressen wie DB Schenker, Rittal oder E.L.V.I.S. Dieses konzentrierte praktische Fachwissen wird bei jedem Auftrag spürbar. Und „die gute Mischung aus Bodenständigkeit und Zukunftsorientierung“, die er an seinem Arbeitgeber schätzt, dürfte auch auf ihn selbst zutreffen. Im merhin steht, auch bedingt durch die Digitalisierung, Logistik heute vor ganz neuen Herausforderungen und ihr Stellenwert hat massiv zugenommen. Auch deshalb sieht Sören Seewald die ungeschriebene Hans-Becker-Philosophie dafür als wich tige Voraussetzung. „Klare Priorisierung auf der Erarbeitung handfester, umset zungsfähiger Ideen und Konzepte für den Kunden und einem erfolgreichen Projektabschluss,“ lautet sein Credo. Doch ebenso spielen die „Soft Facts“ seines Arbeitgebers für ihn eine Rolle: „Ein sehr angenehmes, familiäres Arbeitsumfeld mit flachen Hierarchien und eine flexible, moderne Arbeitsorganisation,
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die meiner Vorstellung von Arbeit optimal entspricht“, betont der systematische Logistiker, der übrigens die meiste Zeit vom Homeoffice aus arbeitet – auch das eine Bestätigung für die angesprochene flexible Organisation. Zu seinen Hobbys zählt Familienmensch Seewald sowohl Frau und Kinder, mit gemeinsamem Kochen und – bei diesem Beruf natürlich – Reisen, als auch die Arbeit im Garten. Die dient dem Mobilitätsprofi nicht nur als Ruhepol und zur Ent spannung, sondern auch immer wieder zur beruflichen Ideen findung. Außerdem bekennt er: „Die Liebe zur Eisenbahn und zu Detektivgeschichten ist geblieben.“ //
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Genuss
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Zu gut für die Tonne!
1. Einkauf planen und gezielt einkaufen – der gute alte Einkaufszettel 2. Lebensmittel richtig lagern – richtige Bedingungen (und Platz!) für die Lagerung schaffen 3. Haltbarkeit prüfen – nicht alleine auf das Mindesthaltbarkeitsdatum achten 4. Beim Kochen Portionen richtig einschätzen – da hilft ein Blick ins Kochbuch bei der Mengenauswahl 5. Reste einfrieren oder weiterverwerten – selbst kleine Mengen können zu neuen Ehren kommen, z. B. übrige Kartoffeln für ein Bauernomelett verwenden
von Christian Aigner
Kochshows, Diätrezepte, gesunde Ernährungstipps und im mer neue Moden, von Paläodiät bis intermittierendem Fas ten – Essen liegt eindeutig im Trend und ist das große Thema. Doch bleibt beim Wettstreit der Kochtöpfe, den Gastro-Ran kings und wechselnden Empfehlungen nicht manchmal das schlichte Glück des Essens auf der Strecke? Und wie steht es dabei um die bewusste Wertschätzung unserer Lebensmittel? Verstellt der Überfluss den Blick aufs Wesentliche?
Aufmerksamkeit für Lebensmittel Warum ist gerade in Deutschland die Wertschätzung gegen über unseren Lebensmitteln so gering? Außer dem Lebens mittelüberfluss und den (zu) niedrigen Preisen nennt Vanessa Löhn in „Ernährung im Fokus“ als Ursachen: • falsche oder zu lange Lagerung, • fehlender Appetit oder fehlende Lust, • die mangelnde Kenntnis, ob Lebensmittel noch genießbar sind, • und nicht zuletzt Fehlplanung beim Einkauf. Im Schnitt werfen alle Haushalte in Deutschland pro Jahr 7,8 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll. Pro Person sind das jährlich immerhin satte 96 Kilogramm! Das ist fast ein Drittel der Einkäufe.
Richtig planen Wenn wir einmal unser eigenes Konsumverhalten auf den Prüf stand stellen, können wir viel verändern. Ein Joghurt, der gleich verzehrt werden soll, braucht kein langes Haltbarkeitsdatum. Für Semmelknödel eignen sich die Brötchen vom Vortag her vorragend. Die meisten Lebensmittel haben auch nach dem gesetzlichen MHD keine Qualitätseinbußen …
Mir haben diese Ratschläge geholfen, meine Reste besser ein zusetzen, statt sie in die Tonne zu geben, und (Genuss-)be wusster zu kochen.
Wiederentdeckungen Frühere Generationen wussten sehr gut, wie sich mit Resten noch bekömmliche und durchaus schmackhafte Mahlzeiten zubereiten lassen. Das ist durch das Überangebot an leicht verfügbaren Köstlichkeiten in Vergessenheit geraten. Haben Sie sich auch schon gefragt, warum man die Knolle des Kohlrabis isst, aber die Blätter nicht? Meine Großmutter hatte mir empfohlen, die jungen Blätter zum Würzen des Kohl rabi-Gemüses aufzuheben. Immer öfter frage ich mich in letz ter Zeit, warum ich die größeren Blätter wegwerfe und nur die jungen zarten verwende. Interessant, dass wir von den Groß eltern angewendetes Wissen über die Feldfrüchte heute wie derentdecken und weiterentwickeln.
Neue Genüsse Das Blog „Leaf-to-Root.com“ von Esther Kern, einer Schweizer Autorin und Gastrokritikerin, gibt viele Anregungen und Er kenntnisse über die ungeliebten Stücke des Gemüses. Ganz nebenbei erhält der Leser auch Rezeptideen. Auch das vielfach ausgezeichnete, appetitanregendes Kochbuch „Leaf to Root“, das sie gemeinsam mit Pascal Haag und Sylvan Müller zusam mengestellt hat, gibt vielfältige Rezeptideen zu bisher verpön ten Gemüseteilen. Die sogenannten Second Cuts, wie Karotten kraut, Brokkolistrunk und Kohlrabi- oder Radieschenblätter er öffnen ganz neue Genusshorizonte und Geschmacksvarianten. Probieren Sie die schmackhafte „Resteverwertung“ doch ein mal selber aus! Vielleicht kommen Sie auf den Geschmack. //
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60 g Gurkenschalen 5 Limetten, ausgepresst 10 g Ingwer, gehackt 80 g Kristallzucker Eis zum Servieren
Gurkenschalen Limonade mit Ingwer Drink für 4 Personen
Die Gurkenschalen mit dem Limettensaft und 350 ml Wasser mischen. Über Nacht zugedeckt im Kühlschrank durchziehen lassen. Am nächsten Tag den Ingwer mit dem Zucker und 350 ml Wasser mischen, aufkochen und 10 bis 15 Minuten bei geringer Hitze ziehen lassen. Die Flüssigkeit auskühlen lassen und danach zum Limetten-Gurken-Wasser gießen. Die Limonade im Standmixer pürieren (nicht alles auf einmal, damit die Gurken schale gut gemixt wird) und durch ein Sieb passieren. Die Limonade kühl stellen. Mit Eis servieren.
Fotografie © Sylvan Müller, AT Verlag / www.at-verlag.ch www.leaf-to-root.com
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auch das noch!
DENKRAUM Sommer 2018
„Wenn du etwas zwei Jahre lang gemacht hast, betrachte es sorgfältig! Wenn du etwas fünf Jahre lang gemacht hast, betrachte es misstrauisch! Wenn du etwas zehn Jahre lang gemacht hast, mache es anders!“ Mahatma Gandhi
zu 95 % Prognose
„Wenn ein renommierter, aber älterer Wissenschaftler behauptet, dass etwas möglich sein könnte, dann hat er fast immer recht. Wenn der gleiche ältere Wissen schaftler dagegen behauptet, dass etwas unmöglich sei, dann liegt er sehr wahrscheinlich falsch.“ Arthur C. Clarke, britischer Physiker und ScienceFiction-Autor
intern
Managed Service by Hans Becker Die Situation in den deutschen Unternehmen spitzte sich in den letzten Monaten noch einmal deutlich zu. Aufgrund zum Teil gravierender Kapazitätsengpässe können dringende Projekte und Ausschreibungen im indirekten Einkauf häufig nicht umgesetzt werden. Mit unserem „Managed Service“ unterstützen wir nun bereits seit zwei Jahren verstärkt unsere Kunden, um schnell und professionell diese Anforderungen zu bearbeiten. Als externe Einkäufer auf Zeit bearbeiten wir diese Einzelthemen schnell und unkompliziert. www.hansbeckergmbh.de
o t müll Upcycling
Die Dinge, die bei Lockengelöt landen, gehen nicht den üblichen Weg aller Dinge, sondern dürfen noch einmal in veränderter Form und neuer Funktion brillieren. Das Ölfass als Schrank, die Schallplatte als Rollenhalter oder das Buch als Garderobe. www.lockengeloet.com oder analog in der Marktstr. 114 in Hamburg
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DENKRAUM Sommer 2018
„Des hama ja no nia so gmacht ! “
– die Anziehung des Bestehenden Für den Fall, dass Sie bei den ganzen Veränderungen Ihres Alltags auch einmal passen wollen, hier die Anleitung zur Un-Veränderung.
von Florian Steinkohl
Der Mensch ist bekanntlich ein „Gewohnheitstier“. Und das sind wir weit häufiger, als wir selbst glauben. Ein Beispiel? Sie putzen täglich Ihre Zähne mehrmals mit der gleichen, geübten Hand. Ändern Sie das doch mal. Es fühlt sich doch ungewohnt und komisch an – richtig? Und das aus gutem Grund – denn gewohnte Abläufe, die für uns zur Routine geworden sind, be nötigen weniger Aufmerksamkeit und geistige Energie. Bildlich gesprochen sind wir bei solchen Aufgaben im Gehirn-Energie sparmodus und können uns wirklich auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren. Wenn Sie gerade beruflich und privat mit zu vielen Verän derungen konfrontiert sind, dann rate ich Ihnen, erst mal Ruhe zu bewahren und nicht vorschnell von der bewährten Routine abzuweichen. In Bayern ist mit Ruhe bekanntlich nicht nur die akustische Lärmvermeidung gemeint, sondern vielmehr das einfache „Nichtstun“. Zugegeben, solch eine positive Eigen schaft muss auch gelernt sein. Aber mit dieser stoischen Ruhe bewältigen Sie vielfältige Veränderungen einfach durch konse quentes Aussitzen. Denn viele Probleme lösen sich bekanntlich von alleine, man muss nur die Geduld dazu aufbringen. Um je doch diese Geduld und Ruhe bewahren zu können, benötigen Sie auch die passenden Werkzeuge und Argumente, um all den „Change-Managern“ oder „Change-Leadern“ richtig begegnen zu können. Bei einigen reicht schon eine einfache Blockade mit „Das haben wir noch nie so gemacht“ oder „Schade, aber da bin ich der falsche Ansprechpartner“. Sollte das für den An fang noch nicht genügen, ist die Strategie des vermeintlichen Interesses auch von Vorteil, etwa: „Das klingt interessant, das prüfe ich gerne und melde mich wieder bei Ihnen.“
Natürlich ist damit die Arbeit noch nicht getan. Denn wenn Sie einer Veränderung clever aus dem Weg gehen wollen, müssen Sie auch einen gewissen Aufwand in die Zerstreuung der Ver änderungsbemühungen investieren. Suchen Sie Argumente und Risiken, die sehr gut für das Verbleiben im Status quo sprechen. Keine Angst – auch kleine Argumente können mit et was Kreativität auf ein beachtliches Niveau „gepimpt“ werden. Nutzen Sie den nächsten Zugang zum Flurfunk, also Raucherund Kaffeepausen, um diese – natürlich streng vertraulich – in den Umlauf zu bringen. Etwa so: „Hast du das auch schon gehört? Nein? Noch nicht, also von mir hast du es nicht, pass auf, es ist wirklich der Hammer …“ Damit haben Sie schon mal gute Grundlagen geschaffen, um viele Projektbeteiligte zu verunsichern. Gehen Sie jetzt verstärkt vor und schreiben Sie E-Mails mit einem langen CCVerteiler, um Ihre Fragen und Bedenken allen Teilnehmern mit zuteilen. Je mehr Sie einladen, umso größer wird die Arbeit für die „Change-Agents“. Jetzt bitte aufpassen – halten Sie durch. Sie werden mindestens noch drei Mal aufgefordert, Ihre Mei nung zu überdenken und sich am Veränderungsprozess po sitiv zu beteiligen. Das sollten Sie natürlich nicht tun. Bleiben Sie bei Ihren Meinungen und verstärken Sie diese noch – wich tig – meiden Sie den direkten Kontakt und schreiben Sie Ihre E-Mails mit großem Verteiler. Wenn Sie das so weit geschafft haben, sind die Chancen sehr groß, dass Sie vor weiteren Veränderungen verschont bleiben. Sollten die Veränderungen tatsächlich nicht umge setzt werden können, haben Sie zusätzlich den Vorteil, sich als Kollege mit Weitblick darzustellen. Sie hatten es ja schon früh kommen sehen … Hinweis: Zu Risiken und Nebenwirkungen dieses Vorgehens fragen Sie bitte nicht Hans Becker, sondern sich selbst: Lohnt sich der Aufwand? //
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Vorschau
Impressum
In der nächsten DENKRAUM-Ausgabe lesen Sie:
GLANZ ODER ELEN
Herausgeber: Hans Becker GmbH Keltenring 11 82041 Oberhaching Tel. +49 (0)89 / 66 65 83-0 info@hansbeckergmbh.de www.hansbeckergmbh.de
D:
WETTBEWERB
Chefredaktion: Anja Rössel Tel. +49 (0)89 / 66 65 83-26 a.roessel@hansbeckergmbh.de
Höher, weiter, schneller? Das Ringen um die bessere Position, mehr Leistung, eine höhere Qualifizierung und größere Anerkennung bewegt uns – in Beruf, Sport, Wirtschaft und Politik. Erfolg und Anerkennung sind willkommene Belohnungen, doch für den Verlierer kann es existenzbedrohend werden. Wettbewerb, Wettkampf, Wettstreit? Wettstreit Mensch kontra Maschine
Autoren dieser Ausgabe: Christian Aigner, Hans Becker, Herbert Lechner, Anja Rössel, Florian Steinkohl, Silvia Stoll, Franz Tramberger Lektorat: Susanne Schneider Gestaltung: Freie Kreatur, Ebersberg Petra Winkelmeier, Andreas Mitterer www.freiekreatur.de
„Survival of the Fittest“?
Druck: Bayern Print GmbH, Augsburg
Fairness – das Spiel braucht Regeln
Bildnachweis: Titel 1: ©FrMorrison /Wikimedia; Titel 2: ©StanOd/fotolia.de (2); S. 4: ©Architektur-Bildarchiv/Thomas Robbin; S. 5: ©Thorsten Jochim /Hans Becker GmbH; S. 6: ©matiasdelcarmine/fotolia.de, ©Messe Stuttgart, ©Hans Becker GmbH, ©Constantia Flexibles; S. 8/9: ©Hans Blossey/ Alamy Stock Photo; S. 10–12: ©Sarah Illenberger (3); S. 13: ©Alexander Limbach/fotolia.de; S. 14: ©matiasdelcarmine/fotolia.de; S. 15: ©robu_s/ fotolia.de; S. 19: ©Phil Daub/fotolia. de; S. 21/22: ©Constantia Flexibles (4); S. 23–25: Grafiken: ©Freie Kreatur, ©mtzsv/fotolia.de, ©pp_scout/fotolia. de, ©Marc/fotolia.de, ©sergey89rus/ fotolia.de, ©insima/fotolia.de; S. 26/27: ©pixabay; S. 29: ©Messe Stuttgart (4); S. 31: ©Manuel Adorf/ fotolia.de, ©Jiri Hera/fotolia.de, ©pressmaster/fotolia.de, ©Blickfang/ fotolia.de, ©akg-images (Konstantinopel), ©elzloy/fotolia.de, ©Boris Stroujko/fotolia.de, ©bradleyvdw/ fotolia.de, ©Vladislav Gajic/fotolia.de; S. 32/33: ©scusi/fotolia.de, ©Hans Becker GmbH; S. 34: ©Janis Abolins/ fotolia.de; S. 35: ©Sylvan Müller, AT Verlag/www.at-verlag.ch; S. 36: ©lockengeloet.com, ; S. 37: ©Granger Historical Picture Archive/Alamy Stock Photo; S. 39: ©colonga/fotolia. de; S. 40: ©snyGGG/fotolia.de
Segensreicher Wettbewerb
Ausgabe 7 des UM Magazins DENKRA 2019 ng fa An t in he sc er
Vom Reiz und Risiko der Rankings
Porträt Die Hans Becker GmbH Als inhabergeführtes Unternehmen hat sich Hans Becker seit über 25 Jahren auf die Op timierung des strategischen indirekten Ein kaufs sowie alle damit verbundenen Prozesse spezialisiert. Seit 1992 beobachtet Hans Becker die rele vanten Märkte und verfügt über fundierte Er fahrungen in Industrie, Handel, Banken, Ver sicherungen und vielen anderen Branchen. Über 450 Klienten konnten bereits von dem Spezialwissen der Hans-Becker-Experten profitieren und dadurch ihre Effizienz stei gern. Methoden- und Umsetzungskompe tenz sind bis heute ein Markenzeichen von Hans Becker.
Neben der Durchführung von reinen Kosten senkungsprojekten bzw. strategischen Opti mierungsprojekten in einem klar definierten Zeitrahmen übernimmt Hans Becker für die Auftraggeber den kompletten oder auch teil weisen strategischen Einkauf von Gütern und Dienstleistungen. Hierzu gehören auch das Coaching von Mitarbeitern im Einkauf sowie die nachhaltige und langfristige Qualitätskon trolle in den untersuchten Bereichen. Verschie dene Onlineangebote runden das Portfolio ab und unterstützen die Klienten punktuell.
HANS BECKER Effizient Einkaufen
Erscheinungsweise: halbjährlich Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit nicht gehaftet werden. Nachdruck und Verwendung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.
B E S S E R E
Nächstes Mal im DENKRAUM:
M Ö GD E E R
G E W I N N E N !
Das Einsparpotenzial im indirekten Einkauf liegt im Durchschnitt bei
14 %
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*Gem. Studie: Die Bedeutung des strategischen indirekten Einkaufs – Potenziale und Implementierungskonzepte; Technische Universität München; K. Gegg, M. Gronover, A. Weiß, B. Ströbele, M. Sc.; 2015
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HANS BECKER Effizient Einkaufen Hans Becker GmbH Keltenring 11 82041 Oberhaching Telefon +49 (0) 89 / 66 65 83-0 Telefax +49 (0) 89 / 66 65 83-12 info@hansbeckergmbh.de www.hansbeckergmbh.de Hans Becker GmbH I Büro Österreich Lindenweg 1 3353 Seitenstetten Telefon +43 (0) 7477 / 2 08 02 Telefax +43 (0) 7477 / 2 08 02-30 f.tramberger@hansbeckergmbh.at www.hansbeckergmbh.at