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Magazin f端r Kommunikation und synaptische Markenf端hrung

1 . 2011 ISSN 1613-3501 8 Euro

www.raumbrand.de Schwerpunkt

ERFOLG BIG Architecture Synaptic Branding Mythos Lamborghini


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Medienbr端cke

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Quer

Kommunikation mit spektakulärem Weitblick: Ein Hochhaus horizontal als architektonisches Highlight und sowohl Impulsgeber als auch idealer Standort für Kreative: Die Medienbrücke präsentiert sich als spektakuläres Bauwerk, das richtungsweisend für Münchens neuen Stadtteil „Rund um den Ostbahnhof“ ist. Das Gebäude mit hochwertigen Loft-Büros wurde von dem renommierten Münchner Architekturbüro Steidle entworfen und ragt auf zwei Säulen in die Höhe. Es schwebt über dem Media Works Munich Areal. Alle Flächen garantieren einen herrlichen Weitblick über München bis zum Alpenraum. Mit diesem futuristischen Gebäude ist München um eine starke Attraktion reicher – und adäquate Adresse für raumbrand – synaptic branding  .  Seite 22

Foto: © Stefan Müller-Naumann / Steidle Architekten

siehe auch den Bericht über  Synaptic Branding

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Medienbrücke

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Inhalt

Ausgabe 1_11 Schwerpunkt

Erfolg

4|7|8 Erfolg?

Erfolg?

Fotos: © NOMOS Glashütte; © Walter Knoll; © BMW; © Gläserne Manufaktur Dresden; © Lamborghini; Ingenhoven Architects / © H. G. Esch; BIG / © Stange; Nils Holger Moormann / © Jäger & Jäger

„Erfolg hat viele Väter“. Das weiß jeder; doch am Ende kann es nur einer gewesen sein. Formulieren wir diese Plattitüde ein wenig um und nennen es lieber „Erfolg trägt viele Namen“. Und die kennt man hinreichend: Apple, Porsche, Range Rover, aber auch Nomos und die Bionade. Barack Obama, John F. Kennedy, Helmut Schmidt, dazu Joschka Fischer und Alice Schwarzer, Norman Foster, Meinhard von Gerkan, Frank O. Gehry und Rem Koolhaas. Aber auch der deutsche Gartenzwerg ist ein Erfolgsmodell. Erfolg ist wie eine Schimäre oder wie Bänkelsänger Freddie Quinn einst räsonierte, „nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern“. Dabei war er mit seinem Leben der Gegenbeweis. Als Definition von Erfolg gilt ganz einfach das „positive Ergebnis einer Bemühung“. Damit sind Anerkennung und meist Durchbruch auf dem erfolgreichen Weg ins Leben gegeben. Erfolg – das sind die vier großen G: Gedeihen, Gelingen, Gewinn, Glück. Erfolg paart sich ganz konsequenterweise mit Macht, Einfluss und Entscheidungsgewalt. Superlative oder summa cum laude sind die entsprechenden Attribute. Und es kommt noch besser: Erfolg ist objektiv messbar – in Kurven, in Tabellen, in Bilanzen. Der Homo oeconomicus braucht das so, denn es verleiht ihm Sicherheit. Über diesen objektiven Erfolg kann man streiten oder auch nicht; er gilt für Unternehmen, für Pro-

Fotos: © NOMOS Glashütte; © Walter Knoll; © BMW; © Gläserne Manufaktur Dresden; © Lamborghini; Ingenhoven Architects / © H.G. Esch; BIG / © Stange; Nils Holger Moormann / © Jäger&Jäger

„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“

Zur Munich Creative Business Week (MCBW) und zur iF design award night in der BMW Welt München am 10. Februar 2012 siehe Seite 68.

Oben: Erfolgsträger Ingenhoven Architects, die weltweit führende Innovations- und Kreativschmiede in Düsseldorf, die sich für nachhaltige und ökologisch orientierte Architektur einsetzt. Unten: Erfolgsträger Bjarke Ingels Group, Newcomer der internationalen Architekturszene. Ebenso unkonventionell wie das Büro ist ihre Arbeit, die gewohnte Grundmuster herausfordert und bessere Lösungen verspricht. Seite 58.

benötigt man Ideen und Nachfrage. Leider wissen das auch die Konkurrenten, und deshalb kommt es auf das kleine Extra beim Produkt an, nach dem Motto, „was kann Ihre Katze, was die anderen nicht können?“ Sie wissen, lieber Leser, dass raumbrand sich genau darum kümmert und sich leidenschaftlich so genannten dreidimensionalen Markenwelten verschrieben hat, die ganz besonders sind. Sie zu hofieren und durch das Dickicht des Alltags zu chauffieren – raumbrand schafft Raum für neue Ideen und gibt Anstöße. Für den Erfolg müssen Sie selbst sorgen, aber die Spuren sichtbar zu machen, die dazu führen – dabei können wir helfen. Eine führt zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Andy Warhol (1928 – 1987) seine Kunst dem Alltag entliehen hat. Als gelernter Werbegrafiker hat er aus Werbung Kunst gemacht und mit Kunst Werbung: Artefakt wörtlich genommen. Dieser Warhol nannte die Ästhetik unserer Tage Erfolg. Aber der Erfolg darf auch eine gewisse Ästhetik behalten. Bezogen auf Autos, Möbel und andere gut gemachte Produkte wie das iPhone bedeutet es wohl, dass Quantitätserfolge der hohen Verkaufszahlen allein nicht ausreichen. Was kann ihre Katze, und wie schön und elegant bewegt sie sich dabei? Wertig ist ein Erfolgswort dieser Tage, und häufig ist es heute so, dass der Wert einer Wohnung nicht allein durch Lage und Nutzungsqualität sich definieren lässt, sondern als zusätzlicher Anzeiger des Erfolges gehören schöner Marmor in die Küche und edle Hölzer auf den Boden. Und

schlägt

Raab!

„Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen!“ (Sprichwort aus Frankreich) Der kleine Leitfaden für die Führerscheinprüfung mit dem Thema persönlicher Erfolg beginnt mit der Zieldefinition. Denn auf dem Marsch zum Erfolg ist diesmal der Weg nicht das Ziel (allein), denn ohne klare Absichten hat man die Lufthoheit schon verloren, bevor

es losgeht, und man gleicht jenen trotteligen Taxipassagieren aus tiefgründigen Filmen im Spätprogramm, die ins Auto steigen „fahren Sie los!“ schreien und viel Geld los werden, um am Ende wieder dort auszusteigen, wo sie eingestiegen waren. Um sein persönliches Lebensziel zu erreichen, sollte man es kennen. Beim Mangel an Kenntnis der genauen Ziele ist das Scheitern vorgegeben. Wir nennen das dann Misserfolg. Erfolg ist also eine Sache der Planung, Kenntnis und – wenn es den subjektiven Erfolg betrifft – der Selbsteinschätzung. Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen, heißt es in Frankreich, das gilt aber auch diesseits des Rheins. Zu viel erhöht den Adrenalinspiegel, möglicherweise treibt es auch den Sympathikus an, der den Muskeltonus beschleunigt. Wenn der Parasympathikus der Meister des Verfahrens bleibt, dann geht es uns gut, dann ist man entspannt. Wie man das erreicht? Man vermeidet die Selbstüberforderung. Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, dass er sich die symbolische Latte, die es zu überspringen gilt, zu hoch gelegt und gerissen hat, wobei dann das Erfolgserlebnis natürlich ausbleibt. Und genau dort liegt der symbolische Hase begraben oder anders gesagt, der objektive Erfolg ist nicht identisch mit dem subjektiven. Jeder muss für sich allein die Sprunghöhe herausfinden, die eine Herausforderung bleibt, aber auch machbar

Rechts: Erfolgsträger Walter Knoll, international führender Hersteller wertiger Polstermöbel und anspruchsvoller Objekteinrichtungen.

raumbrand: Worauf führen Sie den großartigen Erfolg von ligne roset in der Welt und in Deutschland zurück? Patrice Bert: Es gibt mehrere Gründe, denn der Erfolg gehört der konsequenten Mischung aus machbarer Designinnovation, einer konsequenten Markenkommunikation und einem entsprechendem Markenvertriebsnetz aus ligne roset-Brand Shops. Durch dieses weltweit ausgerichtete Netz unterscheiden wir uns beispielsweise stark von unseren Mitbewerbern, beispielsweise aus Italien. raumbrand: Was war der größte Produkterfolg von ligne roset und warum? Bert: Es waren viele Produkte erfolgreich bei

Schwerpunkt Erfolg

Man kann von den großen Brands tatsächlich viel lernen, wie von den Autoherstellern. Schon vor Jahren gab Volkswagen seiner neuen Fabrik für ihre Spitzenprodukte das Image einer Manufaktur, allerdings war das früher in Werkstätten übliche Klötzchenparkett hier eher vergleichbar mit einem Edelfußboden in einer Werbeagentur. Sei es, wie es sei – auch wenn einer der gebauten Protagonisten dort später im Konkurrenzkampf mit etablierten Luxuskarossen noch lernen musste, wie hart es ist, Erfolg zu haben – die Gläserne Manu-

uns, aber die meisten draußen sprechen immer von Togo. Der Entwurf von Michel Ducaroy stammt aus den 1970er-Jahren, also aus jener Zeit, die einem freien Lebensstil huldigte. Die freien Formen von Togo ließen zu, dass sie (die Revolution von Togo) nach wie vor gültig und seit Jahren bis heute Grundlage für eine in der Branche beispiellose Kreativität ist, die ihren Ausdruck in außergewöhnlichen Produktentwicklungen wie z. B. dem letzten Sofa Ploum von Ronan und Erwan Bouroullec findet.

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Oben: Erfolgsträger Volkswagen, mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden (Henn Architekten) wurde erstmals ein Produktionskonzept realisiert, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion und manufakturartiges Arbeiten miteinander verknüpft: Hier werden Oberklassenlimousinen in Handarbeit montiert. Unten: Erfolgsträger Lamborghini, das Design, die Montage und die Produktion der Lamborghini-Modelle finden ausschließlich am Standort von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese statt (s. a. Seite 32).

raumbrand: Wie definieren Sie für sich persönlich Erfolg? Bert: Erfolg ist das Ergebnis einer Idee und von vielen, vielen folgenden Anstrengungen. Und dieser Erfolg ist immer nur vorläufig und muss immer wieder in Frage gestellt und ausgeweitet werden.

Schwerpunkt Erfolg

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formvorhaben, denn sie streben eine bessere Welt an. Sie wollen dabei selbst ein gutes Vorbild geben. Ästheten sehen im Erfolg einen unverwechselbaren Stil, Esprit und Eleganz und schätzen den Applaus des Publikums sehr (natürlich keines beliebigen), er stillt ihren Hunger nach Anerkennung. Sie entwickeln in emotionalen Extremsituationen eine besondere Präsenz und Schaffenskraft. Ihr Erfolgsmotto: Sei du selbst! Beobachter verstehen es als Erfolg, wie ein Schachspieler am Brett ihre von langer Hand geplanten strategischen Manöver aufgehen zu sehen. Ihr Erfolgsmotto: Es geht nichts über eine kluge und ökonomische Strategie! Optimisten messen Erfolg daran, wie viel Spaß sie bei einer Sache haben. Erfolg ist für sie die Freiheit, das zu tun und sich zu leisten, was sie gerne möchten. Erfolgsgefühle stellen sich auch ein, wenn eine ihrer zahlreichen guten Ideen ins Laufen kommt. Auch ihre besondere Fähigkeit, Menschen und Ideen miteinander zu verbinden und zu vernetzen, empfinden sie als Erfolg. Optimisten lassen sich nicht unterkriegen, und wenn sie doch mal hinfallen, dann stehen sie wie ein Stehaufmännchen wieder auf.

Oben: Erfolgsträger Nils Holger Moormann, seit 1992 ist die Firma in die Idylle des oberbayerischen Aschau im Chiemgau eingebettet. Inmitten der Alpen wird versucht, alles von in der Nähe ansässigen Betrieben fertigen zu lassen. Da ein großer Teil der Produkte außer Haus hergestellt wird, erhält sich die Firma ein hohes Maß an Flexibilität und eine größere Produktionstiefe. Die gewachsenen, regionalen Strukturen gepaart mit internationalen Kontakten kennzeichnen die Firmenphilosophie. Die Möbelkollektion, deren Produkte mit vielen internationalen Designpreisen ausgezeichnet wurden, wird ständig um neue Möbel- und Produktlinien erweitert.

Aufgeschnappt und inspiriert von Jürgen Werner und Ulf Tödter: Erfolgsfaktor Menschenkenntnis (http://www.cornelsen.de/ sbk/1.c.1189445.de) mit „neun Definitionen des Erfolgs“

Schwerpunkt Erfolg

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„Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen!“ (Sprichwort aus Frankreich) Der kleine Leitfaden für die Führerscheinprüfung mit dem Thema persönlicher Erfolg beginnt mit der Zieldefinition. Denn auf dem Marsch zum Erfolg ist diesmal der Weg nicht das Ziel (allein), denn ohne klare Absichten hat man die Lufthoheit schon verloren, bevor

Oben: Erfolgsträger BMW, exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege oft von Tausendstelsekunden abhängen. Hier wird der Viererbob-Prototyp im Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren geprüft – die Suche nach der Tausendstelsekunde.

ist. Die Belohnung heißt Erfolgserlebnis; und sind viele kleine davon nicht mehr als ein großes, das zu selten eintritt? Carpe diem – dieses alte Rezept, die etwa 8760 Stunden und Millionen von Momenten eines Jahres spontan und sinnvoll zu gestalten und nicht mit hausgemachtem Druck zu vernichten, heißt, den langen Weg zum Erfolg anständig zu nutzen. Auf diese Weise ist dann ganz subjektiv auch der Weg zum Ziel komfortabel. Den Moment zu nutzen, bringt eine Kette gefühlter Erfolge. Manch einer sagt auch Glücksmomente dazu. Und Glück – wir erinnern uns – ist eines der großen G. Und in einem solchen Glücksmoment darf man dann doch einmal auch die Latte ein bisschen höher legen lassen, und dann klappt es auch mit dem Superlativ. Nur – man weiß vorher nie genau wann, ja wann, das eintrifft. Erfolg zu haben und zu wollen, ist also mehr als eine rechnerische Angelegenheit der Zahlen und Statistiken, es könnte der Schlüssel zu einem befriedigten Leben sein. Und das wünscht sich jeder.

„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“ (Andy Warhol)

Erfolgsgeschichten aus deutschen Landen – herausragende Kampagnen, erfolgreiche Akteure und zukunftsweisende Arbeiten der Kommunikation, raumbrand beleuchtet die Professionalisierung der Kommunikation erfolgreicher Hidden Champions.

Akkubetriebene Rasenwalzen, Pflanzenöl-Trekkingkocher, motorisierte Elektro-Sportrad-Inlineskates oder als mobile Sitzgelegenheit verwendbare Reisekoffer – die vergangenes Jahr auf der Nürnberger Fachmesse „Ideen– Erfindungen–Neuheiten“ (IENA) präsentierten Neuheiten zeigen, dass hierzulande leidenschaftlich gern gebastelt, erfunden, getüftelt und quergedacht wird. Zu den Teilnehmern der weltgrößten Messe ihrer Art zählten die „Daniel Düsentriebs“ aus 19 Ländern ebenso wie jugendliche Hobby-Erfinder und junge Start-up-Unternehmen, die mit ihren pfiffigen Ideen oder marktreif entwickelten Produkten einen vielversprechenden Blick auf das kreative Potenzial der Zukunft erlaubten. Das Rad neu zu erfinden, stand dabei keineswegs im Mittelpunkt. Stattdessen ging es in den meisten Fällen darum, Vorgefundenes mithilfe neuer Technologien oder Materialien weiterzuentwickeln und gezielt an veränderte Bedürfnisse anzupassen – ganz in der Tradition vieler weltberühmter Deutscher, die mit ihren Produkten Geschichte schrieben. Dazu zählen Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel ebenso wie Arthur Fischer, der bis Ende 2008 über 1.000 Patente und Gebrauchsmuster anmeldete und damit als einer der weltweit erfolgreichsten Erfinder gilt. Er bestückte Bohrlöcher als erster mit kleinen Kunststoffspreizdübeln statt mit blutgetränkten Stofffetzen oder Holzkeilen, um Gegenstände dauerhaft und stabil an Wänden zu befestigen. Dieser Artikel ließe sich problemlos mit der bloßen Aufzählung prominenter „Innovatoren“ und ihrer Weltneuheiten „Made in Germany“ füllen – von Martin Luther (Reformation), Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Otto Hahn (Kernspaltung) bis hin zu Adolf Dassler (SchraubstollenFußballschuhe). Doch selbst dann müssten zahlreiche „Hidden Champions“ unberücksichtigt bleiben, deren Geschichte und Geschichten zwar im Allgemeinen weniger bekannt sind, deren Innovationen dafür aber umso größere Auswirkungen auf das Weltgeschehen oder die Lebensumwelt der Menschen hatten. Bei diesen Innovatio-

nen handelt es sich nicht selten um wenig spektakuläre Dinge des Alltags – wie etwa Einkaufswagen, die die Menschen zwar täglich in Supermärkten vor sich herschieben, die aber selten bewusst wahrgenommen werden. So ist längst nicht jedem Konsument bekannt, dass das Leipheimer Unternehmen Wanzl unangefochtener Weltmarktführer für Einkaufswagen und -körbe ist und jährlich knapp zwei Millionen Exemplare an Handelsketten in aller Welt verkauft.

bieten kann: „Wir sind ein reines Familienunternehmen, wir haben nicht den Druck von Aktionären im Genick.“

Chancen erkennen und nutzen Dass sich aus einer im Jahr 1918 gegründeten Schlosserei ein Weltkonzern mit 3.500 Mitarbeitern entwickelte, hat nicht zuletzt mit dem Weitblick zweier Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. 1948 erkennen Rudolf Wanzl jun. und Rudolf Wanzl sen. in der beauftragten Produktion handgefertigter Einkaufskörbe für ein Augsburger Pilotprojekt eines Selbstbedienungsmarktes ihre Chance. Und so begannen sie 1950, gut zehn Jahre vor dem Siegeszug von Aldi & Co, mit der Fertigung eines Gitterkorbs mit Klappbügel. Nur ein Jahr später folgte das Patent auf den ersten Einkaufswagen mit festem Korb („Concentra“) – ein Modell, das den Menschen noch heute in jedem Supermarkt der Welt vertraut erscheinen würde. Inzwischen unterhält das Familienunternehmen Wanzl Fertigungsbetriebe und Niederlassungen in ganz Europa und anderen internationalen Standorten. Am ursprünglichen Grundsatz, sich mit den Fragen von morgen zu beschäftigen, um die Antworten von heute zu finden, hat sich nichts geändert.

Illustration: © Freie Kreatur

Innovationen zum richtigen Zeitpunkt Geprägt vom Ölschock der 1970er-Jahre, dem Wissen um die Endlichkeit von Kohle, Öl und Uran und zu einer Zeit, als Windräder noch in erster Linie Assoziationen an holländische Windmühlen weckten, gründete der damals 32-jährige Aloys Wobben im Jahr 1984 den Windenergieanlagenhersteller „Enercon“. Weil sich seine Werkstät-

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Qualität als Schlüsselfaktor

10 Erfolg?

Reflex

von Dirk Meyhöfer

dukte, für Systeme und Strukturen. Man kann ihn als Autopiloten durch das wirtschaftliche Leben gebrauchen. Immer sind dabei Zahlen und Zensuren im ernsten Spiel. Länger, weiter, höher lautet das inoffizielle Motto der größten Sportveranstaltung der Welt, den Olympischen Spielen. Erfolg ist objektiv, persönlichen Erfolg zu erzielen, ist schwieriger. Dann wird der Erfolg subjektiver, emotionaler und damit kompliziert. Wenn man als WikiLeaks erfolgreich sein kann, hat das auch etwas Subversives. Mehr noch – Erfolg ist ambivalent und manchmal das genaue Gegenteil von dem, was erwartet war. Es gibt den alternativen Nobelpreis und alternative Festivals. Dort kann man auch sehr erfolgreich sein. Manchmal bleibt der Erfolg für die Öffentlichkeit auch unsichtbar – für die anderen. Albert Einstein würde es gefallen.

Links: Erfolgsträger NOMOS Glashütte, eine von wenigen Uhren-Manufakturen weltweit (siehe auch Seite 44).

die teure Designer-Badewanne einer Eigentumswohnung von Philippe Starck wird schon während der Bauphase zum Verkaufsargument auf dem Bauschild. Auch der BilbaoEffekt und die daraus resultierende Signature Architecture deuten an, dass Erfolg und Ästhetik miteinander zu tun haben. Manchmal fragt man sich aber wie bei der Henne und dem Ei: War es die Ästhetik des iPhones, die den Erfolg nach sich zog, oder hat die Aura der erfolgreichen Marke im Nachhinein das Produkt geadelt?

Drei Fragen an Patrice Bert seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Roset Möbel GmbH, Gundelfingen

Wer ist eigentlich ein ERFOLGSTYP? Es gibt viele davon, einige stellen wir hier vor. Und wer sind Sie? Wem fühlen Sie sich verbunden? Wir verraten es niemandem … Der typische Erfolgsmensch ist zielorientiert, leistungs- und wettbewerbsbereit. Erfolgsmenschen achten sehr auf ein gutes Aussehen und ein professionelles Image. Erfolgsmenschen haben einen guten Riecher für Erfolg versprechende Ideen oder Projekte und setzen alle Hebel in Bewegung, um damit auch Geld zu verdienen. Ihr Erfolgsmotto: Schneller und besser sein als die Konkurrenz. Kämpfer stehen am liebsten oben in der Hierarchie und verfügen über ein enorm starkes Durchsetzungsvermögen. Was andere über sie denken, interessiert sie nicht so sehr, es sei denn, es handelt sich um Freunde oder Vertraute. Wenn es sein muss, treten Kämpfer auch allein gegen alle an – viel Feind viel Ehr. Ihr Erfolgsmotto: Mein Wille geschehe! Vermittler verfolgen ihre Ziele mit Geduld und langem Atem. Sie achten darauf, dass um sie herum möglichst alle zu ihrem Recht kommen. Bei ihnen ist das Team der Star und nicht der Einzelne, schon gar nicht sie selbst. Profilneurotiker sind ihnen ein Dorn im Auge. Erfolg zu haben, heißt aus ihrer Sicht auch: Mit Geduld und Spucke … Perfektionisten streben stets nach einer vollkommenen 100-Prozent-Lösung. Mit weniger geben sie sich nur ungern zufrieden. Perfektionisten engagieren sich besonders gern bei Re-

Links: Erfolgsträger NOMOS Glashütte, eine von wenigen Uhren-Manufakturen weltweit (siehe auch Seite 44).

ten zunächst in einem leer stehenden Möbellager im kleinen Ort Aurich, 50 Kilometer westlich von Wilhelmshaven, befanden, wird er wegen seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte gern auch als „Bill Gates von Ostfriesland“ bezeichnet. Nach anfänglichen Kleinaufträgen aus der mit reichlich Wind gesegneten Region orientierte sich der Elektroingenieur rasch ins Ausland und übernahm bereits Mitte der 1990er-Jahre erste Fertigungsstätten in Brasilien. Wobbens beharrlicher Wille zur technischen Weiterentwicklung, etwa durch die Einführung neuartiger getriebeloser Systeme, aber auch der bald darauf einsetzende Boom bei Windkraftanlagen katapultierte Enercon innerhalb weniger Jahre in die Weltliga der Windenergieanlagenhersteller. Basierend auf der installierten Leistung liegt das Unternehmen in Bezug auf Marktanteile europaweit auf Platz zwei, weltweit auf Platz fünf (2009), verfügt über insgesamt 12.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. Seit Firmengründung wurden weltweit mehr als 17.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 22 Gigawatt gebaut.

„Wenn wir nicht ständig daran arbeiten, unser Produkt zu verbessern, sind wir ganz schnell weg vom Fenster“, sagte Aloys Wobben in einem Interview mit dem Greenpeace Magazin und fügte hinzu, dass die Teile „200-mal länger halten müssen als die eines Autos. Es wirken enorme Kräfte darauf ein, und diese Lasten wechseln – je nach Wind – dabei auch noch ständig.“ Nicht zuletzt deshalb legt er – wie im Übrigen auch Rudolf Wanzl – großen Wert darauf, den Großteil der verwendeten Bauteile in eigenen Werken nach eigenen Qualitätsmaßstäben zu fertigen. Während dieser Qualitätsanspruch im Vergleich zu Mitbewerbern oftmals zu höheren Marktpreisen führt, gelang der 2002 gegründeten Sparte „Partec essential healthcare“ des Görlitzer Biotechnologie-Unternehmens Partec der Durchbruch gerade aufgrund ihrer günstigen Preise. Speziell für Entwicklungsländer entwickelten die Forscher besonders einfache, robuste, tragbare, vor allem aber preiswerte und zuverlässige Analysemethoden und -geräte zur Erkennung von HIV-, Tuberkulose- und Malariainfektionen. Allein im Jahr 2008 wurden mit diesen Geräten in der HIV-Immunstatusdiagnostik nach eigenen Angaben „mehr als eine Million Patienten – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern – mit über 2,5 Millionen Tests versorgt“. Dieser Erfolg führte bei der internationalen Konkurrenz, die bis zu diesem Zeitpunkt den Markt unter sich aufteilte, zu empfindlichen Umsatzeinbußen. Die Folge ist ein erbitterter Kampf um Marktanteile vor allem zwischen dem US-amerikanischen Konzern Becton Dickinson (29.000 Mitarbeiter, sieben Milliarden Dollar Umsatz) und dem Familienunternehmen Partec (140 Mitarbeiter, 26 Millionen Euro Umsatz). In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Februar 2011 erläutert der 38 Jahre alte Sohn des Firmengründers und Finalist des von Ernst & Young 2009 ausgelobten Wettbewerbs zum „Entrepreneur des Jahres“, Wolfgang Göhde, warum Partec diese Tests günstiger an-

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Doch zurück zum Alltag und zur Frage, wie geht man als Unternehmen mit dem Erfolg um? Man braucht ihn, um Geld zu verdienen, um Ideen durchzusetzen, um Mitarbeiter zu motivieren und Kunden glücklich zu machen. Um Erfolgsprodukte im Sortiment zu haben,

Rechts: Erfolgsträger Walter Knoll, international führender Hersteller wertiger Polstermöbel und anspruchsvoller Objekteinrichtungen.

16 Erfolgsgeschichten

18 Erfolgsgeschichten

jekte fertig gestellt, das Gesamtbüro besteht in drei Erdteilen aus 600 Mitarbeitern. Der Weg dorthin war steinig und lang. Im Fall des nun eröffneten Chinesischen Nationalmuseums im Peking, dem größten der Welt, mussten von Gerkan Marg und Partner (gmp) sogar heftige Kritik einstecken: „Zu wenig Plüsch, zu wenig ornamental, zu wenig China!“ Nicht immer ist mit westlichem Minimalismus Staat zu machen. Für von Gerkan ist das kein Misserfolg, sondern ein Lern-Erfolg: „Es ist zwar keine typische gmp-Architektur entstanden. Aber ein Abbild der Öffnungsphase in China als Kombination aus Tradition und Aufbruch. Und wir sind dabei!“ Nichts ist eben so alt wie der Erfolg (Misserfolg) von gestern. Daraus ist zu lernen, denn wo stünde heute das unbestrittene Erfolgsunternehmen No. 1, also die Leute mit dem angebissenen Apfel, wenn es in den 1990erJahren nach über zehn Jahren den vormals geschassten Chefdenker, -ideologen und -macher Steve Jobs nicht zurückgeholt hätte. Was Johann Wolfgang von Goethe lange vorher allgemein schon so kommentiert hatte: „Mit rechten Leuten wird man was!“ Dirk Meyhöfer, geb. 1950, ist gelernter Stadtplaner und Architekt. Weil vor mehr als 30 Jahren seine vorauseilenden Ideen für unsere Städte nicht erfolgsgekrönt waren, entschied er sich als Journalist, Autor und Ausstellungsmacher dies nachzuholen. Subjektiv war das eine erfolgreiche Kurskorrektur. Der objektive Erfolg entscheidet sich seit über 30 Jahren jeweils nach jedem geschriebenen Artikel neu.

es losgeht, und man gleicht jenen trotteligen Taxipassagieren aus tiefgründigen Filmen im Spätprogramm, die ins Auto steigen „fahren Sie los!“ schreien und viel Geld los werden, um am Ende wieder dort auszusteigen, wo sie eingestiegen waren. Um sein persönliches Lebensziel zu erreichen, sollte man es kennen. Beim Mangel an Kenntnis der genauen Ziele ist das Scheitern vorgegeben. Wir nennen das dann Misserfolg. Erfolg ist also eine Sache der Planung, Kenntnis und – wenn es den subjektiven Erfolg betrifft – der Selbsteinschätzung. Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen, heißt es in Frankreich, das gilt aber auch diesseits des Rheins. Zu viel erhöht den Adrenalinspiegel, möglicherweise treibt es auch den Sympathikus an, der den Muskeltonus beschleunigt. Wenn der Parasympathikus der Meister des Verfahrens bleibt, dann geht es uns gut, dann ist man entspannt. Wie man das erreicht? Man vermeidet die Selbstüberforderung. Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, dass er sich die symbolische Latte, die es zu überspringen gilt, zu hoch gelegt und gerissen hat, wobei dann das Erfolgserlebnis natürlich ausbleibt. Und genau dort liegt der symbolische Hase begraben oder anders gesagt, der objektive Erfolg ist nicht identisch mit dem subjektiven. Jeder muss für sich allein die Sprunghöhe herausfinden, die eine Herausforderung bleibt, aber auch machbar

siehe auch: Erfolgsgeschichten Seite 16 | raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | Messe-Erfolgsstrategien Seite 78

„Aus dem wird noch mal was!“

Keiner

siehe auch: raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62

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faktur am am Großen Garten in Dresden ist eine gebaute Visitenkarte von Erfolg, ähnlich wie die BMW-Welt in München , die mit ihrer gigantischen „Wolken-Konstruktion“ immer wieder suggeriert, bei BMW ist technisch alles machbar, was denkbar ist.

„Wer oft schießt, trifft endlich!“ (dt. Sprichwort) Erfolg ist manchmal ein Lüftchen, das sich bewegt und sich niemals einfangen lässt. Wer den Erfolg konservieren will, muss genau hinschauen, hart arbeiten, wie Gerry McGovern, Chefdesigner der Erfolgsmarke Landrover, in raumbrand 3/2010 im Interview sagte: „Der neue Evoque entwickelt das Range-RoverDesign mutig weiter, indem er die klassischen Designmerkmale des Range Rover neu interpretiert und dabei treu zu den Markenwerten steht.“ Schon der erfolgreiche Erfinder Thomas Alvar Edision sagte: „Erfolg hat nur der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“ Und damit ist klar: Erfolg ist eine Langzeitstrategie, sie führt über das Zielen und Verfehlen, übers Korrigieren vor allem zum Weitermachen. Der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Architekt der letzten Jahre, der Hamburger Meinhard von Gerkan (76), hatte in Deutschland so ziemlich alles in seinem Architektenleben erreicht, was er sich gewünscht hatte, dennoch trat er vor gut zehn Jahren noch einmal völlig neu aufgestellt in China an. Mittlerweile sind dort über 40 Pro-

14 Schwerpunkt Erfolg

von Dirk Meyhöfer

dukte, für Systeme und Strukturen. Man kann ihn als Autopiloten durch das wirtschaftliche Leben gebrauchen. Immer sind dabei Zahlen und Zensuren im ernsten Spiel. Länger, weiter, höher lautet das inoffizielle Motto der größten Sportveranstaltung der Welt, den Olympischen Spielen. Erfolg ist objektiv, persönlichen Erfolg zu erzielen, ist schwieriger. Dann wird der Erfolg subjektiver, emotionaler und damit kompliziert. Wenn man als WikiLeaks erfolgreich sein kann, hat das auch etwas Subversives. Mehr noch – Erfolg ist ambivalent und manchmal das genaue Gegenteil von dem, was erwartet war. Es gibt den alternativen Nobelpreis und alternative Festivals. Dort kann man auch sehr erfolgreich sein. Manchmal bleibt der Erfolg für die Öffentlichkeit auch unsichtbar – für die anderen. Albert Einstein würde es gefallen.

Schwerpunkt Erfolg

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von Roland Pawlitschko

„Erfolg hat viele Väter“. Das weiß jeder; doch am Ende kann es nur einer gewesen sein. Formulieren wir diese Plattitüde ein wenig um und nennen es lieber „Erfolg trägt viele Namen“. Und die kennt man hinreichend: Apple, Porsche, Range Rover, aber auch Nomos und die Bionade. Barack Obama, John F. Kennedy, Helmut Schmidt, dazu Joschka Fischer und Alice Schwarzer, Norman Foster, Meinhard von Gerkan, Frank O. Gehry und Rem Koolhaas. Aber auch der deutsche Gartenzwerg ist ein Erfolgsmodell. Erfolg ist wie eine Schimäre oder wie Bänkelsänger Freddie Quinn einst räsonierte, „nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern“. Dabei war er mit seinem Leben der Gegenbeweis. Als Definition von Erfolg gilt ganz einfach das „positive Ergebnis einer Bemühung“. Damit sind Anerkennung und meist Durchbruch auf dem erfolgreichen Weg ins Leben gegeben. Erfolg – das sind die vier großen G: Gedeihen, Gelingen, Gewinn, Glück. Erfolg paart sich ganz konsequenterweise mit Macht, Einfluss und Entscheidungsgewalt. Superlative oder summa cum laude sind die entsprechenden Attribute. Und es kommt noch besser: Erfolg ist objektiv messbar – in Kurven, in Tabellen, in Bilanzen. Der Homo oeconomicus braucht das so, denn es verleiht ihm Sicherheit. Über diesen objektiven Erfolg kann man streiten oder auch nicht; er gilt für Unternehmen, für Prosiehe auch: Erfolgsgeschichten Seite 16 | raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | Messe-Erfolgsstrategien Seite 78

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ist. Die Belohnung heißt Erfolgserlebnis; und sind viele kleine davon nicht mehr als ein großes, das zu selten eintritt? Carpe diem – dieses alte Rezept, die etwa 8760 Stunden und Millionen von Momenten eines Jahres spontan und sinnvoll zu gestalten und nicht mit hausgemachtem Druck zu vernichten, heißt, den langen Weg zum Erfolg anständig zu nutzen. Auf diese Weise ist dann ganz subjektiv auch der Weg zum Ziel komfortabel. Den Moment zu nutzen, bringt eine Kette gefühlter Erfolge. Manch einer sagt auch Glücksmomente dazu. Und Glück – wir erinnern uns – ist eines der großen G. Und in einem solchen Glücksmoment darf man dann doch einmal auch die Latte ein bisschen höher legen lassen, und dann klappt es auch mit dem Superlativ. Nur – man weiß vorher nie genau wann, ja wann, das eintrifft. Erfolg zu haben und zu wollen, ist also mehr als eine rechnerische Angelegenheit der Zahlen und Statistiken, es könnte der Schlüssel zu einem befriedigten Leben sein. Und das wünscht sich jeder.

(Andy Warhol) Doch zurück zum Alltag und zur Frage, wie geht man als Unternehmen mit dem Erfolg um? Man braucht ihn, um Geld zu verdienen, um Ideen durchzusetzen, um Mitarbeiter zu motivieren und Kunden glücklich zu machen. Um Erfolgsprodukte im Sortiment zu haben,

12 Schwerpunkt Erfolg

Albert Einstein, 1879 – 1955

Ein Ermittlungssystem für optimal lukrative Geldanlagen, wie es irgendwo im Duden beschrieben steht? Nein – ganz so leicht will raumbrand es sich nicht machen. Denn Erfolg ist nicht gleich Erfolg. Und in diesen Zeiten schon gar nicht. Eine Momentaufnahme von Dirk Meyhöfer

„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“ Albert Einstein, 1879 – 1955

Oben: Erfolgsträger BMW, exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege oft von Tausendstelsekunden abhängen. Hier wird der Viererbob-Prototyp im Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren geprüft – die Suche nach der Tausendstelsekunde.

Ein Ermittlungssystem für optimal lukrative Geldanlagen, wie es irgendwo im Duden beschrieben steht? Nein – ganz so leicht will raumbrand es sich nicht machen. Denn Erfolg ist nicht gleich Erfolg. Und in diesen Zeiten schon gar nicht. Eine Momentaufnahme von Dirk Meyhöfer

„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“

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Erfolgsgeschichten

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Familienunternehmen – aus der Provinz in den Weltmarkt Laut Manager Magazin waren 2010 „rund 70 Prozent der deutschen Weltmarktführer im Familienbesitz“. Dass deren Eigentümer „fast immer in Generationen denken“ und damit für langfristig klare Ziele und Strukturen sorgen, bestätigt auch Manfred Bogdahn. Um angeleinten Hunden den nötigen Auslauf zu bieten, erfand der Maschinenbauer 1973 die Hunde-Rollleine. Kaum waren eine Leine, der Startmechanismus einer Motorsäge sowie zwei einfache Holzschalen zu einem ersten Prototyp verschmolzen, kamen auch schon die ersten Anfragen benachbarter Hundebesitzer. In Bargteheide bei Hamburg folgte die Gründung des Unternehmens „flexi – Bogdahn International“, welches heute als Weltmarktführer 60 Millionen Euro Umsatz erzielt (90 Prozent davon im Export) und gut 300 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze“, lautet der Leitspruch von Bogdahn, der sich ganz bewusst ausschließlich auf die Herstellung von Hundeleinen konzentriert hat. Sein Erfolgsrezept: „Wenn man sich – wie bei uns – auf ein Produkt spezialisiert, wenn sich Ingenieure, Techniker und Kaufleute nur um ein Produkt kümmern, dann wird man einfach besser als andere, die sich in der Diversifikation verlieren.“ Von der Qualität und vom guten Ruf der Hundeleinen versuchen inzwischen auch chinesische Produktpiraten zu profitieren, die Bogdahns Produkte und selbst seine Verpackungen mit großer Dreistigkeit nachahmen. Erst im Januar 2011 wurde ein Hersteller aus Fernost mit dem Plagiarius 2011 „ausgezeichnet“, einem seit 1977 vergebenen deutschen Negativpreis für besonders auffällige Produktkopien.

Ideen, Kreativität und Präzision In China wahrgenommen wird auch der Bauingenieur Werner Stengel, dessen Münchner Ingenieurbüro für bahnbrechende Neuerungen bei der Planung und dem Bau von Achterbahnen steht. Angefangen hatte alles in den 1960er-Jahren, als der damals 28-jährige Stengel vom Vergnügungsanlagenbauer Schwarzkopf für statische Berechnungen der ersten deutschen Stahlachterbahn engagiert wurde. In der Folge entwickelte er Achterbahnen und Loopings mit speziellen

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benötigt man Ideen und Nachfrage. Leider wissen das auch die Konkurrenten, und deshalb kommt es auf das kleine Extra beim Produkt an, nach dem Motto, „was kann Ihre Katze, was die anderen nicht können?“ Sie wissen, lieber Leser, dass raumbrand sich genau darum kümmert und sich leidenschaftlich so genannten dreidimensionalen Markenwelten verschrieben hat, die ganz besonders sind. Sie zu hofieren und durch das Dickicht des Alltags zu chauffieren – raumbrand schafft Raum für neue Ideen und gibt Anstöße. Für den Erfolg müssen Sie selbst sorgen, aber die Spuren sichtbar zu machen, die dazu führen – dabei können wir helfen. Eine führt zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Andy Warhol (1928 – 1987) seine Kunst dem Alltag entliehen hat. Als gelernter Werbegrafiker hat er aus Werbung Kunst gemacht und mit Kunst Werbung: Artefakt wörtlich genommen. Dieser Warhol nannte die Ästhetik unserer Tage Erfolg. Aber der Erfolg darf auch eine gewisse Ästhetik behalten. Bezogen auf Autos, Möbel und andere gut gemachte Produkte wie das iPhone bedeutet es wohl, dass Quantitätserfolge der hohen Verkaufszahlen allein nicht ausreichen. Was kann ihre Katze, und wie schön und elegant bewegt sie sich dabei? Wertig ist ein Erfolgswort dieser Tage, und häufig ist es heute so, dass der Wert einer Wohnung nicht allein durch Lage und Nutzungsqualität sich definieren lässt, sondern als zusätzlicher Anzeiger des Erfolges gehören schöner Marmor in die Küche und edle Hölzer auf den Boden. Und

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Erfolgsgeschichten aus deutschen Landen – herausragende Kampagnen, erfolgreiche Akteure und zukunftsweisende Arbeiten der Kommunikation, raumbrand beleuchtet die Professionalisierung der Kommunikation erfolgreicher Hidden Champions.

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die teure Designer-Badewanne einer Eigentumswohnung von Philippe Starck wird schon während der Bauphase zum Verkaufsargument auf dem Bauschild. Auch der BilbaoEffekt und die daraus resultierende Signature Architecture deuten an, dass Erfolg und Ästhetik miteinander zu tun haben. Manchmal fragt man sich aber wie bei der Henne und dem Ei: War es die Ästhetik des iPhones, die den Erfolg nach sich zog, oder hat die Aura der erfolgreichen Marke im Nachhinein das Produkt geadelt?

Man kann von den großen Brands tatsächlich viel lernen, wie von den Autoherstellern. Schon vor Jahren gab Volkswagen seiner neuen Fabrik für ihre Spitzenprodukte das Image einer Manufaktur, allerdings war das früher in Werkstätten übliche Klötzchenparkett hier eher vergleichbar mit einem Edelfußboden in einer Werbeagentur. Sei es, wie es sei – auch wenn einer der gebauten Protagonisten dort später im Konkurrenzkampf mit etablierten Luxuskarossen noch lernen musste, wie hart es ist, Erfolg zu haben – die Gläserne Manu-

Drei Fragen an Patrice Bert

uns, aber die meisten draußen sprechen immer von Togo. Der Entwurf von Michel Ducaroy stammt aus den 1970er-Jahren, also aus jener Zeit, die einem freien Lebensstil huldigte. Die freien Formen von Togo ließen zu, dass sie (die Revolution von Togo) nach wie vor gültig und seit Jahren bis heute Grundlage für eine in der Branche beispiellose Kreativität ist, die ihren Ausdruck in außergewöhnlichen Produktentwicklungen wie z. B. dem letzten Sofa Ploum von Ronan und Erwan Bouroullec findet.

seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Roset Möbel GmbH, Gundelfingen

raumbrand: Worauf führen Sie den großartigen Erfolg von ligne roset in der Welt und in Deutschland zurück? Patrice Bert: Es gibt mehrere Gründe, denn der Erfolg gehört der konsequenten Mischung aus machbarer Designinnovation, einer konsequenten Markenkommunikation und einem entsprechendem Markenvertriebsnetz aus ligne roset-Brand Shops. Durch dieses weltweit ausgerichtete Netz unterscheiden wir uns beispielsweise stark von unseren Mitbewerbern, beispielsweise aus Italien. raumbrand: Was war der größte Produkterfolg von ligne roset und warum? Bert: Es waren viele Produkte erfolgreich bei

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Oben: Erfolgsträger Volkswagen, mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden (Henn Architekten) wurde erstmals ein Produktionskonzept realisiert, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion und manufakturartiges Arbeiten miteinander verknüpft: Hier werden Oberklassenlimousinen in Handarbeit montiert.

Zur Munich Creative Business Week (MCBW) und zur iF design award night in der BMW Welt München am 10. Februar 2012 siehe Seite 68.

Unten: Erfolgsträger Lamborghini, das Design, die Montage und die Produktion der Lamborghini-Modelle finden ausschließlich am Standort von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese statt (s. a. Seite 32).

Unten: Erfolgsträger Bjarke Ingels Group, Newcomer der internationalen Architekturszene. Ebenso unkonventionell wie das Büro ist ihre Arbeit, die gewohnte Grundmuster herausfordert und bessere Lösungen verspricht. Seite 58.

Oben: Erfolgsträger Ingenhoven Architects, die weltweit führende Innovations- und Kreativschmiede in Düsseldorf, die sich für nachhaltige und ökologisch orientierte Architektur einsetzt.

raumbrand: Wie definieren Sie für sich persönlich Erfolg? Bert: Erfolg ist das Ergebnis einer Idee und von vielen, vielen folgenden Anstrengungen. Und dieser Erfolg ist immer nur vorläufig und muss immer wieder in Frage gestellt und ausgeweitet werden.

Schwerpunkt Erfolg

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14 Schwerpunkt Erfolg

faktur am am Großen Garten in Dresden ist eine gebaute Visitenkarte von Erfolg, ähnlich wie die BMW-Welt in München , die mit ihrer gigantischen „Wolken-Konstruktion“ immer wieder suggeriert, bei BMW ist technisch alles machbar, was denkbar ist.

„Wer oft schießt, trifft endlich!“ (dt. Sprichwort) Erfolg ist manchmal ein Lüftchen, das sich bewegt und sich niemals einfangen lässt. Wer den Erfolg konservieren will, muss genau hinschauen, hart arbeiten, wie Gerry McGovern, Chefdesigner der Erfolgsmarke Landrover, in raumbrand 3/2010 im Interview sagte: „Der neue Evoque entwickelt das Range-RoverDesign mutig weiter, indem er die klassischen Designmerkmale des Range Rover neu interpretiert und dabei treu zu den Markenwerten steht.“ Schon der erfolgreiche Erfinder Thomas Alvar Edision sagte: „Erfolg hat nur der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“ Und damit ist klar: Erfolg ist eine Langzeitstrategie, sie führt über das Zielen und Verfehlen, übers Korrigieren vor allem zum Weitermachen. Der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Architekt der letzten Jahre, der Hamburger Meinhard von Gerkan (76), hatte in Deutschland so ziemlich alles in seinem Architektenleben erreicht, was er sich gewünscht hatte, dennoch trat er vor gut zehn Jahren noch einmal völlig neu aufgestellt in China an. Mittlerweile sind dort über 40 Pro-

jekte fertig gestellt, das Gesamtbüro besteht in drei Erdteilen aus 600 Mitarbeitern. Der Weg dorthin war steinig und lang. Im Fall des nun eröffneten Chinesischen Nationalmuseums im Peking, dem größten der Welt, mussten von Gerkan Marg und Partner (gmp) sogar heftige Kritik einstecken: „Zu wenig Plüsch, zu wenig ornamental, zu wenig China!“ Nicht immer ist mit westlichem Minimalismus Staat zu machen. Für von Gerkan ist das kein Misserfolg, sondern ein Lern-Erfolg: „Es ist zwar keine typische gmp-Architektur entstanden. Aber ein Abbild der Öffnungsphase in China als Kombination aus Tradition und Aufbruch. Und wir sind dabei!“ Nichts ist eben so alt wie der Erfolg (Misserfolg) von gestern. Daraus ist zu lernen, denn wo stünde heute das unbestrittene Erfolgsunternehmen No. 1, also die Leute mit dem angebissenen Apfel, wenn es in den 1990erJahren nach über zehn Jahren den vormals geschassten Chefdenker, -ideologen und -macher Steve Jobs nicht zurückgeholt hätte. Was Johann Wolfgang von Goethe lange vorher allgemein schon so kommentiert hatte: „Mit rechten Leuten wird man was!“ Dirk Meyhöfer, geb. 1950, ist gelernter Stadtplaner und Architekt. Weil vor mehr als 30 Jahren seine vorauseilenden Ideen für unsere Städte nicht erfolgsgekrönt waren, entschied er sich als Journalist, Autor und Ausstellungsmacher dies nachzuholen. Subjektiv war das eine erfolgreiche Kurskorrektur. Der objektive Erfolg entscheidet sich seit über 30 Jahren jeweils nach jedem geschriebenen Artikel neu.

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Wer ist eigentlich ein ERFOLGSTYP? Es gibt viele davon, einige stellen wir hier vor. Und wer sind Sie? Wem fühlen Sie sich verbunden? Wir verraten es niemandem … Der typische Erfolgsmensch ist zielorientiert, leistungs- und wettbewerbsbereit. Erfolgsmenschen achten sehr auf ein gutes Aussehen und ein professionelles Image. Erfolgsmenschen haben einen guten Riecher für Erfolg versprechende Ideen oder Projekte und setzen alle Hebel in Bewegung, um damit auch Geld zu verdienen. Ihr Erfolgsmotto: Schneller und besser sein als die Konkurrenz. Kämpfer stehen am liebsten oben in der Hierarchie und verfügen über ein enorm starkes Durchsetzungsvermögen. Was andere über sie denken, interessiert sie nicht so sehr, es sei denn, es handelt sich um Freunde oder Vertraute. Wenn es sein muss, treten Kämpfer auch allein gegen alle an – viel Feind viel Ehr. Ihr Erfolgsmotto: Mein Wille geschehe! Vermittler verfolgen ihre Ziele mit Geduld und langem Atem. Sie achten darauf, dass um sie herum möglichst alle zu ihrem Recht kommen. Bei ihnen ist das Team der Star und nicht der Einzelne, schon gar nicht sie selbst. Profilneurotiker sind ihnen ein Dorn im Auge. Erfolg zu haben, heißt aus ihrer Sicht auch: Mit Geduld und Spucke … Perfektionisten streben stets nach einer vollkommenen 100-Prozent-Lösung. Mit weniger geben sie sich nur ungern zufrieden. Perfektionisten engagieren sich besonders gern bei Re-

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formvorhaben, denn sie streben eine bessere Welt an. Sie wollen dabei selbst ein gutes Vorbild geben. Ästheten sehen im Erfolg einen unverwechselbaren Stil, Esprit und Eleganz und schätzen den Applaus des Publikums sehr (natürlich keines beliebigen), er stillt ihren Hunger nach Anerkennung. Sie entwickeln in emotionalen Extremsituationen eine besondere Präsenz und Schaffenskraft. Ihr Erfolgsmotto: Sei du selbst! Beobachter verstehen es als Erfolg, wie ein Schachspieler am Brett ihre von langer Hand geplanten strategischen Manöver aufgehen zu sehen. Ihr Erfolgsmotto: Es geht nichts über eine kluge und ökonomische Strategie! Optimisten messen Erfolg daran, wie viel Spaß sie bei einer Sache haben. Erfolg ist für sie die Freiheit, das zu tun und sich zu leisten, was sie gerne möchten. Erfolgsgefühle stellen sich auch ein, wenn eine ihrer zahlreichen guten Ideen ins Laufen kommt. Auch ihre besondere Fähigkeit, Menschen und Ideen miteinander zu verbinden und zu vernetzen, empfinden sie als Erfolg. Optimisten lassen sich nicht unterkriegen, und wenn sie doch mal hinfallen, dann stehen sie wie ein Stehaufmännchen wieder auf.

Oben: Erfolgsträger Nils Holger Moormann, seit 1992 ist die Firma in die Idylle des oberbayerischen Aschau im Chiemgau eingebettet. Inmitten der Alpen wird versucht, alles von in der Nähe ansässigen Betrieben fertigen zu lassen. Da ein großer Teil der Produkte außer Haus hergestellt wird, erhält sich die Firma ein hohes Maß an Flexibilität und eine größere Produktionstiefe. Die gewachsenen, regionalen Strukturen gepaart mit internationalen Kontakten kennzeichnen die Firmenphilosophie. Die Möbelkollektion, deren Produkte mit vielen internationalen Designpreisen ausgezeichnet wurden, wird ständig um neue Möbel- und Produktlinien erweitert.

Aufgeschnappt und inspiriert von Jürgen Werner und Ulf Tödter: Erfolgsfaktor Menschenkenntnis (http://www.cornelsen.de/ sbk/1.c.1189445.de) mit „neun Definitionen des Erfolgs“

Schwerpunkt Erfolg

Er o g ha v e e Vä er Er o g räg v e e Namen Er o g s n ch g e ch Er o g schon gar n ch n d esen Ze en E ne Momen au nahme

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„Aus dem wird noch mal was!“

Akkubetriebene Rasenwalzen, Pflanzenöl-Trekkingkocher, motorisierte Elektro-Sportrad-Inlineskates oder als mobile Sitzgelegenheit verwendbare Reisekoffer – die vergangenes Jahr auf der Nürnberger Fachmesse „Ideen– Erfindungen–Neuheiten“ (IENA) präsentierten Neuheiten zeigen, dass hierzulande leidenschaftlich gern gebastelt, erfunden, getüftelt und quergedacht wird. Zu den Teilnehmern der weltgrößten Messe ihrer Art zählten die „Daniel Düsentriebs“ aus 19 Ländern ebenso wie jugendliche Hobby-Erfinder und junge Start-up-Unternehmen, die mit ihren pfiffigen Ideen oder marktreif entwickelten Produkten einen vielversprechenden Blick auf das kreative Potenzial der Zukunft erlaubten. Das Rad neu zu erfinden, stand dabei keineswegs im Mittelpunkt. Stattdessen ging es in den meisten Fällen darum, Vorgefundenes mithilfe neuer Technologien oder Materialien weiterzuentwickeln und gezielt an veränderte Bedürfnisse anzupassen – ganz in der Tradition vieler weltberühmter Deutscher, die mit ihren Produkten Geschichte schrieben. Dazu zählen Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel ebenso wie Arthur Fischer, der bis Ende 2008 über 1.000 Patente und Gebrauchsmuster anmeldete und damit als einer der weltweit erfolgreichsten Erfinder gilt. Er bestückte Bohrlöcher als erster mit kleinen Kunststoffspreizdübeln statt mit blutgetränkten Stofffetzen oder Holzkeilen, um Gegenstände dauerhaft und stabil an Wänden zu befestigen. Dieser Artikel ließe sich problemlos mit der bloßen Aufzählung prominenter „Innovatoren“ und ihrer Weltneuheiten „Made in Germany“ füllen – von Martin Luther (Reformation), Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Otto Hahn (Kernspaltung) bis hin zu Adolf Dassler (SchraubstollenFußballschuhe). Doch selbst dann müssten zahlreiche „Hidden Champions“ unberücksichtigt bleiben, deren Geschichte und Geschichten zwar im Allgemeinen weniger bekannt sind, deren Innovationen dafür aber umso größere Auswirkungen auf das Weltgeschehen oder die Lebensumwelt der Menschen hatten. Bei diesen Innovatio-

nha t | Ed tor a | Aktue

We ches s nd herausragends e Kampagnen er o gre chs e Ak eure und zukun swe sends e Arbe en der Kommun ka on? Worau bas er der Er o g? E n Resümee

nen handelt es sich nicht selten um wenig spektakuläre Dinge des Alltags – wie etwa Einkaufswagen, die die Menschen zwar täglich in Supermärkten vor sich herschieben, die aber selten bewusst wahrgenommen werden. So ist längst nicht jedem Konsument bekannt, dass das Leipheimer Unternehmen Wanzl unangefochtener Weltmarktführer für Einkaufswagen und -körbe ist und jährlich knapp zwei Millionen Exemplare an Handelsketten in aller Welt verkauft.

Chancen erkennen und nutzen Dass sich aus einer im Jahr 1918 gegründeten Schlosserei ein Weltkonzern mit 3.500 Mitarbeitern entwickelte, hat nicht zuletzt mit dem Weitblick zweier Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. 1948 erkennen Rudolf Wanzl jun. und Rudolf Wanzl sen. in der beauftragten Produktion handgefertigter Einkaufskörbe für ein Augsburger Pilotprojekt eines Selbstbedienungsmarktes ihre Chance. Und so begannen sie 1950, gut zehn Jahre vor dem Siegeszug von Aldi & Co, mit der Fertigung eines Gitterkorbs mit Klappbügel. Nur ein Jahr später folgte das Patent auf den ersten Einkaufswagen mit festem Korb („Concentra“) – ein Modell, das den Menschen noch heute in jedem Supermarkt der Welt vertraut erscheinen würde. Inzwischen unterhält das Familienunternehmen Wanzl Fertigungsbetriebe und Niederlassungen in ganz Europa und anderen internationalen Standorten. Am ursprünglichen Grundsatz, sich mit den Fragen von morgen zu beschäftigen, um die Antworten von heute zu finden, hat sich nichts geändert.

Innovationen zum richtigen Zeitpunkt Geprägt vom Ölschock der 1970er-Jahre, dem Wissen um die Endlichkeit von Kohle, Öl und Uran und zu einer Zeit, als Windräder noch in erster Linie Assoziationen an holländische Windmühlen weckten, gründete der damals 32-jährige Aloys Wobben im Jahr 1984 den Windenergieanlagenhersteller „Enercon“. Weil sich seine Werkstät-

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21 Bucht pps Ref ex

22 Synapt c Brand ng n e genz und Wand ungs äh gke n der Marken ührung Synap c Brand ng s d e n e gen e Verne zung a er D sz pnen n der Kommun ka on au Bas s von nnova onsre zen

27 Nachgefragt 28 Geld st n cht alles m Kamp um d e Au merksamke g es a e Fak oren und Wechse w rkungen n der Kommun ka on zu be euch en und so den Re urn-on-Marke ng- nves men zu op m eren

31 Fakten 32 Mythos Lamborgh n Exk us v s nn ch heraus ordernd und mmer unverkennbar a en sch raumbrand sprach m dem Lamborgh n -Präs den S ephan W nke mann über d e Fasz na on Lamborgh n

38 Prêt-à-rouler Au osa on Gen – neue Mode e erobern d e We We b che E eganz un ers r ch an den S änden der Auss e er d e emoona e Bo scha

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Raab!

40 Stefan Raab E ne Ku figur der Spaßgese scha Ob a s Kompon s Produzen n erpre oder Modera or – S e an Raab und se n Gespür ür Mark bedür n sse raumbrand zog B anz

44 NOMOS Glashütte E ne Er o gsgesch ch e W ederbe eb zum 01 Januar 1991 vere n Nomos G ashü e se dem höchs e Ansprüche an Qua ä und Uhrmacherkuns m e nem e nz gar gen Des gn

48 Fokus 50 Sebast an Vettel Leben au der Überho spur n kurzer Ze ha s ch das unge Ta en Sebas an Ve e zum neuen deu schen Hoffnungs räger n der Forme 1 gemauser raumbrand g ng dem nach

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Inhalt

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Nummer 1

D e Leute mögen Gew nner Erfolg macht sexy E n Unternehmen das flor ert dessen Produkte bekannt und bel ebt s nd z eht automat sch an Und das Unternehmen profit ert davon das mage ze gt n cht nur d e Unternehmensstärke auf Nur wer oben steht hat Chancen d e besten und kreat vsten Teamplayer zu heuern raumbrand z eht B lanz

Utopia now!

Ruhms

Bjarke Ingels hat es geschafft, internationales Ansehen zu erlangen. Er steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren. raumbrand auf der Suche nach seinem Erfolgsrezept. von Jan Esche

Pragmatischer Utopismus Die Methoden, Lösungsansätze und Arbeitsabläufe der Gruppe sind so unkonventionell, unvorhersehbar und produktiv wie die Welt um sie herum. Architektur wird für Bjarke Ingels seit jeher von zwei konträren Extremen beherrscht. „Auf der einen Seite eine Avantgarde voll wilder Ideen – oft so realitätsfern, dass sie meist kuriose Randerscheinungen bleiben. Auf der Gegenseite eine Riege gut organisierter Unternehmensberater, die vorhersehbar langweilige, aber qualitativ hochwertige Klötze bauen.“ Die Architektur scheint fest zwischen diesen beiden gleich unfruchtbaren Gebieten zu wurzeln: zwischen naiv-utopisch und bis zur Erstarrung pragmatisch. „Statt sich für eine Seite zu entscheiden, agiert BIG im fruchtbaren Schnittbereich. Unser Ansatz: eine pragmatisch-utopische Architektur, die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch perfekte Orte zu schaffen.“

Evolution

Yes is More. Ein Archicomic zur Evolution der Architektur Bjarke Ingels Taschen, Köln, 2010 EUR 19,90 ISBN 978-3-8365-2524-4 weitere Buchtipps auf Seite 21

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Architektur als ein Weg, Unterschiede zu integrieren, nicht durch das Eingehen von Kompromissen oder die Entscheidung für eine Seite, sondern durch die Verknüpfung konträrer Interessen in einem gordischen Knoten aus neuen Ideen. Architektur als eine Haltung, Methoden, Prozesse, Instrumente und Konzepte immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren. „Eine Architektur, die nicht aus-, sondern einschließt. Die konzeptionell nicht eingeschränkt wird durch die eheähnliche Bindung an Interessen oder Ideen eines Einzelnen. Eine Architektur, bei der man sich nicht zu entscheiden hat zwischen öffentlich oder privat, verdichtet oder offen, Innenstadt oder Vorort, Atheist oder Moslem, erschwinglichem Wohnraum oder Fußballplätzen. Eine Architektur, die es gestattet, zu allen Aspekten des Lebens ja zu sagen, wie gegensätzlich sie auch sein mögen!“ Architektur resultiert aus verschiedensten Problemen in der Gesellschaft und beantwortet sie gleichzeitig,

wie es Bjarke Ingels einmal in Volume umriss. „Uns interessiert das Grundphänomen der Veränderung.“ Und: „Wenn eine Stadt nicht die Lebensbedingungen bietet, die wir uns wünschen, müssen wir sie ändern. Wir haben die Architektur erschaffen, wir haben die Stadt erschaffen – also können wir sie auch neu erschaffen, verändern, entwickeln.“ Dabei wird für ihn die Idee einer proaktiven Architektur immer interessanter, seinen eigenen Auftrag zu entwickeln und jemand anderen dazu bringen zu können, das Projekt haben zu wollen. Die Architekten haben sich mit dem Gedanken einer pragmatischen Utopie beschäftigt und versucht, das Streben der Moderne nach großen Ideen wiederzubeleben. „Nicht nur als Mittel zur Selbstverwirklichung, viel mehr noch, um der Welt ein Mittel zu geben, sich immer wieder selbst zu erneuern.“ Der Architekt als Hebamme bei dieser ständigen Wiedergeburt einer Welt, in der wir leben möchten, als Think Big und Unit Control.

Bjarke Ingels Gemeinsam mit den 85 Architekten, Designern und Denkern der Bjarke Ingels Group mit Sitz in Kopenhagen arbeitet der 36-jährige Däne derzeit an Projekten in Kasachstan, Mexiko und zahlreichen anderen Ländern. Seine unkonventionellen Entwürfe

zeichnen sich durch die frische Heransgehensweise an komplexe urbane Zusammenhänge aus und schlagen mit einfachen Mitteln neue Typologien vor. Ingels war Mitarbeiter im Office for Metropolitan Architecture und Mitbegründer von

Plot Architects, bevor er sich 2005 mit BIG selbstständig machte. Er wurde unter anderem 2004 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem Preis des World Architecture Festivals 2008 ausgezeichnet.

Yes is more Architektur hängt für Bjarke Ingels von glücklichen Zufällen und Gelegenheiten ab. Das bedeutet, spontan auf Chancen zu reagieren, zu improvisieren, Ideen abzuwandeln und sie für seine Zwecke neu zu interpretieren. „Die Geschichte, die am Ende dabei herauskommt, wird oft erst im Rückblick verständlich.“ Es geht ihm um Architektur als Verhandlungssache, um einen Schritt in der Evolutionskette und um den uneingeschränkten Glauben, dass wir alle die Welt voranbringen können. Frei von Ideologien und Generationskämpfen: Das tradierte Bild eines radikalen Architekten ist das des „Angry Young Man“, der gegen das Establishment rebelliert. Avantgarde definiert sich nicht durch das, was sie bejaht, sondern durch das, was sie ablehnt. „Aber muss der Versuch, alle Seiten glücklich zu machen, auf Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen? Wäre der schier unmögliche Salto zu schaffen, sich so zu drehen, zu schrauben und zu wenden, dass alle Wünsche erfüllt werden können, ohne dabei jemand auf die Füße zu treten?“ Keine Revolution, keine Dogmatik, selbst die dialektischen Gräben Form und Funktion, Ökologie und Ökonomie sind bedeutungslos. „Mehr als Revolution interessiert uns Evolution.“ Bjarke Ingels will beweisen, dass soziale Verantwortung und Spieltrieb zusammen gehen. „Wir fragen, wie Nachhaltigkeit Spaß machen kann“, so jüngst in der ZEIT. Architektur als gemeinsamer Prozess für eine neue Lebensqualität, kein einfacher Weg, aber der Erfolg gibt Bjarke Ingels Recht – und macht Mut. München war froh, diesen ebenso agilen und eloquenten wie charmanten und humorvollen Vordenker hiergehabt zu haben, manch einer konnte sich eine Scheibe abschneiden.

Fotos: © BIG, © Ulrik Jantzen, © Jonas Barre, © Carsten Kring, © Mads Hilmer, © Johan Fowelin, © Esben Bruun, © Jimmy Cohrssen

München war da, alles, was Rang und Namen und Geld hat. Klar, dass es an Schaulustigen nicht gemangelt hat, wo es doch um Architektur und um die Kultivierung des Schönen und Anspruchsvollen ging. Sie hatten sich auf den Weg in Richtung Museumsquartier gemacht, in die kleine und feine Architekturgalerie. Ein Gedrängel, ein Geschiebe, ein Gewusel, jeder wollte Bjarke Ingels, den Shootingstar der internationalen Architektenszene erleben. Schon lange fällt der smarte Däne, der nun auch in Harvard lehrt, durch unorthodoxe Entwürfe auf. Sein prämiertes „Mountain Dwellings“ in Kopenhagen oder der dänische Pavillon in Shanghai zeigen, dass der Begriff Architektur noch erweiterbar ist. Ein Blick durchs Schlüsselloch in die Ideenschmiede Bjarke Ingels Group s. Seite 14

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Das Rathaus in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Versuch, Demokratie mit einem architektonischen Konzept zu verbinden: „Gute Stadtpolitik und das Teilhaben an Demokratie sind nur möglich, wenn es dafür die nötige Transparenz gibt. „… Demokratie leben heißt, dass die Öffentlichkeit Einblicke in die politischen Prozesse erhält.“

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Die Nationalbibliothek Kaschstan: Ein Kreis, eine Rotunde, ein Bogen und eine Jurte geraten zu einer Endlos-Schleife, die mit einem spektakulären Doppel-Looping ihre Form vollendet. Die Idee, Form und Klarheit der linearen Organisation vereint Raum und Zeit zu einem neuen NationalSymbol, ein modernes, zeitloses und effizientes Bücherarchiv, das die Öffentlichkeit erreicht.

Charakteristisch geknickte Blöcke mit gezackten Balkonen und über 80 verschiedenen Wohnungstypen: Mit dem Wohnblock „VM-House“ im neuen Stadtviertel Ørestad in Kopenhagen hat BIG seine Vision von urbaner Dichte in der Peripherie in die Realität umgesetzt.

Das World Village of Women Sports in Malmö als eine „Stadt in der Stadt“: Die massive Blockrandbebauung mit den städtebaulich überhöhten Ecken wird durch große Einschnitte und Terrassierung der Baukörper geöffnet. Die öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze im Inneren des Komplexes sind frei zugänglich und sollen dem Zentrum ein eher „dörfliches“ Ambiente geben.

Preisgekrönt für den phantasievollen Umgang mit eingeschränkten Mitteln und die geschickte Verbindung von außen und innen: Die über verunreinigtes Erdreich gelegte durchgängige Holzplattform aus Terrassen, Hügeln und Räumen des Maritime Youth House am Öresund in Kopenhagen.

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Utopia now! Bjarke Ingels hat es geschafft, internationales Ansehen zu erlangen. Er steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren. raumbrand auf der Suche nach seinem Erfolgsrezept.

von Jan Esche

Pragmatischer Utopismus Die Methoden, Lösungsansätze und Arbeitsabläufe der Gruppe sind so unkonventionell, unvorhersehbar und produktiv wie die Welt um sie herum. Architektur wird für Bjarke Ingels seit jeher von zwei konträren Extremen beherrscht. „Auf der einen Seite eine Avantgarde voll wilder Ideen – oft so realitätsfern, dass sie meist kuriose Randerscheinungen bleiben. Auf der Gegenseite eine Riege gut organisierter Unternehmensberater, die vorhersehbar langweilige, aber qualitativ hochwertige Klötze bauen.“ Die Architektur scheint fest zwischen diesen beiden gleich unfruchtbaren Gebieten zu wurzeln: zwischen naiv-utopisch und bis zur Erstarrung pragmatisch. „Statt sich für eine Seite zu entscheiden, agiert BIG im fruchtbaren Schnittbereich. Unser Ansatz: eine pragmatisch-utopische Architektur, die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch perfekte Orte zu schaffen.“

Evolution

Yes is More. Ein Archicomic zur Evolution der Architektur Bjarke Ingels Taschen, Köln, 2010 EUR 19,90 ISBN 978-3-8365-2524-4 weitere Buchtipps auf Seite 21

Architektur als ein Weg, Unterschiede zu integrieren, nicht durch das Eingehen von Kompromissen oder die Entscheidung für eine Seite, sondern durch die Verknüpfung konträrer Interessen in einem gordischen Knoten aus neuen Ideen. Architektur als eine Haltung, Methoden, Prozesse, Instrumente und Konzepte immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren. „Eine Architektur, die nicht aus-, sondern einschließt. Die konzeptionell nicht eingeschränkt wird durch die eheähnliche Bindung an Interessen oder Ideen eines Einzelnen. Eine Architektur, bei der man sich nicht zu entscheiden hat zwischen öffentlich oder privat, verdichtet oder offen, Innenstadt oder Vorort, Atheist oder Moslem, erschwinglichem Wohnraum oder Fußballplätzen. Eine Architektur, die es gestattet, zu allen Aspekten des Lebens ja zu sagen, wie gegensätzlich sie auch sein mögen!“ Architektur resultiert aus verschiedensten Problemen in der Gesellschaft und beantwortet sie gleichzeitig,

Im Rausch des

„Risikobereitschaft kommt immer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man, ob es das Risiko wert war.“ Dr. Jochen Kalka

Ruhms Michael Lohr ist Spezialist für Marketing und Live-Kommunikation, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Fotos: © Jens Schwarz

Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs, wie lässt er sich dauerhaft halten und kann oder sollte man sogar beruflichen und persönlichen Erfolg voneinander trennen? Um sich diesen und anderen Fragen rund um das Thema Erfolg zu stellen, waren Experten aus Architektur, Immobilienwirtschaft, Design und Kommunikation der Einladung von raumbrand in die Skylounge des Süddeutschen Verlags gefolgt. Ein Gespräch über Gewinnertypen, kreative Sackgassen und nachhaltiges Wirtschaften.

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„Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel.“ Ina Laux

Siehe auch: den Beitrag über Erfolg Seite 10 | das Gespräch über Synaptic Branding im Agenturalltag Seite 28 | den Beitrag über die Intelligenz der Crowd Seite 74

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„Wir nehmen einen Menschen dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat.“ Prof. Dr. Matthias Ottmann

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Esche: Was zeichnet eine erfolgreiche Person aus? Korzer: Konsequenz ist wichtig, um Hindernisse überwinden zu können, und ein langer Atem. Erfolgreiche Menschen fällen unbequeme Entscheidungen. Wer stets „Everybody�s Darling“ sein möchte, kommt nicht weit. Unmoralisch und verletzend darf man dennoch nicht werden. Und Erfolgsmenschen beziehen auch Stellung. Laux: Wer erfolgreich sein will, muss immer wieder an seine Grenzen gehen, das Beste, das Maximum versuchen herauszuholen. Man muss auch mal über den eigenen Schatten springen können. Es braucht eine Menge Mut – und Mut zum Scheitern. Kalka: Das sehe ich anders. Manche überschreiten ihre Grenzen und merken es nicht einmal. Sie sind vom Erfolg geblendet und gierig nach immer mehr. Dass ihr Höhenflug aber bewirkt, dass sie klaffende Löcher ignorieren, dass ihre Entscheidungen fehlschlagen, das ist sehr gefährlich. Werner: Erfolgreich im Job sind oft die Fleißigen, die konsequent bleiben und dann das notwendige Quäntchen Glück mitnehmen. Eins müssen wir doch zugeben: Wäre Erfolg sicher, wäre er nicht so begehrenswert. Deshalb muss man meistens hart um ihn kämpfen.

zu tun, dass wir uns bestimmte Freiheiten erkämpft haben und über feste Strukturen verfügen. Das ist ein wahrer Luxus. Start-ups haben es da schwerer. In München konnten wir uns an verschiedenen Objekten austoben, das machte Spaß. Vor zehn Jahren noch war es sehr viel schwerer, Pioniergeist zu demonstrieren, da Design noch kein allzu großes Thema war. Mutige Projekte brachten aber auch sehr viel Risiko mit sich, und wir fragten uns, ob sie auch angenommen werden. Esche: Dann gehört also auch eine gewisse Risikobereitschaft zum Erfolgsgeheimnis? Jochen Kalka: Risikobereitschaft kommt im-

Dr. Jochen Kalka Prof. Dr. Matthias Ottmann leitet seit 1994 das Unternehmen Südhausbau, seit 2004 ist er alleiniger geschäftsführenden Gesellschafter. Er hält regelmäßig Vorlesungen an der LudwigMaximilians-Universität München und ist Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL und Vorstandsmitglied im Kunstverein München e. V.

mer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man rückblickend, ob es das Risiko wert war. Ottmann: Da kann ich mich nur anschließen. Risiko gehört dazu. Man darf ja auch nicht stehenbleiben. Wir versuchen immer wieder, neue Konzepte und Ideen aufzunehmen und alte zu hinterfragen. Esche: Es geht also auch darum, sein eigenes Profil zu schärfen und seinen Leistungskatalog nachzujustieren – rational und emotional. Welcher dieser beiden Wege führt eher zum Erfolg? Michael Lohr: Nicht nur der messbare Markenwert, die Qualität eines Produktes, spielt raumbrand Dialog

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„Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen.“ Jürgen Korzer Franziska Brettschneider: Es irrt der Mensch solang’ er strebt … Das Ziel hat manch einer vielleicht ganz klar vor Augen. Doch schnell kann aus einer Zielgeraden eine Schlangenlinie werden, vor allem dann, wenn viele Köche an dem Erfolgsrezept mitmischen. Frau Laux, wie schafft man es, zielgerichtet zu arbeiten, wenn viele Interessen gebündelt werden müssen? Laux: Das ist es ja gerade: In der Stadtplanung haben wir nicht dieses eine Ziel, wir müssen flexibel bleiben, um die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen zu können. Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel. Lohr: Aber auch bei uns in der Kommunikation haben sich die Strategien maßgeblich verändert, gerade weil immer die Gefahr besteht, in „kreative Sackgassen“ zu geraten, wenn man einen Weg konsequent verfolgt und zu eitel ist, den Kurs während einer laufenden Kampagne neu auszurichten. Großes Erfolgspotenzial hat das Synaptic Branding – eine von uns weiterentwickelte Form der integrierten Kommunikation, bei der wir alle Disziplinen der Kommunikation intelligent vernetzen . Dadurch entsteht ein stetiger Dialog zwischen Zielgruppe und Kampagne, der es ermöglicht, auf anspruchsvolle, sich schnell verändernde Forderungen, die sich durch immer komplexer werdende Märkte ergeben, einzugehen. Wir müssen ja auch immer bedenken, dass es nicht um unseren Erfolg geht, sondern um den unserer Kunden. Kurz: Es gilt, so schnell wie möglich den Return of Invest zu erreichen. Werner: Wir nutzen viel Dialogmarketing und Social-Media-Kanäle , um die Befindlichkeiten der Kunden aufzuspüren und die Res-

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nehmen, in denen jeder eher auf den nächsten Karriereschritt fokussiert ist, als die übergeordneten Unternehmensziele im Auge zu haben. Dieses Verhalten finden sie bei Eigentümer-geführten Unternehmen fast nie vor, und das bringt Konstanz, Stabilität und Erfolg.

zu Erfolgsgeschichten

Jürgen Korzer

ist Diplom-Wirtschaftsingeist Chefredakteur der Fachnieur mit mehr als 20 Jahren magazine W&V (Werben & Markenerfahrung auf Verkaufen), W&V Media, Industrieseite. Nach W&V Praxis und Kontakverschiedenen Statioter aus dem EuropaIna Laux nen bei Audi, smart, Fachpresse-Verlag BMW und BMW Mo(EFV) in München. Er ist Architektin und Stadttorrad gründete er studierte Germanisplanerin. In ihrem Büro tik, Rhetorik und 2009 mit seinem Jatsch Laux in London und Geschäftspartner Politik, promovierte München arbeitet sie am Christopher Wünzum Thema MarkePuls der Zeit, von der Idee sche die Korzertingkommunikation. und Beratung bis zur AusWünsche Markenführung. Sie ist Mitglied und Kommunikader Deutschen Akademie tionsberatung für Städtebau und Landesin München. planung DASL und Kulturpreisträgerin des Bundesverbandes Deutscher Industrie BDI.

Jan Esche: Was bedeutet für Sie Erfolg? Ina Laux: Erfolg, so finde ich, kann nur jemand haben, der neue Wege beschreitet, gerade beim Thema Design. Viele Developer und Investoren haben diesen Anspruch, aber nur wenige tun es tatsächlich, unter anderem Sie, Herr Professor Ottmann. An Ihren Projekten wird dies auch sichtbar. Für mich sind Sie ein Superbeispiel für Erfolg in der Architekturentwicklung. Es kommt häufig vor, dass unsere Studenten von Projekten begeistert sind. Und dann fragen sie, wer das gebaut hat, und das sind irgendwie jedes Mal Sie. Matthias Ottmann: Oh, vielen Dank. Dass wir so erfolgreich sind, hat aber auch damit

Axel Werner: Einerseits haben wir den Erfolg, andererseits die Illusion eines Erfolgs. Bei vielen Kampagnen sind weder Ziel noch Resultat erkennbar, dennoch werden sie als erfolgreich gefeiert. Da stellt sich die Frage, ob es sich nun um einen tatsächlichen Erfolg handelt. Ein wichtiger Punkt ist doch, dass eine Zielsetzung da ist, um Erfolge zu messen. Das Streben nach dem Optimum hört nie auf. Bei der Erfolgsplanung ist das Ziel das erste, das stehen muss. Wer hier nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ handelt, wird niemals Erfolg haben. Denn sind wir mal ehrlich: Erfolg hat immer auch etwas mit Wettbewerb und Zielerreichung zu tun – bewusst oder unbewusst. Wir buhlen um Budgets, um Aufmerksamkeit oder um Leser. Jeder will ganz vorn mit dabei sein, das ist ganz sozialdarwinistisch begründet. eine Rolle – die gehört mittlerweile zum Standard und ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – sondern ebenso wichtig sind weiche Faktoren: Zu circa 80 Prozent sind nach neuesten Umfragen Image, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit einer Marke verantwortlich für ihren Erfolg beim Verbraucher. Marken erfahren heutzutage neue Werte, und diese mit einer emotionalen Ansprache zu kommunizieren, erfordert Mut. Es heißt ja nicht ohne Grund „der Erfolg gehört den Mutigen“. Esche: Ein Stück weit gilt es demnach auch, den Kunden zu etwas Neuem zu verführen. Und dabei ist das richtige und geschickte Wording nötig … Kalka: Das stimmt – allerdings nur zum Teil. Es heißt ja „Erfolg kommt nicht von allein“, um mal bei den Sprüchen zu bleiben. Ergo: Schöne Worte allein reichen nicht aus; Inszenierung oder Kreation sind nicht alles. „Sophisticated campaigns“, also anspruchsvolle und tiefgründige Werbekampagnen, die einzelne Personen akribisch geplant haben, machen sich toll auf Kreativ-Wettbewerben, ernten große Anerkennung. Doch immer wieder erleben wir, dass gerade die nicht funktionieren, dass sie an der Zielgruppe vorbeigehen und der Erfolg ausbleibt. Unsere Branche neigt dazu, sich zu überschätzen. „Erfolg“ wird oft missverstanden und mit Eitelkeit verwechselt. Viele Agenturchefs und Entscheider tendieren dazu, sich selbst zu inszenieren, statt die Marke, die sie verantworten. Da wird ein bisschen Eitelkeit plötzlich ein entscheidender Faktor. Umgekehrt gibt es auch Beispiele starker Marken, die zwar erfolgreich sind, dafür aber eine grauenhafte Kommunikation haben. Kreativität ist insofern keine Voraussetzung für Erfolg.

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Axel Werner ist Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

ponse unserer Rezipienten sofort in die laufende Kampagne hineinzuziehen. Agenturen wie wir müssen flexibel und schnell sein, sich sofort auf neue Gegebenheiten einstellen können. Das können wir, weil wir ein kleines Team sind und vernetzt arbeiten. Brettschneider: In der Architektur läuft das anders oder? Ottmann: Eindeutig. Ginge es nach mir, ich würde unsere Diskussion um den Erfolg erst einmal entschleunigen. Der Weg hat durchaus seine Berechtigung. Um Erkenntnisprozesse voranzubringen und nachhaltig zu arbeiten, braucht es Zeit. Wir tragen schließlich auch eine soziale Verantwortung: Unsere Produkte sind nicht heute gekauft, morgen auf dem Müll. Nein. Unsere Produkte müssen siebzig Jahre oder länger halten. Es ist sogar notwendig, mehrere Schleifen zu fahren, um der Antwort auf die Frage „Wie können wir das verantworten“ näher zu kommen. Esche: Vorhin fiel der Begriff soziale Verantwortung. Können Sie darauf ein wenig näher eingehen? Laux: Wir kreieren Physis, Stein auf Stein. Wir verbrauchen Räume in der Stadt – Räume, die der gesamten Stadtgesellschaft gehören. Deshalb sollten wir uns ihr gegenüber verantwortlich zeigen, genauso wie dem Projekt selbst, unseren Mitarbeitern, den Gesellschaftern und Finanziers. Und das braucht Zeit. Herr Kalka, insofern tun Sie mir ein bisschen leid, mit ihren schnelllebigen Kampagnen. Kalka (lacht): Und Sie tun mir wiederum leid, dass Sie in Ihrer Branche manchmal sehr viel mehr Verantwortung tragen. Bestes Beispiel: Stuttgart 21 … Lohr: Bei unserer Architektur – wir sprechen

ja auch von Markenarchitektur – übernehmen wir Verantwortung gegenüber unseren Kunden, indem wir mit Budgets effektiv umgehen. Zum Thema Moral: Wir müssen auch vertrauenswürdig bleiben und dürfen nicht an Eskimos Kühlschränke verkaufen. Kalka: Vertrauen basiert auch auf Beständigkeit. Viele Unternehmen wechseln heute ihre Namen und Kampagnen Schlag auf Schlag, wenn�s einmal nicht so gut läuft, weil sie denken, damit das Ruder nochmal herumreißen zu können. Da kann sich gar keine Kundenbindung einstellen. Ich zitiere da gern Prof. Deichsel: Wenn ich krank bin, ändere ich doch auch nicht meinen Namen. Werner: Ein verletztes Markenversprechen kann für ein Unternehmen heute das Aus bedeuten. Vertrauen ist essenziell, man muss einhalten, was man verspricht. Tut man dies nicht, wird man von der Community abgestraft. Brettschneider: Moral und Erfolg. Wie geht das zusammen? Jürgen Korzer: Viele gehen über Leichen und kämpfen auch in persönlicher Funktion um die Aufmerksamkeit der Medien. Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg aber eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen. Kalka: Die Realität sieht leider so aus, dass Menschen kurz verheizt werden, um schnellen Erfolg zu erzielen. Was viele Unternehmen außer Acht lassen: Kurzfristige Erfolge können dem langfristigen den Weg verbauen. Nämlich dann, wenn sie imageschädigend sind. Korzer: Ja, das ist ein gängiges Phänomen und typisch für Managament-geführte Unterraumbrand Dialog

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Werner: Außerdem sind emotional und manipulierend zwei Begriffe, die gern vermischt werden. Dabei sind es zwei Eigenschaften, die unbedingt getrennt betrachtet werden müssen. Emotion ist ein ganz feiner Stoff, der einer behutsamen Behandlung bedarf. Emotion transportiert im Mantel von Wärme und Vertrauen wichtige Botschaften. Manipulation jedoch nutzt das aus – und wird entlarvt.

Werner: Ja, wir sind Papst (lacht) … Korzer: … und Fußballweltmeister. Jeder will daran teilhaben. Kalka: Erfolg findet immer Nachahmer. Bestes Beispiel: Range Rover. Die haben nicht geschlafen und mit ihrem Evoque eine ganz neue Geländelimousine entwickelt. Und jetzt machen es alle anderen nach. Laux: Erfolg ist ansteckend …

Esche: Erfolg ist sexy. Alle wollen ein Stückchen vom Erfolg anderer abbekommen. Kann man Erfolg teilen?

Brettschneider: Ein Virus, das doch jeder gern bekommt … Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis? Lohr: Viele Entscheidungen im Berufsleben haben weitreichende Auswirkungen in die Zukunft. Im Rückblick bin ich stolz, dass sich gerade die aus der Sicht eines Außenstehenden gewagten Entscheidungen aus heutiger Sicht als richtig erwiesen haben. Mein privater Erfolg: Nach meinem mittlerweile zweijährigen Sohn bin ich gerade stolzer Papa eines Töchterchens geworden.

Ottmann: Aber mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wir nehmen einen Menschen doch dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat, Widersprüche erkennen lässt. Laux: Ja, da wären wir dann bei der Authentizität. Der Mensch muss mit all seinen Facetten integriert werden. Mut zum Authentischsein gehört dazu, Mut zur Leidenschaft. Das ist wie in der Markenkommunikation: Man kann einem Produkt nicht einfach so Emotionen aufdrücken, dann wirkt es unglaubwürdig. Lohr: Richtig, Kunden entscheiden sich für Marken und Produkte, weil sie sich mit ihnen identifizieren. Unsere Markenbotschaften sollen nicht nur verführen, sondern überzeugen. Und dafür müssen wir um die Bedürfnisse und die Motivation der Kunden wissen, um diese in ihrer individuellen Situation abholen zu können. Testimonials, die Image und Emotionalität der Marke ein Gesicht geben, gehören natürlich ebenso dazu. Korzer: Sind wir doch mal ehrlich: Wir alle wollen doch verführt werden.

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Werner: Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich meine Ideen materialisiert am Leben sehe, wenn ich persönlich das Gefühl habe, ein Ziel erreicht zu haben. Mein privater Zusatzerfolg ist, wenn ich meine Kinder abends noch ins Bett bringen kann.

Korzer: Erfolg ist für mich, Kunden positiv zu ihrem Erfolg zu führen. Auch das Wissen, Neuanfänge gewagt und bestanden zu haben, macht mich zuversichtlich.

Laux: Erfolg ist für mich, wenn mein Gegenüber Freude hat an dem, was ich tue. Glücksgefühle bekomme ich, wenn ich weiß, dass ich gute Arbeit geleistet habe und dabei ein freundlicher Mensch geblieben bin.

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Kalka: Mein Abitur? (lacht) Nein im Ernst. Zurzeit bin ich stolz auf mein Buch, das gerade neu erschienen ist. Es hat den Amoklauf von Winnenden, meiner Heimatstadt, zum Thema. Als Erfolg empfinde ich es, dass es von den Lesern verstanden wird. Privat sind es Momente wie dieser, wenn man sieht, dass die eigenen Kinder selbständig werden, sie schwimmen können und dass man sie gehen lassen kann und sie eigene Wege beschreiten.

Ottmann: Erfolg ist das Gefühl, ein Scheitern mit mentaler Stärke doch abgewandt zu haben.

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von Franziska Brettschneider

Architektur hängt für Bjarke Ingels von glücklichen Zufällen und Gelegenheiten ab. Das bedeutet, spontan auf Chancen zu reagieren, zu improvisieren, Ideen abzuwandeln und sie für seine Zwecke neu zu interpretieren. „Die Geschichte, die am Ende dabei herauskommt, wird oft erst im Rückblick verständlich.“ Es geht ihm um Architektur als Verhandlungssache, um einen Schritt in der Evolutionskette und um den uneingeschränkten Glauben, dass wir alle die Welt voranbringen können. Frei von Ideologien und Generationskämpfen: Das tradierte Bild eines radikalen Architekten ist das des „Angry Young Man“, der gegen das Establishment rebelliert. Avantgarde definiert sich nicht durch das, was sie bejaht, sondern durch das, was sie ablehnt. „Aber muss der Versuch, alle Seiten glücklich zu machen, auf Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen? Wäre der schier unmögliche Salto zu schaffen, sich so zu drehen, zu schrauben und zu wenden, dass alle Wünsche erfüllt werden können, ohne dabei jemand auf die Füße zu treten?“ Keine Revolution, keine Dogmatik, selbst die dialektischen Gräben Form und Funktion, Ökologie und Ökonomie sind bedeutungslos. „Mehr als Revolution interessiert uns Evolution.“ Bjarke Ingels will beweisen, dass soziale Verantwortung und Spieltrieb zusammen gehen. „Wir fragen, wie Nachhaltigkeit Spaß machen kann“, so jüngst in der ZEIT. Architektur als gemeinsamer Prozess für eine neue Lebensqualität, kein einfacher Weg, aber der Erfolg gibt Bjarke Ingels Recht – und macht Mut. München war froh, diesen ebenso agilen und eloquenten wie charmanten und humorvollen Vordenker hiergehabt zu haben, manch einer konnte sich eine Scheibe abschneiden.

Im Rausch des

Michael Lohr ist Spezialist für Marketing und Live-Kommunikation, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Fotos: © Jens Schwarz

Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs, wie lässt er sich dauerhaft halten und kann oder sollte man sogar beruflichen und persönlichen Erfolg voneinander trennen? Um sich diesen und anderen Fragen rund um das Thema Erfolg zu stellen, waren Experten aus Architektur, Immobilienwirtschaft, Design und Kommunikation der Einladung von raumbrand in die Skylounge des Süddeutschen Verlags gefolgt. Ein Gespräch über Gewinnertypen, kreative Sackgassen und nachhaltiges Wirtschaften.

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„Risikobereitschaft kommt immer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man, ob es das Risiko wert war.“ Dr. Jochen Kalka

Ruhms Axel Werner

Jürgen Korzer

ist Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

ist Diplom-Wirtschaftsingeist Chefredakteur der Fachnieur mit mehr als 20 Jahren magazine W&V (Werben & Markenerfahrung auf Verkaufen), W&V Media, Industrieseite. Nach W&V Praxis und Kontakverschiedenen Statioter aus dem EuropaIna Laux nen bei Audi, smart, Fachpresse-Verlag BMW und BMW Mo(EFV) in München. Er ist Architektin und Stadttorrad gründete er studierte Germanisplanerin. In ihrem Büro 2009 mit seinem tik, Rhetorik und Jatsch Laux in London und Geschäftspartner Politik, promovierte München arbeitet sie am Christopher Wünzum Thema MarkePuls der Zeit, von der Idee sche die Korzertingkommunikation. und Beratung bis zur AusWünsche Markenführung. Sie ist Mitglied und Kommunikader Deutschen Akademie tionsberatung für Städtebau und Landesin München. planung DASL und Kulturpreisträgerin des Bundesverbandes Deutscher Industrie BDI.

Jan Esche: Was bedeutet für Sie Erfolg? Ina Laux: Erfolg, so finde ich, kann nur jemand haben, der neue Wege beschreitet, gerade beim Thema Design. Viele Developer und Investoren haben diesen Anspruch, aber nur wenige tun es tatsächlich, unter anderem Sie, Herr Professor Ottmann. An Ihren Projekten wird dies auch sichtbar. Für mich sind Sie ein Superbeispiel für Erfolg in der Architekturentwicklung. Es kommt häufig vor, dass unsere Studenten von Projekten begeistert sind. Und dann fragen sie, wer das gebaut hat, und das sind irgendwie jedes Mal Sie. Matthias Ottmann: Oh, vielen Dank. Dass wir so erfolgreich sind, hat aber auch damit

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zu tun, dass wir uns bestimmte Freiheiten erkämpft haben und über feste Strukturen verfügen. Das ist ein wahrer Luxus. Start-ups haben es da schwerer. In München konnten wir uns an verschiedenen Objekten austoben, das machte Spaß. Vor zehn Jahren noch war es sehr viel schwerer, Pioniergeist zu demonstrieren, da Design noch kein allzu großes Thema war. Mutige Projekte brachten aber auch sehr viel Risiko mit sich, und wir fragten uns, ob sie auch angenommen werden. Esche: Dann gehört also auch eine gewisse Risikobereitschaft zum Erfolgsgeheimnis? Jochen Kalka: Risikobereitschaft kommt im-

„Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel.“ Ina Laux

Dr. Jochen Kalka Prof. Dr. Matthias Ottmann leitet seit 1994 das Unternehmen Südhausbau, seit 2004 ist er alleiniger geschäftsführenden Gesellschafter. Er hält regelmäßig Vorlesungen an der LudwigMaximilians-Universität München und ist Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL und Vorstandsmitglied im Kunstverein München e. V.

mer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man rückblickend, ob es das Risiko wert war. Ottmann: Da kann ich mich nur anschließen. Risiko gehört dazu. Man darf ja auch nicht stehenbleiben. Wir versuchen immer wieder, neue Konzepte und Ideen aufzunehmen und alte zu hinterfragen. Esche: Es geht also auch darum, sein eigenes Profil zu schärfen und seinen Leistungskatalog nachzujustieren – rational und emotional. Welcher dieser beiden Wege führt eher zum Erfolg? Michael Lohr: Nicht nur der messbare Markenwert, die Qualität eines Produktes, spielt raumbrand Dialog

Siehe auch: den Beitrag über Erfolg Seite 10 | das Gespräch über Synaptic Branding im Agenturalltag Seite 28 | den Beitrag über die Intelligenz der Crowd Seite 74

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zeichnen sich durch die frische Heransgehensweise an komplexe urbane Zusammenhänge aus und schlagen mit einfachen Mitteln neue Typologien vor. Ingels war Mitarbeiter im Office for Metropolitan Architecture und Mitbegründer von

Bjarke Ingels Group steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren.

Charakteristisch geknickte Blöcke mit gezackten Balkonen und über 80 verschiedenen Wohnungstypen: Mit dem Wohnblock „VM-House“ im neuen Stadtviertel Ørestad in Kopenhagen hat BIG seine Vision von urbaner Dichte in der Peripherie in die Realität umgesetzt.

Bjarke Ingels Gemeinsam mit den 85 Architekten, Designern und Denkern der Bjarke Ingels Group mit Sitz in Kopenhagen arbeitet der 36-jährige Däne derzeit an Projekten in Kasachstan, Mexiko und zahlreichen anderen Ländern. Seine unkonventionellen Entwürfe

Plot Architects, bevor er sich 2005 mit BIG selbstständig machte. Er wurde unter anderem 2004 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem Preis des World Architecture Festivals 2008 ausgezeichnet.

Yes is more

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von Franziska Brettschneider

Die Nationalbibliothek Kaschstan: Ein Kreis, eine Rotunde, ein Bogen und eine Jurte geraten zu einer Endlos-Schleife, die mit einem spektakulären Doppel-Looping ihre Form vollendet. Die Idee, Form und Klarheit der linearen Organisation vereint Raum und Zeit zu einem neuen NationalSymbol, ein modernes, zeitloses und effizientes Bücherarchiv, das die Öffentlichkeit erreicht.

wie es Bjarke Ingels einmal in Volume umriss. „Uns interessiert das Grundphänomen der Veränderung.“ Und: „Wenn eine Stadt nicht die Lebensbedingungen bietet, die wir uns wünschen, müssen wir sie ändern. Wir haben die Architektur erschaffen, wir haben die Stadt erschaffen – also können wir sie auch neu erschaffen, verändern, entwickeln.“ Dabei wird für ihn die Idee einer proaktiven Architektur immer interessanter, seinen eigenen Auftrag zu entwickeln und jemand anderen dazu bringen zu können, das Projekt haben zu wollen. Die Architekten haben sich mit dem Gedanken einer pragmatischen Utopie beschäftigt und versucht, das Streben der Moderne nach großen Ideen wiederzubeleben. „Nicht nur als Mittel zur Selbstverwirklichung, viel mehr noch, um der Welt ein Mittel zu geben, sich immer wieder selbst zu erneuern.“ Der Architekt als Hebamme bei dieser ständigen Wiedergeburt einer Welt, in der wir leben möchten, als Think Big und Unit Control.

Fotos: © BIG, © Ulrik Jantzen, © Jonas Barre, © Carsten Kring, © Mads Hilmer, © Johan Fowelin, © Esben Bruun, © Jimmy Cohrssen

München war da, alles, was Rang und Namen und Geld hat. Klar, dass es an Schaulustigen nicht gemangelt hat, wo es doch um Architektur und um die Kultivierung des Schönen und Anspruchsvollen ging. Sie hatten sich auf den Weg in Richtung Museumsquartier gemacht, in die kleine und feine Architekturgalerie. Ein Gedrängel, ein Geschiebe, ein Gewusel, jeder wollte Bjarke Ingels, den Shootingstar der internationalen Architektenszene erleben. Schon lange fällt der smarte Däne, der nun auch in Harvard lehrt, durch unorthodoxe Entwürfe auf. Sein prämiertes „Mountain Dwellings“ in Kopenhagen oder der dänische Pavillon in Shanghai zeigen, dass der Begriff Architektur noch erweiterbar ist. Ein Blick durchs Schlüsselloch in die IdeenBjarke Ingels Seite 14 schmiede Group s.

Das World Village of Women Sports in Malmö als eine „Stadt in der Stadt“: Die massive Blockrandbebauung mit den städtebaulich überhöhten Ecken wird durch große Einschnitte und Terrassierung der Baukörper geöffnet. Die öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze im Inneren des Komplexes sind frei zugänglich und sollen dem Zentrum ein eher „dörfliches“ Ambiente geben.

Das Rathaus in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Versuch, Demokratie mit einem architektonischen Konzept zu verbinden: „Gute Stadtpolitik und das Teilhaben an Demokratie sind nur möglich, wenn es dafür die nötige Transparenz gibt. „… Demokratie leben heißt, dass die Öffentlichkeit Einblicke in die politischen Prozesse erhält.“

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Axel Werner: Einerseits haben wir den Erfolg, andererseits die Illusion eines Erfolgs. Bei vielen Kampagnen sind weder Ziel noch Resultat erkennbar, dennoch werden sie als erfolgreich gefeiert. Da stellt sich die Frage, ob es sich nun um einen tatsächlichen Erfolg handelt. Ein wichtiger Punkt ist doch, dass eine Zielsetzung da ist, um Erfolge zu messen. Das Streben nach dem Optimum hört nie auf. Bei der Erfolgsplanung ist das Ziel das erste, das stehen muss. Wer hier nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ handelt, wird niemals Erfolg haben. Denn sind wir mal ehrlich: Erfolg hat immer auch etwas mit Wettbewerb und Zielerreichung zu tun – bewusst oder unbewusst. Wir buhlen um Budgets, um Aufmerksamkeit oder um Leser. Jeder will ganz vorn mit dabei sein, das ist ganz sozialdarwinistisch begründet.

Esche: Ein Stück weit gilt es demnach auch, den Kunden zu etwas Neuem zu verführen. Und dabei ist das richtige und geschickte Wording nötig … Kalka: Das stimmt – allerdings nur zum Teil. Es heißt ja „Erfolg kommt nicht von allein“, um mal bei den Sprüchen zu bleiben. Ergo: Schöne Worte allein reichen nicht aus; Inszenierung oder Kreation sind nicht alles. „Sophisticated campaigns“, also anspruchsvolle und tiefgründige Werbekampagnen, die einzelne Personen akribisch geplant haben, machen sich toll auf Kreativ-Wettbewerben, ernten große Anerkennung. Doch immer wieder erleben wir, dass gerade die nicht funktionieren, dass sie an der Zielgruppe vorbeigehen und der Erfolg ausbleibt. Unsere Branche neigt dazu, sich zu überschätzen. „Erfolg“ wird oft missverstanden und mit Eitelkeit verwechselt. Viele Agenturchefs und Entscheider tendieren dazu, sich selbst zu inszenieren, statt die Marke, die sie verantworten. Da wird ein bisschen Eitelkeit plötzlich ein entscheidender Faktor. Umgekehrt gibt es auch Beispiele starker Marken, die zwar erfolgreich sind, dafür aber eine grauenhafte Kommunikation haben. Kreativität ist insofern keine Voraussetzung für Erfolg.

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Preisgekrönt für den phantasievollen Umgang mit eingeschränkten Mitteln und die geschickte Verbindung von außen und innen: Die über verunreinigtes Erdreich gelegte durchgängige Holzplattform aus Terrassen, Hügeln und Räumen des Maritime Youth House am Öresund in Kopenhagen.

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ponse unserer Rezipienten sofort in die laufende Kampagne hineinzuziehen. Agenturen wie wir müssen flexibel und schnell sein, sich sofort auf neue Gegebenheiten einstellen können. Das können wir, weil wir ein kleines Team sind und vernetzt arbeiten. Brettschneider: In der Architektur läuft das anders oder? Ottmann: Eindeutig. Ginge es nach mir, ich würde unsere Diskussion um den Erfolg erst einmal entschleunigen. Der Weg hat durchaus seine Berechtigung. Um Erkenntnisprozesse voranzubringen und nachhaltig zu arbeiten, braucht es Zeit. Wir tragen schließlich auch eine soziale Verantwortung: Unsere Produkte sind nicht heute gekauft, morgen auf dem Müll. Nein. Unsere Produkte müssen siebzig Jahre oder länger halten. Es ist sogar notwendig, mehrere Schleifen zu fahren, um der Antwort auf die Frage „Wie können wir das verantworten“ näher zu kommen. Esche: Vorhin fiel der Begriff soziale Verantwortung. Können Sie darauf ein wenig näher eingehen? Laux: Wir kreieren Physis, Stein auf Stein. Wir verbrauchen Räume in der Stadt – Räume, die der gesamten Stadtgesellschaft gehören. Deshalb sollten wir uns ihr gegenüber verantwortlich zeigen, genauso wie dem Projekt selbst, unseren Mitarbeitern, den Gesellschaftern und Finanziers. Und das braucht Zeit. Herr Kalka, insofern tun Sie mir ein bisschen leid, mit ihren schnelllebigen Kampagnen. Kalka (lacht): Und Sie tun mir wiederum leid, dass Sie in Ihrer Branche manchmal sehr viel mehr Verantwortung tragen. Bestes Beispiel: Stuttgart 21 … Lohr: Bei unserer Architektur – wir sprechen

zu Erfolgsgeschichten

ja auch von Markenarchitektur – übernehmen wir Verantwortung gegenüber unseren Kunden, indem wir mit Budgets effektiv umgehen. Zum Thema Moral: Wir müssen auch vertrauenswürdig bleiben und dürfen nicht an Eskimos Kühlschränke verkaufen. Kalka: Vertrauen basiert auch auf Beständigkeit. Viele Unternehmen wechseln heute ihre Namen und Kampagnen Schlag auf Schlag, wenn�s einmal nicht so gut läuft, weil sie denken, damit das Ruder nochmal herumreißen zu können. Da kann sich gar keine Kundenbindung einstellen. Ich zitiere da gern Prof. Deichsel: Wenn ich krank bin, ändere ich doch auch nicht meinen Namen. Werner: Ein verletztes Markenversprechen kann für ein Unternehmen heute das Aus bedeuten. Vertrauen ist essenziell, man muss einhalten, was man verspricht. Tut man dies nicht, wird man von der Community abgestraft.

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„Wir nehmen einen Menschen dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat.“ Prof. Dr. Matthias Ottmann

Brettschneider: Moral und Erfolg. Wie geht das zusammen? Jürgen Korzer: Viele gehen über Leichen und kämpfen auch in persönlicher Funktion um die Aufmerksamkeit der Medien. Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg aber eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen. Kalka: Die Realität sieht leider so aus, dass Menschen kurz verheizt werden, um schnellen Erfolg zu erzielen. Was viele Unternehmen außer Acht lassen: Kurzfristige Erfolge können dem langfristigen den Weg verbauen. Nämlich dann, wenn sie imageschädigend sind. Korzer: Ja, das ist ein gängiges Phänomen und typisch für Managament-geführte Unterraumbrand Dialog

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Esche: Was zeichnet eine erfolgreiche Person aus? Korzer: Konsequenz ist wichtig, um Hindernisse überwinden zu können, und ein langer Atem. Erfolgreiche Menschen fällen unbequeme Entscheidungen. Wer stets „Everybody�s Darling“ sein möchte, kommt nicht weit. Unmoralisch und verletzend darf man dennoch nicht werden. Und Erfolgsmenschen beziehen auch Stellung. Laux: Wer erfolgreich sein will, muss immer wieder an seine Grenzen gehen, das Beste, das Maximum versuchen herauszuholen. Man muss auch mal über den eigenen Schatten springen können. Es braucht eine Menge Mut – und Mut zum Scheitern. Kalka: Das sehe ich anders. Manche überschreiten ihre Grenzen und merken es nicht einmal. Sie sind vom Erfolg geblendet und gierig nach immer mehr. Dass ihr Höhenflug aber bewirkt, dass sie klaffende Löcher ignorieren, dass ihre Entscheidungen fehlschlagen, das ist sehr gefährlich. Werner: Erfolgreich im Job sind oft die Fleißigen, die konsequent bleiben und dann das notwendige Quäntchen Glück mitnehmen. Eins müssen wir doch zugeben: Wäre Erfolg sicher, wäre er nicht so begehrenswert. Deshalb muss man meistens hart um ihn kämpfen.

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Werner: Außerdem sind emotional und manipulierend zwei Begriffe, die gern vermischt werden. Dabei sind es zwei Eigenschaften, die unbedingt getrennt betrachtet werden müssen. Emotion ist ein ganz feiner Stoff, der einer behutsamen Behandlung bedarf. Emotion transport

nehmen, in denen jeder eher auf den nächsten Karriereschritt fokussiert ist, als die übergeordneten Unternehmensziele im Auge zu haben. Dieses Verhalten finden sie bei Eigentümer-geführten Unternehmen fast nie vor, und das bringt Konstanz, Stabilität und Erfolg.

„Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen.“ Jürgen Korzer Franziska Brettschneider: Es irrt der Mensch solang’ er strebt … Das Ziel hat manch einer vielleicht ganz klar vor Augen. Doch schnell kann aus einer Zielgeraden eine Schlangenlinie werden, vor allem dann, wenn viele Köche an dem Erfolgsrezept mitmischen. Frau Laux, wie schafft man es, zielgerichtet zu arbeiten, wenn viele Interessen gebündelt werden müssen? Laux: Das ist es ja gerade: In der Stadtplanung haben wir nicht dieses eine Ziel, wir müssen flexibel bleiben, um die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen zu können. Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel. Lohr: Aber auch bei uns in der Kommunikation haben sich die Strategien maßgeblich verändert, gerade weil immer die Gefahr besteht, in „kreative Sackgassen“ zu geraten, wenn man einen Weg konsequent verfolgt und zu eitel ist, den Kurs während einer laufenden Kampagne neu auszurichten. Großes Erfolgspotenzial hat das Synaptic Branding – eine von uns weiterentwickelte Form der integrierten Kommunikation, bei der wir alle Disziplinen der Kommunikation intelligent vernetzen . Dadurch entsteht ein stetiger Dialog zwischen Zielgruppe und Kampagne, der es ermöglicht, auf anspruchsvolle, sich schnell verändernde Forderungen, die sich durch immer komplexer werdende Märkte ergeben, einzugehen. Wir müssen ja auch immer bedenken, dass es nicht um unseren Erfolg geht, sondern um den unserer Kunden. Kurz: Es gilt, so schnell wie möglich den Return of Invest zu erreichen. Werner: Wir nutzen viel Dialogmarketing und Social-Media-Kanäle , um die Befindlichkeiten der Kunden aufzuspüren und die Res-

eine Rolle – die gehört mittlerweile zum Standard und ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – sondern ebenso wichtig sind weiche Faktoren: Zu circa 80 Prozent sind nach neuesten Umfragen Image, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit einer Marke verantwortlich für ihren Erfolg beim Verbraucher. Marken erfahren heutzutage neue Werte, und diese mit einer emotionalen Ansprache zu kommunizieren, erfordert Mut. Es heißt ja nicht ohne Grund „der Erfolg gehört den Mutigen“.

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Wo eg das Gehe mn s des Er o gs? E n Exper engespräch über Gew nner ypen krea ve Sackgassen und nachha ges W r scha en

Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis? Lohr: Viele Entscheidungen im Berufsleben haben weitreichende Auswirkungen in die Zukunft. Im Rückblick bin ich stolz, dass sich gerade die aus der Sicht eines Außenstehenden gewagten Entscheidungen aus heutiger Sicht als richtig erwiesen haben. Mein privater Erfolg: Nach meinem mittlerweile zweijährigen Sohn bin ich gerade stolzer Papa eines Töchterchens geworden.

Ottmann: Aber mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wir nehmen einen Menschen doch dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat, Widersprüche erkennen lässt. Laux: Ja, da wären wir dann bei der Authentizität. Der Mensch muss mit all seinen Facetten integriert werden. Mut zum Authentischsein gehört dazu, Mut zur Leidenschaft. Das ist wie in der Markenkommunikation: Man kann einem Produkt nicht einfach so Emotionen aufdrücken, dann wirkt es unglaubwürdig. Lohr: Richtig, Kunden entscheiden sich für Marken und Produkte, weil sie sich mit ihnen identifizieren. Unsere Markenbotschaften sollen nicht nur verführen, sondern überzeugen. Und dafür müssen wir um die Bedürfnisse und die Motivation der Kunden wissen, um diese in ihrer individuellen Situation abholen zu können. Testimonials, die Image und Emotionalität der Marke ein Gesicht geben, gehören natürlich ebenso dazu. Korzer: Sind wir doch mal ehrlich: Wir alle wollen doch verführt werden.

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Werner: Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich meine Ideen materialisiert am Leben sehe, wenn ich persönlich das Gefühl habe, ein Ziel erreicht zu haben. Mein privater Zusatzerfolg ist, wenn ich meine Kinder abends noch ins Bett bringen kann.

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Korzer: Erfolg ist für mich, Kunden positiv zu ihrem Erfolg zu führen. Auch das Wissen, Neuanfänge gewagt und bestanden zu haben, macht mich zuversichtlich.

Laux: Erfolg ist für mich, wenn mein Gegenüber Freude hat an dem, was ich tue. Glücksgefühle bekomme ich, wenn ich weiß, dass ich gute Arbeit geleistet habe und dabei ein freundlicher Mensch geblieben bin.

Kalka: Mein Abitur? (lacht) Nein im Ernst. Zurzeit bin ich stolz auf mein Buch, das gerade neu erschienen ist. Es hat den Amoklauf von Winnenden, meiner Heimatstadt, zum Thema. Als Erfolg empfinde ich es, dass es von den Lesern verstanden wird. Privat sind es Momente wie dieser, wenn man sieht, dass die eigenen Kinder selbständig werden, sie schwimmen können und dass man sie gehen lassen kann und sie eigene Wege beschreiten.

Ottmann: Erfolg ist das Gefühl, ein Scheitern mit mentaler Stärke doch abgewandt zu haben.

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80 Zündstoff 81 | 82 Term ne | Qu z | Vorschau | mpressum raumbrand 1.11

Inhalt

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N E D E K ENTDEC

R E D S L U P CITY

Die Range Rover EvoquE Style Awards Die Range Rover EvoquE Style Awards werden in den Kategorien Design, Fashion und Music ausgeschrieben. Junge ambitionierte Designer und Musiker sind aufgerufen, Fashion, Look und Sound der modernen Metrocities zu entwerfen und sich gegenseitig zu inspirieren. Jetzt mehr erfahren www.evoque-style.de


Editorial

Geschwindigkeit … … ist in der heutigen Zeit eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Innovationsreize werden in immer atemberaubenderem Tempo in Unternehmensstrategien umgesetzt. Durch die clevere Nutzung von Schwarmintelligenz werden Findungsprozesse verkürzt und dadurch Marktvorteile errungen, die den entscheidenden Vorsprung auf dem Weg an die Spitze bedeuten. Die intelligente Vernetzung der durch den immer rasanteren technischen Fortschritt ermöglichten neuen Dialog- und Kommunikationswege hat Markenführung effizienter denn je gemacht. So ist die integrierte Kommunikation durch die langen Wege zwischen Planung und Umsetzung und ihre mangelnde Anpassungsfähigkeit an immer aktuellere Erkenntnisse und Marktforschungsergebnisse zu einem toten Ast der Evolution geworden. Sie wird heute durch die synaptische Markenführung ersetzt, die durch die enge Vernetzung aller Projektbestandteile mit ihrer flexiblen, wandlungsfähigen Umsetzung unmittelbar und spontan neue Bedingungen berücksichtigt. Diesen schnellen Wandel hat auch raumbrand als das Magazin für Kommunikation und synaptische Markenführung vollzogen. Seit der Erstausgabe im Jahre 2004 hat sich raumbrand zum anerkannten Branchensprachrohr entwickelt – zu einer Plattform, die das Thema Markenführung informativ und

unterhaltsam aus unterschiedlichen Blickrichtungen beleuchtet. Mit der Ihnen vorliegenden Ausgabe zum Thema Erfolg haben wir das Re-Design von raumbrand genutzt, ein neues Kommunikationsportal zu schaffen, das synaptisch Print- und Online-Medien verknüpft und somit deren Grenzen verschmelzen lässt. Ein Online-Auftritt nicht als Adaption der Printversion oder als Addition zum gedruckten Wort, sondern beide Kommunikationswelten als sinnvoll verknüpfte Bausteine mit dem Ziel eines permanenten Dialogs innerhalb unserer Branche. Neue Technologien öffnen die Kommunikationseinbahnstraße Print zur Dialogplattform im Netz. raumbrand öffnet die Türen zur Kommunikation der Zukunft. Das gedruckte Magazin als Vorlage zur Diskussion, die online fortgeführt wird. Hier finden sich die Begegnungsräume, in denen sich die Branche tagesaktuell über neueste Entwicklungen und Trends austauscht. Im nächsten Magazin fließen dann die Ergebnisse dieser Diskussionen wieder in die gedruckte Ausgabe ein – und eröffnen neue Themenfelder. Wir freuen uns, gemeinsam mit Ihnen in eine neue Welt der Kommunikation einzusteigen und dabei in einen neuen kreativen Dialog zu treten.

Nr. 1

Die Erfolgs­ausgabe

Udo Wittmann und Günter Maria Bregulla

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raumbrand-Website www.raumbrand.de raumbrand-Magazin Magazin für Kommunikation und synaptische Markenführung

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1 . 2011 www.raumbrand.de ISSN 1613-3501 8 Euro

Fotos: © Jens Schwarz

Die raumbrand-Medienwelt

Schwerpunkt

ERFOLG BIG Architecture Synaptic Branding Mythos Lamborghini

Editorial

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Aktuell

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Aktuell

Sieben

Ereignisse, bei denen wir es schade fänden, wenn Sie sie versäumten.

Fotos: Münchner Stadtmuseum / © Institut Heidersberger, Wolfsburg; Münchner Stadtmuseum / © 2010 Bernd und Hilla Becher, courtesy Schirmer, Mosel; Fondation Beyerler / © 2011, ProLitteris, Zürich; Kunstmuseum Wolfsburg / © Marc Tops; © Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur; © Deutsches Museum; Bucerius Kunst Forum / © Gerhard Richter, Köln 2011

1 Industriezeit Ab 1855 entstand mit der Industriefotografie ein neues Genre, dem sich viele bedeutende europäische Fotografen im Auftrag von Eisenbahngesellschaften, Bauträgern, Architekten oder Industrieunternehmen zuwandten. Zahlreiche Bauten moderner Ingenieurskunst wurden seitdem als bildwürdig erachtet. Die Ausstellung im Stadtmuseum München zeichnet die Entwicklung der Industriefotografie von den Anfängen bis zur Gegenwart an Beispielen von Franz Hanfstaengl, Georg Böttger, Francis Frith, Peter Keetman, Toni Schneiders, Ludwig Windstoßer oder Joachim Brohm nach. 15.04. – 11.09.2011 www.stadtmuseum-online.de

2 Bergwerke und Hütten Das Ehepaar Bernd und Hilla Becher hat über vierzig Jahre an einer Bestandsaufnahme der Industriearchitektur im Ruhrgebiet, insbesondere den für diese Region typischen Bergwerken und Stahlhütten gearbeitet. Zum ersten Mal wird in einer Ausstellung im Stadtmuseum München dieser Bereich ihres Schaffens systematisch erschlossen. Dabei konzentriert sich die Werkschau nicht auf einzelne Gebäude, sondern nimmt die Anlagen als ganze und ihre Situierung innerhalb des Stadtoder Naturraums in den Blick. Dieser von den Bechers „Industrielandschaft“ genannte Bildtypus stellt das Ruhrgebiet in Bezug zu vergleichbaren Komplexen in Bayern und anderen Regionen Deutschlands, in Europa und den USA. Die für die Geschichte der Region so wichtige Sprache der Industriearchitektur findet hier zu einer gültigen Darstellung. 20.05. – 11.09.2011 www.stadtmuseum-online.de

3 Ruhend – in Raum und Zeit Die Fondation Beyeler widmet ihre Sommerausstellung dem Schaffen von Constantin Brancusi (1876 – 1957) und Richard Serra (*1939) und führt so einen Wegbereiter der modernen Skulptur mit dem bedeutendsten Bildhauer der Gegenwart zusammen. Brancusis sinnliche Formgestaltung seiner poetischen Skulpturen aus Marmor, Bronze, Holz und Gips wird Serras mini-

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malistischen Stahlplastiken gegenübergestellt. Dabei zeigen sich Gemeinsamkeiten und treffen spannungsvolle Kontraste aufeinander, die die Macht und dynamische Kraft von Skulptur unmittelbar im Raum erfahrbar machen. Gezeigt werden berühmte Skulpturen von Brancusi wie der Kuss, die Musen und Vögel sowie zentrale Werke von Serra.

und Freundschaftsbilder“ und „Das neue Berlin“ als vitale Stadt der alternativen Lebensentwürfe und erweist sich als aufmerksamer Beobachter der neuen deutschen Hauptstadt.

22.05. – 04.09.2011 www.fondationbeyeler.ch

Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Jahren des Wiederaufbaus blühte die Bundesrepublik auch dank technischer Innovationen wieder auf. Das „Wirtschaftswunder“ begann sichtbar zu werden. Die späten Fünfzigerjahre stehen für die bunte Zeit der Nierentische, Petticoats und Cocktailsessel – und sie stehen für den Einzug der Technik in die Privathaushalte: mit Waschvollautomat und Föhn, Toaster und Kühlschrank, Plattenspieler und Fernseher. Das Deutsche Museum wirft einen Blick auf die „geliebte Technik der 1950er Jahre“. Auf 15 Themeninseln mit Exponaten zum Wohnen und Kochen, Auto- und Motorradfahren, Fernsehen und Musizieren und vielem mehr, werden das Lebensgefühl und die Wirtschaftsleistung dieses Jahrzehnts dargestellt.

4 Zwischen Haut und Kleid Die Ausstellung Art & Fashion widmet sich dem spannenden Dialog zwischen Kunst und Mode. Kunst und Mode finden immer dort zueinander, wo neue, bisher ungewohnte visuelle Entdeckungen gemacht, Materialien ausprobiert oder gängige Schönheitsideale kritisiert werden. Mode reflektiert auf sinnliche, aber auch auf konzeptuelle Weise unsere moderne Kultur. Seit den 1980er-Jahren erforschen beispielsweise japanische Designer wie Yohji Yamamoto oder Comme des Garçons die Grenzen der Kleidung und ihrer Bedeutungen. Nach der Jahrtausendwende präsentieren Viktor & Rolf oder Hussein Chalayan ihre Modeschauen wie Kunstinstallationen. Das Herz der Ausstellung bilden Werke von Christopher Coppens, Naomi Filmer, Viktor & Rolf, Walter van Beirendonck, Anna Nicole Ziesche und Hussein Chalayan. Bis 07.08.2011 www.kunstmuseum-wolfsburg.de

5 Berlin Der Titel der Ausstellung benennt eine der wichtigsten Stationen in Leben und künstlerischer Entwicklung des Malers der Neuen Wilden Rainer Fetting. Seit 1972 hielt er die besondere Stimmung im Westteil der Stadt fest, die zwar durch die Mauer eingeengt war, aber von der mit Studentenrevolte und Schwulen-Bewegung wichtige Impulse für die bundesdeutsche Gesellschaft ausgingen. Fetting wurde ein sensibler Beobachter der Stadt und ihrer (Kunst)Szenen. So zeigt die Ausstellung die in kräftig bestimmtem Duktus ausgeführten „Mauerbilder“. Fetting zeigt Berlin mit den Werkgruppen „Mauerbilder“, „Drummer und Gitarrist“, „Rollenspiele

Bis 12.09.2011 www.berlinischegalerie.de

6 Wunder der Welt

Bis 10.2011 www.deutsches-museum.de

7 Bilder einer Epoche Gerhard Richters großformatige Gemälde nach Photos aus den 1960er-Jahren haben Kunstgeschichte geschrieben. Mit seinem unbedingten Beharren auf Malerei stellte Richter sich gegen den „Ausstieg aus dem Bild“. Er griff dabei auch die Wunschbilder der Zeit auf: Die Glücksversprechungen des Wirtschaftswunders spiegelten sich in der Werbung und in den Illustrierten: schnelle Autos, exotische Reiseziele, glamouröse Filmstars. Die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum wirft einen neuen Blick auf die damals entstandenen Werke, die in ihrem Zeitbezug als Bilder einer Epoche gelten. Viele von Ihnen haben sich in das Bildgedächtnis der Moderne eingeschrieben. Das gilt auch für den Zyklus 18. Oktober 1977 (1988) zum Tod der RAFMitglieder in Stammheim, ein Schlüsselwerk Richters und eine neue Art von Historienbild. Bis 15.05.2011 www.buceriuskunstforum.de

Aktuell

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„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“

Albert Einstein, 1879 – 1955


Fotos: © NOMOS Glashütte; © Walter Knoll; © BMW; © Gläserne Manufaktur Dresden; © Lamborghini; Ingenhoven Architects / © H. G. Esch; BIG / © Stange; Nils Holger Moormann / © Jäger & Jäger

„Erfolg hat viele Väter“. Das weiß jeder; doch am Ende kann es nur einer gewesen sein. Formulieren wir diese Plattitüde ein wenig um und nennen es lieber „Erfolg trägt viele Namen“. Und die kennt man hinreichend: Apple, Porsche, Range Rover, aber auch Nomos und die Bionade. Barack Obama, John F. Kennedy, Helmut Schmidt, dazu Joschka Fischer und Alice Schwarzer, Norman Foster, Meinhard von Gerkan, Frank O. Gehry und Rem Koolhaas.   Aber auch der deutsche Gartenzwerg ist ein Erfolgsmodell. Erfolg ist wie eine Schimäre oder wie Bänkelsänger Freddie Quinn einst räsonierte, „nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern“. Dabei war er mit seinem Leben der Gegenbeweis. Als Definition von Erfolg gilt ganz einfach das „positive Ergebnis einer Bemühung“. Damit sind Anerkennung und meist Durchbruch auf dem erfolgreichen Weg ins Leben gegeben. Erfolg – das sind die vier großen G: Gedeihen, Gelingen, Gewinn, Glück.   Erfolg paart sich ganz konsequenterweise mit Macht, Einfluss und Entscheidungsgewalt. Superlative oder summa cum laude sind die entsprechenden Attribute. Und es kommt noch besser: Erfolg ist objektiv messbar – in Kurven, in Tabellen, in Bilanzen. Der Homo oeconomicus braucht das so, denn es verleiht ihm Sicherheit. Über diesen objektiven Erfolg  kann man streiten oder auch nicht; er gilt für Unternehmen, für Pro-

dukte, für Systeme und Strukturen. Man kann ihn als Autopiloten durch das wirtschaftliche Leben gebrauchen. Immer sind dabei Zahlen und Zensuren im ernsten Spiel. Länger, weiter, höher lautet das inoffizielle Motto der größten Sportveranstaltung der Welt, den Olympischen Spielen. Erfolg ist objektiv, persönlichen Erfolg zu erzielen, ist schwieriger. Dann wird der Erfolg subjektiver, emotionaler und damit kompliziert. Wenn man als WikiLeaks erfolgreich sein kann, hat das auch etwas Subversives. Mehr noch – Erfolg ist ambivalent und manchmal das genaue Gegenteil von dem, was erwartet war. Es gibt den alternativen Nobelpreis und alternative Festivals. Dort kann man auch sehr erfolgreich sein. Manchmal bleibt der Erfolg für die Öffentlichkeit auch unsichtbar – für die anderen. Albert Einstein würde es gefallen.

„Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen!“ (Sprichwort aus Frankreich) Der kleine Leitfaden für die Führerscheinprüfung mit dem Thema persönlicher Erfolg beginnt mit der Zieldefinition. Denn auf dem Marsch zum Erfolg ist diesmal der Weg nicht das Ziel (allein), denn ohne klare Absichten hat man die Lufthoheit schon verloren, bevor

„Erfolg hat viele Väter“. Das weiß jeder; doch am Ende kann es nur einer gewesen sein. Formulieren wir diese Plattitüde ein wenig um und nennen es lieber „Erfolg trägt viele Namen“. Und die kennt man hinreichend: Apple, Porsche, Range Rover, aber auch Nomos und die Bionade. Barack Obama, John F. Kennedy, Helmut Schmidt, dazu Joschka Fischer und Alice Schwarzer, Norman Foster, Meinhard von Gerkan, Frank O. Gehry und Rem Koolhaas. Aber auch der deutsche Gartenzwerg ist ein Erfolgsmodell. Erfolg ist wie eine Schimäre oder wie Bänkelsänger Freddie Quinn einst räsonierte, „nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern“. Dabei war er mit seinem Leben der Gegenbeweis. Als Definition von Erfolg gilt ganz einfach das „positive Ergebnis einer Bemühung“. Damit sind Anerkennung und meist Durchbruch auf dem erfolgreichen Weg ins Leben gegeben. Erfolg – das sind die vier großen G: Gedeihen, Gelingen, Gewinn, Glück. Erfolg paart sich ganz konsequenterweise mit Macht, Einfluss und Entscheidungsgewalt. Superlative oder summa cum laude sind die entsprechenden Attribute. Und es kommt noch besser: Erfolg ist objektiv messbar – in Kurven, in Tabellen, in Bilanzen. Der Homo oeconomicus braucht das so, denn es verleiht ihm Sicherheit. Über diesen objektiven Erfolg kann man streiten oder auch nicht; er gilt für Unternehmen, für Pro-

Fotos: © NOMOS Glashütte; © Walter Knoll; © BMW; © Gläserne Manufaktur Dresden; © Lamborghini; Ingenhoven Architects / © H.G. Esch; BIG / © Stange; Nils Holger Moormann / © Jäger&Jäger

„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“

Zur Munich Creative Business Week (MCBW) und zur iF design award night in der BMW Welt München am 10. Februar 2012 siehe Seite 68.

Oben: Erfolgsträger Ingenhoven Architects, die weltweit führende Innovations- und Kreativschmiede in Düsseldorf, die sich für nachhaltige und ökologisch orientierte Architektur einsetzt. Unten: Erfolgsträger Bjarke Ingels Group, Newcomer der internationalen Architekturszene. Ebenso unkonventionell wie das Büro ist ihre Arbeit, die gewohnte Grundmuster herausfordert und bessere Lösungen verspricht. Seite 58.

14 Schwerpunkt Erfolg

ist. Die Belohnung heißt Erfolgserlebnis; und sind viele kleine davon nicht mehr als ein großes, das zu selten eintritt? Carpe diem – dieses alte Rezept, die etwa 8760 Stunden und Millionen von Momenten eines Jahres spontan und sinnvoll zu gestalten und nicht mit hausgemachtem Druck zu vernichten, heißt, den langen Weg zum Erfolg anständig zu nutzen. Auf diese Weise ist dann ganz subjektiv auch der Weg zum Ziel komfortabel. Den Moment zu nutzen, bringt eine Kette gefühlter Erfolge. Manch einer sagt auch Glücksmomente dazu. Und Glück – wir erinnern uns – ist eines der großen G. Und in einem solchen Glücksmoment darf man dann doch einmal auch die Latte ein bisschen höher legen lassen, und dann klappt es auch mit dem Superlativ. Nur – man weiß vorher nie genau wann, ja wann, das eintrifft. Erfolg zu haben und zu wollen, ist also mehr als eine rechnerische Angelegenheit der Zahlen und Statistiken, es könnte der Schlüssel zu einem befriedigten Leben sein. Und das wünscht sich jeder.

„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“ (Andy Warhol) Doch zurück zum Alltag und zur Frage, wie geht man als Unternehmen mit dem Erfolg um? Man braucht ihn, um Geld zu verdienen, um Ideen durchzusetzen, um Mitarbeiter zu motivieren und Kunden glücklich zu machen. Um Erfolgsprodukte im Sortiment zu haben,

Zur Munich Creative Business Week (MCBW) und zur iF design award night in der BMW Welt München am 10. Februar 2012 siehe Seite 68.

Oben: Erfolgsträger Ingenhoven Architects, die weltweit führende Innovations- und Kreativschmiede in Düsseldorf, die sich für nachhaltige und ökologisch orientierte Architektur einsetzt. Unten: Erfolgsträger Bjarke Ingels Group, Newcomer der internationalen Architekturszene. Ebenso unkonventionell wie das Büro ist ihre Arbeit, die gewohnte Grundmuster herausfordert und bessere Lösungen verspricht. Seite 58.

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benötigt man Ideen und Nachfrage. Leider wissen das auch die Konkurrenten, und deshalb kommt es auf das kleine Extra beim Produkt an, nach dem Motto, „was kann Ihre Katze, was die anderen nicht können?“ Sie wissen, lieber Leser, dass raumbrand sich genau darum kümmert und sich leidenschaftlich so genannten dreidimensionalen Markenwelten verschrieben hat, die ganz besonders sind. Sie zu hofieren und durch das Dickicht des Alltags zu chauffieren – raumbrand schafft Raum für neue Ideen und gibt Anstöße. Für den Erfolg müssen Sie selbst sorgen, aber die Spuren sichtbar zu machen, die dazu führen – dabei können wir helfen. Eine führt zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Andy Warhol (1928 – 1987) seine Kunst dem Alltag entliehen hat. Als gelernter Werbegrafiker hat er aus Werbung Kunst gemacht und mit Kunst Werbung: Artefakt wörtlich genommen. Dieser Warhol nannte die Ästhetik unserer Tage Erfolg. Aber der Erfolg darf auch eine gewisse Ästhetik behalten. Bezogen auf Autos, Möbel und andere gut gemachte Produkte wie das iPhone bedeutet es wohl, dass Quantitätserfolge der hohen Verkaufszahlen allein nicht ausreichen. Was kann ihre Katze, und wie schön und elegant bewegt sie sich dabei? Wertig ist ein Erfolgswort dieser Tage, und häufig ist es heute so, dass der Wert einer Wohnung nicht allein durch Lage und Nutzungsqualität sich definieren lässt, sondern als zusätzlicher Anzeiger des Erfolges gehören schöner Marmor in die Küche und edle Hölzer auf den Boden. Und

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faktur am am Großen Garten in Dresden ist eine gebaute Visitenkarte von Erfolg, ähnlich wie die BMW-Welt in München , die mit ihrer gigantischen „Wolken-Konstruktion“ immer wieder suggeriert, bei BMW ist technisch alles machbar, was denkbar ist.

„Wer oft schießt, trifft endlich!“ (dt. Sprichwort) Erfolg ist manchmal ein Lüftchen, das sich bewegt und sich niemals einfangen lässt. Wer den Erfolg konservieren will, muss genau hinschauen, hart arbeiten, wie Gerry McGovern, Chefdesigner der Erfolgsmarke Landrover, in raumbrand 3/2010 im Interview sagte: „Der neue Evoque entwickelt das Range-RoverDesign mutig weiter, indem er die klassischen Designmerkmale des Range Rover neu interpretiert und dabei treu zu den Markenwerten steht.“ Schon der erfolgreiche Erfinder Thomas Alvar Edision sagte: „Erfolg hat nur der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“ Und damit ist klar: Erfolg ist eine Langzeitstrategie, sie führt über das Zielen und Verfehlen, übers Korrigieren vor allem zum Weitermachen. Der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Architekt der letzten Jahre, der Hamburger Meinhard von Gerkan (76), hatte in Deutschland so ziemlich alles in seinem Architektenleben erreicht, was er sich gewünscht hatte, dennoch trat er vor gut zehn Jahren noch einmal völlig neu aufgestellt in China an. Mittlerweile sind dort über 40 Pro-

jekte fertig gestellt, das Gesamtbüro besteht in drei Erdteilen aus 600 Mitarbeitern. Der Weg dorthin war steinig und lang. Im Fall des nun eröffneten Chinesischen Nationalmuseums im Peking, dem größten der Welt, mussten von Gerkan Marg und Partner (gmp) sogar heftige Kritik einstecken: „Zu wenig Plüsch, zu wenig ornamental, zu wenig China!“ Nicht immer ist mit westlichem Minimalismus Staat zu machen. Für von Gerkan ist das kein Misserfolg, sondern ein Lern-Erfolg: „Es ist zwar keine typische gmp-Architektur entstanden. Aber ein Abbild der Öffnungsphase in China als Kombination aus Tradition und Aufbruch. Und wir sind dabei!“ Nichts ist eben so alt wie der Erfolg (Misserfolg) von gestern. Daraus ist zu lernen, denn wo stünde heute das unbestrittene Erfolgsunternehmen No. 1, also die Leute mit dem angebissenen Apfel, wenn es in den 1990erJahren nach über zehn Jahren den vormals geschassten Chefdenker, -ideologen und -macher Steve Jobs nicht zurückgeholt hätte. Was Johann Wolfgang von Goethe lange vorher allgemein schon so kommentiert hatte: „Mit rechten Leuten wird man was!“ Dirk Meyhöfer, geb. 1950, ist gelernter Stadtplaner und Architekt. Weil vor mehr als 30 Jahren seine vorauseilenden Ideen für unsere Städte nicht erfolgsgekrönt waren, entschied er sich als Journalist, Autor und Ausstellungsmacher dies nachzuholen. Subjektiv war das eine erfolgreiche Kurskorrektur. Der objektive Erfolg entscheidet sich seit über 30 Jahren jeweils nach jedem geschriebenen Artikel neu.

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jekte fertig gestellt, das Gesamtbüro besteht in drei Erdteilen aus 600 Mitarbeitern. Der Weg dorthin war steinig und lang. Im Fall des nun eröffneten Chinesischen Nationalmuseums im Peking, dem größten der Welt, mussten von Gerkan Marg und Partner (gmp) sogar heftige Kritik einstecken: „Zu wenig Plüsch, zu wenig ornamental, zu wenig China!“ Nicht immer ist mit westlichem Minimalismus Staat zu machen. Für von Gerkan ist das kein Misserfolg, sondern ein Lern-Erfolg: „Es ist zwar keine typische gmp-Architektur entstanden. Aber ein Abbild der Öffnungsphase in China als Kombination aus Tradition und Aufbruch. Und wir sind dabei!“ Nichts ist eben so alt wie der Erfolg (Misserfolg) von gestern. Daraus ist zu lernen, denn wo stünde heute das unbestrittene Erfolgsunternehmen No. 1, also die Leute mit dem angebissenen Apfel, wenn es in den 1990erJahren nach über zehn Jahren den vormals geschassten Chefdenker, -ideologen und -macher Steve Jobs nicht zurückgeholt hätte. Was Johann Wolfgang von Goethe lange vorher allgemein schon so kommentiert hatte: „Mit rechten Leuten wird man was!“ Dirk Meyhöfer, geb. 1950, ist gelernter Stadtplaner und Architekt. Weil vor mehr als 30 Jahren seine vorauseilenden Ideen für unsere Städte nicht erfolgsgekrönt waren, entschied er sich als Journalist, Autor und Ausstellungsmacher dies nachzuholen. Subjektiv war das eine erfolgreiche Kurskorrektur. Der objektive Erfolg entscheidet sich seit über 30 Jahren jeweils nach jedem geschriebenen Artikel neu.

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von Dirk Meyhöfer

dukte, für Systeme und Strukturen. Man kann ihn als Autopiloten durch das wirtschaftliche Leben gebrauchen. Immer sind dabei Zahlen und Zensuren im ernsten Spiel. Länger, weiter, höher lautet das inoffizielle Motto der größten Sportveranstaltung der Welt, den Olympischen Spielen. Erfolg ist objektiv, persönlichen Erfolg zu erzielen, ist schwieriger. Dann wird der Erfolg subjektiver, emotionaler und damit kompliziert. Wenn man als WikiLeaks erfolgreich sein kann, hat das auch etwas Subversives. Mehr noch – Erfolg ist ambivalent und manchmal das genaue Gegenteil von dem, was erwartet war. Es gibt den alternativen Nobelpreis und alternative Festivals. Dort kann man auch sehr erfolgreich sein. Manchmal bleibt der Erfolg für die Öffentlichkeit auch unsichtbar – für die anderen. Albert Einstein würde es gefallen.

„Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen!“ (Sprichwort aus Frankreich) Der kleine Leitfaden für die Führerscheinprüfung mit dem Thema persönlicher Erfolg beginnt mit der Zieldefinition. Denn auf dem Marsch zum Erfolg ist diesmal der Weg nicht das Ziel (allein), denn ohne klare Absichten hat man die Lufthoheit schon verloren, bevor

es losgeht, und man gleicht jenen trotteligen Taxipassagieren aus tiefgründigen Filmen im Spätprogramm, die ins Auto steigen „fahren Sie los!“ schreien und viel Geld los werden, um am Ende wieder dort auszusteigen, wo sie eingestiegen waren. Um sein persönliches Lebensziel zu erreichen, sollte man es kennen. Beim Mangel an Kenntnis der genauen Ziele ist das Scheitern vorgegeben. Wir nennen das dann Misserfolg. Erfolg ist also eine Sache der Planung, Kenntnis und – wenn es den subjektiven Erfolg betrifft – der Selbsteinschätzung. Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen, heißt es in Frankreich, das gilt aber auch diesseits des Rheins. Zu viel erhöht den Adrenalinspiegel, möglicherweise treibt es auch den Sympathikus an, der den Muskeltonus beschleunigt. Wenn der Parasympathikus der Meister des Verfahrens bleibt, dann geht es uns gut, dann ist man entspannt. Wie man das erreicht? Man vermeidet die Selbstüberforderung. Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, dass er sich die symbolische Latte, die es zu überspringen gilt, zu hoch gelegt und gerissen hat, wobei dann das Erfolgserlebnis natürlich ausbleibt. Und genau dort liegt der symbolische Hase begraben oder anders gesagt, der objektive Erfolg ist nicht identisch mit dem subjektiven. Jeder muss für sich allein die Sprunghöhe herausfinden, die eine Herausforderung bleibt, aber auch machbar

Links: Erfolgsträger NOMOS Glashütte, eine von wenigen Uhren-Manufakturen weltweit (siehe auch Seite 44). Rechts: Erfolgsträger Walter Knoll, international führender Hersteller wertiger Polstermöbel und anspruchsvoller Objekteinrichtungen.

die teure Designer-Badewanne einer Eigentumswohnung von Philippe Starck wird schon während der Bauphase zum Verkaufsargument auf dem Bauschild. Auch der BilbaoEffekt und die daraus resultierende Signature Architecture deuten an, dass Erfolg und Ästhetik miteinander zu tun haben. Manchmal fragt man sich aber wie bei der Henne und dem Ei: War es die Ästhetik des iPhones, die den Erfolg nach sich zog, oder hat die Aura der erfolgreichen Marke im Nachhinein das Produkt geadelt?

Drei Fragen an Patrice Bert seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Roset Möbel GmbH, Gundelfingen

raumbrand: Worauf führen Sie den großartigen Erfolg von ligne roset in der Welt und in Deutschland zurück? Patrice Bert: Es gibt mehrere Gründe, denn der Erfolg gehört der konsequenten Mischung aus machbarer Designinnovation, einer konsequenten Markenkommunikation und einem entsprechendem Markenvertriebsnetz aus ligne roset-Brand Shops. Durch dieses weltweit ausgerichtete Netz unterscheiden wir uns beispielsweise stark von unseren Mitbewerbern, beispielsweise aus Italien. raumbrand: Was war der größte Produkterfolg von ligne roset und warum? Bert: Es waren viele Produkte erfolgreich bei

Schwerpunkt Erfolg

Man kann von den großen Brands tatsächlich viel lernen, wie von den Autoherstellern. Schon vor Jahren gab Volkswagen seiner neuen Fabrik für ihre Spitzenprodukte das Image einer Manufaktur, allerdings war das früher in Werkstätten übliche Klötzchenparkett hier eher vergleichbar mit einem Edelfußboden in einer Werbeagentur. Sei es, wie es sei – auch wenn einer der gebauten Protagonisten dort später im Konkurrenzkampf mit etablierten Luxuskarossen noch lernen musste, wie hart es ist, Erfolg zu haben – die Gläserne Manu-

uns, aber die meisten draußen sprechen immer von Togo. Der Entwurf von Michel Ducaroy stammt aus den 1970er-Jahren, also aus jener Zeit, die einem freien Lebensstil huldigte. Die freien Formen von Togo ließen zu, dass sie (die Revolution von Togo) nach wie vor gültig und seit Jahren bis heute Grundlage für eine in der Branche beispiellose Kreativität ist, die ihren Ausdruck in außergewöhnlichen Produktentwicklungen wie z. B. dem letzten Sofa Ploum von Ronan und Erwan Bouroullec findet.

Kämpfer stehen am liebsten oben in der Hierarchie und verfügen über ein enorm starkes Durchsetzungsvermögen. Was andere über sie denken, interessiert sie nicht so sehr, es sei denn, es handelt sich um Freunde oder Vertraute. Wenn es sein muss, treten Kämpfer auch allein gegen alle an – viel Feind viel Ehr. Ihr Erfolgsmotto: Mein Wille geschehe! Vermittler verfolgen ihre Ziele mit Geduld und langem Atem. Sie achten darauf, dass um sie herum möglichst alle zu ihrem Recht kommen. Bei ihnen ist das Team der Star und nicht der Einzelne, schon gar nicht sie selbst. Profilneurotiker sind ihnen ein Dorn im Auge. Erfolg zu haben, heißt aus ihrer Sicht auch: Mit Geduld und Spucke … Perfektionisten streben stets nach einer vollkommenen 100-Prozent-Lösung. Mit weniger geben sie sich nur ungern zufrieden. Perfektionisten engagieren sich besonders gern bei Re-

„Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen!“ (Sprichwort aus Frankreich) Der kleine Leitfaden für die Führerscheinprüfung mit dem Thema persönlicher Erfolg beginnt mit der Zieldefinition. Denn auf dem Marsch zum Erfolg ist diesmal der Weg nicht das Ziel (allein), denn ohne klare Absichten hat man die Lufthoheit schon verloren, bevor

Schwerpunkt Erfolg

Optimisten messen Erfolg daran, wie viel Spaß sie bei einer Sache haben. Erfolg ist für sie die Freiheit, das zu tun und sich zu leisten, was sie gerne möchten. Erfolgsgefühle stellen sich auch ein, wenn eine ihrer zahlreichen guten Ideen ins Laufen kommt. Auch ihre besondere Fähigkeit, Menschen und Ideen miteinander zu verbinden und zu vernetzen, empfinden sie als Erfolg. Optimisten lassen sich nicht unterkriegen, und wenn sie doch mal hinfallen, dann stehen sie wie ein Stehaufmännchen wieder auf.

Oben: Erfolgsträger Nils Holger Moormann, seit 1992 ist die Firma in die Idylle des oberbayerischen Aschau im Chiemgau eingebettet. Inmitten der Alpen wird versucht, alles von in der Nähe ansässigen Betrieben fertigen zu lassen. Da ein großer Teil der Produkte außer Haus hergestellt wird, erhält sich die Firma ein hohes Maß an Flexibilität und eine größere Produktionstiefe. Die gewachsenen, regionalen Strukturen gepaart mit internationalen Kontakten kennzeichnen die Firmenphilosophie. Die Möbelkollektion, deren Produkte mit vielen internationalen Designpreisen ausgezeichnet wurden, wird ständig um neue Möbel- und Produktlinien erweitert.

Aufgeschnappt und inspiriert von Jürgen Werner und Ulf Tödter: Erfolgsfaktor Menschenkenntnis (http://www.cornelsen.de/ sbk/1.c.1189445.de) mit „neun Definitionen des Erfolgs“

Schwerpunkt Erfolg

siehe auch: Erfolgsgeschichten Seite 16 | raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | Messe-Erfolgsstrategien Seite 78

Links: Erfolgsträger NOMOS Glashütte, eine von wenigen Uhren-Manufakturen weltweit (siehe auch Seite 44). Rechts: Erfolgsträger Walter Knoll, international führender Hersteller wertiger Polstermöbel und anspruchsvoller Objekteinrichtungen.

die teure Designer-Badewanne einer Eigentumswohnung von Philippe Starck wird schon während der Bauphase zum Verkaufsargument auf dem Bauschild. Auch der BilbaoEffekt und die daraus resultierende Signature Architecture deuten an, dass Erfolg und Ästhetik miteinander zu tun haben. Manchmal fragt man sich aber wie bei der Henne und dem Ei: War es die Ästhetik des iPhones, die den Erfolg nach sich zog, oder hat die Aura der erfolgreichen Marke im Nachhinein das Produkt geadelt?

Man kann von den großen Brands tatsächlich viel lernen, wie von den Autoherstellern. Schon vor Jahren gab Volkswagen seiner neuen Fabrik für ihre Spitzenprodukte das Image einer Manufaktur, allerdings war das früher in Werkstätten übliche Klötzchenparkett hier eher vergleichbar mit einem Edelfußboden in einer Werbeagentur. Sei es, wie es sei – auch wenn einer der gebauten Protagonisten dort später im Konkurrenzkampf mit etablierten Luxuskarossen noch lernen musste, wie hart es ist, Erfolg zu haben – die Gläserne Manu-

Drei Fragen an Patrice Bert

uns, aber die meisten draußen sprechen immer von Togo. Der Entwurf von Michel Ducaroy stammt aus den 1970er-Jahren, also aus jener Zeit, die einem freien Lebensstil huldigte. Die freien Formen von Togo ließen zu, dass sie (die Revolution von Togo) nach wie vor gültig und seit Jahren bis heute Grundlage für eine in der Branche beispiellose Kreativität ist, die ihren Ausdruck in außergewöhnlichen Produktentwicklungen wie z. B. dem letzten Sofa Ploum von Ronan und Erwan Bouroullec findet.

seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Roset Möbel GmbH, Gundelfingen

raumbrand: Worauf führen Sie den großartigen Erfolg von ligne roset in der Welt und in Deutschland zurück? Patrice Bert: Es gibt mehrere Gründe, denn der Erfolg gehört der konsequenten Mischung aus machbarer Designinnovation, einer konsequenten Markenkommunikation und einem entsprechendem Markenvertriebsnetz aus ligne roset-Brand Shops. Durch dieses weltweit ausgerichtete Netz unterscheiden wir uns beispielsweise stark von unseren Mitbewerbern, beispielsweise aus Italien. raumbrand: Was war der größte Produkterfolg von ligne roset und warum? Bert: Es waren viele Produkte erfolgreich bei

Wer ist eigentlich ein ERFOLGSTYP? Es gibt viele davon, einige stellen wir hier vor. Und wer sind Sie? Wem fühlen Sie sich verbunden? Wir verraten es niemandem … Der typische Erfolgsmensch ist zielorientiert, leistungs- und wettbewerbsbereit. Erfolgsmenschen achten sehr auf ein gutes Aussehen und ein professionelles Image. Erfolgsmenschen haben einen guten Riecher für Erfolg versprechende Ideen oder Projekte und setzen alle Hebel in Bewegung, um damit auch Geld zu verdienen. Ihr Erfolgsmotto: Schneller und besser sein als die Konkurrenz. Kämpfer stehen am liebsten oben in der Hierarchie und verfügen über ein enorm starkes Durchsetzungsvermögen. Was andere über sie denken, interessiert sie nicht so sehr, es sei denn, es handelt sich um Freunde oder Vertraute. Wenn es sein muss, treten Kämpfer auch allein gegen alle an – viel Feind viel Ehr. Ihr Erfolgsmotto: Mein Wille geschehe! Vermittler verfolgen ihre Ziele mit Geduld und langem Atem. Sie achten darauf, dass um sie herum möglichst alle zu ihrem Recht kommen. Bei ihnen ist das Team der Star und nicht der Einzelne, schon gar nicht sie selbst. Profilneurotiker sind ihnen ein Dorn im Auge. Erfolg zu haben, heißt aus ihrer Sicht auch: Mit Geduld und Spucke … Perfektionisten streben stets nach einer vollkommenen 100-Prozent-Lösung. Mit weniger geben sie sich nur ungern zufrieden. Perfektionisten engagieren sich besonders gern bei Re-

Oben: Erfolgsträger Volkswagen, mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden (Henn Architekten) wurde erstmals ein Produktionskonzept realisiert, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion und manufakturartiges Arbeiten miteinander verknüpft: Hier werden Oberklassenlimousinen in Handarbeit montiert. Unten: Erfolgsträger Lamborghini, das Design, die Montage und die Produktion der Lamborghini-Modelle finden ausschließlich am Standort von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese statt (s. a. Seite 32).

Schwerpunkt Erfolg

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formvorhaben, denn sie streben eine bessere Welt an. Sie wollen dabei selbst ein gutes Vorbild geben. Ästheten sehen im Erfolg einen unverwechselbaren Stil, Esprit und Eleganz und schätzen den Applaus des Publikums sehr (natürlich keines beliebigen), er stillt ihren Hunger nach Anerkennung. Sie entwickeln in emotionalen Extremsituationen eine besondere Präsenz und Schaffenskraft. Ihr Erfolgsmotto: Sei du selbst! Beobachter verstehen es als Erfolg, wie ein Schachspieler am Brett ihre von langer Hand geplanten strategischen Manöver aufgehen zu sehen. Ihr Erfolgsmotto: Es geht nichts über eine kluge und ökonomische Strategie! Optimisten messen Erfolg daran, wie viel Spaß sie bei einer Sache haben. Erfolg ist für sie die Freiheit, das zu tun und sich zu leisten, was sie gerne möchten. Erfolgsgefühle stellen sich auch ein, wenn eine ihrer zahlreichen guten Ideen ins Laufen kommt. Auch ihre besondere Fähigkeit, Menschen und Ideen miteinander zu verbinden und zu vernetzen, empfinden sie als Erfolg. Optimisten lassen sich nicht unterkriegen, und wenn sie doch mal hinfallen, dann stehen sie wie ein Stehaufmännchen wieder auf.

Oben: Erfolgsträger Nils Holger Moormann, seit 1992 ist die Firma in die Idylle des oberbayerischen Aschau im Chiemgau eingebettet. Inmitten der Alpen wird versucht, alles von in der Nähe ansässigen Betrieben fertigen zu lassen. Da ein großer Teil der Produkte außer Haus hergestellt wird, erhält sich die Firma ein hohes Maß an Flexibilität und eine größere Produktionstiefe. Die gewachsenen, regionalen Strukturen gepaart mit internationalen Kontakten kennzeichnen die Firmenphilosophie. Die Möbelkollektion, deren Produkte mit vielen internationalen Designpreisen ausgezeichnet wurden, wird ständig um neue Möbel- und Produktlinien erweitert.

Aufgeschnappt und inspiriert von Jürgen Werner und Ulf Tödter: Erfolgsfaktor Menschenkenntnis (http://www.cornelsen.de/ sbk/1.c.1189445.de) mit „neun Definitionen des Erfolgs“

Schwerpunkt Erfolg

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von Dirk Meyhöfer

es losgeht, und man gleicht jenen trotteligen Taxipassagieren aus tiefgründigen Filmen im Spätprogramm, die ins Auto steigen, „fahren Sie los!“ schreien und viel Geld los werden, um am Ende wieder dort auszusteigen, wo sie eingestiegen waren. Um sein persönliches Lebensziel zu erreichen, sollte man es kennen. Beim Mangel an Kenntnis der genauen Ziele ist das Scheitern vorgegeben. Wir nennen das dann Misserfolg. Erfolg ist also eine Sache der Planung, Kenntnis und – wenn es den subjektiven Erfolg betrifft – der Selbsteinschätzung. Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen, heißt es in Frankreich, das gilt aber auch diesseits des Rheins. Zu viel erhöht den Adrenalinspiegel, möglicherweise treibt es auch den Sympathikus an, der den Muskeltonus beschleunigt. Wenn der Parasympathikus der Meister des Verfahrens bleibt, dann geht es uns gut, dann ist man entspannt. Wie man das erreicht? Man vermeidet die Selbstüberforderung. Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, dass er sich die symbolische Latte, die es zu überspringen gilt, zu hoch gelegt und gerissen hat, wobei dann das Erfolgserlebnis natürlich ausbleibt. Und genau dort liegt der symbolische Hase begraben oder anders gesagt, der objektive Erfolg ist nicht identisch mit dem subjektiven. Jeder muss für sich allein die Sprunghöhe herausfinden, die eine Herausforderung bleibt, aber auch machbar

Links: Erfolgsträger NOMOS Glashütte, eine von wenigen Uhren-Manufakturen weltweit (siehe auch  Seite 44). Rechts: Erfolgsträger Walter Knoll, international führender Hersteller wertiger Polstermöbel und anspruchsvoller Objekteinrichtungen.

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raumbrand: Wie definieren Sie für sich persönlich Erfolg? Bert: Erfolg ist das Ergebnis einer Idee und von vielen, vielen folgenden Anstrengungen. Und dieser Erfolg ist immer nur vorläufig und muss immer wieder in Frage gestellt und ausgeweitet werden.

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formvorhaben, denn sie streben eine bessere Welt an. Sie wollen dabei selbst ein gutes Vorbild geben. Ästheten sehen im Erfolg einen unverwechselbaren Stil, Esprit und Eleganz und schätzen den Applaus des Publikums sehr (natürlich keines beliebigen), er stillt ihren Hunger nach Anerkennung. Sie entwickeln in emotionalen Extremsituationen eine besondere Präsenz und Schaffenskraft. Ihr Erfolgsmotto: Sei du selbst! Beobachter verstehen es als Erfolg, wie ein Schachspieler am Brett ihre von langer Hand geplanten strategischen Manöver aufgehen zu sehen. Ihr Erfolgsmotto: Es geht nichts über eine kluge und ökonomische Strategie!

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Oben: Erfolgsträger Volkswagen, mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden (Henn Architekten) wurde erstmals ein Produktionskonzept realisiert, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion und manufakturartiges Arbeiten miteinander verknüpft: Hier werden Oberklassenlimousinen in Handarbeit montiert. Unten: Erfolgsträger Lamborghini, das Design, die Montage und die Produktion der Lamborghini-Modelle finden ausschließlich am Standort von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese statt (s. a. Seite 32).

raumbrand: Wie definieren Sie für sich persönlich Erfolg? Bert: Erfolg ist das Ergebnis einer Idee und von vielen, vielen folgenden Anstrengungen. Und dieser Erfolg ist immer nur vorläufig und muss immer wieder in Frage gestellt und ausgeweitet werden.

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Wer ist eigentlich ein ERFOLGSTYP? Es gibt viele davon, einige stellen wir hier vor. Und wer sind Sie? Wem fühlen Sie sich verbunden? Wir verraten es niemandem … Der typische Erfolgsmensch ist zielorientiert, leistungs- und wettbewerbsbereit. Erfolgsmenschen achten sehr auf ein gutes Aussehen und ein professionelles Image. Erfolgsmenschen haben einen guten Riecher für Erfolg versprechende Ideen oder Projekte und setzen alle Hebel in Bewegung, um damit auch Geld zu verdienen. Ihr Erfolgsmotto: Schneller und besser sein als die Konkurrenz.

es losgeht, und man gleicht jenen trotteligen Taxipassagieren aus tiefgründigen Filmen im Spätprogramm, die ins Auto steigen „fahren Sie los!“ schreien und viel Geld los werden, um am Ende wieder dort auszusteigen, wo sie eingestiegen waren. Um sein persönliches Lebensziel zu erreichen, sollte man es kennen. Beim Mangel an Kenntnis der genauen Ziele ist das Scheitern vorgegeben. Wir nennen das dann Misserfolg. Erfolg ist also eine Sache der Planung, Kenntnis und – wenn es den subjektiven Erfolg betrifft – der Selbsteinschätzung. Wer sich zu viel vornimmt, wird wenig erreichen, heißt es in Frankreich, das gilt aber auch diesseits des Rheins. Zu viel erhöht den Adrenalinspiegel, möglicherweise treibt es auch den Sympathikus an, der den Muskeltonus beschleunigt. Wenn der Parasympathikus der Meister des Verfahrens bleibt, dann geht es uns gut, dann ist man entspannt. Wie man das erreicht? Man vermeidet die Selbstüberforderung. Wer hat sich nicht schon einmal dabei ertappt, dass er sich die symbolische Latte, die es zu überspringen gilt, zu hoch gelegt und gerissen hat, wobei dann das Erfolgserlebnis natürlich ausbleibt. Und genau dort liegt der symbolische Hase begraben oder anders gesagt, der objektive Erfolg ist nicht identisch mit dem subjektiven. Jeder muss für sich allein die Sprunghöhe herausfinden, die eine Herausforderung bleibt, aber auch machbar

siehe auch:  Erfolgsgeschichten  Seite 16 |   raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs  Seite 62 |  Messe-Erfolgsstrategien  Seite 78

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benötigt man Ideen und Nachfrage. Leider wissen das auch die Konkurrenten, und deshalb kommt es auf das kleine Extra beim Produkt an, nach dem Motto, „was kann Ihre Katze, was die anderen nicht können?“ Sie wissen, lieber Leser, dass raumbrand sich genau darum kümmert und sich leidenschaftlich so genannten dreidimensionalen Markenwelten verschrieben hat, die ganz besonders sind. Sie zu hofieren und durch das Dickicht des Alltags zu chauffieren – raumbrand schafft Raum für neue Ideen und gibt Anstöße. Für den Erfolg müssen Sie selbst sorgen, aber die Spuren sichtbar zu machen, die dazu führen – dabei können wir helfen. Eine führt zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Andy Warhol (1928 – 1987) seine Kunst dem Alltag entliehen hat. Als gelernter Werbegrafiker hat er aus Werbung Kunst gemacht und mit Kunst Werbung: Artefakt wörtlich genommen. Dieser Warhol nannte die Ästhetik unserer Tage Erfolg. Aber der Erfolg darf auch eine gewisse Ästhetik behalten. Bezogen auf Autos, Möbel und andere gut gemachte Produkte wie das iPhone bedeutet es wohl, dass Quantitätserfolge der hohen Verkaufszahlen allein nicht ausreichen. Was kann ihre Katze, und wie schön und elegant bewegt sie sich dabei? Wertig ist ein Erfolgswort dieser Tage, und häufig ist es heute so, dass der Wert einer Wohnung nicht allein durch Lage und Nutzungsqualität sich definieren lässt, sondern als zusätzlicher Anzeiger des Erfolges gehören schöner Marmor in die Küche und edle Hölzer auf den Boden. Und

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faktur am am Großen Garten in Dresden ist eine gebaute Visitenkarte von Erfolg, ähnlich wie die BMW-Welt in München , die mit ihrer gigantischen „Wolken-Konstruktion“ immer wieder suggeriert, bei BMW ist technisch alles machbar, was denkbar ist.

„Wer oft schießt, trifft endlich!“ (dt. Sprichwort) Erfolg ist manchmal ein Lüftchen, das sich bewegt und sich niemals einfangen lässt. Wer den Erfolg konservieren will, muss genau hinschauen, hart arbeiten, wie Gerry McGovern, Chefdesigner der Erfolgsmarke Landrover, in raumbrand 3/2010 im Interview sagte: „Der neue Evoque entwickelt das Range-RoverDesign mutig weiter, indem er die klassischen Designmerkmale des Range Rover neu interpretiert und dabei treu zu den Markenwerten steht.“ Schon der erfolgreiche Erfinder Thomas Alvar Edision sagte: „Erfolg hat nur der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“ Und damit ist klar: Erfolg ist eine Langzeitstrategie, sie führt über das Zielen und Verfehlen, übers Korrigieren vor allem zum Weitermachen. Der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Architekt der letzten Jahre, der Hamburger Meinhard von Gerkan (76), hatte in Deutschland so ziemlich alles in seinem Architektenleben erreicht, was er sich gewünscht hatte, dennoch trat er vor gut zehn Jahren noch einmal völlig neu aufgestellt in China an. Mittlerweile sind dort über 40 Pro-

von Dirk Meyhöfer

dukte, für Systeme und Strukturen. Man kann ihn als Autopiloten durch das wirtschaftliche Leben gebrauchen. Immer sind dabei Zahlen und Zensuren im ernsten Spiel. Länger, weiter, höher lautet das inoffizielle Motto der größten Sportveranstaltung der Welt, den Olympischen Spielen. Erfolg ist objektiv, persönlichen Erfolg zu erzielen, ist schwieriger. Dann wird der Erfolg subjektiver, emotionaler und damit kompliziert. Wenn man als WikiLeaks erfolgreich sein kann, hat das auch etwas Subversives. Mehr noch – Erfolg ist ambivalent und manchmal das genaue Gegenteil von dem, was erwartet war. Es gibt den alternativen Nobelpreis und alternative Festivals. Dort kann man auch sehr erfolgreich sein. Manchmal bleibt der Erfolg für die Öffentlichkeit auch unsichtbar – für die anderen. Albert Einstein würde es gefallen.

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Oben: Erfolgsträger BMW, exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege oft von Tausendstelsekunden abhängen. Hier wird der Viererbob-Prototyp im Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren geprüft – die Suche nach der Tausendstelsekunde.

Reflex

Ein Ermittlungssystem für optimal lukrative Geldanlagen, wie es irgendwo im Duden beschrieben steht? Nein – ganz so leicht will raumbrand es sich nicht machen. Denn Erfolg ist nicht gleich Erfolg. Und in diesen Zeiten schon gar nicht. Eine Momentaufnahme von Dirk Meyhöfer

„Erfolg hat viele Väter“. Das weiß jeder; doch am Ende kann es nur einer gewesen sein. Formulieren wir diese Plattitüde ein wenig um und nennen es lieber „Erfolg trägt viele Namen“. Und die kennt man hinreichend: Apple, Porsche, Range Rover, aber auch Nomos und die Bionade. Barack Obama, John F. Kennedy, Helmut Schmidt, dazu Joschka Fischer und Alice Schwarzer, Norman Foster, Meinhard von Gerkan, Frank O. Gehry und Rem Koolhaas. Aber auch der deutsche Gartenzwerg ist ein Erfolgsmodell. Erfolg ist wie eine Schimäre oder wie Bänkelsänger Freddie Quinn einst räsonierte, „nichts ist so alt wie der Erfolg von gestern“. Dabei war er mit seinem Leben der Gegenbeweis. Als Definition von Erfolg gilt ganz einfach das „positive Ergebnis einer Bemühung“. Damit sind Anerkennung und meist Durchbruch auf dem erfolgreichen Weg ins Leben gegeben. Erfolg – das sind die vier großen G: Gedeihen, Gelingen, Gewinn, Glück. Erfolg paart sich ganz konsequenterweise mit Macht, Einfluss und Entscheidungsgewalt. Superlative oder summa cum laude sind die entsprechenden Attribute. Und es kommt noch besser: Erfolg ist objektiv messbar – in Kurven, in Tabellen, in Bilanzen. Der Homo oeconomicus braucht das so, denn es verleiht ihm Sicherheit. Über diesen objektiven Erfolg kann man streiten oder auch nicht; er gilt für Unternehmen, für Prosiehe auch: Erfolgsgeschichten Seite 16 | raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | Messe-Erfolgsstrategien Seite 78

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ist. Die Belohnung heißt Erfolgserlebnis; und sind viele kleine davon nicht mehr als ein großes, das zu selten eintritt? Carpe diem – dieses alte Rezept, die etwa 8760 Stunden und Millionen von Momenten eines Jahres spontan und sinnvoll zu gestalten und nicht mit hausgemachtem Druck zu vernichten, heißt, den langen Weg zum Erfolg anständig zu nutzen. Auf diese Weise ist dann ganz subjektiv auch der Weg zum Ziel komfortabel. Den Moment zu nutzen, bringt eine Kette gefühlter Erfolge. Manch einer sagt auch Glücksmomente dazu. Und Glück – wir erinnern uns – ist eines der großen G. Und in einem solchen Glücksmoment darf man dann doch einmal auch die Latte ein bisschen höher legen lassen, und dann klappt es auch mit dem Superlativ. Nur – man weiß vorher nie genau wann, ja wann, das eintrifft. Erfolg zu haben und zu wollen, ist also mehr als eine rechnerische Angelegenheit der Zahlen und Statistiken, es könnte der Schlüssel zu einem befriedigten Leben sein. Und das wünscht sich jeder.

(Andy Warhol) Doch zurück zum Alltag und zur Frage, wie geht man als Unternehmen mit dem Erfolg um? Man braucht ihn, um Geld zu verdienen, um Ideen durchzusetzen, um Mitarbeiter zu motivieren und Kunden glücklich zu machen. Um Erfolgsprodukte im Sortiment zu haben,

12 Schwerpunkt Erfolg

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Ein Ermittlungssystem für optimal lukrative Geldanlagen, wie es irgendwo im Duden beschrieben steht? Nein – ganz so leicht will raumbrand es sich nicht machen. Denn Erfolg ist nicht gleich Erfolg. Und in diesen Zeiten schon gar nicht. Eine Momentaufnahme von Dirk Meyhöfer

Erfolg? „Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“ Albert Einstein, 1879 – 1955

Oben: Erfolgsträger BMW, exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege oft von Tausendstelsekunden abhängen. Hier wird der Viererbob-Prototyp im Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren geprüft – die Suche nach der Tausendstelsekunde.

Ein Ermittlungssystem für optimal lukrative Geldanlagen, wie es irgendwo im Duden beschrieben steht? Nein – ganz so leicht will raumbrand es sich nicht machen. Denn Erfolg ist nicht gleich Erfolg. Und in diesen Zeiten schon gar nicht. Eine Momentaufnahme von Dirk Meyhöfer

Albert Einstein, 1879 – 1955

Fotos: © NOMOS Glashütte; © Walter Knoll; © BMW; © Gläserne Manufaktur Dresden; © Lamborghini; Ingenhoven Architects / © H. G. Esch; BIG / © Stange; Nils Holger Moormann / © Jäger & Jäger

Erfolg?

Erfolg? „Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“

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Oben: Erfolgsträger BMW, exakte Messergebnisse auch bei hohen Geschwindigkeiten bilden die Grundlage der Fahrzeugentwicklung. Und diese Genauigkeit, die der Windkanal der BMW Group ermöglicht, liefert den entscheidenden Mehrwert für die Sportler, deren Siege oft von Tausendstelsekunden abhängen. Hier wird der Viererbob-Prototyp im Windkanal der BMW Group auf Herz und Nieren geprüft – die Suche nach der Tausendstelsekunde.

ist. Die Belohnung heißt Erfolgserlebnis; und sind viele kleine davon nicht mehr als ein großes, das zu selten eintritt? Carpe diem – dieses alte Rezept, die etwa 8760 Stunden und Millionen von Momenten eines Jahres spontan und sinnvoll zu gestalten und nicht mit hausgemachtem Druck zu vernichten, heißt, den langen Weg zum Erfolg anständig zu nutzen. Auf diese Weise ist dann ganz subjektiv auch der Weg zum Ziel komfortabel. Den Moment zu nutzen, bringt eine Kette gefühlter Erfolge. Manch einer sagt auch Glücksmomente dazu. Und Glück – wir erinnern uns – ist eines der großen G. Und in einem solchen Glücksmoment darf man dann doch einmal auch die Latte ein bisschen höher legen lassen, und dann klappt es auch mit dem Superlativ. Nur – man weiß vorher nie genau wann, ja wann, das eintrifft. Erfolg zu haben und zu wollen, ist also mehr als eine rechnerische Angelegenheit der Zahlen und Statistiken, es könnte der Schlüssel zu einem befriedigten Leben sein. Und das wünscht sich jeder.

„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“ (Andy Warhol) Doch zurück zum Alltag und zur Frage, wie geht man als Unternehmen mit dem Erfolg um? Man braucht ihn, um Geld zu verdienen, um Ideen durchzusetzen, um Mitarbeiter zu motivieren und Kunden glücklich zu machen. Um Erfolgsprodukte im Sortiment zu haben,

12 Schwerpunkt Erfolg

benötigt man Ideen und Nachfrage. Leider wissen das auch die Konkurrenten, und deshalb kommt es auf das kleine Extra beim Produkt an, nach dem Motto, „was kann Ihre Katze, was die anderen nicht können?“ Sie wissen, lieber Leser, dass raumbrand sich genau darum kümmert und sich leidenschaftlich so genannten dreidimensionalen Markenwelten verschrieben hat, die ganz besonders sind. Sie zu hofieren und durch das Dickicht des Alltags zu chauffieren – raumbrand schafft Raum für neue Ideen und gibt Anstöße. Für den Erfolg müssen Sie selbst sorgen, aber die Spuren sichtbar zu machen, die dazu führen – dabei können wir helfen. Eine führt zu einem der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wir wissen, dass Andy Warhol (1928 – 1987) seine Kunst dem Alltag entliehen hat. Als gelernter Werbegrafiker hat er aus Werbung Kunst gemacht und mit Kunst Werbung: Artefakt wörtlich genommen. Dieser Warhol nannte die Ästhetik unserer Tage Erfolg. Aber der Erfolg darf auch eine gewisse Ästhetik behalten. Bezogen auf Autos, Möbel und andere gut gemachte Produkte wie das iPhone bedeutet es wohl, dass Quantitätserfolge der hohen Verkaufszahlen allein nicht ausreichen. Was kann ihre Katze, und wie schön und elegant bewegt sie sich dabei? Wertig ist ein Erfolgswort dieser Tage, und häufig ist es heute so, dass der Wert einer Wohnung nicht allein durch Lage und Nutzungsqualität sich definieren lässt, sondern als zusätzlicher Anzeiger des Erfolges gehören schöner Marmor in die Küche und edle Hölzer auf den Boden. Und

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die teure Designer-Badewanne einer Eigentumswohnung von Philippe Starck wird schon während der Bauphase zum Verkaufsargument auf dem Bauschild. Auch der BilbaoEffekt und die daraus resultierende Signature Architecture deuten an, dass Erfolg und Ästhetik miteinander zu tun haben. Manchmal fragt man sich aber wie bei der Henne und dem Ei: War es die Ästhetik des iPhones, die den Erfolg nach sich zog, oder hat die Aura der erfolgreichen Marke im Nachhinein das Produkt geadelt?

Man kann von den großen Brands tatsächlich viel lernen, wie von den Autoherstellern. Schon vor Jahren gab Volkswagen seiner neuen Fabrik für ihre Spitzenprodukte das Image einer Manufaktur, allerdings war das früher in Werkstätten übliche Klötzchenparkett hier eher vergleichbar mit einem Edelfußboden in einer Werbeagentur. Sei es, wie es sei – auch wenn einer der gebauten Protagonisten dort später im Konkurrenzkampf mit etablierten Luxuskarossen noch lernen musste, wie hart es ist, Erfolg zu haben – die Gläserne Manu-

Drei Fragen an Patrice Bert

uns, aber die meisten draußen sprechen immer von Togo. Der Entwurf von Michel Ducaroy stammt aus den 1970er-Jahren, also aus jener Zeit, die einem freien Lebensstil huldigte. Die freien Formen von Togo ließen zu, dass sie (die Revolution von Togo) nach wie vor gültig und seit Jahren bis heute Grundlage für eine in der Branche beispiellose Kreativität ist, die ihren Ausdruck in außergewöhnlichen Produktentwicklungen wie z. B. dem letzten Sofa Ploum von Ronan und Erwan Bouroullec findet.

seit über 20 Jahren Geschäftsführer der Roset Möbel GmbH, Gundelfingen

raumbrand: Worauf führen Sie den großartigen Erfolg von ligne roset in der Welt und in Deutschland zurück? Patrice Bert: Es gibt mehrere Gründe, denn der Erfolg gehört der konsequenten Mischung aus machbarer Designinnovation, einer konsequenten Markenkommunikation und einem entsprechendem Markenvertriebsnetz aus ligne roset-Brand Shops. Durch dieses weltweit ausgerichtete Netz unterscheiden wir uns beispielsweise stark von unseren Mitbewerbern, beispielsweise aus Italien. raumbrand: Was war der größte Produkterfolg von ligne roset und warum? Bert: Es waren viele Produkte erfolgreich bei

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Oben: Erfolgsträger Volkswagen, mit der Gläsernen Manufaktur in Dresden (Henn Architekten) wurde erstmals ein Produktionskonzept realisiert, das Prozesse der klassischen industriellen Automobilproduktion und manufakturartiges Arbeiten miteinander verknüpft: Hier werden Oberklassenlimousinen in Handarbeit montiert. Unten: Erfolgsträger Lamborghini, das Design, die Montage und die Produktion der Lamborghini-Modelle finden ausschließlich am Standort von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese statt (s. a.  Seite 32).

raumbrand: Wie definieren Sie für sich persönlich Erfolg? Bert: Erfolg ist das Ergebnis einer Idee und von vielen, vielen folgenden Anstrengungen. Und dieser Erfolg ist immer nur vorläufig und muss immer wieder in Frage gestellt und ausgeweitet werden.

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Zur Munich Creative Business Week (MCBW) und zur iF design award night in der BMW Welt München  am 10. Februar 2012 siehe  Seite 68.

Oben: Erfolgsträger Ingenhoven Architects, die weltweit führende Innovations- und Kreativschmiede in Düsseldorf, die sich für nachhaltige und ökologisch orientierte Architektur einsetzt. Unten: Erfolgsträger Bjarke Ingels Group, Newcomer der internationalen Architekturszene. Ebenso unkonventionell wie das Büro ist ihre Arbeit, die gewohnte Grundmuster herausfordert und bessere Lösungen verspricht.  Seite 58.

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faktur am am Großen Garten in Dresden ist eine gebaute Visitenkarte von Erfolg, ähnlich wie die BMW-Welt in München  , die mit ihrer gigantischen „Wolken-Konstruktion“ immer wieder suggeriert, bei BMW ist technisch alles machbar, was denkbar ist.

„Wer oft schießt, trifft endlich!“ (dt. Sprichwort) Erfolg ist manchmal ein Lüftchen, das sich bewegt und sich niemals einfangen lässt. Wer den Erfolg konservieren will, muss genau hinschauen, hart arbeiten, wie Gerry McGovern, Chefdesigner der Erfolgsmarke Landrover, in raumbrand 3/2010 im Interview sagte: „Der neue Evoque entwickelt das Range-RoverDesign mutig weiter, indem er die klassischen Designmerkmale des Range Rover neu interpretiert und dabei treu zu den Markenwerten steht.“ Schon der erfolgreiche Erfinder Thomas Alvar Edision sagte: „Erfolg hat nur der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“ Und damit ist klar: Erfolg ist eine Langzeitstrategie, sie führt über das Zielen und Verfehlen, übers Korrigieren vor allem zum Weitermachen. Der wahrscheinlich erfolgreichste deutsche Architekt der letzten Jahre, der Hamburger Meinhard von Gerkan (76), hatte in Deutschland so ziemlich alles in seinem Architektenleben erreicht, was er sich gewünscht hatte, dennoch trat er vor gut zehn Jahren noch einmal völlig neu aufgestellt in China an. Mittlerweile sind dort über 40 Pro-

jekte fertig gestellt, das Gesamtbüro besteht in drei Erdteilen aus 600 Mitarbeitern. Der Weg dorthin war steinig und lang. Im Fall des nun eröffneten Chinesischen Nationalmuseums im Peking, dem größten der Welt, mussten von Gerkan Marg und Partner (gmp) sogar heftige Kritik einstecken: „Zu wenig Plüsch, zu wenig ornamental, zu wenig China!“ Nicht immer ist mit westlichem Minimalismus Staat zu machen. Für von Gerkan ist das kein Misserfolg, sondern ein Lern-Erfolg: „Es ist zwar keine typische gmp-Architektur entstanden. Aber ein Abbild der Öffnungsphase in China als Kombination aus Tradition und Aufbruch. Und wir sind dabei!“ Nichts ist eben so alt wie der Erfolg (Misserfolg) von gestern. Daraus ist zu lernen, denn wo stünde heute das unbestrittene Erfolgsunternehmen No. 1, also die Leute mit dem angebissenen Apfel, wenn es in den 1990erJahren nach über zehn Jahren den vormals geschassten Chefdenker, -ideologen und -macher Steve Jobs nicht zurückgeholt hätte. Was Johann Wolfgang von Goethe lange vorher allgemein schon so kommentiert hatte: „Mit rechten Leuten wird man was!“ Dirk Meyhöfer, geb. 1950, ist gelernter Stadtplaner und Architekt. Weil vor mehr als 30 Jahren seine vorauseilenden Ideen für unsere Städte nicht erfolgsgekrönt waren, entschied er sich als Journalist, Autor und Ausstellungsmacher dies nachzuholen. Subjektiv war das eine erfolgreiche Kurskorrektur. Der objektive Erfolg entscheidet sich seit über 30 Jahren jeweils nach jedem geschriebenen Artikel neu.

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Wer ist eigentlich ein ERFOLGSTYP? Es gibt viele davon, einige stellen wir hier vor. Und wer sind Sie? Wem fühlen Sie sich verbunden? Wir verraten es niemandem … Der typische Erfolgsmensch ist zielorientiert, leistungs- und wettbewerbsbereit. Erfolgsmenschen achten sehr auf ein gutes Aussehen und ein professionelles Image. Erfolgsmenschen haben einen guten Riecher für Erfolg versprechende Ideen oder Projekte und setzen alle Hebel in Bewegung, um damit auch Geld zu verdienen. Ihr Erfolgsmotto: Schneller und besser sein als die Konkurrenz. Kämpfer stehen am liebsten oben in der Hierarchie und verfügen über ein enorm starkes Durchsetzungsvermögen. Was andere über sie denken, interessiert sie nicht so sehr, es sei denn, es handelt sich um Freunde oder Vertraute. Wenn es sein muss, treten Kämpfer auch allein gegen alle an – viel Feind viel Ehr. Ihr Erfolgsmotto: Mein Wille geschehe! Vermittler verfolgen ihre Ziele mit Geduld und langem Atem. Sie achten darauf, dass um sie herum möglichst alle zu ihrem Recht kommen. Bei ihnen ist das Team der Star und nicht der Einzelne, schon gar nicht sie selbst. Profilneurotiker sind ihnen ein Dorn im Auge. Erfolg zu haben, heißt aus ihrer Sicht auch: Mit Geduld und Spucke … Perfektionisten streben stets nach einer vollkommenen 100-Prozent-Lösung. Mit weniger geben sie sich nur ungern zufrieden. Perfektionisten engagieren sich besonders gern bei Re-

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formvorhaben, denn sie streben eine bessere Welt an. Sie wollen dabei selbst ein gutes Vorbild geben. Ästheten sehen im Erfolg einen unverwechselbaren Stil, Esprit und Eleganz und schätzen den Applaus des Publikums sehr (natürlich keines beliebigen), er stillt ihren Hunger nach Anerkennung. Sie entwickeln in emotionalen Extremsituationen eine besondere Präsenz und Schaffenskraft. Ihr Erfolgsmotto: Sei du selbst! Beobachter verstehen es als Erfolg, wie ein Schachspieler am Brett ihre von langer Hand geplanten strategischen Manöver aufgehen zu sehen. Ihr Erfolgsmotto: Es geht nichts über eine kluge und ökonomische Strategie! Optimisten messen Erfolg daran, wie viel Spaß sie bei einer Sache haben. Erfolg ist für sie die Freiheit, das zu tun und sich zu leisten, was sie gerne möchten. Erfolgsgefühle stellen sich auch ein, wenn eine ihrer zahlreichen guten Ideen ins Laufen kommt. Auch ihre besondere Fähigkeit, Menschen und Ideen miteinander zu verbinden und zu vernetzen, empfinden sie als Erfolg. Optimisten lassen sich nicht unterkriegen, und wenn sie doch mal hinfallen, dann stehen sie wie ein Stehaufmännchen wieder auf.

Oben: Erfolgsträger Nils Holger Moormann, seit 1992 ist die Firma in die Idylle des oberbayerischen Aschau im Chiemgau eingebettet. Inmitten der Alpen wird versucht, alles von in der Nähe ansässigen Betrieben fertigen zu lassen. Da ein großer Teil der Produkte außer Haus hergestellt wird, erhält sich die Firma ein hohes Maß an Flexibilität und eine größere Produktionstiefe. Die gewachsenen, regionalen Strukturen gepaart mit internationalen Kontakten kennzeichnen die Firmenphilosophie. Die Möbelkollektion, deren Produkte mit vielen internationalen Designpreisen ausgezeichnet wurden, wird ständig um neue Möbel- und Produktlinien erweitert.

Aufgeschnappt und inspiriert von Jürgen Werner und Ulf Tödter: Erfolgsfaktor Menschenkenntnis (http://www.cornelsen.de/ sbk/1.c.1189445.de) mit „neun Definitionen des Erfolgs“

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„Aus dem wird noch mal was!“

„Aus dem wird noch mal was!“

Keiner

schlägt

Raab!

Erfolgsgeschichten aus deutschen Landen – herausragende Kampagnen, erfolgreiche Akteure und zukunftsweisende Arbeiten der Kommunikation, raumbrand beleuchtet die Professionalisierung der Kommunikation erfolgreicher Hidden Champions.

siehe auch: raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62

Akkubetriebene Rasenwalzen, Pflanzenöl-Trekkingkocher, motorisierte Elektro-Sportrad-Inlineskates oder als mobile Sitzgelegenheit verwendbare Reisekoffer – die vergangenes Jahr auf der Nürnberger Fachmesse „Ideen– Erfindungen–Neuheiten“ (IENA) präsentierten Neuheiten zeigen, dass hierzulande leidenschaftlich gern gebastelt, erfunden, getüftelt und quergedacht wird. Zu den Teilnehmern der weltgrößten Messe ihrer Art zählten die „Daniel Düsentriebs“ aus 19 Ländern ebenso wie jugendliche Hobby-Erfinder und junge Start-up-Unternehmen, die mit ihren pfiffigen Ideen oder marktreif entwickelten Produkten einen vielversprechenden Blick auf das kreative Potenzial der Zukunft erlaubten. Das Rad neu zu erfinden, stand dabei keineswegs im Mittelpunkt. Stattdessen ging es in den meisten Fällen darum, Vorgefundenes mithilfe neuer Technologien oder Materialien weiterzuentwickeln und gezielt an veränderte Bedürfnisse anzupassen – ganz in der Tradition vieler weltberühmter Deutscher, die mit ihren Produkten Geschichte schrieben. Dazu zählen Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel ebenso wie Arthur Fischer, der bis Ende 2008 über 1.000 Patente und Gebrauchsmuster anmeldete und damit als einer der weltweit erfolgreichsten Erfinder gilt. Er bestückte Bohrlöcher als erster mit kleinen Kunststoffspreizdübeln statt mit blutgetränkten Stofffetzen oder Holzkeilen, um Gegenstände dauerhaft und stabil an Wänden zu befestigen. Dieser Artikel ließe sich problemlos mit der bloßen Aufzählung prominenter „Innovatoren“ und ihrer Weltneuheiten „Made in Germany“ füllen – von Martin Luther (Reformation), Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Otto Hahn (Kernspaltung) bis hin zu Adolf Dassler (SchraubstollenFußballschuhe). Doch selbst dann müssten zahlreiche „Hidden Champions“ unberücksichtigt bleiben, deren Geschichte und Geschichten zwar im Allgemeinen weniger bekannt sind, deren Innovationen dafür aber umso größere Auswirkungen auf das Weltgeschehen oder die Lebensumwelt der Menschen hatten. Bei diesen Innovatio-

nen handelt es sich nicht selten um wenig spektakuläre Dinge des Alltags – wie etwa Einkaufswagen, die die Menschen zwar täglich in Supermärkten vor sich herschieben, die aber selten bewusst wahrgenommen werden. So ist längst nicht jedem Konsument bekannt, dass das Leipheimer Unternehmen Wanzl unangefochtener Weltmarktführer für Einkaufswagen und -körbe ist und jährlich knapp zwei Millionen Exemplare an Handelsketten in aller Welt verkauft.

Chancen erkennen und nutzen Dass sich aus einer im Jahr 1918 gegründeten Schlosserei ein Weltkonzern mit 3.500 Mitarbeitern entwickelte, hat nicht zuletzt mit dem Weitblick zweier Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. 1948 erkennen Rudolf Wanzl jun. und Rudolf Wanzl sen. in der beauftragten Produktion handgefertigter Einkaufskörbe für ein Augsburger Pilotprojekt eines Selbstbedienungsmarktes ihre Chance. Und so begannen sie 1950, gut zehn Jahre vor dem Siegeszug von Aldi & Co, mit der Fertigung eines Gitterkorbs mit Klappbügel. Nur ein Jahr später folgte das Patent auf den ersten Einkaufswagen mit festem Korb („Concentra“) – ein Modell, das den Menschen noch heute in jedem Supermarkt der Welt vertraut erscheinen würde. Inzwischen unterhält das Familienunternehmen Wanzl Fertigungsbetriebe und Niederlassungen in ganz Europa und anderen internationalen Standorten. Am ursprünglichen Grundsatz, sich mit den Fragen von morgen zu beschäftigen, um die Antworten von heute zu finden, hat sich nichts geändert.

Innovationen zum richtigen Zeitpunkt Geprägt vom Ölschock der 1970er-Jahre, dem Wissen um die Endlichkeit von Kohle, Öl und Uran und zu einer Zeit, als Windräder noch in erster Linie Assoziationen an holländische Windmühlen weckten, gründete der damals 32-jährige Aloys Wobben im Jahr 1984 den Windenergieanlagenhersteller „Enercon“. Weil sich seine Werkstät-

16 Erfolgsgeschichten

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ten zunächst in einem leer stehenden Möbellager im kleinen Ort Aurich, 50 Kilometer westlich von Wilhelmshaven, befanden, wird er wegen seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte gern auch als „Bill Gates von Ostfriesland“ bezeichnet. Nach anfänglichen Kleinaufträgen aus der mit reichlich Wind gesegneten Region orientierte sich der Elektroingenieur rasch ins Ausland und übernahm bereits Mitte der 1990er-Jahre erste Fertigungsstätten in Brasilien. Wobbens beharrlicher Wille zur technischen Weiterentwicklung, etwa durch die Einführung neuartiger getriebeloser Systeme, aber auch der bald darauf einsetzende Boom bei Windkraftanlagen katapultierte Enercon innerhalb weniger Jahre in die Weltliga der Windenergieanlagenhersteller. Basierend auf der installierten Leistung liegt das Unternehmen in Bezug auf Marktanteile europaweit auf Platz zwei, weltweit auf Platz fünf (2009), verfügt über insgesamt 12.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. Seit Firmengründung wurden weltweit mehr als 17.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 22 Gigawatt gebaut.

Qualität als Schlüsselfaktor „Wenn wir nicht ständig daran arbeiten, unser Produkt zu verbessern, sind wir ganz schnell weg vom Fenster“, sagte Aloys Wobben in einem Interview mit dem Greenpeace Magazin und fügte hinzu, dass die Teile „200-mal länger halten müssen als die eines Autos. Es wirken enorme Kräfte darauf ein, und diese Lasten wechseln – je nach Wind – dabei auch noch ständig.“ Nicht zuletzt deshalb legt er – wie im Übrigen auch Rudolf Wanzl – großen Wert darauf, den Großteil der verwendeten Bauteile in eigenen Werken nach eigenen Qualitätsmaßstäben zu fertigen. Während dieser Qualitätsanspruch im Vergleich zu Mitbewerbern oftmals zu höheren Marktpreisen führt, gelang der 2002 gegründeten Sparte „Partec essential healthcare“ des Görlitzer Biotechnologie-Unternehmens Partec der Durchbruch gerade aufgrund ihrer günstigen Preise. Speziell für Entwicklungsländer entwickelten die Forscher besonders einfache, robuste, tragbare, vor allem aber preiswerte und zuverlässige Analysemethoden und -geräte zur Erkennung von HIV-, Tuberkulose- und Malariainfektionen. Allein im Jahr 2008 wurden mit diesen Geräten in der HIV-Immunstatusdiagnostik nach eigenen Angaben „mehr als eine Million Patienten – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern – mit über 2,5 Millionen Tests versorgt“. Dieser Erfolg führte bei der internationalen Konkurrenz, die bis zu diesem Zeitpunkt den Markt unter sich aufteilte, zu empfindlichen Umsatzeinbußen. Die Folge ist ein erbitterter Kampf um Marktanteile vor allem zwischen dem US-amerikanischen Konzern Becton Dickinson (29.000 Mitarbeiter, sieben Milliarden Dollar Umsatz) und dem Familienunternehmen Partec (140 Mitarbeiter, 26 Millionen Euro Umsatz). In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Februar 2011 erläutert der 38 Jahre alte Sohn des Firmengründers und Finalist des von Ernst & Young 2009 ausgelobten Wettbewerbs zum „Entrepreneur des Jahres“, Wolfgang Göhde, warum Partec diese Tests günstiger an-

18 Erfolgsgeschichten

Dr. Florian Langenscheidt

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„Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze.“

bieten kann: „Wir sind ein reines Familienunternehmen, wir haben nicht den Druck von Aktionären im Genick.“

Familienunternehmen – aus der Provinz in den Weltmarkt

Manfred Bogdahn, flexi – Bogdahn International

Laut Manager Magazin waren 2010 „rund 70 Prozent der deutschen Weltmarktführer im Familienbesitz“. Dass deren Eigentümer „fast immer in Generationen denken“ und damit für langfristig klare Ziele und Strukturen sorgen, bestätigt auch Manfred Bogdahn. Um angeleinten Hunden den nötigen Auslauf zu bieten, erfand der Maschinenbauer 1973 die Hunde-Rollleine. Kaum waren eine Leine, der Startmechanismus einer Motorsäge sowie zwei einfache Holzschalen zu einem ersten Prototyp verschmolzen, kamen auch schon die ersten Anfragen benachbarter Hundebesitzer. In Bargteheide bei Hamburg folgte die Gründung des Unternehmens „flexi – Bogdahn International“, welches heute als Weltmarktführer 60 Millionen Euro Umsatz erzielt (90 Prozent davon im Export) und gut 300 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze“, lautet der Leitspruch von Bogdahn, der sich ganz bewusst ausschließlich auf die Herstellung von Hundeleinen konzentriert hat. Sein Erfolgsrezept: „Wenn man sich – wie bei uns – auf ein Produkt spezialisiert, wenn sich Ingenieure, Techniker und Kaufleute nur um ein Produkt kümmern, dann wird man einfach besser als andere, die sich in der Diversifikation verlieren.“ Von der Qualität und vom guten Ruf der Hundeleinen versuchen inzwischen auch chinesische Produktpiraten zu profitieren, die Bogdahns Produkte und selbst seine Verpackungen mit großer Dreistigkeit nachahmen. Erst im Januar 2011 wurde ein Hersteller aus Fernost mit dem Plagiarius 2011 „ausgezeichnet“, einem seit 1977 vergebenen deutschen Negativpreis für besonders auffällige Produktkopien.

Ideen, Kreativität und Präzision In China wahrgenommen wird auch der Bauingenieur Werner Stengel, dessen Münchner Ingenieurbüro für bahnbrechende Neuerungen bei der Planung und dem Bau von Achterbahnen steht. Angefangen hatte alles in den 1960er-Jahren, als der damals 28-jährige Stengel vom Vergnügungsanlagenbauer Schwarzkopf für statische Berechnungen der ersten deutschen Stahlachterbahn engagiert wurde. In der Folge entwickelte er Achterbahnen und Loopings mit speziellen Bogenformen, die höhere Geschwindigkeiten und mehr Sicherheit ermöglichten. Innovationen wie diese, aber auch die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit und das notwendige technische Know-how brachten das Ingenieurbüro an die internationale Weltspitze seines Fachs. Es erfolgten Aufträge zur Entwicklung immer schnellerer und spektakulärerer Anlagen von Kunden aus aller Welt – aus Brasilien, China, Japan, Kanada und Mexiko ebenso wie aus Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika und den USA. Insgesamt entstanden in den letzten vierzig Jahren mehr als 500 Achterbahnen, darunter auch die „Kingda Ka“ im Freizeitpark Six Flags in Jackson, New Jersey, die mit 138 Metern Höhe und ei-

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Literatur:

Lexikon der deutschen Weltmarktführer Die Königsklasse deutscher Unternehmen in Wort und Bild Gabal Verlag, Offenbach, 2010 697 Seiten EUR 79,00 ISBN-10 3869362219 ISBN-13 978-3869362212 Hermann Simon

Hidden Champions des 21. Jahrhunderts Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer Campus Verlag, Frankfurt, 2007 452 Seiten EUR 39,90 ISBN-10 3593383802 ISBN-13 978-3593383804 Bernd Venohr

Wachsen wie Würth Das Geheimnis des Welterfolgs Campus Verlag, Frankfurt, 2006 210 Seiten EUR 29,90 ISBN-10 3593379627 ISBN-13 978-3593379623

Illustration: © Freie Kreatur

von Roland Pawlitschko

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ner Beschleunigung von 0 auf 206 km/h in 3,5 Sekunden bis zum Jahr 2010 als höchste und schnellste Bahn der Welt galt. Mit solchen Superlativen können Felix Rohland und Thomas Jaenisch, die Gründer des oberfränkischen Mützenlabels myBoshi zwar nicht aufwarten. Dafür zeigt ihre Geschichte geradezu bilderbuchartig, wie eine gute Idee mit unternehmerischem Gespür selbst im kleinen Rahmen zu großem Erfolg führen kann. Die Initialzündung erfolgte 2009 bei einem Skilehreraustausch in Japan, wo die beiden mehr zum Spaß häkeln lernten. Auf die nur für den Eigenbedarf gefertigten Mützen wurden sie so oft angesprochen, bis sie die beiden ersten Mützen auf der Straße an zwei Australier verkauften. „Beim nächtlichen Karaoke mit den Aussies und einem Fingerhut voll Sake verwandelte sich die anfängliche Schnapsidee dann in eine handfeste Geschäftsidee. Als sich diese am nächsten Morgen nach etlichen Tassen Kaffee nicht in Luft auflöste, beschlossen wir, es mit den Mützen zu versuchen.“ Bisher wurden die ausschließlich im Internet individuell konfigurierbaren und von Großmüttern sowie anderen Häklern aus der Region produzierten Mützen bereits einige tausend Mal in alle Welt geliefert. Ab 4.000 verkauften Exemplaren pro Jahr könne man ganz gut davon leben, sagen die beiden bescheiden. Damit schienen sie den Rat Hermann Simons zu bestätigen, Autor des 2007 erschienenen Buchs „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer“: Je erfolgreicher Sie sind, desto wichtiger ist es für Sie, nüchtern und bescheiden zu bleiben. Bleiben Sie lieber ein Hidden Champion. Roland Pawlitschko, geb. 1969, Architekt, Ausstellungsmacher und Architekturkritiker für verschiedene Zeitschriften und Tageszeitungen.

Erfolgsgeschichten aus deutschen Landen – herausragende Kampagnen, erfolgreiche Akteure und zukunftsweisende Arbeiten der Kommunikation, raumbrand beleuchtet die Professionalisierung der Kommunikation erfolgreicher Hidden Champions.

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siehe auch: raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62

Akkubetriebene Rasenwalzen, Pflanzenöl-Trekkingkocher, motorisierte Elektro-Sportrad-Inlineskates oder als mobile Sitzgelegenheit verwendbare Reisekoffer – die vergangenes Jahr auf der Nürnberger Fachmesse „Ideen– Erfindungen–Neuheiten“ (IENA) präsentierten Neuheiten zeigen, dass hierzulande leidenschaftlich gern gebastelt, erfunden, getüftelt und quergedacht wird. Zu den Teilnehmern der weltgrößten Messe ihrer Art zählten die „Daniel Düsentriebs“ aus 19 Ländern ebenso wie jugendliche Hobby-Erfinder und junge Start-up-Unternehmen, die mit ihren pfiffigen Ideen oder marktreif entwickelten Produkten einen vielversprechenden Blick auf das kreative Potenzial der Zukunft erlaubten. Das Rad neu zu erfinden, stand dabei keineswegs im Mittelpunkt. Stattdessen ging es in den meisten Fällen darum, Vorgefundenes mithilfe neuer Technologien oder Materialien weiterzuentwickeln und gezielt an veränderte Bedürfnisse anzupassen – ganz in der Tradition vieler weltberühmter Deutscher, die mit ihren Produkten Geschichte schrieben. Dazu zählen Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel ebenso wie Arthur Fischer, der bis Ende 2008 über 1.000 Patente und Gebrauchsmuster anmeldete und damit als einer der weltweit erfolgreichsten Erfinder gilt. Er bestückte Bohrlöcher als erster mit kleinen Kunststoffspreizdübeln statt mit blutgetränkten Stofffetzen oder Holzkeilen, um Gegenstände dauerhaft und stabil an Wänden zu befestigen. Dieser Artikel ließe sich problemlos mit der bloßen Aufzählung prominenter „Innovatoren“ und ihrer Weltneuheiten „Made in Germany“ füllen – von Martin Luther (Reformation), Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Otto Hahn (Kernspaltung) bis hin zu Adolf Dassler (SchraubstollenFußballschuhe). Doch selbst dann müssten zahlreiche „Hidden Champions“ unberücksichtigt bleiben, deren Geschichte und Geschichten zwar im Allgemeinen weniger bekannt sind, deren Innovationen dafür aber umso größere Auswirkungen auf das Weltgeschehen oder die Lebensumwelt der Menschen hatten. Bei diesen Innovatio-

nen handelt es sich nicht selten um wenig spektakuläre Dinge des Alltags – wie etwa Einkaufswagen, die die Menschen zwar täglich in Supermärkten vor sich herschieben, die aber selten bewusst wahrgenommen werden. So ist längst nicht jedem Konsument bekannt, dass das Leipheimer Unternehmen Wanzl unangefochtener Weltmarktführer für Einkaufswagen und -körbe ist und jährlich knapp zwei Millionen Exemplare an Handelsketten in aller Welt verkauft.

Chancen erkennen und nutzen Dass sich aus einer im Jahr 1918 gegründeten Schlosserei ein Weltkonzern mit 3.500 Mitarbeitern entwickelte, hat nicht zuletzt mit dem Weitblick zweier Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. 1948 erkennen Rudolf Wanzl jun. und Rudolf Wanzl sen. in der beauftragten Produktion handgefertigter Einkaufskörbe für ein Augsburger Pilotprojekt eines Selbstbedienungsmarktes ihre Chance. Und so begannen sie 1950, gut zehn Jahre vor dem Siegeszug von Aldi & Co, mit der Fertigung eines Gitterkorbs mit Klappbügel. Nur ein Jahr später folgte das Patent auf den ersten Einkaufswagen mit festem Korb („Concentra“) – ein Modell, das den Menschen noch heute in jedem Supermarkt der Welt vertraut erscheinen würde. Inzwischen unterhält das Familienunternehmen Wanzl Fertigungsbetriebe und Niederlassungen in ganz Europa und anderen internationalen Standorten. Am ursprünglichen Grundsatz, sich mit den Fragen von morgen zu beschäftigen, um die Antworten von heute zu finden, hat sich nichts geändert.

Innovationen zum richtigen Zeitpunkt Geprägt vom Ölschock der 1970er-Jahre, dem Wissen um die Endlichkeit von Kohle, Öl und Uran und zu einer Zeit, als Windräder noch in erster Linie Assoziationen an holländische Windmühlen weckten, gründete der damals 32-jährige Aloys Wobben im Jahr 1984 den Windenergieanlagenhersteller „Enercon“. Weil sich seine Werkstät-

16 Erfolgsgeschichten

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ten zunächst in einem leer stehenden Möbellager im kleinen Ort Aurich, 50 Kilometer westlich von Wilhelmshaven, befanden, wird er wegen seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte gern auch als „Bill Gates von Ostfriesland“ bezeichnet. Nach anfänglichen Kleinaufträgen aus der mit reichlich Wind gesegneten Region orientierte sich der Elektroingenieur rasch ins Ausland und übernahm bereits Mitte der 1990er-Jahre erste Fertigungsstätten in Brasilien. Wobbens beharrlicher Wille zur technischen Weiterentwicklung, etwa durch die Einführung neuartiger getriebeloser Systeme, aber auch der bald darauf einsetzende Boom bei Windkraftanlagen katapultierte Enercon innerhalb weniger Jahre in die Weltliga der Windenergieanlagenhersteller. Basierend auf der installierten Leistung liegt das Unternehmen in Bezug auf Marktanteile europaweit auf Platz zwei, weltweit auf Platz fünf (2009), verfügt über insgesamt 12.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. Seit Firmengründung wurden weltweit mehr als 17.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 22 Gigawatt gebaut.

Qualität als Schlüsselfaktor „Wenn wir nicht ständig daran arbeiten, unser Produkt zu verbessern, sind wir ganz schnell weg vom Fenster“, sagte Aloys Wobben in einem Interview mit dem Greenpeace Magazin und fügte hinzu, dass die Teile „200-mal länger halten müssen als die eines Autos. Es wirken enorme Kräfte darauf ein, und diese Lasten wechseln – je nach Wind – dabei auch noch ständig.“ Nicht zuletzt deshalb legt er – wie im Übrigen auch Rudolf Wanzl – großen Wert darauf, den Großteil der verwendeten Bauteile in eigenen Werken nach eigenen Qualitätsmaßstäben zu fertigen. Während dieser Qualitätsanspruch im Vergleich zu Mitbewerbern oftmals zu höheren Marktpreisen führt, gelang der 2002 gegründeten Sparte „Partec essential healthcare“ des Görlitzer Biotechnologie-Unternehmens Partec der Durchbruch gerade aufgrund ihrer günstigen Preise. Speziell für Entwicklungsländer entwickelten die Forscher besonders einfache, robuste, tragbare, vor allem aber preiswerte und zuverlässige Analysemethoden und -geräte zur Erkennung von HIV-, Tuberkulose- und Malariainfektionen. Allein im Jahr 2008 wurden mit diesen Geräten in der HIV-Immunstatusdiagnostik nach eigenen Angaben „mehr als eine Million Patienten – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern – mit über 2,5 Millionen Tests versorgt“. Dieser Erfolg führte bei der internationalen Konkurrenz, die bis zu diesem Zeitpunkt den Markt unter sich aufteilte, zu empfindlichen Umsatzeinbußen. Die Folge ist ein erbitterter Kampf um Marktanteile vor allem zwischen dem US-amerikanischen Konzern Becton Dickinson (29.000 Mitarbeiter, sieben Milliarden Dollar Umsatz) und dem Familienunternehmen Partec (140 Mitarbeiter, 26 Millionen Euro Umsatz). In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Februar 2011 erläutert der 38 Jahre alte Sohn des Firmengründers und Finalist des von Ernst & Young 2009 ausgelobten Wettbewerbs zum „Entrepreneur des Jahres“, Wolfgang Göhde, warum Partec diese Tests günstiger an-

18 Erfolgsgeschichten

Dr. Florian Langenscheidt

Lexikon der deutschen Weltmarktführer Die Königsklasse deutscher Unternehmen in Wort und Bild Gabal Verlag, Offenbach, 2010 697 Seiten EUR 79,00 ISBN-10 3869362219 ISBN-13 978-3869362212 Hermann Simon

Hidden Champions des 21. Jahrhunderts Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer Campus Verlag, Frankfurt, 2007 452 Seiten EUR 39,90 ISBN-10 3593383802 ISBN-13 978-3593383804 Bernd Venohr

Wachsen wie Würth Das Geheimnis des Welterfolgs Campus Verlag, Frankfurt, 2006 210 Seiten EUR 29,90 ISBN-10 3593379627 ISBN-13 978-3593379623

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„Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze.“

bieten kann: „Wir sind ein reines Familienunternehmen, wir haben nicht den Druck von Aktionären im Genick.“

Familienunternehmen – aus der Provinz in den Weltmarkt

Manfred Bogdahn, flexi – Bogdahn International

Laut Manager Magazin waren 2010 „rund 70 Prozent der deutschen Weltmarktführer im Familienbesitz“. Dass deren Eigentümer „fast immer in Generationen denken“ und damit für langfristig klare Ziele und Strukturen sorgen, bestätigt auch Manfred Bogdahn. Um angeleinten Hunden den nötigen Auslauf zu bieten, erfand der Maschinenbauer 1973 die Hunde-Rollleine. Kaum waren eine Leine, der Startmechanismus einer Motorsäge sowie zwei einfache Holzschalen zu einem ersten Prototyp verschmolzen, kamen auch schon die ersten Anfragen benachbarter Hundebesitzer. In Bargteheide bei Hamburg folgte die Gründung des Unternehmens „flexi – Bogdahn International“, welches heute als Weltmarktführer 60 Millionen Euro Umsatz erzielt (90 Prozent davon im Export) und gut 300 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze“, lautet der Leitspruch von Bogdahn, der sich ganz bewusst ausschließlich auf die Herstellung von Hundeleinen konzentriert hat. Sein Erfolgsrezept: „Wenn man sich – wie bei uns – auf ein Produkt spezialisiert, wenn sich Ingenieure, Techniker und Kaufleute nur um ein Produkt kümmern, dann wird man einfach besser als andere, die sich in der Diversifikation verlieren.“ Von der Qualität und vom guten Ruf der Hundeleinen versuchen inzwischen auch chinesische Produktpiraten zu profitieren, die Bogdahns Produkte und selbst seine Verpackungen mit großer Dreistigkeit nachahmen. Erst im Januar 2011 wurde ein Hersteller aus Fernost mit dem Plagiarius 2011 „ausgezeichnet“, einem seit 1977 vergebenen deutschen Negativpreis für besonders auffällige Produktkopien.

Ideen, Kreativität und Präzision In China wahrgenommen wird auch der Bauingenieur Werner Stengel, dessen Münchner Ingenieurbüro für bahnbrechende Neuerungen bei der Planung und dem Bau von Achterbahnen steht. Angefangen hatte alles in den 1960er-Jahren, als der damals 28-jährige Stengel vom Vergnügungsanlagenbauer Schwarzkopf für statische Berechnungen der ersten deutschen Stahlachterbahn engagiert wurde. In der Folge entwickelte er Achterbahnen und Loopings mit speziellen Bogenformen, die höhere Geschwindigkeiten und mehr Sicherheit ermöglichten. Innovationen wie diese, aber auch die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit und das notwendige technische Know-how brachten das Ingenieurbüro an die internationale Weltspitze seines Fachs. Es erfolgten Aufträge zur Entwicklung immer schnellerer und spektakulärerer Anlagen von Kunden aus aller Welt – aus Brasilien, China, Japan, Kanada und Mexiko ebenso wie aus Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika und den USA. Insgesamt entstanden in den letzten vierzig Jahren mehr als 500 Achterbahnen, darunter auch die „Kingda Ka“ im Freizeitpark Six Flags in Jackson, New Jersey, die mit 138 Metern Höhe und ei-

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Literatur:

Illustration: © Freie Kreatur

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von Roland Pawlitschko

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ner Beschleunigung von 0 auf 206 km/h in 3,5 Sekunden bis zum Jahr 2010 als höchste und schnellste Bahn der Welt galt. Mit solchen Superlativen können Felix Rohland und Thomas Jaenisch, die Gründer des oberfränkischen Mützenlabels myBoshi zwar nicht aufwarten. Dafür zeigt ihre Geschichte geradezu bilderbuchartig, wie eine gute Idee mit unternehmerischem Gespür selbst im kleinen Rahmen zu großem Erfolg führen kann. Die Initialzündung erfolgte 2009 bei einem Skilehreraustausch in Japan, wo die beiden mehr zum Spaß häkeln lernten. Auf die nur für den Eigenbedarf gefertigten Mützen wurden sie so oft angesprochen, bis sie die beiden ersten Mützen auf der Straße an zwei Australier verkauften. „Beim nächtlichen Karaoke mit den Aussies und einem Fingerhut voll Sake verwandelte sich die anfängliche Schnapsidee dann in eine handfeste Geschäftsidee. Als sich diese am nächsten Morgen nach etlichen Tassen Kaffee nicht in Luft auflöste, beschlossen wir, es mit den Mützen zu versuchen.“ Bisher wurden die ausschließlich im Internet individuell konfigurierbaren und von Großmüttern sowie anderen Häklern aus der Region produzierten Mützen bereits einige tausend Mal in alle Welt geliefert. Ab 4.000 verkauften Exemplaren pro Jahr könne man ganz gut davon leben, sagen die beiden bescheiden. Damit schienen sie den Rat Hermann Simons zu bestätigen, Autor des 2007 erschienenen Buchs „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer“: Je erfolgreicher Sie sind, desto wichtiger ist es für Sie, nüchtern und bescheiden zu bleiben. Bleiben Sie lieber ein Hidden Champion.

„Aus dem wird noch mal was!“

Roland Pawlitschko, geb. 1969, Architekt, Ausstellungsmacher und Architekturkritiker für verschiedene Zeitschriften und Tageszeitungen.

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von Roland Pawlitschko

siehe auch:  raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs  Seite 62

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Erfolgsgeschichten aus deutschen Landen – herausragende Kampagnen, erfolgreiche Akteure und zukunftsweisende Arbeiten der Kommunikation, raumbrand beleuchtet die Professionalisierung der Kommunikation erfolgreicher Hidden Champions.

Akkubetriebene Rasenwalzen, Pflanzenöl-Trekkingkocher, motorisierte Elektro-Sportrad-Inlineskates oder als mobile Sitzgelegenheit verwendbare Reisekoffer – die vergangenes Jahr auf der Nürnberger Fachmesse „Ideen– Erfindungen–Neuheiten“ (IENA) präsentierten Neuheiten zeigen, dass hierzulande leidenschaftlich gern gebastelt, erfunden, getüftelt und quergedacht wird. Zu den Teilnehmern der weltgrößten Messe ihrer Art zählten die „Daniel Düsentriebs“ aus 19 Ländern ebenso wie jugendliche Hobby-Erfinder und junge Start-up-Unternehmen, die mit ihren pfiffigen Ideen oder marktreif entwickelten Produkten einen vielversprechenden Blick auf das kreative Potenzial der Zukunft erlaubten. Das Rad neu zu erfinden, stand dabei keineswegs im Mittelpunkt. Stattdessen ging es in den meisten Fällen darum, Vorgefundenes mithilfe neuer Technologien oder Materialien weiterzuentwickeln und gezielt an veränderte Bedürfnisse anzupassen – ganz in der Tradition vieler weltberühmter Deutscher, die mit ihren Produkten Geschichte schrieben. Dazu zählen Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel ebenso wie Arthur Fischer, der bis Ende 2008 über 1.000 Patente und Gebrauchsmuster anmeldete und damit als einer der weltweit erfolgreichsten Erfinder gilt. Er bestückte Bohrlöcher als erster mit kleinen Kunststoffspreizdübeln statt mit blutgetränkten Stofffetzen oder Holzkeilen, um Gegenstände dauerhaft und stabil an Wänden zu befestigen. Dieser Artikel ließe sich problemlos mit der bloßen Aufzählung prominenter „Innovatoren“ und ihrer Weltneuheiten „Made in Germany“ füllen – von Martin Luther (Reformation), Melitta Bentz (Kaffeefilter) über Otto Hahn (Kernspaltung) bis hin zu Adolf Dassler (SchraubstollenFußballschuhe). Doch selbst dann müssten zahlreiche „Hidden Champions“ unberücksichtigt bleiben, deren Geschichte und Geschichten zwar im Allgemeinen weniger bekannt sind, deren Innovationen dafür aber umso größere Auswirkungen auf das Weltgeschehen oder die Lebensumwelt der Menschen hatten. Bei diesen Innovatio-

nen handelt es sich nicht selten um wenig spektakuläre Dinge des Alltags – wie etwa Einkaufswagen, die die Menschen zwar täglich in Supermärkten vor sich herschieben, die aber selten bewusst wahrgenommen werden. So ist längst nicht jedem Konsument bekannt, dass das Leipheimer Unternehmen Wanzl unangefochtener Weltmarktführer für Einkaufswagen und -körbe ist und jährlich knapp zwei Millionen Exemplare an Handelsketten in aller Welt verkauft.

Chancen erkennen und nutzen Dass sich aus einer im Jahr 1918 gegründeten Schlosserei ein Weltkonzern mit 3.500 Mitarbeitern entwickelte, hat nicht zuletzt mit dem Weitblick zweier Unternehmerpersönlichkeiten zu tun. 1948 erkennen Rudolf Wanzl jun. und Rudolf Wanzl sen. in der beauftragten Produktion handgefertigter Einkaufskörbe für ein Augsburger Pilotprojekt eines Selbstbedienungsmarktes ihre Chance. Und so begannen sie 1950, gut zehn Jahre vor dem Siegeszug von Aldi & Co, mit der Fertigung eines Gitterkorbs mit Klappbügel. Nur ein Jahr später folgte das Patent auf den ersten Einkaufswagen mit festem Korb („Concentra“) – ein Modell, das den Menschen noch heute in jedem Supermarkt der Welt vertraut erscheinen würde. Inzwischen unterhält das Familienunternehmen Wanzl Fertigungsbetriebe und Niederlassungen in ganz Europa und anderen internationalen Standorten. Am ursprünglichen Grundsatz, sich mit den Fragen von morgen zu beschäftigen, um die Antworten von heute zu finden, hat sich nichts geändert.

Innovationen zum richtigen Zeitpunkt Geprägt vom Ölschock der 1970er-Jahre, dem Wissen um die Endlichkeit von Kohle, Öl und Uran und zu einer Zeit, als Windräder noch in erster Linie Assoziationen an holländische Windmühlen weckten, gründete der damals 32-jährige Aloys Wobben im Jahr 1984 den Windenergieanlagenhersteller „Enercon“.  Weil sich seine Werkstätten

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Illustration: Š Freie Kreatur

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zunächst in einem leer stehenden Möbellager im kleinen Ort Aurich, 50 Kilometer westlich von Wilhelmshaven, befanden, wird er wegen seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte gern auch als „Bill Gates von Ostfriesland“ bezeichnet. Nach anfänglichen Kleinaufträgen aus der mit reichlich Wind gesegneten Region orientierte sich der Elektroingenieur rasch ins Ausland und übernahm bereits Mitte der 1990er-Jahre erste Fertigungsstätten in Brasilien. Wobbens beharrlicher Wille zur technischen Weiterentwicklung, etwa durch die Einführung neuartiger getriebeloser Systeme, aber auch der bald darauf einsetzende Boom bei Windkraftanlagen katapultierte Enercon innerhalb weniger Jahre in die Weltliga der Windenergieanlagenhersteller. Basierend auf der installierten Leistung liegt das Unternehmen in Bezug auf Marktanteile europaweit auf Platz zwei, weltweit auf Platz fünf (2009), verfügt über insgesamt 12.000 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. Seit Firmengründung wurden weltweit mehr als 17.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 22 Gigawatt gebaut.

Qualität als Schlüsselfaktor „Wenn wir nicht ständig daran arbeiten, unser Produkt zu verbessern, sind wir ganz schnell weg vom Fenster“, sagte Aloys Wobben in einem Interview mit dem Greenpeace Magazin und fügte hinzu, dass die Teile „200-mal länger halten müssen als die eines Autos. Es wirken enorme Kräfte darauf ein, und diese Lasten wechseln – je nach Wind – dabei auch noch ständig.“ Nicht zuletzt deshalb legt er – wie im Übrigen auch Rudolf Wanzl – großen Wert darauf, den Großteil der verwendeten Bauteile in eigenen Werken nach eigenen Qualitätsmaßstäben zu fertigen. Während dieser Qualitätsanspruch im Vergleich zu Mitbewerbern oftmals zu höheren Marktpreisen führt, gelang der 2002 gegründeten Sparte „Partec essential healthcare“ des Görlitzer Biotechnologie-Unternehmens Partec der Durchbruch gerade aufgrund ihrer günstigen Preise. Speziell für Entwicklungsländer entwickelten die Forscher besonders einfache, robuste, tragbare, vor allem aber preiswerte und zuverlässige Analysemethoden und -geräte zur Erkennung von HIV-, Tuberkulose- und Malariainfektionen. Allein im Jahr 2008 wurden mit diesen Geräten in der HIV-Immunstatusdiagnostik nach eigenen Angaben „mehr als eine Million Patienten – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern – mit über 2,5 Millionen Tests versorgt“. Dieser Erfolg führte bei der internationalen Konkurrenz, die bis zu diesem Zeitpunkt den Markt unter sich aufteilte, zu empfindlichen Umsatzeinbußen. Die Folge ist ein erbitterter Kampf um Marktanteile vor allem zwischen dem US-amerikanischen Konzern Becton Dickinson (29.000 Mitarbeiter, sieben Milliarden Dollar Umsatz) und dem Familienunternehmen Partec (140 Mitarbeiter, 26 Millionen Euro Umsatz). In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung im Februar 2011 erläutert der 38 Jahre alte Sohn des Firmengründers und Finalist des von Ernst & Young 2009 ausgelobten Wettbewerbs zum „Entrepreneur des Jahres“, Wolfgang Göhde, warum Partec diese Tests günstiger an-

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bieten kann: „Wir sind ein reines Familienunternehmen, wir haben nicht den Druck von Aktionären im Genick.“

Familienunternehmen – aus der Provinz in den Weltmarkt Laut Manager Magazin waren 2010 „rund 70 Prozent der deutschen Weltmarktführer im Familienbesitz“. Dass deren Eigentümer „fast immer in Generationen denken“ und damit für langfristig klare Ziele und Strukturen sorgen, bestätigt auch Manfred Bogdahn. Um angeleinten Hunden den nötigen Auslauf zu bieten, erfand der Maschinenbauer 1973 die Hunde-Rollleine. Kaum waren eine Leine, der Startmechanismus einer Motorsäge sowie zwei einfache Holzschalen zu einem ersten Prototyp verschmolzen, kamen auch schon die ersten Anfragen benachbarter Hundebesitzer. In Bargteheide bei Hamburg folgte die Gründung des Unternehmens „flexi – Bogdahn International“, welches heute als Weltmarktführer 60 Millionen Euro Umsatz erzielt (90 Prozent davon im Export) und gut 300 Mitarbeiter beschäftigt. „Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze“, lautet der Leitspruch von Bogdahn, der sich ganz bewusst ausschließlich auf die Herstellung von Hundeleinen konzentriert hat. Sein Erfolgsrezept: „Wenn man sich – wie bei uns – auf ein Produkt spezialisiert, wenn sich Ingenieure, Techniker und Kaufleute nur um ein Produkt kümmern, dann wird man einfach besser als andere, die sich in der Diversifikation verlieren.“ Von der Qualität und vom guten Ruf der Hundeleinen versuchen inzwischen auch chinesische Produktpiraten zu profitieren, die Bogdahns Produkte und selbst seine Verpackungen mit großer Dreistigkeit nachahmen. Erst im Januar 2011 wurde ein Hersteller aus Fernost mit dem Plagiarius 2011 „ausgezeichnet“, einem seit 1977 vergebenen deutschen Negativpreis für besonders auffällige Produktkopien.

Ideen, Kreativität und Präzision In China wahrgenommen wird auch der Bauingenieur Werner Stengel, dessen Münchner Ingenieurbüro für bahnbrechende Neuerungen bei der Planung und dem Bau von Achterbahnen steht. Angefangen hatte alles in den 1960er-Jahren, als der damals 28-jährige Stengel vom Vergnügungsanlagenbauer Schwarzkopf für statische Berechnungen der ersten deutschen Stahlachterbahn engagiert wurde. In der Folge entwickelte er Achterbahnen und Loopings mit speziellen Bogenformen, die höhere Geschwindigkeiten und mehr Sicherheit ermöglichten. Innovationen wie diese, aber auch die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit und das notwendige technische Know-how brachten das Ingenieurbüro an die internationale Weltspitze seines Fachs. Es erfolgten Aufträge zur Entwicklung immer schnellerer und spektakulärerer Anlagen von Kunden aus aller Welt – aus Brasilien, China, Japan, Kanada und Mexiko ebenso wie aus Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika und den USA. Insgesamt entstanden in den letzten vierzig Jahren mehr als 500 Achterbahnen, darunter auch die „Kingda Ka“ im Freizeitpark Six Flags in Jackson, New Jersey, die mit 138 Metern Höhe und ei-

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„Wir machen nur eines, aber das machen wir Spitze.“ Manfred Bogdahn, flexi – Bogdahn International

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Literatur: Dr. Florian Langenscheidt

Lexikon der deutschen Weltmarktführer Die Königsklasse deutscher Unternehmen in Wort und Bild Gabal Verlag, Offenbach, 2010 697 Seiten EUR 79,00 ISBN-10 3869362219 ISBN-13 978-3869362212 Hermann Simon

Hidden Champions des 21. Jahrhunderts Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer Campus Verlag, Frankfurt, 2007 452 Seiten EUR 39,90 ISBN-10 3593383802 ISBN-13 978-3593383804 Bernd Venohr

Wachsen wie Würth Das Geheimnis des Welterfolgs Campus Verlag, Frankfurt, 2006 210 Seiten EUR 29,90 ISBN-10 3593379627 ISBN-13 978-3593379623

ner Beschleunigung von 0 auf 206 km/h in 3,5 Sekunden bis zum Jahr 2010 als höchste und schnellste Bahn der Welt galt. Mit solchen Superlativen können Felix Rohland und Thomas Jaenisch, die Gründer des oberfränkischen Mützenlabels myBoshi zwar nicht aufwarten. Dafür zeigt ihre Geschichte geradezu bilderbuchartig, wie eine gute Idee mit unternehmerischem Gespür selbst im kleinen Rahmen zu großem Erfolg führen kann. Die Initialzündung erfolgte 2009 bei einem Skilehreraustausch in Japan, wo die beiden mehr zum Spaß häkeln lernten. Auf die nur für den Eigenbedarf gefertigten Mützen wurden sie so oft angesprochen, bis sie die beiden ersten Mützen auf der Straße an zwei Australier verkauften. „Beim nächtlichen Karaoke mit den Aussies und einem Fingerhut voll Sake verwandelte sich die anfängliche Schnapsidee dann in eine handfeste Geschäftsidee. Als sich diese am nächsten Morgen nach etlichen Tassen Kaffee nicht in Luft auflöste, beschlossen wir, es mit den Mützen zu versuchen.“ Bisher wurden die ausschließlich im Internet individuell konfigurierbaren und von Großmüttern sowie anderen Häklern aus der Region produzierten Mützen bereits einige tausend Mal in alle Welt geliefert. Ab 4.000 verkauften Exemplaren pro Jahr könne man ganz gut davon leben, sagen die beiden bescheiden. Damit schienen sie den Rat Hermann Simons zu bestätigen, Autor des 2007 erschienenen Buchs „Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer“: Je erfolgreicher Sie sind, desto wichtiger ist es für Sie, nüchtern und bescheiden zu bleiben. Bleiben Sie lieber ein Hidden Champion. Roland Pawlitschko, geb. 1969, Architekt, Ausstellungs­macher und Architekturkritiker für verschiede­ne Zeitschriften und Tageszeitungen.

20 Erfolgsgeschichten

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Jesko Perrey  , Dennis Spillecke (Hrsg.)

Robert Klanten, Lukas Feireiss (Hrsg.)

Retail Marketing and Branding – A Definitive Guide to Maximizing ROI

Staging Space – Scenic Interiors and Spatial Experiences

Wie lassen sich klassische und neue Marketinginstrumente wirksam miteinander kombinieren? Was braucht es, um mit den sich wandelnden Kundenbedürfnissen Schritt zuhalten? Wie können Händler ihre Kunden trotz des immer schwerer vorhersagbaren Mediennutzungsverhaltens effizient erreichen? Reagieren Kunden heute noch auf Prospekte, oder sollten Einzelhändler ihr Marketingbudget lieber in soziale Medien investieren? Wie lassen sich direkte Kundenkontakte in der Filiale für nachhaltige Wertschöpfung nutzen? Der Kunde bleibt König, aber sein Regiment ist in rapidem Wandel begriffen. Geiz ist geil. Kritische Konsumenten studieren stundenlang Online-Preisvergleiche und vertiefen sich in die Kommentare anderer Internet-Nutzer, bevor sie überhaupt ein Geschäft betreten. Und sobald sie wieder zurück am Computer sind, posten sie ihrerseits Details zu Einkaufserlebnis und Serviceleistungen auf Facebook und ähnlichen Seiten. Online-Agenturen sprechen von viralem Marketing und 360°-Kommunikation.

Immer mehr Aspekte des Geschäftslebens und der Freizeit finden dank Globalisierung und Digitalisierung heutzutage im Internet statt. Deshalb ist echten Zusammenkünften der richtige Rahmen zu geben. Gelegenheiten physischen Kontakts sind noch präziser vorzubereiten, um wirkungsvolle Eindrücke zu hinterlassen und Informationen auch auf einer emotionalen Ebene zu vermitteln. Die Gestaltung im Raum steht deshalb auf der Agenda.

Das jetzt erschienene Buch fußt auf dem Wissen und der Erfahrung von fast drei Dutzend führenden Einzelhandelsunternehmen. Der Pragmatismus der Autoren und eine Fülle von praktischen und vielfach bewährten Ansätzen und Fallbeispielen machen es zu einem unverzichtbaren Leitfaden für alle verbraucherorientierten Einzelhändler. Ein Must bei dem Run nach dem Return of Invest. EUR 42,00 ISBN 978-0-470-97966-2 www.wiley.com

Philip Jodidio

Shopping Architecture Now! Kaufen tut gut – fürwahr, hier kann man es wieder spüren, endlich, die zeitgenössische Architektur im Einzelhandel hat an Dynamik gewonnen. Vielleicht verdankt sich diese Sicherheit einer neuen Welt, in der Kommerz und Einzelhandel inzwischen von globalerer Reichweite und Bedeutung sind als ein einzelnes Land oder Glaubenssystem. Es ist der Aufstieg eines vorbehaltlosen Konsumverhaltens, der sich als Antrieb unserer heutigen Einzelhandelsarchitektur erweist. So ist es kaum überraschend, dass Designer und Architekten in einen Bereich strömen, der im Grunde nur wachsen kann. Ob Rezession oder Boom – selbst bei sich wandelnden Prioritäten und Budgets – der Einzelhandel ist ein Phänomen von Dauer, in deren Dienst sich die Architektur nur zu gern stellt.

Fotos: © Wiley, © Taschen, © Gestalter, © Haufe

Das Buch versammelt ebenso vielschichtig wie phantastisch bebildert die neuesten Läden und Flagshipstores weltweit, von erstaunlichen Einkaufszentren bis hin zu interaktiven Schaufenstergestaltungen oder kleinen Schmuckstücken wie einer Patisserie in Paris. Hier finden Firmen wie Apple, Uniqlo oder Nike zu den besten Köpfen aus Architektur und Design. Hier treffen Stararchitekten, von David Adjaye über Rem Koolhaas bis hin zu Zaha Hadid, auf die Macher von Design und Mode, darunter Jurgen Bey, Tom Dixon, Ingo Maurer und Philippe Starck – nicht nur für Schöpfer von Träumen ein neues, ein überaus anregendes Zuhause!

Staging Space stellt eine umfangreiche Sammlung von Arbeiten im Raum vor, in der Bild und Raum zu einer narrativen und bedeutungsgenerierenden Einheit verschmelzen. Die Bandbreite reicht von Ausstellungs- und Event-Architekturen über Interior Designs, Kunstinstallationen und Bühnenbilder bis hin zu medialen Markenauftritten und der Bespielung urbaner Oberflächen. Ebenso präsentiert es eine Reihe kreativer Mischformen, deren spezielles Augenmerk auf der effektvollen, inszenatorischen Wirkungskraft des Raumes liegt. Das Buch erschließt neue Handlungsräume für Ästhetik, Informationstechnologie und Kundenansprache. Durch Überschreiten disziplinärer Grenzen und konventioneller Vorstellungen eröffnet es den Blick auf den Mehrwert einer ausgearbeiteten Inszenierung von Räumlichkeiten, die für Kreative in den Bereichen Design, Innenausstattung und Bühnenbild aber auch Werbung und Marketing von wachsender Bedeutung ist. Ein großartiges (nicht nur) Bilderbuch für alle, die sich in irgendeiner Form für Event Architektur, Media Installationen, Interior Design oder auch Multimedia Marken Konzepte interessieren.

Buchtipps

Vier

Empfehlungen zur erfolgreichen Performance

Siehe auch „Die 10 Gebote des erfolgreichen Handelns“ von Jesko Perrey  auf  Seite 48.

EUR 44,00 ISBN 978-3-89955-316-1 www.gestalten.com

Christian Scheier, Dirk Mayas-Linke, Johannes Schneider

Codes – Die geheime Sprache der Produkte Nach welchen geheimen Regeln kaufen Kunden unsere Produkte? Vor allem aber: Wie können wir diese geheimen Codes entschlüsseln und damit unsere Produkte vermarkten? Die Autoren zeigen praxisnah und wissenschaftlich fundiert, wie man die Relevanz, Differenzierung und Glaubwürdigkeit in der Vermarktung von Produkten signifikant erhöhen kann. Gleichzeitig legen sie dar, wie man die leidigen Geschmacksdiskussionen bei Werbung, Verpackung oder Produktdesign durch strategische Entscheidungen ersetzen und damit mehr Effizienz im Marketing erreichen kann. Ein Buch für alle, die sich dafür interessieren, warum wir die Produkte kaufen, die wir kaufen. Mit jeder Menge spannender Selbsterfahrung. EUR 29,80 ISBN 978-3-648-00301-5 www.haufe.de

EUR 29,99 ISBN 978-3-8365-1738-6 www.taschen.com

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Buchtipps

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Die Gesch채ftsf체hrer der Kommunikationsagentur raumbrand und Herausgeber von raumbrand: Ralph Missy, Axel Werner, Udo Wittmann, Michael Lohr und G체nter Maria Bregulla (von links nach rechts), allesamt Spezialisten im Bereich Markenkommunikation.

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Reflex

Punktlandung auf

Fotos: © raumbrand – Synaptic Branding (3); © Joachim Wendler / Fotolia (4); © Jens Schwarz

Paul: Das bedeutet, sie muss sich während ihrer Laufzeit verändern können … Werner: Konzepte müssen sich heute sehr rasch verändern können, was – und das ist

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für uns das eigentlich Spannende daran – nur mit einer adaptiven Vernetzung aller Kommunikationsdisziplinen funktioniert. Lohr: Im Grund genommen geht es dabei um Flexibilität als Gradmesser für Effizienz: Synaptic Branding ermöglicht es Kampagnen, schnell und sprunghaft zu lernen. Dafür braucht es unserer Erfahrung nach kein aufwändiges Beta-, Response- und Betreffzeilen-Testing mehr wie im klassischen Dialogmarketing. Werner: Social Media als Response-Kanal versetzt uns in die Lage, aus dem Markt heraus zu erkennen, worauf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing reagieren sollten. Uns geht es darum, Lernen und systemische Integration von der Ebene des Unternehmens auf die Ebene der Kampagne zu übertragen: Ziel ist die lernende Kampagne. Lohr: Wir betrachten Kampagnenführung als Ping-Pong-Spiel mit dem Markt, wodurch sich die Reaktionsgeschwindigkeit enorm erhöht. Werner: Ein Beispiel aus dem Agenturalltag: Wenn während einer Kampagne das Budget verlagert oder verringert wird, führt Synaptic

von Jochen Paul

Synaptic Branding im Agenturalltag – Jochen Paul im Gespräch mit Michael Lohr und Axel Werner, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

Fotos: © raumbrand–Synaptic Branding (3); © Joachim Wendler/Fotolia (4)

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Synaptic Branding

Projekte ohne Jour fixe und multifunktionale Teams Dabei werden auch die Agenturprojekte selbst vernetzt und spontan reaktionsfähig organisiert: Unterstützt durch räumliche Nähe zueinander, wird der kreative Austausch unter den verschiedenen Disziplinen horizontal im Fluss gehalten, sind Timings, Outputs, To-Dos und Querbezüge immer allen präsent.

Verschmelzung der Disziplinen Synaptic Branding bedeutet auch, dass die traditionellen Kerndisziplinen der Agentur ineinander verschmelzen – und zwar auf strategischer (Geschäftsführer) wie auf operativer (Mitarbeiter) Ebene. Die althergebrachte Trennung von „offline“ und „online“ gibt es bei raumbrand nicht. Wir organisieren die Markenbegegnung in drei Disziplinen: 1. „Kommunikation im Raum“ prägt die physikalische Umgebung, in der eine Marke erlebt wird, z. B. als Brandland, Showroom, Messestand oder Corporate Architecture. 2. „Live-Kommunikation“ sorgt dafür, dass die Qualität der persönlichen Markenbegegnung voller Emotion und verbindlicher Nähe ist, z. B. als Event-Inszenierung oder Sales Promotion. 3. „Medien-Kommunikation“ liefert den Dialog und den Werbekontakt zu massenhaften Zielgruppen, z. B. über PR, E-CRM oder klassische Werbung.

Selbstorganisierendes Prinzip Der klassischen Arbeitsteilung „Integrierter“ Kampagnen setzt Synaptic Branding ein selbstorganisierendes Prinzip entgegen: Wie im menschlichen Gehirn gibt es keine Master-Gehirnzelle, sondern einen Verbund von eng miteinander verflochtenen Arealen. Wo Social Media und Live-Kommunikation dem „Agentur-Gehirn“ die sensorischen Erfahrungswerte liefern, entsteht Kreativität in jedem angesprochenen Areal und wird noch im selben Moment ganzheitlich bewertet.

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Paul: Wie funktioniert das konkret? Werner: Ein wesentliches Element dabei sind Location Votings für die Bereiche Shopping/ Mode, Essen und Musik/Ausgehen – allein damit lassen sich problemlos Tausende von Blog-Einträgen und Postings organisieren. Aus ihnen lernen wir, welche Elemente im Alltag der Zielgruppe lebensstilgestaltend und meinungsbildend sind, und diese Informationen speisen wir direkt in die jeweilige Kampagne ein. Lohr: Oft geht die Markenverjüngung einher mit einer Betonung des Urbanen: Unter Christopher Bailey als Creative Director ist es Burberry gelungen, nicht mehr nur als funktional wahrgenommen zu werden und sich vom Ausstatter des älteren Landadels zu einem Label für ein junges, urbanes Publikum zu entwickeln; Jaguar Landrover hat mit dem Ende Februar in Berlin vorgestellten Range Rover EVOQUE das passende Fahrzeug dazu: ein SUV für eine dezidiert urbane Welt, ohne Pferdeanhänger und Bootstrailer. Werner: Zielgruppe unserer Kampagnen ist oftmals die Creative Class: Designer, Kreative, Werber, die wir sehr gezielt einzubinden versuchen. Paul: Sind die denn so ohne weiteres für Traditionsmarken zu gewinnen? Die gelten doch eher als Konsumverweigerer … Werner: Da ist unsere Erfahrung eine andere: Postmaterialistische Tendenzen gehen mit dem Übertritt von einer studentischen in eine professionelle Lebenswelt eindeutig zurück – sobald sie sich etablieren, spielt die symbolische Distinktion über Premium-Marken und -Produkte als Merkmal eines individuellen Lebensstils nach wie vor eine wichtige Rolle. Paul: Auf welchen Themenkanälen und Plattformen findet Synaptic Branding statt? Werner: Parallel auf der Ebene der Live-Begegnung, auf der Ebene der Begegnung in sozialen Medien und flankierend auf der Ebene der klassischen Medien- und Pressearbeit. Entscheidend für die Beteiligung der Ziel-

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Jochen Paul: In jüngster Zeit war viel von Synaptic Branding die Rede. Was verbirgt sich hinter dem Begriff – nur ein aktuelles buzzword, eine neue Marketingphilosophie oder geht es dabei um mehr? Axel Werner: Synaptic Branding ist eine Leitidee, die als konzeptionelles Dach über all dem steht, was wir als Agentur raumbrand am Markt anbieten. Den Begriff haben wir gewählt, um deutlich zu machen, dass wir komplett anders arbeiten als Agenturen vergleichbarer Größenordnung: bezüglich der Vernetzung, der Reaktionsschnelligkeit und der Lernfähigkeit von Kampagnen. Michael Lohr: Synaptic Branding ist das Resultat einer intensiven Analyse: Wie haben wir früher gearbeitet, wie agieren wir heute und wohin entwickelt sich der Bedarf des Kunden in naher Zukunft? Was erwartet er unterschwellig von einer Agentur, die seine Gesamtkommunikation verantwortet – obwohl es ihm vielleicht noch gar nicht bewusst ist? Werner: Synaptic Branding ist meinem Verständnis nach die nächste Entwicklungsstufe der integrierten Kommunikation: Deren Problem besteht heute darin, dass sie in weiten Teilen überholt ist, denn Kampagnen müssen sich anpassen. Zwischen der Budgetvergabe und der Wirkung einer Kampagne am Markt können durchaus neun Monate liegen. Paul: Das bedeutet, sie muss sich während ihrer Laufzeit verändern können … Werner: Konzepte müssen sich heute sehr rasch verändern können, was – und das ist

für uns das eigentlich Spannende daran – nur mit einer adaptiven Vernetzung aller Kommunikationsdisziplinen funktioniert. Lohr: Im Grund genommen geht es dabei um Flexibilität als Gradmesser für Effizienz: Synaptic Branding ermöglicht es Kampagnen, schnell und sprunghaft zu lernen. Dafür braucht es unserer Erfahrung nach kein aufwändiges Beta-, Response- und Betreffzeilen-Testing mehr wie im klassischen Dialogmarketing. Werner: Social Media als Response-Kanal versetzt uns in die Lage, aus dem Markt heraus zu erkennen, worauf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing reagieren sollten. Uns geht es darum, Lernen und systemische Integration von der Ebene des Unternehmens auf die Ebene der Kampagne zu übertragen: Ziel ist die lernende Kampagne. Lohr: Wir betrachten Kampagnenführung als Ping-Pong-Spiel mit dem Markt, wodurch sich die Reaktionsgeschwindigkeit enorm erhöht. Werner: Ein Beispiel aus dem Agenturalltag: Wenn während einer Kampagne das Budget verlagert oder verringert wird, führt Synaptic

Branding zu einer deutlich intelligenteren Bündelung der für den Kunden relevanten Disziplinen und Kompetenzen als sie im Rahmen der Binnenkonkurrenz der einzelnen Ressorts und Profit Center einer klassischen Agentur oder gar der einzelnen Agenturen eines Networks untereinander möglich wäre. So wie im menschlichen Gehirn die Synapsen in Echtzeit auf die jeweiligen Erfahrungen reagieren, so funktionieren unsere Kampagnen, so arbeiten unsere operativen Teams. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den einzelnen Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Lohr: … unsere „Binnenkonkurrenz“ dreht sich nicht um Budgets, sondern um Ideen, wie damit ein Optimum für die Kommunikationsziele des Kunden und den Return on Invest erreicht werden kann. Paul: Was bedeutet das für die Organisation der Agentur, der Teams und für die Mitarbeiter? Werner: Es bedeutet vor allem, die Leute in multifunktionalen Teams räumlich zusammen zu legen, wie es die Automobilindustrie vorgemacht hat. Das heißt, dass ein Projektleiter im Eventbereich sich durchaus mal ein paar Monate ein Büro mit Mitarbeitern aus dem Bereich Social Media teilt, wenn sie gemeinsame Themen bearbeiten. Lohr: Nur wenn sich Synapsen berühren, kann der Funke auch überspringen. Synaptic Branding

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Werner: Es geht darum, dass sich die einzelnen Kommunikationsmedien und -kanäle untereinander befruchten. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Nur dadurch lassen sich kreative Lösungen für neue Probleme finden. Eine solche „Punktlandung auf Reflex“ erfordert aber eine gänzlich neue Kommunikations- und Kreativitätskultur der Mitarbeiter untereinander, die jeder für sich auch Lust darauf haben müssen, sich ständig in neue Themen einzudenken – quer durch die Palette der Kommunikationskanäle. Die stellt sich nur ein, wenn sie vorgelebt wird und wenn es innerhalb der Organisation dafür auch experimentellen Raum gibt. Innovation braucht Experimente und auch Fehler, aus denen dann die richtigen Empfehlungen entwickelt werden. Lohr: Dazu kommt: Die einzelnen Kommunikationskanäle müssen durch alle Phasen hindurch synchron wie ein Schwarm gesteuert werden. Das funktioniert anders als bei Agenturkäufen nur in einer Struktur, die alle Kerndisziplinen abdeckt, und in der jeder der absolut gleichberechtigten Partner eine jahrzehntelange Erfahrung und Erfolgsbilanz sowohl in seiner eigenen als auch in den Nachbardisziplinen vorweisen kann. Das macht die DNA des Synaptic Branding aus, und die ist auch nicht auf eine beliebige Agenturstruktur übertragbar: weg vom Denken in klassischen Hierarchien, hin zu einer Schnittstellenkultur. Das bedingt auch ein bewusstes Zurücktreten der einzelnen Bereiche – Medienkommunikation, Live-Kommunikation und Kommunikation im Raum – zugunsten des größeren Ganzen und der Gesamtstrategie. Der Beitrag der unterschiedlichen Sparten zur Wertschöpfung ändert sich mit jeder Kampagne – oftmals sogar während ihrer Laufzeit. Die gesamte Markenwirkung in ihrer ganzen Dreidimensionalität, die Inszenierung und die Medienkommunikation müssen dabei absolut perfekt ineinandergreifen.

Paul: Welcher Stellenwert kommt dabei dem Monitoring zu, und wie werden die einfließenden Informationen verarbeitet? Lohr: Aus der Massenkommunikation, dem Dialog- und Direct Marketing, dem Onlineund Social Media Marketing verfügen wir über zahlreiche Radarsysteme und Frühwarnindikatoren, können also einerseits die Media Response messen und bekommen andererseits über unsere eigenen Redaktionen sofort mit, in welche Richtung sich der Markt bewegt. Werner: Etliche unserer Kunden – Traditionsunternehmen aus der Mode-, Schmuck- und Automobilbranche – sind derzeit dabei, sich zu verändern, und öffnen sich einer sehr lifestyle-orientierten, an Nachhaltigkeit orientierten Zielgruppe: Menschen um die dreißig, die einen modernen, urbanen Lebensstil auf hohem Niveau pflegen. Damit einher geht eine Verjüngung der Markenwerte, -attribute und der gesamten Identität, die entsprechend kommuniziert werden muss. Das tun wir durch ein PR-, event- und online-nahes Maßnahmenpaket, das sowohl online als auch in der Live-Kommunikation klar messbar ist. Damit schaffen wir Tausende von realen und Zigtausende von Online-Begegnungen, die wir alle im Einzelnen nachverfolgen können – ein aus meiner Sicht unschätzbar wertvolles modernes Markenkapital, social currency. Eine solche Datenbank kann Hunderttausende von Kontakten, Opt-in Marketing Permissions und Dialogstrecken beinhalten. Damit verfügen wir über den Originalton des Marktes und können unseren Kunden ein permanentes Feedback darüber anbieten, wie sich der Prozess der Markenverjüngung konkret abspielt. Direkter geht es – zumindest mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Medien – nicht mehr. Lohr: Anders als bei klassischen Marketingkontakten ist mit den digitalen Medien ein wechselseitiges Erzählen und Zuhören entstanden: eine Kundenbeziehung, die nicht nur messbar ist, sondern auch bestehen bleibt – was One-to-One-Marketing seit zehn Jahren verspricht, wird jetzt erst eingelöst.

siehe auch: raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | „Geld ist nicht alles“ von R. Missy Seite 28

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gruppe an Votings und Wettbewerben ist, das Ergebnis nicht nur zu dokumentieren, sondern den jeweiligen Siegerentwurf auch zu realisieren. Lohr: Für einen unserer Kunden aus der Automobilbranche sind wir aktuell mit einer deutschlandweiten Kampagne im Markt. Dabei werden sie nicht nur live in die Kommunikation integriert, sondern können auch eine Reihe attraktiver Preise gewinnen, die für Geld nicht zu bekommen sind – ein eigenes Plattenlabel zum Beispiel. Über die Einbindung von Crowdsourcing erreichen wir wie mit keinem anderen Medium, dass sich die Zielgruppe von Anfang an mit dem Produkt identifiziert, wobei die Identifikation mit der eigenen Arbeit dafür wächst. Werner: Über die Vernetzung von Online und Social Media mit der „realen“ Welt profitieren beide Seiten, das ist die Mechanik der Kampagne. Lohr: Höhepunkt der Live-Kommunikation sind sechs Style-Parties in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und München, auf denen die 18 besten Arbeiten vor Publikum getestet und regionale Gewinner ermittelt werden. Die endgültigen Sieger werden schließlich in Berlin präsentiert. Auf diese Weise bauen wir Schritt für Schritt einen Raum auf, in dem die Markteinführung stattfindet. Dabei schaffen wir nicht nur Markenbekanntheit, sondern sehr viele messbare Kontakte. Mein persönliches Ziel für die Kampagne ist eine sechsstellige Summe an Optins. Werner: Bezogen auf die Kampagnenführung bedeutet Synaptic Branding, sich von Anfang an direkt in die Messbarkeit hineinzubegeben. Das aber ist ein radikal anderer Ansatz, und davor scheuen die meisten Agenturen zurück. Paul: Vielen Dank für das Gespräch. Jochen Paul, geb. 1964, Medienmanager, Redakteur und Journalist. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Architektur und Design.

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Projekte ohne Jour fixe und multifunktionale Teams Dabei werden auch die Agenturprojekte selbst vernetzt und spontan reaktionsfähig organisiert: Unterstützt durch räumliche Nähe zueinander, wird der kreative Austausch unter den verschiedenen Disziplinen horizontal im Fluss gehalten, sind Timings, Outputs, To-Dos und Querbezüge immer allen präsent.

Das Märchen von der Integrierten Kommunikation

Verschmelzung der Disziplinen

Synaptic Branding versteht sich selbst als logische nächste Entwicklungsstufe nach der „integrierten Kommunikation“: Die ist gut als Idealbild zum Zeitpunkt der Planung eines Projekts, steckt aber in der Umsetzung voller Kompromisse, weil die Realität sich schneller ändert, als sich das ein Planer wünscht.

Synaptic Branding bedeutet auch, dass die traditionellen Kerndisziplinen der Agentur ineinander verschmelzen – und zwar auf strategischer (Geschäftsführer) wie auf operativer (Mitarbeiter) Ebene. Die althergebrachte Trennung von „offline“ und „online“ gibt es bei raumbrand nicht. Wir organisieren die Markenbegegnung in drei Disziplinen: 1. „Kommunikation im Raum“ prägt die physikalische Umgebung, in der eine Marke erlebt wird, z. B. als Brandland, Showroom, Messestand oder Corporate Architecture. 2. „Live-Kommunikation“ sorgt dafür, dass die Qualität der persönlichen Markenbegegnung voller Emotion und verbindlicher Nähe ist, z. B. als Event-Inszenierung oder Sales Promotion. 3. „Medien-Kommunikation“ liefert den Dialog und den Werbekontakt zu massenhaften Zielgruppen, z. B. über PR, E-CRM oder klassische Werbung.

Eingebaute Intelligenz Dadurch wird Synaptic Branding zum lernenden System: Fehler und Experimente werden sofort verarbeitet, und das Gelernte verbreitet sich quer durch die Organsation. Synaptic Branding gibt Raum für spontane Erkenntnisse und Experimente, erreicht bei geringem Werbebudget große Branding- und Kaufeffekte, zieht dabei aus der lau-

Selbstorganisierendes Prinzip Der klassischen Arbeitsteilung „Integrierter“ Kampagnen setzt Synaptic Branding ein selbstorganisierendes Prinzip entgegen: Wie im menschlichen Gehirn gibt es keine Master-Gehirnzelle, sondern einen Verbund von eng miteinander verflochtenen Arealen. Wo Social Media und Live-Kommunikation dem „Agentur-Gehirn“ die sensorischen Erfahrungswerte liefern, entsteht Kreativität in jedem angesprochenen Areal und wird noch im selben Moment ganzheitlich bewertet.

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Paul: Wie funktioniert das konkret? Werner: Ein wesentliches Element dabei sind Location Votings für die Bereiche Shopping/ Mode, Essen und Musik/Ausgehen – allein damit lassen sich problemlos Tausende von Blog-Einträgen und Postings organisieren. Aus ihnen lernen wir, welche Elemente im Alltag der Zielgruppe lebensstilgestaltend und meinungsbildend sind, und diese Informationen speisen wir direkt in die jeweilige Kampagne ein. Lohr: Oft geht die Markenverjüngung einher mit einer Betonung des Urbanen: Unter Christopher Bailey als Creative Director ist es Burberry gelungen, nicht mehr nur als funktional wahrgenommen zu werden und sich vom Ausstatter des älteren Landadels zu einem Label für ein junges, urbanes Publikum zu entwickeln; Jaguar Landrover hat mit dem Ende Februar in Berlin vorgestellten Range Rover EVOQUE das passende Fahrzeug dazu: ein SUV für eine dezidiert urbane Welt, ohne Pferdeanhänger und Bootstrailer. Werner: Zielgruppe unserer Kampagnen ist oftmals die Creative Class: Designer, Kreative, Werber, die wir sehr gezielt einzubinden versuchen. Paul: Sind die denn so ohne weiteres für Traditionsmarken zu gewinnen? Die gelten doch eher als Konsumverweigerer … Werner: Da ist unsere Erfahrung eine andere: Postmaterialistische Tendenzen gehen mit dem Übertritt von einer studentischen in eine professionelle Lebenswelt eindeutig zurück – sobald sie sich etablieren, spielt die symbolische Distinktion über Premium-Marken und -Produkte als Merkmal eines individuellen Lebensstils nach wie vor eine wichtige Rolle. Paul: Auf welchen Themenkanälen und Plattformen findet Synaptic Branding statt? Werner: Parallel auf der Ebene der Live-Begegnung, auf der Ebene der Begegnung in sozialen Medien und flankierend auf der Ebene der klassischen Medien- und Pressearbeit. Entscheidend für die Beteiligung der Ziel-

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Branding zu einer deutlich intelligenteren Bündelung der für den Kunden relevanten Disziplinen und Kompetenzen als sie im Rahmen der Binnenkonkurrenz der einzelnen Ressorts und Profit Center einer klassischen Agentur oder gar der einzelnen Agenturen eines Networks untereinander möglich wäre. So wie im menschlichen Gehirn die Synapsen in Echtzeit auf die jeweiligen Erfahrungen reagieren, so funktionieren unsere Kampagnen, so arbeiten unsere operativen Teams. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den einzelnen Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Lohr: … unsere „Binnenkonkurrenz“ dreht sich nicht um Budgets, sondern um Ideen, wie damit ein Optimum für die Kommunikationsziele des Kunden und den Return on Invest erreicht werden kann. Paul: Was bedeutet das für die Organisation der Agentur, der Teams und für die Mitarbeiter? Werner: Es bedeutet vor allem, die Leute in multifunktionalen Teams räumlich zusammen zu legen, wie es die Automobilindustrie vorgemacht hat. Das heißt, dass ein Projektleiter im Eventbereich sich durchaus mal ein paar Monate ein Büro mit Mitarbeitern aus dem Bereich Social Media teilt, wenn sie gemeinsame Themen bearbeiten. Lohr: Nur wenn sich Synapsen berühren, kann der Funke auch überspringen. Synaptic Branding

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Erhöhten Innovationsdruck aushalten Synaptic Branding ist ideal für Unternehmen, die kreative Herausforderungen suchen. So pflegen viele raumbrand-Kunden sehr ausgeprägte Innovationskulturen. Der Halbleiterhersteller Infineon, die Technologieschmiede BOSCH und der Automobilhersteller Range Rover leben von der Qualität ihrer Mitarbeiter und der Bereitschaft, neue Dinge zu tun. Solche Unternehmen benötigen Agenturen, die imstande sind, mit Innovationsdruck umzugehen – vom Messestand über die Live-Inszenierung bis zur Reaktion auf Facebook.

Punktlandungen auf Reflex Synaptic Branding beinhaltet ein adaptives Projektmanagement: Messeauftritte schaffen Begegnungsräume für Tausende von persönlichen Kontakten am Tag. Diese werden über moderne Medien sofort ausgewertet und interpretiert. Neue Erkenntnisse aus der massenhaften Begegnung fließen sofort in die weitere Kommunikationsarbeit ein.

Intelligenz und Wandlungsfähigkeit in der Markenführung

Der logische nächste Schritt

Paul: Das bedeutet, sie muss sich während ihrer Laufzeit verändern können … Werner: Konzepte müssen sich heute sehr rasch verändern können, was – und das ist

für uns das eigentlich Spannende daran – nur mit einer adaptiven Vernetzung aller Kommunikationsdisziplinen funktioniert. Lohr: Im Grund genommen geht es dabei um Flexibilität als Gradmesser für Effizienz: Synaptic Branding ermöglicht es Kampagnen, schnell und sprunghaft zu lernen. Dafür braucht es unserer Erfahrung nach kein aufwändiges Beta-, Response- und Betreffzeilen-Testing mehr wie im klassischen Dialogmarketing. Werner: Social Media als Response-Kanal versetzt uns in die Lage, aus dem Markt heraus zu erkennen, worauf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing reagieren sollten. Uns geht es darum, Lernen und systemische Integration von der Ebene des Unternehmens auf die Ebene der Kampagne zu übertragen: Ziel ist die lernende Kampagne. Lohr: Wir betrachten Kampagnenführung als Ping-Pong-Spiel mit dem Markt, wodurch sich die Reaktionsgeschwindigkeit enorm erhöht. Werner: Ein Beispiel aus dem Agenturalltag: Wenn während einer Kampagne das Budget verlagert oder verringert wird, führt Synaptic

fenden Erfahrung einer Kampagne blitzschnell Lehren und setzt diese in alle Kommunikationsdisziplinen sofort und konsequent um.

Synaptic Branding ist die intelligente Vernetzung aller Disziplinen in der Kommunikation. Als Credo beschreibt Synaptic Branding die moderne Haltung zur Markenführung. Als Organisationsprinzip kennzeichnet Synaptic Branding eine Unternehmenskultur, die von Innovationsreizen lebt.

Synaptic Branding dagegen ist über soziale Medien permanent im Einzeldialog mit Massen: Unsere Redaktionen erkennen sofort, wohin sich Befindlichkeiten, Reaktionsmuster und Trends entwickeln. Synaptische Kampagnen reagieren auf die Zielgruppen noch während des Kampagnenverlaufs. Dabei sind die unterschiedlichen Kommunikationsdisziplinen adaptiv miteinander vernetzt. Synaptic Branding leistet integrierte Kommunikation mit sofortiger und spontaner Anpassung an neue Bedingungen.

Jochen Paul: In jüngster Zeit war viel von Synaptic Branding die Rede. Was verbirgt sich hinter dem Begriff – nur ein aktuelles buzzword, eine neue Marketingphilosophie oder geht es dabei um mehr? Axel Werner: Synaptic Branding ist eine Leitidee, die als konzeptionelles Dach über all dem steht, was wir als Agentur raumbrand am Markt anbieten. Den Begriff haben wir gewählt, um deutlich zu machen, dass wir komplett anders arbeiten als Agenturen vergleichbarer Größenordnung: bezüglich der Vernetzung, der Reaktionsschnelligkeit und der Lernfähigkeit von Kampagnen. Michael Lohr: Synaptic Branding ist das Resultat einer intensiven Analyse: Wie haben wir früher gearbeitet, wie agieren wir heute und wohin entwickelt sich der Bedarf des Kunden in naher Zukunft? Was erwartet er unterschwellig von einer Agentur, die seine Gesamtkommunikation verantwortet – obwohl es ihm vielleicht noch gar nicht bewusst ist? Werner: Synaptic Branding ist meinem Verständnis nach die nächste Entwicklungsstufe der integrierten Kommunikation: Deren Problem besteht heute darin, dass sie in weiten Teilen überholt ist, denn Kampagnen müssen sich anpassen. Zwischen der Budgetvergabe und der Wirkung einer Kampagne am Markt können durchaus neun Monate liegen.

Werner: Es geht darum, dass sich die einzelnen Kommunikationsmedien und -kanäle untereinander befruchten. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Nur dadurch lassen sich kreative Lösungen für neue Probleme finden. Eine solche „Punktlandung auf Reflex“ erfordert aber eine gänzlich neue Kommunikations- und Kreativitätskultur der Mitarbeiter untereinander, die jeder für sich auch Lust darauf haben müssen, sich ständig in neue Themen einzudenken – quer durch die Palette der Kommunikationskanäle. Die stellt sich nur ein, wenn sie vorgelebt wird und wenn es innerhalb der Organisation dafür auch experimentellen Raum gibt. Innovation braucht Experimente und auch Fehler, aus denen dann die richtigen Empfehlungen entwickelt werden. Lohr: Dazu kommt: Die einzelnen Kommunikationskanäle müssen durch alle Phasen hindurch synchron wie ein Schwarm gesteuert werden. Das funktioniert anders als bei Agenturkäufen nur in einer Struktur, die alle Kerndisziplinen abdeckt, und in der jeder der absolut gleichberechtigten Partner eine jahrzehntelange Erfahrung und Erfolgsbilanz sowohl in seiner eigenen als auch in den Nachbardisziplinen vorweisen kann. Das macht die DNA des Synaptic Branding aus, und die ist auch nicht auf eine beliebige Agenturstruktur übertragbar: weg vom Denken in klassischen Hierarchien, hin zu einer Schnittstellenkultur. Das bedingt auch ein bewusstes Zurücktreten der einzelnen Bereiche – Medienkommunikation, Live-Kommunikation und Kommunikation im Raum – zugunsten des größeren Ganzen und der Gesamtstrategie. Der Beitrag der unterschiedlichen Sparten zur Wertschöpfung ändert sich mit jeder Kampagne – oftmals sogar während ihrer Laufzeit. Die gesamte Markenwirkung in ihrer ganzen Dreidimensionalität, die Inszenierung und die Medienkommunikation müssen dabei absolut perfekt ineinandergreifen.

Paul: Welcher Stellenwert kommt dabei dem Monitoring zu, und wie werden die einfließenden Informationen verarbeitet? Lohr: Aus der Massenkommunikation, dem Dialog- und Direct Marketing, dem Onlineund Social Media Marketing verfügen wir über zahlreiche Radarsysteme und Frühwarnindikatoren, können also einerseits die Media Response messen und bekommen andererseits über unsere eigenen Redaktionen sofort mit, in welche Richtung sich der Markt bewegt. Werner: Etliche unserer Kunden – Traditionsunternehmen aus der Mode-, Schmuck- und Automobilbranche – sind derzeit dabei, sich zu verändern, und öffnen sich einer sehr lifestyle-orientierten, an Nachhaltigkeit orientierten Zielgruppe: Menschen um die dreißig, die einen modernen, urbanen Lebensstil auf hohem Niveau pflegen. Damit einher geht eine Verjüngung der Markenwerte, -attribute und der gesamten Identität, die entsprechend kommuniziert werden muss. Das tun wir durch ein PR-, event- und online-nahes Maßnahmenpaket, das sowohl online als auch in der Live-Kommunikation klar messbar ist. Damit schaffen wir Tausende von realen und Zigtausende von Online-Begegnungen, die wir alle im Einzelnen nachverfolgen können – ein aus meiner Sicht unschätzbar wertvolles modernes Markenkapital, social currency. Eine solche Datenbank kann Hunderttausende von Kontakten, Opt-in Marketing Permissions und Dialogstrecken beinhalten. Damit verfügen wir über den Originalton des Marktes und können unseren Kunden ein permanentes Feedback darüber anbieten, wie sich der Prozess der Markenverjüngung konkret abspielt. Direkter geht es – zumindest mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Medien – nicht mehr. Lohr: Anders als bei klassischen Marketingkontakten ist mit den digitalen Medien ein wechselseitiges Erzählen und Zuhören entstanden: eine Kundenbeziehung, die nicht nur messbar ist, sondern auch bestehen bleibt – was One-to-One-Marketing seit zehn Jahren verspricht, wird jetzt erst eingelöst.

siehe auch: raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs Seite 62 | „Geld ist nicht alles“ von R. Missy Seite 28

Synaptic Branding

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gruppe an Votings und Wettbewerben ist, das Ergebnis nicht nur zu dokumentieren, sondern den jeweiligen Siegerentwurf auch zu realisieren. Lohr: Für einen unserer Kunden aus der Automobilbranche sind wir aktuell mit einer deutschlandweiten Kampagne im Markt. Dabei werden sie nicht nur live in die Kommunikation integriert, sondern können auch eine Reihe attraktiver Preise gewinnen, die für Geld nicht zu bekommen sind – ein eigenes Plattenlabel zum Beispiel. Über die Einbindung von Crowdsourcing erreichen wir wie mit keinem anderen Medium, dass sich die Zielgruppe von Anfang an mit dem Produkt identifiziert, wobei die Identifikation mit der eigenen Arbeit dafür wächst. Werner: Über die Vernetzung von Online und Social Media mit der „realen“ Welt profitieren beide Seiten, das ist die Mechanik der Kampagne. Lohr: Höhepunkt der Live-Kommunikation sind sechs Style-Parties in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und München, auf denen die 18 besten Arbeiten vor Publikum getestet und regionale Gewinner ermittelt werden. Die endgültigen Sieger werden schließlich in Berlin präsentiert. Auf diese Weise bauen wir Schritt für Schritt einen Raum auf, in dem die Markteinführung stattfindet. Dabei schaffen wir nicht nur Markenbekanntheit, sondern sehr viele messbare Kontakte. Mein persönliches Ziel für die Kampagne ist eine sechsstellige Summe an Optins. Werner: Bezogen auf die Kampagnenführung bedeutet Synaptic Branding, sich von Anfang an direkt in die Messbarkeit hineinzubegeben. Das aber ist ein radikal anderer Ansatz, und davor scheuen die meisten Agenturen zurück. Paul: Vielen Dank für das Gespräch. Jochen Paul, geb. 1964, Medienmanager, Redakteur und Journalist. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Architektur und Design.

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von Jochen Paul

Branding zu einer deutlich intelligenteren Bündelung der für den Kunden relevanten Disziplinen und Kompetenzen als sie im Rahmen der Binnenkonkurrenz der einzelnen Ressorts und Profit Center einer klassischen Agentur oder gar der einzelnen Agenturen eines Networks untereinander möglich wäre. So wie im menschlichen Gehirn die Synapsen in Echtzeit auf die jeweiligen Erfahrungen reagieren, so funktionieren unsere Kampagnen, so arbeiten unsere operativen Teams. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den einzelnen Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Lohr: … unsere „Binnenkonkurrenz“ dreht sich nicht um Budgets, sondern um Ideen, wie damit ein Optimum für die Kommunikationsziele des Kunden und den Return on Invest erreicht werden kann. Paul: Was bedeutet das für die Organisation der Agentur, der Teams und für die Mitarbeiter? Werner: Es bedeutet vor allem, die Leute in multifunktionalen Teams räumlich zusammen zu legen, wie es die Automobilindustrie vorgemacht hat. Das heißt, dass ein Projektleiter im Eventbereich sich durchaus mal ein paar Monate ein Büro mit Mitarbeitern aus dem Bereich Social Media teilt, wenn sie gemeinsame Themen bearbeiten. Lohr: Nur wenn sich Synapsen berühren, kann der Funke auch überspringen. Synaptic Branding

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fenden Erfahrung einer Kampagne blitzschnell Lehren und setzt diese in alle Kommunikationsdisziplinen sofort und konsequent um.

Erhöhten Innovationsdruck aushalten Synaptic Branding ist ideal für Unternehmen, die kreative Herausforderungen suchen. So pflegen viele raumbrand-Kunden sehr ausgeprägte Innovationskulturen. Der Halbleiterhersteller Infineon, die Technologieschmiede BOSCH und der Automobilhersteller Range Rover leben von der Qualität ihrer Mitarbeiter und der Bereitschaft, neue Dinge zu tun. Solche Unternehmen benötigen Agenturen, die imstande sind, mit Innovationsdruck umzugehen – vom Messestand über die Live-Inszenierung bis zur Reaktion auf Facebook.

Punktlandungen auf Reflex Synaptic Branding beinhaltet ein adaptives Projektmanagement: Messeauftritte schaffen Begegnungsräume für Tausende von persönlichen Kontakten am Tag. Diese werden über moderne Medien sofort ausgewertet und interpretiert. Neue Erkenntnisse aus der massenhaften Begegnung fließen sofort in die weitere Kommunikationsarbeit ein.

Intelligenz und Wandlungsfähigkeit in der Markenführung Synaptic Branding ist die intelligente Vernetzung aller Disziplinen in der Kommunikation. Als Credo beschreibt Synaptic Branding die moderne Haltung zur Markenführung. Als Organisationsprinzip kennzeichnet Synaptic Branding eine Unternehmenskultur, die von Innovationsreizen lebt.

Das Märchen von der Integrierten Kommunikation Synaptic Branding versteht sich selbst als logische nächste Entwicklungsstufe nach der „integrierten Kommunikation“: Die ist gut als Idealbild zum Zeitpunkt der Planung eines Projekts, steckt aber in der Umsetzung voller Kompromisse, weil die Realität sich schneller ändert, als sich das ein Planer wünscht.

Der logische nächste Schritt Synaptic Branding dagegen ist über soziale Medien permanent im Einzeldialog mit Massen: Unsere Redaktionen erkennen sofort, wohin sich Befindlichkeiten, Reaktionsmuster und Trends entwickeln. Synaptische Kampagnen reagieren auf die Zielgruppen noch während des Kampagnenverlaufs. Dabei sind die unterschiedlichen Kommunikationsdisziplinen adaptiv miteinander vernetzt. Synaptic Branding leistet integrierte Kommunikation mit sofortiger und spontaner Anpassung an neue Bedingungen.

Eingebaute Intelligenz Dadurch wird Synaptic Branding zum lernenden System: Fehler und Experimente werden sofort verarbeitet, und das Gelernte verbreitet sich quer durch die Organsation. Synaptic Branding gibt Raum für spontane Erkenntnisse und Experimente, erreicht bei geringem Werbebudget große Branding- und Kaufeffekte, zieht dabei aus der lau-

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Synaptic Branding im Agenturalltag – Jochen Paul im Gespräch mit Michael Lohr und Axel Werner, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

Jochen Paul: In jüngster Zeit war viel von Synaptic Branding die Rede. Was verbirgt sich hinter dem Begriff – nur ein aktuelles buzzword, eine neue Marketingphilosophie oder geht es dabei um mehr? Axel Werner: Synaptic Branding ist eine Leitidee, die als konzeptionelles Dach über all dem steht, was wir als Agentur raumbrand am Markt anbieten. Den Begriff haben wir gewählt, um deutlich zu machen, dass wir komplett anders arbeiten als Agenturen vergleichbarer Größenordnung: bezüglich der Vernetzung, der Reaktionsschnelligkeit und der Lernfähigkeit von Kampagnen. Michael Lohr: Synaptic Branding ist das Resultat einer intensiven Analyse: Wie haben wir früher gearbeitet, wie agieren wir heute und wohin entwickelt sich der Bedarf des Kunden in naher Zukunft? Was erwartet er unterschwellig von einer Agentur, die seine Gesamtkommunikation verantwortet – obwohl es ihm vielleicht noch gar nicht bewusst ist? Werner: Synaptic Branding ist meinem Verständnis nach die nächste Entwicklungsstufe der integrierten Kommunikation: Deren Problem besteht heute darin, dass sie in weiten Teilen überholt ist, denn Kampagnen müssen sich anpassen. Zwischen der Budgetvergabe und der Wirkung einer Kampagne am Markt können durchaus neun Monate liegen.

Reflex

Die Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand und Herausgeber von raumbrand: Ralph Missy, Axel Werner, Udo Wittmann, Michael Lohr und Günter Maria Bregulla (von links nach rechts), allesamt Spezialisten im Bereich Markenkommunikation.

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von Jochen Paul

Synaptic Branding im Agenturalltag – Jochen Paul im Gespräch mit Michael Lohr und Axel Werner, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

Fotos: © raumbrand – Synaptic Branding (3); © Joachim Wendler / Fotolia (4)

Punktlandung auf

Punktlandung auf

Reflex

Die Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand und Herausgeber von raumbrand: Ralph Missy, Axel Werner, Udo Wittmann, Michael Lohr und Günter Maria Bregulla (von links nach rechts), allesamt Spezialisten im Bereich Markenkommunikation.

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Synaptic Branding

fenden Erfahrung einer Kampagne blitzschnell Lehren und setzt diese in alle Kommunikationsdisziplinen sofort und konsequent um.

Erhöhten Innovationsdruck aushalten Synaptic Branding ist ideal für Unternehmen, die kreative Herausforderungen suchen. So pflegen viele raumbrand-Kunden sehr ausgeprägte Innovationskulturen. Der Halbleiterhersteller Infineon, die Technologieschmiede BOSCH und der Automobilhersteller Range Rover leben von der Qualität ihrer Mitarbeiter und der Bereitschaft, neue Dinge zu tun. Solche Unternehmen benötigen Agenturen, die imstande sind, mit Innovationsdruck umzugehen – vom Messestand über die Live-Inszenierung bis zur Reaktion auf Facebook.

Punktlandungen auf Reflex Synaptic Branding beinhaltet ein adaptives Projektmanagement: Messeauftritte schaffen Begegnungsräume für Tausende von persönlichen Kontakten am Tag. Diese werden über moderne Medien sofort ausgewertet und interpretiert. Neue Erkenntnisse aus der massenhaften Begegnung fließen sofort in die weitere Kommunikationsarbeit ein.

Intelligenz und Wandlungsfähigkeit in der Markenführung

Projekte ohne Jour fixe und multifunktionale Teams

Synaptic Branding ist die intelligente Vernetzung aller Disziplinen in der Kommunikation. Als Credo beschreibt Synaptic Branding die moderne Haltung zur Markenführung. Als Organisationsprinzip kennzeichnet Synaptic Branding eine Unternehmenskultur, die von Innovationsreizen lebt.

Dabei werden auch die Agenturprojekte selbst vernetzt und spontan reaktionsfähig organisiert: Unterstützt durch räumliche Nähe zueinander, wird der kreative Austausch unter den verschiedenen Disziplinen horizontal im Fluss gehalten, sind Timings, Outputs, To-Dos und Querbezüge immer allen präsent.

Das Märchen von der Integrierten Kommunikation

Verschmelzung der Disziplinen

Synaptic Branding versteht sich selbst als logische nächste Entwicklungsstufe nach der „integrierten Kommunikation“: Die ist gut als Idealbild zum Zeitpunkt der Planung eines Projekts, steckt aber in der Umsetzung voller Kompromisse, weil die Realität sich schneller ändert, als sich das ein Planer wünscht.

Synaptic Branding bedeutet auch, dass die traditionellen Kerndisziplinen der Agentur ineinander verschmelzen – und zwar auf strategischer (Geschäftsführer) wie auf operativer (Mitarbeiter) Ebene. Die althergebrachte Trennung von „offline“ und „online“ gibt es bei raumbrand nicht. Wir organisieren die Markenbegegnung in drei Disziplinen: 1. „Kommunikation im Raum“ prägt die physikalische Umgebung, in der eine Marke erlebt wird, z. B. als Brandland, Showroom, Messestand oder Corporate Architecture. 2. „Live-Kommunikation“ sorgt dafür, dass die Qualität der persönlichen Markenbegegnung voller Emotion und verbindlicher Nähe ist, z. B. als Event-Inszenierung oder Sales Promotion. 3. „Medien-Kommunikation“ liefert den Dialog und den Werbekontakt zu massenhaften Zielgruppen, z. B. über PR, E-CRM oder klassische Werbung.

Der logische nächste Schritt Synaptic Branding dagegen ist über soziale Medien permanent im Einzeldialog mit Massen: Unsere Redaktionen erkennen sofort, wohin sich Befindlichkeiten, Reaktionsmuster und Trends entwickeln. Synaptische Kampagnen reagieren auf die Zielgruppen noch während des Kampagnenverlaufs. Dabei sind die unterschiedlichen Kommunikationsdisziplinen adaptiv miteinander vernetzt. Synaptic Branding leistet integrierte Kommunikation mit sofortiger und spontaner Anpassung an neue Bedingungen.

Eingebaute Intelligenz Dadurch wird Synaptic Branding zum lernenden System: Fehler und Experimente werden sofort verarbeitet, und das Gelernte verbreitet sich quer durch die Organsation. Synaptic Branding gibt Raum für spontane Erkenntnisse und Experimente, erreicht bei geringem Werbebudget große Branding- und Kaufeffekte, zieht dabei aus der lau-

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Selbstorganisierendes Prinzip Der klassischen Arbeitsteilung „Integrierter“ Kampagnen setzt Synaptic Branding ein selbstorganisierendes Prinzip entgegen: Wie im menschlichen Gehirn gibt es keine Master-Gehirnzelle, sondern einen Verbund von eng miteinander verflochtenen Arealen. Wo Social Media und Live-Kommunikation dem „Agentur-Gehirn“ die sensorischen Erfahrungswerte liefern, entsteht Kreativität in jedem angesprochenen Areal und wird noch im selben Moment ganzheitlich bewertet.

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Werner: Es geht darum, dass sich die einzelnen Kommunikationsmedien und -kanäle untereinander befruchten. Die Dynamik entsteht dadurch, dass wie in einer Gesprächssituation permanent Informationen zwischen den Ebenen und Sparten der Kommunikation ausgetauscht werden – schnell, klar und präzise. Nur dadurch lassen sich kreative Lösungen für neue Probleme finden. Eine solche „Punktlandung auf Reflex“ erfordert aber eine gänzlich neue Kommunikations- und Kreativitätskultur der Mitarbeiter untereinander, die jeder für sich auch Lust darauf haben müssen, sich ständig in neue Themen einzudenken – quer durch die Palette der Kommunikationskanäle. Die stellt sich nur ein, wenn sie vorgelebt wird und wenn es innerhalb der Organisation dafür auch experimentellen Raum gibt. Innovation braucht Experimente und auch Fehler, aus denen dann die richtigen Empfehlungen entwickelt werden. Lohr: Dazu kommt: Die einzelnen Kommunikationskanäle müssen durch alle Phasen hindurch synchron wie ein Schwarm gesteuert werden. Das funktioniert anders als bei Agenturkäufen nur in einer Struktur, die alle Kerndisziplinen abdeckt, und in der jeder der absolut gleichberechtigten Partner eine jahrzehntelange Erfahrung und Erfolgsbilanz sowohl in seiner eigenen als auch in den Nachbardisziplinen vorweisen kann. Das macht die DNA des Synaptic Branding aus, und die ist auch nicht auf eine beliebige Agenturstruktur übertragbar: weg vom Denken in klassischen Hierarchien, hin zu einer Schnittstellenkultur. Das bedingt auch ein bewusstes Zurücktreten der einzelnen Bereiche – Medienkommunikation, Live-Kommunikation und Kommunikation im Raum – zugunsten des größeren Ganzen und der Gesamtstrategie. Der Beitrag der unterschiedlichen Sparten zur Wertschöpfung ändert sich mit jeder Kampagne – oftmals sogar während ihrer Laufzeit. Die gesamte Markenwirkung in ihrer ganzen Dreidimensionalität, die Inszenierung und die Medienkommunikation müssen dabei absolut perfekt ineinandergreifen.

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Paul: Welcher Stellenwert kommt dabei dem Monitoring zu, und wie werden die einfließenden Informationen verarbeitet? Lohr: Aus der Massenkommunikation, dem Dialog- und Direct Marketing, dem Onlineund Social Media Marketing verfügen wir über zahlreiche Radarsysteme und Frühwarnindikatoren, können also einerseits die Media Response messen und bekommen andererseits über unsere eigenen Redaktionen sofort mit, in welche Richtung sich der Markt bewegt. Werner: Etliche unserer Kunden – Traditionsunternehmen aus der Mode-, Schmuck- und Automobilbranche – sind derzeit dabei, sich zu verändern, und öffnen sich einer sehr lifestyle-orientierten, an Nachhaltigkeit orientierten Zielgruppe: Menschen um die dreißig, die einen modernen, urbanen Lebensstil auf hohem Niveau pflegen. Damit einher geht eine Verjüngung der Markenwerte, -attribute und der gesamten Identität, die entsprechend kommuniziert werden muss. Das tun wir durch ein PR-, event- und online-nahes Maßnahmenpaket, das sowohl online als auch in der Live-Kommunikation klar messbar ist. Damit schaffen wir Tausende von realen und Zigtausende von Online-Begegnungen, die wir alle im Einzelnen nachverfolgen können – ein aus meiner Sicht unschätzbar wertvolles modernes Markenkapital, social currency. Eine solche Datenbank kann Hunderttausende von Kontakten, Opt-in Marketing Permissions und Dialogstrecken beinhalten. Damit verfügen wir über den Originalton des Marktes und können unseren Kunden ein permanentes Feedback darüber anbieten, wie sich der Prozess der Markenverjüngung konkret abspielt. Direkter geht es – zumindest mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Medien – nicht mehr. Lohr: Anders als bei klassischen Marketingkontakten ist mit den digitalen Medien ein wechselseitiges Erzählen und Zuhören entstanden: eine Kundenbeziehung, die nicht nur messbar ist, sondern auch bestehen bleibt – was One-to-One-Marketing seit zehn Jahren verspricht, wird jetzt erst eingelöst.

siehe auch:  raumbrand Dialog über das Geheimnis des Erfolgs  Seite 62 |  „Geld ist nicht alles“ von R. Missy  Seite 28

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Paul: Wie funktioniert das konkret? Werner: Ein wesentliches Element dabei sind Location Votings für die Bereiche Shopping/ Mode, Essen und Musik/Ausgehen – allein damit lassen sich problemlos Tausende von Blog-Einträgen und Postings organisieren. Aus ihnen lernen wir, welche Elemente im Alltag der Zielgruppe lebensstilgestaltend und meinungsbildend sind, und diese Informationen speisen wir direkt in die jeweilige Kampagne ein. Lohr: Oft geht die Markenverjüngung einher mit einer Betonung des Urbanen: Unter Christopher Bailey als Creative Director ist es Burberry gelungen, nicht mehr nur als funktional wahrgenommen zu werden und sich vom Ausstatter des älteren Landadels zu einem Label für ein junges, urbanes Publikum zu entwickeln; Jaguar Landrover hat mit dem Ende Februar in Berlin vorgestellten Range Rover EVOQUE das passende Fahrzeug dazu: ein SUV für eine dezidiert urbane Welt, ohne Pferdeanhänger und Bootstrailer. Werner: Zielgruppe unserer Kampagnen ist oftmals die Creative Class: Designer, Kreative, Werber, die wir sehr gezielt einzubinden versuchen. Paul: Sind die denn so ohne weiteres für Traditionsmarken zu gewinnen? Die gelten doch eher als Konsumverweigerer … Werner: Da ist unsere Erfahrung eine andere: Postmaterialistische Tendenzen gehen mit dem Übertritt von einer studentischen in eine professionelle Lebenswelt eindeutig zurück – sobald sie sich etablieren, spielt die symbolische Distinktion über Premium-Marken und -Produkte als Merkmal eines individuellen Lebensstils nach wie vor eine wichtige Rolle. Paul: Auf welchen Themenkanälen und Plattformen findet Synaptic Branding statt? Werner: Parallel auf der Ebene der Live-Begegnung, auf der Ebene der Begegnung in sozialen Medien und flankierend auf der Ebene der klassischen Medien- und Pressearbeit. Entscheidend für die Beteiligung der Ziel-

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gruppe an Votings und Wettbewerben ist, das Ergebnis nicht nur zu dokumentieren, sondern den jeweiligen Siegerentwurf auch zu realisieren. Lohr: Für einen unserer Kunden aus der Automobilbranche sind wir aktuell mit einer deutschlandweiten Kampagne im Markt. Dabei werden sie nicht nur live in die Kommunikation integriert, sondern können auch eine Reihe attraktiver Preise gewinnen, die für Geld nicht zu bekommen sind – ein eigenes Plattenlabel zum Beispiel. Über die Einbindung von Crowdsourcing erreichen wir wie mit keinem anderen Medium, dass sich die Zielgruppe von Anfang an mit dem Produkt identifiziert, wobei die Identifikation mit der eigenen Arbeit dafür wächst. Werner: Über die Vernetzung von Online und Social Media mit der „realen“ Welt profitieren beide Seiten, das ist die Mechanik der Kampagne. Lohr: Höhepunkt der Live-Kommunikation sind sechs Style-Parties in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und München, auf denen die 18 besten Arbeiten vor Publikum getestet und regionale Gewinner ermittelt werden. Die endgültigen Sieger werden schließlich in Berlin präsentiert. Auf diese Weise bauen wir Schritt für Schritt einen Raum auf, in dem die Markteinführung stattfindet. Dabei schaffen wir nicht nur Markenbekanntheit, sondern sehr viele messbare Kontakte. Mein persönliches Ziel für die Kampagne ist eine sechsstellige Summe an Optins. Werner: Bezogen auf die Kampagnenführung bedeutet Synaptic Branding, sich von Anfang an direkt in die Messbarkeit hineinzubegeben. Das aber ist ein radikal anderer Ansatz, und davor scheuen die meisten Agenturen zurück. Paul: Vielen Dank für das Gespräch. Jochen Paul, geb. 1964, Medienmanager, Redakteur und Journalist. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Architektur und Design.

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Nach­gefragt

Fünf

Statements zum Stichwort Erfolg

Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk

Steve Jobs Mitgründer und CEO von Apple Inc.

Stadtbaurätin Landeshauptstadt München

Eure Zeit ist begrenzt. Also verschwendet sie nicht, indem ihr das Leben anderer lebt. Lasst euch nicht von Dogmen beherrschen, die das Ergebnis der Gedanken anderer sind. Lasst nicht den Lärm der anderen eure eigene innere Stimme überdecken.

Erfolgreiche Städte der europäischen Stadtgeschichte zeichnen sich durch die Qualität ihrer Architektur und ihres Städtebaus aus. Sie verfügen ebenso über gute räumliche Strukturen als auch über eine hohe Qualität der Partizipationsprozesse. Ihre Fähigkeit zur Integration macht die europäische Stadt zukunftsfähig. Dazu bedarf es einer kulturellen Auseinandersetzung und der Bereitschaft zum Dialog. Erfolg im Sinne von Stadtgestalt und Städtebau bedeutet für mich daher, andere zu begeistern, neue Qualitäten in die bestehende Stadt einzubringen, behutsam mit dem wertvollen baukulturellen Erbe umzugehen und sich mutig einem neuen ökologischen und nachhaltigen Verständnis der Stadtgestalt zu stellen. Wenn langfristige Strategien dann selbständig an Fahrt gewinnen, das einzelne Haus zum Konzert der Straße beiträgt und die Stadt schöner wird, ist es ein Erfolg an dem viele teilhaben können!

„Erfolg“

Fotos: © dpa; © Landeshaupstadt München; © Max Planck Gesellschaft; © Inna D. Interiors. Architekturen. Objekte; © Hartgen

Stichwort

Erfolg ist nicht nur Erstens: Erfolg ist ein Na- Erfolg ist für den einen, das Ergebnis von turgesetz. Das Eintreffen morgens pünktlich zur Können – es braucht von Erfolg beruht auf der Arbeit zu erscheinen – für auch das berühmte Schrittfolge: Sähen, Pfle- den anderen, seine zweite Segeljacht zu kaufen. Erfolg Quäntchen Glück. So gen, Ernten. Die eingebrachte verhalf den beiden Max- Energie (in Form von persönli- zu definieren, ist für mich so chem Einsatz, Investition etc.), anspruchsvoll, als ob ich das Planck-Forschern Erwin Wesen der Zeit erklären wollte wird bei guter Pflege „aufgehen“ Neher und Bert Sakmann, – beides ist eigentlich nicht zu die für ihre „Patch Clamp und Früchte tragen. Zweitens: Erfassen, ist relativ und hoch dynafolg will Ganzheitlichkeit. Ein ErMethode“ 1991 den Nobelmisch. folg auf nur einer Ebene, zum Beipreis erhielten, ein simpler Erfolg ist daher für mich am ehesspiel nur im Business, ist unvollstänTrick zum Durchbruch – nach tens der Bewegung gleichzusetzen. In dig. Wenn die zwischenmenschliche vier Jahren endloser Versuche: Bewegung sein und in Bewegung bleiEbene fehlt, wird sich der bleibende Die winzige Glaspipette, mit der ben, um letztlich immer wieder auf den Erfolg nicht einstellen. Drittens: Erfolg sie den Strom durch einen IonenPunkt zu kommen – Top, Ziel erreicht. Alwirkt wie ein Magnet. Erfolg entwickelt kanal messen wollten, schmiegte lerdings steht das Ziel nur augenscheineine starke Ausstrahlung und eine ebensich nach leichtem Ansaugen endlich lich im Vordergrund. Für meinen persönlisolche Anziehungskraft. Sich vermehrenfest an die Zellmembran. Manche nenchen Erfolg und für den des Unternehmens der Erfolg macht erfolgreich. nen es Glück, ich nenne es Kreativität, ist immer die Absicht des Handelns die GrundIn der Praxis beginnt der Erfolg eines Proim richtigen Moment die richtigen Fralage für den Erfolg. Und wenn es darum geht, jektes mit der Konzeption. Schon in der Plagen zu stellen, unkonventionelle Methopowervolle Ziele zu erreichen, dann fragen wir nung wird das Projekt von Anfang an „auf den den auszuprobieren und vor allem die geisimmer, welche Absicht hinter den Zielen steht, Erfolg eingespurt“, damit es für den Auftraggetige Offenheit zu haben, um ein Ergebnis in denn das ist der Garant für den Erfolg! ber nachhaltig Früchte tragen kann. seiner Besonderheit zu erkennen.

Prof. Peter Gruss

Prof. Inna Dobiasch

Präsident der Max Planck Gesellschaft

Inhaberin Inna D. Interiors. Architekturen. Objekte

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Helma Hartgen Geschäftsführerin Hartgen GmbH Maschinenund Mühlenbau, Unter­n ehmerfrau 2010

Nachgefragt

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Mit welchen zusätzlichen innovativen Kontaktpunkten kann die Marktposition in Zukunft weiter ausgebaut werden?

Management der kommunikativen Kontaktpunkte von Ralph Missy

Aktuelle Analysen zeigen, wie wichtig die richtige Wahl der Kommunikationsmaßnahmen für das Markenerlebnis ist: Die Hälfte des subjektiven Markenerlebnisses des Kunden machen die unterschiedlichen Marken-Kontaktpunkte im Vertrieb respektive am Verkaufspunkt aus. Bei einer Automobilmarke sind dies die Autohäuser, die Kontakte mit einer Automobilmarke auf der Straße, die Werbung, der Internetauftritt, Messen und Showrooms, die Werkstatt, die tägliche Erfahrung mit dem eigenen Automobil, Testberichte über Automobile sowie Verkäufer und Freunde. Bei Joghurt sind es Regalplazierungen und Displays in Einzelhandelsgeschäften, Werbung, die Produktverpackung, das Erlebnis beim Öffnen und Essen des Joghurts. Beim Strom sind es primär die Rechnung und die Werbung. Zahl und Intensität der Nutzung von Kontaktpunkten variieren je nach Branche und Interesse der Kunden an Produkten, Dienstleistungen und Marken. Rund ein Drittel des Markenerlebnisses wird durch persönliche Empfehlungen von Freunden und Bekannten oder Produktempfehlungen aus Testberichten sowie redaktionellen Beiträgen bestimmt. Redaktionelle Beiträge in gedruckten Medien genießen bei vielen Konsumenten eine überdurchschnittliche Glaubwürdigkeit. On- und Offline: Engagements in Communities und der Stellenwert der Peer-to-Peer-Kommunikation nehmen kontinuierlich zu. Zu über 18 Prozent entscheiden sich Konsumenten auf der Basis von neuen Informationsquellen wie Mobiltelefon, E-Mail oder Internet. Wie nie zuvor wird gerade im Web interagiert – prominente Beispiele sind: Facebook, Twitter, Vimeo oder Xing.

ist nicht alles Der Erfolg einer Marke entscheidet sich nicht nur über das Budget. Im Kampf um die Aufmerksamkeit zeigt die 360-Grad-Kontaktpunkt-Analyse bereichsübergreifend den direktesten Weg zum (potenziellen) Kunden auf und ermöglicht so, den Return-onMarketing-Investment zu maximieren. Gefragt ist Intelligenz in der Kommunikation.

Kundenerlebnis als Summe aller Markenkontakte Marken werden an unterschiedlichsten Kontaktpunkten über den gesamten öffentlichen Auftritt eines Unternehmens erlebt – zum Beispiel über Anzeige, Plakat, Website, Event, Verkaufspersonal, Messestand, Showroom, Preisvergleichsportal, Social Media, PR oder Kundenmagazin etc. Die möglichen Kontaktpunkte haben einen unterschiedlich starken Einfluss auf das markentypische Kundenerlebnis. Je mehr es gelingt, die Erwartungen und Bedürfnisse zu treffen, desto höher ist der Erfolg in der Neukundengewinnung, Kundenzufriedenheit und -loya-

lität. Unternehmen sind so gefordert, ihre Marken- und Marktkommunikation regelmäßig zu überprüfen und neu auszurichten. Bevor sie Richtungsentscheidungen treffen, sollten sie aber wissen, über welche Kanäle und Medien sie (potenzielle) Kunden effizient erreichen und wirklich begeistern können.

Wirkungs- statt Maßnahmenorientierung Alle Kontaktpunkte prägen das Bild einer Marke. Ob über die Kontaktpunkte jedoch die Marke wirksam aufgebaut werden kann, hängt wesentlich davon ab, ob Klarheit darüber herrscht, wie wichtig welcher Kontaktpunkt für die Kunden ist. Ziel muss es sein, die Mittel auf jene Kontaktpunkte zu fokussieren, die ein markentypisches Kundenerlebnis und die Wettbewerbsfähigkeit am nachhaltigsten stärken. Was aber nützt diese Erkenntnis, wenn man die kommunikative Leistung der unterschiedlichen Kontaktpunkte und Maßnahmen nicht miteinander vergleichen kann? Um das „Äpfel-Birnen-Problem“ zu lösen, braucht es eine übergreifende Kompetenz in der Beurteilung aller möglichen Kontaktpunkte zwischen Marken und (potenziellen) Kunden. Nur so lassen sich die wichtigsten Fragestellungen in den unterschiedlichen Bereichen des Marken- und Marktmanagements präzise beantworten: Wie gelingt es, trotz Informationsüberflutung die Aufmerksamkeit und das Involvement von (potenziellen) Kunden zu erreichen? Wo und wie ist es möglich, die Kunden immer wieder positiv zu überraschen? Soll die Anzahl der Kontaktpunkte vergrößert oder verkleinert werden? Wie sieht der optimale Multikanal-Mix für die unterschiedlichen Zielgruppen aus? Wie sollten aus Kundensicht insbesondere die Schlüsselkontaktpunkte optimiert werden?

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scheidend ist dabei, alle vier Kontaktpunkt-Kategorien zu berücksichtigen: Klassische Massenmedien, Point-ofSale respektive Point-of-Interaction, indirekte Kommunikation (PR, Word of Mouth etc.) und One-to-One (persönliche Kommunikation). Dieser ganzheitliche kundenzentrierte Blickwinkel ermöglicht erst, den optimalen Mix für die Multi-ChannelCommunications zu finden, über welchen die Marken- und Marktkommunikation am wirkungsvollsten gesteuert werden kann. In der wirkungsvollen Verknüpfung der einzelnen Kontaktpunkte liegt dann die zentrale Aufgabe der Kampagnensteuerung, z. B. ein Live-Event als verlängertes Social Media Erlebnis mit vor- und nachgelagerter PR-Berichterstattung und gezielter Blogger-Kommunikation.

Systematische Lösungsentwicklung und Planung Die verknüpfte Betrachtung von Kontaktpunkten, Zielgruppen und Markenperformance liefert den Entscheidern in Marketing, Vertrieb und Media die nötige Infor-

Vom Monolog zum Dialog

Fotos: © Infineon Technologies; © Lilia Walz; © Dalmatin.o/Fotolia

Jeder Mensch erhält heute täglich rund 7.000 Werbebotschaften. Tendenz: steigend. Diese Dauerberieselung hinterlässt bei den Konsumenten Spuren in Form zunehmender Werberesistenz und einer stark veränderten Mediennutzung. Immer mehr Konsumenten entscheiden selbst, was sie wann und wo sehen, hören und nutzen möchten. Im Kampf um die Aufmerksamkeit geht es darum, alle Faktoren und Wechselwirkungen in der Kommunikation zu beleuchten und so den Return-on-Marketing-Investment zu optimieren. In welchen Situationen und zu welchen Zeitpunkten erlebt der potenzielle Kunde heute seine Marke? Im zeitgemäßen Marken- und Marktmanagement ist das Kundenerlebnis einer der zentralen Orientierungspunkte und Hauptentwicklungsziele des Unternehmens. Im Umfeld von medialer Konvergenz, Zielgruppenfragmentierung und zunehmendem Wettbewerb um das kostbare Gut Aufmerksamkeit dürfen Erfolge keine Zufallstreffer mehr sein: Vielmehr stellen sie eine Kombination von vertiefter Analyse, interdisziplinärer Zusammenarbeit sowie kreativer, crossmedialer Umsetzung dar. Erfolgsbeispiele sind Apple, Fiat 500 oder Zara – aber auch das Lieblingsrestaurant um die Ecke: Mit der gekonnten Inszenierung eines unverwechselbaren Kundenerlebnisses in Vertrieb und Kommunikation erzielt es mit seinen Investitionen eine überdurchschnittliche Wirkung.

Ralph Missy Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

Vielfach wird in Unternehmen nur analysiert, was den Zielgruppen kommunikativ gesendet wird. Der Fokus liegt dabei auf dem Sender. Damit bleibt aber unklar, was Zielgruppen effektiv wahrnehmen, nutzen und ob sich ihr Verhalten ändert. Hinzu kommt, dass gerade Online-Kommunikation dialogorientiert ausgerichtet ist und so auch Botschaften des Empfängers beim Sender ankommen. Wie diese nun aber verstehen, verarbeiten und in den laufenden Kommunikationsprozess einbauen? Klassische Kommunikationsstrategien sind hier oft nicht in der Lage, sich diesen, in immer schnellerem Maße dynamisch wandelnden Kundenanforderungen anzupassen und die einzelnen Disziplinen miteinander zu verzahnen. Nur wer weiß, was sein Kunde denkt, und dies in Echtzeit in die Strategie einbauen kann, wird in Zukunft erfolgreich kommunizieren. Diesem Umstand Rechnung zu tragen gilt es, die Qualität der verschiedenen Off- und Online-Kontaktpunkte zu bewerten. Wie ist die Fähigkeit eines Kontaktpunktes, Konsumenten in ihrer Kaufentscheidung zu beeinflussen. Was kommt beim Empfänger an und was ist die Wirkung der jeweiligen kommunikativen Maßnahme. Welcher Kontaktpunkt ist von welcher Marke möglicherweise bereits besetzt und in welchem Ausmaß differenzieren sich die konkurrierenden Marken über die Kontaktpunkte. Ent-

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Mit welchen zusätzlichen innovativen Kontaktpunkten kann die Marktposition in Zukunft weiter ausgebaut werden?

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Direct Mail

SEO/SEM

mationstiefe, um richtige und nachhaltige Entscheidungen für die Marktbearbeitung von heute und morgen zu treffen. Im Wesentlichen müssen drei Themenfelder berücksichtigt werden:

Print

1.

Wo sind die zentralen Kontaktpunkte für ein markentypisches Kundenerlebnis. Welches sind die einflussreichsten Kontaktpunkte, in welche es sich lohnt zu investieren, um potenzielle und bestehende Kunden zu aktivieren und zu binden. Welche Kontakte werden möglicherweise von der Konkurrenz besser genutzt werden.

Online

2.

Die Auswahl des richtigen Kontaktpunktes ist unübersichtlich – was kommt bei der Zielgruppe wirklich an?

Social Media

Potenzielle, d. h. neue und innovative Kontaktpunkte, die den Dialog mit (potenziellen) Kunden strategisch verstärken. Diese optionalen Kontaktpunkte bieten die Plattform, um die Intensität des Kundenerlebnisses strategisch weiter zu stärken. Da diese Kontaktpunkte weniger stark von anderen Marken besetzt sind, jedoch über eine hohe Relevanz verfügen, verhelfen sie der Marke zu einem besseren und differenzierteren Markenprofil.

3.

Optimierung der Wirkung und Investitionen: Abgestimmt auf die Positionierung müssen der qualitative und quantitative Veränderungsbedarf festgelegt und das Einsparpotenzial quantifiziert werden.

4.

Film

Messe

Event

Wirkungsvolle Verknüpfung der einzelnen Kontaktpunkte miteinander: Neben Kreativität und der Auswahl der effizientesten Kontaktpunkte ist die synergetische Verzahnung der einzelnen Customer Touchpoints für den Erfolg der Kampagne entscheidend. Wie weit das offen gelegte Potenzial zur Steigerung der Strategie- und Maßnahmen-Performance ausgeschöpft wird, hängt indes zu einem erheblichen Teil von der kreativen Umsetzung ab. Um eingefahrene Muster zu durchbrechen, sollte in einer systematischen Lösungsentwicklung und Planung immer auch kreatives Querdenken Platz haben. Denn viel mehr als Stabilität ist heute im Marken- und Marktmanagement Flexibilität gefragt und damit auch Wandel.

Management der kommunikativen Kontaktpunkte

Potenz ersetzt eben nicht Intelligenz in der Kommunikation.

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von Ralph Missy

Aktuelle Analysen zeigen, wie wichtig die richtige Wahl der Kommunikationsmaßnahmen für das Markenerlebnis ist: Die Hälfte des subjektiven Markenerlebnisses des Kunden machen die unterschiedlichen Marken-Kontaktpunkte im Vertrieb respektive am Verkaufspunkt aus. Bei einer Automobilmarke sind dies die Autohäuser, die Kontakte mit einer Automobilmarke auf der Straße, die Werbung, der Internetauftritt, Messen und Showrooms, die Werkstatt, die tägliche Erfahrung mit dem eigenen Automobil, Testberichte über Automobile sowie Verkäufer und Freunde. Bei Joghurt sind es Regalplazierungen und Displays in Einzelhandelsgeschäften, Werbung, die Produktverpackung, das Erlebnis beim Öffnen und Essen des Joghurts. Beim Strom sind es primär die Rechnung und die Werbung. Zahl und Intensität der Nutzung von Kontaktpunkten variieren je nach Branche und Interesse der Kunden an Produkten, Dienstleistungen und Marken. Rund ein Drittel des Markenerlebnisses wird durch persönliche Empfehlungen von Freunden und Bekannten oder Produktempfehlungen aus Testberichten sowie redaktionellen Beiträgen bestimmt. Redaktionelle Beiträge in gedruckten Medien genießen bei vielen Konsumenten eine überdurchschnittliche Glaubwürdigkeit. On- und Offline: Engagements in Communities und der Stellenwert der Peer-to-Peer-Kommunikation nehmen kontinuierlich zu. Zu über 18 Prozent entscheiden sich Konsumenten auf der Basis von neuen Informationsquellen wie Mobiltelefon, E-Mail oder Internet. Wie nie zuvor wird gerade im Web interagiert – prominente Beispiele sind: Facebook, Twitter, Vimeo oder Xing.

ist nicht alles Der Erfolg einer Marke entscheidet sich nicht nur über das Budget. Im Kampf um die Aufmerksamkeit zeigt die 360-Grad-Kontaktpunkt-Analyse bereichsübergreifend den direktesten Weg zum (potenziellen) Kunden auf und ermöglicht so, den Return-onMarketing-Investment zu maximieren. Gefragt ist Intelligenz in der Kommunikation.

Kundenerlebnis als Summe aller Markenkontakte Marken werden an unterschiedlichsten Kontaktpunkten über den gesamten öffentlichen Auftritt eines Unternehmens erlebt – zum Beispiel über Anzeige, Plakat, Website, Event, Verkaufspersonal, Messestand, Showroom, Preisvergleichsportal, Social Media, PR oder Kundenmagazin etc. Die möglichen Kontaktpunkte haben einen unterschiedlich starken Einfluss auf das markentypische Kundenerlebnis. Je mehr es gelingt, die Erwartungen und Bedürfnisse zu treffen, desto höher ist der Erfolg in der Neukundengewinnung, Kundenzufriedenheit und -loya-

Ralph Missy Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

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lität. Unternehmen sind so gefordert, ihre Marken- und Marktkommunikation regelmäßig zu überprüfen und neu auszurichten. Bevor sie Richtungsentscheidungen treffen, sollten sie aber wissen, über welche Kanäle und Medien sie (potenzielle) Kunden effizient erreichen und wirklich begeistern können.

Wirkungs- statt Maßnahmenorientierung Alle Kontaktpunkte prägen das Bild einer Marke. Ob über die Kontaktpunkte jedoch die Marke wirksam aufgebaut werden kann, hängt wesentlich davon ab, ob Klarheit darüber herrscht, wie wichtig welcher Kontaktpunkt für die Kunden ist. Ziel muss es sein, die Mittel auf jene Kontaktpunkte zu fokussieren, die ein markentypisches Kundenerlebnis und die Wettbewerbsfähigkeit am nachhaltigsten stärken. Was aber nützt diese Erkenntnis, wenn man die kommunikative Leistung der unterschiedlichen Kontaktpunkte und Maßnahmen nicht miteinander vergleichen kann? Um das „Äpfel-Birnen-Problem“ zu lösen, braucht es eine übergreifende Kompetenz in der Beurteilung aller möglichen Kontaktpunkte zwischen Marken und (potenziellen) Kunden. Nur so lassen sich die wichtigsten Fragestellungen in den unterschiedlichen Bereichen des Marken- und Marktmanagements präzise beantworten: Wie gelingt es, trotz Informationsüberflutung die Aufmerksamkeit und das Involvement von (potenziellen) Kunden zu erreichen? Wo und wie ist es möglich, die Kunden immer wieder positiv zu überraschen? Soll die Anzahl der Kontaktpunkte vergrößert oder verkleinert werden? Wie sieht der optimale Multikanal-Mix für die unterschiedlichen Zielgruppen aus? Wie sollten aus Kundensicht insbesondere die Schlüsselkontaktpunkte optimiert werden?

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Systematische Lösungsentwicklung und Planung Die verknüpfte Betrachtung von Kontaktpunkten, Zielgruppen und Markenperformance liefert den Entscheidern in Marketing, Vertrieb und Media die nötige Infor-

Vom Monolog zum Dialog

Fotos: © Infineon Technologies; © Lilia Walz; © Dalmatin.o / Fotolia

Jeder Mensch erhält heute täglich rund 7.000 Werbebotschaften. Tendenz: steigend. Diese Dauerberieselung hinterlässt bei den Konsumenten Spuren in Form zunehmender Werberesistenz und einer stark veränderten Mediennutzung. Immer mehr Konsumenten entscheiden selbst, was sie wann und wo sehen, hören und nutzen möchten. Im Kampf um die Aufmerksamkeit geht es darum, alle Faktoren und Wechselwirkungen in der Kommunikation zu beleuchten und so den Return-on-Marketing-Investment zu optimieren. In welchen Situationen und zu welchen Zeitpunkten erlebt der potenzielle Kunde heute seine Marke? Im zeitgemäßen Marken- und Marktmanagement ist das Kundenerlebnis einer der zentralen Orientierungspunkte und Hauptentwicklungsziele des Unternehmens. Im Umfeld von medialer Konvergenz, Zielgruppenfragmentierung und zunehmendem Wettbewerb um das kostbare Gut Aufmerksamkeit dürfen Erfolge keine Zufallstreffer mehr sein: Vielmehr stellen sie eine Kombination von vertiefter Analyse, interdisziplinärer Zusammenarbeit sowie kreativer, crossmedialer Umsetzung dar. Erfolgsbeispiele sind Apple, Fiat 500 oder Zara – aber auch das Lieblingsrestaurant um die Ecke: Mit der gekonnten Inszenierung eines unverwechselbaren Kundenerlebnisses in Vertrieb und Kommunikation erzielt es mit seinen Investitionen eine überdurchschnittliche Wirkung.

scheidend ist dabei, alle vier Kontaktpunkt-Kategorien zu berücksichtigen: Klassische Massenmedien, Point-ofSale respektive Point-of-Interaction, indirekte Kommunikation (PR, Word of Mouth etc.) und One-to-One (persönliche Kommunikation). Dieser ganzheitliche kundenzentrierte Blickwinkel ermöglicht erst, den optimalen Mix für die Multi-ChannelCommunications zu finden, über welchen die Marken- und Marktkommunikation am wirkungsvollsten gesteuert werden kann. In der wirkungsvollen Verknüpfung der einzelnen Kontaktpunkte liegt dann die zentrale Aufgabe der Kampagnensteuerung, z. B. ein Live-Event als verlängertes Social Media Erlebnis mit vor- und nachgelagerter PR-Berichterstattung und gezielter Blogger-Kommunikation.

Vielfach wird in Unternehmen nur analysiert, was den Zielgruppen kommunikativ gesendet wird. Der Fokus liegt dabei auf dem Sender. Damit bleibt aber unklar, was Zielgruppen effektiv wahrnehmen, nutzen und ob sich ihr Verhalten ändert. Hinzu kommt, dass gerade Online-Kommunikation dialogorientiert ausgerichtet ist und so auch Botschaften des Empfängers beim Sender ankommen. Wie diese nun aber verstehen, verarbeiten und in den laufenden Kommunikationsprozess einbauen? Klassische Kommunikationsstrategien sind hier oft nicht in der Lage, sich diesen, in immer schnellerem Maße dynamisch wandelnden Kundenanforderungen anzupassen und die einzelnen Disziplinen miteinander zu verzahnen. Nur wer weiß, was sein Kunde denkt, und dies in Echtzeit in die Strategie einbauen kann, wird in Zukunft erfolgreich kommunizieren. Diesem Umstand Rechnung zu tragen gilt es, die Qualität der verschiedenen Off- und Online-Kontaktpunkte zu bewerten. Wie ist die Fähigkeit eines Kontaktpunktes, Konsumenten in ihrer Kaufentscheidung zu beeinflussen. Was kommt beim Empfänger an und was ist die Wirkung der jeweiligen kommunikativen Maßnahme. Welcher Kontaktpunkt ist von welcher Marke möglicherweise bereits besetzt und in welchem Ausmaß differenzieren sich die konkurrierenden Marken über die Kontaktpunkte. Ent-

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mationstiefe, um richtige und nachhaltige Entscheidungen für die Marktbearbeitung von heute und morgen zu treffen. Im Wesentlichen müssen drei Themenfelder berücksichtigt werden:

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1. Wo sind die zentralen Kontaktpunkte für ein marken-

Online

typisches Kundenerlebnis. Welches sind die einflussreichsten Kontaktpunkte, in welche es sich lohnt zu investieren, um potenzielle und bestehende Kunden zu aktivieren und zu binden. Welche Kontakte werden möglicherweise von der Konkurrenz besser genutzt werden.

2. Potenzielle, d. h. neue und innovative Kontaktpunkte,

Die Auswahl des richtigen Kontaktpunktes ist unübersichtlich – was kommt bei der Zielgruppe wirklich an?

Social Media

die den Dialog mit (potenziellen) Kunden strategisch verstärken. Diese optionalen Kontaktpunkte bieten die Plattform, um die Intensität des Kundenerlebnisses strategisch weiter zu stärken. Da diese Kontaktpunkte weniger stark von anderen Marken besetzt sind, jedoch über eine hohe Relevanz verfügen, verhelfen sie der Marke zu einem besseren und differenzierteren Markenprofil.

3. Optimierung der Wirkung und Investitionen: Abge-

stimmt auf die Positionierung müssen der qualitative und quantitative Veränderungsbedarf festgelegt und das Einsparpotenzial quantifiziert werden.

4. Wirkungsvolle Verknüpfung der einzelnen Kontakt-

Film

Messe

Event

punkte miteinander: Neben Kreativität und der Auswahl der effizientesten Kontaktpunkte ist die synergetische Verzahnung der einzelnen Customer Touchpoints für den Erfolg der Kampagne entscheidend. Wie weit das offen gelegte Potenzial zur Steigerung der Strategie- und Maßnahmen-Performance ausgeschöpft wird, hängt indes zu einem erheblichen Teil von der kreativen Umsetzung ab. Um eingefahrene Muster zu durchbrechen, sollte in einer systematischen Lösungsentwicklung und Planung immer auch kreatives Querdenken Platz haben. Denn viel mehr als Stabilität ist heute im Marken- und Marktmanagement Flexibilität gefragt und damit auch Wandel. Potenz ersetzt eben nicht Intelligenz in der Kommunikation.

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von Ralph Missy

ist nicht alles Der Erfolg einer Marke entscheidet sich nicht nur über das Budget. Im Kampf um die Aufmerksamkeit zeigt die 360-Grad-Kontaktpunkt-Analyse bereichsübergreifend den direktesten Weg zum (potenziellen) Kunden auf und ermöglicht so, den Return-onMarketing-Investment zu maximieren. Gefragt ist Intelligenz in der Kommunikation. Jeder Mensch erhält heute täglich rund 7.000 Werbebotschaften. Tendenz: steigend. Diese Dauerberieselung hinterlässt bei den Konsumenten Spuren in Form zunehmender Werberesistenz und einer stark veränderten Mediennutzung. Immer mehr Konsumenten entscheiden selbst, was sie wann und wo sehen, hören und nutzen möchten. Im Kampf um die Aufmerksamkeit geht es darum, alle Faktoren und Wechselwirkungen in der Kommunikation zu beleuchten und so den Return-on-Marketing-Investment zu optimieren. In welchen Situationen und zu welchen Zeitpunkten erlebt der potenzielle Kunde heute seine Marke? Im zeitgemäßen Marken- und Marktmanagement ist das Kundenerlebnis einer der zentralen Orientierungspunkte und Hauptentwicklungsziele des Unternehmens. Im Umfeld von medialer Konvergenz, Zielgruppenfragmentierung und zunehmendem Wettbewerb um das kostbare Gut Aufmerksamkeit dürfen Erfolge keine Zufallstreffer mehr sein: Vielmehr stellen sie eine Kombination von vertiefter Analyse, interdisziplinärer Zusammenarbeit sowie kreativer, crossmedialer Umsetzung dar. Erfolgsbeispiele sind Apple, Fiat 500 oder Zara – aber auch das Lieblingsrestaurant um die Ecke: Mit der gekonnten Inszenierung eines unverwechselbaren Kundenerlebnisses in Vertrieb und Kommunikation erzielt es mit seinen Investitionen eine überdurchschnittliche Wirkung.

Kundenerlebnis als Summe aller Markenkontakte Ralph Missy Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand

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Marken werden an unterschiedlichsten Kontaktpunkten über den gesamten öffentlichen Auftritt eines Unternehmens erlebt – zum Beispiel über Anzeige, Plakat, Website, Event, Verkaufspersonal, Messestand, Showroom, Preisvergleichsportal, Social Media, PR oder Kundenmagazin etc. Die möglichen Kontaktpunkte haben einen unterschiedlich starken Einfluss auf das markentypische Kundenerlebnis. Je mehr es gelingt, die Erwartungen und Bedürfnisse zu treffen, desto höher ist der Erfolg in der Neukundengewinnung, Kundenzufriedenheit und -loya-

lität. Unternehmen sind so gefordert, ihre Marken- und Marktkommunikation regelmäßig zu überprüfen und neu auszurichten. Bevor sie Richtungsentscheidungen treffen, sollten sie aber wissen, über welche Kanäle und Medien sie (potenzielle) Kunden effizient erreichen und wirklich begeistern können.

Wirkungs- statt Maßnahmenorientierung Alle Kontaktpunkte prägen das Bild einer Marke. Ob über die Kontaktpunkte jedoch die Marke wirksam aufgebaut werden kann, hängt wesentlich davon ab, ob Klarheit darüber herrscht, wie wichtig welcher Kontaktpunkt für die Kunden ist. Ziel muss es sein, die Mittel auf jene Kontaktpunkte zu fokussieren, die ein markentypisches Kundenerlebnis und die Wettbewerbsfähigkeit am nachhaltigsten stärken. Was aber nützt diese Erkenntnis, wenn man die kommunikative Leistung der unterschiedlichen Kontaktpunkte und Maßnahmen nicht miteinander vergleichen kann? Um das „Äpfel-Birnen-Problem“ zu lösen, braucht es eine übergreifende Kompetenz in der Beurteilung aller möglichen Kontaktpunkte zwischen Marken und (potenziellen) Kunden. Nur so lassen sich die wichtigsten Fragestellungen in den unterschiedlichen Bereichen des Marken- und Marktmanagements präzise beantworten: Wie gelingt es, trotz Informationsüberflutung die Aufmerksamkeit und das Involvement von (potenziellen) Kunden zu erreichen?
 Wo und wie ist es möglich, die Kunden immer wieder positiv zu überraschen?
Soll die Anzahl der Kontaktpunkte vergrößert oder verkleinert werden?
 Wie sieht der optimale Multikanal-Mix für die unterschiedlichen Zielgruppen aus?
 Wie sollten aus Kundensicht insbesondere die Schlüsselkontaktpunkte optimiert werden?

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Mit welchen zusätzlichen innovativen Kontaktpunkten kann die Marktposition in Zukunft weiter ausgebaut werden?

Management der kommunikativen Kontaktpunkte Aktuelle Analysen zeigen, wie wichtig die richtige Wahl der Kommunikationsmaßnahmen für das Markenerlebnis ist: Die Hälfte des subjektiven Markenerlebnisses des Kunden machen die unterschiedlichen Marken-Kontaktpunkte im Vertrieb respektive am Verkaufspunkt aus. Bei einer Automobilmarke sind dies die Autohäuser, die Kontakte mit einer Automobilmarke auf der Straße, die Werbung, der Internetauftritt, Messen und Showrooms, die Werkstatt, die tägliche Erfahrung mit dem eigenen Automobil, Testberichte über Automobile sowie Verkäufer und Freunde. Bei Joghurt sind es Regalplazierungen und Displays in Einzelhandelsgeschäften, Werbung, die Produktverpackung, das Erlebnis beim Öffnen und Essen des Joghurts. Beim Strom sind es primär die Rechnung und die Werbung. Zahl und Intensität der Nutzung von Kontaktpunkten variieren je nach Branche und Interesse der Kunden an Produkten, Dienstleistungen und Marken. Rund ein Drittel des Markenerlebnisses wird durch persönliche Empfehlungen von Freunden und Bekannten oder Produktempfehlungen aus Testberichten sowie redaktionellen Beiträgen bestimmt. Redaktionelle Beiträge in gedruckten Medien genießen bei vielen Konsumenten eine überdurchschnittliche Glaubwürdigkeit. On- und Offline: Engagements in Communities und der Stellenwert der Peer-to-Peer-Kommunikation nehmen kontinuierlich zu.
Zu über 18 Prozent entscheiden sich Konsumenten auf der Basis von neuen Informationsquellen wie Mobiltelefon, E-Mail oder Internet. Wie nie zuvor wird gerade im Web interagiert – prominente Beispiele sind: Facebook, Twitter, Vimeo oder Xing.

scheidend ist dabei, alle vier Kontaktpunkt-Kategorien zu berücksichtigen: Klassische Massenmedien, Point-ofSale respektive Point-of-Interaction, indirekte Kommunikation (PR, Word of Mouth etc.) und One-to-One (persönliche Kommunikation). Dieser ganzheitliche kundenzentrierte Blickwinkel ermöglicht erst, den optimalen Mix für die Multi-ChannelCommunications zu finden, über welchen die Marken- und Marktkommunikation am wirkungsvollsten gesteuert werden kann. In der wirkungsvollen Verknüpfung der einzelnen Kontaktpunkte liegt dann die zentrale Aufgabe der Kampagnensteuerung, z. B. ein Live-Event als verlängertes Social Media Erlebnis mit vor- und nachgelagerter PR-Berichterstattung und gezielter Blogger-Kommunikation.

Systematische Lösungsentwicklung und Planung Die verknüpfte Betrachtung von Kontaktpunkten, Zielgruppen und Markenperformance liefert den Entscheidern in Marketing, Vertrieb und Media die nötige Infor-

Fotos: © Infineon Technologies; © Lilia Walz; © Dalmatin.o / Fotolia

Vom Monolog zum Dialog Vielfach wird in Unternehmen nur analysiert, was den Zielgruppen kommunikativ gesendet wird. Der Fokus liegt dabei auf dem Sender. Damit bleibt aber unklar, was Zielgruppen effektiv wahrnehmen, nutzen und ob sich ihr Verhalten ändert. Hinzu kommt, dass gerade Online-Kommunikation dialogorientiert ausgerichtet ist und so auch Botschaften des Empfängers beim Sender ankommen. Wie diese nun aber verstehen, verarbeiten und in den laufenden Kommunikationsprozess einbauen? Klassische Kommunikationsstrategien sind hier oft nicht in der Lage, sich diesen, in immer schnellerem Maße dynamisch wandelnden Kundenanforderungen anzupassen und die einzelnen Disziplinen miteinander zu verzahnen. Nur wer weiß, was sein Kunde denkt, und dies in Echtzeit in die Strategie einbauen kann, wird in Zukunft erfolgreich kommunizieren. Diesem Umstand Rechnung zu tragen gilt es, die Qualität der verschiedenen Off- und Online-Kontaktpunkte zu bewerten. Wie ist die Fähigkeit eines Kontaktpunktes, Konsumenten in ihrer Kaufentscheidung zu beeinflussen. Was kommt beim Empfänger an und was ist die Wirkung der jeweiligen kommunikativen Maßnahme. Welcher Kontaktpunkt ist von welcher Marke möglicherweise bereits besetzt und in welchem Ausmaß differenzieren sich die konkurrierenden Marken über die Kontaktpunkte. Ent-

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mationstiefe, um richtige und nachhaltige Entscheidungen für die Marktbearbeitung von heute und morgen zu treffen. Im Wesentlichen müssen drei Themenfelder berücksichtigt werden:

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1. Wo sind die zentralen Kontaktpunkte für ein marken-

Online

typisches Kundenerlebnis. Welches sind die einflussreichsten Kontaktpunkte, in welche es sich lohnt zu investieren, um potenzielle und bestehende Kunden zu aktivieren und zu binden. Welche Kontakte werden möglicherweise von der Konkurrenz besser genutzt werden.

2. Potenzielle, d. h. neue und innovative Kontaktpunkte,

Die Auswahl des richtigen Kontaktpunktes ist unübersichtlich – was kommt bei der Zielgruppe wirklich an?

Social Media

die den Dialog mit (potenziellen) Kunden strategisch verstärken. Diese optionalen Kontaktpunkte bieten die Plattform, um die Intensität des Kundenerlebnisses strategisch weiter zu stärken. Da diese Kontaktpunkte weniger stark von anderen Marken besetzt sind, jedoch über eine hohe Relevanz verfügen, verhelfen sie der Marke zu einem besseren und differenzierteren Markenprofil.

3. Optimierung der Wirkung und Investitionen: Abgestimmt auf die Positionierung müssen der qualitative und quantitative Veränderungsbedarf festgelegt und das Einsparpotenzial quantifiziert werden.

4. Wirkungsvolle Verknüpfung der einzelnen Kontakt-

Film

Messe

Event

punkte miteinander: Neben Kreativität und der Auswahl der effizientesten Kontaktpunkte ist die synergetische Verzahnung der einzelnen Customer Touchpoints für den Erfolg der Kampagne entscheidend. Wie weit das offen gelegte Potenzial zur Steigerung der Strategie- und Maßnahmen-Performance ausgeschöpft wird, hängt indes zu einem erheblichen Teil von der kreativen Umsetzung ab. Um eingefahrene Muster zu durchbrechen, sollte in einer systematischen Lösungsentwicklung und Planung immer auch kreatives Querdenken Platz haben. Denn viel mehr als Stabilität ist heute im Marken- und Marktmanagement Flexibilität gefragt und damit auch Wandel. Potenz ersetzt eben nicht Intelligenz in der Kommunikation.

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Fakten

Was bedeutet eigentlich …

Lesen Sie auf  Seite 22 ff. mehr zum Thema  Synaptic Branding  und über die  Intelligenz der Crowd auf  Seite 74.

Crowdsourcing

Echtzeitkommunikation

Synaptic Branding

Crowdsourcing – übersetzt Schwarmauslagerung – kommt aus dem Wort „crowd“ (englisch für Menge) und dem wirtschaftssprachlichen – auch aus dem Englischen stammenden – Begriff „outsourcing“. Während beim Outsourcing jedoch Teile, Strukturen und Aufgaben eines Unternehmens in dritte Unternehmen ausgelagert werden, erfolgt beim Crowdsourcing die Auslagerung – nach den Autoren Jeff Howe und Mark Robinson – auf die breite öffentliche Menge / Masse (crowd). Crowdsourcing setzt auf die Intelligenz  und das Wirkungsvermögen einer breiten Masse von Freizeit-Mitarbeitern im WorldWideWeb, die kostenfrei oder gegen eine geringe Entlohnung Ideen einbringen, teilen und somit innovative Produkte und Projekte mit entwickeln und vermarkten.

In Unternehmen stellt einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor die Erreichbarkeit dar, da viele Geschäftsprozesse nur mit geringen Verzögerungen abgewickelt werden können. Die Erreichbarkeit der Teilnehmer sinkt allerdings mit der Anzahl der Kommunikationsmedien. So verzögern sich Entscheidungen und Kundenanfragen werden nicht hinreichend zeitnah beantwortet. Aus diesem Grund spielt in Unternehmen die Echtzeitkommunikation (Real Time Communication RTC) eine zunehmende Rolle.

Als moderne Haltung zur Markenführung beinhaltet Synaptic Branding  die intelligente Vernetzung aller Kommunikationsmaßnahmen. Und als kreative Unternehmenskultur stellt Synaptic Branding ein gelebtes, wandlungsfähiges und lernfähiges Organisationsprinzip dar, das durch Innovationsreize gekennzeichnet ist. Synaptic Branding ist die nächste Entwicklungsstufe nach integrierter Kommunikation, permanent veränderbar, wirtschaftlich, multifunktional, on- und offline, geht einen Dialog ein und versteht die Lead-Agentur als flexiblen Impulsgeber einer synaptischen Markenführung.

Customer Relationship Management Customer Relationship Management (CRM) verfolgt das Ziel, Kundenbedürfnisse individuell zu adressieren, die Kunden somit zufrieden zu stellen und langfristig an das Unternehmen binden. Alle kundenrelevanten Abteilungen eines Unternehmens wie Vertrieb, Marketing und Support sollen dabei gezielt auf die Kunden ausgerichtet werden und untereinander prozessorientiert zusammenspielen.

Motiv: © raumbrand – Synaptic Branding

Virales Marketing Das Internet ist wie kein anderes Medium zuvor prädestiniert zur Verbreitung des Markennamens und des eigenen Angebots, und dies in einer Geschwindigkeit, die an eine Virusinfektion erinnert, daher die Bezeichnung. Das Konzept basiert auf der Tatsache, dass sich gute Produkte und Dienstleistungen im Internet durch Mund-zu-Mund-Propaganda wie ein Lauffeuer verbreiten.

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Schwarmintelligenz

Mit Schwarmintelligenz  wird in den Medien das Phänomen bezeichnet, dass eine Gruppe intelligenter sein kann, als die einzelnen Mitglieder der Gruppe. Schwarmintelligenz erschließt ein zusätzliches Leistungspotenzial. Einzigartige Führungstechniken vernetzen verschiedenartige Kompetenzen und sorgen für permanente schöpferische Unruhe im Arbeitsalltag. Innovation wird Kernaufgabe aller Beschäftigten, Spitzenleistungen entstehen.

Drei-I-Organisation Die Drei-I-Organisation ist eine vom irischen Managementvordenker Charles Handy identifizierte Form der Unternehmenskultur, bei welcher der Fokus auf drei Bereiche: Information, Intelligenz und Ideen gerichtet ist. Die Drei-I-Organisation erkennt den Wert von Information und Lernen an. Sie minimiert die Unterscheidung zwischen Managern und Mitarbeitern und konzentriert sich stattdessen auf Menschen und das Bedürfnis, dem Lernen nachzugehen, sowohl in Form von persönlichem, lebenslangem Lernen als auch als lernende Organisation, um mit Veränderungen Schritt zu halten.

Open Innovation & Social Media Web 2.0, Social Media und Open Innovation werden häufig angeführt, um Prozesse und Wege einer virtuellen Wertschöpfungskette, etwa in Form von Crowdsourcing, zu beschreiben. Der Begriff Web 2.0 bezeichnet in seiner Definition die interaktiven Elemente und Kollaborationsmöglichkeiten des Internets. Social Media steht für die sozialen Netzwerke, Netzgemeinschaften und Communities, die auf der Basis des Web 2.0 existieren. Als Open Innovation versteht man den durch ein Unternehmen selbst herbeigeführten Zugang der breiten Öffentlichkeit zum eigenen Innovationsprozess. Diese Öffnung der eigenen Unternehmens-, Dienstleistungsund Produktentwicklung verfolgt das marktstrategische Ziel, die Außenwelt zur Ausweitung und Steigerung des eigenen Innovationspotenzials zu nutzen. Crowdsourcing setzt genau an diesem Punkt in Form der Gewinnung von Mitarbeit und Mitentwicklung aus der breiten Masse der Internetuser an.

Fakten

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Udo Wittmann: Zwölfzylinder-Triebwerke sind ein zentraler Baustein der legendären Marke Lamborghini – in Vergangenheit und Zukunft: Nach Miura, Countach, Diablo und Murciélago, was ist im Jahr 2011 von Lamborghini im 12-Zylinder-Segment zu erwarten? Stephan Winkelmann: Wir bringen die sechste Generation unseres 12-Zylinders heraus. Dieses neue Triebwerk ist nicht nur die Krönung unseres Produktprogramms, es ist auch Teil einer enormen Investition in die Zukunft der Marke Lamborghini. Mit dem neuen V12 leiten wir einen Technologiesprung ein, der alle Bereiche unserer künftigen Modelle und des Unternehmens umfasst. Mit einem einzigartigen Paket an Innovationen wird Lamborghini die Zukunft des Supersportwa-

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gens neu definieren. Dieses Triebwerk mit 700 PS bildet zusammen mit dem hoch innovativen Getriebe das starke Herz des MurciélagoNachfolgers. Es wird ein Sprung von zwei Generationen sein. Wir sind sehr stolz darauf, denn wir wollen in diesem Segment weiter Trendsetter sein. Wir haben bereits den Sesto Elemento – extremer Leichtbau kombiniert mit extremer Leistung – in Paris gezeigt. Und gesagt, dass der Geist des Sesto Elemento in jedem zukünftigen Lamborghini vorhanden sein wird. Das gilt auch für den 83X. Wittmann: Im Juli 2010 haben Sie in Sant’ Agata Bolognese das neue Advanced Composites Research Center (ACRC) eröffnet. Werden Sie zum Kompetenzzentrum für Kohlefaserverarbeitung in der Automobilindustrie?

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Mythos Lamborghini Alles, was das Herz begehrt. Automobili Lamborghini ist der weltweit einzigartige Hersteller extremer und kompromissloser Supersportwagen. Ein Sportwagen von Lamborghini ist exklusiv, sinnlich und herausfordernd, dabei immer unverkennbar italienisch. Udo Wittmann, Herausgeber raumbrand, sprach mit dem Präsidenten von Lamborghini Stephan Winkelmann über die Faszination Lamborghini.

Udo Wittmann: Zwölfzylinder-Triebwerke sind ein zentraler Baustein der legendären Marke Lamborghini – in Vergangenheit und Zukunft: Nach Miura, Countach, Diablo und Murciélago, was ist im Jahr 2011 von Lamborghini im 12-Zylinder-Segment zu erwarten? Stephan Winkelmann: Wir bringen die sechste Generation unseres 12-Zylinders heraus. Dieses neue Triebwerk ist nicht nur die Krönung unseres Produktprogramms, es ist auch Teil einer enormen Investition in die Zukunft der Marke Lamborghini. Mit dem neuen V12 leiten wir einen Technologiesprung ein, der alle Bereiche unserer künftigen Modelle und des Unternehmens umfasst. Mit einem einzigartigen Paket an Innovationen wird Lamborghini die Zukunft des Supersportwa-

gens neu definieren. Dieses Triebwerk mit 700 PS bildet zusammen mit dem hoch innovativen Getriebe das starke Herz des MurciélagoNachfolgers. Es wird ein Sprung von zwei Generationen sein. Wir sind sehr stolz darauf, denn wir wollen in diesem Segment weiter Trendsetter sein. Wir haben bereits den Sesto Elemento – extremer Leichtbau kombiniert mit extremer Leistung – in Paris gezeigt. Und gesagt, dass der Geist des Sesto Elemento in jedem zukünftigen Lamborghini vorhanden sein wird. Das gilt auch für den 83X.

haben. Man kann ja nicht einfach auf den Boden stampfen und sagen: Hier sind wir, und das ist es! Wir setzen auf Konsistenz. Wenn man Markenwerte hat, dann müssen diese gelebt werden. Lamborghini hat es geschafft, dass die Produkte zu den Markenwerten passen. Wir haben es uns ausgesucht, extreme Supersportwagen zu bauen. Die Autos sind breiter, tiefer, schärfer designt, haben die stärksten Motoren, sind also wie auch die Markenwerte extrem, kompromisslos und italienisch. Das ist ein sehr gutes Spiegelbild der Marke, aber trotzdem muss diese immer der höchste Wert bleiben und man muss weiterhin in die Marke investieren. Hier ist das Wichtigste, dass die Botschaft, die man rüberbringt, immer konstant bleibt, dass man sich nicht verzettelt, dass man immer wieder das Gleiche sagt und auch immer wieder den gleichen Eindruck bei den Leuten erweckt. Also nicht, dass der erste Eindruck ein guter ist und wenn man sich das genauer anschaut, nichts dahinter ist.

gelebt werden müssen. Als familiärer Ansatz und auch als ein sehr zugängliches Unternehmen zumindest für die Kundschaft und die Leute, die an der Marke interessiert sind. Der familiäre und offene Zugang macht also einen Riesenunterschied aus, gegenüber allen anderen Herstellern in dieser Größenordnung.

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Wittmann: Im Juli 2010 haben Sie in Sant’ Agata Bolognese das neue Advanced Composites Research Center (ACRC) eröffnet. Werden Sie zum Kompetenzzentrum für Kohlefaserverarbeitung in der Automobilindustrie?

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Fotos: © Lamborghini

von Udo Wittmann

Mythos Lamborghini

Winkelmann: Wir haben bei Lamborghini über 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Und wir haben Expertise in der Kleinserienproduktion. Der konsequente Ausbau der CFKTechnologie ist ein entscheidendes Element unserer Strategie. Grundlegender Parameter für Supersportwagen ist und bleibt das Leistungsgewicht. Da eine weitere Steigerung der Leistung aufgrund der Emissionen limitiert ist, wird die Reduktion des Gewichts zum zentralen Thema. Durch den weitreichenden Einsatz von Kohlefaser soll auch in der Fahrzeugstruktur Lamborghini zur Avantgarde gehören. Die wahre Kompetenz liegt dabei im richtigen Einsatz der jeweiligen Technologien und Materialien, um zu perfekten technischen und ökonomischen Ergebnissen zu gelangen.

Leichtbauweise ist natürlich auch eine AudiKompetenz, und deswegen haben wir da im Bedarfsfall gute Anknüpfungspunkte. Für uns und auch für den Konzern ist es wichtig, dass es eine Marke gibt, die gerade in der Kleinserie Know-how zeigt. Wittmann: Audi hat Lamborghini im Jahr 1998 übernommen. Wieviel Audi steckt heutzutage in jedem Lamborghini? Winkelmann: Es sind um die zehn Prozent, die für den Kunden aber nicht sichtbar sind. Viel wichtiger als die Frage, wie viel Audi in jedem Lamborghini steckt, ist, wie viel Synergien wir nutzen können – hier geht es vor allem um die Kompetenz im Einkauf, bei den Prozessen und in der Produktion. Hier gibt es Skaleneffekte, die für uns absolut notwendig

und wichtig sind. Ansonsten ist der Konzern, gerade was die Markenführung anbelangt, sehr erpicht darauf, dass jede Marke ein Eigenleben hat – eine eigene Entwicklung, eine eigene Produktion und einen eigenen Verkauf. Dies ist besonders wichtig für das Image, den Bekanntheitsgrad und das Überleben einer Marke. Wittmann: Supersportwagen der Zukunft: Mehr Leistung und/oder weniger Gewicht? Winkelmann: Ich glaube, dass das Leistungsgewicht in der Zukunft die entscheidende Rolle spielen wird. Hier ist weniger Gewicht meist mehr als zusätzliche Leistung. Wir glauben, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch verstärken wird. In der Zukunft wird es immer mehr in Richtung Handling geLamborghini

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hen, d. h. an erster Stelle steht das Fahrverhalten, also wie emotional ich ein Auto bewegen kann, wie schnell es beschleunigt und weniger, welche Höchstgeschwindigkeit ich erreichen kann. Das sind die Punkte, die wir mit diesem Leistungsgewicht in den Vordergrund stellen wollen.

Alles, was das Herz begehrt. Automobili Lamborghini ist der weltweit einzigartige Hersteller extremer und kompromissloser Supersportwagen. Ein Sportwagen von Lamborghini ist exklusiv, sinnlich und herausfordernd, dabei immer unverkennbar italienisch. Udo Wittmann, Herausgeber raumbrand, sprach mit dem Präsidenten von Lamborghini Stephan Winkelmann über die Faszination Lamborghini.

Wittmann: Welche Trends ziehen ein im Supersportler-Segment? Winkelmann: Es ist wichtig, dass man die Emissionen reduziert, denn daran führt kein Weg vorbei. Aber man muss einen Spagat schaffen: Zwischen kompromissloser und extremer Beibehaltung der Ur-Werte der Marke auf der einen Seite und einer sozialen Akzeptanz auf der anderen Seite. Und das zu schaffen, ist natürlich eine gewaltige Aufgabe. Wir setzen alles daran, dass diese Marke weiterhin sozial akzeptabel ist: Wir haben natürlich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach unserer Gebäude und bauen diese weiter aus, indem wir auch die Parkplätze unserer Mitarbeiter mit Kollektoren überdachen. Aber wir dürfen keine Versprechen abgeben, die für unsere Marke keinen Sinn machen. Entscheidend ist: Das Resultat muss mit den Markenwerten im Einklang sein. Wie wir das erreichen, ist eine Aufgabe, die unsere Ingenieure zu meistern haben. Wir entscheiden dann gemeinsam, ob sich z. B. ein Start-und-Stop-System mit der Marke verträgt. Wittmann: Welche Ausstattungs- und Farbtrends sind demnächst zu erwarten? Winkelmann: Wie sich jetzt herauskristallisiert hat, sind die „Nicht-Farben“ sehr stark vorhanden, grau, weiß und schwarz. Das sind die Farben, die wir am meisten verkaufen. Natürlich bleiben orange, grün und gelb – in Zusammenhang mit schwarz – die Farben, die Lamborghini darstellen. Das werden weiterhin die Evergreens bleiben, aber in einem wechselnden Prozentsatz. Wir haben den Superleggera in grün vorgestellt und das ist dann sofort der Meistgefragte. Zumindest am Anfang, dann pendelt sich das wieder ein. Trends gibt es immer wieder. Wie gesagt, die „Nicht-Farben“, die wir mit ins Leben gerufen haben, z. B. das Weiß vor ein paar Jahren oder die Matt-Farben. Wir suchen eben auch immer wieder neue Schattierungen. Es wird ein neues Orange geben. Weil es auf der einen Seite Tradition ist, und auf der anderen Seite braucht es eine Farbe, die sehr einprägsam ist, also einen gewissen Wiedererkennungswert hat.

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Der neue Supersportwagen von Lamborghini heißt Aventador LP 700-4, er soll noch in diesem Sommer im Handel sein. Das weitgehend aus Karbon gefertigte Auto ist 700 PS stark und 350 km/h schnell. Autosalon Genf s.

Seite 38 f.

Einblick in die Produktionsstätte von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese s. Seite 13

Wo Männerträume wahr werden Lamborghini-Designstudien im Audi museum mobile Ingolstadt. Zehn „Wunschwirklichkeitsmaschinen“ sind bis 31.07.2011 in einer neuen Sonderausstellung zu sehen. Darunter der lange als verschollen gegoltene Lamborghini 400GT Monza. www.audi.de

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Wittmann: Wie positioniert sich Lamborghini im Vergleich mit dem Wettbewerber Ferrari und dessen Aktivitäten in der Formel 1 und deren neuen Brandland in Abu Dhabi? Winkelmann: Wie positionieren uns nicht dagegen, weil jede Marke ihre eigene Tradition hat. Ferruccio Lamborghini hat gesagt: „Ich baue die besten und schönsten Supersportwagen, ich brauche es nicht auf der Rennstrecke zu beweisen.“ Hinter dieser Aussage stehen wir teilweise heute noch. Wir haben ein Sportwagen-Engagement, das auf uns zugeschnitten ist. Wir wollen einen sehr familiären Zugang zum Motorsport haben. Wir haben einen Markenpokal. Aber auch bei GT3 und GT1 sind wir involviert, und das passt gut zum Image, denn genau diese GT-Fahrzeuge, spiegeln die Ästhetik der Serie wider. Das ist eines der wichtigsten unter den Dingen, die wir uns vorgenommen haben und deswegen glaube ich, dass jede Firma, jede Marke, ihren eigenen Weg finden muss. Wie gesagt, wir sind eine Nische in der Nische, wir wollen jetzt nicht auf Expansionskurs gehen. Einen Bekanntheitsgrad und ein Image baut man nicht allein durch Meilensteine in der Landschaft auf, sondern durch Dinge wie Mythos, der durch mühsamste Kleinstarbeit aufgebaut wird, und ich glaube, dass hier das Herz der Marke ist. Der Standort ist eines der Dinge, die nicht nur erhalten, sondern auch

Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A.

Wittmann: Können wir von Lamborghini eine dritte Baureihe erwarten? Winkelmann: Wir haben vor zwei Jahren auf dem Pariser Automobilsalon den Estoque präsentiert. Die Reaktionen auf dieses Auto waren sehr gut – bei der Presse, bei den Kunden und auch bei denjenigen, die sich noch nie für einen Lamborghini interessiert haben. Wir haben auch heute noch Anfragen für dieses Auto. Wittmann: Wäre die dritte Baureihe dann eher eine viertürige Limousine? Winkelmann: Da haben wir verschiedene Ideen. Natürlich ist einer der Ansätze, den wir gewählt haben, ein sehr handfester, nämlich der vom Estoque. Darüber denken wir nach, aber es gibt auch andere Segmente, in denen wir uns einen Lamborghini vorstellen können. Wittmann: Stichwort Image, Positionierung, Internationalisierung. Was bringt Lamborghini in die Volkswagen-Gruppe ein? Winkelmann: Ich glaube, dass die Volkswagen-Gruppe durch ihre Vielfalt der Marken besticht und dass wir in diesem Verbund eine feste Positionierung haben. Wir sind eine italienische Supersportwagen-Marke, die einen globalen Auftritt hat. Das passt sehr gut zum Portfolio der Volkswagen-Gruppe mit einem Spektrum von einem Seat bis zu einem Bentley. Es sind alle Limousinen vertreten, die Sie sich vorstellen können und – natürlich mit Lamborghini und Bugatti – alle extremen Sportwagen, die das Herz begehrt. Da ist für jeden etwas zu holen.

Stephan Winkelmann wurde am 18. Oktober 1964 in Berlin geboren und wuchs in Rom auf. Nach dem Abschluss seines Studiums der Politikwissenschaften in Rom und München begann Winkelmann seine berufliche Laufbahn bei einem deutschen Finanzdienstleister und wechselte anschließend zu Mercedes Benz. 1994 trat Winkelmann seine Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter für die Marke Alfa Romeo innerhalb der Fiat Automobil AG an. Anschließend wurde er Fiat Marketingleiter für die Region Süd. Ab 1996 war Winkelmann bei der Fiat Auto S.p.A. in Turin im Marketing- und Vertriebsmanagement für Alfa Romeo tätig als Verantwortlicher für die Einführung des Modells Alfa 156. Anschließend wechselte er in die Position des Area Managers für einige europäische Märkte. Nach seiner Funktion als Vertriebsvorstand bei Fiat Auto Austria wurde Winkelmann zum Vorstandsvorsitzenden bei Fiat Auto Austria und danach ebenso von Fiat Auto Svizzera. 2004 trat er sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Fiat Automobil AG, Deutschland an. Seit dem 1. Januar 2005 ist Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A. in Sant’Agata Bolognese (Italien).

Wittmann: Wie baut man einen sogenannten SuperBrand wie Lamborghini auf? Winkelmann: Tradition und Geschichte ist das Wichtigste, um überhaupt eine Luxusmarke zu Lamborghini

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gens neu definieren. Dieses Triebwerk mit 700 PS bildet zusammen mit dem hoch innovativen Getriebe das starke Herz des MurciélagoNachfolgers. Es wird ein Sprung von zwei Generationen sein. Wir sind sehr stolz darauf, denn wir wollen in diesem Segment weiter Trendsetter sein. Wir haben bereits den Sesto Elemento – extremer Leichtbau kombiniert mit extremer Leistung – in Paris gezeigt. Und gesagt, dass der Geist des Sesto Elemento in jedem zukünftigen Lamborghini vorhanden sein wird. Das gilt auch für den 83X. Wittmann: Im Juli 2010 haben Sie in Sant’ Agata Bolognese das neue Advanced Composites Research Center (ACRC) eröffnet. Werden Sie zum Kompetenzzentrum für Kohlefaserverarbeitung in der Automobilindustrie?

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Mythos Lamborghini

Udo Wittmann: Zwölfzylinder-Triebwerke sind ein zentraler Baustein der legendären Marke Lamborghini – in Vergangenheit und Zukunft: Nach Miura, Countach, Diablo und Murciélago, was ist im Jahr 2011 von Lamborghini im 12-Zylinder-Segment zu erwarten? Stephan Winkelmann: Wir bringen die sechste Generation unseres 12-Zylinders heraus. Dieses neue Triebwerk ist nicht nur die Krönung unseres Produktprogramms, es ist auch Teil einer enormen Investition in die Zukunft der Marke Lamborghini. Mit dem neuen V12 leiten wir einen Technologiesprung ein, der alle Bereiche unserer künftigen Modelle und des Unternehmens umfasst. Mit einem einzigartigen Paket an Innovationen wird Lamborghini die Zukunft des Supersportwa-

Winkelmann: Wir haben bei Lamborghini über 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Und wir haben Expertise in der Kleinserienproduktion. Der konsequente Ausbau der CFKTechnologie ist ein entscheidendes Element unserer Strategie. Grundlegender Parameter für Supersportwagen ist und bleibt das Leistungsgewicht. Da eine weitere Steigerung der Leistung aufgrund der Emissionen limitiert ist, wird die Reduktion des Gewichts zum zentralen Thema. Durch den weitreichenden Einsatz von Kohlefaser soll auch in der Fahrzeugstruktur Lamborghini zur Avantgarde gehören. Die wahre Kompetenz liegt dabei im richtigen Einsatz der jeweiligen Technologien und Materialien, um zu perfekten technischen und ökonomischen Ergebnissen zu gelangen.

Leichtbauweise ist natürlich auch eine AudiKompetenz, und deswegen haben wir da im Bedarfsfall gute Anknüpfungspunkte. Für uns und auch für den Konzern ist es wichtig, dass es eine Marke gibt, die gerade in der Kleinserie Know-how zeigt. Wittmann: Audi hat Lamborghini im Jahr 1998 übernommen. Wieviel Audi steckt heutzutage in jedem Lamborghini? Winkelmann: Es sind um die zehn Prozent, die für den Kunden aber nicht sichtbar sind. Viel wichtiger als die Frage, wie viel Audi in jedem Lamborghini steckt, ist, wie viel Synergien wir nutzen können – hier geht es vor allem um die Kompetenz im Einkauf, bei den Prozessen und in der Produktion. Hier gibt es Skaleneffekte, die für uns absolut notwendig

Wittmann: Wie sieht die Zielgruppe von Gallardo und Murcièlago-Nachfolger aus? Winkelmann: Diese ist weltweit ziemlich gleich: männlich und Unternehmer. Dabei gibt es aber unterschiedliche Kundengruppen, je nach Herkunftsland. Ein bisschen salopp gesagt: Die Jüngsten sind die Asiaten, die Mittleren sind die Amerikaner, dann kommen die Europäer. Es ist auch jeweils von der Struktur und der Organisation des Sozialstaats abhängig und wie einfach es einem gemacht wird, Unternehmer zu werden. Wittmann: Wie gehen Lamborghini-Fahrer mit Sozialneid um? Winkelmann: Den hat man in Asien oder Amerika sehr viel weniger als in Europa. Auch in Italien haben wir das Thema sehr wenig. Die Asiaten sind auch durch die Religion sehr stolz auf das, was sie erreicht haben. Dort gibt es nicht die Neid-Kultur, sondern das „Thumbs up“ für diejenigen, die einen Lamborghini fahren. Das ist auch in den Vereinigten Staaten ähnlich, jedenfalls war das vor kurzem noch so, und ich glaube nicht, dass sich das in den letzten zwei Jahren geändert hat. Es ist eine Frage der Mentalität der Amerikaner oder auch eine Kulturfrage und eine Religionsfrage, wie im asiatischen Raum.

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Wittmann: Wie ist es in Deutschland? Winkelmann: Ich habe in den letzten Jahrzehnten sehr wenig in Deutschland gewohnt, aber ich kann heute nur sagen: Wenn ich mit einem Lamborghini in Deutschland unterwegs bin, habe ich bis heute kein negatives Erlebnis gehabt. Ich persönlich habe immer ein sehr positives Feedback von den Mitmenschen bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekommen, etwa an der Tankstelle oder auf der Autobahn. Wittmann: Wie stark hat die Weltwirtschaftskrise Ihrem speziellen HochpreisSegment zugesetzt? Winkelmann: Wir haben ja schon nach September 2008 gesagt, dass die Luxusbranche gegen diese Krise nicht immun sein wird. Das hat sich auch bewahrheitet. Das Segment ist im Jahr 2009 zusammengebrochen. Wir sind jetzt in diesem Jahr noch weit entfernt von den Höhen vom Jahr 2007. Das Segment wird wahrscheinlich nicht vor 2012/2013 auf diese Höhen zurückkommen, und wahrscheinlich auch dann nur durch neue Märkte, die 2007

noch gar nicht auf diesem Niveau waren, wie der chinesische Markt. Wittmann: Wie groß waren die einzelnen Stückzahlen, und was erwarten Sie auch mit dem neuen Modell in den nächsten Jahren? Winkelmann: China ist schon unser zweitwichtigster Markt, zum einen, weil die anderen Märkte stärker gesunken sind, als ursprünglich erwartet, und zum anderen, weil der chinesische Markt sehr stark gewachsen ist, auch stärker als erwartet. In 2010 haben wir die Verkäufe mehr als verdoppelt, und das ist für uns schon eine gewaltige Zahl, weil der chinesische Markt in diesen letzten Monaten explodiert ist. Wir gehen davon aus, dass das neue Modell ein großer Erfolg werden wird, auch und speziell in China.

teilzunehmen. Ansonsten geht es ja auch immer mehr darum, unseren Kunden eine Möglichkeit zu geben, diese Autos zu benutzen. Das war bis jetzt immer ein großer Erfolg. Wittmann: Was wünschen Sie sich persönlich von der automobilen Zukunft? Winkelmann: Ich wünsche mir, dass Lamborghini ein langes Leben hat, dass Lamborghini in der Zukunft verstanden wird. Dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, und dass es auch in den nächsten Jahren noch genügend Platz für Supersportwagen gibt. Wittmann: Vielen Dank für das Gespräch! Udo Wittmann, Spezialist für Kommunikation im Raum und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Wittmann: Welche Aktivitäten rund um die Marke finden bei Lamborghini statt? Winkelmann: Natürlich bieten wir Fahrertrainings an. Wir haben die Lamborghini Academy, und bieten die Möglichkeit für jeden, der einen Lamborghini besitzt, an diesen Trainings Lamborghini

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und wichtig sind. Ansonsten ist der Konzern, gerade was die Markenführung anbelangt, sehr erpicht darauf, dass jede Marke ein Eigenleben hat – eine eigene Entwicklung, eine eigene Produktion und einen eigenen Verkauf. Dies ist besonders wichtig für das Image, den Bekanntheitsgrad und das Überleben einer Marke. Wittmann: Supersportwagen der Zukunft: Mehr Leistung und/oder weniger Gewicht? Winkelmann: Ich glaube, dass das Leistungsgewicht in der Zukunft die entscheidende Rolle spielen wird. Hier ist weniger Gewicht meist mehr als zusätzliche Leistung. Wir glauben, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch verstärken wird. In der Zukunft wird es immer mehr in Richtung Handling geLamborghini

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hen, d. h. an erster Stelle steht das Fahrverhalten, also wie emotional ich ein Auto bewegen kann, wie schnell es beschleunigt und weniger, welche Höchstgeschwindigkeit ich erreichen kann. Das sind die Punkte, die wir mit diesem Leistungsgewicht in den Vordergrund stellen wollen.

Alles, was das Herz begehrt. Automobili Lamborghini ist der weltweit einzigartige Hersteller extremer und kompromissloser Supersportwagen. Ein Sportwagen von Lamborghini ist exklusiv, sinnlich und herausfordernd, dabei immer unverkennbar italienisch. Udo Wittmann, Herausgeber raumbrand, sprach mit dem Präsidenten von Lamborghini Stephan Winkelmann über die Faszination Lamborghini.

Wittmann: Welche Trends ziehen ein im Supersportler-Segment? Winkelmann: Es ist wichtig, dass man die Emissionen reduziert, denn daran führt kein Weg vorbei. Aber man muss einen Spagat schaffen: Zwischen kompromissloser und extremer Beibehaltung der Ur-Werte der Marke auf der einen Seite und einer sozialen Akzeptanz auf der anderen Seite. Und das zu schaffen, ist natürlich eine gewaltige Aufgabe. Wir setzen alles daran, dass diese Marke weiterhin sozial akzeptabel ist: Wir haben natürlich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach unserer Gebäude und bauen diese weiter aus, indem wir auch die Parkplätze unserer Mitarbeiter mit Kollektoren überdachen. Aber wir dürfen keine Versprechen abgeben, die für unsere Marke keinen Sinn machen. Entscheidend ist: Das Resultat muss mit den Markenwerten im Einklang sein. Wie wir das erreichen, ist eine Aufgabe, die unsere Ingenieure zu meistern haben. Wir entscheiden dann gemeinsam, ob sich z. B. ein Start-und-Stop-System mit der Marke verträgt. Wittmann: Welche Ausstattungs- und Farbtrends sind demnächst zu erwarten? Winkelmann: Wie sich jetzt herauskristallisiert hat, sind die „Nicht-Farben“ sehr stark vorhanden, grau, weiß und schwarz. Das sind die Farben, die wir am meisten verkaufen. Natürlich bleiben orange, grün und gelb – in Zusammenhang mit schwarz – die Farben, die Lamborghini darstellen. Das werden weiterhin die Evergreens bleiben, aber in einem wechselnden Prozentsatz. Wir haben den Superleggera in grün vorgestellt und das ist dann sofort der Meistgefragte. Zumindest am Anfang, dann pendelt sich das wieder ein. Trends gibt es immer wieder. Wie gesagt, die „Nicht-Farben“, die wir mit ins Leben gerufen haben, z. B. das Weiß vor ein paar Jahren oder die Matt-Farben. Wir suchen eben auch immer wieder neue Schattierungen. Es wird ein neues Orange geben. Weil es auf der einen Seite Tradition ist, und auf der anderen Seite braucht es eine Farbe, die sehr einprägsam ist, also einen gewissen Wiedererkennungswert hat.

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haben. Man kann ja nicht einfach auf den Boden stampfen und sagen: Hier sind wir, und das ist es! Wir setzen auf Konsistenz. Wenn man Markenwerte hat, dann müssen diese gelebt werden. Lamborghini hat es geschafft, dass die Produkte zu den Markenwerten passen. Wir haben es uns ausgesucht, extreme Supersportwagen zu bauen. Die Autos sind breiter, tiefer, schärfer designt, haben die stärksten Motoren, sind also wie auch die Markenwerte extrem, kompromisslos und italienisch. Das ist ein sehr gutes Spiegelbild der Marke, aber trotzdem muss diese immer der höchste Wert bleiben und man muss weiterhin in die Marke investieren. Hier ist das Wichtigste, dass die Botschaft, die man rüberbringt, immer konstant bleibt, dass man sich nicht verzettelt, dass man immer wieder das Gleiche sagt und auch immer wieder den gleichen Eindruck bei den Leuten erweckt. Also nicht, dass der erste Eindruck ein guter ist und wenn man sich das genauer anschaut, nichts dahinter ist.

Der neue Supersportwagen von Lamborghini heißt Aventador LP 700-4, er soll noch in diesem Sommer im Handel sein. Das weitgehend aus Karbon gefertigte Auto ist 700 PS stark und 350 km/h schnell. Autosalon Genf s.

Seite 38 f.

Einblick in die Produktionsstätte von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese s. Seite 13

Wo Männerträume wahr werden Lamborghini-Designstudien im Audi museum mobile Ingolstadt. Zehn „Wunschwirklichkeitsmaschinen“ sind bis 31.07.2011 in einer neuen Sonderausstellung zu sehen. Darunter der lange als verschollen gegoltene Lamborghini 400GT Monza. www.audi.de

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Wittmann: Wie positioniert sich Lamborghini im Vergleich mit dem Wettbewerber Ferrari und dessen Aktivitäten in der Formel 1 und deren neuen Brandland in Abu Dhabi? Winkelmann: Wie positionieren uns nicht dagegen, weil jede Marke ihre eigene Tradition hat. Ferruccio Lamborghini hat gesagt: „Ich baue die besten und schönsten Supersportwagen, ich brauche es nicht auf der Rennstrecke zu beweisen.“ Hinter dieser Aussage stehen wir teilweise heute noch. Wir haben ein Sportwagen-Engagement, das auf uns zugeschnitten ist. Wir wollen einen sehr familiären Zugang zum Motorsport haben. Wir haben einen Markenpokal. Aber auch bei GT3 und GT1 sind wir involviert, und das passt gut zum Image, denn genau diese GT-Fahrzeuge, spiegeln die Ästhetik der Serie wider. Das ist eines der wichtigsten unter den Dingen, die wir uns vorgenommen haben und deswegen glaube ich, dass jede Firma, jede Marke, ihren eigenen Weg finden muss. Wie gesagt, wir sind eine Nische in der Nische, wir wollen jetzt nicht auf Expansionskurs gehen. Einen Bekanntheitsgrad und ein Image baut man nicht allein durch Meilensteine in der Landschaft auf, sondern durch Dinge wie Mythos, der durch mühsamste Kleinstarbeit aufgebaut wird, und ich glaube, dass hier das Herz der Marke ist. Der Standort ist eines der Dinge, die nicht nur erhalten, sondern auch

Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A.

Wittmann: Können wir von Lamborghini eine dritte Baureihe erwarten? Winkelmann: Wir haben vor zwei Jahren auf dem Pariser Automobilsalon den Estoque präsentiert. Die Reaktionen auf dieses Auto waren sehr gut – bei der Presse, bei den Kunden und auch bei denjenigen, die sich noch nie für einen Lamborghini interessiert haben. Wir haben auch heute noch Anfragen für dieses Auto.

Stephan Winkelmann wurde am 18. Oktober 1964 in Berlin geboren und wuchs in Rom auf. Nach dem Abschluss seines Studiums der Politikwissenschaften in Rom und München begann Winkelmann seine berufliche Laufbahn bei einem deutschen Finanzdienstleister und wechselte anschließend zu Mercedes Benz.

Wittmann: Wäre die dritte Baureihe dann eher eine viertürige Limousine? Winkelmann: Da haben wir verschiedene Ideen. Natürlich ist einer der Ansätze, den wir gewählt haben, ein sehr handfester, nämlich der vom Estoque. Darüber denken wir nach, aber es gibt auch andere Segmente, in denen wir uns einen Lamborghini vorstellen können.

Ab 1996 war Winkelmann bei der Fiat Auto S.p.A. in Turin im Marketing- und Vertriebsmanagement für Alfa Romeo tätig als Verantwortlicher für die Einführung des Modells Alfa 156. Anschließend wechselte er in die Position des Area Managers für einige europäische Märkte.

Wittmann: Stichwort Image, Positionierung, Internationalisierung. Was bringt Lamborghini in die Volkswagen-Gruppe ein? Winkelmann: Ich glaube, dass die Volkswagen-Gruppe durch ihre Vielfalt der Marken besticht und dass wir in diesem Verbund eine feste Positionierung haben. Wir sind eine italienische Supersportwagen-Marke, die einen globalen Auftritt hat. Das passt sehr gut zum Portfolio der Volkswagen-Gruppe mit einem Spektrum von einem Seat bis zu einem Bentley. Es sind alle Limousinen vertreten, die Sie sich vorstellen können und – natürlich mit Lamborghini und Bugatti – alle extremen Sportwagen, die das Herz begehrt. Da ist für jeden etwas zu holen.

1994 trat Winkelmann seine Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter für die Marke Alfa Romeo innerhalb der Fiat Automobil AG an. Anschließend wurde er Fiat Marketingleiter für die Region Süd.

Nach seiner Funktion als Vertriebsvorstand bei Fiat Auto Austria wurde Winkelmann zum Vorstandsvorsitzenden bei Fiat Auto Austria und danach ebenso von Fiat Auto Svizzera. 2004 trat er sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Fiat Automobil AG, Deutschland an. Seit dem 1. Januar 2005 ist Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A. in Sant’Agata Bolognese (Italien).

Wittmann: Wie baut man einen sogenannten SuperBrand wie Lamborghini auf? Winkelmann: Tradition und Geschichte ist das Wichtigste, um überhaupt eine Luxusmarke zu Lamborghini

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Wittmann: Welche Rennsportaktivitäten betreibt Lamborghini heute und welche Events kommen demnächst dazu? Winkelmann: Wir haben erst mit Motorsport begonnen. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob sich das so auch verfestigt und in der Motorsportwelt etabliert, denn auch dort gibt es einen ständigen Wechsel, auch in den Meisterschaften und Kategorien. Dass wir ein Engagement im Motorsport haben, wollen wir nicht mehr zurückweisen. Wir glauben, dass es für unsere Marke wichtig ist, aber es muss der Größenordnung der Firma angepasst sein. Wir werden sicher keine Purzelbäume schlagen, nur um unser Engagement zu erhöhen, auf Kosten unseres Hauptberufs: Das Entwickeln, Produzieren und Verkaufen von Autos.

Wittmann: Wie gehen Lamborghini-Fahrer mit Sozialneid um? Winkelmann: Den hat man in Asien oder Amerika sehr viel weniger als in Europa. Auch in Italien haben wir das Thema sehr wenig. Die Asiaten sind auch durch die Religion sehr stolz auf das, was sie erreicht haben. Dort gibt es nicht die Neid-Kultur, sondern das „Thumbs up“ für diejenigen, die einen Lamborghini fahren. Das ist auch in den Vereinigten Staaten ähnlich, jedenfalls war das vor kurzem noch so, und ich glaube nicht, dass sich das in den letzten zwei Jahren geändert hat. Es ist eine Frage der Mentalität der Amerikaner oder auch eine Kulturfrage und eine Religionsfrage, wie im asiatischen Raum.

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Wittmann: Wie ist es in Deutschland? Winkelmann: Ich habe in den letzten Jahrzehnten sehr wenig in Deutschland gewohnt, aber ich kann heute nur sagen: Wenn ich mit einem Lamborghini in Deutschland unterwegs bin, habe ich bis heute kein negatives Erlebnis gehabt. Ich persönlich habe immer ein sehr positives Feedback von den Mitmenschen bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekommen, etwa an der Tankstelle oder auf der Autobahn. Wittmann: Wie stark hat die Weltwirtschaftskrise Ihrem speziellen HochpreisSegment zugesetzt? Winkelmann: Wir haben ja schon nach September 2008 gesagt, dass die Luxusbranche gegen diese Krise nicht immun sein wird. Das hat sich auch bewahrheitet. Das Segment ist im Jahr 2009 zusammengebrochen. Wir sind jetzt in diesem Jahr noch weit entfernt von den Höhen vom Jahr 2007. Das Segment wird wahrscheinlich nicht vor 2012/2013 auf diese Höhen zurückkommen, und wahrscheinlich auch dann nur durch neue Märkte, die 2007

noch gar nicht auf diesem Niveau waren, wie der chinesische Markt. Wittmann: Wie groß waren die einzelnen Stückzahlen, und was erwarten Sie auch mit dem neuen Modell in den nächsten Jahren? Winkelmann: China ist schon unser zweitwichtigster Markt, zum einen, weil die anderen Märkte stärker gesunken sind, als ursprünglich erwartet, und zum anderen, weil der chinesische Markt sehr stark gewachsen ist, auch stärker als erwartet. In 2010 haben wir die Verkäufe mehr als verdoppelt, und das ist für uns schon eine gewaltige Zahl, weil der chinesische Markt in diesen letzten Monaten explodiert ist. Wir gehen davon aus, dass das neue Modell ein großer Erfolg werden wird, auch und speziell in China.

teilzunehmen. Ansonsten geht es ja auch immer mehr darum, unseren Kunden eine Möglichkeit zu geben, diese Autos zu benutzen. Das war bis jetzt immer ein großer Erfolg. Wittmann: Was wünschen Sie sich persönlich von der automobilen Zukunft? Winkelmann: Ich wünsche mir, dass Lamborghini ein langes Leben hat, dass Lamborghini in der Zukunft verstanden wird. Dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, und dass es auch in den nächsten Jahren noch genügend Platz für Supersportwagen gibt. Wittmann: Vielen Dank für das Gespräch! Udo Wittmann, Spezialist für Kommunikation im Raum und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Wittmann: Welche Aktivitäten rund um die Marke finden bei Lamborghini statt? Winkelmann: Natürlich bieten wir Fahrertrainings an. Wir haben die Lamborghini Academy, und bieten die Möglichkeit für jeden, der einen Lamborghini besitzt, an diesen Trainings Lamborghini

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Fotos: © Lamborghini

von Udo Wittmann

Winkelmann: Wir haben bei Lamborghini über 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von kohlefaserverstärkten Kunststoffen. Und wir haben Expertise in der Kleinserienproduktion. Der konsequente Ausbau der CFKTechnologie ist ein entscheidendes Element unserer Strategie. Grundlegender Parameter für Supersportwagen ist und bleibt das Leistungsgewicht. Da eine weitere Steigerung der Leistung aufgrund der Emissionen limitiert ist, wird die Reduktion des Gewichts zum zentralen Thema. Durch den weitreichenden Einsatz von Kohlefaser soll auch in der Fahrzeugstruktur Lamborghini zur Avantgarde gehören. Die wahre Kompetenz liegt dabei im richtigen Einsatz der jeweiligen Technologien und Materialien, um zu perfekten technischen und ökonomischen Ergebnissen zu gelangen.

raumbrand 1.11

Leichtbauweise ist natürlich auch eine AudiKompetenz, und deswegen haben wir da im Bedarfsfall gute Anknüpfungspunkte. Für uns und auch für den Konzern ist es wichtig, dass es eine Marke gibt, die gerade in der Kleinserie Know-how zeigt. Wittmann: Audi hat Lamborghini im Jahr 1998 übernommen. Wieviel Audi steckt heutzutage in jedem Lamborghini? Winkelmann: Es sind um die zehn Prozent, die für den Kunden aber nicht sichtbar sind. Viel wichtiger als die Frage, wie viel Audi in jedem Lamborghini steckt, ist, wie viel Synergien wir nutzen können – hier geht es vor allem um die Kompetenz im Einkauf, bei den Prozessen und in der Produktion. Hier gibt es Skaleneffekte, die für uns absolut notwendig

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gelebt werden müssen. Als familiärer Ansatz und auch als ein sehr zugängliches Unternehmen zumindest für die Kundschaft und die Leute, die an der Marke interessiert sind. Der familiäre und offene Zugang macht also einen Riesenunterschied aus, gegenüber allen anderen Herstellern in dieser Größenordnung.

Wittmann: Wie sieht die Zielgruppe von Gallardo und Murcièlago-Nachfolger aus? Winkelmann: Diese ist weltweit ziemlich gleich: männlich und Unternehmer. Dabei gibt es aber unterschiedliche Kundengruppen, je nach Herkunftsland. Ein bisschen salopp gesagt: Die Jüngsten sind die Asiaten, die Mittleren sind die Amerikaner, dann kommen die Europäer. Es ist auch jeweils von der Struktur und der Organisation des Sozialstaats abhängig und wie einfach es einem gemacht wird, Unternehmer zu werden.

und wichtig sind. Ansonsten ist der Konzern, gerade was die Markenführung anbelangt, sehr erpicht darauf, dass jede Marke ein Eigenleben hat – eine eigene Entwicklung, eine eigene Produktion und einen eigenen Verkauf. Dies ist besonders wichtig für das Image, den Bekanntheitsgrad und das Überleben einer Marke. Wittmann: Supersportwagen der Zukunft: Mehr Leistung und/oder weniger Gewicht? Winkelmann: Ich glaube, dass das Leistungsgewicht in der Zukunft die entscheidende Rolle spielen wird. Hier ist weniger Gewicht meist mehr als zusätzliche Leistung. Wir glauben, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch verstärken wird. In der Zukunft wird es immer mehr in Richtung Handling geLamborghini

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Wittmann: Welche Rennsportaktivitäten betreibt Lamborghini heute und welche Events kommen demnächst dazu? Winkelmann: Wir haben erst mit Motorsport begonnen. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob sich das so auch verfestigt und in der Motorsportwelt etabliert, denn auch dort gibt es einen ständigen Wechsel, auch in den Meisterschaften und Kategorien. Dass wir ein Engagement im Motorsport haben, wollen wir nicht mehr zurückweisen. Wir glauben, dass es für unsere Marke wichtig ist, aber es muss der Größenordnung der Firma angepasst sein. Wir werden sicher keine Purzelbäume schlagen, nur um unser Engagement zu erhöhen, auf Kosten unseres Hauptberufs: Das Entwickeln, Produzieren und Verkaufen von Autos.

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hen, d. h. an erster Stelle steht das Fahrverhalten, also wie emotional ich ein Auto bewegen kann, wie schnell es beschleunigt und weniger, welche Höchstgeschwindigkeit ich erreichen kann. Das sind die Punkte, die wir mit diesem Leistungsgewicht in den Vordergrund stellen wollen. Wittmann: Welche Trends ziehen ein im Supersportler-Segment? Winkelmann: Es ist wichtig, dass man die Emissionen reduziert, denn daran führt kein Weg vorbei. Aber man muss einen Spagat schaffen: Zwischen kompromissloser und extremer Beibehaltung der Ur-Werte der Marke auf der einen Seite und einer sozialen Akzeptanz auf der anderen Seite. Und das zu schaffen, ist natürlich eine gewaltige Aufgabe. Wir setzen alles daran, dass diese Marke weiterhin sozial akzeptabel ist: Wir haben natürlich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach unserer Gebäude und bauen diese weiter aus, indem wir auch die Parkplätze unserer Mitarbeiter mit Kollektoren überdachen. Aber wir dürfen keine Versprechen abgeben, die für unsere Marke keinen Sinn machen. Entscheidend ist: Das Resultat muss mit den Markenwerten im Einklang sein. Wie wir das erreichen, ist eine Aufgabe, die unsere Ingenieure zu meistern haben. Wir entscheiden dann gemeinsam, ob sich z. B. ein Start-und-Stop-System mit der Marke verträgt. Wittmann: Welche Ausstattungs- und Farbtrends sind demnächst zu erwarten? Winkelmann: Wie sich jetzt herauskristallisiert hat, sind die „Nicht-Farben“ sehr stark vorhanden, grau, weiß und schwarz. Das sind die Farben, die wir am meisten verkaufen. Natürlich bleiben orange, grün und gelb – in Zusammenhang mit schwarz – die Farben, die Lamborghini darstellen. Das werden weiterhin die Evergreens bleiben, aber in einem wechselnden Prozentsatz. Wir haben den Superleggera in grün vorgestellt und das ist dann sofort der Meistgefragte. Zumindest am Anfang, dann pendelt sich das wieder ein. Trends gibt es immer wieder. Wie gesagt, die „Nicht-Farben“, die wir mit ins Leben gerufen haben, z. B. das Weiß vor ein paar Jahren oder die Matt-Farben. Wir suchen eben auch immer wieder neue Schattierungen. Es wird ein neues Orange geben. Weil es auf der einen Seite Tradition ist, und auf der anderen Seite braucht es eine Farbe, die sehr einprägsam ist, also einen gewissen Wiedererkennungswert hat.

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Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A.

Wittmann: Können wir von Lamborghini eine dritte Baureihe erwarten? Winkelmann: Wir haben vor zwei Jahren auf dem Pariser Automobilsalon den Estoque präsentiert. Die Reaktionen auf dieses Auto waren sehr gut – bei der Presse, bei den Kunden und auch bei denjenigen, die sich noch nie für einen Lamborghini interessiert haben. Wir haben auch heute noch Anfragen für dieses Auto.

Stephan Winkelmann wurde am 18. Oktober 1964 in Berlin geboren und wuchs in Rom auf. Nach dem Abschluss seines Studiums der Politikwissenschaften in Rom und München begann Winkelmann seine berufliche Laufbahn bei einem deutschen Finanzdienstleister und wechselte anschließend zu Mercedes Benz.

Wittmann: Wäre die dritte Baureihe dann eher eine viertürige Limousine? Winkelmann: Da haben wir verschiedene Ideen. Natürlich ist einer der Ansätze, den wir gewählt haben, ein sehr handfester, nämlich der vom Estoque. Darüber denken wir nach, aber es gibt auch andere Segmente, in denen wir uns einen Lamborghini vorstellen können.

Ab 1996 war Winkelmann bei der Fiat Auto S.p.A. in Turin im Marketing- und Vertriebsmanagement für Alfa Romeo tätig als Verantwortlicher für die Einführung des Modells Alfa 156. Anschließend wechselte er in die Position des Area Managers für einige europäische Märkte.

Wittmann: Stichwort Image, Positionierung, Internationalisierung. Was bringt Lamborghini in die Volkswagen-Gruppe ein? Winkelmann: Ich glaube, dass die Volkswagen-Gruppe durch ihre Vielfalt der Marken besticht und dass wir in diesem Verbund eine feste Positionierung haben. Wir sind eine italienische Supersportwagen-Marke, die einen globalen Auftritt hat. Das passt sehr gut zum Portfolio der Volkswagen-Gruppe mit einem Spektrum von einem Seat bis zu einem Bent­ ley. Es sind alle Limousinen vertreten, die Sie sich vorstellen können und – natürlich mit Lamborghini und Bugatti – alle extremen Sportwagen, die das Herz begehrt. Da ist für jeden etwas zu holen.

1994 trat Winkelmann seine Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter für die Marke Alfa Romeo innerhalb der Fiat Automobil AG an. Anschließend wurde er Fiat Marketingleiter für die Region Süd.

Nach seiner Funktion als Vertriebsvorstand bei Fiat Auto Austria wurde Winkelmann zum Vorstandsvorsitzenden bei Fiat Auto Austria und danach ebenso von Fiat Auto Svizzera. 2004 trat er sein Amt als Vorstandsvorsitzender der Fiat Automobil AG, Deutschland an. Seit dem 1. Januar 2005 ist Stephan Winkelmann Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender der Automobili Lamborghini S.p.A. in Sant’Agata Bolognese (Italien).

Wittmann: Wie baut man einen sogenannten SuperBrand wie Lamborghini auf? Winkelmann: Tradition und Geschichte ist das Wichtigste, um überhaupt eine Luxusmarke zu Lamborghini

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haben. Man kann ja nicht einfach auf den Boden stampfen und sagen: Hier sind wir, und das ist es! Wir setzen auf Konsistenz. Wenn man Markenwerte hat, dann müssen diese gelebt werden. Lamborghini hat es geschafft, dass die Produkte zu den Markenwerten passen. Wir haben es uns ausgesucht, extreme Supersportwagen zu bauen. Die Autos sind breiter, tiefer, schärfer designt, haben die stärksten Motoren, sind also wie auch die Markenwerte extrem, kompromisslos und italienisch. Das ist ein sehr gutes Spiegelbild der Marke, aber trotzdem muss diese immer der höchste Wert bleiben und man muss weiterhin in die Marke investieren. Hier ist das Wichtigste, dass die Botschaft, die man rüberbringt, immer konstant bleibt, dass man sich nicht verzettelt, dass man immer wieder das Gleiche sagt und auch immer wieder den gleichen Eindruck bei den Leuten erweckt. Also nicht, dass der erste Eindruck ein guter ist und wenn man sich das genauer anschaut, nichts dahinter ist.

Der neue Supersportwagen von Lamborghini heißt Aventador LP 700-4, er soll noch in diesem Sommer im Handel sein. Das weitgehend aus Karbon gefertigte Auto ist 700 PS stark und 350 km/h schnell. Autosalon Genf  s.

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Einblick in die Produktionsstätte von Lamborghini in Sant’Agata Bolognese s.  Seite 13

Wo Männerträume wahr werden Lamborghini-Designstudien im Audi museum mobile Ingolstadt. Zehn „Wunschwirklichkeitsmaschinen“ sind bis 31.07.2011 in einer neuen Sonderausstellung zu sehen. Darunter der lange als verschollen gegoltene Lamborghini 400GT Monza. www.audi.de

36 Lamborghini

Wittmann: Wie positioniert sich Lamborghini im Vergleich mit dem Wettbewerber Ferrari und dessen Aktivitäten in der Formel 1 und deren neuen Brandland in Abu Dhabi? Winkelmann: Wie positionieren uns nicht dagegen, weil jede Marke ihre eigene Tradition hat. Ferruccio Lamborghini hat gesagt: „Ich baue die besten und schönsten Supersportwagen, ich brauche es nicht auf der Rennstrecke zu beweisen.“ Hinter dieser Aussage stehen wir teilweise heute noch. Wir haben ein Sportwagen-Engagement, das auf uns zugeschnitten ist. Wir wollen einen sehr familiären Zugang zum Motorsport haben. Wir haben einen Markenpokal. Aber auch bei GT3 und GT1 sind wir involviert, und das passt gut zum Image, denn genau diese GT-Fahrzeuge, spiegeln die Ästhetik der Serie wider. Das ist eines der wichtigsten unter den Dingen, die wir uns vorgenommen haben und deswegen glaube ich, dass jede Firma, jede Marke, ihren eigenen Weg finden muss. Wie gesagt, wir sind eine Nische in der Nische, wir wollen jetzt nicht auf Expansionskurs gehen. Einen Bekanntheitsgrad und ein Image baut man nicht allein durch Meilensteine in der Landschaft auf, sondern durch Dinge wie Mythos, der durch mühsamste Kleinstarbeit aufgebaut wird, und ich glaube, dass hier das Herz der Marke ist. Der Standort ist eines der Dinge, die nicht nur erhalten, sondern auch

gelebt werden müssen. Als familiärer Ansatz und auch als ein sehr zugängliches Unternehmen zumindest für die Kundschaft und die Leute, die an der Marke interessiert sind. Der familiäre und offene Zugang macht also einen Riesenunterschied aus, gegenüber allen anderen Herstellern in dieser Größenordnung. Wittmann: Welche Rennsportaktivitäten betreibt Lamborghini heute und welche Events kommen demnächst dazu? Winkelmann: Wir haben erst mit Motorsport begonnen. Wir werden in den nächsten Jahren sehen, ob sich das so auch verfestigt und in der Motorsportwelt etabliert, denn auch dort gibt es einen ständigen Wechsel, auch in den Meisterschaften und Kategorien. Dass wir ein Engagement im Motorsport haben, wollen wir nicht mehr zurückweisen. Wir glauben, dass es für unsere Marke wichtig ist, aber es muss der Größenordnung der Firma angepasst sein. Wir werden sicher keine Purzelbäume schlagen, nur um unser Engagement zu erhöhen, auf Kosten unseres Hauptberufs: Das Entwickeln, Produzieren und Verkaufen von Autos. Wittmann: Wie sieht die Zielgruppe von Gallardo und Murcièlago-Nachfolger aus? Winkelmann: Diese ist weltweit ziemlich gleich: männlich und Unternehmer. Dabei gibt es aber unterschiedliche Kundengruppen, je nach Herkunftsland. Ein bisschen salopp gesagt: Die Jüngsten sind die Asiaten, die Mittleren sind die Amerikaner, dann kommen die Europäer. Es ist auch jeweils von der Struktur und der Organisation des Sozialstaats abhängig und wie einfach es einem gemacht wird, Unternehmer zu werden. Wittmann: Wie gehen Lamborghini-Fahrer mit Sozialneid um? Winkelmann: Den hat man in Asien oder Amerika sehr viel weniger als in Europa. Auch in Italien haben wir das Thema sehr wenig. Die Asiaten sind auch durch die Religion sehr stolz auf das, was sie erreicht haben. Dort gibt es nicht die Neid-Kultur, sondern das „Thumbs up“ für diejenigen, die einen Lamborghini fahren. Das ist auch in den Vereinigten Staaten ähnlich, jedenfalls war das vor kurzem noch so, und ich glaube nicht, dass sich das in den letzten zwei Jahren geändert hat. Es ist eine Frage der Mentalität der Amerikaner oder auch eine Kulturfrage und eine Religionsfrage, wie im asiatischen Raum.

raumbrand 1.11


Wittmann: Wie ist es in Deutschland? Winkelmann: Ich habe in den letzten Jahrzehnten sehr wenig in Deutschland gewohnt, aber ich kann heute nur sagen: Wenn ich mit einem Lamborghini in Deutschland unterwegs bin, habe ich bis heute kein negatives Erlebnis gehabt. Ich persönlich habe immer ein sehr positives Feedback von den Mitmenschen bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekommen, etwa an der Tankstelle oder auf der Autobahn. Wittmann: Wie stark hat die Weltwirtschaftskrise Ihrem speziellen HochpreisSegment zugesetzt? Winkelmann: Wir haben ja schon nach September 2008 gesagt, dass die Luxusbranche gegen diese Krise nicht immun sein wird. Das hat sich auch bewahrheitet. Das Segment ist im Jahr 2009 zusammengebrochen. Wir sind jetzt in diesem Jahr noch weit entfernt von den Höhen vom Jahr 2007. Das Segment wird wahrscheinlich nicht vor 2012/2013 auf diese Höhen zurückkommen, und wahrscheinlich auch dann nur durch neue Märkte, die 2007

raumbrand 1.11

noch gar nicht auf diesem Niveau waren, wie der chinesische Markt. Wittmann: Wie groß waren die einzelnen Stückzahlen, und was erwarten Sie auch mit dem neuen Modell in den nächsten Jahren? Winkelmann: China ist schon unser zweitwichtigster Markt, zum einen, weil die anderen Märkte stärker gesunken sind, als ursprünglich erwartet, und zum anderen, weil der chinesische Markt sehr stark gewachsen ist, auch stärker als erwartet. In 2010 haben wir die Verkäufe mehr als verdoppelt, und das ist für uns schon eine gewaltige Zahl, weil der chinesische Markt in diesen letzten Monaten explodiert ist. Wir gehen davon aus, dass das neue Modell ein großer Erfolg werden wird, auch und speziell in China.

teilzunehmen. Ansonsten geht es ja auch immer mehr darum, unseren Kunden eine Möglichkeit zu geben, diese Autos zu benutzen. Das war bis jetzt immer ein großer Erfolg. Wittmann: Was wünschen Sie sich persönlich von der automobilen Zukunft? Winkelmann: Ich wünsche mir, dass Lamborghini ein langes Leben hat, dass Lamborghini in der Zukunft verstanden wird. Dass wir die richtigen Entscheidungen treffen, und dass es auch in den nächsten Jahren noch genügend Platz für Supersportwagen gibt. Wittmann: Vielen Dank für das Gespräch! Udo Wittmann, Spezialist für Kommunikation im Raum und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Wittmann: Welche Aktivitäten rund um die Marke finden bei Lamborghini statt? Winkelmann: Natürlich bieten wir Fahrertrainings an. Wir haben die Lamborghini Academy, und bieten die Möglichkeit für jeden, der einen Lamborghini besitzt, an diesen Trainings Lamborghini

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prêt à rouler – von Günter Maria Bregulla

die neue Eleganz in Genf Dialog der Automobilhersteller mit dem begehrten Zielobjekt, dem Käufer, wurde in diesem Jahr mehr denn je auf der emotionalen Ebene geführt. Die Aussage von Hollywoodstar Uma Thurmann im Giulietta-Spot von Alpha Romeo „Ohne Herz wären wir nur Maschinen“ ist Programm in Genf: Weibliche Eleganz unterstrich an den Ständen der Aussteller die emotionale Botschaft. Verführerische Sommerkleider, raffiniert geschnittene Hosenanzüge und wallende Abendroben – gepaart mit einem gekonnten Augenaufschlag und einem betörenden Lächeln – dominierten das Erscheinungsbild der Hostessen in Genf. Die Symbiose von weiblichem Chic und glänzenden Visionen automobiler Träume begeisterte über 735.000 Besucher. Rund 260 Aussteller traten in diesem Jahr auf 80.000 Quadratmetern Nettoausstellungsfläche in den sieben Hallen zum Schaulaufen an. Sie kamen aus 31 Ländern und vertraten mehr als 700 Marken.

Foto: © Chardonnes; © Lamborghini

Neue Modelle erobern die Welt: In aufregendem Design und mit betörender Eleganz verführen sie den Kunden mit einem Appell an seine Sinne und versprechen eine Verkörperung seines individuellen Stils. Einen „Hauch von Abenteuer“ machte zum Beispiel der SPIEGEL auf dem 81. Automobil-Salon in Genf aus: „Crossover, also die Mischung diverser Autotypen, bleibt ein Lieblingstrend der Autostrategen.“ Durch die Kreuzung verschiedener Pkw-Gattungen entstehen immer neue Nischen, etwa im Segment der kompakten SUVs. Ein Beispiel hierfür ist der Range Rover Evoque, eine der herausragendsten Fahrzeugkreationen des Jahres, der in Genf als „Best Production Car“ bei den Car Design of the Year Awards ausgezeichnet wurde. Über 40 Neuheiten strahlten auf dem Catwalk der Automobilindustrie den neuen Optimismus einer Branche aus, die sich wie Phönix zu neuen Höhen aufschwang. Geballte Technologie in aufregender Formensprache – der

38 Autosalon Genf

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Autosalon Genf

39

von Günter Maria Bregulla

prêt à rouler –

die neue Eleganz in Genf Dialog der Automobilhersteller mit dem begehrten Zielobjekt, dem Käufer, wurde in diesem Jahr mehr denn je auf der emotionalen Ebene geführt. Die Aussage von Hollywoodstar Uma Thurmann im Giulietta-Spot von Alpha Romeo „Ohne Herz wären wir nur Maschinen“ ist Programm in Genf: Weibliche Eleganz unterstrich an den Ständen der Aussteller die emotionale Botschaft. Verführerische Sommerkleider, raffiniert geschnittene Hosenanzüge und wallende Abendroben – gepaart mit einem gekonnten Augenaufschlag und einem betörenden Lächeln – dominierten das Erscheinungsbild der Hostessen in Genf. Die Symbiose von weiblichem Chic und glänzenden Visionen automobiler Träume begeisterte über 735.000 Besucher. Rund 260 Aussteller traten in diesem Jahr auf 80.000 Quadratmetern Nettoausstellungsfläche in den sieben Hallen zum Schaulaufen an. Sie kamen aus 31 Ländern und vertraten mehr als 700 Marken.

Foto: © Chardonnes; © Lamborghini

Neue Modelle erobern die Welt: In aufregendem Design und mit betörender Eleganz verführen sie den Kunden mit einem Appell an seine Sinne und versprechen eine Verkörperung seines individuellen Stils. Einen „Hauch von Abenteuer“ machte zum Beispiel der SPIEGEL auf dem 81. Automobil-Salon in Genf aus: „Crossover, also die Mischung diverser Autotypen, bleibt ein Lieblingstrend der Autostrategen.“ Durch die Kreuzung verschiedener Pkw-Gattungen entstehen immer neue Nischen, etwa im Segment der kompakten SUVs. Ein Beispiel hierfür ist der Range Rover Evoque, eine der herausragendsten Fahrzeugkreationen des Jahres, der in Genf als „Best Production Car“ bei den Car Design of the Year Awards ausgezeichnet wurde. Über 40 Neuheiten strahlten auf dem Catwalk der Automobilindustrie den neuen Optimismus einer Branche aus, die sich wie Phönix zu neuen Höhen aufschwang. Geballte Technologie in aufregender Formensprache – der

38 Autosalon Genf

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Autosalon Genf

39

von Günter Maria Bregulla

Prêt-à-rouler –

die neue Eleganz in Genf Neue Modelle erobern die Welt: In aufregendem Design und mit betörender Eleganz verführen sie den Kunden mit einem Appell an seine Sinne und versprechen eine Verkörperung seines individuellen Stils. Einen „Hauch von Abenteuer“ machte zum Beispiel der SPIEGEL auf dem 81. Automobil-Salon in Genf aus: „Crossover, also die Mischung diverser Autotypen, bleibt ein Lieblingstrend der Autostrategen.“ Durch die Kreuzung verschiedener Pkw-Gattungen entstehen immer neue Nischen, etwa im Segment der kompakten SUVs. Ein Beispiel hierfür ist der Range Rover Evoque, eine der herausragendsten Fahrzeugkreationen des Jahres, der in Genf als „Best Production Car“ bei den Car Design of the Year Awards ausgezeichnet wurde. Über 40 Neuheiten strahlten auf dem Catwalk der Automobilindustrie den neuen Optimismus einer Branche aus, die sich wie Phönix zu neuen Höhen aufschwang. Geballte Technologie in aufregender Formensprache – der

38 Autosalon Genf

Dialog der Automobilhersteller mit dem begehrten Zielobjekt, dem Käufer, wurde in diesem Jahr mehr denn je auf der emotionalen Ebene geführt. Die Aussage von Hollywoodstar Uma Thurmann im Giulietta-Spot von Alpha Romeo „Ohne Herz wären wir nur Maschinen“ ist Programm in Genf: Weibliche Eleganz unterstrich an den Ständen der Aussteller die emotionale Botschaft. Verführerische Sommerkleider, raffiniert geschnittene Hosenanzüge und wallende Abendroben – gepaart mit einem gekonnten Augenaufschlag und einem betörenden Lächeln – dominierten das Erscheinungsbild der Hostessen in Genf. Die Symbiose von weiblichem Chic und glänzenden Visionen automobiler Träume begeisterte über 735.000 Besucher. Rund 260 Aussteller traten in diesem Jahr auf 80.000 Quadratmetern Nettoausstellungsfläche in den sieben Hallen zum Schaulaufen an. Sie kamen aus 31 Ländern und vertraten mehr als 700 Marken.

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Autosalon Genf

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Foto: Š Chardonnes; Š Lamborghini


Keiner

schlägt

Raab! „Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“


Keiner

Keiner „Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“

Raab!

Fotos: © imago; © Willi Weber / ProSieben

Stefan Raab ist ein Phänomen. Kult und mit 12 Jahren Laufzeit aus der Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken ist TV total, Montag bis Donnerstag, 23.10 Uhr auf Pro7. Im vergangenen Jahr wurde die Sendung als „Beste Late Night Show“ mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Raabs eigene Songs wie „Maschendrahtzaun“, „Wadde hadde dudde da“ und „Hier kommt die Maus!“ sowie Titel der von ihm produzierten Künstler räumen mit schöner Absehbarkeit Gold- und Platinschallplatten ab. Neben glänzenden Quotenerfolgen sind Echo, Bambi, Grimme Spezial und die Goldene Kamera nur einige der kapitalen Trophäen, die Raab im Laufe seiner Bilderbuchkarriere gesammelt hat. Raab ist ein Phänomen, eine lebende TV-Legende. Talent und eine große Klappe haben viele, ein Durchsetzungs- und Standvermögen wie Raab hingegen sucht seinesgleichen. Mit einer raffinierten Mischung aus brillanter Cleverness und grobschlächtigem Proletencharme kommt er beim breiten Publikum gut an. Doch Raab hat noch mehr drauf: Er ist nicht nur Unterhalter, sondern vor allem ein gewiefter Unternehmer, ein Mann, der weiß, was er will, und der sich damit im Showbiz-Dschungel durchgesetzt hat. Als Produzent hat Raab Künstler wie Max Mutzke und aktuell Lena Meyer-Landruth aufgebaut, Jürgen Drews durch eine Coverversion von „Ein Bett im Kornfeld“ zum unverhofften Comeback verholfen und Formate wie Schlag den Raab, die WOK-WM, die Stock Car Crash Challenge und, last but not least, seine Casting-Shows zu QuotenKnallern hochgeschossen. Seine größte Leistung hat er jedoch an sich selbst vollzogen: Raab hat sich als Marke etabliert. Sein Gesicht – pardon, er selbst würde eher „meine Fresse“ sagen, – kennt hierzulande jeder. Über den Mann hinter der Raab-Maske, den Menschen privat ist nur wenig bekannt. Künstliche Verknappung? Wohl eher im Medienzirkus Lebensqualität erhaltende Notwendigkeit. Nahezu täglich vollzieht Stefan Konrad Raab die Mutation des Kölner Bürgers in den Medienstar und -held. Letzteres eine Rolle, die er mit Bravour spielt. Hinter die Kulissen schauen lässt er sich jedoch äußerst ungern und mimt schon mal die Primadonna oder besser: Uli Hoeneß in Rage, wie die Süddeutsche Zeitung unlängst schrieb. Die Kunst- und Kultfigur Raab existiert hinter den Bildschirmen der Fernsehzuschauer. Der Mensch Raab lebt mit Lebensgefährtin und zwei Töchtern abgeschottet von der Öffentlichkeit in Köln. Was passiert, wenn in seinem Privatleben herumgeschnüffelt wird, hat im vergangenen Jahr Focus erfahren. Das Magazin hatte am 25. Oktober einen Artikel mit dem Titel „Will der nur spielen?“ veröffentlicht – und dazu im engen Kreis um Raab recherchiert. Raab, der in TV total nicht gerade zimperlich mit der Dar- oder besser Zurschaustellung Dritter umgeht, war

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Fotos: © imago; © Willi Weber / ProSieben

„Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“

Stefan Raab ist die Kultfigur der Spaßgesellschaft. Längst legendär: seine Karriere vom Metzgersohn zum Moderator, Musiker, Entertainer und TV-Produzent. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt er 2010 den Deutschen Fernsehpreis für „Besondere Leistung Unterhaltung“. Spätestens seit Raabs Eurovisions-Joker Lena kennt jede Oma den Quotenknacker.

Stefan Raab ist ein Phänomen. Kult und mit 12 Jahren Laufzeit aus der Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken ist TV total, Montag bis Donnerstag, 23.10 Uhr auf Pro7. Im vergangenen Jahr wurde die Sendung als „Beste Late Night Show“ mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Raabs eigene Songs wie „Maschendrahtzaun“, „Wadde hadde dudde da“ und „Hier kommt die Maus!“ sowie Titel der von ihm produzierten Künstler räumen mit schöner Absehbarkeit Gold- und Platinschallplatten ab. Neben glänzenden Quotenerfolgen sind Echo, Bambi, Grimme Spezial und die Goldene Kamera nur einige der kapitalen Trophäen, die Raab im Laufe seiner Bilderbuchkarriere gesammelt hat. Raab ist ein Phänomen, eine lebende TV-Legende. Talent und eine große Klappe haben viele, ein Durchsetzungs- und Standvermögen wie Raab hingegen sucht seinesgleichen. Mit einer raffinierten Mischung aus brillanter Cleverness und grobschlächtigem Proletencharme kommt er beim breiten Publikum gut an. Doch Raab hat noch mehr drauf: Er ist nicht nur Unterhalter, sondern vor allem ein gewiefter Unternehmer, ein Mann, der weiß, was er will, und der sich damit im Showbiz-Dschungel durchgesetzt hat. Als Produzent hat Raab Künstler wie Max Mutzke und aktuell Lena Meyer-Landruth aufgebaut, Jürgen Drews durch eine Coverversion von „Ein Bett im Kornfeld“ zum unverhofften Comeback verholfen und Formate wie Schlag den Raab, die WOK-WM, die Stock Car Crash Challenge und, last but not least, seine Casting-Shows zu QuotenKnallern hochgeschossen. Seine größte Leistung hat er jedoch an sich selbst vollzogen: Raab hat sich als Marke etabliert. Sein Gesicht – pardon, er selbst würde eher „meine Fresse“ sagen, – kennt hierzulande jeder. Über den Mann hinter der Raab-Maske, den Menschen privat ist nur wenig bekannt. Künstliche Verknappung? Wohl eher im Medienzirkus Lebensqualität erhaltende Notwendigkeit. Nahezu täglich vollzieht Stefan Konrad Raab die Mutation des Kölner Bürgers in den Medienstar und -held. Letzteres eine Rolle, die er mit Bravour spielt. Hinter die Kulissen schauen lässt er sich jedoch äußerst ungern und mimt schon mal die Primadonna oder besser: Uli Hoeneß in Rage, wie die Süddeutsche Zeitung unlängst schrieb. Die Kunst- und Kultfigur Raab existiert hinter den Bildschirmen der Fernsehzuschauer. Der Mensch Raab lebt mit Lebensgefährtin und zwei Töchtern abgeschottet von der Öffentlichkeit in Köln. Was passiert, wenn in seinem Privatleben herumgeschnüffelt wird, hat im vergangenen Jahr Focus erfahren. Das Magazin hatte am 25. Oktober einen Artikel mit dem Titel „Will der nur spielen?“ veröffentlicht – und dazu im engen Kreis um Raab recherchiert. Raab, der in TV total nicht gerade zimperlich mit der Dar- oder besser Zurschaustellung Dritter umgeht, war

Fotos: © imago; © Willi Weber / ProSieben

Stefan Raab ist ein Phänomen. Kult und mit 12 Jahren Laufzeit aus der Fernsehlandschaft nicht mehr wegzudenken ist TV total, Montag bis Donnerstag, 23.10 Uhr auf Pro7. Im vergangenen Jahr wurde die Sendung als „Beste Late Night Show“ mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Raabs eigene Songs wie „Maschendrahtzaun“, „Wadde hadde dudde da“ und „Hier kommt die Maus!“ sowie Titel der von ihm produzierten Künstler räumen mit schöner Absehbarkeit Gold- und Platinschallplatten ab. Neben glänzenden Quotenerfolgen sind Echo, Bambi, Grimme Spezial und die Goldene Kamera nur einige der kapitalen Trophäen, die Raab im Laufe seiner Bilderbuchkarriere gesammelt hat. Raab ist ein Phänomen, eine lebende TV-Legende. Talent und eine große Klappe haben viele, ein Durchsetzungs- und Standvermögen wie Raab hingegen sucht seinesgleichen. Mit einer raffinierten Mischung aus brillanter Cleverness und grobschlächtigem Proletencharme kommt er beim breiten Publikum gut an. Doch Raab hat noch mehr drauf: Er ist nicht nur Unterhalter, sondern vor allem ein gewiefter Unternehmer, ein Mann, der weiß, was er will, und der sich damit im Showbiz-Dschungel durchgesetzt hat. Als Produzent hat Raab Künstler wie Max Mutzke und aktuell Lena Meyer-Landruth aufgebaut, Jürgen Drews durch eine Coverversion von „Ein Bett im Kornfeld“ zum unverhofften Comeback verholfen und Formate wie Schlag den Raab, die WOK-WM, die Stock Car Crash Challenge und, last but not least, seine Casting-Shows zu QuotenKnallern hochgeschossen. Seine größte Leistung hat er jedoch an sich selbst vollzogen: Raab hat sich als Marke etabliert. Sein Gesicht – pardon, er selbst würde eher „meine Fresse“ sagen, – kennt hierzulande jeder. Über den Mann hinter der Raab-Maske, den Menschen privat ist nur wenig bekannt. Künstliche Verknappung? Wohl eher im Medienzirkus Lebensqualität erhaltende Notwendigkeit. Nahezu täglich vollzieht Stefan Konrad Raab die Mutation des Kölner Bürgers in den Medienstar und -held. Letzteres eine Rolle, die er mit Bravour spielt. Hinter die Kulissen schauen lässt er sich jedoch äußerst ungern und mimt schon mal die Primadonna oder besser: Uli Hoeneß in Rage, wie die Süddeutsche Zeitung unlängst schrieb. Die Kunst- und Kultfigur Raab existiert hinter den Bildschirmen der Fernsehzuschauer. Der Mensch Raab lebt mit Lebensgefährtin und zwei Töchtern abgeschottet von der Öffentlichkeit in Köln. Was passiert, wenn in seinem Privatleben herumgeschnüffelt wird, hat im vergangenen Jahr Focus erfahren. Das Magazin hatte am 25. Oktober einen Artikel mit dem Titel „Will der nur spielen?“ veröffentlicht – und dazu im engen Kreis um Raab recherchiert. Raab, der in TV total nicht gerade zimperlich mit der Dar- oder besser Zurschaustellung Dritter umgeht, war

Stefan Raab

Stefan Raab „zotet sich,“ so SPIEGEL ONLINE, „seit zehn Jahren durch seine Late-Night-Show, feiert Traumquoten mit absurden TV-Events und krönt nebenbei Popsternchen“. Aus dem geschmähten Flegel-Moderator ist vielleicht der Strippenzieher der Unterhaltungsbranche geworden – dank eines Erfolgsgeheimnisses: „Raabs Kunst ist, dass er sich immer wieder neu erfindet.“

Headline

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Einfach gewinnen. Immer und immer wieder – das Erfolgsrezept von Stefan Raab? „Wettbewerb mag ich immer“, sagte er einmal im SPIEGEL-ONLINEInterview. Und die Zuschauer wollen sehen, ob er es schafft.

Stefan Raab

Stunden Fernsehen pro Jahr, Hauptauftraggeber ist Pro7. Weitere Stars im Portfolio von Brainpool: Anke Engelke, Bastian Pastewka, Christian Ulmen … Und wer ist wirklich der Boss? „Der Konzernlenker ist eher Jörg Grabosch. Ich bekleide bewusst nicht die Position eines Geschäftsführers. Ich bin lieber kreativ“, so Raab. Die Brainpool-Gründer können übrigens mit Recht stolz sein auf ihre prominente Manpower: Als das Unternehmen vor einigen Jahren zum amerikanischen Medienriesen Viacom übergegangen war, setzte die Geschäftsführung ein Management-Buyout durch. Viacom hätte das Schiff Brainpool halten können, nicht aber dessen Besatzung. Und so gelang es der kleinen Kölner Produktionsfirma dank Druck von Raab, Engelke & Co., sich gegen einen internationalen Konzern durchzusetzen. Der Legende nach begann Stefan Raabs Karriere durch ein Missverständnis. 1993 soll er zufällig beim Musiksender Viva in ein Casting geraten sein – unterwegs war er angeblich mit dem Lieferwagen der elterlichen Metzgerei. Über Raab TV und Brainpool jetzt zum ESC im Öffentlich-Rechtlichen. Wohin wird der Weg weiter führen? Intendant der ARD? Oder wieder Stefan Konrad? Raab wird es schon wissen, eins ist ihm auf jeden Fall klar: „Ich kann doch nicht mit 80 noch den Raab machen.“ Ute Wild, M.A., geb. 1968, verantwortliche Redakteurin HotelMOSAIK. Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zu Lifestyle und Live-Kommunikation.

Stefan Raab „zotet sich,“ so SPIEGEL ONLINE, „seit zehn Jahren durch seine Late-Night-Show, feiert Traumquoten mit absurden TV-Events und krönt nebenbei Popsternchen“. Aus dem geschmähten Flegel-Moderator ist vielleicht der Strippenzieher der Unterhaltungsbranche geworden – dank eines Erfolgsgeheimnisses: „Raabs Kunst ist, dass er sich immer wieder neu erfindet.“

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von Ute Wild

„Wer sich immer treu ist, entwickelt sich nicht.“

Einfach gewinnen. Immer und immer wieder – das Erfolgsrezept von Stefan Raab? „Wettbewerb mag ich immer“, sagte er einmal im SPIEGEL-ONLINEInterview. Und die Zuschauer wollen sehen, ob er es schafft.

Stefan Raab

Einfach gewinnen. Immer und immer wieder – das Erfolgsrezept von Stefan Raab? „Wettbewerb mag ich immer“, sagte er einmal im SPIEGEL-ONLINEInterview. Und die Zuschauer wollen sehen, ob er es schafft.

Ute Wild, M.A., geb. 1968, verantwortliche Redakteurin HotelMOSAIK. Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zu Lifestyle und Live-Kommunikation.

„Wir brauchen Freiheit und die Möglichkeit, schnell zu entscheiden.“

42 Stefan Raab

„Wer sich immer treu ist, entwickelt sich nicht.“ Wir hatten es nicht anders erwartet. Raabs Forum sind seine eigenen Formate. Der Rest ist ihm schnuppe. Was etwa für bin Laden der CNN ist, ist für Raab die Bildzeitung. Anders als die Frontfrau der Frauenbewegung Alice Schwarzer, die in Bild über den Kachelmann-Prozess berichtete, ist für den Anchorman des TV-Entertainments das Blatt schlichtweg uninteressant „Je weniger Kooperation ich mit den Boulevardmedien zeige, desto besser läuft es“, konstatierte Raab 2008 in der Süddeutschen Zeitung, „Egal, was einer schreibt, egal, wie jemand das findet, was du machst. Es beeinflusst deinen Erfolg kein bisschen.“ Tatsächlich hat eine Fraktion der Presse Raab immer wieder Misserfolge im wahrsten Sinne des Wortes zugeschrieben. Schadenfreude ist für viele eben die schönste Freude. Wie mit seinen Niederlagen in Schlag den Raab geht der Entertainer auch mit Medienschelte souverän um. Nach großem Gemunkel über eine Stagnation bei TV total und den Mangel an neuen Konzepten punktete Raab in gewohnter Manier: Für den Eurovision Song Contest (ESC) 2010 bat der NDR den Pro7-Mann um Unterstützung. Raab, der zuvor jegliches Interesse an einer Zusammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen Sendern zurückgewiesen hatte, sagte zu. Kurios: Ein Jahr bevor der NDR bei Pro7, Raab und dessen Produktionsfirma Brainpool wegen des ESC anklopfte, hatte der Sender TV total auf 568 000 Euro Schadenersatz verklagt. Grund: Raab hatte unautorisiert 309 Ausschnitte aus NDR-Produktionen gezeigt. Doch in der Not

Stunden Fernsehen pro Jahr, Hauptauftraggeber ist Pro7. Weitere Stars im Portfolio von Brainpool: Anke Engelke, Bastian Pastewka, Christian Ulmen … Und wer ist wirklich der Boss? „Der Konzernlenker ist eher Jörg Grabosch. Ich bekleide bewusst nicht die Position eines Geschäftsführers. Ich bin lieber kreativ“, so Raab. Die Brainpool-Gründer können übrigens mit Recht stolz sein auf ihre prominente Manpower: Als das Unternehmen vor einigen Jahren zum amerikanischen Medienriesen Viacom übergegangen war, setzte die Geschäftsführung ein Management-Buyout durch. Viacom hätte das Schiff Brainpool halten können, nicht aber dessen Besatzung. Und so gelang es der kleinen Kölner Produktionsfirma dank Druck von Raab, Engelke & Co., sich gegen einen internationalen Konzern durchzusetzen. Der Legende nach begann Stefan Raabs Karriere durch ein Missverständnis. 1993 soll er zufällig beim Musiksender Viva in ein Casting geraten sein – unterwegs war er angeblich mit dem Lieferwagen der elterlichen Metzgerei. Über Raab TV und Brainpool jetzt zum ESC im Öffentlich-Rechtlichen. Wohin wird der Weg weiter führen? Intendant der ARD? Oder wieder Stefan Konrad? Raab wird es schon wissen, eins ist ihm auf jeden Fall klar: „Ich kann doch nicht mit 80 noch den Raab machen.“

„Wer sich immer treu ist, entwickelt sich nicht.“ Wir hatten es nicht anders erwartet. Raabs Forum sind seine eigenen Formate. Der Rest ist ihm schnuppe. Was etwa für bin Laden der CNN ist, ist für Raab die Bildzeitung. Anders als die Frontfrau der Frauenbewegung Alice Schwarzer, die in Bild über den Kachelmann-Prozess berichtete, ist für den Anchorman des TV-Entertainments das Blatt schlichtweg uninteressant „Je weniger Kooperation ich mit den Boulevardmedien zeige, desto besser läuft es“, konstatierte Raab 2008 in der Süddeutschen Zeitung, „Egal, was einer schreibt, egal, wie jemand das findet, was du machst. Es beeinflusst deinen Erfolg kein bisschen.“ Tatsächlich hat eine Fraktion der Presse Raab immer wieder Misserfolge im wahrsten Sinne des Wortes zugeschrieben. Schadenfreude ist für viele eben die schönste Freude. Wie mit seinen Niederlagen in Schlag den Raab geht der Entertainer auch mit Medienschelte souverän um. Nach großem Gemunkel über eine Stagnation bei TV total und den Mangel an neuen Konzepten punktete Raab in gewohnter Manier: Für den Eurovision Song Contest (ESC) 2010 bat der NDR den Pro7-Mann um Unterstützung. Raab, der zuvor jegliches Interesse an einer Zusammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen Sendern zurückgewiesen hatte, sagte zu. Kurios: Ein Jahr bevor der NDR bei Pro7, Raab und dessen Produktionsfirma Brainpool wegen des ESC anklopfte, hatte der Sender TV total auf 568 000 Euro Schadenersatz verklagt. Grund: Raab hatte unautorisiert 309 Ausschnitte aus NDR-Produktionen gezeigt. Doch in der Not

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frisst der Teufel Fliegen, und so wurde aus dem von Pro7 als Konkurrenzveranstaltung zum ESC gegründeten Bundesvision Song Contest der offizielle Vorentscheid des Eurovision Song Contest 2010. Die Geschichte könnte wie ein Märchen enden: Lena setzte sich im Vorentscheid durch, trällerte in Oslo „Satellite“, siegte – und ganz Deutschland feierte: Wir sind Papst, wir sind Lena, wir sind Fußballweltmeister … Äh??? Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und so setzte Raab noch einen drauf. 2011 gab es jetzt kein Casting zum ESC-Vorentscheid mehr, sondern das etwas spezielle Format Unser Song für Deutschland (USFD). Damit stand nur noch ein einziger Interpret zur Debatte, und der hieß Lena. Die von Raab zusammengestellte Jury bestimmte den Titel, den der süße Singvogel am 14. Mai in Düsseldorf darbieten wird. Allein, so begrenzte Demokratie langweilte dann doch selbst die abgestumpfte Fernsehnation: Die Vorentscheid-Folgen floppten quotenmäßig. Ein Misserfolg? Nein. Denn Produzent Raab erzielte für seinen Schützling maximale Medienpräsenz. Fast hätte es Ärger gegeben, als er während der öffentlich-rechtlich ausgestrahlten Sendungen für das neue Lena-Album „Good News“ warb. Gegen den Vorwurf, den ESC für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen, nahm ausgerechnet NDR-Intendant Lutz Marmor Stefan Raab in Schutz: „Sie müssen doch sehen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt, „dass Stefan Raab schon derjenige war, der diesen Erfolg möglich gemacht hat.“ Klar, für Raab setzt man gern mal seine Statuten außer Kraft. Auf die Frage schließlich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen sei, Lena erneut für Deutschland antreten zu lassen, sagte Programmdirektor Volker Herres: „Ich stehe immer noch zu dem Konzept, ich halte es nicht für gescheitert.“ Nach seinen Angaben musste die ARD zwölf Millionen Euro aufbringen, um die Ausrichtung des Gesangswettbewerbs zu finanzieren. Freut Euch: Am 14. Mai wird Lena nun in Düsseldorf mit „Taken By A Stranger“ antreten. Was, wenn die deutsche Hoffnung scheitert? Egal, Raab meint: „Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“ Für Raab, der den ESC auch moderiert, ist die Veranstaltung auf jeden Fall eine Win-Win-Situation. Raab & Lena auf dem Weg in den Eurovisions-Olymp – ein Verhandlungsmarathon? „Ich mache einen Vorschlag, und wenn der akzeptiert wird, wird gar nicht verhandelt“, so Raab im Gespräch mit SZ-Autor Hans Hoff im Februar. Der Meister des Trash, der mit Pointen wie „Deine Mutter klaut bei Kik“ punktet, dem wir Mario Barth und Cindy aus Marzahn verdanken, er ist eben auch ein Meister des Cash. Seine 1998 gegründete Firma Raab TV ist seit 2008 100-prozentige Tochter der Brainpool TV GmbH. Das von Jörg Grabosch, Martin Keß und Ralf Günther in Köln gegründete Unternehmen produziert rund 300

von Ute Wild

not amused und erwirkte eine 20 Punkte umfassende Gegendarstellung. Diese endet mit der Feststellung: „In der Bildunterzeile des Fotos auf S. 166, das ein Mettbrötchen zeigt, heißt es: <<Sein Brötchen – in der Kölschkneipe>>. Hierzu stelle ich fest, dass es sich nicht um mein Mettbrötchen handelt.“ (www.bildblog.de/25258/nicht-stefanraabs-mettbroetchen) In vorauseilendem Gehorsam versichert hier die Autorin dieser Zeilen, in guter, ja sogar in Guttenbergscher Manier, öffentlich zugängliche Quellen nach bestem Wissen und Gewissen erschlossen zu haben. Gedanken, Exkurse und Thesen zu und über Stefan Raab beziehen sich außerdem, so wird betont, ausschließlich auf die Kunstfigur, quasi den Total-Raab. Schade? Stefan Raab gibt so selektiv Interviews wie Osama bin Laden. Die Absagen erledigt seine PR-Agentur, vielleicht eine der Hauptaufgaben der Allendorf Riehl GmbH: „Vielen Dank für Ihre Anfrage an Stefan Raab. Wie Sie selber bereits anmerkten, gibt es nur seltene Interviews mit Stefan Raab, weswegen ich Ihnen auch leider absagen muss. Wir bitten um Verständnis und verbleiben mit freundlichen Grüßen, …“

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„Wir brauchen Freiheit und die Möglichkeit, schnell zu entscheiden.“

frisst der Teufel Fliegen, und so wurde aus dem von Pro7 als Konkurrenzveranstaltung zum ESC gegründeten Bundesvision Song Contest der offizielle Vorentscheid des Eurovision Song Contest 2010. Die Geschichte könnte wie ein Märchen enden: Lena setzte sich im Vorentscheid durch, trällerte in Oslo „Satellite“, siegte – und ganz Deutschland feierte: Wir sind Papst, wir sind Lena, wir sind Fußballweltmeister … Äh??? Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und so setzte Raab noch einen drauf. 2011 gab es jetzt kein Casting zum ESC-Vorentscheid mehr, sondern das etwas spezielle Format Unser Song für Deutschland (USFD). Damit stand nur noch ein einziger Interpret zur Debatte, und der hieß Lena. Die von Raab zusammengestellte Jury bestimmte den Titel, den der süße Singvogel am 14. Mai in Düsseldorf darbieten wird. Allein, so begrenzte Demokratie langweilte dann doch selbst die abgestumpfte Fernsehnation: Die Vorentscheid-Folgen floppten quotenmäßig. Ein Misserfolg? Nein. Denn Produzent Raab erzielte für seinen Schützling maximale Medienpräsenz. Fast hätte es Ärger gegeben, als er während der öffentlich-rechtlich ausgestrahlten Sendungen für das neue Lena-Album „Good News“ warb. Gegen den Vorwurf, den ESC für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen, nahm ausgerechnet NDR-Intendant Lutz Marmor Stefan Raab in Schutz: „Sie müssen doch sehen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt, „dass Stefan Raab schon derjenige war, der diesen Erfolg möglich gemacht hat.“ Klar, für Raab setzt man gern mal seine Statuten außer Kraft. Auf die Frage schließlich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen sei, Lena erneut für Deutschland antreten zu lassen, sagte Programmdirektor Volker Herres: „Ich stehe immer noch zu dem Konzept, ich halte es nicht für gescheitert.“ Nach seinen Angaben musste die ARD zwölf Millionen Euro aufbringen, um die Ausrichtung des Gesangswettbewerbs zu finanzieren. Freut Euch: Am 14. Mai wird Lena nun in Düsseldorf mit „Taken By A Stranger“ antreten. Was, wenn die deutsche Hoffnung scheitert? Egal, Raab meint: „Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“ Für Raab, der den ESC auch moderiert, ist die Veranstaltung auf jeden Fall eine Win-Win-Situation. Raab & Lena auf dem Weg in den Eurovisions-Olymp – ein Verhandlungsmarathon? „Ich mache einen Vorschlag, und wenn der akzeptiert wird, wird gar nicht verhandelt“, so Raab im Gespräch mit SZ-Autor Hans Hoff im Februar. Der Meister des Trash, der mit Pointen wie „Deine Mutter klaut bei Kik“ punktet, dem wir Mario Barth und Cindy aus Marzahn verdanken, er ist eben auch ein Meister des Cash. Seine 1998 gegründete Firma Raab TV ist seit 2008 100-prozentige Tochter der Brainpool TV GmbH. Das von Jörg Grabosch, Martin Keß und Ralf Günther in Köln gegründete Unternehmen produziert rund 300

42 Stefan Raab

von Ute Wild

not amused und erwirkte eine 20 Punkte umfassende Gegendarstellung. Diese endet mit der Feststellung: „In der Bildunterzeile des Fotos auf S. 166, das ein Mettbrötchen zeigt, heißt es: <<Sein Brötchen – in der Kölschkneipe>>. Hierzu stelle ich fest, dass es sich nicht um mein Mettbrötchen handelt.“ (www.bildblog.de/25258/nicht-stefanraabs-mettbroetchen) In vorauseilendem Gehorsam versichert hier die Autorin dieser Zeilen, in guter, ja sogar in Guttenbergscher Manier, öffentlich zugängliche Quellen nach bestem Wissen und Gewissen erschlossen zu haben. Gedanken, Exkurse und Thesen zu und über Stefan Raab beziehen sich außerdem, so wird betont, ausschließlich auf die Kunstfigur, quasi den Total-Raab. Schade? Stefan Raab gibt so selektiv Interviews wie Osama bin Laden. Die Absagen erledigt seine PR-Agentur, vielleicht eine der Hauptaufgaben der Allendorf Riehl GmbH: „Vielen Dank für Ihre Anfrage an Stefan Raab. Wie Sie selber bereits anmerkten, gibt es nur seltene Interviews mit Stefan Raab, weswegen ich Ihnen auch leider absagen muss. Wir bitten um Verständnis und verbleiben mit freundlichen Grüßen, …“

not amused und erwirkte eine 20 Punkte umfassende Gegendarstellung. Diese endet mit der Feststellung: „In der Bildunterzeile des Fotos auf S. 166, das ein Mettbrötchen zeigt, heißt es: <<Sein Brötchen – in der Kölschkneipe>>. Hierzu stelle ich fest, dass es sich nicht um mein Mettbrötchen handelt.“ (www.bildblog.de/25258/nicht-stefanraabs-mettbroetchen) In vorauseilendem Gehorsam versichert hier die Autorin dieser Zeilen, in guter, ja sogar in Guttenbergscher Manier, öffentlich zugängliche Quellen nach bestem Wissen und Gewissen erschlossen zu haben. Gedanken, Exkurse und Thesen zu und über Stefan Raab beziehen sich außerdem, so wird betont, ausschließlich auf die Kunstfigur, quasi den Total-Raab. Schade? Stefan Raab gibt so selektiv Interviews wie Osama bin Laden. Die Absagen erledigt seine PR-Agentur, vielleicht eine der Hauptaufgaben der Allendorf Riehl GmbH: „Vielen Dank für Ihre Anfrage an Stefan Raab. Wie Sie selber bereits anmerkten, gibt es nur seltene Interviews mit Stefan Raab, weswegen ich Ihnen auch leider absagen muss. Wir bitten um Verständnis und verbleiben mit freundlichen Grüßen, …“

Wir hatten es nicht anders erwartet. Raabs Forum sind seine eigenen Formate. Der Rest ist ihm schnuppe. Was etwa für bin Laden der CNN ist, ist für Raab die Bildzeitung. Anders als die Frontfrau der Frauenbewegung Alice Schwarzer, die in Bild über den Kachelmann-Prozess berichtete, ist für den Anchorman des TV-Entertainments das Blatt schlichtweg uninteressant „Je weniger Kooperation ich mit den Boulevardmedien zeige, desto besser läuft es“, konstatierte Raab 2008 in der Süddeutschen Zeitung, „Egal, was einer schreibt, egal, wie jemand das findet, was du machst. Es beeinflusst deinen Erfolg kein bisschen.“ Tatsächlich hat eine Fraktion der Presse Raab immer wieder Misserfolge im wahrsten Sinne des Wortes zugeschrieben. Schadenfreude ist für viele eben die schönste Freude. Wie mit seinen Niederlagen in Schlag den Raab geht der Entertainer auch mit Medienschelte souverän um. Nach großem Gemunkel über eine Stagnation bei TV total und den Mangel an neuen Konzepten punktete Raab in gewohnter Manier: Für den Eurovision Song Contest (ESC) 2010 bat der NDR den Pro7-Mann um Unterstützung. Raab, der zuvor jegliches Interesse an einer Zusammenarbeit mit öffentlich-rechtlichen Sendern zurückgewiesen hatte, sagte zu. Kurios: Ein Jahr bevor der NDR bei Pro7, Raab und dessen Produktionsfirma Brainpool wegen des ESC anklopfte, hatte der Sender TV total auf 568 000 Euro Schadenersatz verklagt. Grund: Raab hatte unautorisiert 309 Ausschnitte aus NDR-Produktionen gezeigt. Doch in der Not

Stefan Raab ist die Kultfigur der Spaßgesellschaft. Längst legendär: seine Karriere vom Metzgersohn zum Moderator, Musiker, Entertainer und TV-Produzent. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt er 2010 den Deutschen Fernsehpreis für „Besondere Leistung Unterhaltung“. Spätestens seit Raabs Eurovisions-Joker Lena kennt jede Oma den Quotenknacker.

schlägt

Raab!

Stefan Raab ist die Kultfigur der Spaßgesellschaft. Längst legendär: seine Karriere vom Metzgersohn zum Moderator, Musiker, Entertainer und TV-Produzent. Neben zahlreichen Auszeichnungen erhielt er 2010 den Deutschen Fernsehpreis für „Besondere Leistung Unterhaltung“. Spätestens seit Raabs Eurovisions-Joker Lena kennt jede Oma den Quotenknacker.

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„Wir brauchen Freiheit und die Möglichkeit, schnell zu entscheiden.“

frisst der Teufel Fliegen, und so wurde aus dem von Pro7 als Konkurrenzveranstaltung zum ESC gegründeten Bundesvision Song Contest der offizielle Vorentscheid des Eurovision Song Contest 2010. Die Geschichte könnte wie ein Märchen enden: Lena setzte sich im Vorentscheid durch, trällerte in Oslo „Satellite“, siegte – und ganz Deutschland feierte: Wir sind Papst, wir sind Lena, wir sind Fußballweltmeister … Äh??? Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, und so setzte Raab noch einen drauf. 2011 gab es jetzt kein Casting zum ESC-Vorentscheid mehr, sondern das etwas spezielle Format Unser Song für Deutschland (USFD). Damit stand nur noch ein einziger Interpret zur Debatte, und der hieß Lena. Die von Raab zusammengestellte Jury bestimmte den Titel, den der süße Singvogel am 14. Mai in Düsseldorf darbieten wird. Allein, so begrenzte Demokratie langweilte dann doch selbst die abgestumpfte Fernsehnation: Die Vorentscheid-Folgen floppten quotenmäßig. Ein Misserfolg? Nein. Denn Produzent Raab erzielte für seinen Schützling maximale Medienpräsenz. Fast hätte es Ärger gegeben, als er während der öffentlich-rechtlich ausgestrahlten Sendungen für das neue Lena-Album „Good News“ warb. Gegen den Vorwurf, den ESC für eigene wirtschaftliche Interessen auszunutzen, nahm ausgerechnet NDR-Intendant Lutz Marmor Stefan Raab in Schutz: „Sie müssen doch sehen“, sagte er dem Hamburger Abendblatt, „dass Stefan Raab schon derjenige war, der diesen Erfolg möglich gemacht hat.“ Klar, für Raab setzt man gern mal seine Statuten außer Kraft. Auf die Frage schließlich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen sei, Lena erneut für Deutschland antreten zu lassen, sagte Programmdirektor Volker Herres: „Ich stehe immer noch zu dem Konzept, ich halte es nicht für gescheitert.“ Nach seinen Angaben musste die ARD zwölf Millionen Euro aufbringen, um die Ausrichtung des Gesangswettbewerbs zu finanzieren. Freut Euch: Am 14. Mai wird Lena nun in Düsseldorf mit „Taken By A Stranger“ antreten. Was, wenn die deutsche Hoffnung scheitert? Egal, Raab meint: „Niederlagen sind morgen wieder vergessen. Nur Siege bleiben.“ Für Raab, der den ESC auch moderiert, ist die Veranstaltung auf jeden Fall eine Win-Win-Situation. Raab & Lena auf dem Weg in den Eurovisions-Olymp – ein Verhandlungsmarathon? „Ich mache einen Vorschlag, und wenn der akzeptiert wird, wird gar nicht verhandelt“, so Raab im Gespräch mit SZ-Autor Hans Hoff im Februar. Der Meister des Trash, der mit Pointen wie „Deine Mutter klaut bei Kik“ punktet, dem wir Mario Barth und Cindy aus Marzahn verdanken, er ist eben auch ein Meister des Cash. Seine 1998 gegründete Firma Raab TV ist seit 2008 100-prozentige Tochter der Brainpool TV GmbH. Das von Jörg Grabosch, Martin Keß und Ralf Günther in Köln gegründete Unternehmen produziert rund 300

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Stunden Fernsehen pro Jahr, Hauptauftraggeber ist Pro7. Weitere Stars im Portfolio von Brainpool: Anke Engelke, Bastian Pastewka, Christian Ulmen … Und wer ist wirklich der Boss? „Der Konzernlenker ist eher Jörg Grabosch. Ich bekleide bewusst nicht die Position eines Geschäftsführers. Ich bin lieber kreativ“, so Raab. Die Brainpool-Gründer können übrigens mit Recht stolz sein auf ihre prominente Manpower: Als das Unternehmen vor einigen Jahren zum amerikanischen Medienriesen Viacom übergegangen war, setzte die Geschäftsführung ein Management-Buyout durch. Viacom hätte das Schiff Brainpool halten können, nicht aber dessen Besatzung. Und so gelang es der kleinen Kölner Produktionsfirma dank Druck von Raab, Engelke & Co., sich gegen einen internationalen Konzern durchzusetzen. Der Legende nach begann Stefan Raabs Karriere durch ein Missverständnis. 1993 soll er zufällig beim Musiksender Viva in ein Casting geraten sein – unterwegs war er angeblich mit dem Lieferwagen der elterlichen Metzgerei. Über Raab TV und Brainpool jetzt zum ESC im Öffentlich-Rechtlichen. Wohin wird der Weg weiter führen? Intendant der ARD? Oder wieder Stefan Konrad? Raab wird es schon wissen, eins ist ihm auf jeden Fall klar: „Ich kann doch nicht mit 80 noch den Raab machen.“ Ute Wild, M.A., geb. 1968, verantwortliche Redakteurin HotelMOSAIK. Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zu Lifestyle und Live-Kommunikation.

Stefan Raab „zotet sich,“ so SPIEGEL ONLINE, „seit zehn Jahren durch seine Late-Night-Show, feiert Traumquoten mit absurden TV-Events und krönt nebenbei Popsternchen“. Aus dem geschmähten Flegel-Moderator ist vielleicht der Strippenzieher der Unterhaltungsbranche geworden – dank eines Erfolgsgeheimnisses: „Raabs Kunst ist, dass er sich immer wieder neu erfindet.“

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Headline


von Heidi Wahl

Klein, fein und immer noch mein Mit drei Leuten in einer 3-Zimmer-Wohnung fing alles an: Der umtriebige und vielseitige Roland Schwertner gründete 1990 die Firma NOMOS Glashütte. Zwei Monate nach dem Mauerfall. Inzwischen hat die sächsische Uhrenmanufaktur mehr als 90 Mitarbeiter, residiert im umgebauten Bahnhof und produziert mechanische Uhren im Premiumsegment. Eine Erfolgsgeschichte über Handarbeit und Hightech made in Germany.

Auf  Seite 10 können Sie den Uhrmachern von NOMOS Glashütte  über die Schulter blicken.

Carola Weiß trägt eine, Jürgen Winkler hat eine um und natürlich auch der Chef Uwe Ahrendt. In diesem Betrieb tragen alle eine NOMOS-Uhr am Handgelenk, selbst die Praktikantin. Viele Mitarbeiter besitzen sogar mehrere Modelle: „Es ist Tradition des Hauses, den Kollegen zu Weihnachten Uhren zu schenken“, berichtet Pressesprecherin Ute Fischer-Graf beim Rundgang durch die Uhrenmanufaktur und blickt auf ihre Ludwig Automatik. Die NOMOS mit den römischen Ziffern und der falschen Vier. Maschinen surren, es riecht nach Metall, Öl und Verpackungsmaterial. NOMOS Glashütte ist jedoch weder eine Fabrik noch ein herkömmlicher Handwerksbetrieb, sondern eine Manufaktur (lat. manus = Hand, factus = gemacht). NOMOS konstruiert seine Uhrwerke selbst und fertigt einen wesentlichen Teil seiner Kaliber mit modernster Technik im eigenen Haus. „Wir haben den Anteil an selbst hergestellten Teilen in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und so die Wertschöpfung je nach Kaliber auf bis zu 75 bis 95 Prozent erhöht.“

In der Uhr arbeiten Bis die verkaufsfertigen Zeitmesser im Vertrieb ankommen, dauert es Wochen. Die mechanischen Uhrwerke werden in einem aufwendigen Prozess hergestellt. Weiter hinten im Erdgeschoss ist die Fertigung. In einem Schaukasten sind die einzelnen Stufen bei der Entstehung von Dreiviertelplatinen und Werkplatten anzusehen, zwischen denen später die Uhrmacher die Laufwerke einsetzen. Feinmechaniker fertigen mit computergesteuerten CNC-Automaten exakteste Gestellteile, Räder und Triebe. Wenn alle 100 Einzelteile wie beim Uhrwerk Alpha fertig

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sind, geht es ans Zusammenschrauben der vormontierten Uhrwerke. Das passiert in der am Hang gelegenen Chronometrie. Ruhig und konzentriert arbeiten dort  die vor allem weiblichen Uhrmacher an hellen Arbeitsplätzen mit Blick ins Grüne. Die weißen Aufstützpolster für die Arme an den hohen Arbeitstischen sehen aus wie kleine Flügelchen. Alles muss hier passen, auf Hunderstelmillimeter kommt es an, sonst laufen später die Uhren nicht präzise. Ein Blick durch die Lupe zeigt den fingerfertigen Frauen den feinmechanischen Mikrokosmos, der sich später hinter dem mehrfach preisgekrönten klassisch-schlichten Design verbirgt. Mit Pinzetten, Mini-Schraubendrehern und Zangen bauen Uhrmacher in stundenlanger Handarbeit Dreiviertelplatine, Anker, Ankerrad, Spirale, Unruhkloben, Zahnrädchen und gebläute Schräubchen zusammen. Erst wenn die Unruh eingesetzt wird, das Herz des Uhrwerks, beginnt die Uhr zu ticken. Dass NOMOS-Uhren von gleichbleibender Qualität sind, dafür sorgt Chronometrie-Leiter Frank Wolf. Auf die Frage wie robust die Uhren sind, reagiert er recht unkoventionell: Er nimmt seine Tangente von Handgelenk und lässt sie fallen. Uups. Doch nur auf den Schuh. „Direkt auf den Fußboden wäre dann doch zu heftig“, findet der Montageleiter. Eine gewisse Robustheit gemäß DIN-Norm haben die Uhren. Ein weiterer Garant für den Erfolg von NOMOS sind die Mitarbeiter, die, wie man in Glashütte sagt, „in der Uhr arbeiten“. Wenn sie einmal da sind, bleiben sie. Die Fluktuation ist minimal. Zum unternehmerischen Konzept gehört die Erstattung der Kosten des öffentlichen Nahverkehrs, Zuschüsse zum Kindergarten, gesunde Arbeits-

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plätze, Pilates-Übungsstunden, Holzfußböden und selbst die Werkstätten sind mit moderner Kunst bestückt. „Unsere Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen“, erklärt FischerGraf, „wie wir mit unseren Uhren umgehen und sie gestalten, so gehen wir auch mit den Mitarbeitern und der Firma um.“

Fotos: © NOMOS Glashütte

Unisex-Uhren Klarheit, Ehrlichkeit, Funktionalität, Qualität, Wertbeständigkeit – das sind die Werte, die für die Marke NOMOS stehen. Roland Schwertner setzte 1990 bei der NOMOS-Gründung in einer 3-Zimmer-Wohnung auf die Verknüpfung von traditioneller Handwerkskunst und moderner Gestaltung im Werkbund-Stil. Bei der Entwicklung neuer Uhren gelten daher strenge Gestaltungsgrundsätze für die Designer. Zeitlos schön und interessant sollen die UnisexUhren sein, damit man auch nach Jahren noch Spaß daran hat. Zu sehen sind die NOMOS-Modelle seit Dezember 2010 im Webstore: „Wir wollen Menschen, die nicht im Fachhandel einkaufen wollen oder können, gewinnen“, erläutert Ahrendt die Akquisestrategie. Und vor allem will das Unternehmen jüngere Leute an die Marke heranführen. Der Online-Shop dient gleichzeitig als ein Marketinginstrument, ohne das heute kein erfolgreiches Unternehmen mehr auskommt. Auch eine Manufaktur nicht. Die Marketingaktivitäten – ob in Printmedien oder auf Messen – sind so schlicht, geradlinig und traditionell wie das Produkt selbst. Ein Testimonial wie etwa eine erfolgreiche Schauspielerin – Omega wirbt mit Nicole Kidman – wollen die Firmenchefs nicht als Werbebotschafter einsetzen. Obwohl

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sie wissen, dass Politiker wie Renate Künast oder FrankWalter Steinmeier, der Regisseur und Oscar-Preisträger Florian Graf Henckel von Donnersmarck oder der Filmemacher Andreas Dresen NOMOS-Uhren besitzen. „Wir binden uns ganz bewusst nicht an Namen“, verdeutlicht Fischer-Graf die Kommunikationsstrategie des Hauses, „für uns zählen gutes Handwerk, gute Gestaltung, guter Preis.“ Für den Münchner Kommunikationsexperten und Uhrenliebhaber Michael Lohr kann diese Haltung in eine Sackgasse führen. „Wenn es um Internationalisierung und Expansion geht, ist neben dem Markenkern und Werten wie Qualität, Klarheit und Ehrlichkeit auch ein Image, eine Markenwelt mit emotionaler Aufladung notwendig, mit der sich die Kunden identifizieren können.“ Viele alt eingesessene Uhrenhersteller agieren inzwischen unter den Fittichen von Konzernen – wie etwa die Mitbewerber A. Lange & Söhne GmbH und Glashütte Original auf der anderen Straßenseite, mitten im Zentrum von Glashütte. Beide gehören Schweizer Unternehmen: Lange seit 2000 dem Luxusgüterkonzern Richemont und Glashütte Original der Swatch Group. „Im Gegensatz zu denen sind wir unabhängig und gehören immer noch uns“, freut sich Ahrendt beim Blick durch die Fenster des Glaskubus und strahlt. Und das soll auch so bleiben. Damit sich die Mitarbeiter weiterhin jedes Jahr auf Weihnachten freuen können. Auf das Fest und eine NOMOS-Uhr vom Chef. Heidi Wahl arbeitet als Journalistin, Kommunikationstrainerin und Systemischer Coach in München.

NOMOS Glashütte – eine Erfolgsgeschichte: Gründer Roland Schwertner und Geschäftsführer Uwe Ahrendt.

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„Erfolgreich ist für mich jemand, der an seine Grenzen geht, Neues entdeckt und sich dabei an seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten orientiert.“ Interview mit Roland Schwertner, dem 57-jährigen Gründer von NOMOS Glashütte.

raumbrand: Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? Was verbinden Sie damit? Roland Schwertner: Ich bin nicht so der klassische Erfolgsmensch. Erfolgreich ist für mich jemand, der an seine Grenzen geht, Neues entdeckt und sich dabei an seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten orientiert. raumbrand: Sie haben aus einer DreiMann-Firma ein Unternehmen mit mehr als 90 Mitarbeitern geschaffen. Welches sind die Eckpfeiler des unternehmerischen Erfolgs? Schwertner: Klar gibt es äußere Erfolge wie Umsatz, Kosten senken, mehr exportieren. Für mich zählt jedoch vor allem die Eigenverantwortung der Mitarbeiter, deren eigene Einschätzung bezüglich Qualität ihrer täglichen Leis-

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tung. Dafür ist Vertrauen die Grundlage. Uhrmacher etwa bekommen bei uns keinen Akkord- oder Stücklohn. Wir wollen nicht vorrangig die Kosten senken, sondern vor allem die Qualität optimieren. raumbrand: Mittlerweile haben Sie sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und kümmern sich um die strategischen Belange der Manufaktur. Was sind Ihre Ziele? Schwertner: Überleben. Wir wollen auch künftig unsere Unabhängigkeit bewahren und weiterhin gute Uhren produzieren. Und dadurch den Wert der Uhren, die bereits auf dem Markt sind, erhalten. Das sehe ich auch als unsere Pflicht gegenüber unseren Endkunden an. Für mich sind sie so etwas wie Aktionäre, die mit ihrer NOMOS-Uhr einen

Teil des Unternehmens gekauft haben. Wenn wir jedoch vor der Entscheidung stehen, Unabhängigkeit sichern oder Arbeitsplätze, müssen wir vielleicht eines Tages doch über den Verkauf des Unternehmens nachdenken, um so die Lebensgrundlage unserer Mitarbeiter, die Marke NOMOS und damit den Wert unserer Uhren zu garantieren. raumbrand: Welches ist Ihre Lieblingsuhr? Warum? Schwertner: Wenn ich eine Uhr trage – und das muss ich glücklicherweise gar nicht mehr so oft – dann eine NOMOS-Orion. Mit ihren für mich perfekten Formen, dieser eleganten Wölbung, ihrer Zurückhaltung ist sie für mich ein Paradebeispiel einer Schönheit auf den zweiten Blick. Und für jeden weiteren des Lebens.

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Alles hat seine Zeit, es gibt eine Zeit der Freude, eine Zeit der Stille und eine Zeit der Erinnerung.

Nun ist sie von uns gegangen.

Die integrierte Kommunikation * 1996

2010

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Wir nehmen Abschied: LohrBregulla UNID Communications WengerWittmann


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Die zehn Gebote erfolgreichen Handelns

Gebote für Erfolg

von Jesko Perrey

Handel zu treiben, ist nicht gerade leichter geworden im Zeitalter der totalen Vernetzung. Heute gehen Shopper erst online, bevor sie ein Geschäft in der realen Welt betreten. Anschließend posten sie ihre Kauf­erfahrungen auf Facebook und anderen sozialen Plattformen. Was bedeuten diese Entwicklungen für das Marketing und die Markenbildung? Brauchen wir neue Ansätze, um erfolgreich zu handeln in einer digital vernetzten Welt? Die Erfahrungen aus unserer Klientenarbeit sprechen dafür. „Einfach machen“ war lange Zeit das Credo erfolgreichen Handelsmanagements. So einfach funktioniert es leider nicht mehr. Wer heute dem Wettbewerb vorauseilen will, muss Informationen sammeln und systematisch planen, bevor er agiert. Und einige Gebote beachten, die für jedes Geschäft gelten – ganz gleich, womit es handelt: 1. Marken sind Werttreiber. In einer komplexen Handels- und Medienlandschaft nutzen Konsumenten Marken als Wegweiser bei ihrer Reise durch den Angebotsdschungel. Das Markenbild ist folglich der Schlüssel zur Gewinnung, Entwicklung und Bindung von Kunden – und damit ein Thema für das Topmanagement. 2. Gute Markenbildung kombiniert Art, Science und Craft. Erfolgreiche Marken sind das Produkt kreativer Köpfe, fundierter Analysen und erfahrener Praktiker, die für exzellente Umsetzung sorgen. Erst aus dem perfekten Zusammenspiel dieser drei Elemente entstehen starke Marken, die dauerhaft bestehen. 3. Markenmanagement im Handel ist ein Dreifrontenkrieg. Einzelhändler haben gleich drei Markenfronten zu bedienen: ihre Dachmarke, ihre Filialen und nicht zuletzt die Hersteller- und Eigenmarken auf Produktebene. Das erfordert System – aber eines, das genügend Raum für Flexibilität in täglichen Markenentscheidungen lässt. 4. Geld ist nicht alles. Größere Budgets führen nicht automatisch zu besseren Ergebnissen. Es kommt vielmehr darauf an, sich Klarheit über seine Marktziele zu verschaffen und den Einsatz seiner Marketingmittel genau darauf abzustimmen. 5. Digitalisierung ist Evolution, keine Revolution. Mobilplattformen, Interaktivität und soziale Netzwerke verändern fraglos das Handelsmarketing – doch nicht vollständig und nicht über Nacht. Unternehmen sollten sich bereit machen für das digitale Abenteuer, aber dabei stets Augen­maß bewahren.

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6. Lokalität bleibt der Schlüssel zum Konsumenten. Shopping ist ein täglicher Akt und erfordert Kontakte zum Käufer in seinem alltäglichen Umfeld. Überregionale Kampagnen können das oft nicht leisten. Individuelle Kundenansprache ist immer noch der Königsweg – ob klassisch über lokale Medien oder digital via E-Mail und Netzwerke. 7. Kundenbeziehungen sind echtes Kapital. Händler haben das seltene Privileg, in persönlicher Beziehung zu ihren Kunden zu stehen. Ihre Möglichkeiten, direkt zu kommunizieren und kundengerechte Angebote zu liefern, sind größer als in jeder anderen Industrie. Diese Chance gilt es zu nutzen. 8. Vor-Ort-Marketing lässt sich auch indirekt steuern. Selbst wenn die Entscheidung über Werbemaßnahmen bei den Filialen liegt: Das zentrale Marketing kann Strategien festlegen und die Händler vor Ort praktisch unterstützen. So lässt sich Konsistenz herstellen, ohne die lokalen Aktivitäten zu beschneiden. 9. Daten wollen offensiv genutzt sein. Handelsunternehmen sitzen auf einem wahren Datenschatz, der nur darauf wartet, gehoben zu werden. Diese Datenmengen wollen integriert und systematisch ausgewertet sein. Wer es schafft, valide Kunden-Insights zu generieren, kann sein Marketing radikal neu ausrichten und maßgeschneiderte Maßnahmen entwickeln. 10. Kernkompetenzen sind nicht delegierbar. Markenpositionierung und Strategiebildung sind Herzstücke im Marketingmanagement, die Händler nicht aus der Hand geben sollten. Für die kreative oder technische Umsetzung hingegen sind externe Spezialisten oft die bessere Wahl – vorausgesetzt, das Lieferantenmanagement stimmt. Diese und weitere Erkenntnisse hat McKinsey jetzt in einem Buch veröffentlicht. „Retail Marketing and Branding“ zeigt Unternehmen Wege und Werkzeuge, wie sie ihr Handelsmarketing im heutigen Marktumfeld ökonomisch sinnvoll gestalten. Die zehn Gebote daraus sind ein erster Orientierungspunkt, um im Dschungel der Optionen den Überblick zu behalten und am Ende die gesetzten Ziele zu erreichen. Dr. Jesko Perrey ist Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey & Company und Leiter der deutschen Marketing & Sales Practice sowie der weltweiten Branding & Marketing Spend Effectiveness Group. Autor des jetzt erschienenen Buches „Retail Marketing and Branding – A Definitive Guide to Maximizing ROI“, s. Buchtipps  Seite 21.

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Sebastian Vettel

von Burkhard Gruß

Leben auf der

Überholspur In kurzer Zeit hat sich das junge Talent Sebastian Vettel zum neuen deutschen Hoffnungsträger in der Formel 1 gemausert. Viele sehen in dem ehemaligen Red-Bull-Junior den legendären Nachfolger von Rekordweltmeister Michael Schumacher. raumbrand ging dem nach.

gen wäre es Blödsinn, den Glauben auf den Titel bereits jetzt in den Sand zu schmeißen, sondern ich werde weiter kämpfen.“

len Rennen. Am Ende gab es zwei GP-Siege und den WMTitel. „Jung, schnell und symphatisch“, das sind die Worte des Formel-1-Chefs Bernie Ecclestone zum neuen Meister in der Königsklasse des Motorsports. Der Zimmermannssohns aus dem hessischen Heppenheim bricht, wenn man so will, gleich mehrere Rekorde. Die Aufzählung könnte lauten: jüngster Pilot auf Pole Position, jüngster Spitzenreiter in einem Grand Prix, jüngster Rennsieger und jetzt jüngster Weltmeister. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Statt wochenlang durchzufeiern, saß Vettel wenige Tage später schon wieder im Cockpit seines „Bullen“: Er testete bereits für die neue Saison.

burg. Es wirken enorme Kräfte auf den Körper ein, und man braucht viel Kraft, um das Auto zu lenken.“ Sein Tag beginnt mit einem dreistündigen Ausdauertraining. Mit Fahrradfahren, Laufen oder Schwimmen. Am Nachmittag gibt es noch eine dreistündige Session, die den Muskelaufbau fördern soll. Neben der Arbeit an Fitnessgeräten gehören dazu auch Badminton- oder Tennisspiele gegen seinen Trainer. Dass er dabei seit seinem Karrieerestart auf der Kartbahn ein Fahrgefühl entwickelt, dass seinesgleichen sucht, bringt sogar Red-Bull-Teamchef Christian Horner ins Schwärmen: „Er hat eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung. Dabei, und das ist einfach unglaublich, verbraucht er relativ wenig Sprit.“ Und: „Er wird noch ein paarmal Champion werden“, versprach der sichtlich überwältigte Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz. Vettel meint cool: „Man kann über Rekorde diskutieren, aber sie sind da, um gebrochen zu werden.“ Und: Sebastian Vettel kann sich auch freuen. „Als ich mein erstes Formel-1-Rennen, den Großen Preis von Italien in Monza, gewonnen habe. Es hatte geregnet und obwohl unser Auto eigentlich unterlegen war, kamen wir als erste ins Ziel. Die Bilder vom Podestplatz gehen einem nie aus dem Kopf. Wie die Leute da unten stehen, alle jubeln, die Hymne wird gesungen, man kriegt den Pokal, reißt ihn in den Himmel – es war ein fantastisches Gefühl.“

Vettels Erfolgsgeheimnis Nie den Glauben an sich zu verlieren, ist eines der Erfolgsgeheimnisse Sebastian Vettels. Mit seinen gerade mal 23 Jahren hat er bereits heute eine enorme mentale Stärke entwickelt, die ihn Rückschläge scheinbar locker wegstecken lassen. „Hätte wenn und aber, ich rechne mir nichts vor, sondern gebe bei den letzen Rennen wie immer mein bestes. Ich male die Dinge nicht schwarz, bin Optimist und werde bis zum Ende kämpfen“, erklärte Vettel vor den fina-

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Leidenschaft und Disziplin Diese Leidenschaft und Disziplin sind ein weiterer Mosaikstein in Vettels Erfolgsgeheimnis. Brachiale Konzentration und Kompromisslosigkeit à la Michael Schumacher. Und natürlich die körperliche Fitness. Mit einer Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining arbeitet er täglich an seiner Leistungsfähigkeit. Denn Sebastian Vettel weiß, dass nur ein topfitter Pilot selbst in der letzten Rennrunde seinen Wagen fehlerfrei durch die Kurven bringt. Ein Formel-1Fahrer muss genauso fit sein wie ein Fußballprofi: „Auf jeden Fall. Man darf sich einen Grand Prix nicht vorstellen wie eine Fahrt auf der Autobahn von München nach Ham-

2009 fand zum ersten Mal ein Grand Prix auf dem Yas-Marina-Circuit von Abu Dhabi statt. Auf dem Gelände der 5,554 Kilometer langen Strecke steht in unmittelbarer Nähe zum Yachthafen das Yas Hotel. Eine langsamere Passage des Grand-Prix-Kurses verläuft direkt durch diese FünfSterne-Herberge. Das Yas Hotel verfügt über zwei Teile, die durch eine ins Gebäude integrierte Brücke miteinander verbunden sind. Luxus pur: Gäste genießen den Hotelservice und sehen unter sich die Formel-1-Boliden durchdonnern. Fans von Sebastian Vettel erlebten hier bisher nur tolle Momente: 2009 und 2010 passierte „Seb“ hier als erster die Ziellinie – 2010 bedeutete der Erfolg gleichzeitig den Gewinn der Weltmeisterschaft.

Fotos: © Red Bull Racing / Getty Images; © imago

Beim drittletzten Rennen der Saison startete Sebastian Vettel von der Pole Position in den Großen Preis von Korea. Doch statt des erhofften Sieges blieb Vettel mit einem Motorschaden auf der Strecke liegen. Mit 25 Punkten hinter Fernando Alonso, 14 hinter Teamkollege Mark Webber und vier hinter Lewis Hamilton ging es in die letzten beiden GP’s nach Brasilien und Abu Dhabi. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, zeigt sich Sebastian Vettel kämpferisch und glaubte immer noch an den WM-Titel: „Na ja, ich denke mal, dass es besser gewesen wäre, wenn wir die 25 Punkte mitnehmen hätten können. Das macht alles ein bisschen schwieriger, aber aufgegeben wird nicht. Denn mathematisch bin ich noch voll im Rennen, deswe-

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Burkhard Gruß, freier Sportjournalist in München. Er war bei Ayrton Sennas erstem Grand-Prix-Sieg 1985 zwanzig Jahre alt.

Im zarten Alter von acht Jahren beginnt 1995 Sebastian Vettels Motorsportkarriere auf der Kartbahn. Mit 14 gewinnt er die Deutsche Juniorenmeisterschaft und wird Europameister. Gerade mal 16 Jahre alt wechselt er in die Formel BMW ADAC und feiert die Vizemeisterschaft. Ein Jahr später gewinnt er dort 18 von 20 Rennen: Meister im Formel BMW ADAC Championat. Es folgt 2005 Vettels Wechsel in die nächsthöhere Rennserie, die Formel 3 Euro-Serie. Dort schafft der mittlerweile 17-Jährige auf Anhieb Platz fünf im Abschlussklassement und wird RookieChampion. Im Jahr darauf sieht er drei Mal als erster die Zielflagge, gewinnt die Vize-Meisterschaft und darf zur Belohnung in Jerez, Spanien, für BMW Sauber in der Formel 1 Wagen testen. Schnell lernt er dort die harten Regeln der Königsklasse kennen: Als Reservepilot kassiert er beim Freitagstraining während des Grand Prix der Türkei in Istanbul seine erste Strafe wegen Zuschnellfahrens in der Boxengasse. Der Stress mit den Rennstewards tut dem unaufhaltbaren Weg an die Spitze der Formel 1 keinen Abbruch. 2007 startet Vettel für das Team BMW Sauber in Indianapolis beim Grand Prix der USA. Er wird Achter und holt damit seinen ersten WM-Punkt. Beim Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaroring sitzt er erstmals im Ferrari-Cockpit des Teams Scuderia Toro Rosso. Und darf auch die weiteren Rennen für das Team bestreiten. Die Saison 2008 beginnt er als Formel-1-Stammpilot der Scuderia Toro Rosso. Beim Italien GP in Monza ist Vettel der Schnellste beim Qualifying und steht somit mit 21 Jahren und 72 Tagen als jüngster Fahrer auf der Pole Position. Beim Rennen setzt er einen Tag später noch einen drauf: Er gewinnt den Grand Prix von Italien und wird jüngster Formel1-Sieger aller Zeiten. Zur Belohnung darf er in ein Team mit Meisterambitionen wechseln: zu Red Bull Racing. Am Steuer des Renault gewinnt er vier Grand Prix: China, Großbritannien, Japan und Abu Dhabi. Mit elf Punkten Rückstand auf Jenson Button wird er Vize-Weltmeister. Ein Jahr später gewinnt er fünf Rennen und schafft einen weiteren Rekord: Sebastian Vettel wird jüngster Formel-1-Weltmeister aller Zeiten.

Vettels Rennsportkarriere

So alt waren die Formel-1-Fahrer beim Gewinn ihres ersten Weltmeistertitels (ab 1985) 23 Jahre, 134 Tage: Sebastian Vettel, 2010 23 Jahre, 10 Monate: Lewis Hamilton, 2008 24 Jahre: Fernando Alonso, 2005 25 Jahre: Michael Schumacher, 1994 26 Jahre: Jacques Villeneuve, 1997 28 Jahre: Kimi Raikkönen, 2007

28 Jahre: Ayrton Senna, 1988 29 Jahre: Jenson Button, 2010 30 Jahre: Mika Häkkinen, 1998 30 Jahre: Alain Prost, 1985 36 Jahre: Damon Hill, 1996 39 Jahre: Nigel Mansell, 1992

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Formel-1-Team Red Bull Racing 2011 ist das siebte Jahr, in dem Red Bull Racing in der Formel 1 mitmischt. Zuvor agierte Red Bull als Sponsor des Teams Sauber und hatte mit Gerhard Berger den ersten Formel-1-Piloten unter Vertrag. Im November 2004 weitete Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz das Engagement aus: Er übernahm das finanziell angeschlagene Jaguar-Team und startete 2005 erstmals mit Red Bull Racing in die F1-Saison. Im Cockpit des Boliden vom Typ RB1 saßen damals David Coulthard und Christian Klien. 2006 durfte ein RedBull-Pilot erstmals auf das Siegertreppchen: In Monaco fuhr David Coulthard als Dritter über die Ziellinie. Auf den ersten Grand-Prix-Sieg mussten die Limonaden-Renner jedoch bis 2009 warten: Beim dritten Rennen der Saison feierten die Bullenpiloten Sebastian Vettel und Mark Webber in Shanghai, China, einen Doppelerfolg. 2010 war der Rennstall Red Bull Racing mit Sitz im englischen Milton Keynes das Maß aller Dinge in der Formel 1: Weltmeister sowohl in der Team- als auch in der Fahrerwertung.

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Die unglaubliche Red-BullErfolgsstory Der österreichische Marketing-Experte Dietrich Mateschitz lernte 1982 auf einer Dienstreise die in Asien populären „Tonic Drinks“ kennen. Er entwickelte die Idee, Energy Drinks auch in Europa auf den Markt zu bringen. 1984 gründete Mateschitz Red Bull. Nach der Verfeinerung der Rezeptur des Muntermachers und der Entwicklung eines Marketingkonzepts wurde es 1987 im österreichischen Markt eingeführt. Die Mixtur besteht aus Koffein, Vitaminen, der Aminosäure Taurin und anderen Substanzen, die den Organismus zu besonderen, lang anhaltenden Anstrengungen befähigen sollen. Mittlerweile arbeiten 6.900 Mitarbeiter für Red Bull, das Headquarter ist in Fuschl am See, nahe Salzburg (Österreich). Heute werden in 160 Ländern pro Jahr ca. 4 Milliarden Dosen Red Bull verkauft. Übrigens hat Red Bull keine eigenen Produktionsstätten, sondern lässt das Getränk bei der Firma Rauch Fruchtsäfte in Nüziders (Vorarlberg) produzieren und abfüllen. Für den amerikanischen Markt wird es auch von Rauch in der Schweiz abgefüllt. Mit diesem Schachzug will Red Bull verhindern, in Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA hineingezogen zu werden. Getreu ihrem Werbeslogan „Red Bull verleiht Flügel“ sponsert die Firma zahlreiche Sportler und sportliche Veranstaltungen. Wintersportler wie der österreichische Skisprungweltmeister Thomas Morgenstern oder der US-Amerikaner Shawn White, der Snowboarder des 21. Jahrhunderts, tragen das Bullen-Logo auf dem Helm oder der Mütze. Dazu unterstützt der Limonadenhersteller Extremsportevents wie die Freestyle-Motocross-Serie „Red Bull X-Fighters“, die Flugzeugrennen „Red Bull Air Race Series“ , die Wasserspringer beim „Red Bull Cliff Diving“ oder das Eisrennen „Red Bull Crashed Ice“. Bei dieser eiskalten Sportvariante stürzen sich jeweils vier Eishockeyspieler gleichzeitig eine Eisbahn hinunter – vergleichbar mit Skicross auf einer Eispiste. Außerdem engagiert sich Red Bull mit zwei Teams in der Formel 1 – Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso – sowie im Fußball beim österreichischen Erstligisten Red Bull Salzburg. Sie haben noch keinen Code-Reader für Ihr Handy? Senden Sie eine SMS mit NEO an +49 177 17 80 450 (Kosten: SMS & Datenverbindung lt. Ihrem Mobilfunkvertrag)

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Soziale Netzwerke wie Podcast, Facebook, Twitter und Co. haben derzeit Hochkonjunktur – auch in der Formel 1. Die Kommunikationswege haben sich nicht nur beschleunigt, sondern auch weitgehend verändert. Die Generation Z oder auch Digital Natives genannt, lebt Ihnen das heutige Kommunikationsverhalten im Web vor. Sebastian Vettel ist überall – und auch mit eigener Website – präsent. Doch er selbst ist kein großer Freund dieser Tools und des Internets insgesamt. Viel lieber tritt er mit seinen Freunden und Bekannten persönlich in Kontakt. „An meinem Wohnsitz in der Schweiz habe ich schon einige Freunde, aber eher noch wenige, aber ich bin auch mit den alten Kumpels in Deutschland in Kontakt. Aber nicht über Facebook und dergleichen, so was mache ich nicht“, erklärt er im Interview mit der Welt. Sebastian Vettel steht für Natürlichkeit. Bislang handelt er recht erfolgreich alle seine Verträge selbst aus. „Dass er die Fäden in der Hand hält, zeichnet ihn sicher ein Stück weit aus. Er ist ein ‚Self-Made-Man‘, was bei seiner Jugend außergewöhnlich ist. Das sind Werte,“ so Cordes, „die man weiterverfolgen kann.“ Bei Gesprächen über Testimonials von Red Bull spielt in 86 Prozent der Fälle der als besonders sympathisch wahrgenommene Sebastian Vettel die Hauptrolle. Er kann bei der Vermarktung von seiner sympathischen und natürlichen Art profitieren, so Marcel Cordes, Vorstandsmitglied von Sport+Markt, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen im internationalen Sportbusiness mit Sitz in Köln, im Handelsblatt: „Vettel (hat) die besten Sympathiewerte aller deutschen Fahrer. Das mag verwundern, da viele denken würden, Michael Schumacher wäre der Sympathieträger im deutschen Motorsport. Aber das stimmt insofern nicht, weil Michael Schumacher nie der sympathischste Fahrer war. Er war immer der faszinierendste. Man muss sich für die Vermarktung aber fragen, welche Imagefaktoren für ein Unternehmen relevant sind. Das ist nicht zwangsläufig die Sympathie, sondern es können auch andere Imagewerte sein, die eine Werbefigur transportiert. Einzig darüber, dass man sympathisch ist, wird man nicht unbedingt die Werbe-Ikone. Natürlich hat Vettel nun unglaublichen Rückenwind, aber er muss sich jetzt auch von anderen differenzieren. So wie Schumacher damals, der weniger für Sympathie stand, sondern für einen unglaublichen Siegeswillen und für fast maschinenartige Zeiten, die er hingelegt hat. Da muss Vettel noch mehr Profil zeigen. Die Vermarktbarkeit ist aber auf jeden Fall da.“ Und schon 2008 hat laut Bild Willy Weber, der Michael Schumacher zum Multi-Millionär gemacht hat, ihm angeboten, auch sein Manager zu werden. „Wenn der Sebastian Vettel weiter so einen Erfolg haben will, muss er sich freischwimmen. Sonst bringt ihn der Hype irgendwann um. Und er hat bald keine Zeit mehr, sich um sein Auto zu kümmern. Bei Michael und mir war die Arbeitsteilung klar: Er ist gefahren und ich habe den Rest gemacht.“ Und: „Die Formel 1 verzeiht keine Fehler. Auch deshalb ist ein Manager, Freund und Beschützer so wichtig.“

Das Yas Hotel in Abu Dhabi, eine der faszinierendsten, futuristischsten und zugleich elegantesten Unterkünfte der Welt, liegt direkt am Yas Marina Circuit.

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Die Grafik zeigt Ausschnitte vom Sepang International Circuit, Malaysia. Die meisten Fahrer, Teambeteiligten und Fans kommen sehr gerne hierher, denn die Rennstrecke mit 21 Runden à 5,548 km, fünf Linkskurven, 10 Rechtskurven und ihren zwei Startund Zielgeraden, die fast parallel verlaufen, zählt zu den schönsten Strecken in der Formel 1.

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von Burkhard Gruß

Leben auf der

Überholspur In kurzer Zeit hat sich das junge Talent Sebastian Vettel zum neuen deutschen Hoffnungsträger in der Formel 1 gemausert. Viele sehen in dem ehemaligen Red-Bull-Junior den legendären Nachfolger von Rekordweltmeister Michael Schumacher. raumbrand ging dem nach.

gen wäre es Blödsinn, den Glauben auf den Titel bereits jetzt in den Sand zu schmeißen, sondern ich werde weiter kämpfen.“

len Rennen. Am Ende gab es zwei GP-Siege und den WMTitel. „Jung, schnell und symphatisch“, das sind die Worte des Formel-1-Chefs Bernie Ecclestone zum neuen Meister in der Königsklasse des Motorsports. Der Zimmermannssohns aus dem hessischen Heppenheim bricht, wenn man so will, gleich mehrere Rekorde. Die Aufzählung könnte lauten: jüngster Pilot auf Pole Position, jüngster Spitzenreiter in einem Grand Prix, jüngster Rennsieger und jetzt jüngster Weltmeister. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Statt wochenlang durchzufeiern, saß Vettel wenige Tage später schon wieder im Cockpit seines „Bullen“: Er testete bereits für die neue Saison.

burg. Es wirken enorme Kräfte auf den Körper ein, und man braucht viel Kraft, um das Auto zu lenken.“ Sein Tag beginnt mit einem dreistündigen Ausdauertraining. Mit Fahrradfahren, Laufen oder Schwimmen. Am Nachmittag gibt es noch eine dreistündige Session, die den Muskelaufbau fördern soll. Neben der Arbeit an Fitnessgeräten gehören dazu auch Badminton- oder Tennisspiele gegen seinen Trainer. Dass er dabei seit seinem Karrieerestart auf der Kartbahn ein Fahrgefühl entwickelt, dass seinesgleichen sucht, bringt sogar Red-Bull-Teamchef Christian Horner ins Schwärmen: „Er hat eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung. Dabei, und das ist einfach unglaublich, verbraucht er relativ wenig Sprit.“ Und: „Er wird noch ein paarmal Champion werden“, versprach der sichtlich überwältigte Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz. Vettel meint cool: „Man kann über Rekorde diskutieren, aber sie sind da, um gebrochen zu werden.“ Und: Sebastian Vettel kann sich auch freuen. „Als ich mein erstes Formel-1-Rennen, den Großen Preis von Italien in Monza, gewonnen habe. Es hatte geregnet und obwohl unser Auto eigentlich unterlegen war, kamen wir als erste ins Ziel. Die Bilder vom Podestplatz gehen einem nie aus dem Kopf. Wie die Leute da unten stehen, alle jubeln, die Hymne wird gesungen, man kriegt den Pokal, reißt ihn in den Himmel – es war ein fantastisches Gefühl.“

50 Sebastian Vettel

Vettels Erfolgsgeheimnis Nie den Glauben an sich zu verlieren, ist eines der Erfolgsgeheimnisse Sebastian Vettels. Mit seinen gerade mal 23 Jahren hat er bereits heute eine enorme mentale Stärke entwickelt, die ihn Rückschläge scheinbar locker wegstecken lassen. „Hätte wenn und aber, ich rechne mir nichts vor, sondern gebe bei den letzen Rennen wie immer mein bestes. Ich male die Dinge nicht schwarz, bin Optimist und werde bis zum Ende kämpfen“, erklärte Vettel vor den fina-

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Leidenschaft und Disziplin Diese Leidenschaft und Disziplin sind ein weiterer Mosaikstein in Vettels Erfolgsgeheimnis. Brachiale Konzentration und Kompromisslosigkeit à la Michael Schumacher. Und natürlich die körperliche Fitness. Mit einer Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining arbeitet er täglich an seiner Leistungsfähigkeit. Denn Sebastian Vettel weiß, dass nur ein topfitter Pilot selbst in der letzten Rennrunde seinen Wagen fehlerfrei durch die Kurven bringt. Ein Formel-1Fahrer muss genauso fit sein wie ein Fußballprofi: „Auf jeden Fall. Man darf sich einen Grand Prix nicht vorstellen wie eine Fahrt auf der Autobahn von München nach Ham-

2009 fand zum ersten Mal ein Grand Prix auf dem Yas-Marina-Circuit von Abu Dhabi statt. Auf dem Gelände der 5,554 Kilometer langen Strecke steht in unmittelbarer Nähe zum Yachthafen das Yas Hotel. Eine langsamere Passage des Grand-Prix-Kurses verläuft direkt durch diese FünfSterne-Herberge. Das Yas Hotel verfügt über zwei Teile, die durch eine ins Gebäude integrierte Brücke miteinander verbunden sind. Luxus pur: Gäste genießen den Hotelservice und sehen unter sich die Formel-1-Boliden durchdonnern. Fans von Sebastian Vettel erlebten hier bisher nur tolle Momente: 2009 und 2010 passierte „Seb“ hier als erster die Ziellinie – 2010 bedeutete der Erfolg gleichzeitig den Gewinn der Weltmeisterschaft.

Fotos: © Red Bull Racing / Getty Images; © imago

Beim drittletzten Rennen der Saison startete Sebastian Vettel von der Pole Position in den Großen Preis von Korea. Doch statt des erhofften Sieges blieb Vettel mit einem Motorschaden auf der Strecke liegen. Mit 25 Punkten hinter Fernando Alonso, 14 hinter Teamkollege Mark Webber und vier hinter Lewis Hamilton ging es in die letzten beiden GP’s nach Brasilien und Abu Dhabi. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, zeigt sich Sebastian Vettel kämpferisch und glaubte immer noch an den WM-Titel: „Na ja, ich denke mal, dass es besser gewesen wäre, wenn wir die 25 Punkte mitnehmen hätten können. Das macht alles ein bisschen schwieriger, aber aufgegeben wird nicht. Denn mathematisch bin ich noch voll im Rennen, deswe-

Sebastian Vettel

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Burkhard Gruß, freier Sportjournalist in München. Er war bei Ayrton Sennas erstem Grand-Prix-Sieg 1985 zwanzig Jahre alt.

Im zarten Alter von acht Jahren beginnt 1995 Sebastian Vettels Motorsportkarriere auf der Kartbahn. Mit 14 gewinnt er die Deutsche Juniorenmeisterschaft und wird Europameister. Gerade mal 16 Jahre alt wechselt er in die Formel BMW ADAC und feiert die Vizemeisterschaft. Ein Jahr später gewinnt er dort 18 von 20 Rennen: Meister im Formel BMW ADAC Championat. Es folgt 2005 Vettels Wechsel in die nächsthöhere Rennserie, die Formel 3 Euro-Serie. Dort schafft der mittlerweile 17-Jährige auf Anhieb Platz fünf im Abschlussklassement und wird RookieChampion. Im Jahr darauf sieht er drei Mal als erster die Zielflagge, gewinnt die Vize-Meisterschaft und darf zur Belohnung in Jerez, Spanien, für BMW Sauber in der Formel 1 Wagen testen. Schnell lernt er dort die harten Regeln der Königsklasse kennen: Als Reservepilot kassiert er beim Freitagstraining während des Grand Prix der Türkei in Istanbul seine erste Strafe wegen Zuschnellfahrens in der Boxengasse. Der Stress mit den Rennstewards tut dem unaufhaltbaren Weg an die Spitze der Formel 1 keinen Abbruch. 2007 startet Vettel für das Team BMW Sauber in Indianapolis beim Grand Prix der USA. Er wird Achter und holt damit seinen ersten WM-Punkt. Beim Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaroring sitzt er erstmals im Ferrari-Cockpit des Teams Scuderia Toro Rosso. Und darf auch die weiteren Rennen für das Team bestreiten. Die Saison 2008 beginnt er als Formel-1-Stammpilot der Scuderia Toro Rosso. Beim Italien GP in Monza ist Vettel der Schnellste beim Qualifying und steht somit mit 21 Jahren und 72 Tagen als jüngster Fahrer auf der Pole Position. Beim Rennen setzt er einen Tag später noch einen drauf: Er gewinnt den Grand Prix von Italien und wird jüngster Formel1-Sieger aller Zeiten. Zur Belohnung darf er in ein Team mit Meisterambitionen wechseln: zu Red Bull Racing. Am Steuer des Renault gewinnt er vier Grand Prix: China, Großbritannien, Japan und Abu Dhabi. Mit elf Punkten Rückstand auf Jenson Button wird er Vize-Weltmeister. Ein Jahr später gewinnt er fünf Rennen und schafft einen weiteren Rekord: Sebastian Vettel wird jüngster Formel-1-Weltmeister aller Zeiten.

Vettels Rennsportkarriere

So alt waren die Formel-1-Fahrer beim Gewinn ihres ersten Weltmeistertitels (ab 1985) 23 Jahre, 134 Tage: Sebastian Vettel, 2010 23 Jahre, 10 Monate: Lewis Hamilton, 2008 24 Jahre: Fernando Alonso, 2005 25 Jahre: Michael Schumacher, 1994 26 Jahre: Jacques Villeneuve, 1997 28 Jahre: Kimi Raikkönen, 2007

28 Jahre: Ayrton Senna, 1988 29 Jahre: Jenson Button, 2010 30 Jahre: Mika Häkkinen, 1998 30 Jahre: Alain Prost, 1985 36 Jahre: Damon Hill, 1996 39 Jahre: Nigel Mansell, 1992

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Formel-1-Team Red Bull Racing

Sebastian Vettel

2011 ist das siebte Jahr, in dem Red Bull Racing in der Formel 1 mitmischt. Zuvor agierte Red Bull als Sponsor des Teams Sauber und hatte mit Gerhard Berger den ersten Formel-1-Piloten unter Vertrag. Im November 2004 weitete Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz das Engagement aus: Er übernahm das finanziell angeschlagene Jaguar-Team und startete 2005 erstmals mit Red Bull Racing in die F1-Saison. Im Cockpit des Boliden vom Typ RB1 saßen damals David Coulthard und Christian Klien. 2006 durfte ein RedBull-Pilot erstmals auf das Siegertreppchen: In Monaco fuhr David Coulthard als Dritter über die Ziellinie. Auf den ersten Grand-Prix-Sieg mussten die Limonaden-Renner jedoch bis 2009 warten: Beim dritten Rennen der Saison feierten die Bullenpiloten Sebastian Vettel und Mark Webber in Shanghai, China, einen Doppelerfolg. 2010 war der Rennstall Red Bull Racing mit Sitz im englischen Milton Keynes das Maß aller Dinge in der Formel 1: Weltmeister sowohl in der Team- als auch in der Fahrerwertung.

Sebastian Vettel

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Die unglaubliche Red-BullErfolgsstory Der österreichische Marketing-Experte Dietrich Mateschitz lernte 1982 auf einer Dienstreise die in Asien populären „Tonic Drinks“ kennen. Er entwickelte die Idee, Energy Drinks auch in Europa auf den Markt zu bringen. 1984 gründete Mateschitz Red Bull. Nach der Verfeinerung der Rezeptur des Muntermachers und der Entwicklung eines Marketingkonzepts wurde es 1987 im österreichischen Markt eingeführt. Die Mixtur besteht aus Koffein, Vitaminen, der Aminosäure Taurin und anderen Substanzen, die den Organismus zu besonderen, lang anhaltenden Anstrengungen befähigen sollen. Mittlerweile arbeiten 6.900 Mitarbeiter für Red Bull, das Headquarter ist in Fuschl am See, nahe Salzburg (Österreich). Heute werden in 160 Ländern pro Jahr ca. 4 Milliarden Dosen Red Bull verkauft. Übrigens hat Red Bull keine eigenen Produktionsstätten, sondern lässt das Getränk bei der Firma Rauch Fruchtsäfte in Nüziders (Vorarlberg) produzieren und abfüllen. Für den amerikanischen Markt wird es auch von Rauch in der Schweiz abgefüllt. Mit diesem Schachzug will Red Bull verhindern, in Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA hineingezogen zu werden. Getreu ihrem Werbeslogan „Red Bull verleiht Flügel“ sponsert die Firma zahlreiche Sportler und sportliche Veranstaltungen. Wintersportler wie der österreichische Skisprungweltmeister Thomas Morgenstern oder der US-Amerikaner Shawn White, der Snowboarder des 21. Jahrhunderts, tragen das Bullen-Logo auf dem Helm oder der Mütze. Dazu unterstützt der Limonadenhersteller Extremsportevents wie die Freestyle-Motocross-Serie „Red Bull X-Fighters“, die Flugzeugrennen „Red Bull Air Race Series“ , die Wasserspringer beim „Red Bull Cliff Diving“ oder das Eisrennen „Red Bull Crashed Ice“. Bei dieser eiskalten Sportvariante stürzen sich jeweils vier Eishockeyspieler gleichzeitig eine Eisbahn hinunter – vergleichbar mit Skicross auf einer Eispiste. Außerdem engagiert sich Red Bull mit zwei Teams in der Formel 1 – Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso – sowie im Fußball beim österreichischen Erstligisten Red Bull Salzburg. Sie haben noch keinen Code-Reader für Ihr Handy? Senden Sie eine SMS mit NEO an +49 177 17 80 450 (Kosten: SMS & Datenverbindung lt. Ihrem Mobilfunkvertrag)

54 Sebastian Vettel

Soziale Netzwerke wie Podcast, Facebook, Twitter und Co. haben derzeit Hochkonjunktur – auch in der Formel 1. Die Kommunikationswege haben sich nicht nur beschleunigt, sondern auch weitgehend verändert. Die Generation Z oder auch Digital Natives genannt, lebt Ihnen das heutige Kommunikationsverhalten im Web vor. Sebastian Vettel ist überall – und auch mit eigener Website – präsent. Doch er selbst ist kein großer Freund dieser Tools und des Internets insgesamt. Viel lieber tritt er mit seinen Freunden und Bekannten persönlich in Kontakt. „An meinem Wohnsitz in der Schweiz habe ich schon einige Freunde, aber eher noch wenige, aber ich bin auch mit den alten Kumpels in Deutschland in Kontakt. Aber nicht über Facebook und dergleichen, so was mache ich nicht“, erklärt er im Interview mit der Welt. Sebastian Vettel steht für Natürlichkeit. Bislang handelt er recht erfolgreich alle seine Verträge selbst aus. „Dass er die Fäden in der Hand hält, zeichnet ihn sicher ein Stück weit aus. Er ist ein ‚Self-Made-Man‘, was bei seiner Jugend außergewöhnlich ist. Das sind Werte,“ so Cordes, „die man weiterverfolgen kann.“ Bei Gesprächen über Testimonials von Red Bull spielt in 86 Prozent der Fälle der als besonders sympathisch wahrgenommene Sebastian Vettel die Hauptrolle. Er kann bei der Vermarktung von seiner sympathischen und natürlichen Art profitieren, so Marcel Cordes, Vorstandsmitglied von Sport+Markt, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen im internationalen Sportbusiness mit Sitz in Köln, im Handelsblatt: „Vettel (hat) die besten Sympathiewerte aller deutschen Fahrer. Das mag verwundern, da viele denken würden, Michael Schumacher wäre der Sympathieträger im deutschen Motorsport. Aber das stimmt insofern nicht, weil Michael Schumacher nie der sympathischste Fahrer war. Er war immer der faszinierendste. Man muss sich für die Vermarktung aber fragen, welche Imagefaktoren für ein Unternehmen relevant sind. Das ist nicht zwangsläufig die Sympathie, sondern es können auch andere Imagewerte sein, die eine Werbefigur transportiert. Einzig darüber, dass man sympathisch ist, wird man nicht unbedingt die Werbe-Ikone. Natürlich hat Vettel nun unglaublichen Rückenwind, aber er muss sich jetzt auch von anderen differenzieren. So wie Schumacher damals, der weniger für Sympathie stand, sondern für einen unglaublichen Siegeswillen und für fast maschinenartige Zeiten, die er hingelegt hat. Da muss Vettel noch mehr Profil zeigen. Die Vermarktbarkeit ist aber auf jeden Fall da.“ Und schon 2008 hat laut Bild Willy Weber, der Michael Schumacher zum Multi-Millionär gemacht hat, ihm angeboten, auch sein Manager zu werden. „Wenn der Sebastian Vettel weiter so einen Erfolg haben will, muss er sich freischwimmen. Sonst bringt ihn der Hype irgendwann um. Und er hat bald keine Zeit mehr, sich um sein Auto zu kümmern. Bei Michael und mir war die Arbeitsteilung klar: Er ist gefahren und ich habe den Rest gemacht.“ Und: „Die Formel 1 verzeiht keine Fehler. Auch deshalb ist ein Manager, Freund und Beschützer so wichtig.“

Das Yas Hotel in Abu Dhabi, eine der faszinierendsten, futuristischsten und zugleich elegantesten Unterkünfte der Welt, liegt direkt am Yas Marina Circuit.

Social Network

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Die Grafik zeigt Ausschnitte vom Sepang International Circuit, Malaysia. Die meisten Fahrer, Teambeteiligten und Fans kommen sehr gerne hierher, denn die Rennstrecke mit 21 Runden à 5,548 km, fünf Linkskurven, 10 Rechtskurven und ihren zwei Startund Zielgeraden, die fast parallel verlaufen, zählt zu den schönsten Strecken in der Formel 1.

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von Burkhard Gruß

Leben auf der

Überholspur In kurzer Zeit hat sich das junge Talent Sebastian Vettel zum neuen deutschen Hoffnungsträger in der Formel 1 gemausert. Viele sehen in dem ehemaligen Red-Bull-Junior den legendären Nachfolger von Rekordweltmeister Michael Schumacher. raumbrand ging dem nach.

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gen wäre es Blödsinn, den Glauben auf den Titel bereits jetzt in den Sand zu schmeißen, sondern ich werde weiter kämpfen.“

Vettels Erfolgsgeheimnis Nie den Glauben an sich zu verlieren, ist eines der Erfolgsgeheimnisse Sebastian Vettels. Mit seinen gerade mal 23 Jahren hat er bereits heute eine enorme mentale Stärke entwickelt, die ihn Rückschläge scheinbar locker wegstecken lassen. „Hätte wenn und aber, ich rechne mir nichts vor, sondern gebe bei den letzen Rennen wie immer mein bestes. Ich male die Dinge nicht schwarz, bin Optimist und werde bis zum Ende kämpfen“, erklärte Vettel vor den fina-

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Fotos: © Red Bull Racing / Getty Images; © imago

Beim drittletzten Rennen der Saison startete Sebastian Vettel von der Pole Position in den Großen Preis von Korea. Doch statt des erhofften Sieges blieb Vettel mit einem Motorschaden auf der Strecke liegen. Mit 25 Punkten hinter Fernando Alonso, 14 hinter Teamkollege Mark Webber und vier hinter Lewis Hamilton ging es in die letzten beiden GP’s nach Brasilien und Abu Dhabi. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, zeigt sich Sebastian Vettel kämpferisch und glaubte immer noch an den WM-Titel: „Na ja, ich denke mal, dass es besser gewesen wäre, wenn wir die 25 Punkte mitnehmen hätten können. Das macht alles ein bisschen schwieriger, aber aufgegeben wird nicht. Denn mathematisch bin ich noch voll im Rennen, deswe-


2009 fand zum ersten Mal ein Grand Prix auf dem Yas-Marina-Circuit von Abu Dhabi statt. Auf dem Gelände der 5,554 Kilometer langen Strecke steht in unmittelbarer Nähe zum Yachthafen das Yas Hotel. Eine langsamere Passage des Grand-Prix-Kurses verläuft direkt durch diese FünfSterne-Herberge. Das Yas Hotel verfügt über zwei Teile, die durch eine ins Gebäude integrierte Brücke miteinander verbunden sind. Luxus pur: Gäste genießen den Hotelservice und sehen unter sich die Formel-1-Boliden durchdonnern. Fans von Sebastian Vettel erlebten hier bisher nur tolle Momente: 2009 und 2010 passierte „Seb“ hier als erster die Ziellinie – 2010 bedeutete der Erfolg gleichzeitig den Gewinn der Weltmeisterschaft.

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Sebastian Vettel

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len Rennen. Am Ende gab es zwei GP-Siege und den WMTitel. „Jung, schnell und symphatisch“, das sind die Worte des Formel-1-Chefs Bernie Ecclestone zum neuen Meister in der Königsklasse des Motorsports. Der Zimmermannssohns aus dem hessischen Heppenheim bricht, wenn man so will, gleich mehrere Rekorde. Die Aufzählung könnte lauten: jüngster Pilot auf Pole Position, jüngster Spitzenreiter in einem Grand Prix, jüngster Rennsieger und jetzt jüngster Weltmeister. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Statt wochenlang durchzufeiern, saß Vettel wenige Tage später schon wieder im Cockpit seines „Bullen“: Er testete bereits für die neue Saison.

Leidenschaft und Disziplin Diese Leidenschaft und Disziplin sind ein weiterer Mosaikstein in Vettels Erfolgsgeheimnis. Brachiale Konzentration und Kompromisslosigkeit à la Michael Schumacher. Und natürlich die körperliche Fitness. Mit einer Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining arbeitet er täglich an seiner Leistungsfähigkeit. Denn Sebastian Vettel weiß, dass nur ein topfitter Pilot selbst in der letzten Rennrunde seinen Wagen fehlerfrei durch die Kurven bringt. Ein Formel-1Fahrer muss genauso fit sein wie ein Fußballprofi: „Auf jeden Fall. Man darf sich einen Grand Prix nicht vorstellen wie eine Fahrt auf der Autobahn von München nach Ham-

burg. Es wirken enorme Kräfte auf den Körper ein, und man braucht viel Kraft, um das Auto zu lenken.“ Sein Tag beginnt mit einem dreistündigen Ausdauertraining. Mit Fahrradfahren, Laufen oder Schwimmen. Am Nachmittag gibt es noch eine dreistündige Session, die den Muskelaufbau fördern soll. Neben der Arbeit an Fitnessgeräten gehören dazu auch Badminton- oder Tennisspiele gegen seinen Trainer. Dass er dabei seit seinem Karrieerestart auf der Kartbahn ein Fahrgefühl entwickelt, dass seinesgleichen sucht, bringt sogar Red-Bull-Teamchef Christian Horner ins Schwärmen: „Er hat eine unglaubliche Fahrzeugbeherrschung. Dabei, und das ist einfach unglaublich, verbraucht er relativ wenig Sprit.“ Und: „Er wird noch ein paarmal Champion werden“, versprach der sichtlich überwältigte Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz. Vettel meint cool: „Man kann über Rekorde diskutieren, aber sie sind da, um gebrochen zu werden.“ Und: Sebastian Vettel kann sich auch freuen. „Als ich mein erstes Formel-1-Rennen, den Großen Preis von Italien in Monza, gewonnen habe. Es hatte geregnet und obwohl unser Auto eigentlich unterlegen war, kamen wir als erste ins Ziel. Die Bilder vom Podestplatz gehen einem nie aus dem Kopf. Wie die Leute da unten stehen, alle jubeln, die Hymne wird gesungen, man kriegt den Pokal, reißt ihn in den Himmel – es war ein fantastisches Gefühl.“ Burkhard Gruß, freier Sportjournalist in München. Er war bei Ayrton Sennas erstem Grand-Prix-Sieg 1985 zwanzig Jahre alt.

So alt waren die Formel-1-Fahrer beim Gewinn ihres ersten Weltmeistertitels (ab 1985) 23 Jahre, 134 Tage: Sebastian Vettel, 2010 23 Jahre, 10 Monate: Lewis Hamilton, 2008 24 Jahre: Fernando Alonso, 2005 25 Jahre: Michael Schumacher, 1994 26 Jahre: Jacques Villeneuve, 1997 28 Jahre: Kimi Raikkönen, 2007

28 Jahre: Ayrton Senna, 1988 29 Jahre: Jenson Button, 2010 30 Jahre: Mika Häkkinen, 1998 30 Jahre: Alain Prost, 1985 36 Jahre: Damon Hill, 1996 39 Jahre: Nigel Mansell, 1992

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Im zarten Alter von acht Jahren beginnt 1995 Sebastian Vettels Motorsportkarriere auf der Kartbahn. Mit 14 gewinnt er die Deutsche Juniorenmeisterschaft und wird Europameister. Gerade mal 16 Jahre alt wechselt er in die Formel BMW ADAC und feiert die Vizemeisterschaft. Ein Jahr später gewinnt er dort 18 von 20 Rennen: Meister im Formel BMW ADAC Championat. Es folgt 2005 Vettels Wechsel in die nächsthöhere Rennserie, die Formel 3 Euro-Serie. Dort schafft der mittlerweile 17-Jährige auf Anhieb Platz fünf im Abschlussklassement und wird RookieChampion. Im Jahr darauf sieht er drei Mal als erster die Zielflagge, gewinnt die Vize-Meisterschaft und darf zur Belohnung in Jerez, Spanien, für BMW Sauber in der Formel 1 Wagen testen. Schnell lernt er dort die harten Regeln der Königsklasse kennen: Als Reservepilot kassiert er beim Freitagstraining während des Grand Prix der Türkei in Istanbul seine erste Strafe wegen Zuschnellfahrens in der Boxengasse. Der Stress mit den Rennstewards tut dem unaufhaltbaren Weg an die Spitze der Formel 1 keinen Abbruch. 2007 startet Vettel für das Team BMW Sauber in Indianapolis beim Grand Prix der USA. Er wird Achter und holt damit seinen ersten WM-Punkt. Beim Großen Preis von Ungarn auf dem Hungaroring sitzt er erstmals im Ferrari-Cockpit des Teams Scuderia Toro Rosso. Und darf auch die weiteren Rennen für das Team bestreiten. Die Saison 2008 beginnt er als Formel-1-Stammpilot der Scuderia Toro Rosso. Beim Italien GP in Monza ist Vettel der Schnellste beim Qualifying und steht somit mit 21 Jahren und 72 Tagen als jüngster Fahrer auf der Pole Position. Beim Rennen setzt er einen Tag später noch einen drauf: Er gewinnt den Grand Prix von Italien und wird jüngster Formel1-Sieger aller Zeiten. Zur Belohnung darf er in ein Team mit Meisterambitionen wechseln: zu Red Bull Racing. Am Steuer des Renault gewinnt er vier Grand Prix: China, Großbritannien, Japan und Abu Dhabi. Mit elf Punkten Rückstand auf Jenson Button wird er Vize-Weltmeister. Ein Jahr später gewinnt er fünf Rennen und schafft einen weiteren Rekord: Sebastian Vettel wird jüngster Formel-1-Weltmeister aller Zeiten.

Vettels Rennsportkarriere

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Formel-1-Team Red Bull Racing 2011 ist das siebte Jahr, in dem Red Bull Racing in der Formel 1 mitmischt. Zuvor agierte Red Bull als Sponsor des Teams Sauber und hatte mit Gerhard Berger den ersten Formel-1-Piloten unter Vertrag. Im November 2004 weitete Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz das Engagement aus: Er übernahm das finanziell angeschlagene Jaguar-Team und startete 2005 erstmals mit Red Bull Racing in die F1-Saison. Im Cockpit des Boliden vom Typ RB1 saßen damals David Coulthard und Christian Klien. 2006 durfte ein RedBull-Pilot erstmals auf das Siegertreppchen: In Monaco fuhr David Coulthard als Dritter über die Ziellinie. Auf den ersten Grand-Prix-Sieg mussten die Limonaden-Renner jedoch bis 2009 warten: Beim dritten Rennen der Saison feierten die Bullenpiloten Sebastian Vettel und Mark Webber in Shanghai, China, einen Doppelerfolg. 2010 war der Rennstall Red Bull Racing mit Sitz im englischen Milton Keynes das Maß aller Dinge in der Formel 1: Weltmeister sowohl in der Team- als auch in der Fahrerwertung.

Sebastian Vettel

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Die unglaubliche Red-BullErfolgs­story Der österreichische Marketing-Experte Dietrich Mateschitz lernte 1982 auf einer Dienstreise die in Asien populären „Tonic Drinks“ kennen. Er entwickelte die Idee, Energy Drinks auch in Europa auf den Markt zu bringen. 1984 gründete Mateschitz Red Bull. Nach der Verfeinerung der Rezeptur des Muntermachers und der Entwicklung eines Marketingkonzepts wurde es 1987 im österreichischen Markt eingeführt. Die Mixtur besteht aus Koffein, Vitaminen, der Aminosäure Taurin und anderen Substanzen, die den Organismus zu besonderen, lang anhaltenden Anstrengungen befähigen sollen. Mittlerweile arbeiten 6.900 Mitarbeiter für Red Bull, das Headquarter ist in Fuschl am See, nahe Salzburg (Österreich). Heute werden in 160 Ländern pro Jahr ca. 4 Milliarden Dosen Red Bull verkauft. Übrigens hat Red Bull keine eigenen Produktionsstätten, sondern lässt das Getränk bei der Firma Rauch Fruchtsäfte in Nüziders (Vorarlberg) produzieren und abfüllen. Für den amerikanischen Markt wird es auch von Rauch in der Schweiz abgefüllt. Mit diesem Schachzug will Red Bull verhindern, in Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA hineingezogen zu werden. Getreu ihrem Werbeslogan „Red Bull verleiht Flügel“ sponsert die Firma zahlreiche Sportler und sportliche Veranstaltungen. Wintersportler wie der österreichische Skisprungweltmeister Thomas Morgenstern oder der US-Amerikaner Shawn White, der Snowboarder des 21. Jahrhunderts, tragen das Bullen-Logo auf dem Helm oder der Mütze. Dazu unterstützt der Limonadenhersteller Extremsportevents wie die Freestyle-Motocross-Serie „Red Bull X-Fighters“, die Flugzeugrennen „Red Bull Air Race Series“ , die Wasserspringer beim „Red Bull Cliff Diving“ oder das Eisrennen „Red Bull Crashed Ice“. Bei dieser eiskalten Sportvariante stürzen sich jeweils vier Eishockeyspieler gleichzeitig eine Eisbahn hinunter – vergleichbar mit Skicross auf einer Eispiste. Außerdem engagiert sich Red Bull mit zwei Teams in der Formel 1 – Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso – sowie im Fußball beim österreichischen Erstligisten Red Bull Salzburg. Sie haben noch ­keinen Code-Reader für Ihr Handy? Senden Sie eine SMS mit NEO an +49 177 17 80 450 (Kosten: SMS & Daten­ verbindung lt. Ihrem ­Mobilfunkvertrag)

54 Sebastian Vettel

Soziale Netzwerke wie Podcast, Facebook, Twitter und Co. haben derzeit Hochkonjunktur – auch in der Formel 1. Die Kommunikationswege haben sich nicht nur beschleunigt, sondern auch weitgehend verändert. Die Generation Z oder auch Digital Natives genannt, lebt Ihnen das heutige Kommunikationsverhalten im Web vor. Sebastian Vettel ist überall – und auch mit eigener Website – präsent. Doch er selbst ist kein großer Freund dieser Tools und des Internets insgesamt. Viel lieber tritt er mit seinen Freunden und Bekannten persönlich in Kontakt. „An meinem Wohnsitz in der Schweiz habe ich schon einige Freunde, aber eher noch wenige, aber ich bin auch mit den alten Kumpels in Deutschland in Kontakt. Aber nicht über Facebook und dergleichen, so was mache ich nicht“, erklärt er im Interview mit der Welt. Sebastian Vettel steht für Natürlichkeit. Bislang handelt er recht erfolgreich alle seine Verträge selbst aus. „Dass er die Fäden in der Hand hält, zeichnet ihn sicher ein Stück weit aus. Er ist ein ‚Self-Made-Man‘, was bei seiner Jugend außergewöhnlich ist. Das sind Werte,“ so Cordes, „die man weiterverfolgen kann.“ Bei Gesprächen über Testimonials von Red Bull spielt in 86 Prozent der Fälle der als besonders sympathisch wahrgenommene Sebastian Vettel die Hauptrolle. Er kann bei der Vermarktung von seiner sympathischen und natürlichen Art profitieren, so Marcel Cordes, Vorstandsmitglied von Sport+Markt, einem Forschungs- und Beratungsunternehmen im internationalen Sportbusiness mit Sitz in Köln, im Handelsblatt: „Vettel (hat) die besten Sympathiewerte aller deutschen Fahrer. Das mag verwundern, da viele denken würden, Michael Schumacher wäre der Sympathieträger im deutschen Motorsport. Aber das stimmt insofern nicht, weil Michael Schumacher nie der sympathischste Fahrer war. Er war immer der faszinierendste. Man muss sich für die Vermarktung aber fragen, welche Imagefaktoren für ein Unternehmen relevant sind. Das ist nicht zwangsläufig die Sympathie, sondern es können auch andere Imagewerte sein, die eine Werbefigur transportiert. Einzig darüber, dass man sympathisch ist, wird man nicht unbedingt die Werbe-Ikone. Natürlich hat Vettel nun unglaublichen Rückenwind, aber er muss sich jetzt auch von anderen differenzieren. So wie Schumacher damals, der weniger für Sympathie stand, sondern für einen unglaublichen Siegeswillen und für fast maschinenartige Zeiten, die er hingelegt hat. Da muss Vettel noch mehr Profil zeigen. Die Vermarktbarkeit ist aber auf jeden Fall da.“ Und schon 2008 hat laut Bild Willy Weber, der Michael Schumacher zum Multi-Millionär gemacht hat, ihm angeboten, auch sein Manager zu werden. „Wenn der Sebastian Vettel weiter so einen Erfolg haben will, muss er sich freischwimmen. Sonst bringt ihn der Hype irgendwann um. Und er hat bald keine Zeit mehr, sich um sein Auto zu kümmern. Bei Michael und mir war die Arbeitsteilung klar: Er ist gefahren und ich habe den Rest gemacht.“ Und: „Die Formel 1 verzeiht keine Fehler. Auch deshalb ist ein Manager, Freund und Beschützer so wichtig.“

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Das Yas Hotel in Abu Dhabi, eine der faszinierendsten, futuristischsten und zugleich elegantesten Unterkünfte der Welt, liegt direkt am Yas Marina Circuit.

Die Grafik zeigt Ausschnitte vom Sepang International Circuit, Malaysia. Die meisten Fahrer, Teambeteiligten und Fans kommen sehr gerne hierher, denn die Rennstrecke mit 21 Runden à 5,548 km, fünf Linkskurven, 10 Rechtskurven und ihren zwei Startund Zielgeraden, die fast parallel verlaufen, zählt zu den schönsten Strecken in der Formel 1.

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Als Vorgeschmack auf einen gewaltigen Supersportwagen enthüllte Porsche auf der North American International Auto Show in Detroit eine neue Rennversion, die mehr als beeindruckt: Der Porsche 918 RSR ist die HighEnd-Synthese aus den erfolgreichen Porsche-Hybrid-Konzepten: Ein Mittelmotorcoupé mit Schwungradspeicher. Der V8-Motor mit Benzindirekteinspritzung ist eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Rennmotors aus dem Porsche-Rennwagen RS Spyder und leistet im 918 RSR nun 563 PS bei 10.300 / min. Jeweils ein Elektromotor pro Vorderrad liefert zusätzlich 75 kW, also insgesamt 150 kW, zu einer maximalen Antriebsleistung von 767 PS. Diese Zusatzleistung wird bei Bremsvorgängen gewonnen und in einem sogenannten Schwungradspeicher konserviert. Der Schwungradspeicher, im 918 RSR auf der Beifahrerseite platziert, ist eine Elektromaschine, deren Rotor mit bis zu 36.000 Umdrehungen pro Minute kreist, um Energie zu speichern. Aus dem geladenen Schwungradspeicher kann der Pilot auf Knopfdruck dessen Energie abrufen und bei Beschleunigungs- oder Überholvorgängen einsetzen. Diese „Porsche Intelligent Performance“ bedeutet eine weitere Erforschung von M

Logik

Dass David Chipperfield überhaupt dazu kam, ein Türklinkenprogramm (in Aluminium, Edelstahl und Bronze) entwerfen zu wollen, wurzelt in dem Wunsch, Gebäude mit Beschlägen auszustatten, die die architektonische Philosophie seines Handelns nicht nur zum Ausdruck bringen, sondern auch erhöhen. Chipperfields Entwurf für FSB ist durch die Vorreiter der Moderne sowie durch die Philosophie eines Ludwig Wittgenstein geprägt, wobei er auch die gleiche logische Klarheit anstrebt. Sein Entwurf basiert auf einem formalen Konzept, das allen ästhetischen und funktionalen Anforderungen gerecht wird und so der zugrundeliegenden Philosop hie s

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Das modulare Regalsystem CUBIT im zeitlos modernen Look ist die zeitgemäße Antwort auf sich wandelnde Wohn- und Arbeitswelten. Flexibilität pur, die 21 unterschiedlichen Module werden zum Tisch oder Sideboard, zum Buch- oder CD-Regal, Display oder Tresen. Sie lassen sich stellen, stapeln oder hängen, wachsen über sich hinaus, schmiegen sich ums Eck, ducken sich unter Wandschrägen, bilden Gruppen oder bleiben allein. Frech durchmischt signalisieren die Würfel kreativen Individualismus, klassisch arrangiert Understatement. Dank des patentierten Steck- und Klammersystems bleibt die Montage kinderleicht. Und: Cubit nimmt nicht nur auf wechselnde Raumsituationen Rücksicht, sondern auch auf kleinere Budgets. Weil alle Elemente miteinander kombinierbar sind, kann man mit wenigen beginnen und Stück für Stück erweitern. Die Preise liegen zwischen 16 und 38 € je Modu l. M it

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Mobilität

Skulpturale Mit dem kraftvoll, muskulösem „Diablo“ und dem ästhetisch eleganten, aerodynamischen „Alize“ schufen der Windsurf-Champion Neil Pryde und die BMW Group Tochter Designworks USA skulpturale, kompromisslose Hochleistungsräder. Das Design der Rennräder ist ein deutliches Signal für den Aufbruch des Unternehmens in eine neue Dimension von Mobilität. Das markante, muskulöse Erscheinungsbild der Räder wurde von der Spannung aus der Sportgeschichte von Neil Pryde inspiriert und zeigt sich in skulpturalen Oberflächen und höchster Sorgfalt bei allen Details. Damit werden neue Maßstäbe für High-Performance-Rennräde r ge se e sich, g , di tz t

Moderne Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts verdient ein ebenso modernes Gebäude und die dazu passenden Möbel. Dieser spannenden Aufgabe stellten sich die Berliner Architekten Sauerbruch Hutton, als sie den Auftrag für das Museum Brandhorst in München bekamen. Für das Museum wurden drei verschiedene Sitzmöbel entworfen, die in der Cafeteria, im Foyer und in den Besprechungs- oder Vortragsräumen ihren Einsatz fanden. ClassiCon entwickelte die Entwürfe in enger Zusammenarbeit mit den Architekten zur Serienreife. Neben der formalen und qualitativ anspruchsvollen Zielsetzung wurde die starke Beanspruchung im öffentlichen Raum berücksichtigt und die Belastbarkeit durch diverse Testverfahren sichergestellt. Ein Architektenstuhl, der nicht nur für seine Stabilität, Strapazierbarkeit und Sicherh eit nu


Utopia now!

Utopia now!

Ruhms

Bjarke Ingels hat es geschafft, internationales Ansehen zu erlangen. Er steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren. raumbrand auf der Suche nach seinem Erfolgsrezept. von Jan Esche

Pragmatischer Utopismus Die Methoden, Lösungsansätze und Arbeitsabläufe der Gruppe sind so unkonventionell, unvorhersehbar und produktiv wie die Welt um sie herum. Architektur wird für Bjarke Ingels seit jeher von zwei konträren Extremen beherrscht. „Auf der einen Seite eine Avantgarde voll wilder Ideen – oft so realitätsfern, dass sie meist kuriose Randerscheinungen bleiben. Auf der Gegenseite eine Riege gut organisierter Unternehmensberater, die vorhersehbar langweilige, aber qualitativ hochwertige Klötze bauen.“ Die Architektur scheint fest zwischen diesen beiden gleich unfruchtbaren Gebieten zu wurzeln: zwischen naiv-utopisch und bis zur Erstarrung pragmatisch. „Statt sich für eine Seite zu entscheiden, agiert BIG im fruchtbaren Schnittbereich. Unser Ansatz: eine pragmatisch-utopische Architektur, die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch perfekte Orte zu schaffen.“

Evolution

Yes is More. Ein Archicomic zur Evolution der Architektur Bjarke Ingels Taschen, Köln, 2010 EUR 19,90 ISBN 978-3-8365-2524-4 weitere Buchtipps auf Seite 21

58 Bjarke Ingels Group

Architektur als ein Weg, Unterschiede zu integrieren, nicht durch das Eingehen von Kompromissen oder die Entscheidung für eine Seite, sondern durch die Verknüpfung konträrer Interessen in einem gordischen Knoten aus neuen Ideen. Architektur als eine Haltung, Methoden, Prozesse, Instrumente und Konzepte immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren. „Eine Architektur, die nicht aus-, sondern einschließt. Die konzeptionell nicht eingeschränkt wird durch die eheähnliche Bindung an Interessen oder Ideen eines Einzelnen. Eine Architektur, bei der man sich nicht zu entscheiden hat zwischen öffentlich oder privat, verdichtet oder offen, Innenstadt oder Vorort, Atheist oder Moslem, erschwinglichem Wohnraum oder Fußballplätzen. Eine Architektur, die es gestattet, zu allen Aspekten des Lebens ja zu sagen, wie gegensätzlich sie auch sein mögen!“ Architektur resultiert aus verschiedensten Problemen in der Gesellschaft und beantwortet sie gleichzeitig,

wie es Bjarke Ingels einmal in Volume umriss. „Uns interessiert das Grundphänomen der Veränderung.“ Und: „Wenn eine Stadt nicht die Lebensbedingungen bietet, die wir uns wünschen, müssen wir sie ändern. Wir haben die Architektur erschaffen, wir haben die Stadt erschaffen – also können wir sie auch neu erschaffen, verändern, entwickeln.“ Dabei wird für ihn die Idee einer proaktiven Architektur immer interessanter, seinen eigenen Auftrag zu entwickeln und jemand anderen dazu bringen zu können, das Projekt haben zu wollen. Die Architekten haben sich mit dem Gedanken einer pragmatischen Utopie beschäftigt und versucht, das Streben der Moderne nach großen Ideen wiederzubeleben. „Nicht nur als Mittel zur Selbstverwirklichung, viel mehr noch, um der Welt ein Mittel zu geben, sich immer wieder selbst zu erneuern.“ Der Architekt als Hebamme bei dieser ständigen Wiedergeburt einer Welt, in der wir leben möchten, als Think Big und Unit Control.

Bjarke Ingels Gemeinsam mit den 85 Architekten, Designern und Denkern der Bjarke Ingels Group mit Sitz in Kopenhagen arbeitet der 36-jährige Däne derzeit an Projekten in Kasachstan, Mexiko und zahlreichen anderen Ländern. Seine unkonventionellen Entwürfe

zeichnen sich durch die frische Heransgehensweise an komplexe urbane Zusammenhänge aus und schlagen mit einfachen Mitteln neue Typologien vor. Ingels war Mitarbeiter im Office for Metropolitan Architecture und Mitbegründer von

Plot Architects, bevor er sich 2005 mit BIG selbstständig machte. Er wurde unter anderem 2004 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem Preis des World Architecture Festivals 2008 ausgezeichnet.

Yes is more Architektur hängt für Bjarke Ingels von glücklichen Zufällen und Gelegenheiten ab. Das bedeutet, spontan auf Chancen zu reagieren, zu improvisieren, Ideen abzuwandeln und sie für seine Zwecke neu zu interpretieren. „Die Geschichte, die am Ende dabei herauskommt, wird oft erst im Rückblick verständlich.“ Es geht ihm um Architektur als Verhandlungssache, um einen Schritt in der Evolutionskette und um den uneingeschränkten Glauben, dass wir alle die Welt voranbringen können. Frei von Ideologien und Generationskämpfen: Das tradierte Bild eines radikalen Architekten ist das des „Angry Young Man“, der gegen das Establishment rebelliert. Avantgarde definiert sich nicht durch das, was sie bejaht, sondern durch das, was sie ablehnt. „Aber muss der Versuch, alle Seiten glücklich zu machen, auf Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen? Wäre der schier unmögliche Salto zu schaffen, sich so zu drehen, zu schrauben und zu wenden, dass alle Wünsche erfüllt werden können, ohne dabei jemand auf die Füße zu treten?“ Keine Revolution, keine Dogmatik, selbst die dialektischen Gräben Form und Funktion, Ökologie und Ökonomie sind bedeutungslos. „Mehr als Revolution interessiert uns Evolution.“ Bjarke Ingels will beweisen, dass soziale Verantwortung und Spieltrieb zusammen gehen. „Wir fragen, wie Nachhaltigkeit Spaß machen kann“, so jüngst in der ZEIT. Architektur als gemeinsamer Prozess für eine neue Lebensqualität, kein einfacher Weg, aber der Erfolg gibt Bjarke Ingels Recht – und macht Mut. München war froh, diesen ebenso agilen und eloquenten wie charmanten und humorvollen Vordenker hiergehabt zu haben, manch einer konnte sich eine Scheibe abschneiden.

raumbrand 1.11

Fotos: © BIG, © Ulrik Jantzen, © Jonas Barre, © Carsten Kring, © Mads Hilmer, © Johan Fowelin, © Esben Bruun, © Jimmy Cohrssen

München war da, alles, was Rang und Namen und Geld hat. Klar, dass es an Schaulustigen nicht gemangelt hat, wo es doch um Architektur und um die Kultivierung des Schönen und Anspruchsvollen ging. Sie hatten sich auf den Weg in Richtung Museumsquartier gemacht, in die kleine und feine Architekturgalerie. Ein Gedrängel, ein Geschiebe, ein Gewusel, jeder wollte Bjarke Ingels, den Shootingstar der internationalen Architektenszene erleben. Schon lange fällt der smarte Däne, der nun auch in Harvard lehrt, durch unorthodoxe Entwürfe auf. Sein prämiertes „Mountain Dwellings“ in Kopenhagen oder der dänische Pavillon in Shanghai zeigen, dass der Begriff Architektur noch erweiterbar ist. Ein Blick durchs Schlüsselloch in die Ideenschmiede Bjarke Ingels Group s. Seite 14

Bjarke Ingels hat es geschafft, internationales Ansehen zu erlangen. Er steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren. raumbrand auf der Suche nach seinem Erfolgsrezept.

Das Rathaus in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Versuch, Demokratie mit einem architektonischen Konzept zu verbinden: „Gute Stadtpolitik und das Teilhaben an Demokratie sind nur möglich, wenn es dafür die nötige Transparenz gibt. „… Demokratie leben heißt, dass die Öffentlichkeit Einblicke in die politischen Prozesse erhält.“

raumbrand 1.11

Bjarke Ingels Group

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Die Nationalbibliothek Kaschstan: Ein Kreis, eine Rotunde, ein Bogen und eine Jurte geraten zu einer Endlos-Schleife, die mit einem spektakulären Doppel-Looping ihre Form vollendet. Die Idee, Form und Klarheit der linearen Organisation vereint Raum und Zeit zu einem neuen NationalSymbol, ein modernes, zeitloses und effizientes Bücherarchiv, das die Öffentlichkeit erreicht.

Charakteristisch geknickte Blöcke mit gezackten Balkonen und über 80 verschiedenen Wohnungstypen: Mit dem Wohnblock „VM-House“ im neuen Stadtviertel Ørestad in Kopenhagen hat BIG seine Vision von urbaner Dichte in der Peripherie in die Realität umgesetzt.

Das World Village of Women Sports in Malmö als eine „Stadt in der Stadt“: Die massive Blockrandbebauung mit den städtebaulich überhöhten Ecken wird durch große Einschnitte und Terrassierung der Baukörper geöffnet. Die öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze im Inneren des Komplexes sind frei zugänglich und sollen dem Zentrum ein eher „dörfliches“ Ambiente geben.

Preisgekrönt für den phantasievollen Umgang mit eingeschränkten Mitteln und die geschickte Verbindung von außen und innen: Die über verunreinigtes Erdreich gelegte durchgängige Holzplattform aus Terrassen, Hügeln und Räumen des Maritime Youth House am Öresund in Kopenhagen.

60 Bjarke Ingels Group

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von Jan Esche

Pragmatischer Utopismus Die Methoden, Lösungsansätze und Arbeitsabläufe der Gruppe sind so unkonventionell, unvorhersehbar und produktiv wie die Welt um sie herum. Architektur wird für Bjarke Ingels seit jeher von zwei konträren Extremen beherrscht. „Auf der einen Seite eine Avantgarde voll wilder Ideen – oft so realitätsfern, dass sie meist kuriose Randerscheinungen bleiben. Auf der Gegenseite eine Riege gut organisierter Unternehmensberater, die vorhersehbar langweilige, aber qualitativ hochwertige Klötze bauen.“ Die Architektur scheint fest zwischen diesen beiden gleich unfruchtbaren Gebieten zu wurzeln: zwischen naiv-utopisch und bis zur Erstarrung pragmatisch. „Statt sich für eine Seite zu entscheiden, agiert BIG im fruchtbaren Schnittbereich. Unser Ansatz: eine pragmatisch-utopische Architektur, die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch perfekte Orte zu schaffen.“

Evolution

Yes is More. Ein Archicomic zur Evolution der Architektur Bjarke Ingels Taschen, Köln, 2010 EUR 19,90 ISBN 978-3-8365-2524-4 weitere Buchtipps auf Seite 21

58 Bjarke Ingels Group

Architektur als ein Weg, Unterschiede zu integrieren, nicht durch das Eingehen von Kompromissen oder die Entscheidung für eine Seite, sondern durch die Verknüpfung konträrer Interessen in einem gordischen Knoten aus neuen Ideen. Architektur als eine Haltung, Methoden, Prozesse, Instrumente und Konzepte immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren. „Eine Architektur, die nicht aus-, sondern einschließt. Die konzeptionell nicht eingeschränkt wird durch die eheähnliche Bindung an Interessen oder Ideen eines Einzelnen. Eine Architektur, bei der man sich nicht zu entscheiden hat zwischen öffentlich oder privat, verdichtet oder offen, Innenstadt oder Vorort, Atheist oder Moslem, erschwinglichem Wohnraum oder Fußballplätzen. Eine Architektur, die es gestattet, zu allen Aspekten des Lebens ja zu sagen, wie gegensätzlich sie auch sein mögen!“ Architektur resultiert aus verschiedensten Problemen in der Gesellschaft und beantwortet sie gleichzeitig,

wie es Bjarke Ingels einmal in Volume umriss. „Uns interessiert das Grundphänomen der Veränderung.“ Und: „Wenn eine Stadt nicht die Lebensbedingungen bietet, die wir uns wünschen, müssen wir sie ändern. Wir haben die Architektur erschaffen, wir haben die Stadt erschaffen – also können wir sie auch neu erschaffen, verändern, entwickeln.“ Dabei wird für ihn die Idee einer proaktiven Architektur immer interessanter, seinen eigenen Auftrag zu entwickeln und jemand anderen dazu bringen zu können, das Projekt haben zu wollen. Die Architekten haben sich mit dem Gedanken einer pragmatischen Utopie beschäftigt und versucht, das Streben der Moderne nach großen Ideen wiederzubeleben. „Nicht nur als Mittel zur Selbstverwirklichung, viel mehr noch, um der Welt ein Mittel zu geben, sich immer wieder selbst zu erneuern.“ Der Architekt als Hebamme bei dieser ständigen Wiedergeburt einer Welt, in der wir leben möchten, als Think Big und Unit Control.

Bjarke Ingels Gemeinsam mit den 85 Architekten, Designern und Denkern der Bjarke Ingels Group mit Sitz in Kopenhagen arbeitet der 36-jährige Däne derzeit an Projekten in Kasachstan, Mexiko und zahlreichen anderen Ländern. Seine unkonventionellen Entwürfe

zeichnen sich durch die frische Heransgehensweise an komplexe urbane Zusammenhänge aus und schlagen mit einfachen Mitteln neue Typologien vor. Ingels war Mitarbeiter im Office for Metropolitan Architecture und Mitbegründer von

Plot Architects, bevor er sich 2005 mit BIG selbstständig machte. Er wurde unter anderem 2004 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem Preis des World Architecture Festivals 2008 ausgezeichnet.

Yes is more Architektur hängt für Bjarke Ingels von glücklichen Zufällen und Gelegenheiten ab. Das bedeutet, spontan auf Chancen zu reagieren, zu improvisieren, Ideen abzuwandeln und sie für seine Zwecke neu zu interpretieren. „Die Geschichte, die am Ende dabei herauskommt, wird oft erst im Rückblick verständlich.“ Es geht ihm um Architektur als Verhandlungssache, um einen Schritt in der Evolutionskette und um den uneingeschränkten Glauben, dass wir alle die Welt voranbringen können. Frei von Ideologien und Generationskämpfen: Das tradierte Bild eines radikalen Architekten ist das des „Angry Young Man“, der gegen das Establishment rebelliert. Avantgarde definiert sich nicht durch das, was sie bejaht, sondern durch das, was sie ablehnt. „Aber muss der Versuch, alle Seiten glücklich zu machen, auf Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen? Wäre der schier unmögliche Salto zu schaffen, sich so zu drehen, zu schrauben und zu wenden, dass alle Wünsche erfüllt werden können, ohne dabei jemand auf die Füße zu treten?“ Keine Revolution, keine Dogmatik, selbst die dialektischen Gräben Form und Funktion, Ökologie und Ökonomie sind bedeutungslos. „Mehr als Revolution interessiert uns Evolution.“ Bjarke Ingels will beweisen, dass soziale Verantwortung und Spieltrieb zusammen gehen. „Wir fragen, wie Nachhaltigkeit Spaß machen kann“, so jüngst in der ZEIT. Architektur als gemeinsamer Prozess für eine neue Lebensqualität, kein einfacher Weg, aber der Erfolg gibt Bjarke Ingels Recht – und macht Mut. München war froh, diesen ebenso agilen und eloquenten wie charmanten und humorvollen Vordenker hiergehabt zu haben, manch einer konnte sich eine Scheibe abschneiden.

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Fotos: © BIG, © Ulrik Jantzen, © Jonas Barre, © Carsten Kring, © Mads Hilmer, © Johan Fowelin, © Esben Bruun, © Jimmy Cohrssen

München war da, alles, was Rang und Namen und Geld hat. Klar, dass es an Schaulustigen nicht gemangelt hat, wo es doch um Architektur und um die Kultivierung des Schönen und Anspruchsvollen ging. Sie hatten sich auf den Weg in Richtung Museumsquartier gemacht, in die kleine und feine Architekturgalerie. Ein Gedrängel, ein Geschiebe, ein Gewusel, jeder wollte Bjarke Ingels, den Shootingstar der internationalen Architektenszene erleben. Schon lange fällt der smarte Däne, der nun auch in Harvard lehrt, durch unorthodoxe Entwürfe auf. Sein prämiertes „Mountain Dwellings“ in Kopenhagen oder der dänische Pavillon in Shanghai zeigen, dass der Begriff Architektur noch erweiterbar ist. Ein Blick durchs Schlüsselloch in die Ideenschmiede Bjarke Ingels Group s. Seite 14

Das Rathaus in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Versuch, Demokratie mit einem architektonischen Konzept zu verbinden: „Gute Stadtpolitik und das Teilhaben an Demokratie sind nur möglich, wenn es dafür die nötige Transparenz gibt. „… Demokratie leben heißt, dass die Öffentlichkeit Einblicke in die politischen Prozesse erhält.“

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Bjarke Ingels Group

59

Die Nationalbibliothek Kaschstan: Ein Kreis, eine Rotunde, ein Bogen und eine Jurte geraten zu einer Endlos-Schleife, die mit einem spektakulären Doppel-Looping ihre Form vollendet. Die Idee, Form und Klarheit der linearen Organisation vereint Raum und Zeit zu einem neuen NationalSymbol, ein modernes, zeitloses und effizientes Bücherarchiv, das die Öffentlichkeit erreicht.

Charakteristisch geknickte Blöcke mit gezackten Balkonen und über 80 verschiedenen Wohnungstypen: Mit dem Wohnblock „VM-House“ im neuen Stadtviertel Ørestad in Kopenhagen hat BIG seine Vision von urbaner Dichte in der Peripherie in die Realität umgesetzt.

Das World Village of Women Sports in Malmö als eine „Stadt in der Stadt“: Die massive Blockrandbebauung mit den städtebaulich überhöhten Ecken wird durch große Einschnitte und Terrassierung der Baukörper geöffnet. Die öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze im Inneren des Komplexes sind frei zugänglich und sollen dem Zentrum ein eher „dörfliches“ Ambiente geben.

Preisgekrönt für den phantasievollen Umgang mit eingeschränkten Mitteln und die geschickte Verbindung von außen und innen: Die über verunreinigtes Erdreich gelegte durchgängige Holzplattform aus Terrassen, Hügeln und Räumen des Maritime Youth House am Öresund in Kopenhagen.

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Utopia now! Bjarke Ingels hat es geschafft, internationales Ansehen zu erlangen. Er steht für eine neue Generation von Architekten, die scharfsinnige Analyse, spielerisches Experimentieren, soziale Verantwortung und Humor kombinieren. raumbrand auf der Suche nach seinem Erfolgsrezept.

von Jan Esche

Ein Blick durchs Schlüsselloch in die Ideenschmiede Bjarke Ingels Group  s.  Seite 14

Pragmatischer Utopismus Die Methoden, Lösungsansätze und Arbeitsabläufe der Gruppe  sind so unkonventionell, unvorhersehbar und produktiv wie die Welt um sie herum. Architektur wird für Bjarke Ingels seit jeher von zwei konträren Extremen beherrscht. „Auf der einen Seite eine Avantgarde voll wilder Ideen – oft so realitätsfern, dass sie meist kuriose Randerscheinungen bleiben. Auf der Gegenseite eine Riege gut organisierter Unternehmensberater, die vorhersehbar langweilige, aber qualitativ hochwertige Klötze bauen.“ Die Architektur scheint fest zwischen diesen beiden gleich unfruchtbaren Gebieten zu wurzeln: zwischen naiv-utopisch und bis zur Erstarrung pragmatisch. „Statt sich für eine Seite zu entscheiden, agiert BIG im fruchtbaren Schnittbereich. Unser Ansatz: eine pragmatisch-utopische Architektur, die sich zum Ziel setzt, gesellschaftlich, wirtschaftlich und ökologisch perfekte Orte zu schaffen.“

Evolution

Yes is More. Ein Archicomic zur Evolution der Architektur Bjarke Ingels Taschen, Köln, 2010 EUR 19,90 ISBN 978-3-8365-2524-4 weitere Buchtipps auf  Seite 21

58 Bjarke Ingels Group

Architektur als ein Weg, Unterschiede zu integrieren, nicht durch das Eingehen von Kompromissen oder die Entscheidung für eine Seite, sondern durch die Verknüpfung konträrer Interessen in einem gordischen Knoten aus neuen Ideen. Architektur als eine Haltung, Methoden, Prozesse, Instrumente und Konzepte immer wieder in Frage zu stellen und neu zu definieren. „Eine Architektur, die nicht aus-, sondern einschließt. Die konzeptionell nicht eingeschränkt wird durch die eheähnliche Bindung an Interessen oder Ideen eines Einzelnen. Eine Architektur, bei der man sich nicht zu entscheiden hat zwischen öffentlich oder privat, verdichtet oder offen, Innenstadt oder Vorort, Atheist oder Moslem, erschwinglichem Wohnraum oder Fußballplätzen. Eine Architektur, die es gestattet, zu allen Aspekten des Lebens ja zu sagen, wie gegensätzlich sie auch sein mögen!“ Architektur resultiert aus verschiedensten Problemen in der Gesellschaft und beantwortet sie gleichzeitig,

wie es Bjarke Ingels einmal in Volume umriss. „Uns interessiert das Grundphänomen der Veränderung.“ Und: „Wenn eine Stadt nicht die Lebensbedingungen bietet, die wir uns wünschen, müssen wir sie ändern. Wir haben die Architektur erschaffen, wir haben die Stadt erschaffen – also können wir sie auch neu erschaffen, verändern, entwickeln.“ Dabei wird für ihn die Idee einer proaktiven Architektur immer interessanter, seinen eigenen Auftrag zu entwickeln und jemand anderen dazu bringen zu können, das Projekt haben zu wollen. Die Architekten haben sich mit dem Gedanken einer pragmatischen Utopie beschäftigt und versucht, das Streben der Moderne nach großen Ideen wiederzubeleben. „Nicht nur als Mittel zur Selbstverwirklichung, viel mehr noch, um der Welt ein Mittel zu geben, sich immer wieder selbst zu erneuern.“ Der Architekt als Hebamme bei dieser ständigen Wiedergeburt einer Welt, in der wir leben möchten, als Think Big und Unit Control.

Yes is more Architektur hängt für Bjarke Ingels von glücklichen Zufällen und Gelegenheiten ab. Das bedeutet, spontan auf Chancen zu reagieren, zu improvisieren, Ideen abzuwandeln und sie für seine Zwecke neu zu interpretieren. „Die Geschichte, die am Ende dabei herauskommt, wird oft erst im Rückblick verständlich.“ Es geht ihm um Architektur als Verhandlungssache, um einen Schritt in der Evolutionskette und um den uneingeschränkten Glauben, dass wir alle die Welt voranbringen können. Frei von Ideologien und Generationskämpfen: Das tradierte Bild eines radikalen Architekten ist das des „Angry Young Man“, der gegen das Establishment rebelliert. Avantgarde definiert sich nicht durch das, was sie bejaht, sondern durch das, was sie ablehnt. „Aber muss der Versuch, alle Seiten glücklich zu machen, auf Kompromisse oder den kleinsten gemeinsamen Nenner hinauslaufen? Wäre der schier unmögliche Salto zu schaffen, sich so zu drehen, zu schrauben und zu wenden, dass alle Wünsche erfüllt werden können, ohne dabei jemand auf die Füße zu treten?“ Keine Revolution, keine Dogmatik, selbst die dialektischen Gräben Form und Funktion, Ökologie und Ökonomie sind bedeutungslos. „Mehr als Revolution interessiert uns Evolution.“ Bjarke Ingels will beweisen, dass soziale Verantwortung und Spieltrieb zusammen gehen. „Wir fragen, wie Nachhaltigkeit Spaß machen kann“, so jüngst in der ZEIT. Architektur als gemeinsamer Prozess für eine neue Lebensqualität, kein einfacher Weg, aber der Erfolg gibt Bjarke Ingels Recht – und macht Mut. München war froh, diesen ebenso agilen und eloquenten wie charmanten und humorvollen Vordenker hiergehabt zu haben, manch einer konnte sich eine Scheibe abschneiden.

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Fotos: © BIG, © Ulrik Jantzen, © Jonas Barre, © Carsten Kring, © Mads Hilmer, © Johan Fowelin, © Esben Bruun, © Jimmy Cohrssen

München war da, alles, was Rang und Namen und Geld hat. Klar, dass es an Schaulustigen nicht gemangelt hat, wo es doch um Architektur und um die Kultivierung des Schönen und Anspruchsvollen ging. Sie hatten sich auf den Weg in Richtung Museumsquartier gemacht, in die kleine und feine Architekturgalerie. Ein Gedrängel, ein Geschiebe, ein Gewusel, jeder wollte Bjarke Ingels, den Shootingstar der internationalen Architektenszene erleben. Schon lange fällt der smarte Däne, der nun auch in Harvard lehrt, durch unorthodoxe Entwürfe auf. Sein prämiertes „Mountain Dwellings“ in Kopenhagen oder der dänische Pavillon in Shanghai zeigen, dass der Begriff Architektur noch erweiterbar ist.


Bjarke Ingels Gemeinsam mit den 85 Architekten, Designern und Denkern der Bjarke Ingels Group mit Sitz in Kopenhagen arbeitet der 36-jährige Däne derzeit an Projekten in Kasachstan, Mexiko und zahlreichen anderen Ländern. Seine unkonventionellen Entwürfe

zeichnen sich durch die frische Heransgehensweise an komplexe urbane Zusammenhänge aus und schlagen mit einfachen Mitteln neue Typologien vor. Ingels war Mitarbeiter im Office for Metropolitan Architecture und Mitbegründer von

Plot Architects, bevor er sich 2005 mit BIG selbstständig machte. Er wurde unter anderem 2004 mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig und mit dem Preis des World Architecture Festivals 2008 ausgezeichnet.

Das Rathaus in der estnischen Hauptstadt Tallinn als Versuch, Demokratie mit einem architektonischen Konzept zu verbinden: „Gute Stadtpolitik und das Teilhaben an Demokratie sind nur möglich, wenn es dafür die nötige Transparenz gibt. „… Demokratie leben heißt, dass die Öffentlichkeit Einblicke in die politischen Prozesse erhält.“

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Bjarke Ingels Group

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Die Nationalbibliothek Kasachstan: Ein Kreis, eine Rotunde, ein Bogen und eine Jurte geraten zu einer Endlos-Schleife, die mit einem spektakulären Doppel-Looping ihre Form vollendet. Die Idee, Form und Klarheit der linearen Organisation vereint Raum und Zeit zu einem neuen NationalSymbol, ein modernes, zeitloses und effizientes Bücherarchiv, das die Öffentlichkeit erreicht.

Preisgekrönt für den phantasievollen Umgang mit eingeschränkten Mitteln und die geschickte Verbindung von außen und innen: Die über verunreinigtes Erdreich gelegte durchgängige Holzplattform aus Terrassen, Hügeln und Räumen des Maritime Youth House am Öresund in Kopenhagen.

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Charakteristisch geknickte Blöcke mit gezackten Balkonen und über 80 verschiedenen Wohnungs­ typen: Mit dem Wohnblock „VM-House“ im neuen Stadtviertel Ørestad in Kopenhagen hat BIG seine Vision von urbaner Dichte in der Peripherie in die Realität umgesetzt.

Das World Village of Women Sports in Malmö als eine „Stadt in der Stadt“: Die massive Blockrandbebauung mit den städtebaulich überhöhten Ecken wird durch große Einschnitte und Terrassierung der Baukörper geöffnet. Die öffentlichen Anlagen, Wege und Plätze im Inneren des Komplexes sind frei zugänglich und sollen dem Zentrum ein eher „dörfliches“ Ambiente geben.

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Im Rausch des

Axel Werner Michael Lohr ist Spezialist für Marketing und Live-Kommunikation, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Jürgen Korzer

ist Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Dr. Jochen Kalka

ist Diplom-Wirtschaftsingeist Chefredakteur der Fachnieur mit mehr als 20 Jahren magazine W&V (Werben & Markenerfahrung auf Verkaufen), W&V Media, Industrieseite. Nach W&V Praxis und Kontakverschiedenen Statioter aus dem EuropaIna Laux nen bei Audi, smart, Fachpresse-Verlag BMW und BMW Mo(EFV) in München. Er ist Architektin und Stadttorrad gründete er studierte Germanisplanerin. In ihrem Büro 2009 mit seinem tik, Rhetorik und Jatsch Laux in London und Geschäftspartner Politik, promovierte München arbeitet sie am Christopher Wünzum Thema MarkePuls der Zeit, von der Idee sche die Korzertingkommunikation. und Beratung bis zur AusWünsche Markenführung. Sie ist Mitglied und Kommunikader Deutschen Akademie tionsberatung für Städtebau und Landesin München. planung DASL und Kulturpreisträgerin des Bundesverbandes Deutscher Industrie BDI.

Fotos: © Jens Schwarz

Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs, wie lässt er sich dauerhaft halten und kann oder sollte man sogar beruflichen und persönlichen Erfolg voneinander trennen? Um sich diesen und anderen Fragen rund um das Thema Erfolg zu stellen, waren Experten aus Architektur, Immobilienwirtschaft, Design und Kommunikation der Einladung von raumbrand in die Skylounge des Süddeutschen Verlags gefolgt. Ein Gespräch über Gewinnertypen, kreative Sackgassen und nachhaltiges Wirtschaften.

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„Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel.“ Ina Laux

Siehe auch: den Beitrag über Erfolg Seite 10 | das Gespräch über Synaptic Branding im Agenturalltag Seite 28 | den Beitrag über die Intelligenz der Crowd Seite 74

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Prof. Dr. Matthias Ottmann

Esche: Was zeichnet eine erfolgreiche Person aus? Korzer: Konsequenz ist wichtig, um Hindernisse überwinden zu können, und ein langer Atem. Erfolgreiche Menschen fällen unbequeme Entscheidungen. Wer stets „Everybody�s Darling“ sein möchte, kommt nicht weit. Unmoralisch und verletzend darf man dennoch nicht werden. Und Erfolgsmenschen beziehen auch Stellung. Laux: Wer erfolgreich sein will, muss immer wieder an seine Grenzen gehen, das Beste, das Maximum versuchen herauszuholen. Man muss auch mal über den eigenen Schatten springen können. Es braucht eine Menge Mut – und Mut zum Scheitern. Kalka: Das sehe ich anders. Manche überschreiten ihre Grenzen und merken es nicht einmal. Sie sind vom Erfolg geblendet und gierig nach immer mehr. Dass ihr Höhenflug aber bewirkt, dass sie klaffende Löcher ignorieren, dass ihre Entscheidungen fehlschlagen, das ist sehr gefährlich. Werner: Erfolgreich im Job sind oft die Fleißigen, die konsequent bleiben und dann das notwendige Quäntchen Glück mitnehmen. Eins müssen wir doch zugeben: Wäre Erfolg sicher, wäre er nicht so begehrenswert. Deshalb muss man meistens hart um ihn kämpfen.

zu tun, dass wir uns bestimmte Freiheiten erkämpft haben und über feste Strukturen verfügen. Das ist ein wahrer Luxus. Start-ups haben es da schwerer. In München konnten wir uns an verschiedenen Objekten austoben, das machte Spaß. Vor zehn Jahren noch war es sehr viel schwerer, Pioniergeist zu demonstrieren, da Design noch kein allzu großes Thema war. Mutige Projekte brachten aber auch sehr viel Risiko mit sich, und wir fragten uns, ob sie auch angenommen werden. Esche: Dann gehört also auch eine gewisse Risikobereitschaft zum Erfolgsgeheimnis? Jochen Kalka: Risikobereitschaft kommt im-

Prof. Dr. Matthias Ottmann leitet seit 1994 das Unternehmen Südhausbau, seit 2004 ist er alleiniger geschäftsführenden Gesellschafter. Er hält regelmäßig Vorlesungen an der LudwigMaximilians-Universität München und ist Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL und Vorstandsmitglied im Kunstverein München e. V.

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„Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen.“ Jürgen Korzer ponse unserer Rezipienten sofort in die laufende Kampagne hineinzuziehen. Agenturen wie wir müssen flexibel und schnell sein, sich sofort auf neue Gegebenheiten einstellen können. Das können wir, weil wir ein kleines Team sind und vernetzt arbeiten. Brettschneider: In der Architektur läuft das anders oder? Ottmann: Eindeutig. Ginge es nach mir, ich würde unsere Diskussion um den Erfolg erst einmal entschleunigen. Der Weg hat durchaus seine Berechtigung. Um Erkenntnisprozesse voranzubringen und nachhaltig zu arbeiten, braucht es Zeit. Wir tragen schließlich auch eine soziale Verantwortung: Unsere Produkte sind nicht heute gekauft, morgen auf dem Müll. Nein. Unsere Produkte müssen siebzig Jahre oder länger halten. Es ist sogar notwendig, mehrere Schleifen zu fahren, um der Antwort auf die Frage „Wie können wir das verantworten“ näher zu kommen. Esche: Vorhin fiel der Begriff soziale Verantwortung. Können Sie darauf ein wenig näher eingehen? Laux: Wir kreieren Physis, Stein auf Stein. Wir verbrauchen Räume in der Stadt – Räume, die der gesamten Stadtgesellschaft gehören. Deshalb sollten wir uns ihr gegenüber verantwortlich zeigen, genauso wie dem Projekt selbst, unseren Mitarbeitern, den Gesellschaftern und Finanziers. Und das braucht Zeit. Herr Kalka, insofern tun Sie mir ein bisschen leid, mit ihren schnelllebigen Kampagnen. Kalka (lacht): Und Sie tun mir wiederum leid, dass Sie in Ihrer Branche manchmal sehr viel mehr Verantwortung tragen. Bestes Beispiel: Stuttgart 21 … Lohr: Bei unserer Architektur – wir sprechen

ja auch von Markenarchitektur – übernehmen wir Verantwortung gegenüber unseren Kunden, indem wir mit Budgets effektiv umgehen. Zum Thema Moral: Wir müssen auch vertrauenswürdig bleiben und dürfen nicht an Eskimos Kühlschränke verkaufen. Kalka: Vertrauen basiert auch auf Beständigkeit. Viele Unternehmen wechseln heute ihre Namen und Kampagnen Schlag auf Schlag, wenn�s einmal nicht so gut läuft, weil sie denken, damit das Ruder nochmal herumreißen zu können. Da kann sich gar keine Kundenbindung einstellen. Ich zitiere da gern Prof. Deichsel: Wenn ich krank bin, ändere ich doch auch nicht meinen Namen. Werner: Ein verletztes Markenversprechen kann für ein Unternehmen heute das Aus bedeuten. Vertrauen ist essenziell, man muss einhalten, was man verspricht. Tut man dies nicht, wird man von der Community abgestraft. Brettschneider: Moral und Erfolg. Wie geht das zusammen? Jürgen Korzer: Viele gehen über Leichen und kämpfen auch in persönlicher Funktion um die Aufmerksamkeit der Medien. Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg aber eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen. Kalka: Die Realität sieht leider so aus, dass Menschen kurz verheizt werden, um schnellen Erfolg zu erzielen. Was viele Unternehmen außer Acht lassen: Kurzfristige Erfolge können dem langfristigen den Weg verbauen. Nämlich dann, wenn sie imageschädigend sind. Korzer: Ja, das ist ein gängiges Phänomen und typisch für Managament-geführte Unterraumbrand Dialog

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Werner: Außerdem sind emotional und manipulierend zwei Begriffe, die gern vermischt werden. Dabei sind es zwei Eigenschaften, die unbedingt getrennt betrachtet werden müssen. Emotion ist ein ganz feiner Stoff, der einer behutsamen Behandlung bedarf. Emotion transportiert im Mantel von Wärme und Vertrauen wichtige Botschaften. Manipulation jedoch nutzt das aus – und wird entlarvt.

Werner: Ja, wir sind Papst (lacht) … Korzer: … und Fußballweltmeister. Jeder will daran teilhaben. Kalka: Erfolg findet immer Nachahmer. Bestes Beispiel: Range Rover. Die haben nicht geschlafen und mit ihrem Evoque eine ganz neue Geländelimousine entwickelt. Und jetzt machen es alle anderen nach. Laux: Erfolg ist ansteckend …

Esche: Erfolg ist sexy. Alle wollen ein Stückchen vom Erfolg anderer abbekommen. Kann man Erfolg teilen?

Brettschneider: Ein Virus, das doch jeder gern bekommt … Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis? Lohr: Viele Entscheidungen im Berufsleben haben weitreichende Auswirkungen in die Zukunft. Im Rückblick bin ich stolz, dass sich gerade die aus der Sicht eines Außenstehenden gewagten Entscheidungen aus heutiger Sicht als richtig erwiesen haben. Mein privater Erfolg: Nach meinem mittlerweile zweijährigen Sohn bin ich gerade stolzer Papa eines Töchterchens geworden.

Ottmann: Aber mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wir nehmen einen Menschen doch dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat, Widersprüche erkennen lässt. Laux: Ja, da wären wir dann bei der Authentizität. Der Mensch muss mit all seinen Facetten integriert werden. Mut zum Authentischsein gehört dazu, Mut zur Leidenschaft. Das ist wie in der Markenkommunikation: Man kann einem Produkt nicht einfach so Emotionen aufdrücken, dann wirkt es unglaubwürdig. Lohr: Richtig, Kunden entscheiden sich für Marken und Produkte, weil sie sich mit ihnen identifizieren. Unsere Markenbotschaften sollen nicht nur verführen, sondern überzeugen. Und dafür müssen wir um die Bedürfnisse und die Motivation der Kunden wissen, um diese in ihrer individuellen Situation abholen zu können. Testimonials, die Image und Emotionalität der Marke ein Gesicht geben, gehören natürlich ebenso dazu. Korzer: Sind wir doch mal ehrlich: Wir alle wollen doch verführt werden.

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Werner: Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich meine Ideen materialisiert am Leben sehe, wenn ich persönlich das Gefühl habe, ein Ziel erreicht zu haben. Mein privater Zusatzerfolg ist, wenn ich meine Kinder abends noch ins Bett bringen kann.

Korzer: Erfolg ist für mich, Kunden positiv zu ihrem Erfolg zu führen. Auch das Wissen, Neuanfänge gewagt und bestanden zu haben, macht mich zuversichtlich.

Laux: Erfolg ist für mich, wenn mein Gegenüber Freude hat an dem, was ich tue. Glücksgefühle bekomme ich, wenn ich weiß, dass ich gute Arbeit geleistet habe und dabei ein freundlicher Mensch geblieben bin.

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Kalka: Mein Abitur? (lacht) Nein im Ernst. Zurzeit bin ich stolz auf mein Buch, das gerade neu erschienen ist. Es hat den Amoklauf von Winnenden, meiner Heimatstadt, zum Thema. Als Erfolg empfinde ich es, dass es von den Lesern verstanden wird. Privat sind es Momente wie dieser, wenn man sieht, dass die eigenen Kinder selbständig werden, sie schwimmen können und dass man sie gehen lassen kann und sie eigene Wege beschreiten.

Ottmann: Erfolg ist das Gefühl, ein Scheitern mit mentaler Stärke doch abgewandt zu haben.

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„Risikobereitschaft kommt immer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man, ob es das Risiko wert war.“ Dr. Jochen Kalka

Ruhms

mer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man rückblickend, ob es das Risiko wert war. Ottmann: Da kann ich mich nur anschließen. Risiko gehört dazu. Man darf ja auch nicht stehenbleiben. Wir versuchen immer wieder, neue Konzepte und Ideen aufzunehmen und alte zu hinterfragen. Esche: Es geht also auch darum, sein eigenes Profil zu schärfen und seinen Leistungskatalog nachzujustieren – rational und emotional. Welcher dieser beiden Wege führt eher zum Erfolg? Michael Lohr: Nicht nur der messbare Markenwert, die Qualität eines Produktes, spielt

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Franziska Brettschneider: Es irrt der Mensch solang’ er strebt … Das Ziel hat manch einer vielleicht ganz klar vor Augen. Doch schnell kann aus einer Zielgeraden eine Schlangenlinie werden, vor allem dann, wenn viele Köche an dem Erfolgsrezept mitmischen. Frau Laux, wie schafft man es, zielgerichtet zu arbeiten, wenn viele Interessen gebündelt werden müssen? Laux: Das ist es ja gerade: In der Stadtplanung haben wir nicht dieses eine Ziel, wir müssen flexibel bleiben, um die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen zu können. Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel. Lohr: Aber auch bei uns in der Kommunikation haben sich die Strategien maßgeblich verändert, gerade weil immer die Gefahr besteht, in „kreative Sackgassen“ zu geraten, wenn man einen Weg konsequent verfolgt und zu eitel ist, den Kurs während einer laufenden Kampagne neu auszurichten. Großes Erfolgspotenzial hat das Synaptic Branding – eine von uns weiterentwickelte Form der integrierten Kommunikation, bei der wir alle Disziplinen der Kommunikation intelligent vernetzen . Dadurch entsteht ein stetiger Dialog zwischen Zielgruppe und Kampagne, der es ermöglicht, auf anspruchsvolle, sich schnell verändernde Forderungen, die sich durch immer komplexer werdende Märkte ergeben, einzugehen. Wir müssen ja auch immer bedenken, dass es nicht um unseren Erfolg geht, sondern um den unserer Kunden. Kurz: Es gilt, so schnell wie möglich den Return of Invest zu erreichen. Werner: Wir nutzen viel Dialogmarketing und Social-Media-Kanäle , um die Befindlichkeiten der Kunden aufzuspüren und die Res-

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nehmen, in denen jeder eher auf den nächsten Karriereschritt fokussiert ist, als die übergeordneten Unternehmensziele im Auge zu haben. Dieses Verhalten finden sie bei Eigentümer-geführten Unternehmen fast nie vor, und das bringt Konstanz, Stabilität und Erfolg.

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„Wir nehmen einen Menschen dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat.“

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Jan Esche: Was bedeutet für Sie Erfolg? Ina Laux: Erfolg, so finde ich, kann nur jemand haben, der neue Wege beschreitet, gerade beim Thema Design. Viele Developer und Investoren haben diesen Anspruch, aber nur wenige tun es tatsächlich, unter anderem Sie, Herr Professor Ottmann. An Ihren Projekten wird dies auch sichtbar. Für mich sind Sie ein Superbeispiel für Erfolg in der Architekturentwicklung. Es kommt häufig vor, dass unsere Studenten von Projekten begeistert sind. Und dann fragen sie, wer das gebaut hat, und das sind irgendwie jedes Mal Sie. Matthias Ottmann: Oh, vielen Dank. Dass wir so erfolgreich sind, hat aber auch damit

Axel Werner: Einerseits haben wir den Erfolg, andererseits die Illusion eines Erfolgs. Bei vielen Kampagnen sind weder Ziel noch Resultat erkennbar, dennoch werden sie als erfolgreich gefeiert. Da stellt sich die Frage, ob es sich nun um einen tatsächlichen Erfolg handelt. Ein wichtiger Punkt ist doch, dass eine Zielsetzung da ist, um Erfolge zu messen. Das Streben nach dem Optimum hört nie auf. Bei der Erfolgsplanung ist das Ziel das erste, das stehen muss. Wer hier nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ handelt, wird niemals Erfolg haben. Denn sind wir mal ehrlich: Erfolg hat immer auch etwas mit Wettbewerb und Zielerreichung zu tun – bewusst oder unbewusst. Wir buhlen um Budgets, um Aufmerksamkeit oder um Leser. Jeder will ganz vorn mit dabei sein, das ist ganz sozialdarwinistisch begründet. eine Rolle – die gehört mittlerweile zum Standard und ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – sondern ebenso wichtig sind weiche Faktoren: Zu circa 80 Prozent sind nach neuesten Umfragen Image, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit einer Marke verantwortlich für ihren Erfolg beim Verbraucher. Marken erfahren heutzutage neue Werte, und diese mit einer emotionalen Ansprache zu kommunizieren, erfordert Mut. Es heißt ja nicht ohne Grund „der Erfolg gehört den Mutigen“. Esche: Ein Stück weit gilt es demnach auch, den Kunden zu etwas Neuem zu verführen. Und dabei ist das richtige und geschickte Wording nötig … Kalka: Das stimmt – allerdings nur zum Teil. Es heißt ja „Erfolg kommt nicht von allein“, um mal bei den Sprüchen zu bleiben. Ergo: Schöne Worte allein reichen nicht aus; Inszenierung oder Kreation sind nicht alles. „Sophisticated campaigns“, also anspruchsvolle und tiefgründige Werbekampagnen, die einzelne Personen akribisch geplant haben, machen sich toll auf Kreativ-Wettbewerben, ernten große Anerkennung. Doch immer wieder erleben wir, dass gerade die nicht funktionieren, dass sie an der Zielgruppe vorbeigehen und der Erfolg ausbleibt. Unsere Branche neigt dazu, sich zu überschätzen. „Erfolg“ wird oft missverstanden und mit Eitelkeit verwechselt. Viele Agenturchefs und Entscheider tendieren dazu, sich selbst zu inszenieren, statt die Marke, die sie verantworten. Da wird ein bisschen Eitelkeit plötzlich ein entscheidender Faktor. Umgekehrt gibt es auch Beispiele starker Marken, die zwar erfolgreich sind, dafür aber eine grauenhafte Kommunikation haben. Kreativität ist insofern keine Voraussetzung für Erfolg.

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zu Erfolgsgeschichten

Im Rausch des

„Risikobereitschaft kommt immer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man, ob es das Risiko wert war.“ Dr. Jochen Kalka

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von Franziska Brettschneider

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von Franziska Brettschneider

Michael Lohr ist Spezialist für Marketing und Live-Kommunikation, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Fotos: © Jens Schwarz

Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs, wie lässt er sich dauerhaft halten und kann oder sollte man sogar beruflichen und persönlichen Erfolg voneinander trennen? Um sich diesen und anderen Fragen rund um das Thema Erfolg zu stellen, waren Experten aus Architektur, Immobilienwirtschaft, Design und Kommunikation der Einladung von raumbrand in die Skylounge des Süddeutschen Verlags gefolgt. Ein Gespräch über Gewinnertypen, kreative Sackgassen und nachhaltiges Wirtschaften.

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„Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel.“ Ina Laux

Siehe auch: den Beitrag über Erfolg Seite 10 | das Gespräch über Synaptic Branding im Agenturalltag Seite 28 | den Beitrag über die Intelligenz der Crowd Seite 74

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Esche: Ein Stück weit gilt es demnach auch, den Kunden zu etwas Neuem zu verführen. Und dabei ist das richtige und geschickte Wording nötig … Kalka: Das stimmt – allerdings nur zum Teil. Es heißt ja „Erfolg kommt nicht von allein“, um mal bei den Sprüchen zu bleiben. Ergo: Schöne Worte allein reichen nicht aus; Inszenierung oder Kreation sind nicht alles. „Sophisticated campaigns“, also anspruchsvolle und tiefgründige Werbekampagnen, die einzelne Personen akribisch geplant haben, machen sich toll auf Kreativ-Wettbewerben, ernten große Anerkennung. Doch immer wieder erleben wir, dass gerade die nicht funktionieren, dass sie an der Zielgruppe vorbeigehen und der Erfolg ausbleibt. Unsere Branche neigt dazu, sich zu überschätzen. „Erfolg“ wird oft missverstanden und mit Eitelkeit verwechselt. Viele Agenturchefs und Entscheider tendieren dazu, sich selbst zu inszenieren, statt die Marke, die sie verantworten. Da wird ein bisschen Eitelkeit plötzlich ein entscheidender Faktor. Umgekehrt gibt es auch Beispiele starker Marken, die zwar erfolgreich sind, dafür aber eine grauenhafte Kommunikation haben. Kreativität ist insofern keine Voraussetzung für Erfolg.

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„Wir nehmen einen Menschen dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat.“ Prof. Dr. Matthias Ottmann

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Esche: Was zeichnet eine erfolgreiche Person aus? Korzer: Konsequenz ist wichtig, um Hindernisse überwinden zu können, und ein langer Atem. Erfolgreiche Menschen fällen unbequeme Entscheidungen. Wer stets „Everybody�s Darling“ sein möchte, kommt nicht weit. Unmoralisch und verletzend darf man dennoch nicht werden. Und Erfolgsmenschen beziehen auch Stellung. Laux: Wer erfolgreich sein will, muss immer wieder an seine Grenzen gehen, das Beste, das Maximum versuchen herauszuholen. Man muss auch mal über den eigenen Schatten springen können. Es braucht eine Menge Mut – und Mut zum Scheitern. Kalka: Das sehe ich anders. Manche überschreiten ihre Grenzen und merken es nicht einmal. Sie sind vom Erfolg geblendet und gierig nach immer mehr. Dass ihr Höhenflug aber bewirkt, dass sie klaffende Löcher ignorieren, dass ihre Entscheidungen fehlschlagen, das ist sehr gefährlich. Werner: Erfolgreich im Job sind oft die Fleißigen, die konsequent bleiben und dann das notwendige Quäntchen Glück mitnehmen. Eins müssen wir doch zugeben: Wäre Erfolg sicher, wäre er nicht so begehrenswert. Deshalb muss man meistens hart um ihn kämpfen.

zu tun, dass wir uns bestimmte Freiheiten erkämpft haben und über feste Strukturen verfügen. Das ist ein wahrer Luxus. Start-ups haben es da schwerer. In München konnten wir uns an verschiedenen Objekten austoben, das machte Spaß. Vor zehn Jahren noch war es sehr viel schwerer, Pioniergeist zu demonstrieren, da Design noch kein allzu großes Thema war. Mutige Projekte brachten aber auch sehr viel Risiko mit sich, und wir fragten uns, ob sie auch angenommen werden. Esche: Dann gehört also auch eine gewisse Risikobereitschaft zum Erfolgsgeheimnis? Jochen Kalka: Risikobereitschaft kommt im-

Dr. Jochen Kalka Prof. Dr. Matthias Ottmann leitet seit 1994 das Unternehmen Südhausbau, seit 2004 ist er alleiniger geschäftsführenden Gesellschafter. Er hält regelmäßig Vorlesungen an der LudwigMaximilians-Universität München und ist Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL und Vorstandsmitglied im Kunstverein München e. V.

mer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man rückblickend, ob es das Risiko wert war. Ottmann: Da kann ich mich nur anschließen. Risiko gehört dazu. Man darf ja auch nicht stehenbleiben. Wir versuchen immer wieder, neue Konzepte und Ideen aufzunehmen und alte zu hinterfragen. Esche: Es geht also auch darum, sein eigenes Profil zu schärfen und seinen Leistungskatalog nachzujustieren – rational und emotional. Welcher dieser beiden Wege führt eher zum Erfolg? Michael Lohr: Nicht nur der messbare Markenwert, die Qualität eines Produktes, spielt raumbrand Dialog

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„Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen.“ Jürgen Korzer Franziska Brettschneider: Es irrt der Mensch solang’ er strebt … Das Ziel hat manch einer vielleicht ganz klar vor Augen. Doch schnell kann aus einer Zielgeraden eine Schlangenlinie werden, vor allem dann, wenn viele Köche an dem Erfolgsrezept mitmischen. Frau Laux, wie schafft man es, zielgerichtet zu arbeiten, wenn viele Interessen gebündelt werden müssen? Laux: Das ist es ja gerade: In der Stadtplanung haben wir nicht dieses eine Ziel, wir müssen flexibel bleiben, um die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen zu können. Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel. Lohr: Aber auch bei uns in der Kommunikation haben sich die Strategien maßgeblich verändert, gerade weil immer die Gefahr besteht, in „kreative Sackgassen“ zu geraten, wenn man einen Weg konsequent verfolgt und zu eitel ist, den Kurs während einer laufenden Kampagne neu auszurichten. Großes Erfolgspotenzial hat das Synaptic Branding – eine von uns weiterentwickelte Form der integrierten Kommunikation, bei der wir alle Disziplinen der Kommunikation intelligent vernetzen . Dadurch entsteht ein stetiger Dialog zwischen Zielgruppe und Kampagne, der es ermöglicht, auf anspruchsvolle, sich schnell verändernde Forderungen, die sich durch immer komplexer werdende Märkte ergeben, einzugehen. Wir müssen ja auch immer bedenken, dass es nicht um unseren Erfolg geht, sondern um den unserer Kunden. Kurz: Es gilt, so schnell wie möglich den Return of Invest zu erreichen. Werner: Wir nutzen viel Dialogmarketing und Social-Media-Kanäle , um die Befindlichkeiten der Kunden aufzuspüren und die Res-

eine Rolle – die gehört mittlerweile zum Standard und ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – sondern ebenso wichtig sind weiche Faktoren: Zu circa 80 Prozent sind nach neuesten Umfragen Image, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit einer Marke verantwortlich für ihren Erfolg beim Verbraucher. Marken erfahren heutzutage neue Werte, und diese mit einer emotionalen Ansprache zu kommunizieren, erfordert Mut. Es heißt ja nicht ohne Grund „der Erfolg gehört den Mutigen“.

nehmen, in denen jeder eher auf den nächsten Karriereschritt fokussiert ist, als die übergeordneten Unternehmensziele im Auge zu haben. Dieses Verhalten finden sie bei Eigentümer-geführten Unternehmen fast nie vor, und das bringt Konstanz, Stabilität und Erfolg.

zu Erfolgsgeschichten

Jürgen Korzer

ist Diplom-Wirtschaftsingeist Chefredakteur der Fachnieur mit mehr als 20 Jahren magazine W&V (Werben & Markenerfahrung auf Verkaufen), W&V Media, Industrieseite. Nach W&V Praxis und Kontakverschiedenen Statioter aus dem EuropaIna Laux nen bei Audi, smart, Fachpresse-Verlag BMW und BMW Mo(EFV) in München. Er ist Architektin und Stadttorrad gründete er studierte Germanisplanerin. In ihrem Büro 2009 mit seinem tik, Rhetorik und Jatsch Laux in London und Geschäftspartner Politik, promovierte München arbeitet sie am Christopher Wünzum Thema MarkePuls der Zeit, von der Idee sche die Korzertingkommunikation. und Beratung bis zur AusWünsche Markenführung. Sie ist Mitglied und Kommunikader Deutschen Akademie tionsberatung für Städtebau und Landesin München. planung DASL und Kulturpreisträgerin des Bundesverbandes Deutscher Industrie BDI.

Jan Esche: Was bedeutet für Sie Erfolg? Ina Laux: Erfolg, so finde ich, kann nur jemand haben, der neue Wege beschreitet, gerade beim Thema Design. Viele Developer und Investoren haben diesen Anspruch, aber nur wenige tun es tatsächlich, unter anderem Sie, Herr Professor Ottmann. An Ihren Projekten wird dies auch sichtbar. Für mich sind Sie ein Superbeispiel für Erfolg in der Architekturentwicklung. Es kommt häufig vor, dass unsere Studenten von Projekten begeistert sind. Und dann fragen sie, wer das gebaut hat, und das sind irgendwie jedes Mal Sie. Matthias Ottmann: Oh, vielen Dank. Dass wir so erfolgreich sind, hat aber auch damit

Axel Werner: Einerseits haben wir den Erfolg, andererseits die Illusion eines Erfolgs. Bei vielen Kampagnen sind weder Ziel noch Resultat erkennbar, dennoch werden sie als erfolgreich gefeiert. Da stellt sich die Frage, ob es sich nun um einen tatsächlichen Erfolg handelt. Ein wichtiger Punkt ist doch, dass eine Zielsetzung da ist, um Erfolge zu messen. Das Streben nach dem Optimum hört nie auf. Bei der Erfolgsplanung ist das Ziel das erste, das stehen muss. Wer hier nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ handelt, wird niemals Erfolg haben. Denn sind wir mal ehrlich: Erfolg hat immer auch etwas mit Wettbewerb und Zielerreichung zu tun – bewusst oder unbewusst. Wir buhlen um Budgets, um Aufmerksamkeit oder um Leser. Jeder will ganz vorn mit dabei sein, das ist ganz sozialdarwinistisch begründet.

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Axel Werner ist Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

ponse unserer Rezipienten sofort in die laufende Kampagne hineinzuziehen. Agenturen wie wir müssen flexibel und schnell sein, sich sofort auf neue Gegebenheiten einstellen können. Das können wir, weil wir ein kleines Team sind und vernetzt arbeiten. Brettschneider: In der Architektur läuft das anders oder? Ottmann: Eindeutig. Ginge es nach mir, ich würde unsere Diskussion um den Erfolg erst einmal entschleunigen. Der Weg hat durchaus seine Berechtigung. Um Erkenntnisprozesse voranzubringen und nachhaltig zu arbeiten, braucht es Zeit. Wir tragen schließlich auch eine soziale Verantwortung: Unsere Produkte sind nicht heute gekauft, morgen auf dem Müll. Nein. Unsere Produkte müssen siebzig Jahre oder länger halten. Es ist sogar notwendig, mehrere Schleifen zu fahren, um der Antwort auf die Frage „Wie können wir das verantworten“ näher zu kommen. Esche: Vorhin fiel der Begriff soziale Verantwortung. Können Sie darauf ein wenig näher eingehen? Laux: Wir kreieren Physis, Stein auf Stein. Wir verbrauchen Räume in der Stadt – Räume, die der gesamten Stadtgesellschaft gehören. Deshalb sollten wir uns ihr gegenüber verantwortlich zeigen, genauso wie dem Projekt selbst, unseren Mitarbeitern, den Gesellschaftern und Finanziers. Und das braucht Zeit. Herr Kalka, insofern tun Sie mir ein bisschen leid, mit ihren schnelllebigen Kampagnen. Kalka (lacht): Und Sie tun mir wiederum leid, dass Sie in Ihrer Branche manchmal sehr viel mehr Verantwortung tragen. Bestes Beispiel: Stuttgart 21 … Lohr: Bei unserer Architektur – wir sprechen

ja auch von Markenarchitektur – übernehmen wir Verantwortung gegenüber unseren Kunden, indem wir mit Budgets effektiv umgehen. Zum Thema Moral: Wir müssen auch vertrauenswürdig bleiben und dürfen nicht an Eskimos Kühlschränke verkaufen. Kalka: Vertrauen basiert auch auf Beständigkeit. Viele Unternehmen wechseln heute ihre Namen und Kampagnen Schlag auf Schlag, wenn�s einmal nicht so gut läuft, weil sie denken, damit das Ruder nochmal herumreißen zu können. Da kann sich gar keine Kundenbindung einstellen. Ich zitiere da gern Prof. Deichsel: Wenn ich krank bin, ändere ich doch auch nicht meinen Namen. Werner: Ein verletztes Markenversprechen kann für ein Unternehmen heute das Aus bedeuten. Vertrauen ist essenziell, man muss einhalten, was man verspricht. Tut man dies nicht, wird man von der Community abgestraft. Brettschneider: Moral und Erfolg. Wie geht das zusammen? Jürgen Korzer: Viele gehen über Leichen und kämpfen auch in persönlicher Funktion um die Aufmerksamkeit der Medien. Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg aber eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen. Kalka: Die Realität sieht leider so aus, dass Menschen kurz verheizt werden, um schnellen Erfolg zu erzielen. Was viele Unternehmen außer Acht lassen: Kurzfristige Erfolge können dem langfristigen den Weg verbauen. Nämlich dann, wenn sie imageschädigend sind. Korzer: Ja, das ist ein gängiges Phänomen und typisch für Managament-geführte Unterraumbrand Dialog

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Werner: Außerdem sind emotional und manipulierend zwei Begriffe, die gern vermischt werden. Dabei sind es zwei Eigenschaften, die unbedingt getrennt betrachtet werden müssen. Emotion ist ein ganz feiner Stoff, der einer behutsamen Behandlung bedarf. Emotion transportiert im Mantel von Wärme und Vertrauen wichtige Botschaften. Manipulation jedoch nutzt das aus – und wird entlarvt.

Werner: Ja, wir sind Papst (lacht) … Korzer: … und Fußballweltmeister. Jeder will daran teilhaben. Kalka: Erfolg findet immer Nachahmer. Bestes Beispiel: Range Rover. Die haben nicht geschlafen und mit ihrem Evoque eine ganz neue Geländelimousine entwickelt. Und jetzt machen es alle anderen nach. Laux: Erfolg ist ansteckend …

Esche: Erfolg ist sexy. Alle wollen ein Stückchen vom Erfolg anderer abbekommen. Kann man Erfolg teilen?

Brettschneider: Ein Virus, das doch jeder gern bekommt … Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis? Lohr: Viele Entscheidungen im Berufsleben haben weitreichende Auswirkungen in die Zukunft. Im Rückblick bin ich stolz, dass sich gerade die aus der Sicht eines Außenstehenden gewagten Entscheidungen aus heutiger Sicht als richtig erwiesen haben. Mein privater Erfolg: Nach meinem mittlerweile zweijährigen Sohn bin ich gerade stolzer Papa eines Töchterchens geworden.

Ottmann: Aber mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wir nehmen einen Menschen doch dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat, Widersprüche erkennen lässt. Laux: Ja, da wären wir dann bei der Authentizität. Der Mensch muss mit all seinen Facetten integriert werden. Mut zum Authentischsein gehört dazu, Mut zur Leidenschaft. Das ist wie in der Markenkommunikation: Man kann einem Produkt nicht einfach so Emotionen aufdrücken, dann wirkt es unglaubwürdig. Lohr: Richtig, Kunden entscheiden sich für Marken und Produkte, weil sie sich mit ihnen identifizieren. Unsere Markenbotschaften sollen nicht nur verführen, sondern überzeugen. Und dafür müssen wir um die Bedürfnisse und die Motivation der Kunden wissen, um diese in ihrer individuellen Situation abholen zu können. Testimonials, die Image und Emotionalität der Marke ein Gesicht geben, gehören natürlich ebenso dazu. Korzer: Sind wir doch mal ehrlich: Wir alle wollen doch verführt werden.

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Werner: Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich meine Ideen materialisiert am Leben sehe, wenn ich persönlich das Gefühl habe, ein Ziel erreicht zu haben. Mein privater Zusatzerfolg ist, wenn ich meine Kinder abends noch ins Bett bringen kann.

Korzer: Erfolg ist für mich, Kunden positiv zu ihrem Erfolg zu führen. Auch das Wissen, Neuanfänge gewagt und bestanden zu haben, macht mich zuversichtlich.

Laux: Erfolg ist für mich, wenn mein Gegenüber Freude hat an dem, was ich tue. Glücksgefühle bekomme ich, wenn ich weiß, dass ich gute Arbeit geleistet habe und dabei ein freundlicher Mensch geblieben bin.

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Kalka: Mein Abitur? (lacht) Nein im Ernst. Zurzeit bin ich stolz auf mein Buch, das gerade neu erschienen ist. Es hat den Amoklauf von Winnenden, meiner Heimatstadt, zum Thema. Als Erfolg empfinde ich es, dass es von den Lesern verstanden wird. Privat sind es Momente wie dieser, wenn man sieht, dass die eigenen Kinder selbständig werden, sie schwimmen können und dass man sie gehen lassen kann und sie eigene Wege beschreiten.

Ottmann: Erfolg ist das Gefühl, ein Scheitern mit mentaler Stärke doch abgewandt zu haben.

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von Franziska Brettschneider

Im Rausch des

Ruhms

Wo liegt das Geheimnis des Erfolgs, wie lässt er sich dauerhaft halten und kann oder sollte man sogar beruflichen und persönlichen Erfolg voneinander trennen? Um sich diesen und anderen Fragen rund um das Thema Erfolg zu stellen, waren Experten aus Architektur, Immobilienwirtschaft, Design und Kommunikation der Einladung von raumbrand in die Skylounge des Süddeutschen Verlags gefolgt. Ein Gespräch über Gewinnertypen, kreative Sackgassen und nachhaltiges Wirtschaften.

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„Risikobereitschaft kommt immer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man, ob es das Risiko wert war.“ Dr. Jochen Kalka

Michael Lohr

Fotos: © Jens Schwarz

ist Spezialist für Marketing und Live-Kommunikation, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

Axel Werner

Jürgen Korzer

ist Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand.

ist Diplom-Wirtschaftsingeist Chefredakteur der Fachnieur mit mehr als 20 Jahren magazine W&V (Werben & Markenerfahrung auf Verkaufen), W&V Media, Industrieseite. Nach W&V Praxis und Kontakverschiedenen Statioter aus dem EuropaIna Laux nen bei Audi, smart, Fachpresse-Verlag BMW und BMW Mo(EFV) in München. Er ist Architektin und Stadttorrad gründete er studierte Germanisplanerin. In ihrem Büro 2009 mit seinem tik, Rhetorik und Jatsch Laux in London und Geschäftspartner Politik, promovierte München arbeitet sie am Christopher Wünzum Thema MarkePuls der Zeit, von der Idee sche die Korzertingkommunikation. und Beratung bis zur AusWünsche Markenführung. Sie ist Mitglied und Kommunikader Deutschen Akademie tionsberatung für Städtebau und Landesin München. planung DASL und Kulturpreisträgerin des Bundesverbandes Deutscher Industrie BDI.

Jan Esche: Was bedeutet für Sie Erfolg? Ina Laux: Erfolg, so finde ich, kann nur jemand haben, der neue Wege beschreitet, gerade beim Thema Design. Viele Developer und Investoren haben diesen Anspruch, aber nur wenige tun es tatsächlich, unter anderem Sie, Herr Professor Ottmann. An Ihren Projekten wird dies auch sichtbar. Für mich sind Sie ein Superbeispiel für Erfolg in der Architekturentwicklung. Es kommt häufig vor, dass unsere Studenten von Projekten begeistert sind. Und dann fragen sie, wer das gebaut hat, und das sind irgendwie jedes Mal Sie. Matthias Ottmann: Oh, vielen Dank. Dass wir so erfolgreich sind, hat aber auch damit

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zu tun, dass wir uns bestimmte Freiheiten erkämpft haben und über feste Strukturen verfügen. Das ist ein wahrer Luxus. Start-ups haben es da schwerer. In München konnten wir uns an verschiedenen Objekten austoben, das machte Spaß. Vor zehn Jahren noch war es sehr viel schwerer, Pioniergeist zu demonstrieren, da Design noch kein allzu großes Thema war. Mutige Projekte brachten aber auch sehr viel Risiko mit sich, und wir fragten uns, ob sie auch angenommen werden. Esche: Dann gehört also auch eine gewisse Risikobereitschaft zum Erfolgsgeheimnis? Jochen Kalka: Risikobereitschaft kommt im-

Dr. Jochen Kalka Prof. Dr. Matthias Ottmann leitet seit 1994 das Unternehmen Südhausbau, seit 2004 ist er alleiniger geschäftsführenden Gesellschafter. Er hält regelmäßig Vorlesungen an der LudwigMaximilians-Universität München und ist Mitglied des deutschen Beirats der Eurohypo AG, der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung DASL und Vorstandsmitglied im Kunstverein München e. V.

mer vor dem Erfolg. Erst hinterher weiß man rückblickend, ob es das Risiko wert war. Ottmann: Da kann ich mich nur anschließen. Risiko gehört dazu. Man darf ja auch nicht stehenbleiben. Wir versuchen immer wieder, neue Konzepte und Ideen aufzunehmen und alte zu hinterfragen. Esche: Es geht also auch darum, sein eigenes Profil zu schärfen und seinen Leistungskatalog nachzujustieren – rational und emotional. Welcher dieser beiden Wege führt eher zum Erfolg? Michael Lohr: Nicht nur der messbare Markenwert, die Qualität eines Produktes, spielt raumbrand Dialog

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„Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel.“ Ina Laux

Siehe auch: den Beitrag über  Erfolg  Seite 10 | das Gespräch über Synaptic Branding im Agenturalltag  Seite 28 | den Beitrag über die Intelligenz der Crowd  Seite 74

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Axel Werner: Einerseits haben wir den Erfolg, andererseits die Illusion eines Erfolgs. Bei vielen Kampagnen sind weder Ziel noch Resultat erkennbar, dennoch werden sie als erfolgreich gefeiert. Da stellt sich die Frage, ob es sich nun um einen tatsächlichen Erfolg handelt. Ein wichtiger Punkt ist doch, dass eine Zielsetzung da ist, um Erfolge zu messen. Das Streben nach dem Optimum hört nie auf. Bei der Erfolgsplanung ist das Ziel das erste, das stehen muss. Wer hier nach dem Motto „der Weg ist das Ziel“ handelt, wird niemals Erfolg haben. Denn sind wir mal ehrlich: Erfolg hat immer auch etwas mit Wettbewerb und Zielerreichung zu tun – bewusst oder unbewusst. Wir buhlen um Budgets, um Aufmerksamkeit oder um Leser. Jeder will ganz vorn mit dabei sein, das ist ganz sozialdarwinistisch begründet. eine Rolle – die gehört mittlerweile zum Standard und ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – sondern ebenso wichtig sind weiche Faktoren: Zu circa 80 Prozent sind nach neuesten Umfragen Image, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit einer Marke verantwortlich für ihren Erfolg beim Verbraucher. Marken erfahren heutzutage neue Werte, und diese mit einer emotionalen Ansprache zu kommunizieren, erfordert Mut. Es heißt ja nicht ohne Grund „der Erfolg gehört den Mutigen“. Esche: Ein Stück weit gilt es demnach auch, den Kunden zu etwas Neuem zu verführen. Und dabei ist das richtige und geschickte Wording nötig … Kalka: Das stimmt – allerdings nur zum Teil. Es heißt ja „Erfolg kommt nicht von allein“, um mal bei den Sprüchen zu bleiben. Ergo: Schöne Worte allein reichen nicht aus; Inszenierung oder Kreation sind nicht alles. „Sophisticated campaigns“, also anspruchsvolle und tiefgründige Werbekampagnen, die einzelne Personen akribisch geplant haben, machen sich toll auf Kreativ-Wettbewerben, ernten große Anerkennung. Doch immer wieder erleben wir, dass gerade die nicht funktionieren, dass sie an der Zielgruppe vorbeigehen und der Erfolg ausbleibt. Unsere Branche neigt dazu, sich zu überschätzen. „Erfolg“ wird oft missverstanden und mit Eitelkeit verwechselt. Viele Agenturchefs und Entscheider tendieren dazu, sich selbst zu inszenieren, statt die Marke, die sie verantworten. Da wird ein bisschen Eitelkeit plötzlich ein entscheidender Faktor. Umgekehrt gibt es auch Beispiele starker Marken, die zwar erfolgreich sind, dafür aber eine grauenhafte Kommunikation haben. Kreativität ist insofern keine Voraussetzung für Erfolg.

raumbrand 1.11


„Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen.“ Jürgen Korzer Franziska Brettschneider: Es irrt der Mensch solang’ er strebt … Das Ziel hat manch einer vielleicht ganz klar vor Augen. Doch schnell kann aus einer Zielgeraden eine Schlangenlinie werden, vor allem dann, wenn viele Köche an dem Erfolgsrezept mitmischen. Frau Laux, wie schafft man es, zielgerichtet zu arbeiten, wenn viele Interessen gebündelt werden müssen? Laux: Das ist es ja gerade: In der Stadtplanung haben wir nicht dieses eine Ziel, wir müssen flexibel bleiben, um die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen zu können. Der Weg zum Erfolg muss immer wieder nachjustiert werden, und so kommen wir also über Umwege ans Ziel. Lohr: Aber auch bei uns in der Kommunikation haben sich die Strategien maßgeblich verändert, gerade weil immer die Gefahr besteht, in „kreative Sackgassen“ zu geraten, wenn man einen Weg konsequent verfolgt und zu eitel ist, den Kurs während einer laufenden Kampagne neu auszurichten. Großes Erfolgspotenzial hat das Synaptic Branding – eine von uns weiterentwickelte Form der integrierten Kommunikation, bei der wir alle Disziplinen der Kommunikation intelligent vernetzen . Dadurch entsteht ein stetiger Dialog zwischen Zielgruppe und Kampagne, der es ermöglicht, auf anspruchsvolle, sich schnell verändernde Forderungen, die sich durch immer komplexer werdende Märkte ergeben, einzugehen. Wir müssen ja auch immer bedenken, dass es nicht um unseren Erfolg geht, sondern um den unserer Kunden. Kurz: Es gilt, so schnell wie möglich den Return of Invest zu erreichen. Werner: Wir nutzen viel Dialogmarketing und Social-Media-Kanäle , um die Befindlichkeiten der Kunden aufzuspüren und die Res-

raumbrand 1.11

ponse unserer Rezipienten sofort in die laufende Kampagne hineinzuziehen. Agenturen wie wir müssen flexibel und schnell sein, sich sofort auf neue Gegebenheiten einstellen können. Das können wir, weil wir ein kleines Team sind und vernetzt arbeiten. Brettschneider: In der Architektur läuft das anders oder? Ottmann: Eindeutig. Ginge es nach mir, ich würde unsere Diskussion um den Erfolg erst einmal entschleunigen. Der Weg hat durchaus seine Berechtigung. Um Erkenntnisprozesse voranzubringen und nachhaltig zu arbeiten, braucht es Zeit. Wir tragen schließlich auch eine soziale Verantwortung: Unsere Produkte sind nicht heute gekauft, morgen auf dem Müll. Nein. Unsere Produkte müssen siebzig Jahre oder länger halten. Es ist sogar notwendig, mehrere Schleifen zu fahren, um der Antwort auf die Frage „Wie können wir das verantworten“ näher zu kommen. Esche: Vorhin fiel der Begriff soziale Verantwortung. Können Sie darauf ein wenig näher eingehen? Laux: Wir kreieren Physis, Stein auf Stein. Wir verbrauchen Räume in der Stadt – Räume, die der gesamten Stadtgesellschaft gehören. Deshalb sollten wir uns ihr gegenüber verantwortlich zeigen, genauso wie dem Projekt selbst, unseren Mitarbeitern, den Gesellschaftern und Finanziers. Und das braucht Zeit. Herr Kalka, insofern tun Sie mir ein bisschen leid, mit ihren schnelllebigen Kampagnen. Kalka (lacht): Und Sie tun mir wiederum leid, dass Sie in Ihrer Branche manchmal sehr viel mehr Verantwortung tragen. Bestes Beispiel: Stuttgart 21 … Lohr: Bei unserer Architektur – wir sprechen

ja auch von Markenarchitektur – übernehmen wir Verantwortung gegenüber unseren Kunden, indem wir mit Budgets effektiv umgehen. Zum Thema Moral: Wir müssen auch vertrauenswürdig bleiben und dürfen nicht an Eskimos Kühlschränke verkaufen. Kalka: Vertrauen basiert auch auf Beständigkeit. Viele Unternehmen wechseln heute ihre Namen und Kampagnen Schlag auf Schlag, wennʼs einmal nicht so gut läuft, weil sie denken, damit das Ruder nochmal herumreißen zu können. Da kann sich gar keine Kundenbindung einstellen. Ich zitiere da gern Prof. Deichsel: Wenn ich krank bin, ändere ich doch auch nicht meinen Namen. Werner: Ein verletztes Markenversprechen kann für ein Unternehmen heute das Aus bedeuten. Vertrauen ist essenziell, man muss einhalten, was man verspricht. Tut man dies nicht, wird man von der Community abgestraft. Brettschneider: Moral und Erfolg. Wie geht das zusammen? Jürgen Korzer: Viele gehen über Leichen und kämpfen auch in persönlicher Funktion um die Aufmerksamkeit der Medien. Für mich sind persönlicher und beruflicher Erfolg aber eins. Wenn ich mich als Person in den Dienst einer Marke stelle, erlebe ich den gemeinsamen Erfolg ganz automatisch als meinen persönlichen. Kalka: Die Realität sieht leider so aus, dass Menschen kurz verheizt werden, um schnellen Erfolg zu erzielen. Was viele Unternehmen außer Acht lassen: Kurzfristige Erfolge können dem langfristigen den Weg verbauen. Nämlich dann, wenn sie imageschädigend sind. Korzer: Ja, das ist ein gängiges Phänomen und typisch für Managament-geführte Unterraumbrand Dialog

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nehmen, in denen jeder eher auf den nächsten Karriereschritt fokussiert ist, als die übergeordneten Unternehmensziele im Auge zu haben. Dieses Verhalten finden sie bei Eigentümer-geführten Unternehmen fast nie vor, und das bringt Konstanz, Stabilität und Erfolg.

zu  Erfolgsgeschichten

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„Wir nehmen einen Menschen dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat.“ Prof. Dr. Matthias Ottmann

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Esche: Was zeichnet eine erfolgreiche Person aus? Korzer: Konsequenz ist wichtig, um Hindernisse überwinden zu können, und ein langer Atem. Erfolgreiche Menschen   fällen unbequeme Entscheidungen. Wer stets „Everybodyʼs Darling“ sein möchte, kommt nicht weit. Unmoralisch und verletzend darf man dennoch nicht werden. Und Erfolgsmenschen beziehen auch Stellung. Laux: Wer erfolgreich sein will, muss immer wieder an seine Grenzen gehen, das Beste, das Maximum versuchen herauszuholen. Man muss auch mal über den eigenen Schatten springen können. Es braucht eine Menge Mut – und Mut zum Scheitern. Kalka: Das sehe ich anders. Manche überschreiten ihre Grenzen und merken es nicht einmal. Sie sind vom Erfolg geblendet und gierig nach immer mehr. Dass ihr Höhenflug aber bewirkt, dass sie klaffende Löcher ignorieren, dass ihre Entscheidungen fehlschlagen, das ist sehr gefährlich. Werner: Erfolgreich im Job sind oft die Fleißigen, die konsequent bleiben und dann das notwendige Quäntchen Glück mitnehmen. Eins müssen wir doch zugeben: Wäre Erfolg sicher, wäre er nicht so begehrenswert. Deshalb muss man meistens hart um ihn kämpfen.

Ottmann: Aber mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Wir nehmen einen Menschen doch dann als erfolgreich wahr, wenn er nicht so aalglatt und eindimensional wirkt, sondern Ecken und Kanten hat, Widersprüche erkennen lässt. Laux: Ja, da wären wir dann bei der Authentizität. Der Mensch muss mit all seinen Facetten integriert werden. Mut zum Authentischsein gehört dazu, Mut zur Leidenschaft. Das ist wie in der Markenkommunikation: Man kann einem Produkt nicht einfach so Emotionen aufdrücken, dann wirkt es unglaubwürdig. Lohr: Richtig, Kunden entscheiden sich für Marken und Produkte, weil sie sich mit ihnen identifizieren. Unsere Markenbotschaften sollen nicht nur verführen, sondern überzeugen. Und dafür müssen wir um die Bedürfnisse und die Motivation der Kunden wissen, um diese in ihrer individuellen Situation abholen zu können. Testimonials, die Image und Emotionalität der Marke ein Gesicht geben, gehören natürlich ebenso dazu. Korzer: Sind wir doch mal ehrlich: Wir alle wollen doch verführt werden.

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Werner: Außerdem sind emotional und manipulierend zwei Begriffe, die gern vermischt werden. Dabei sind es zwei Eigenschaften, die unbedingt getrennt betrachtet werden müssen. Emotion ist ein ganz feiner Stoff, der einer behutsamen Behandlung bedarf. Emotion transportiert im Mantel von Wärme und Vertrauen wichtige Botschaften. Manipulation jedoch nutzt das aus – und wird entlarvt.

Werner: Ja, wir sind Papst (lacht) … Korzer: … und Fußballweltmeister. Jeder will daran teilhaben. Kalka: Erfolg findet immer Nachahmer. Bestes Beispiel: Range Rover. Die haben nicht geschlafen und mit ihrem Evoque eine ganz neue Geländelimousine entwickelt. Und jetzt machen es alle anderen nach. Laux: Erfolg ist ansteckend …

Esche: Erfolg ist sexy. Alle wollen ein Stückchen vom Erfolg anderer abbekommen. Kann man Erfolg teilen?

Brettschneider: Ein Virus, das doch jeder gern bekommt … Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Was war Ihr schönstes Erfolgserlebnis? Lohr: Viele Entscheidungen im Berufsleben haben weitreichende Auswirkungen in die Zukunft. Im Rückblick bin ich stolz, dass sich gerade die aus der Sicht eines Außenstehenden gewagten Entscheidungen aus heutiger Sicht als richtig erwiesen haben. Mein privater Erfolg: Nach meinem mittlerweile zweijährigen Sohn bin ich gerade stolzer Papa eines Töchterchens geworden.

Werner: Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich meine Ideen materialisiert am Leben sehe, wenn ich persönlich das Gefühl habe, ein Ziel erreicht zu haben. Mein privater Zusatzerfolg ist, wenn ich meine Kinder abends noch ins Bett bringen kann.

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Korzer: Erfolg ist für mich, Kunden positiv zu ihrem Erfolg zu führen. Auch das Wissen, Neuanfänge gewagt und bestanden zu haben, macht mich zuversichtlich.

Laux: Erfolg ist für mich, wenn mein Gegenüber Freude hat an dem, was ich tue. Glücksgefühle bekomme ich, wenn ich weiß, dass ich gute Arbeit geleistet habe und dabei ein freundlicher Mensch geblieben bin.

Kalka: Mein Abitur? (lacht) Nein im Ernst. Zurzeit bin ich stolz auf mein Buch, das gerade neu erschienen ist. Es hat den Amoklauf von Winnenden, meiner Heimatstadt, zum Thema. Als Erfolg empfinde ich es, dass es von den Lesern verstanden wird. Privat sind es Momente wie dieser, wenn man sieht, dass die eigenen Kinder selbständig werden, sie schwimmen können und dass man sie gehen lassen kann und sie eigene Wege beschreiten.

Ottmann: Erfolg ist das Gefühl, ein Scheitern mit mentaler Stärke doch abgewandt zu haben.

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Die Preisverleihung zur Ehrung der Gewinner wird erstmals im Rahmen der Munich Creative Business Week (MCBW) am 10. Februar 2012 stattfinden. Den angemessenen Rahmen für die iF design awards night bietet eines der modernsten Gebäude Münchens: die BMW Welt (siehe auch  Seite 14).

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Die Design-Welt bekommt Zuwachs

Die Design-Welt bekommt Zuwachs

Die Preisverleihung zur Ehrung der Gewinner wird erstmals im Rahmen der Munich Creative Business Week (MCBW) am 10. Februar 2012 stattfinden. Den angemessenen Rahmen für die iF design awards night bietet eines der modernsten Gebäude Münchens: die BMW Welt (siehe auch Seite 14).

München – Stadt von Welt und Dorf zugleich. Home of the Oktoberfest. Die Stadt in Deutschland mit der angeblich höchsten Lebensqualität und die mit den meisten Singles. Berühmt für seine Bierkultur, seine Traditionen und den FC Bayern München. Die „nördlichste Stadt Italiens“, „Weltstadt mit Herz“ und Wahlheimat all jener, die selbst auch ein bisschen zur Schickeria gehören möchten. München ist all das – und noch viel mehr. Aber auch eine Kreativhauptstadt? 2012 steht der Isarmetropole ein in Deutschland bislang beispielloses Projekt ins Haus: Die Munich Creative Business Week (MCBW). Eine Woche ganz im Namen von Gestaltung, Design und Innovation, zu der mehrere tausend kreative Köpfe und Branchenexperten aus aller Welt erwartet werden. Aber hat München wirklich das Zeug dazu, im Bereich Design international Maßstäbe zu set-

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München – Stadt von Welt und Dorf zugleich. Home of the Oktoberfest. Die Stadt in Deutschland mit der angeblich höchsten Lebensqualität und die mit den meisten Singles. Berühmt für seine Bierkultur, seine Traditionen und den FC Bayern München. Die „nördlichste Stadt Italiens“, „Weltstadt mit Herz“ und Wahlheimat all jener, die selbst auch ein bisschen zur Schickeria gehören möchten. München ist all das – und noch viel mehr. Aber auch eine Kreativhauptstadt? 2012 steht der Isarmetropole ein in Deutschland bislang beispielloses Projekt ins Haus: Die Munich Creative Business Week (MCBW). Eine Woche ganz im Namen von Gestaltung, Design und Innovation, zu der mehrere tausend kreative Köpfe und Branchenexperten aus aller Welt erwartet werden. Aber hat München wirklich das Zeug dazu, im Bereich Design international Maßstäbe zu set-

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Dr. Silke Claus Geschäftsführerin bayern design GmbH „Die Munich Creative Business Week thematisiert die Bedeutung von Gestaltung, Design und Ideen für die zukünftige Entwicklung unserer Umwelt und Lebensbedingungen.“

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„Aber wo ich auch hinkomme – mir fällt immer wieder auf, dass Deutschland bei solchen Veranstaltungen sein Licht häufig unter den Scheffel stellt. Und dass besonders wir hier aus dem Süden uns sehr zurückhaltend präsentieren“, berichtet die Geschäftsführerin der bayern design GmbH, und die Tatsache, dass sie im Plural spricht, demonstriert, wie sehr sich die ursprünglich aus Hannover stammende Architektin seit ihrem Umzug vor eineinhalb Jahren bereits mit ihrer Wahlheimat Bayern identifiziert. Die Bayern üben sich also in falscher Bescheidenheit. Weltweit gilt Deutschland vorrangig als Technologiestandort; deutsche Produkte stehen für Qualität und technische Innovation. Über dieses – natürlich beileibe nicht schlechte, doch sehr reduzierte – Image braucht man sich allerdings nicht zu wundern, ist es doch eben jenes Bild, das offiziell von vielen Seiten nach außen kommuniziert wird. „Wir können aber noch viel mehr, und das müssen wir endlich zeigen“, findet Dr. Claus. Und so entstand die Idee, auf einer internationalen Designwoche in München der Welt zu demonstrieren, „dass auch wir eine vorbildliche Designkultur mit einer langen Tradition vorweisen können und über großartige Schulen, wie beispielsweise den Werkbund, verfügen“. Das Konzept der MCBW: Als Jahresauftakt trifft sich die internationale Designszene – Experten, Wissenschaftler, Studierende und Designfreunde – einmal jährlich Anfang Februar in München, um im Rahmen von vielfältigen Veranstaltungen in einen themen- und disziplinenübergreifenden Dialog zu treten. Bayern als hoch entwickelter

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2012 findet zum ersten Mal die Munich Creative Business Week statt. Geht das Konzept auf, wie es sich die Veranstalter erhoffen, wird die internationale Münchner Designwoche bald in einem Atemzug genannt werden mit den Design-Plattformen in Barcelona, Wien oder Hong Kong. Eine große Idee an der Isar, die immer mehr Gestalt annimmt und die unter besseren Vorzeichen nicht stehen könnte.

München – Stadt von Welt und Dorf zugleich. Home of the Oktoberfest. Die Stadt in Deutschland mit der angeblich höchsten Lebensqualität und die mit den meisten Singles. Berühmt für seine Bierkultur, seine Traditionen und den FC Bayern München. Die „nördlichste Stadt Italiens“, „Weltstadt mit Herz“ und Wahlheimat all jener, die selbst auch ein bisschen zur Schickeria gehören möchten. München ist all das – und noch viel mehr. Aber auch eine Kreativhauptstadt? 2012 steht der Isarmetropole ein in Deutschland bislang beispielloses Projekt ins Haus: Die Munich Creative Business Week (MCBW). Eine Woche ganz im Namen von Gestaltung, Design und Innovation, zu der mehrere tausend kreative Köpfe und Branchenexperten aus aller Welt erwartet werden. Aber hat München wirklich das Zeug dazu, im Bereich Design international Maßstäbe zu set-

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Dr. Silke Claus Geschäftsführerin bayern design GmbH „Die Munich Creative Business Week thematisiert die Bedeutung von Gestaltung, Design und Ideen für die zukünftige Entwicklung unserer Umwelt und Lebensbedingungen.“

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„Aber wo ich auch hinkomme – mir fällt immer wieder auf, dass Deutschland bei solchen Veranstaltungen sein Licht häufig unter den Scheffel stellt. Und dass besonders wir hier aus dem Süden uns sehr zurückhaltend präsentieren“, berichtet die Geschäftsführerin der bayern design GmbH, und die Tatsache, dass sie im Plural spricht, demonstriert, wie sehr sich die ursprünglich aus Hannover stammende Architektin seit ihrem Umzug vor eineinhalb Jahren bereits mit ihrer Wahlheimat Bayern identifiziert. Die Bayern üben sich also in falscher Bescheidenheit. Weltweit gilt Deutschland vorrangig als Technologiestandort; deutsche Produkte stehen für Qualität und technische Innovation. Über dieses – natürlich beileibe nicht schlechte, doch sehr reduzierte – Image braucht man sich allerdings nicht zu wundern, ist es doch eben jenes Bild, das offiziell von vielen Seiten nach außen kommuniziert wird. „Wir können aber noch viel mehr, und das müssen wir endlich zeigen“, findet Dr. Claus. Und so entstand die Idee, auf einer internationalen Designwoche in München der Welt zu demonstrieren, „dass auch wir eine vorbildliche Designkultur mit einer langen Tradition vorweisen können und über großartige Schulen, wie beispielsweise den Werkbund, verfügen“. Das Konzept der MCBW: Als Jahresauftakt trifft sich die internationale Designszene – Experten, Wissenschaftler, Studierende und Designfreunde – einmal jährlich Anfang Februar in München, um im Rahmen von vielfältigen Veranstaltungen in einen themen- und disziplinenübergreifenden Dialog zu treten. Bayern als hoch entwickelter

von Franziska Brettschneider

zen? „Und ob“, findet Dr. Silke Claus, Geschäftsführerin der bayern design GmbH. „Schließlich kann Bayern wie kein anderes Bundesland ein dichtes Netz namhafter und designorientierter Unternehmen vorweisen“, so Dr. Claus, und ihre kühne Behauptung wird zudem von der neuesten Branchen-Studie untermauert: Der zufolge leben in München nämlich so viele Kreativschaffende, dass die Stadt EU-weit den 9. Platz belegt und damit in Deutschland an erster Stelle steht. Was gibt es da noch hinzuzufügen? Aber fangen wir mal ganz von vorne an.

Stärken zeigen Dr. Claus ist eine viel gereiste Frau. Ob Barcelona, Wien oder Hongkong – auf allen großen Design-Foren dieser Welt ist sie zu Hause, pflegt den Kontakt zu den Großen der Branche, lässt sich von neuen Entwicklungen inspirieren. Munich Creative Business Week

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Was heißt hier „Design“? Ein zweites Anliegen möchte Dr. Claus mit der MCBW außerdem in Angriff nehmen. Sie möchte die Gelegenheit nutzen, mit den Experten, die zu Gast sein werden, in einen internationalen Diskurs zu treten, um den Begriff „Design“ auf hohem Niveau zu reflektieren und neu zu definieren. „Design“, erklärt Dr. Claus, werde heute sehr inflationär gebraucht und habe auch einen Bedeutungswandel erfahren. „Das Wort leitet sich her aus dem lateinischen ‚designare‘, was soviel heißt wie ‚bezeichnen‘. „‚Designierte‘ Welten und Produkte schließen demnach eine gewisse Sinnhaftigkeit ein“, sagt sie. „Design“ dagegen werde heute oft gleichgesetzt mit „schöner Oberfläche“, „Ästhetik“ oder „Lifestyle“. Dies gelte es zu hinterfragen. „Konsumenten betrachten Produkte heutzutage unter einem ganz anderen Blickwinkel, sie suchen zukunftsweisende Werte – was natürlich nicht heißen soll, dass es nicht weiterhin auch Artefakte geben wird.“ Wenn Dr. Claus von sinnhaften Produkten spricht, meint sie jene, die nicht nur einen gestalterischen, sondern auch einen Nutzwert haben, solche, die nah am Menschen sind. „Human-centered Design“ wird nur eines der zahlreichen spannenden Themen zwischen „Sustainable

Öffentliche Anregungen werden wir definitiv ernst nehmen. Social Media wird eine wichtige Rolle spielen. Geplant ist eine die MCBW begleitende Website, die Raum bietet für Blogs, Kommentare und andere Tools und Feedbacksysteme. Es ist essenziell, dass wir im ständigen Dialog mit der Zielgruppe stehen. Der Dialog, so finde ich, ist das kreative Potenzial schlechthin.

geboten unterschiedliche Zielgruppen. So wird es neben den fachspezifischen und zum Teil kostenpflichtigen Konferenzen/Kongressen auch zahlreiche Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit geben. Außerdem ist die MCBW eine tolle Plattform, um neue Business-Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Designthemen zu entwickeln und voranzutreiben.

Michael Lohr: Eine tragende Säule der Designwoche ist die Beteiligung engagierter Partner und Sponsoren. Wie verschaffen Sie sich Aufmerksamkeit bei den Unternehmen und inwiefern profitieren diese von der MCBW? Claus: Die Woche bietet einen Rahmen mit hoher Reputation und großer medialer Aufmerksamkeit. Über alle MCBW Veranstaltungen wird regelmäßig berichtet. Auch die IHKn und Ministerien, die wir für die MCBW gewinnen konnten, verfügen über zahlreiche Kontakte zur Wirtschaft. Zudem erreicht die Woche mit ihren vielfältigen Veranstaltungsan-

Missy: Wie lassen sich all die unterschiedlichen Interessen auf Seiten der Partner unter einen Hut bringen? Claus: Das ist unsere Herausforderung… Unser Ansatz ist die Benennung sogenannter „Themeninseln“, mit deren Hilfe wir die einzelnen Interessengruppen bündeln können. So hätten beispielsweise in der Kategorie „Mobilität der Zukunft“ Automobiler, Transportation Designer oder Mobilitätsforscher einen Bereich, in den sie sich einbringen können. Es kristallisieren sich bereits einige Themeninseln heraus, die die Veranstaltung strukturieren werden.

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Im Rahmen der MCBW treffen sich Unternehmer, Designer, Architekten wie Kreative, Wissenschaftler, Studierende und Interessierte auf vielfältigen Veranstaltungen zu einem themen- und disziplinenübergreifenden Dialog, natürlich auch in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne, München.

Fotos: © BMW Group, © Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich / Rainer Viertlböck

Udo Wittmann: Welche Erwartungen stellen Sie persönlich an die MCBW? Silke Claus: Ich liebe Brüche im System. Deshalb hoffe ich, dass sich auch einige Querdenker unter den Presentern befinden werden. Ich bin ein Freund von Design, das nicht mit dem Strom schwimmt. Ich nenne es Störfaktor-Design – Design, das kontrovers diskutiert werden kann, das auch mal aneckt, unbequem ist, kritisch. Das uns als Konsumenten einen Spiegel vorhält. Ralph Missy: Wie Dialog-orientiert ist die MCBW? Können Besucher auf die Wahl der Themen oder den Ablauf der Veranstaltung konkret Einfluss nehmen? Claus: Die MCBW lebt von der Initiative und dem Input der beteiligten Unternehmen und Partner – wir geben lediglich den Rahmen vor.

Design“, „Mobile Urban Life“, „Cultural Brands“ und anderen sein, die während der MCBW aufgegriffen werden. Einige Programmpunkte der Designwoche, die nun offiziell vom 7. bis 12. Februar 2012 stattfindet, stehen tatsächlich bereits fest. Geplant sind zum Beispiel ein Education Day, Future Labs und Workshops, Open Spaces in Münchner Ateliers, Werkstätten, Shops und Galerien, ein internationaler Kongress, Partnerlandpräsentationen, Design-Filmnächte, Modenschauen sowie ein Stadtparcours.

Wichtiger Impuls: die iF Preisverleihungen Zweifelsohne ein Höhepunkt auf der MCBW: die iF awards night. Hierzu werden Preisträger und designinteressierte Gäste aus aller Herren Länder erwartet. Die iF Auszeichnungen zählen zu den wichtigsten Designpreisen weltweit. Mehr als 11.000 Wettbewerbsbeiträge jährlich aus knapp 50 Ländern bestätigen dies eindrucksvoll. Das von internationalen Experten verliehene iF Label steht für geprüfte Designqualität und gilt deshalb als eine seriöse Orientierungshilfe am Markt. Eigens für die MCBW holt iFGeschäftsführer Ralph Wiegmann alle Wettbewerbe nach München. Statt fünf Preisverleihungen wird es ab 2012 jährlich nur eine zentrale Verleihung in München geben. Ein wichtiger Impuls für das Projekt, wie Dr. Claus findet. Eine Design-Woche für München. Aber was ist mit den Münchnern? Die MCBW richtet sich zwar an Fachexper-

ten, ein Konklave soll die Veranstaltung dennoch nicht werden. „Wir wollen das Thema Gestaltung in der ganzen Stadt sichtbar machen“, kündigt Dr. Claus an. Und das wird folgendermaßen aussehen: Eine eigens für die MCBW entworfene City-Guide-App führt Design-affine Besucher schnell und bequem zu den verschiedenen EventLocations, – zu Agenturen, Hotels, Restaurants und Hochschulen. Bekannte und etablierte Unternehmen bis hin zu kleinen, aufstrebenden Firmen gewähren einen Einblick in ihre Kreativschmieden. In Showrooms und Ausstellungen präsentieren sie ihre neuesten Ideen und Produkte. Dr. Claus betont aber, dass „das Ziel nicht die Selbstbeweihräucherung unserer heimischen Kreativen“ sein soll. Im Gegenteil: „Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen und auch von anderen Nationen lernen“. Zu Recht Stolz empfindet Dr. Claus, dass ihr Team von bayern design und sie mit dem Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie der Stadt München zwei starke Partner ins Boot holen konnten. Eine große Vision nimmt Gestalt an. Und so wird denn die Design-Welt nächstes Jahr im Februar nicht nur auf München schauen – sie wird vor Ort sein.

Werden Sie Eventpartner oder Sponsor der MCBW. Weitere Infos unter: www.bayern-design.de

Franziska Brettschneider arbeitet als freie Journalistin und Redakteurin in den Bereichen Design, Gesundheit, Sport, Kultur und Touristik.

Munich Creative Business Week

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zen? „Und ob“, findet Dr. Silke Claus, Geschäftsführerin der bayern design GmbH. „Schließlich kann Bayern wie kein anderes Bundesland ein dichtes Netz namhafter und designorientierter Unternehmen vorweisen“, so Dr. Claus, und ihre kühne Behauptung wird zudem von der neuesten Branchen-Studie untermauert: Der zufolge leben in München nämlich so viele Kreativschaffende, dass die Stadt EU-weit den 9. Platz belegt und damit in Deutschland an erster Stelle steht. Was gibt es da noch hinzuzufügen? Aber fangen wir mal ganz von vorne an.

Stärken zeigen Dr. Claus ist eine viel gereiste Frau. Ob Barcelona, Wien oder Hongkong – auf allen großen Design-Foren dieser Welt ist sie zu Hause, pflegt den Kontakt zu den Großen der Branche, lässt sich von neuen Entwicklungen inspirieren. Munich Creative Business Week

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Was heißt hier „Design“? Ein zweites Anliegen möchte Dr. Claus mit der MCBW außerdem in Angriff nehmen. Sie möchte die Gelegenheit nutzen, mit den Experten, die zu Gast sein werden, in einen internationalen Diskurs zu treten, um den Begriff „Design“ auf hohem Niveau zu reflektieren und neu zu definieren. „Design“, erklärt Dr. Claus, werde heute sehr inflationär gebraucht und habe auch einen Bedeutungswandel erfahren. „Das Wort leitet sich her aus dem lateinischen ‚designare‘, was soviel heißt wie ‚bezeichnen‘. „‚Designierte‘ Welten und Produkte schließen demnach eine gewisse Sinnhaftigkeit ein“, sagt sie. „Design“ dagegen werde heute oft gleichgesetzt mit „schöner Oberfläche“, „Ästhetik“ oder „Lifestyle“. Dies gelte es zu hinterfragen. „Konsumenten betrachten Produkte heutzutage unter einem ganz anderen Blickwinkel, sie suchen zukunftsweisende Werte – was natürlich nicht heißen soll, dass es nicht weiterhin auch Artefakte geben wird.“ Wenn Dr. Claus von sinnhaften Produkten spricht, meint sie jene, die nicht nur einen gestalterischen, sondern auch einen Nutzwert haben, solche, die nah am Menschen sind. „Human-centered Design“ wird nur eines der zahlreichen spannenden Themen zwischen „Sustainable

Im Rahmen der MCBW treffen sich Unternehmer, Designer, Architekten wie Kreative, Wissenschaftler, Studierende und Interessierte auf vielfältigen Veranstaltungen zu einem themen- und disziplinenübergreifenden Dialog, natürlich auch in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne, München.

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Nachgehakt … Udo Wittmann, Ralph Missy und Michael Lohr von der Kommunikationsagentur raumbrand im Gespräch mit bayern design-Chefin Dr. Silke Claus

Udo Wittmann: Welche Erwartungen stellen Sie persönlich an die MCBW? Silke Claus: Ich liebe Brüche im System. Deshalb hoffe ich, dass sich auch einige Querdenker unter den Presentern befinden werden. Ich bin ein Freund von Design, das nicht mit dem Strom schwimmt. Ich nenne es Störfaktor-Design – Design, das kontrovers diskutiert werden kann, das auch mal aneckt, unbequem ist, kritisch. Das uns als Konsumenten einen Spiegel vorhält. Ralph Missy: Wie Dialog-orientiert ist die MCBW? Können Besucher auf die Wahl der Themen oder den Ablauf der Veranstaltung konkret Einfluss nehmen? Claus: Die MCBW lebt von der Initiative und dem Input der beteiligten Unternehmen und Partner – wir geben lediglich den Rahmen vor.

70 Munich Creative Business Week

Öffentliche Anregungen werden wir definitiv ernst nehmen. Social Media wird eine wichtige Rolle spielen. Geplant ist eine die MCBW begleitende Website, die Raum bietet für Blogs, Kommentare und andere Tools und Feedbacksysteme. Es ist essenziell, dass wir im ständigen Dialog mit der Zielgruppe stehen. Der Dialog, so finde ich, ist das kreative Potenzial schlechthin.

geboten unterschiedliche Zielgruppen. So wird es neben den fachspezifischen und zum Teil kostenpflichtigen Konferenzen/Kongressen auch zahlreiche Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit geben. Außerdem ist die MCBW eine tolle Plattform, um neue Business-Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Designthemen zu entwickeln und voranzutreiben.

Michael Lohr: Eine tragende Säule der Designwoche ist die Beteiligung engagierter Partner und Sponsoren. Wie verschaffen Sie sich Aufmerksamkeit bei den Unternehmen und inwiefern profitieren diese von der MCBW? Claus: Die Woche bietet einen Rahmen mit hoher Reputation und großer medialer Aufmerksamkeit. Über alle MCBW Veranstaltungen wird regelmäßig berichtet. Auch die IHKn und Ministerien, die wir für die MCBW gewinnen konnten, verfügen über zahlreiche Kontakte zur Wirtschaft. Zudem erreicht die Woche mit ihren vielfältigen Veranstaltungsan-

Missy: Wie lassen sich all die unterschiedlichen Interessen auf Seiten der Partner unter einen Hut bringen? Claus: Das ist unsere Herausforderung … Unser Ansatz ist die Benennung sogenannter „Themeninseln“, mit deren Hilfe wir die einzelnen Interessengruppen bündeln können. So hätten beispielsweise in der Kategorie „Mobilität der Zukunft“ Automobiler, Transportation Designer oder Mobilitätsforscher einen Bereich, in den sie sich einbringen können. Es kristallisieren sich bereits einige Themeninseln heraus, die die Veranstaltung strukturieren werden.

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Design“, „Mobile Urban Life“, „Cultural Brands“ und anderen sein, die während der MCBW aufgegriffen werden. Einige Programmpunkte der Designwoche, die nun offiziell vom 7. bis 12. Februar 2012 stattfindet, stehen tatsächlich bereits fest. Geplant sind zum Beispiel ein Education Day, Future Labs und Workshops, Open Spaces in Münchner Ateliers, Werkstätten, Shops und Galerien, ein internationaler Kongress, Partnerlandpräsentationen, Design-Filmnächte, Modenschauen sowie ein Stadtparcours.

Wichtiger Impuls: die iF Preisverleihungen Zweifelsohne ein Höhepunkt auf der MCBW: die iF awards night. Hierzu werden Preisträger und designinteressierte Gäste aus aller Herren Länder erwartet. Die iF Auszeichnungen zählen zu den wichtigsten Designpreisen weltweit. Mehr als 11.000 Wettbewerbsbeiträge jährlich aus knapp 50 Ländern bestätigen dies eindrucksvoll. Das von internationalen Experten verliehene iF Label steht für geprüfte Designqualität und gilt deshalb als eine seriöse Orientierungshilfe am Markt. Eigens für die MCBW holt iFGeschäftsführer Ralph Wiegmann alle Wettbewerbe nach München. Statt fünf Preisverleihungen wird es ab 2012 jährlich nur eine zentrale Verleihung in München geben. Ein wichtiger Impuls für das Projekt, wie Dr. Claus findet. Eine Design-Woche für München. Aber was ist mit den Münchnern? Die MCBW richtet sich zwar an Fachexper-

raumbrand 1.11

ten, ein Konklave soll die Veranstaltung dennoch nicht werden. „Wir wollen das Thema Gestaltung in der ganzen Stadt sichtbar machen“, kündigt Dr. Claus an. Und das wird folgendermaßen aussehen: Eine eigens für die MCBW entworfene City-Guide-App führt Design-affine Besucher schnell und bequem zu den verschiedenen EventLocations, – zu Agenturen, Hotels, Restaurants und Hochschulen. Bekannte und etablierte Unternehmen bis hin zu kleinen, aufstrebenden Firmen gewähren einen Einblick in ihre Kreativschmieden. In Showrooms und Ausstellungen präsentieren sie ihre neuesten Ideen und Produkte. Dr. Claus betont aber, dass „das Ziel nicht die Selbstbeweihräucherung unserer heimischen Kreativen“ sein soll. Im Gegenteil: „Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen und auch von anderen Nationen lernen“. Zu Recht Stolz empfindet Dr. Claus, dass ihr Team von bayern design und sie mit dem Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie der Stadt München zwei starke Partner ins Boot holen konnten. Eine große Vision nimmt Gestalt an. Und so wird denn die Design-Welt nächstes Jahr im Februar nicht nur auf München schauen – sie wird vor Ort sein.

Werden Sie Eventpartner oder Sponsor der MCBW. Weitere Infos unter: www.bayern-design.de

Franziska Brettschneider arbeitet als freie Journalistin und Redakteurin in den Bereichen Design, Gesundheit, Sport, Kultur und Touristik.

Munich Creative Business Week

von Franziska Brettschneider

zen? „Und ob“, findet Dr. Silke Claus, Geschäftsführerin der bayern design GmbH. „Schließlich kann Bayern wie kein anderes Bundesland ein dichtes Netz namhafter und designorientierter Unternehmen vorweisen“, so Dr. Claus, und ihre kühne Behauptung wird zudem von der neuesten Branchen-Studie untermauert: Der zufolge leben in München nämlich so viele Kreativschaffende, dass die Stadt EU-weit den 9. Platz belegt und damit in Deutschland an erster Stelle steht. Was gibt es da noch hinzuzufügen? Aber fangen wir mal ganz von vorne an.

Stärken zeigen Dr. Claus ist eine viel gereiste Frau. Ob Barcelona, Wien oder Hongkong – auf allen großen Design-Foren dieser Welt ist sie zu Hause, pflegt den Kontakt zu den Großen der Branche, lässt sich von neuen Entwicklungen inspirieren. Munich Creative Business Week

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Wirtschaftsstandort stellt in einer facettenreichen Leistungsschau die eigenen Designstärken dar, und München etabliert sich langfristig als Impulsgeber für Design und als weltweite Kommunikations- und Kooperationsplattform für die Kreativwirtschaft und Designindustrie.

Join the community!

Nachgehakt … Udo Wittmann, Ralph Missy und Michael Lohr von der Kommunikationsagentur raumbrand im Gespräch mit bayern design-Chefin Dr. Silke Claus

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von Franziska Brettschneider

Wirtschaftsstandort stellt in einer facettenreichen Leistungsschau die eigenen Designstärken dar, und München etabliert sich langfristig als Impulsgeber für Design und als weltweite Kommunikations- und Kooperationsplattform für die Kreativwirtschaft und Designindustrie.

Fotos: © BMW Group, © Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich / Rainer Viertlböck

2012 findet zum ersten Mal die Munich Creative Business Week statt. Geht das Konzept auf, wie es sich die Veranstalter erhoffen, wird die internationale Münchner Designwoche bald in einem Atemzug genannt werden mit den Design-Plattformen in Barcelona, Wien oder Hong Kong. Eine große Idee an der Isar, die immer mehr Gestalt annimmt und die unter besseren Vorzeichen nicht stehen könnte.

Die Design-Welt bekommt Zuwachs

Die Preisverleihung zur Ehrung der Gewinner wird erstmals im Rahmen der Munich Creative Business Week (MCBW) am 10. Februar 2012 stattfinden. Den angemessenen Rahmen für die iF design awards night bietet eines der modernsten Gebäude Münchens: die BMW Welt (siehe auch Seite 14).

2012 findet zum ersten Mal die Munich Creative Business Week statt. Geht das Konzept auf, wie es sich die Veranstalter erhoffen, wird die internationale Münchner Designwoche bald in einem Atemzug genannt werden mit den Design-Plattformen in Barcelona, Wien oder Hong Kong. Eine große Idee an der Isar, die immer mehr Gestalt annimmt und die unter besseren Vorzeichen nicht stehen könnte.

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Dr. Silke Claus Geschäftsführerin bayern design GmbH „Die Munich Creative Business Week thematisiert die Bedeutung von Gestaltung, Design und Ideen für die zukünftige Entwicklung unserer Umwelt und Lebensbedingungen.“

„Aber wo ich auch hinkomme – mir fällt immer wieder auf, dass Deutschland bei solchen Veranstaltungen sein Licht häufig unter den Scheffel stellt. Und dass besonders wir hier aus dem Süden uns sehr zurückhaltend präsentieren“, berichtet die Geschäftsführerin der bayern design GmbH, und die Tatsache, dass sie im Plural spricht, demonstriert, wie sehr sich die ursprünglich aus Hannover stammende Architektin seit ihrem Umzug vor eineinhalb Jahren bereits mit ihrer Wahlheimat Bayern identifiziert. Die Bayern üben sich also in falscher Bescheidenheit. Weltweit gilt Deutschland vorrangig als Technologiestandort; deutsche Produkte stehen für Qualität und technische Innovation. Über dieses – natürlich beileibe nicht schlechte, doch sehr reduzierte – Image braucht man sich allerdings nicht zu wundern, ist es doch eben jenes Bild, das offiziell von vielen Seiten nach außen kommuniziert wird. „Wir können aber noch viel mehr, und das müssen wir endlich zeigen“, findet Dr. Claus. Und so entstand die Idee, auf einer internationalen Designwoche in München der Welt zu demonstrieren, „dass auch wir eine vorbildliche Designkultur mit einer langen Tradition vorweisen können und über großartige Schulen, wie beispielsweise den Werkbund, verfügen“. Das Konzept der MCBW: Als Jahresauftakt trifft sich die internationale Designszene – Experten, Wissenschaftler, Studierende und Designfreunde – einmal jährlich Anfang Februar in München, um im Rahmen von vielfältigen Veranstaltungen in einen themen- und disziplinenübergreifenden Dialog zu treten. Bayern als hoch entwickelter

Nachgehakt … Udo Wittmann, Ralph Missy und Michael Lohr von der Kommunikationsagentur raumbrand im Gespräch mit bayern design-Chefin Dr. Silke Claus

Udo Wittmann: Welche Erwartungen stellen Sie persönlich an die MCBW? Silke Claus: Ich liebe Brüche im System. Deshalb hoffe ich, dass sich auch einige Querdenker unter den Presentern befinden werden. Ich bin ein Freund von Design, das nicht mit dem Strom schwimmt. Ich nenne es Störfaktor-Design – Design, das kontrovers diskutiert werden kann, das auch mal aneckt, unbequem ist, kritisch. Das uns als Konsumenten einen Spiegel vorhält. Ralph Missy: Wie Dialog-orientiert ist die MCBW? Können Besucher auf die Wahl der Themen oder den Ablauf der Veranstaltung konkret Einfluss nehmen? Claus: Die MCBW lebt von der Initiative und dem Input der beteiligten Unternehmen und Partner – wir geben lediglich den Rahmen vor.

70 Munich Creative Business Week

Wirtschaftsstandort stellt in einer facettenreichen Leistungsschau die eigenen Designstärken dar, und München etabliert sich langfristig als Impulsgeber für Design und als weltweite Kommunikations- und Kooperationsplattform für die Kreativwirtschaft und Designindustrie.

Was heißt hier „Design“? Ein zweites Anliegen möchte Dr. Claus mit der MCBW außerdem in Angriff nehmen. Sie möchte die Gelegenheit nutzen, mit den Experten, die zu Gast sein werden, in einen internationalen Diskurs zu treten, um den Begriff „Design“ auf hohem Niveau zu reflektieren und neu zu definieren. „Design“, erklärt Dr. Claus, werde heute sehr inflationär gebraucht und habe auch einen Bedeutungswandel erfahren. „Das Wort leitet sich her aus dem lateinischen ‚designare‘, was soviel heißt wie ‚bezeichnen‘. „‚Designierte‘ Welten und Produkte schließen demnach eine gewisse Sinnhaftigkeit ein“, sagt sie. „Design“ dagegen werde heute oft gleichgesetzt mit „schöner Oberfläche“, „Ästhetik“ oder „Lifestyle“. Dies gelte es zu hinterfragen. „Konsumenten betrachten Produkte heutzutage unter einem ganz anderen Blickwinkel, sie suchen zukunftsweisende Werte – was natürlich nicht heißen soll, dass es nicht weiterhin auch Artefakte geben wird.“ Wenn Dr. Claus von sinnhaften Produkten spricht, meint sie jene, die nicht nur einen gestalterischen, sondern auch einen Nutzwert haben, solche, die nah am Menschen sind. „Human-centered Design“ wird nur eines der zahlreichen spannenden Themen zwischen „Sustainable

Öffentliche Anregungen werden wir definitiv ernst nehmen. Social Media wird eine wichtige Rolle spielen. Geplant ist eine die MCBW begleitende Website, die Raum bietet für Blogs, Kommentare und andere Tools und Feedbacksysteme. Es ist essenziell, dass wir im ständigen Dialog mit der Zielgruppe stehen. Der Dialog, so finde ich, ist das kreative Potenzial schlechthin.

geboten unterschiedliche Zielgruppen. So wird es neben den fachspezifischen und zum Teil kostenpflichtigen Konferenzen/Kongressen auch zahlreiche Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit geben. Außerdem ist die MCBW eine tolle Plattform, um neue Business-Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Designthemen zu entwickeln und voranzutreiben.

Michael Lohr: Eine tragende Säule der Designwoche ist die Beteiligung engagierter Partner und Sponsoren. Wie verschaffen Sie sich Aufmerksamkeit bei den Unternehmen und inwiefern profitieren diese von der MCBW? Claus: Die Woche bietet einen Rahmen mit hoher Reputation und großer medialer Aufmerksamkeit. Über alle MCBW Veranstaltungen wird regelmäßig berichtet. Auch die IHKn und Ministerien, die wir für die MCBW gewinnen konnten, verfügen über zahlreiche Kontakte zur Wirtschaft. Zudem erreicht die Woche mit ihren vielfältigen Veranstaltungsan-

Missy: Wie lassen sich all die unterschiedlichen Interessen auf Seiten der Partner unter einen Hut bringen? Claus: Das ist unsere Herausforderung … Unser Ansatz ist die Benennung sogenannter „Themeninseln“, mit deren Hilfe wir die einzelnen Interessengruppen bündeln können. So hätten beispielsweise in der Kategorie „Mobilität der Zukunft“ Automobiler, Transportation Designer oder Mobilitätsforscher einen Bereich, in den sie sich einbringen können. Es kristallisieren sich bereits einige Themeninseln heraus, die die Veranstaltung strukturieren werden.

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Im Rahmen der MCBW treffen sich Unternehmer, Designer, Architekten wie Kreative, Wissenschaftler, Studierende und Interessierte auf vielfältigen Veranstaltungen zu einem themen- und disziplinenübergreifenden Dialog, natürlich auch in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne, München.

Fotos: © BMW Group, © Die Neue Sammlung – The International Design Museum Munich / Rainer Viertlböck

Join the community! Design“, „Mobile Urban Life“, „Cultural Brands“ und anderen sein, die während der MCBW aufgegriffen werden. Einige Programmpunkte der Designwoche, die nun offiziell vom 7. bis 12. Februar 2012 stattfindet, stehen tatsächlich bereits fest. Geplant sind zum Beispiel ein Education Day, Future Labs und Workshops, Open Spaces in Münchner Ateliers, Werkstätten, Shops und Galerien, ein internationaler Kongress, Partnerlandpräsentationen, Design-Filmnächte, Modenschauen sowie ein Stadtparcours.

Wichtiger Impuls: die iF Preisverleihungen Zweifelsohne ein Höhepunkt auf der MCBW: die iF awards night. Hierzu werden Preisträger und designinteressierte Gäste aus aller Herren Länder erwartet. Die iF Auszeichnungen zählen zu den wichtigsten Designpreisen weltweit. Mehr als 11.000 Wettbewerbsbeiträge jährlich aus knapp 50 Ländern bestätigen dies eindrucksvoll. Das von internationalen Experten verliehene iF Label steht für geprüfte Designqualität und gilt deshalb als eine seriöse Orientierungshilfe am Markt. Eigens für die MCBW holt iFGeschäftsführer Ralph Wiegmann alle Wettbewerbe nach München. Statt fünf Preisverleihungen wird es ab 2012 jährlich nur eine zentrale Verleihung in München geben. Ein wichtiger Impuls für das Projekt, wie Dr. Claus findet. Eine Design-Woche für München. Aber was ist mit den Münchnern? Die MCBW richtet sich zwar an Fachexper-

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ten, ein Konklave soll die Veranstaltung dennoch nicht werden. „Wir wollen das Thema Gestaltung in der ganzen Stadt sichtbar machen“, kündigt Dr. Claus an. Und das wird folgendermaßen aussehen: Eine eigens für die MCBW entworfene City-Guide-App führt Design-affine Besucher schnell und bequem zu den verschiedenen EventLocations, – zu Agenturen, Hotels, Restaurants und Hochschulen. Bekannte und etablierte Unternehmen bis hin zu kleinen, aufstrebenden Firmen gewähren einen Einblick in ihre Kreativschmieden. In Showrooms und Ausstellungen präsentieren sie ihre neuesten Ideen und Produkte. Dr. Claus betont aber, dass „das Ziel nicht die Selbstbeweihräucherung unserer heimischen Kreativen“ sein soll. Im Gegenteil: „Wir wollen über den Tellerrand hinausschauen und auch von anderen Nationen lernen“. Zu Recht Stolz empfindet Dr. Claus, dass ihr Team von bayern design und sie mit dem Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie der Stadt München zwei starke Partner ins Boot holen konnten. Eine große Vision nimmt Gestalt an. Und so wird denn die Design-Welt nächstes Jahr im Februar nicht nur auf München schauen – sie wird vor Ort sein.

Werden Sie Eventpartner oder Sponsor der MCBW. Weitere Infos unter: www.bayern-design.de

Franziska Brettschneider arbeitet als freie Journalistin und Redakteurin in den Bereichen Design, Gesundheit, Sport, Kultur und Touristik.

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Inspiration

Angst

Die vor der Leere

von Katrin Lange

Schauen Sie auf die linke Seite. Auf das leere Blatt. Was empfinden Sie? Angst? Dann leiden Sie vielleicht unter dem Horror Vacui, der Angst vor der Leere, die viele Künstler befällt, wenn Sie ganz am Anfang eines Werkes stehen: vor der leeren Seite, der weißen Leinwand, dem unbeschriebenen Notenblatt. Nicht allen ergeht es dabei so schlimm wie Barton Fink, der Hauptperson aus dem gleichnamigen Kultfilm der Coen-Brüder: Der unerfahrene Drehbuchautor soll sein erstes Drehbuch in Hollywood verfassen. Nächtelang hockt er in seinem schäbigen Hotelzimmer und wartet auf die richtige Eingebung. Seine Schreibblockade endet schließlich in einem blutigen Alptraum – Stoff für ein Drehbuch der Coens. Barton Fink mag ein besonders bedauernswertes Opfer der Angst vor dem leeren Blatt sein, aber darunter gelitten haben viele berühmte Künstler. Und viele von Ihnen haben versucht, diesem Horror mit Drogen und Alkohol beizukommen. Angeblich suchten Mozart und Beethoven Trost in billigem Wein, Opium war angeblich das Mittel der Wahl von Mary Shelley oder Edgar Allen Poe. Selbst Wissenschaftler wollten ihr Bewusstsein chemisch erweitern: So gab Kary Mullis, der 1993 den Nobelpreis in Chemie für die Erfindung der Polymerase-Kettenreaktion erhielt, zu, dass er im LSD-Rausch Inspiration gefunden hätte. Doch es gibt auch ermutigende Beispiele. So hat der Maler Norbert Bisky einen ganz einfachen Trick, mit der Leere der Leinwand fertig zu werden: „Beim Malen fange ich rechts oben an und höre links unten auf. … Wenn ich nicht weiterkomme, drehe ich die Leinwand und fange an einer anderen Stelle noch einmal an.“ Oder Johann Sebastian Bach: „Man darf nur die rechten Tasten zur rech-

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ten Zeit treffen, so spielt das Instrument von selber.“ Oder John Cage: „Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es, und das ist Poesie.“ Und schließlich Sigmar Polke: „Höhere Wesen befahlen: Rechte obere Ecke schwarz malen.“ Nun verfügt leider nicht jeder über ein höheres Wesen. Studenten verwandeln sich lieber in wahre Putzteufel, anstatt endlich mit der Diplomarbeit zu beginnen. Manager suchen Ablenkung am Smartphone, Wissenschaftler sammeln noch mehr Daten – alles um bloß nicht anfangen zu müssen. Ihnen allen steht meist der eigene Perfektionismus im Wege, ihre inneren Kritiker hindern sie, unbefangen loszulegen. Max Frisch hat treffend bemerkt: „Es soll Schriftsteller geben, die nicht zu schreiben beginnen, bevor sie einen fertigen Plan haben. Wie ein Architekt. Oder wie man so sagt: Sie haben ihren Roman im Kopf. Vor allem Dilettanten lieben diese Vorstellung.“ Auf Knopfdruck lässt sich ungebremste Kreativität trotzdem nicht abrufen. Zwar werden in diversen Seminaren „Kreativitätstechniken“ vermittelt, doch ein Patentrezept liefern diese Angebote nicht. Vor dem leeren Blatt ist jeder auf sich selbst gestellt und muss den ersten Schritt alleine tun. Und wenn der zu schwer fällt, hilft kein Druck. Das beste Mittel gegen die Blockade ist loslassen. Sei es ein Spaziergang im Wald, ein Espresso an der Bar, ein Geplauder mit Freunden oder Kollegen. Hat das leere Blatt für Sie an Schrecken verloren? Wenn ja, dann nutzen Sie es doch für Notizen oder malen Sie ein Bild. Wenn nein, dann blättern Sie einfach um. Die nächsten Seiten sind voll. Versprochen. Katrin Lange, geb. 1966, leitende Redakteurin und Autorin in den Bereichen Gesundheit, Energie und Lifestyle.

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von Axel Werner

Markenmacher schwärmen von der Intelligenz der Crowd

Uwe Decher Geschäftsführender Gesellschafter Negtar GmbH

Elena Jones Geschäftsführerin QUAXTER GmbH

Nachdem Surowiecki 2004 in „The Wisdom of Crowds“ erklärte, warum Gruppen bessere Lösungen hervorbringen als Individuen, beobachtete Web 2.0-Prophet Jeff Howe zwei Jahre später, wie Unternehmen die Kreativität von vielen Web-Konsumenten nutzen, um eigene Probleme zu lösen. Er nannte das „Crowdsourcing“. Zuckerberg’s Facebook hat den Begriff dann groß gemacht. Aber seien wir mal ehrlich, den Startpunkt setzte das ZDF vor über vierzig Jahren.

Freitag, den 20. Oktober 1967 um 20:15 Uhr Eduard Zimmermann tritt schwarz-weiß vor die Kamera und präsentiert mit ernster Miene Aktenzeichen XY, die erste Verbrecherjagd zum Mitmachen. Crowdsourcing? Richtig. Am Anfang steht eine Aufgabe (finde den Verbrecher) und am Ende lockt das Incentive (der Finderlohn). Die mitmachenden Fernsehzuschauer (Crowd) geben ihre Hinweise in die Telefonzentrale (Einreichungen), die alles verarbeitet und wichtige Details über den Sender sofort ausstrahlt (Feedback). Im Verlauf des Abends verdichten sich dadurch Erkenntnisse (Kollaboration), und es beginnt ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer letztlich die „sachdienlichen Hinweise zur Ergreifung des Täters“ liefert (Finale).

Die Schöpfung aus der Menge im Internet Neu an Crowdsourcing ist das Internet. Es erlaubt vielen Teilnehmern, einen individuellen Beitrag unabhängig von Zeit und Ort zu leisten. Gemeint ist das „Schöpfen aus der Menge“, um Aufgaben im Internet auf viele Schultern zu verteilen. Daher ist Crowdsourcing eine Organisationsform, eine Arbeitsmethode, deren essenzielle Bestandteile Wettbewerb, Zusammenarbeit und Feedback sind (siehe Seite 77), die über das Netz geteilt werden. Fotos: © James Thew / Fotolia; © fotoflash / Fotolia; © Marci Rossi (1); © Jens Schwarz (Werner S.76)

Wäre es nicht eine schöne Utopie, wenn man die Probleme der Welt – Hunger, Krankheit, Armut, Verschmutzung und Dummheit – beseitigen könnte, indem man die kreativsten und intelligentesten Gehirne miteinander verbindet, um neue Problemlösungen zu finden? Crowdsourcing ist keine Verwirklichung der Utopie, aber schon mal ein guter Anfang.

74 Crowdsourcing

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Divide et impera neu: Share und gewinne! Machiavellis Fürstenrat war natürlich anders gemeint. Doch wenn man den deutschen Begriff des Teilens mit dem englischen Sharing interpretiert, öffnen sich ganz neue Einsichten. Mittlerweile dämmert den meisten, dass das Miteinanderteilen wesentlich erfolgreicher ist, als das Abschotten. Gewinnertypen finden sich nachweislich dort, wo mit Information breit und offen umgegangen wird. Und Gewinnmargen offenbaren sich, sobald Wettbewerb in Gang kommt. Wer auf der Information sitzt wie die Glucke auf dem Ei, verdeckt und verhindert ihr Nutzenpotenzial. Nicht mehr nur Wissen ist Macht, sondern vor allem die Fähigkeit, Wissen schnell zu verteilen und daraus in der Organisation Wertschöpfung werden zu lassen. Erfolgreiche Manager „sharen“ ihren Wissensvorsprung gerne und scheren sich nicht um den vermeintlichen Kontrollverlust ihres Infor-

Andreas Klinger Gründer und Geschäftsführer Garmz GmbH

Tim Klimes Journalist und Gründer 140sekunden.de

Robin Green Journalist und Gründer 140sekunden.de

mationsmonopols. Denn es ist wie beim Kochen: Rezepte sind kopierbar – es kommt darauf an, wie man kocht. Crowdsourcing funktioniert also über das Netz mit einer Kultur des schnellen Teilens. Für den Marketingmenschen hat das zwei faszinierende Facetten: Die Methode liefert frische Impulse für Innovation, Kreation und neue Geschäftsmodelle. Und sie ist ein feines Instrument der streuverlustfreien Zielgruppenansprache.

Crowdsourcing als Innovationsmotor Die „Open Innovation“-Bewegung macht das Internet zur Entwicklungsabteilung. Produktideen, Verbesserungsvorschläge und Marktforschung werden zunehmend über professionelle Crowds beschafft. Uwe Decher entwickelt Sourcing-Strategien und trainiert Konzerne im Einkauf: „Das Prinzip lautet: Wir geben die Aufgabenstellung und den Preis der Lösung vor. Lieferanten konkurrieren um die beste Innovation. Anstatt die Aufgabe zu standardisieren, wird der Lösungsprozess standardisiert. Das ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel bei Konzernen, die Innovationen beschleunigen.“

Siehe auch zu Crowdsourcing Seite 31 | über Schnittstellenkultur Synaptic Branding Seite 22 und raumbrand Dialog Seite 62

Social Creativity: Logos, Webdesign und Grafikdesign aus dem Netz Über tausend Designer hat Elena Jones auf ihrer Plattform „QUAXTER.de“. Die Geschäftsführerin des Social-Creativity-Portals sieht den Vorteil für Marken und Agenturen darin, eine Crowd aus Design-Experten schnell und exklusiv für Kreativprojekte einzusetzen. Designaufträge werden kurzerhand als Kreativwettbewerb mit Preisgeld ausgeschrieben – vertraulich, wenn gewünscht. Binnen weniger Tage entsteht eine Fülle von Gestaltungsideen, aus denen der Auftraggeber die Besten kürt. Weil die Preisgelder bei 100 Euro beginnen, ächzt natürlich die Designergilde. Doch Jones sieht sich nicht als Konkurrenz: „QUAXTER ist das Projektmanagement-Tool für Kreativjobs, optimiert für den Workflow von Marketingprofis. Wir sind keine Agentur, sondern Enabler.“ Crowdsourcing liefere erstklassige Qualität, wenn das Setup von Preisgeld, Nutzungsrechten und Feedback stimme. Kein Allheilmittel für Design, aber für „kurze Kreativinjektionen“ sei die QUAXTER-Crowd einfach unschlagbar.

Kreative Geschäftsmodelle rund um die Crowd Weiter entwickelt ist die Modebranche. Dort verwendet Andreas Klinger, Gründer und Geschäftsführer von Garmz. com, Crowdsourcing für die ganze Wertschöpfungskette: Modedesigner reichen Skizzen ein und die Crowd votet nach Gusto. Die Gewinner-Kreationen produziert Garmz in Kleinserien und vermarktet sie bei ausreichend Pre-Orders im eigenen Onlineshop. Nach den Erfolgsfaktoren ge-

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Beispiele kommerzieller Crowdsourcing-Plattformen in Web

Amazonstudios.com

Filme und Drehbücher von Nachwuchsautoren

Brainfloor.com

Open Innovation Plattform für Ideenfindungsprojekte

Garmz.com

Fashion von der Skizze über Serienproduktion bis zum Onlineshop

Klickwork.com

Digitale Arbeitspakete an Webworker

Mob4Hire.com

Marktforschung und Produkttests

MySherpas.com

Spendenbeschaffung für innovative und soziale Projekte

Axel Werner Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand. E-Mails an den Autor: axw@axw.com.

fragt, sieht Klinger vor allem die Authentizität: „Unsere Designer sind kreative Persönlichkeiten, die Ehrlichkeit und Fairness erwarten. Transparenz und direktes Feedback sind daher stets oberste Maxime.“ Die Crowdsourcing-Modelle weiten sich bis zum „Crowdfunding“, um für soziale Projekte, Start-ups oder auch Musiker und Journalisten im Netz Geld einzusammeln. Aber auch Non-Profit-Projekte blühen auf. Die Münchner Videojournalisten Tim Klimes und Robin Greene, haben mit Ihrem Kunstprojekt „140sekunden. de“ den Deutschen Webvideopreis gewonnen, weil sie via Crowdsourcing die unsichtbaren Hände der Twittercrowd als Geschichte erlebbar machten. Der Marketingwelt rät Klimes „ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Marke und Konsument“ herzustellen, um die Kundenbindung zu erhöhen. „Anstatt dies als Chance zu begreifen, fürchten sich viele Marken immer noch vor dem 1:1-Dialog mit dem Endkunden“, meint Greene. Recht hat er.

Streuverlustfreie High-Involvment-Markenwerbung für kleines Geld Crowdsourcing-Projekte haben die Natur des „High Involvements.“ Die teilnehmende Crowd setzt sich intensiv mit der gestellten Aufgabe auseinander und erzeugt durch schöpferisches Denken neue Ideen. Warum also nicht eine Marke ins Briefing einbauen und Wettbewerbe als Kommunikation mit der Crowd begreifen? Range Rover, Starbucks, Telekom, Airbus und auch LG tun genau dies. Starbucks betreibt ein Portal um Produkte via Wettbewerb zu verbessern und sich den Ruf bester Kundenorientierung zu verdienen. LG schaffte es mit nur 100.000 Dollar Preisgeld, das neue Handy direkt neben dem Apple iPhone 4 zu positionieren – mehrere Tausend US-Designer haben am User Interface gearbeitet. Der Telekom-App-Award zielt auf das Herz kreativer Autofahrer und sucht Internet-Apps, die das Fahren sicherer, effizienter und schöner machen.

76 Crowdsourcing

So funktionieren die meisten Crowdsourcing-Projekte

Crowdsourcing gewinnt also auch als Werbeinstrument an Fahrt. Der für den Herbst erwartete neue Range Rover EVOQUE wird mit einer breiten Crowdsourcing-Kampagne in den Markt eingeführt. Eine Serie von Fashion-, Musicund Design-Awards zielt darauf ab, kreative Menschen zu erreichen – und zwar mit höchstem Involvement. So bringt man die Premium-Marke streuverlustfrei ins Gespräch – und das im hart umkämpften Lifestyle-Segment.

Ein Auftraggeber stellt eine konkrete Aufgabe an eine Crowd. Diese kann freiwillig oder kommerziell sein. Die Aufgabe wird als Wettbewerb ausgeführt. Mitglieder der Crowd reichen Ideen, Vorschläge etc. ein. Wichtig ist ein laufendes Feedback durch den Auftraggeber oder ein Voting innerhalb der Crowd, damit im Verlauf ein lernender und kollaborativer Effekt ensteht. Der Gewinner wird durch den Auftraggeber oder die Crowd ermittelt und erhält seinen Preis gegen Übertragung seiner Rechte.

Kommunikation und Innovation auch gesellschaftlich wirksam Konsequent zu Ende gedacht, wird daraus Arbeitsmarktpolitik. Je mehr Aufgaben als standardisierte Arbeitsteilung ins Web verlagert werden, desto mehr wird aus kreativem Surfen eine bezahlte Beschäftigung. Humangrid. de, Klickwork.de und Amazon’s Mechanical Turk machen es vor. Die Crowd erledigt digitale Heimarbeit, niedrig qualifiziert und gering bezahlt. Das ist auch der Grund, warum Crowdsourcing noch kein Heilsgral einer Gesellschaftsutopie sein kann. Die Auslagerung digitaler Arbeiten in Niedriglohnländer und die Gefahr unrechtmäßiger Verwendung sind nach wie vor kritische Themen, denen sich die Crowdsourcing-Szene erst einmal klärend stellen muss. Möglicherweise eignen sich ja Wettbewerbe auch zur Lösung dieses Problems. Dann kämen wir der Utopie doch ein Stück näher.

Research-garden.de

Experten-Wettbewerbe für künstliche Intelligenz und Data Mining

Quaxter.de

Design-Community (Logo, Web, Print) und Award-Engine für Marken

Quirky.com

Entwicklung von cleveren Haushaltsprodukten mit Vermarktung

Sellaband.de

Crowdfunding für Musiker und Bands

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von Axel Werner

Markenmacher schwärmen von der Intelligenz der Crowd

Uwe Decher Geschäftsführender Gesellschafter Negtar GmbH

Elena Jones Geschäftsführerin QUAXTER GmbH

Fotos: © James Thew / Fotolia; © fotoflash / Fotolia; © Marci Rossi (1); © Jens Schwarz (Werner S.76)

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Robin Green Journalist und Gründer 140sekunden.de

Die „Open Innovation“-Bewegung macht das Internet zur Entwicklungsabteilung. Produktideen, Verbesserungsvorschläge und Marktforschung werden zunehmend über professionelle Crowds beschafft. Uwe Decher entwickelt Sourcing-Strategien und trainiert Konzerne im Einkauf: „Das Prinzip lautet: Wir geben die Aufgabenstellung und den Preis der Lösung vor. Lieferanten konkurrieren um die beste Innovation. Anstatt die Aufgabe zu standardisieren, wird der Lösungsprozess standardisiert. Das ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel bei Konzernen, die Innovationen beschleunigen.“

Die Schöpfung aus der Menge im Internet

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Tim Klimes Journalist und Gründer 140sekunden.de

mationsmonopols. Denn es ist wie beim Kochen: Rezepte sind kopierbar – es kommt darauf an, wie man kocht. Crowdsourcing funktioniert also über das Netz mit einer Kultur des schnellen Teilens. Für den Marketingmenschen hat das zwei faszinierende Facetten: Die Methode liefert frische Impulse für Innovation, Kreation und neue Geschäftsmodelle. Und sie ist ein feines Instrument der streuverlustfreien Zielgruppenansprache.

Neu an Crowdsourcing ist das Internet. Es erlaubt vielen Teilnehmern, einen individuellen Beitrag unabhängig von Zeit und Ort zu leisten. Gemeint ist das „Schöpfen aus der Menge“, um Aufgaben im Internet auf viele Schultern zu verteilen. Daher ist Crowdsourcing eine Organisationsform, eine Arbeitsmethode, deren essenzielle Bestandteile Wettbewerb, Zusammenarbeit und Feedback sind (siehe Seite 77), die über das Netz geteilt werden.

Wäre es nicht eine schöne Utopie, wenn man die Probleme der Welt – Hunger, Krankheit, Armut, Verschmutzung und Dummheit – beseitigen könnte, indem man die kreativsten und intelligentesten Gehirne miteinander verbindet, um neue Problemlösungen zu finden? Crowdsourcing ist keine Verwirklichung der Utopie, aber schon mal ein guter Anfang.

Andreas Klinger Gründer und Geschäftsführer Garmz GmbH

Nachdem Surowiecki 2004 in „The Wisdom of Crowds“ erklärte, warum Gruppen bessere Lösungen hervorbringen als Individuen, beobachtete Web 2.0-Prophet Jeff Howe zwei Jahre später, wie Unternehmen die Kreativität von vielen Web-Konsumenten nutzen, um eigene Probleme zu lösen. Er nannte das „Crowdsourcing“. Zuckerberg’s Facebook hat den Begriff dann groß gemacht. Aber seien wir mal ehrlich, den Startpunkt setzte das ZDF vor über vierzig Jahren.

Freitag, den 20. Oktober 1967 um 20:15 Uhr Eduard Zimmermann tritt schwarz-weiß vor die Kamera und präsentiert mit ernster Miene Aktenzeichen XY, die erste Verbrecherjagd zum Mitmachen. Crowdsourcing? Richtig. Am Anfang steht eine Aufgabe (finde den Verbrecher) und am Ende lockt das Incentive (der Finderlohn). Die mitmachenden Fernsehzuschauer (Crowd) geben ihre Hinweise in die Telefonzentrale (Einreichungen), die alles verarbeitet und wichtige Details über den Sender sofort ausstrahlt (Feedback). Im Verlauf des Abends verdichten sich dadurch Erkenntnisse (Kollaboration), und es beginnt ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer letztlich die „sachdienlichen Hinweise zur Ergreifung des Täters“ liefert (Finale).

Divide et impera neu: Share und gewinne! Machiavellis Fürstenrat war natürlich anders gemeint. Doch wenn man den deutschen Begriff des Teilens mit dem englischen Sharing interpretiert, öffnen sich ganz neue Einsichten. Mittlerweile dämmert den meisten, dass das Miteinanderteilen wesentlich erfolgreicher ist, als das Abschotten. Gewinnertypen finden sich nachweislich dort, wo mit Information breit und offen umgegangen wird. Und Gewinnmargen offenbaren sich, sobald Wettbewerb in Gang kommt. Wer auf der Information sitzt wie die Glucke auf dem Ei, verdeckt und verhindert ihr Nutzenpotenzial. Nicht mehr nur Wissen ist Macht, sondern vor allem die Fähigkeit, Wissen schnell zu verteilen und daraus in der Organisation Wertschöpfung werden zu lassen. Erfolgreiche Manager „sharen“ ihren Wissensvorsprung gerne und scheren sich nicht um den vermeintlichen Kontrollverlust ihres Infor-

Crowdsourcing als Innovationsmotor

Siehe auch zu Crowdsourcing Seite 31 | über Schnittstellenkultur Synaptic Branding Seite 22 und raumbrand Dialog Seite 62

Social Creativity: Logos, Webdesign und Grafikdesign aus dem Netz Über tausend Designer hat Elena Jones auf ihrer Plattform „QUAXTER.de“. Die Geschäftsführerin des Social-Creativity-Portals sieht den Vorteil für Marken und Agenturen darin, eine Crowd aus Design-Experten schnell und exklusiv für Kreativprojekte einzusetzen. Designaufträge werden kurzerhand als Kreativwettbewerb mit Preisgeld ausgeschrieben – vertraulich, wenn gewünscht. Binnen weniger Tage entsteht eine Fülle von Gestaltungsideen, aus denen der Auftraggeber die Besten kürt. Weil die Preisgelder bei 100 Euro beginnen, ächzt natürlich die Designergilde. Doch Jones sieht sich nicht als Konkurrenz: „QUAXTER ist das Projektmanagement-Tool für Kreativjobs, optimiert für den Workflow von Marketingprofis. Wir sind keine Agentur, sondern Enabler.“ Crowdsourcing liefere erstklassige Qualität, wenn das Setup von Preisgeld, Nutzungsrechten und Feedback stimme. Kein Allheilmittel für Design, aber für „kurze Kreativinjektionen“ sei die QUAXTER-Crowd einfach unschlagbar.

Kreative Geschäftsmodelle rund um die Crowd Weiter entwickelt ist die Modebranche. Dort verwendet Andreas Klinger, Gründer und Geschäftsführer von Garmz. com, Crowdsourcing für die ganze Wertschöpfungskette: Modedesigner reichen Skizzen ein und die Crowd votet nach Gusto. Die Gewinner-Kreationen produziert Garmz in Kleinserien und vermarktet sie bei ausreichend Pre-Orders im eigenen Onlineshop. Nach den Erfolgsfaktoren ge-

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Beispiele kommerzieller Crowdsourcing-Plattformen in Web

Amazonstudios.com

Filme und Drehbücher von Nachwuchsautoren

Brainfloor.com

Open Innovation Plattform für Ideenfindungsprojekte

Garmz.com

Fashion von der Skizze über Serienproduktion bis zum Onlineshop

Klickwork.com

Digitale Arbeitspakete an Webworker

Mob4Hire.com

Marktforschung und Produkttests

MySherpas.com

Spendenbeschaffung für innovative und soziale Projekte

Axel Werner Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand. E-Mails an den Autor: axw@axw.com.

fragt, sieht Klinger vor allem die Authentizität: „Unsere Designer sind kreative Persönlichkeiten, die Ehrlichkeit und Fairness erwarten. Transparenz und direktes Feedback sind daher stets oberste Maxime.“ Die Crowdsourcing-Modelle weiten sich bis zum „Crowdfunding“, um für soziale Projekte, Start-ups oder auch Musiker und Journalisten im Netz Geld einzusammeln. Aber auch Non-Profit-Projekte blühen auf. Die Münchner Videojournalisten Tim Klimes und Robin Greene, haben mit Ihrem Kunstprojekt „140sekunden. de“ den Deutschen Webvideopreis gewonnen, weil sie via Crowdsourcing die unsichtbaren Hände der Twittercrowd als Geschichte erlebbar machten. Der Marketingwelt rät Klimes „ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Marke und Konsument“ herzustellen, um die Kundenbindung zu erhöhen. „Anstatt dies als Chance zu begreifen, fürchten sich viele Marken immer noch vor dem 1:1-Dialog mit dem Endkunden“, meint Greene. Recht hat er.

Streuverlustfreie High-Involvment-Markenwerbung für kleines Geld Crowdsourcing-Projekte haben die Natur des „High Involvements.“ Die teilnehmende Crowd setzt sich intensiv mit der gestellten Aufgabe auseinander und erzeugt durch schöpferisches Denken neue Ideen. Warum also nicht eine Marke ins Briefing einbauen und Wettbewerbe als Kommunikation mit der Crowd begreifen? Range Rover, Starbucks, Telekom, Airbus und auch LG tun genau dies. Starbucks betreibt ein Portal um Produkte via Wettbewerb zu verbessern und sich den Ruf bester Kundenorientierung zu verdienen. LG schaffte es mit nur 100.000 Dollar Preisgeld, das neue Handy direkt neben dem Apple iPhone 4 zu positionieren – mehrere Tausend US-Designer haben am User Interface gearbeitet. Der Telekom-App-Award zielt auf das Herz kreativer Autofahrer und sucht Internet-Apps, die das Fahren sicherer, effizienter und schöner machen.

76 Crowdsourcing

So funktionieren die meisten Crowdsourcing-Projekte

Crowdsourcing gewinnt also auch als Werbeinstrument an Fahrt. Der für den Herbst erwartete neue Range Rover EVOQUE wird mit einer breiten Crowdsourcing-Kampagne in den Markt eingeführt. Eine Serie von Fashion-, Musicund Design-Awards zielt darauf ab, kreative Menschen zu erreichen – und zwar mit höchstem Involvement. So bringt man die Premium-Marke streuverlustfrei ins Gespräch – und das im hart umkämpften Lifestyle-Segment.

Ein Auftraggeber stellt eine konkrete Aufgabe an eine Crowd. Diese kann freiwillig oder kommerziell sein. Die Aufgabe wird als Wettbewerb ausgeführt. Mitglieder der Crowd reichen Ideen, Vorschläge etc. ein. Wichtig ist ein laufendes Feedback durch den Auftraggeber oder ein Voting innerhalb der Crowd, damit im Verlauf ein lernender und kollaborativer Effekt ensteht. Der Gewinner wird durch den Auftraggeber oder die Crowd ermittelt und erhält seinen Preis gegen Übertragung seiner Rechte.

Kommunikation und Innovation auch gesellschaftlich wirksam Konsequent zu Ende gedacht, wird daraus Arbeitsmarktpolitik. Je mehr Aufgaben als standardisierte Arbeitsteilung ins Web verlagert werden, desto mehr wird aus kreativem Surfen eine bezahlte Beschäftigung. Humangrid. de, Klickwork.de und Amazon’s Mechanical Turk machen es vor. Die Crowd erledigt digitale Heimarbeit, niedrig qualifiziert und gering bezahlt. Das ist auch der Grund, warum Crowdsourcing noch kein Heilsgral einer Gesellschaftsutopie sein kann. Die Auslagerung digitaler Arbeiten in Niedriglohnländer und die Gefahr unrechtmäßiger Verwendung sind nach wie vor kritische Themen, denen sich die Crowdsourcing-Szene erst einmal klärend stellen muss. Möglicherweise eignen sich ja Wettbewerbe auch zur Lösung dieses Problems. Dann kämen wir der Utopie doch ein Stück näher.

Research-garden.de

Experten-Wettbewerbe für künstliche Intelligenz und Data Mining

Quaxter.de

Design-Community (Logo, Web, Print) und Award-Engine für Marken

Quirky.com

Entwicklung von cleveren Haushaltsprodukten mit Vermarktung

Sellaband.de

Crowdfunding für Musiker und Bands

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von Axel Werner

Markenmacher schwärmen von der Intelligenz der Crowd

Wäre es nicht eine schöne Utopie, wenn man die Probleme der Welt – Hunger, Krankheit, Armut, Verschmutzung und Dummheit – beseitigen könnte, indem man die kreativsten und intelligentesten Gehirne miteinander verbindet, um neue Problemlösungen zu finden? Crowdsourcing ist keine Verwirklichung der Utopie, aber schon mal ein guter Anfang.

74 Crowdsourcing

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Siehe auch zu  Crowdsourcing  Seite 31, über  Schnittstellenkultur Synaptic Branding  Seite 22 und raumbrand Dialog  Seite 62.

Nachdem Surowiecki 2004 in „The Wisdom of Crowds“ erklärte, warum Gruppen bessere Lösungen hervorbringen als Individuen, beobachtete Web 2.0-Prophet Jeff Howe zwei Jahre später, wie Unternehmen die Kreativität von vielen Web-Konsumenten nutzen, um eigene Probleme zu lösen. Er nannte das „Crowdsourcing“.  Zuckerberg’s Facebook hat den Begriff dann groß gemacht. Aber seien wir mal ehrlich, den Startpunkt setzte das ZDF vor über vierzig Jahren.

Freitag, den 20. Oktober 1967 um 20:15 Uhr Eduard Zimmermann tritt schwarz-weiß vor die Kamera und präsentiert mit ernster Miene Aktenzeichen XY, die erste Verbrecherjagd zum Mitmachen. Crowdsourcing? Richtig. Am Anfang steht eine Aufgabe (finde den Verbrecher) und am Ende lockt das Incentive (der Finderlohn). Die mitmachenden Fernsehzuschauer (Crowd) geben ihre Hinweise in die Telefonzentrale (Einreichungen), die alles verarbeitet und wichtige Details über den Sender sofort ausstrahlt (Feedback). Im Verlauf des Abends verdichten sich dadurch Erkenntnisse (Kollaboration), und es beginnt ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wer letztlich die „sachdienlichen Hinweise zur Ergreifung des Täters“ liefert (Finale).

Die Schöpfung aus der Menge im Internet

Fotos: © James Thew / Fotolia; © fotoflash / Fotolia; © Marci Rossi (1); © Jens Schwarz (Werner S.76)

Neu an Crowdsourcing ist das Internet. Es erlaubt vielen Teilnehmern, einen individuellen Beitrag unabhängig von Zeit und Ort zu leisten. Gemeint ist das „Schöpfen aus der Menge“, um Aufgaben im Internet auf viele Schultern zu verteilen. Daher ist Crowdsourcing eine Organisationsform, eine Arbeitsmethode, deren essenzielle Bestandteile Wettbewerb, Zusammenarbeit und Feedback sind (siehe Seite 77), die über das Netz geteilt werden.

Divide et impera neu: Share und gewinne! Machiavellis Fürstenrat war natürlich anders gemeint. Doch wenn man den deutschen Begriff des Teilens mit dem englischen Sharing interpretiert, öffnen sich ganz neue Einsichten. Mittlerweile dämmert den meisten, dass das Miteinanderteilen wesentlich erfolgreicher ist, als das Abschotten. Gewinnertypen finden sich nachweislich dort, wo mit Information breit und offen umgegangen wird. Und Gewinnmargen offenbaren sich, sobald Wettbewerb in Gang kommt. Wer auf der Information sitzt wie die Glucke auf dem Ei, verdeckt und verhindert ihr Nutzenpotenzial. Nicht mehr nur Wissen ist Macht, sondern vor allem die Fähigkeit, Wissen schnell zu verteilen und daraus in der Organisation Wertschöpfung werden zu lassen. Erfolgreiche Manager „sharen“ ihren Wissensvorsprung gerne und scheren sich nicht um den vermeintlichen Kontrollverlust ihres Infor-

raumbrand 1.11

mationsmonopols. Denn es ist wie beim Kochen: Rezepte sind kopierbar – es kommt darauf an, wie man kocht. Crowdsourcing funktioniert also über das Netz mit einer Kultur des schnellen Teilens. Für den Marketingmenschen hat das zwei faszinierende Facetten: Die Methode liefert frische Impulse für Innovation, Kreation und neue Geschäftsmodelle. Und sie ist ein feines Instrument der streuverlustfreien Zielgruppenansprache.

Crowdsourcing als Innovationsmotor Die „Open Innovation“-Bewegung macht das Internet zur Entwicklungsabteilung. Produktideen, Verbesserungsvorschläge und Marktforschung werden zunehmend über professionelle Crowds beschafft. Uwe Decher entwickelt Sourcing-Strategien und trainiert Konzerne im Einkauf: „Das Prinzip lautet: Wir geben die Aufgabenstellung und den Preis der Lösung vor. Lieferanten konkurrieren um die beste Innovation. Anstatt die Aufgabe zu standardisieren, wird der Lösungsprozess standardisiert. Das ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel bei Konzernen, die Innovationen beschleunigen.“

Social Creativity: Logos, Webdesign und Grafikdesign aus dem Netz Über tausend Designer hat Elena Jones auf ihrer Plattform „QUAXTER.de“. Die Geschäftsführerin des Social-Creativity-Portals sieht den Vorteil für Marken und Agenturen darin, eine Crowd aus Design-Experten schnell und exklusiv für Kreativprojekte einzusetzen. Designaufträge werden kurzerhand als Kreativwettbewerb mit Preisgeld ausgeschrieben – vertraulich, wenn gewünscht. Binnen weniger Tage entsteht eine Fülle von Gestaltungsideen, aus denen der Auftraggeber die Besten kürt. Weil die Preisgelder bei 100 Euro beginnen, ächzt natürlich die Designergilde. Doch Jones sieht sich nicht als Konkurrenz: „QUAXTER ist das Projektmanagement-Tool für Kreativjobs, optimiert für den Workflow von Marketingprofis. Wir sind keine Agentur, sondern Enabler.“ Crowdsourcing liefere erstklassige Qualität, wenn das Setup von Preisgeld, Nutzungsrechten und Feedback stimme. Kein Allheilmittel für Design, aber für „kurze Kreativinjektionen“ sei die QUAXTER-Crowd einfach unschlagbar.

Kreative Geschäftsmodelle rund um die Crowd Weiter entwickelt ist die Modebranche. Dort verwendet Andreas Klinger, Gründer und Geschäftsführer von Garmz. com, Crowdsourcing für die ganze Wertschöpfungskette: Modedesigner reichen Skizzen ein und die Crowd votet nach Gusto. Die Gewinner-Kreationen produziert Garmz in Kleinserien und vermarktet sie bei ausreichend Pre-Orders im eigenen Onlineshop. Nach den Erfolgsfaktoren ge-

v.o.n.u.: Uwe Decher (Geschäftsführender Gesellschafter Negtar GmbH); Elena Jones (Geschäftsführerin QUAXTER GmbH); Andreas Klinger (Geschäftsführer Garmz GmbH); Tim Klimes und Robin Green (Journalisten u. Gründer 140sekunden.de)

Crowdsourcing

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Axel Werner Spezialist für Medienkommunikation und Innovationsstrategie, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur raumbrand. E-Mails an den Autor: axw@axw.com.

fragt, sieht Klinger vor allem die Authentizität: „Unsere Designer sind kreative Persönlichkeiten, die Ehrlichkeit und Fairness erwarten. Transparenz und direktes Feedback sind daher stets oberste Maxime.“ Die Crowdsourcing-Modelle weiten sich bis zum „Crowdfunding“, um für soziale Projekte, Start-ups oder auch Musiker und Journalisten im Netz Geld einzusammeln. Aber auch Non-Profit-Projekte blühen auf. Die Münchner Videojournalisten Tim Klimes und Robin Greene, haben mit Ihrem Kunstprojekt „140sekunden. de“ den Deutschen Webvideopreis gewonnen, weil sie via Crowdsourcing die unsichtbaren Hände der Twittercrowd als Geschichte erlebbar machten. Der Marketingwelt rät Klimes „ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Marke und Konsument“ herzustellen, um die Kundenbindung zu erhöhen. „Anstatt dies als Chance zu begreifen, fürchten sich viele Marken immer noch vor dem 1:1-Dialog mit dem Endkunden“, meint Greene. Recht hat er.

Streuverlustfreie High-Involvment-Markenwerbung für kleines Geld Crowdsourcing-Projekte haben die Natur des „High Involvements.“ Die teilnehmende Crowd setzt sich intensiv mit der gestellten Aufgabe auseinander und erzeugt durch schöpferisches Denken neue Ideen. Warum also nicht eine Marke ins Briefing einbauen und Wettbewerbe als Kommunikation mit der Crowd begreifen? Range Rover, Starbucks, Telekom, Airbus und auch LG tun genau dies. Starbucks betreibt ein Portal um Produkte via Wettbewerb zu verbessern und sich den Ruf bester Kundenorientierung zu verdienen. LG schaffte es mit nur 100.000 Dollar Preisgeld, das neue Handy direkt neben dem Apple iPhone 4 zu positionieren – mehrere Tausend US-Designer haben am User Interface gearbeitet. Der Telekom-App-Award zielt auf das Herz kreativer Autofahrer und sucht Internet-Apps, die das Fahren sicherer, effizienter und schöner machen.

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Crowdsourcing gewinnt also auch als Werbeinstrument an Fahrt. Der für den Herbst erwartete neue Range Rover EVOQUE wird mit einer breiten Crowdsourcing-Kampagne in den Markt eingeführt. Eine Serie von Fashion-, Musicund Design-Awards zielt darauf ab, kreative Menschen zu erreichen – und zwar mit höchstem Involvement. So bringt man die Premium-Marke streuverlustfrei ins Gespräch – und das im hart umkämpften Lifestyle-Segment.

Kommunikation und Innovation auch gesellschaftlich wirksam Konsequent zu Ende gedacht, wird daraus Arbeitsmarktpolitik. Je mehr Aufgaben als standardisierte Arbeitsteilung ins Web verlagert werden, desto mehr wird aus kreativem Surfen eine bezahlte Beschäftigung. Humangrid. de, Klickwork.de und Amazon’s Mechanical Turk machen es vor. Die Crowd erledigt digitale Heimarbeit, niedrig qualifiziert und gering bezahlt. Das ist auch der Grund, warum Crowdsourcing noch kein Heilsgral einer Gesellschaftsutopie sein kann. Die Auslagerung digitaler Arbeiten in Niedriglohnländer und die Gefahr unrechtmäßiger Verwendung sind nach wie vor kritische Themen, denen sich die Crowdsourcing-Szene erst einmal klärend stellen muss. Möglicherweise eignen sich ja Wettbewerbe auch zur Lösung dieses Problems. Dann kämen wir der Utopie doch ein Stück näher.

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Beispiele kommerzieller Crowdsourcing-Plattformen in Web

Amazonstudios.com

Filme und Drehbücher von Nachwuchsautoren

Brainfloor.com

Open Innovation Plattform für Ideenfindungsprojekte

Garmz.com

Fashion von der Skizze über Serienproduktion bis zum Onlineshop

Klickwork.com

Digitale Arbeitspakete an Webworker

Mob4Hire.com

Marktforschung und Produkttests

MySherpas.com

Spendenbeschaffung für innovative und soziale Projekte

So funktionieren die meisten Crowdsourcing-Projekte Ein Auftraggeber stellt eine konkrete Aufgabe an eine Crowd. Diese kann freiwillig oder kommerziell sein. Die Aufgabe wird als Wettbewerb ausgeführt. Mitglieder der Crowd reichen Ideen, Vorschläge etc. ein. Wichtig ist ein laufendes Feedback durch den Auftraggeber oder ein Voting innerhalb der Crowd, damit im Verlauf ein lernender und kollaborativer Effekt ensteht. Der Gewinner wird durch den Auftraggeber oder die Crowd ermittelt und erhält seinen Preis gegen Übertragung seiner Rechte.

Research-garden.de

Experten-Wettbewerbe für künstliche Intelligenz und Data Mining

Quaxter.de

Design-Community (Logo, Web, Print) und Award-Engine für Marken

Quirky.com

Entwicklung von cleveren Haushaltsprodukten mit Vermarktung

Sellaband.de

Crowdfunding für Musiker und Bands

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Crowdsourcing

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von Jan Esche

So funktioniert Messe!

Warum sind Messeauftritte als Prozess zu verstehen? Wie gelingt ein Messeauftritt durch Pre-Marketing, professionelle Teamvorbereitung und gezielte Informationsbeschaffung? Wie können auf einer Messe wirklich brauchbare Kontakte generiert werden? Wie kann ein Messeevent sich von der Kostenfalle in einen Marketingerfolg verwandeln? Jahr für Jahr dieselbe Frage, ob sich der Messeauftritt überhaupt lohnt. Nach einer Messebeteiligung oftmals Enttäuschung über die Ergebnisse: Wieder waren nur die da, die man eh schon kennt und die ersehnte Leadgenerierung ließ zu wünschen übrig. Die Kirchgänger hat man wieder erreicht, und die Nicht-Kirchgänger, ja, sie blieben (wieder) draußen. Anlass genug für die mx28-Messefachtagung, ausgerichtet vom Gräfelfinger MESSE INSTITUT, der Frage nachzugehen, wie intelligente Strategien für professionelles Messe-Marketing auszusehen haben. Denn es gibt kein Marketing- und Vertriebsinstrument, bei dem in kurzer Zeit so viele persönliche Gespräche mit potenziellen Interessenten und Kunden geführt werden können. Leider nutzen immer noch zu wenige Unternehmen die vielen Chancen, die ein Messeauftritt bietet, um den angestrebten Messeerfolg zu generieren. Ein erfolgreicher Messeauftritt bedeutet eine qualifizierte Messekommunikation mit potenziellen Messebesuchern vor, während und nach der Messe. Ziel: potenziellen Messebesuchern und inaktiven Kunden den Messebesuch erfolgreich zu „verkaufen“.

Christoph R. Quattlender, erfahrener Generalist in Sachen Marketing-Kommunikation und ausgewiesener Spezialist für vernetzte, cross-mediale, etatunabhängige Lösungen, führte gekonnt durch die zweitägige Tagung mit zwanzig hochkarätigen Experten und legte dabei immer wieder die Messlatte bei den drei Schwerpunktthemen hoch: „Intelligentes Investment bei maximaler Wirkung“ mit dem Schwerpunkt auf Effizienz und Kostenmanagement, „Messe-Erfolgsformeln im Online-Zeitalter“ mit dem Schwerpunkt auf Social Media und Zukunftstrends und „Zutritt zu Zukunftsmärkten ermöglichen“ mit dem Schwerpunkt auf internationaler Messepräsenz. Christian Mikunda, exzellenter Vordenker der Erlebniswirtschaft und visionärer Begründer der Strategischen Dramaturgie, führte das Publikum zu gelungenen Inszenierungen von Hochgefühlen. Für ihn geht es beim Kaufen und gerade beim Präsentieren nie nur um Konsum und Business, immer sind Gefühle mit im Spiel. Wer die sieben Hochgefühle: Glory, Joy, Power, Bravour, Desire, Intensity und Chill kennt, wird sie bald auch im eigenen Geschäftsverhalten identifizieren können. Wer versteht, wie sie ausgelöst werden, kann seinen Kunden echte Erlebnisse bieten. Wer die Kunst der Dramaturgie von Gefühlswelten erlernt hat, wird unwiderstehliche Gefühlscocktails inszenieren. Für Messen und Brandlands gilt, dass das Live-Erlebnis, die tatsächlich gemachte Erfahrung einen höheren Erinnerungswert hat als bloße Werbung oder konventionelle PR. Wenn man einen Ausflug nach

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Fotos: © WengerWittmann

Geballte Kompetenz in der Podiumsdiskussionsrunde: von links: Moderator Christoph R. Quattlender, Chefredakteur der Zeitschrift wörkshop; Christian Mikunda, Buchautor und Vordenker; Urs Seiler, Chefredakteur der Zeitschrift Expodata und Managing Partner smartville.ch; Stefan Luppold, Professor FH Karlsruhe; Ralph Missy, raumbrand GmbH – synaptic branding; Antje Hundhausen, Vice President Corporate Architecture Deutsche Telekom.

siehe auch die Momentaufnahme: Erfolg Seite 10 | zur Professionalisierung der Kommunikation Seite 16 | und zum Geheimnis des Erfolgs Seite 62

78 mx28-Messefachtagung

Wolfsburg zur Autostadt macht oder jüngst die Performance von SABIC Europe auf der K2010 der Messearchitekten WengerWittmann erlebt hat, dann hat man etwas getan, was Bestandteil des eigenen Lebens, der individuellen Erfahrung geworden ist: einen Besuch bei der Marke. „Das Erlebnis des Ortes selbst ist die wichtigste Grundvoraussetzung für den Erfolg der Veranstaltung.“„Seeing-isbelieving-Effekt“ und „Aha-Effekt“ bilden zusammen die erklärende Concept Line jeder kompetenzorientierten Performance. „Messen und Ausstellungen bieten hohe Schaulust und großen Erlebniswert. Sie sind Orte, an denen Geschichten für Erwachsene erzählt werden.“ Am zweiten Veranstaltungstag der mx28 zeigte der renommierte Verkaufs- und Messetrainer Dirk Kreuter an anschaulichen Beispielen mit seinem direkten Vortragsstil und seiner überzeugenden Rhetorik auf, wie man Messen wirklich nutzt und in fünf Schritten zu neuen Messekunden und Aufträgen kommt. Messen werden nach wie vor zu wenig dafür genutzt, wofür sie eigentlich existieren: um neue Kunden und Aufträge zu gewinnen. Nur eine gut und zielgerichtet vorbereitete Messe mit einer konkreten Strategie – Festlegung realistischer Ziele, Organisation und Planung der Messe, professionelle Kommunikation mit potenziellen Kunden, Bewältigung auch kritischer Situationen auf dem Messestand, Nacharbeit – bietet Aussicht auf Erfolg und damit Return of Invest. Kreuter, Trainer des Jahres 2011 und ab sofort auch Exklusivpartner für Messetrainings im Rahmen des MESSE INSTITUT-Schu-

raumbrand 1.11

lungsprogramms, hat tiefe Einblicke in seinen Erfahrungsschatz gegeben und diese in vielen praktischen Tipps und grundsätzlichen Vorgehensweisen an den Zuhörer klar und hilfreich weitergegeben. Nur machen muss der jetzt noch selbst. „Die Erwartungen an die Tagung wurden bei weitem übertroffen.“ Die Themenauswahl: Zukunft, Verantwortung und Kompetenz traf den Nerv der Teilnehmer, „die bunte Themen-Mischung und der Wechsel zwischen Vorträgen und interaktiv gestalteten Themen-Schwerpunkten kam bei den Teilnehmern besonders gut an“, so Patrick Eisend, Beirat des Messe-Instituts. „Es war für jeden etwas Wertvolles und vor allem auch Neues dabei, das in der täglichen Arbeit sofort umgesetzt werden kann und uns allen mehr Erfolg bringen wird“, für die Teilnehmerin Regina Laabs-Sachweh, Katjes Fassin, keine Frage. Marketingleiter, Werbeleiter, Messe- und Event-Entscheider der ausstellenden Wirtschaft, Inhaber und Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen mit dem Schwerpunkt Marketing und Messe sollten sich die nächste Tagung vormerken: der 30.11. und 01.12.2011 in Düsseldorf.

Die 29. Messe-Fachtagung mx29 findet am 30.11. und 1.12.2011 im Hyatt Regency Düsseldorf statt. Informationen unter www.messe-institut.de.

mx28-Messefachtagung

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Warum sind Messeauftritte als Prozess zu verstehen? Wie gelingt ein Messeauftritt durch Pre-Marketing, professionelle Teamvorbereitung und gezielte Informationsbeschaffung? Wie können auf einer Messe wirklich brauchbare Kontakte generiert werden? Wie kann ein Messeevent sich von der Kostenfalle in einen Marketingerfolg verwandeln? Jahr für Jahr dieselbe Frage, ob sich der Messeauftritt überhaupt lohnt. Nach einer Messebeteiligung oftmals Enttäuschung über die Ergebnisse: Wieder waren nur die da, die man eh schon kennt und die ersehnte Leadgenerierung ließ zu wünschen übrig. Die Kirchgänger hat man wieder erreicht, und die Nicht-Kirchgänger, ja, sie blieben (wieder) draußen. Anlass genug für die mx28-Messefachtagung, ausgerichtet vom Gräfelfinger MESSE INSTITUT, der Frage nachzugehen, wie intelligente Strategien für professionelles Messe-Marketing auszusehen haben. Denn es gibt kein Marketing- und Vertriebsinstrument, bei dem in kurzer Zeit so viele persönliche Gespräche mit potenziellen Interessenten und Kunden geführt werden können. Leider nutzen immer noch zu wenige Unternehmen die vielen Chancen, die ein Messeauftritt bietet, um den angestrebten Messeerfolg zu generieren. Ein erfolgreicher Messeauftritt bedeutet eine qualifizierte Messekommunikation mit potenziellen Messebesuchern vor, während und nach der Messe. Ziel: potenziellen Messebesuchern und inaktiven Kunden den Messebesuch erfolgreich zu „verkaufen“.

78 mx28-Messefachtagung

Christoph R. Quattlender, erfahrener Generalist in Sachen Marketing-Kommunikation und ausgewiesener Spezialist für vernetzte, cross-mediale, etatunabhängige Lösungen, führte gekonnt durch die zweitägige Tagung mit zwanzig hochkarätigen Experten und legte dabei immer wieder die Messlatte bei den drei Schwerpunktthemen hoch: „Intelligentes Investment bei maximaler Wirkung“ mit dem Schwerpunkt auf Effizienz und Kostenmanagement, „Messe-Erfolgsformeln im Online-Zeitalter“ mit dem Schwerpunkt auf Social Media und Zukunftstrends und „Zutritt zu Zukunftsmärkten ermöglichen“ mit dem Schwerpunkt auf internationaler Messepräsenz. Christian Mikunda, exzellenter Vordenker der Erlebniswirtschaft und visionärer Begründer der Strategischen Dramaturgie, führte das Publikum zu gelungenen Inszenierungen von Hochgefühlen. Für ihn geht es beim Kaufen und gerade beim Präsentieren nie nur um Konsum und Business, immer sind Gefühle mit im Spiel. Wer die sieben Hochgefühle: Glory, Joy, Power, Bravour, Desire, Intensity und Chill kennt, wird sie bald auch im eigenen Geschäftsverhalten identifizieren können. Wer versteht, wie sie ausgelöst werden, kann seinen Kunden echte Erlebnisse bieten. Wer die Kunst der Dramaturgie von Gefühlswelten erlernt hat, wird unwiderstehliche Gefühlscocktails inszenieren. Für Messen und Brandlands gilt, dass das Live-Erlebnis, die tatsächlich gemachte Erfahrung einen höheren Erinnerungswert hat als bloße Werbung oder konventionelle PR. Wenn man einen Ausflug nach

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Fotos: © WengerWittmann

Geballte Kompetenz in der Podiumsdiskussionsrunde: von links: Moderator Christoph R. Quattlender, Chefredakteur der Zeitschrift wörkshop; Christian Mikunda, Buchautor und Vordenker; Urs Seiler, Chefredakteur der Zeitschrift Expodata und Managing Partner smartville.ch; Stefan Luppold, Professor FH Karlsruhe; Ralph Missy, raumbrand GmbH – synaptic branding; Antje Hundhausen, Vice President Corporate Architecture Deutsche Telekom.

Wolfsburg zur Autostadt macht oder jüngst die Performance von SABIC Europe auf der K2010 der Messearchitekten WengerWittmann erlebt hat, dann hat man etwas getan, was Bestandteil des eigenen Lebens, der individuellen Erfahrung geworden ist: einen Besuch bei der Marke. „Das Erlebnis des Ortes selbst ist die wichtigste Grundvoraussetzung für den Erfolg der Veranstaltung.“„Seeing-isbelieving-Effekt“ und „Aha-Effekt“ bilden zusammen die erklärende Concept Line jeder kompetenzorientierten Performance. „Messen und Ausstellungen bieten hohe Schaulust und großen Erlebniswert. Sie sind Orte, an denen Geschichten für Erwachsene erzählt werden.“ Am zweiten Veranstaltungstag der mx28 zeigte der renommierte Verkaufs- und Messetrainer Dirk Kreuter an anschaulichen Beispielen mit seinem direkten Vortragsstil und seiner überzeugenden Rhetorik auf, wie man Messen wirklich nutzt und in fünf Schritten zu neuen Messekunden und Aufträgen kommt. Messen werden nach wie vor zu wenig dafür genutzt, wofür sie eigentlich existieren: um neue Kunden und Aufträge zu gewinnen. Nur eine gut und zielgerichtet vorbereitete Messe mit einer konkreten Strategie – Festlegung realistischer Ziele, Organisation und Planung der Messe, professionelle Kommunikation mit potenziellen Kunden, Bewältigung auch kritischer Situationen auf dem Messestand, Nacharbeit – bietet Aussicht auf Erfolg und damit Return of Invest. Kreuter, Trainer des Jahres 2011 und ab sofort auch Exklusivpartner für Messetrainings im Rahmen des MESSE INSTITUT-Schu-

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lungsprogramms, hat tiefe Einblicke in seinen Erfahrungsschatz gegeben und diese in vielen praktischen Tipps und grundsätzlichen Vorgehensweisen an den Zuhörer klar und hilfreich weitergegeben. Nur machen muss der jetzt noch selbst. „Die Erwartungen an die Tagung wurden bei weitem übertroffen.“ Die Themenauswahl: Zukunft, Verantwortung und Kompetenz traf den Nerv der Teilnehmer, „die bunte Themen-Mischung und der Wechsel zwischen Vorträgen und interaktiv gestalteten Themen-Schwerpunkten kam bei den Teilnehmern besonders gut an“, so Patrick Eisend, Beirat des Messe-Instituts. „Es war für jeden etwas Wertvolles und vor allem auch Neues dabei, das in der täglichen Arbeit sofort umgesetzt werden kann und uns allen mehr Erfolg bringen wird“, für die Teilnehmerin Regina Laabs-Sachweh, Katjes Fassin, keine Frage. Marketingleiter, Werbeleiter, Messe- und Event-Entscheider der ausstellenden Wirtschaft, Inhaber und Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen mit dem Schwerpunkt Marketing und Messe sollten sich die nächste Tagung vormerken: der 30.11. und 01.12.2011 in Düsseldorf.

Die 29. Messe-Fachtagung mx29 findet am 30.11. und 1.12.2011 im Hyatt Regency Düsseldorf statt. Informationen unter www.messe-institut.de.

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Warum sind Messeauftritte als Prozess zu verstehen? Wie gelingt ein Messeauftritt durch Pre-Marketing, professionelle Teamvorbereitung und gezielte Informationsbeschaffung? Wie können auf einer Messe wirklich brauchbare Kontakte generiert werden? Wie kann ein Messeevent sich von der Kostenfalle in einen Marketingerfolg verwandeln? Jahr für Jahr dieselbe Frage, ob sich der Messeauftritt überhaupt lohnt. Nach einer Messebeteiligung oftmals Enttäuschung über die Ergebnisse: Wieder waren nur die da, die man eh schon kennt und die ersehnte Leadgenerierung ließ zu wünschen übrig. Die Kirchgänger hat man wieder erreicht, und die Nicht-Kirchgänger, ja, sie blieben (wieder) draußen. Anlass genug für die mx28-Messefachtagung, ausgerichtet vom Gräfelfinger MESSE INSTITUT, der Frage nachzugehen, wie intelligente Strategien für professionelles Messe-Marketing auszusehen haben. Denn es gibt kein Marketing- und Vertriebsinstrument, bei dem in kurzer Zeit so viele persönliche Gespräche mit potenziellen Interessenten und Kunden geführt werden können. Leider nutzen immer noch zu wenige Unternehmen die vielen Chancen, die ein Messeauftritt bietet, um den angestrebten Messeerfolg zu generieren.   Ein erfolgreicher Messeauftritt bedeutet eine qualifizierte Messekommunikation mit potenziellen Messebesuchern vor, während und nach der Messe. Ziel: potenziellen Messebesuchern und inaktiven Kunden den Messebesuch erfolgreich zu „verkaufen“.

78 mx28-Messefachtagung

Christoph R. Quattlender, erfahrener Generalist in Sachen Marketing-Kommunikation und ausgewiesener Spezialist für vernetzte, cross-mediale, etatunabhängige Lösungen, führte gekonnt durch die zweitägige Tagung mit zwanzig hochkarätigen Experten und legte dabei immer wieder die Messlatte bei den drei Schwerpunktthemen hoch: „Intelligentes Investment bei maximaler Wirkung“ mit dem Schwerpunkt auf Effizienz und Kostenmanagement, „Messe-Erfolgsformeln im Online-Zeitalter“ mit dem Schwerpunkt auf Social Media und Zukunftstrends und „Zutritt zu Zukunftsmärkten ermöglichen“ mit dem Schwerpunkt auf internationaler Messepräsenz. Christian Mikunda, exzellenter Vordenker der Erlebniswirtschaft und visionärer Begründer der Strategischen Dramaturgie, führte das Publikum zu gelungenen Inszenierungen von Hochgefühlen. Für ihn geht es beim Kaufen und gerade beim Präsentieren nie nur um Konsum und Business, immer sind Gefühle mit im Spiel. Wer die sieben Hochgefühle: Glory, Joy, Power, Bravour, Desire, Intensity und Chill kennt, wird sie bald auch im eigenen Geschäftsverhalten identifizieren können. Wer versteht, wie sie ausgelöst werden, kann seinen Kunden echte Erlebnisse bieten. Wer die Kunst der Dramaturgie von Gefühlswelten erlernt hat, wird unwiderstehliche Gefühlscocktails inszenieren. Für Messen und Brandlands gilt, dass das Live-Erlebnis, die tatsächlich gemachte Erfahrung einen höheren Erinnerungswert hat als bloße Werbung oder konventionelle PR. Wenn man einen Ausflug nach

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Fotos: © WengerWittmann

Geballte Kompetenz in der Podiumsdiskussionsrunde: von links: Moderator Christoph R. Quattlender, Chefredakteur der Zeitschrift wörkshop; Christian Mikunda, Buchautor und Vordenker; Urs Seiler, Chefredakteur der Zeitschrift Expodata und Managing Partner smartville.ch; Stefan Luppold, Professor FH Karlsruhe; Ralph Missy, raumbrand GmbH – synaptic branding; Antje Hundhausen, Vice President Corporate Architecture Deutsche Telekom.

Wolfsburg zur Autostadt macht oder jüngst die Performance von SABIC Europe auf der K2010 der Messearchitekten WengerWittmann erlebt hat, dann hat man etwas getan, was Bestandteil des eigenen Lebens, der individuellen Erfahrung geworden ist: einen Besuch bei der Marke. „Das Erlebnis des Ortes selbst ist die wichtigste Grundvoraussetzung für den Erfolg der Veranstaltung.“„Seeing-isbelieving-Effekt“ und „Aha-Effekt“ bilden zusammen die erklärende Concept Line jeder kompetenzorientierten Performance. „Messen und Ausstellungen bieten hohe Schaulust und großen Erlebniswert. Sie sind Orte, an denen Geschichten für Erwachsene erzählt werden.“ Am zweiten Veranstaltungstag der mx28 zeigte der renommierte Verkaufs- und Messetrainer Dirk Kreuter an anschaulichen Beispielen mit seinem direkten Vortragsstil und seiner überzeugenden Rhetorik auf, wie man Messen wirklich nutzt und in fünf Schritten zu neuen Messekunden und Aufträgen kommt. Messen werden nach wie vor zu wenig dafür genutzt, wofür sie eigentlich existieren: um neue Kunden und Aufträge zu gewinnen. Nur eine gut und zielgerichtet vorbereitete Messe mit einer konkreten Strategie – Festlegung realistischer Ziele, Organisation und Planung der Messe, professionelle Kommunikation mit potenziellen Kunden, Bewältigung auch kritischer Situationen auf dem Messestand, Nacharbeit – bietet Aussicht auf Erfolg und damit Return of Invest. Kreuter, Trainer des Jahres 2011 und ab sofort auch Exklusivpartner für Messetrainings im Rahmen des MESSE INSTITUT-Schu-

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lungsprogramms, hat tiefe Einblicke in seinen Erfahrungsschatz gegeben und diese in vielen praktischen Tipps und grundsätzlichen Vorgehensweisen an den Zuhörer klar und hilfreich weitergegeben. Nur machen muss der jetzt noch selbst. „Die Erwartungen an die Tagung wurden bei weitem übertroffen.“ Die Themenauswahl: Zukunft, Verantwortung und Kompetenz traf den Nerv der Teilnehmer, „die bunte Themen-Mischung und der Wechsel zwischen Vorträgen und interaktiv gestalteten Themen-Schwerpunkten kam bei den Teilnehmern besonders gut an“, so Patrick Eisend, Beirat des Messe-Instituts. „Es war für jeden etwas Wertvolles und vor allem auch Neues dabei, das in der täglichen Arbeit sofort umgesetzt werden kann und uns allen mehr Erfolg bringen wird“, für die Teilnehmerin Regina Laabs-Sachweh, Katjes Fassin, keine Frage. Marketingleiter, Werbeleiter, Messe- und Event-Entscheider der ausstellenden Wirtschaft, Inhaber und Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen mit dem Schwerpunkt Marketing und Messe sollten sich die nächste Tagung vormerken: der 30.11. und 01.12.2011 in Düsseldorf.

Die 29. Messe-Fachtagung mx29 findet am 30.11. und 1.12.2011 im Hyatt Regency Düsseldorf statt. Informationen unter www.messe-institut.de.

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Zündstoff

David Susan

Gedanken, die

Lunte legen

John Sarah

von Suzanne Counsell

Michael Jane

Peter Helen

Paul Patricia

Andrew Jacqueline Richard Alison Robert Anne

Mark Nicola

Stephen Margaret

Christopher Caroline James Mary Simon Linda

Anthony Catherine Ian Karen

Nicholas Janet

Philip Christine

William Lisa

Suzanne Counsell Head of Business Development, raumbrand

Sie können sich gar Jonathan Jennifer nicht vorstellen, wie dankMartin Judith bar ich meinen Eltern bin. Natürlich auch für so wichMEN WOMEN Top 20 names tige Dinge wie Erziehung, gesunde Gene, eine behütete Kindheit und eine Bildung, die es mir ermöglicht hat, Erfolg und Spaß im Beruf zu haben. Aber wissen Sie, was das wichtigste Geschenk meiner Eltern an mich war? Mein Vorname Suzanne. – Natürlich war mir das nicht schon immer bewusst: Nicht als Kleinkind, wenn es immer wieder viel zu früh hieß: „Suzanne, Du must jetzt schlafen gehen.“ Nicht als Jugendliche, wenn mir der Ruf „Suzanne, hast Du Dein Zimmer schon aufgeräumt?“ einen ersten Hauch von Unmutsfalten auf die Stirn zauberte. Und schon gar nicht, als ich doch eigentlich schon soooo erwachsen war, wenn der Satz „Suzanne, komm nicht zu spät nach Hause!“ endlose Diskussionen auslöste. Eigentlich wurde es mir erst vor vier Wochen klar. Als ich beim Surfen im World Wide Web unter der Überschrift „Mums aufgepasst – Davids und Susis verdienen das meiste Geld!“ auf eine Meldung der Barclays Bank von 2005 stieß, die die erfolgreichsten Vornamen auflistete. Bei den Mädchen war es Susanne in allen bei uns gebräuchlichen Schreibweisen – von Susan über Sue bis zu Suzanne. Von den britischen Barclays-Kundinnen mit einem Jahreseinkommen von über 100.000 Pfund hatten die meisten den gleichen Namen wie ich. Well done, Mum! – Natürlich will ich jetzt meine Kolleginnen und Kollegen nicht entmutigen, deren Eltern nicht den gleichen Weitblick besessen hatten wie meine und die mit Namen aus dem hinteren Ende der Rangliste eine schwere Hypothek fürs Leben mitbekommen haben. Sorry Maria, meine beste Freundin. Auch Du kannst es noch schaffen. Du musst einfach nur härter für Deinen Erfolg arbeiten. Und schließlich kannst Du auch noch froh sein, nicht mit Maria Claudia einen dieser Doppelnamen aus dem Lostopf gezogen zu haben. Ich auf jeden Fall weiß, mit welchem Argument ich beim nächsten Mitarbeitergespräch punkten kann: Es ist Zeit für eine Gehaltserhöhung!

Danke Mum!

80 Zündstoff

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Foto: © FC Bayern München

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02.05. bis 06.05.2011 Hannover Messe

CeMAT Die Messe CeMAT Hannover ist die Weltmesse für Intralogistik. www.messe.de

02.05 bis 05.05.2011 Messe Berlin

Wasser Berlin International Internationale Fachmesse und Kongress ­Wasser und Abwasser. www.messe-berlin.de

07.05. bis 08.05.2011 Schlossplatz Stuttgart

125 Jahre Auto Die Eröffnungsveranstaltung des Automobilsommers. www.messe-stuttgart.de

17.05. bis 19.05.2011 Messe Stuttgart

automotive interiors EXPO 2011 Internationale Messe für Design, Entwicklung und Herstellung von Fahrzeug-Innenräumen. www.messe-stuttgart.de

19.05. bis 22.05.2011 Messe München

HIGH END 2011 Der beste Ton. Das beste Bild. www.highendsociety.de

20.05. bis 21.05.2011 Messe Hamburg

Marathon Expo Hamburg Sportartikelmesse für Laufsport und Wellness. www.marathon-expo.de

24.05. bis 26.05.2011 Messe Frankfurt

Material Vision Materialien für Produktentwicklung, Design und Architektur; internationale Fachmesse und Konferenz. www.material-vision.messefrankfurt.com

24.05. bis 26.5.2011 Messe Frankfurt

Techtextil Frankfurt Zweijährlich stattfindende Fachmesse für technische Textilien und Vliesstoffe. www.techtextil.messefrankfurt.com

28.05 bis 29.05.2011 Neue Messe Stuttgart

Cosmetica Stuttgart Trendmesse für Kosmetik und Accessoires. Bietet Beauty-Profis eine wunderbare Gelegenheit, neueste Trends und Innovationen aus den Bereichen Kosmetik, Wellness, Boutique und Accessoires zu entdecken. www.cosmetica.de

30.5. bis 03.06.2011 Messe Hannover

Ligna 2011 Die Weltmesse für die Forst- und Holzwirtschaft ­LIGNA HANNOVER ist so international wie keine andere Messe im weltweiten Branchenvergleich. www.ligna.de

08.06. bis 10.06.2011 Messe München

Intersolar 2011 Internationale Fachmesse für Solartechnik. www.intersolar.de

24.06. bis 02.07.2011 Isarmeile

29. Filmfest München Nach den Berliner Filmfestspielen das größte Filmfestival in Deutschland, ein Treffen der Filmschaffenden ohne den Glamour von Cannes und Co. Es gibt Neue Deutsche Filme, Open Air-Kino, Länderschwerpunkte und Specials. www.filmfest-muenchen.de

01.07.2011 Schloss Bellevue

Sommerfest des Bundespräsidenten An der Wildwiese, im Spiegelzelt, im ­„Centre Bellevue“ und auf zahlreichen weiteren Bühnen erfüllen Musiker, Kabarettisten und viele andere Künstler das Fest mit Leben. www.sommerfest-bundespraesident.de

21.07. bis 24.07.2011 Messe München

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BIKE EXPO Cycling Trends for City and Nature www.bike-expo.com

Quiz Termine

Wissen, was, wann und wohin …

Seit über 40 Jahren sind die Bayern fußballerisch an der Spitze. Meistertitel reihten sich aneinander zu einer einzigartigen Perlenkette. Fanklubs sind überall auf der Welt anzutreffen. Immer ist die Mannschaft mit den besten Spielern bestückt. Dabei fing alles mal ganz klein an. Nach einem Streit in der Schwabinger Gaststätte „Gisela“ mit der Vereinsführung des MTV 1879 München spalteten sich elf Fußballspieler ab und gründeten unter der Führung von Franz John einen neuen Verein: Den FC Bayern München.

Wann begann die Erfolgsgeschichte? Sie können die Quizfrage online unter www.raumbrand.de oder per Mail an info@raumbrand.de beantworten. Teilnahmeschluss ist der 31. Mai 2011 (der Rechtsweg ist ausgeschlossen).

Das von Création Baumann anlässlich des 125-jährigen Jubiläums bei Creavis vorgelegte Buch „Alles Verwoben“ reflektiert eindrucksvoll 125 Jahre Textildesign: als permanenten Balanceakt zwischen kurzlebigen Trends und visionären Experimenten. Zeitlos und zeitgeistig zugleich wird nicht nur die historische Entwicklung eines herausragenden Pionierunternehmens der Textilbranche dokumentiert, sondern gerade auch das „Wieso“ und „Warum“ von Entwicklungen und Markterfolgen rekapituliert. Unter allen Einsendern verlosen wir ein Exemplar. Lösung aus Heft 3.10: ABUS – August Bremicker und Söhne. Herzlichen Glückwunsch an die Gewinnerin der Vase Clara von Koziol, Johanna Haering in Schweinfurt.

Termine | Quiz

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Impressum

Einblick Ausblick Faszina tio

n Mase

Die nächste raumbrandAusgabe eröffnet

rati

raumbrand Magazin für Kommunikation und synaptische Markenführung ISSN 1613-3501

Syn ap

tic B

Chancen

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www.raumbrand.de Herausgeber: Günter Maria Bregulla (V.i.S.d.P.), Michael Lohr, Ralph Missy, Franz Wenger, Axel Werner und Udo Wittmann raumbrand – Kommunikationsagentur Rosenheimer Straße 145 d 81671 München Tel. +49 (0)89 / 613 678-29 www.raumbrand.de

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raumbrand 2.11

Chancen Die Gunst der Stunde nutzen, das Eisen schmieden, solange es heiß ist, das Glück beim Schopfe packen, zum Schuss kommen – im Berufsleben wie im Privaten. Chance bezeichnet eine günstige Gelegenheit oder einen Glücksfall, aber auch die Aussicht, bei jemandem, in etwas durch Sympathie Erfolg zu haben. In der Statistik ist das Wort ein Synonym für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein günstiges Ereignis eintritt. raumbrand zieht Bilanz.

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rand

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Faszination Maserati

Synaptic Branding EVOQUE

Der Name ist legendär und ein lebender Mythos: Im Maserati von heute werden die traditionellen Prädikate Eleganz, Sportlichkeit und die Attribute klassischer GTLinien völlig neu und faszinierend definiert. Damit beschreibt Maserati heute ein gänzlich eigenständiges Segment bei den reinrassigen Sportwagen und steht für Exklusivität wie sportliches Understatement gleichermaßen. Udo Wittmann sprach mit Managing Director in Deutschland, Thomas Hajek, über den ungebrochene Mythos der Marke Maserati, die verstärkte Präsenz im Rennsport und eine offensivere Kommunikation.

Die Chancen von Crowdsourcing für Synaptic Branding erfolgreich nutzen: Der für den Herbst erwartete neue Range Rover EVOQUE wird mit einer breiten Crowdsourcing-Kampagne in den Markt eingeführt. Eine Serie von Fashion-, Music- und DesignAwards zielt darauf ab, kreative Menschen zu erreichen – und zwar mit höchstem Involvement. So bringt man die Premium-Marke streuverlustfrei ins Gespräch – und das im hart umkämpften Lifestyle-Segment. raumbrand ist dabei.

Verlag: Süddeutscher Verlag onpact GmbH Geschäftsführer: Wolfgang Wohner Hultschiner Straße 8 81677 München Tel. +49 (0)89 / 2183-7261 Fax +49 (0)89 / 2183-7212 www.sv-onpact.de Chefredaktion: Dr. Jan Esche, E-Mail: jan.esche@raumbrand.de Tel. +49 (0)89 / 2183-7254 Redaktion: Franziska Brettschneider, E-Mail: franziska.brettschneider@raumbrand.de Tel. +49 (0)89 / 2183-7246 Autoren dieser Ausgabe: Günter Maria Bregulla, Franziska Brettschneider, Suzanne Counsell, Christoph Erbenich, Dr. Jan Esche, Burkhart Gruß, Katrin Lange, Dirk Meyhöfer, Ralph Missy, Jochen Paul, Roland Pawlitschko, Dr. Jesko Perrey, Heidi Wahl, Axel Werner, Ute Wild, Udo Wittmann Art Direction: Freie Kreatur, Andreas Mitterer Gestaltung: Freie Kreatur, Petra Winkelmeier Schlusslektorat: Katrin Pollems-Braunfels

raumbrand 2.11 erscheint im September 2011

Anzeigenmarketing: WengerWittmann GmbH Tel. +49 (0)89 / 462 304-0 E-Mail: info@wengerwittmann.de

Firmen in dieser Ausgabe

Herstellung: Kessler Druck + Medien GmbH & Co. KG, Bobingen

Aldi (S. 16), Alfa Romeo (S. 35), Allendorf Riehl (S. 41), Apple (S. 27, 28), Audi (S. 63), Barclays Bank (S. 80), bayern design (S. 69, 70), Becton Dickinson (S. 16), Bionade (S. 11), Bjarke Ingels Group (S. 5, 14, 58), BMW (S. 12, 14, 53, 57, 63, 68), Brainpool (S. 41), ClassiCon (S. 57), CNN (S. 41), Deutsche Telecom (S. 79), Enercon (S. 16), Europa Fachpresse-Verlag (S. 63), FC Bayern München (S. 69, 81), Fiat (S. 28, 35), flexi – Bogdahn International (S. 16), Fraunhofer Institut (S. 56), FSB (S. 56), Garmz (S. 75), Gestalten (S. 21), gmp (S. 14), Hartgen Maschinen- und Mühlenbau (S. 27), Haufe (S. 21), 140sekunden.de (S. 75), iF (S. 71), Infineon (S. 29, 30), Inna D. Interiors Architekturen Objekte (S. 27), Ingenhoven Architects (S. 14), Jatsch Laux (S. 63), Kommunikationsagentur raumbrand (S. 28, 37, 63, 76), Lamborghini (S. 4, 13, 32, 33, 35, 36, 37), Landrover (S. 14), Maserati (S. 82), Max Planck Gesellschaft (S. 27), McKinsey (S. 48), Messe Institut (S. 78, 79), myBoshi (S. 20), NDR (S. 41, 42), Negtar (S. 75), Nils Holger Moormann (S. 15), Nimbus-Group (S. 57), NOMOS Glashütte (S. 4, 11, 44, 46), Partec (S. 18), Porsche (S. 56), Pro7 (S. 41, 42), Quaxter (S. 75), Raab TV (S. 42), Range Rover (S. 14, 38, 76, 82), raumbrand – synaptic branding (S. 3, 23, 79, 80), Red Bull (S. 53, 54), Roset Möbel (S. 13), Schwarzkopf (S. 16), smart (S. 63), Süddeutscher Verlag (S. 62), Südhausbau (S. 63), Taschen (S. 21), Viacom (S. 42), Volkswagen (S. 13), Walter Knoll (S. 11), Wanzl (S. 16), WengerWittmann (S.79), Werner Stengel (S. 16), Wiley (S. 21), Zara (S. 28)

82 Vorschau | Impressum

Erscheinungsweise: vierteljährlich Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit nicht gehaftet werden. Nachdruck und Verwendung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. © raumbrand

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Fotos: © Stauke / Fotolia; © Maserati Deutschland; © Range Rover; Titel: © IVG Immobilien / IVG Asset Management / Steidle Architekten

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