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Generalisierte Angststörung
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Inhaltsverzeichnis Überblick Einleitung Symptome Ursachen und Risikofaktoren Häufigkeit Verlauf Diagnose Behandlung Quellen
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Mehr Wissen Behandlungsmöglichkeiten bei generalisierter Angststörung Was kann man selbst tun? Was passiert bei einer Psychotherapie? Welche medikamentösen Behandlungen gibt es? Welche Behandlung ist geeignet?
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Kurz erklärt Kognitive Verhaltenstherapie Wege zur Psychotherapie: Wo gibt es Hilfe?
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Glossar
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Überblick Einleitung
(PantherMedia / nyul) Jeder Mensch ist manchmal ängstlich oder hat wirkliche Angst. Wenn Gefahr droht, etwa im Straßenverkehr, hat Angst eine wichtige Schutzfunktion: Sie versetzt den Körper in Alarmbereitschaft, damit er schnell reagieren kann. Aber auch Sorgen und Ängste um die Zukunft, die Arbeit oder die Familie können schützen: Zum Beispiel davor, unvorsichtig zu handeln und in eine schwierige Lage zu geraten. Wenn solche Ängste jedoch überhandnehmen, können sie zu einer Belastung werden. Manche Menschen kommen irgendwann im Leben an einen Punkt, an dem sie sich ständig und über alles Mögliche Sorgen machen. Wenn Ängste alles überschatten und gar nicht mehr verschwinden, hat sich möglicherweise eine generalisierte Angststörung (GAS) entwickelt. Wer diese Angststörung hat, weiß meistens, dass seine Ängste ein normales Maß überschreiten, kann sie aber nicht kontrollieren. Es ist schwer, aus diesem Zustand herauszukommen. Verschiedene Behandlungen können aber dabei helfen.
Symptome Eine generalisierte Angststörung kann sich sowohl psychisch als auch körperlich äußern. Zu den psychischen Beschwerden gehören andauernde, wirklichkeitsferne und übertriebene Befürchtungen. Die Ängste betreffen verschiedene Bereiche des Lebens. Sie sind keine Reaktion auf eine Bedrohung und auch nicht auf bestimmte Dinge oder Situationen beschränkt. Weil sich die Angst auf alles Mögliche beziehen kann, sprechen Fachleute von „generalisierter“ Angst. Menschen mit einer generalisierten Angststörung können sich zum Beispiel in einem Moment ängstigen, dass ihr Partner auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall haben könnte. Im nächsten Augenblick fürchten sie, dass ihr Kind auf dem Weg zur Schule überfahren wird; dann, dass sie ihren Schlüssel verlieren könnten und schließlich, dass sie am nächsten Tag einen Herzinfarkt bekommen. Sie machen sich praktisch über alles Sorgen – über große wie kleine und sogar über völlig belanglose Dinge. Viele fürchten auch die Angst selbst oder machen sich Sorgen darüber, dass sie sich dauernd Sorgen machen. Die ständigen Befürchtungen schränken das tägliche Leben deutlich ein oder machen es unmöglich. Als Reaktion auf Angst setzt die Nebenniere das Hormon Adrenalin frei. Es beschleunigt viele Körperfunktionen – normalerweise, um die Wachsamkeit und Reaktionsbereitschaft kurzfristig zu erhöhen: Das Herz schlägt schneller, die Atemzüge werden kurz und flach. Bei Menschen mit einer generalisierten Angststörung kann dieser körperliche Alarmzustand anhalten. Mögliche weitere Symptome sind unter anderem Benommenheit, Nervosität, Schwindel, Zittern, Schwitzen, Muskelverspannungen, Herzklopfen und Magenbeschwerden. Sich ständig zu ängstigen, ist erschöpfend und kann zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen. Insbesondere wenn jemand gleichzeitig depressiv ist, kann es passieren, dass er oder sie an Selbsttötung denkt.
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Wenn Ängste nur in bestimmten Situationen auftreten, handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine generalisierte Angststörung. Auch plötzlich einsetzende Ängste oder Panikattacken sind kein Merkmal einer generalisierten Angststörung, sie können aber manchmal hinzukommen.
Ursachen und Risikofaktoren Die Ursachen einer generalisierten Angststörung sind noch nicht ganz geklärt. Vermutlich spielen sowohl biologische als auch psychische Faktoren eine Rolle. Manche Menschen mit einer Angststörung haben in ihrer Kindheit oder im späteren Leben ein schweres Trauma durchlebt, Verluste erlitten oder viele strapaziöse Erfahrungen gemacht, zum Beispiel starken familiären Stress oder andauernde extreme Arbeitsbelastung. Manchmal kann eine Lebenskrise Ängste hervorrufen, die sich zu einer generalisierten Angststörung entwickeln. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die verstärkte Neigung zu Ängsten in einer Familie verbreitet sein kann. Manchmal ist eine Angststörung Folge einer anderen Erkrankung – etwa einer Depression oder Panikstörung, oder sie hängt mit einer Suchterkrankung zusammen. Sie kann aber auch ohne erkennbare Gründe auftreten.
Häufigkeit Die generalisierte Angststörung ist eine verbreitete Angsterkrankung. Nach Schätzungen erhalten etwa 5 % aller Menschen im Laufe des Lebens diese Diagnose. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Meist beginnt eine Angststörung im mittleren Erwachsenenalter, sie kann sich aber auch früher oder später entwickeln. Auch Kinder können eine generalisierte Angststörung haben. Bei Menschen über 65 ist sie seltener.
Verlauf Für gewöhnlich entwickelt sich eine generalisierte Angststörung langsam und fällt zunächst oft nicht auf. Eine ausgeprägte Angststörung kann sehr hartnäckig sein. Es dauert häufig viele Monate oder Jahre, bis sie überwunden ist. Oft erleben Betroffene in dieser Zeit bessere und schlechtere Phasen. In einer Studie hatte nach zwei Jahren etwa jeder vierte Betroffene die Angststörung überwunden. Langfristig schaffen es jedoch viele Menschen, ihre Ängste zu überwinden. Mit dem Alter geht sie oft zurück, da ältere Menschen im Umgang mit Stress und Ängsten erfahrener sind. Viele betrachten die Dinge dann auch nüchterner.
Diagnose Es gibt verschiedene Arten von Angststörungen mit unterschiedlichen Symptomen. Dazu gehören Phobien, Panikstörungen und Zwangsstörungen. Zudem haben viele Menschen mit einer Angststörung auch Symptome einer Depression. Eine genaue Diagnose zu stellen, kann schwierig sein und ist nur im ausführlichen Gespräch mit Psychologen oder Psychiatern möglich. Wenn man weiß, welche Beschwerden und Probleme im Vordergrund stehen, ist es jedoch möglich, gezielter eine geeignete Behandlung zu wählen. Die Diagnose „generalisierte Angststörung“ wird gestellt, wenn die übermäßigen Ängste
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an den meisten Tagen bestehen und für mindestens sechs Monate andauern, unkontrollierbar werden, so belastend sind, dass sie den Alltag beeinträchtigen und mindestens drei körperliche Symptome der Angst auftreten, etwa Muskelverspannungen oder Magenbeschwerden.
Herzrasen,
Zittern,
Die beschriebenen körperlichen Symptome können aber auch von Erkrankungen wie zum Beispiel einer Schilddrüsenüberfunktion hervorgerufen werden. Zudem können bestimmte Arzneien und Drogen wie Amphetamine („Speed“) solche Symptome auslösen. Ärztinnen und Ärzte fragen daher auch nach anderen möglichen Erklärungen für die Beschwerden. Es kann einige Zeit dauern, bis eine generalisierte Angststörung eindeutig festgestellt wird – vor allem, wenn Menschen zunächst wegen körperlicher Beschwerden ärztlichen Rat suchen. Manchmal wird dann nur ein Symptom der Störung behandelt, wie zum Beispiel Schlafstörungen.
Behandlung Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine Angststörung mit der Zeit besser in den Griff zu bekommen. Eine schnelle oder einfache „Heilung“ ist zwar nicht zu erwarten. Man kann aber lernen, mit dem Stress und der Angst besser umzugehen. Die Symptome lassen sich auch durch Medikamente lindern. Es gibt mehrere Gruppen von Behandlungsverfahren: psychologische und psychotherapeutische Behandlungen: Hierzu gehören Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie. Mit ihrer Hilfe kann man lernen, seine Gedanken und Ängste zu steuern und zu verändern. Entspannungstechniken wie das autogene Training und die progressive Muskelentspannung können helfen, sich zu entspannen und mit Stress besser umzugehen. Sie werden oft auch im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen eingesetzt. Medikamente: Bei einer Angststörung kommen vor allem bestimmte Antidepressiva infrage. Manche Menschen wenden auch pflanzliche Beruhigungsmittel wie Baldrian an. Maßnahmen zur Selbsthilfe: In Selbsthilfegruppen besteht die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen. Manchen Menschen hilft es auch, sich gut über die Erkrankung zu informieren – ob mit Büchern, Broschüren oder im Internet.
Es ist schwer, extreme Ängste in den Griff zu bekommen, aber viele Menschen schaffen es mit der Zeit. Mithilfe einer Therapeutin oder eines Therapeuten lassen sich die Grundmuster der Ängste und Sorgen erkennen. Mit ihrer Anleitung kann man lernen, schädliche Gedanken und Verhaltensweisen soweit in den Griff zu bekommen, dass sie das Leben nicht mehr beherrschen. In ein weniger angstbestimmtes Leben zurückzufinden, kann viel Geduld erfordern. Eine spürbare Besserung ist dennoch schon nach einigen Wochen möglich.
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Aktualisiert am 4. Oktober 2017 Erstellt am 14. Februar 2008
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Quellen Bandelow B, Boerner RJ, Kasper S, Linden M, Wittchen HU, Möller HJ. Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(17): 300-310. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen. AWMF-Registernr.: 051-028. 15.04.2014. Gale CK, Millichamp J. Generalised anxiety disorder. BMJ Clin Evid 2011: pii: 1002. Hoge EA, Ivkovic A, Fricchione GL. Generalized anxiety disorder: diagnosis and treatment. BMJ 2012; 345: e7500. National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Generalised anxiety disorder and panic disorder in adults: management. 01.2011. (NICE Clinical guidelines; Band 113). IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.
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(Digital Vision / Digital Vision / Thinkstock) Eine generalisierte Angststörung kann das Leben bestimmen und begleitet viele Menschen über längere Zeit. Es gibt aber verschiedene Methoden, mit denen man lernen kann, die Angst in den Griff zu bekommen und wieder ein normales Leben zu führen. Auch bestimmte Medikamente können helfen. Menschen mit einer generalisierten Angststörung (GAS) fürchten sich nicht vor ganz bestimmten Dingen oder Situationen, sondern ängstigen sich vor allem Möglichen. Daher spricht man auch von „generalisierter“ Angst. Sie ist psychisch sehr belastend und verursacht auch verschiedene körperliche Symptome wie Benommenheit, Muskelverspannungen oder Herzrasen. Ständig Angst zu haben, ist sehr anstrengend. Es gibt jedoch verschiedene Behandlungen, mit denen sich die Angst auf ein erträgliches Maß verringern lässt. Im Gegensatz zu anderen Angsterkrankungen tritt die generalisierte Angststörung häufig erst im mittleren Erwachsenenalter auf. Grundsätzlich kann man aber in jedem Alter eine Angststörung bekommen.
Was kann man selbst tun? Viele Menschen mit einer generalisierten Angststörung kommen erst einmal nicht auf die Idee, zu einer Ärztin oder einem Arzt zu gehen. Sie versuchen, ihre Ängste zunächst selbst in den Griff zu bekommen, etwa mithilfe von Büchern und Informationen aus dem Internet. Manche erlernen Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga. Die Wirksamkeit solcher Möglichkeiten zum Selbstmanagement von Angststörungen ist in Studien nicht gut untersucht. Entspannungstechniken werden zwar oft im Rahmen von Psychotherapien angewendet. Wie nützlich sie sind, wenn sie ohne andere Hilfen eingesetzt werden, weiß man bislang allerdings nicht. Manche Menschen greifen zu pflanzlichen Beruhigungsmitteln wie Baldrian, Lavendel oder Passionsblumenblättern. Auch diese Mittel sind bislang kaum durch Studien erforscht. Viele Menschen gehen davon aus, dass pflanzliche Arzneimittel besser verträglich und sicherer sind als andere Medikamente. Sie können aber durchaus Nebenwirkungen haben und teilweise die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Eine Selbstbehandlung kann dazu führen, dass es sehr lange dauert, bis man professionelle Hilfe sucht. Wenn eine Angststörung das alltägliche Leben stark einschränkt, können bestimmte Psychotherapien und Medikamente helfen.
Was passiert bei einer Psychotherapie? Es gibt verschiedene psychotherapeutische Verfahren zur Behandlung einer generalisierten Angststörung.
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Am besten untersucht und am wirksamsten ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Kognitive Verhaltenstherapie Eine KVT wirkt sich nicht nur auf die Angst günstig aus. Sie kann auch andere Beschwerden wie etwa Depressionen lindern, die mit einer Angststörung einhergehen können. Da die Therapie eine direkte Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten erfordert, kann die Behandlung jedoch selbst manchmal belastend sein. Allgemein sind unerwünschte Wirkungen von Psychotherapien bisher nicht gut in Studien untersucht. Eine kognitive Verhaltenstherapie wird in Deutschland von Verhaltenstherapeutinnen und -therapeuten angeboten und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Sie besteht in der Regel aus wöchentlichen Sitzungen über mehrere Wochen oder Monate. Die kognitive Verhaltenstherapie umfasst zwei Teile: einen „kognitiven“ Teil, der sich mit den Gedanken und Gefühlen auseinandersetzt und einen, der sich mit dem Verhalten beschäftigt. Ziel des kognitiven Ansatzes ist es, angstauslösende Gedankenmuster zu verändern, indem man lernt, unrealistische Ängste und Sorgen zu erkennen und zu hinterfragen, die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten und Folgen von Angstauslösern einzuschätzen und mit Unsicherheit umzugehen.
Ein Beispiel für furchterregende Gedankenmuster sind „katastrophisierende“ Gedanken, etwa: sofort extreme, übertriebene Schlussfolgerungen über das Ausmaß des vermeintlich drohenden Unglücks zu ziehen, sobald etwas Beunruhigendes geschieht. Werden solche Gedanken mithilfe der Therapeutin oder des Therapeuten erkannt, arbeitet man daran, sie abzubauen oder besser damit umzugehen. So hilft die KVT letztlich, klarer zu denken und die eigenen Gedanken besser zu kontrollieren. Im zweiten Teil der Therapie geht es darum, die Angst in bestimmten Situationen nach und nach abzubauen und das Verhalten zu ändern. Dabei stellt man sich der Angst, um sie allmählich zu überwinden. Zum Beispiel könnte eine berufstätige Mutter, die ständig im Kindergarten anruft, um sich zu vergewissern, dass es ihrem Kind gut geht, die Anzahl ihrer Anrufe nach und nach verringern. Um solche Verhaltensänderungen zu erleichtern, wird in der Therapie auch vermittelt, was dabei helfen kann, Ruhe zu bewahren – zum Beispiel Atemübungen oder Entspannungstechniken. Andere psychotherapeutische Ansätze Die Wirksamkeit von Psychotherapien, die sich mehr mit den möglichen Ursachen der Angst beschäftigen, etwa mit traumatischen Ereignissen in der Kindheit, ist bei Menschen mit generalisierter Angststörung nicht gut erforscht. Die wenigen Studien zum Vergleich mit der kognitiven Verhaltenstherapie weisen darauf hin, dass diese „psychodynamischen“ Therapien weniger hilfreich sind als eine KVT.
Welche medikamentösen Behandlungen gibt es? Zur Behandlung einer generalisierten Angststörung kommen verschiedene Medikamente infrage. Mittel aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) werden oft eingesetzt. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Diese Medikamente gehören zur Gruppe der Antidepressiva. Sie können Angstsymptome lindern und gegen
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depressive Beschwerden helfen, mit denen viele Betroffene zusätzlich zu tun haben. Es dauert in der Regel 2 bis 6 Wochen, bis SSRI eine angstlösende Wirkung entfalten. Sie helfen allerdings nur einem Teil der Menschen, die sie einnehmen. Daher kann es erforderlich sein, mehrere Wirkstoffe auszuprobieren. Aus der Gruppe der SSRI sind Escitalopram und Paroxetin für Menschen mit generalisierter Angststörung gut untersucht und in Deutschland zugelassen. Wenn durch die Behandlung mit SSRI eine Besserung eingetreten ist, wird empfohlen, die Medikamente noch weitere 6 bis 12 Monate einzunehmen und dann langsam die Dosis zu verringern. Studien deuten darauf hin, dass das Risiko für einen Rückfall dann kleiner ist. Allerdings fällt es manchen Menschen schwer, die Medikamente dauerhaft zu nehmen. Ein Grund können Nebenwirkungen sein, ein anderer: Wenn es einem besser geht, neigt man schnell dazu, die Einnahme zu beenden. Zu den möglichen Nebenwirkungen von SSRI gehören Übelkeit, Schlaflosigkeit und sexuelle Probleme. Beispielsweise haben manche Menschen weniger Lust auf Sex oder bekommen keinen Orgasmus. Bei Männern kann der Samenerguss schwächer sein oder ausbleiben. Bei den meisten Menschen zeigen sich aber keine Nebenwirkungen. Bei Schlaflosigkeit oder Übelkeit ist es mitunter schwer zu sagen, ob tatsächlich die Medikamente die Ursache sind. Denn diese Beschwerden sind allgemein recht häufig. Oft gewöhnt sich der Körper auch an die Wirkstoffe. Meist treten Nebenwirkungen nur in den ersten Wochen der Einnahme auf. Es kann sich daher lohnen, abzuwarten und die Behandlung nicht gleich abzubrechen, wenn sich eine Nebenwirkung bemerkbar macht. Weitere Medikamente Es gibt noch eine Reihe weiterer Medikamente, die bei einer generalisierten Angststörung eingesetzt werden können. Viele kommen aber in der Regel erst infrage, wenn eine Behandlung mit SSRI keinen Erfolg gebracht hat oder aus bestimmten Gründen nicht möglich ist: selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI): Hierzu gehören die Wirkstoffe Duloxetin und Venlafaxin. Sie wirken ähnlich wie SSRI. Pregabalin: Dieses Mittel wird in erster Linie bei nervenbedingten Schmerzen eingesetzt. Es ist jedoch auch zur Behandlung der generalisierten Angststörung zugelassen. Die Wirksamkeit des Medikaments wurde in mehreren Studien nachgewiesen. Allerdings löst es häufig Schwindel und Müdigkeit aus. Opipramol: Opipramol ist ein Antidepressivum, dessen Wirksamkeit nur schlecht untersucht ist und daher nur in Ausnahmefällen infrage kommt. Buspiron: Dieses Mittel kann Angst-Symptome lindern, ist allerdings nicht so gut untersucht wie andere Medikamente. Daher wird es meist erst angewendet, wenn zum Beispiel SSRI nicht wirken oder nicht vertragen werden. Mögliche Nebenwirkungen von Buspiron sind Benommenheit, Übelkeit und Schlaflosigkeit. Hydroxyzin: Auch dieses Medikament aus der Gruppe der Antihistaminika kann Beschwerden einer generalisierten Angststörung wahrscheinlich lindern. Es ist aber ebenfalls weniger gut untersucht als andere Mittel und wird daher kaum eingesetzt. Benzodiazepine: Benzodiazepine sind Schlaf- und Beruhigungsmittel, die auch Ängste lösen helfen. Ihre Wirkung setzt rasch ein, allerdings können sie schon nach wenigen Wochen abhängig machen. Daher werden diese Mittel nicht zur Behandlung der generalisierten Angststörung empfohlen.
Wirkstoffe wie Imipramin aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva oder das Neuroleptikum Quetiapin zeigten in Studien zwar eine Wirkung bei generalisierter Angststörung. Da es aber mit den SSRI wirksame und besser verträgliche Medikamente gibt, sind diese Mittel nicht zur Behandlung der Störung
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zugelassen. Ärztinnen und Ärzte verordnen diese Medikamente nur, wenn alle anderen Behandlungen nicht geholfen haben (sogenannter Off-Label-Use). Es gibt verhältnismäßig wenig Studien, die Medikamente direkt miteinander verglichen haben. Aus den vorhandenen Studien ergeben sich keine klaren Vorteile für einen bestimmten Wirkstoff. Da nicht jedes Medikament bei jedem Menschen gleich wirkt, kann es jedoch sinnvoll sein, verschiedene Medikamente auszuprobieren.
Welche Behandlung ist geeignet? Ob man sich für eine Psychotherapie oder eine medikamentöse Behandlung entscheidet, hat viel mit den persönlichen Einstellungen und Bedürfnissen zu tun. Eine geeignete Psychotherapie kann sehr wirksam sein und helfen, die Angst zu überwinden. Sie erfordert aber viel Eigeninitiative und Kraft, und oft muss man länger auf einen Therapieplatz warten. Je nach persönlicher Situation und Schwere der Erkrankung kann es daher sinnvoll sein, zunächst Medikamente einzunehmen. Manchmal ist es überhaupt erst möglich, eine Psychotherapie zu beginnen, wenn die Beschwerden durch Medikamente etwas abgemildert wurden. Manche Menschen möchten keine Antidepressiva nehmen, weil sie befürchten, abhängig zu werden. Im Gegensatz zu bestimmten Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln machen Antidepressiva jedoch nicht abhängig. Andere empfinden es als Zeichen von Schwäche, Tabletten zu Hilfe zu nehmen, um ihre Probleme zu bewältigen. Es gibt aber keinen Grund, sich zu schämen, wenn man bei psychischen Erkrankungen Medikamente einnimmt. Um tiefe Ängste zu überwinden, können Medikamente hilfreich, manchmal sogar notwendig sein. Wie man sich auch entscheidet: Es gibt sowohl Medikamente als auch Psychotherapien, die helfen können, mit einer generalisierten Angststörung zurechtzukommen und wieder einen normalen Alltag zu leben. Aktualisiert am 4. Oktober 2017 Erstellt am 14. Februar 2008 Nächste geplante Aktualisierung: 2020
Quellen Bandelow B, Boerner RJ, Kasper S, Linden M, Wittchen HU, Möller HJ. Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(17): 300-310. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). S3-Leitlinie: Behandlung von Angststörungen. AWMF-Registernr.: 051-028. 15.04.2014. Gale CK, Millichamp J. Generalised anxiety disorder. BMJ Clin Evid 2011: pii: 1002. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.
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Kurz erklärt Kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine der verbreitetsten und am besten untersuchten Formen von Psychotherapie. Sie kombiniert zwei Therapieansätze: die kognitive Therapie und die Verhaltenstherapie. Welche Behandlungsmethoden eingesetzt werden, hängt davon ab, um welches Problem, welche Erkrankung oder Störung es sich handelt. Die Grundannahme der Therapie ist aber immer dieselbe: Was wir denken, wie wir uns fühlen und uns verhalten, hängt eng miteinander zusammen – und alle diese Faktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden.
Was ist eine kognitive Therapie? Der Begriff „kognitiv" ist vom lateinischen „cognoscere“ abgeleitet und bedeutet „erkennen“. In einer kognitiven Therapie geht es darum, sich über seine Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar zu werden. Das Ziel ist, nicht zutreffende und belastende Überzeugungen aufzudecken und zu verändern. Denn es sind häufig nicht nur die Dinge und Situationen selbst, die Probleme bereiten, sondern auch die Bedeutung, die man ihnen beimisst. Ein belastendes Denkmuster ist es zum Beispiel, aus einem Vorfall sofort negative Schlüsse zu ziehen, sie zu verallgemeinern und auf ähnliche Situationen zu übertragen. Verallgemeinernde Denkmuster werden in der Psychologie als „Übergeneralisierung“ bezeichnet. Ein anderer belastender Denkfehler ist die „Katastrophisierung“: Es geschieht etwas Beunruhigendes, und prompt entstehen übertriebene Schlussfolgerungen über das Ausmaß des vermeintlich drohenden Unglücks. Solche Denkmuster entwickeln sich manchmal zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ und machen den Betroffenen das Leben schwer. Mithilfe einer kognitiven Therapie kann man jedoch lernen, sie durch realistischere und weniger schädliche Gedanken zu ersetzen. Die KVT hilft dabei, klarer zu denken und die eigenen Gedanken besser zu kontrollieren.
Wie funktioniert eine Verhaltenstherapie? Die Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung im Behaviorismus. Diese Theorie geht davon aus, dass menschliches Verhalten (englisch: behavior) erlernt ist und daher auch wieder verlernt oder neu gelernt werden kann. In einer Verhaltenstherapie geht es darum herauszufinden, ob es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die einem das Leben erschweren oder Probleme noch verstärken. Im zweiten Schritt wird daran gearbeitet, solche Verhaltensweisen zu ändern.
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Menschen mit depressiven Gedanken neigen zum Beispiel häufig dazu, sich zurückzuziehen und ihren Hobbys nicht mehr nachzugehen. Das führt dazu, dass sie sich noch unglücklicher und isolierter fühlen. In einer Verhaltenstherapie kann dieser Mechanismus erkannt und nach Wegen gesucht werden, um wieder aktiver zu werden. Bei Angststörungen besteht ein Teil der Verhaltenstherapie häufig darin, beruhigende Verhaltensweisen zu erlernen. Zum Beispiel kann man lernen, die eigene Angst durch bewusstes tiefes Ein- und Ausatmen zu verringern, sodass der Körper und die Atmung zur Ruhe kommen. Dabei konzentriert man sich auf die Atmung anstatt auf den Auslöser der Angst. Solche Techniken können dabei helfen, sich zu beruhigen und nicht in die Angst hineinzusteigern. Die meisten Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in KVT ausgebildet sind, bezeichnen sich in Deutschland als Verhaltenstherapeuten.
Welche Denk- und Verhaltensmuster sind schädlich, welche neutral? Schädliche Gedanken oder Verhaltensweisen können dazu führen, dass man sich schlecht fühlt. Ein Beispiel: Man begegnet auf der Straße einem Bekannten und grüßt ihn, aber der Bekannte grüßt nicht zurück. Die eigene Reaktion darauf hängt stark davon ab, wie man die Situation bewertet: Tabelle: Beispiel für schädliche und neutrale Denk- und Verhaltensmuster
Reaktion schädlich Gedanken „Er hat mich ignoriert – er kann mich nicht mehr leiden.“ Gefühle Wer so denkt, fühlt sich niedergeschlagen, traurig und zurückgewiesen. Verhalten Dieser Gedanke hat zur Folge, dass man den Bekannten in Zukunft meidet, obwohl die eigene Vermutung völlig falsch sein könnte.
neutral „Er hat mich gar nicht bemerkt – vielleicht bedrückt ihn etwas. Ich sollte mal wieder bei ihm anrufen und hören, wie es ihm geht.“ Bei diesem Gedanken kommen keine negativen Gefühle auf. Dieser Gedanke führt dazu, dass man mit dem Bekannten Kontakt aufnimmt und nachfragt, ob alles in Ordnung ist.
Was unterscheidet eine KVT von anderen Psychotherapien? Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine problemorientierte Strategie. Es geht darum, an aktuellen Problemen zu arbeiten und Lösungen für sie zu finden. Im Gegensatz zum Beispiel zur Psychoanalyse beschäftigt sie sich wenig mit der Vergangenheit. Ziel der KVT ist vielmehr, die Probleme im Hier und Jetzt anzugehen. Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht im Vordergrund: Man soll sein Leben so rasch wie möglich wieder ohne therapeutische Hilfe bewältigen können. Dies bedeutet nicht, dass der Einfluss vergangener Geschehnisse in einer kognitiven Verhaltenstherapie völlig ausgeblendet wird. Es geht aber vor allem darum, aktuell belastende Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. In der analytischen Psychotherapie, die ihren Ursprung in der klassischen Psychoanalyse nach Freud hat, werden andere Methoden angewendet. Dabei hilft die Therapeutin oder der Therapeut, Probleme und deren tiefere Ursachen aufzudecken und zu verstehen.
Wann kommt eine KVT infrage? Eine kognitive Verhaltenstherapie wird unter anderem zur Behandlung von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Suchterkrankungen eingesetzt. Sie kommt aber auch bei körperlichen
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Erkrankungen wie chronischen Schmerzen, Tinnitus und Rheuma infrage: Sie kann helfen, mit den Beschwerden besser zurechtzukommen. Eine KVT erfordert viel Engagement und Eigeninitiative. Eine Therapie kann nur erfolgreich sein, wenn man aktiv an der Behandlung mitarbeitet und auch zwischen den Sitzungen an den eigenen Problemen arbeitet. Gerade bei schweren Erkrankungen, etwa einer ausgeprägten Depression oder Angststörung, kann dies eine große Herausforderung bedeuten. Manchmal werden daher zunächst Medikamente eingesetzt, um die stärksten Symptome kurzfristig zu lindern und dadurch eine Psychotherapie erst zu ermöglichen. Die Entscheidung für eine bestimmte Art von Psychotherapie hängt auch davon ab, welche Ziele man damit verfolgt. Wenn jemand das Bedürfnis hat, tiefe Einblicke in die Ursachen seiner Probleme zu erhalten, ist eine KVT vermutlich nicht die richtige Wahl. Sie ist besonders dann sinnvoll, wenn jemand zuallererst konkrete Probleme bewältigen möchte und sich erst in zweiter Linie für deren Gründe interessiert.
Wie läuft eine KVT ab und wie lange dauert sie? Bei einer KVT ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Psychotherapeut und Klient wichtig. Manchmal dauert es eine Weile, bis die richtige Therapeutin oder der richtige Therapeut gefunden ist. Im ersten Gespräch stellt man seine aktuellen Probleme kurz vor und äußert Wünsche und Erwartungen an die Therapie. Auf dieser Basis werden die Behandlungsziele und der Therapieplan gemeinsam besprochen. Wenn sich die persönlichen Ziele im Verlauf der Therapie ändern, werden sie entsprechend angepasst. Ein Teil der Therapie besteht oft darin, die eigenen Gedanken über einige Zeit in einem Tagebuch festzuhalten. Dann wird zusammen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten geprüft: Schätze ich die Dinge angemessen und realistisch ein? Was geschieht, wenn ich mich in einer bestimmten Situation anders verhalte als sonst? Erreichte Fortschritte und mögliche Probleme kommen regelmäßig zur Sprache. Im Rahmen einer KVT werden auch Entspannungsübungen, Trainings zur Stress- oder Schmerzbewältigung und bestimmte Problemlöse-Strategien angewendet. Im Vergleich zu analytischen Psychotherapien ist die KVT eine kurzzeitige Behandlung. Wie lange eine KVT dauert, lässt sich allerdings nicht pauschal sagen. Manchen Menschen geht es bereits nach wenigen Sitzungen deutlich besser, bei anderen ist eine Behandlung über mehrere Monate nötig. Dies hängt unter anderem von der Art und Schwere der Probleme ab. Ein Einzelgespräch dauert ungefähr eine Stunde. Die Sitzungen finden üblicherweise einmal pro Woche statt. Kognitive Verhaltenstherapien werden in therapeutischen Praxen, Kliniken und Reha-Einrichtungen angeboten, teilweise auch als Gruppentherapie.
Kann eine KVT auch unerwünschte Wirkungen haben? Es ist nicht auszuschließen, dass eine Psychotherapie unerwünschte Wirkungen hat: So kann eine direkte Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen oder Ängsten zunächst sehr belastend sein oder dazu führen, dass sich persönliche Beziehungen vielleicht verschlechtern. Wichtig ist, mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten offen darüber zu sprechen, wenn während der Therapie Schwierigkeiten auftreten. Wissenschaftlich sind unerwünschte Wirkungen von Psychotherapien bislang kaum untersucht.
Wer trägt die Kosten?
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Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen und Suchterkrankungen wird eine kognitive Verhaltenstherapie von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Auch wenn Beschwerden infolge einer chronischen Erkrankung zu einem erheblichen Leidensdruck führen, kann eine KVT bezahlt werden. Es kann jedoch einige Wochen oder Monate dauern, bis man einen Therapieplatz bekommt oder bis die Krankenkasse die Behandlung genehmigt. Eine psychotherapeutische Praxis kann zunächst bis zu fünf probatorische Sitzungen (Probesitzungen) mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen. Das ermöglicht es Psychotherapeuten und Klienten, sich kennenzulernen und festzustellen, welche Probleme vorliegen und ob eine Therapie sinnvoll ist. Nach den probatorischen Sitzungen muss gemeinsam ein Antrag für die gesetzliche Krankenkasse vorbereitet werden, der begründet, warum eine Therapie erforderlich ist. Diesen Antrag muss der Klient vor Therapiebeginn bei seiner Krankenkasse einreichen. Neben dem Therapieantrag verlangt die Krankenkasse einen (haus-)ärztlichen Bericht, aus dem hervorgeht, dass die vorliegenden Beschwerden nicht körperlich bedingt sind und keine medizinischen Gründe gegen eine Psychotherapie sprechen. Die gesetzliche Krankenkasse entscheidet dann auf der Grundlage eines Gutachtens, ob eine Therapie bewilligt wird. Aktualisiert am 5. September 2016 Erstellt am 7. August 2013 Nächste geplante Aktualisierung: 2019
Wege zur Psychotherapie: Wo gibt es Hilfe? Bei körperlichen Krankheiten ist es für die meisten Menschen einfach, die richtige Ärztin oder den richtigen Arzt zu finden. Bei seelischen Problemen oder Erkrankungen wissen viele jedoch nicht, an wen sie sich wenden sollen. Hinzu kommen häufig Vorbehalte, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Unsere Information hilft, sich im Begriffsdschungel des Gesundheitssystems zurechtzufinden. Sie zeigt unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, erklärt, wer wann der richtige Ansprechpartner ist und beantwortet praktische Fragen, die sich vielleicht stellen, wenn eine Psychotherapie sinnvoll erscheint.
An wen kann ich mich bei psychischen Problemen zuerst wenden? Für viele Menschen sind Freunde und Angehörige erste Ansprechpartner, wenn es ihnen nicht gut geht. Wer wegen psychischer Probleme professionelle Hilfe benötigt, kann sich zunächst an die Hausärztin oder den Hausarzt wenden, an eine psychosoziale Beratungsstelle oder direkt an eine psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis. In Notfällen stehen auch psychiatrische Praxen mit Notfalldienst oder psychiatrische Kliniken zur Verfügung. Psychosoziale Beratungsstellen sind zum Beispiel Familien-, Frauen-, Erziehungs-, Lebens- oder Suchtberatungsstellen. Dort arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen wie Ärzte, (Sozial-)Pädagogen, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter oder auch speziell geschulte Pflegekräfte zusammen, um Ratsuchenden bei ihren Problemen zu helfen. Die Beratungsstellen werden in der Regel durch ihren Träger, durch Fördermittel und über Spenden finanziert. Sie bieten selbst keine Therapien an, können aber beraten, über Unterstützungsmöglichkeiten informieren und sie vermitteln. Eine weitere Anlaufstelle sind die Sozialpsychiatrischen Dienste. Sie sind bei den Gesundheitsämtern angesiedelt und können kostenlos in Anspruch genommen werden. Sie betreuen und begleiten vor allem Menschen mit behandlungsbedürftigen akuten oder chronischen psychischen Erkrankungen. Auch in den Sozialpsychiatrischen Diensten beraten und unterstützen Teams aus Medizin und Pflege, Psychotherapie und Sozialpädagogik. Die Fachkräfte bieten in der Regel selbst keine Therapien an, können jedoch feststellen, ob jemand eine behandlungsbedürftige Erkrankung hat. Sie begleiten auch Menschen, die gerade eine Therapie machen oder einen Klinikaufenthalt hinter sich haben, um ihnen zusätzliche
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Unterstützung zu geben. Angehörige, Freunde und Kollegen können sich ebenfalls an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass jemand in ihrer Umgebung Hilfe benötigt. Die Sozialpsychiatrischen Dienste bieten bei Bedarf auch Hausbesuche an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialpsychiatrischen Diensten und psychosozialen Beratungsstellen unterliegen wie Therapeutinnen und Therapeuten der Schweigepflicht.
Was ist eine Psychotherapie und wann kommt sie infrage? Wer den Begriff „Psychotherapie“ hört, denkt vielleicht als erstes daran, wie jemand auf einer Couch liegt und von seiner Kindheit erzählt, während die Therapeutin oder der Therapeut im Sessel daneben sitzt und zuhört. Dieses Bild wird uns häufig in Filmen oder anderen Medien vermittelt, wenn es um Psychotherapie geht. Doch es gibt viele Arten von Psychotherapien, die mit ganz unterschiedlichen Ansätzen arbeiten. Die am häufigsten eingesetzten Verfahren sind die Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Alle Psychotherapien haben das Ziel, die mit der psychischen Erkrankung verbundenen Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Welches der verschiedenen Verfahren infrage kommt, hängt unter anderem von der Störung oder Erkrankung, aber auch von den Vorlieben und persönlichen Zielen des Menschen ab, der eine Therapie benötigt. Zu den psychischen Störungen und Erkrankungen, die häufig mit einer Psychotherapie behandelt werden, gehören zum Beispiel Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen. Psychotherapien kommen übrigens nicht nur bei seelischen Erkrankungen infrage: Sie werden auch eingesetzt, um bei der Bewältigung von chronischen körperlichen Erkrankungen zu helfen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können eine Behandlung auch ablehnen, wenn aus ihrer Sicht keine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt oder eine Psychotherapie nicht geeignet erscheint.
Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten – wer ist wer? Im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung gibt es in Deutschland verschiedene, zum Teil verwirrende Berufsbezeichnungen – sich hier zurechtzufinden, ist nicht ganz einfach. Viele Menschen setzen zum Beispiel Psychotherapeuten mit Psychologen gleich. Wer ein Psychologiestudium abgeschlossen hat, darf aber nicht automatisch therapeutisch tätig werden. Dazu müssen Psychologinnen und Psychologen zunächst eine mehrjährige, praktisch orientierte Psychotherapie-Ausbildung machen, die mit einer staatlichen Prüfung abschließt. Hier ein Überblick über die verschiedenen Berufsgruppen und -bezeichnungen: Psychologische Psychotherapeuten: Psychologinnen und Psychologen mit Psychotherapie-Ausbildung. Sie behandeln zum Beispiel in einer psychotherapeutischen Praxis Menschen mit Angststörungen, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Im Gegensatz zu ärztlichen Psychotherapeuten dürfen sie keine Medikamente verschreiben. Ärztliche Psychotherapeuten (auch psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte genannt): Sie müssen ebenfalls eine Zusatzqualifikation in Psychotherapie oder eine entsprechende Facharztausbildung absolvieren, bevor sie als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut arbeiten dürfen. Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Weiterbildungsordnungen. Die meisten ärztlichen Psychotherapeuten haben eine Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie abgeschlossen. Psychiater: Diese Fachärztinnen und -ärzte behandeln insbesondere solche psychischen Erkrankungen, bei denen die medikamentöse Therapie eine wichtige Rolle spielt, wie zum Beispiel Schizophrenien oder
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schwere Depressionen. Da Psychiaterinnen und Psychiater auch psychotherapeutische Verfahren anwenden können, ist es schwierig, die Fachgebiete Psychiatrie und ärztliche Psychotherapie genau zu trennen. Früher nannten sich Psychiater auch „Facharzt für Nervenheilkunde“. Diesen Abschluss, der keine spezielle psychotherapeutische Ausbildung beinhaltet hat, gibt es heute aber nicht mehr. Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: Ärztinnen oder Ärzte mit dieser Weiterbildung behandeln vor allem körperliche Beschwerden, die vermutlich durch psychische Probleme ausgelöst werden oder mitbedingt sind. Fachgebundene ärztliche Psychotherapeuten: Diese psychotherapeutisch qualifizierten Ärztinnen und Ärzte behandeln ausschließlich psychische Erkrankungen oder Probleme, die mit ihrem eigenen Fachgebiet zu tun haben. Das können etwa Frauenärztinnen oder -ärzte sein, die zum Beispiel Frauen mit Brustkrebs eine unterstützende Psychotherapie anbieten.
Worin unterscheiden sich ärztliche und psychologische Psychotherapeuten? Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Berufen besteht darin, dass ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auch Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen (Psychopharmaka) verschreiben können. Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten arbeiten hingegen ausschließlich mit Gesprächen, psychologischen Verfahren, Entspannungstechniken und anderen nicht medikamentösen Methoden. Wer eine Therapie bei einer Psychologin oder einem Psychologen macht und ergänzend Medikamente benötigt, kann sie sich von einer Ärztin oder einem Arzt verschreiben lassen. Im Idealfall arbeiten ärztliche und psychologische Psychotherapeuten eng zusammen. Die meisten ärztlichen Psychotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten mit tiefenpsychologischen oder analytischen Behandlungsverfahren. Vergleichsweise wenige sind Verhaltenstherapeuten, auch wenn ihr Anteil steigt. Etwa die Hälfte der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist in Verhaltenstherapie, die andere Hälfte in tiefenpsychologischen Verfahren ausgebildet.
Gibt es speziell für Kinder ausgebildete Psychotherapeuten und Psychiater? Psychische Erkrankungen, die im Kindes- und Jugendalter auftreten, unterscheiden sich teilweise von denen Erwachsener. Auch ihre Behandlung verläuft manchmal anders. Daher gibt es Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die sich auf die Probleme von Heranwachsenden spezialisiert haben. Neben Psychologen können sich auch (Sozial-)Pädagogen zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche weiterbilden lassen. Ärztinnen und Ärzte können sich auf Psychotherapie oder Psychiatrie für Heranwachsende spezialisieren, indem sie eine Facharztausbildung für Kinder- und Jugendlichen-Psychiatrie und -Psychotherapie absolvieren. Auch ärztliche Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendärzte können eine Zusatzqualifikation für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen erwerben.
Wie finde ich einen Psychotherapeuten oder Psychiater? Unterschiedliche Einrichtungen helfen bei der Suche nach einer Psychotherapeutin oder Psychiater, zum Beispiel:
Krankenkassen, psychosoziale Beratungsstellen, die Psychotherapeuten- und Ärztekammern der einzelnen Bundesländer und Sozialpsychiatrische Dienste.
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Möglichkeiten zur eigenen Suche bietet neben dem Telefonbuch natürlich das Internet: Hier bieten zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen eine Ärzte- und Psychotherapeutensuche an. Auch die meisten Psychotherapeutenkammern bieten einen entsprechenden Service. Wer sich für ein bestimmtes Verfahren interessiert oder mehr über die Therapeutin oder den Therapeuten selbst wissen möchte, braucht sich nicht zu scheuen, in der Praxis nachzufragen: zum Beispiel wie lange sie oder er schon im Beruf arbeitet und mit welchen Schwerpunkten. Vor der Entscheidung für eine Therapie genau nachzufragen, ist völlig normal und wichtig – schließlich müssen Therapeut und Patient sehr eng und auf sehr persönlicher Ebene zusammenarbeiten. Weitere Fragen an die Behandelnden könnten sein: Haben Sie Erfahrung mit Menschen, die eine ähnliche Erkrankung haben wie ich? Welche Psychotherapie oder welche Medikamente können bei meiner Erkrankung helfen? Welche möglichen Nebenwirkungen haben die Therapien? Wie lange dauern die Psychotherapieverfahren, die infrage kommen, und wie oft sind dafür Praxisbesuche nötig? Was passiert, wenn ich mich nicht behandeln lasse? Reicht es aus, wenn ich mir anderweitig Hilfe hole, zum Beispiel bei einer psychosozialen Beratungsstelle?
Kann ich die Therapeutin oder den Therapeuten wechseln? Ein vertrauensvolles Verhältnis zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten ist eine notwendige Voraussetzung für eine Psychotherapie. Es ist wichtig und muss möglich sein, völlig offen über Probleme und Schwierigkeiten reden zu können. Nicht alle Menschen finden auf Anhieb jemanden, bei dem sie sich gut aufgehoben fühlen. Deshalb können auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse bis zu vier Probesitzungen in einer psychotherapeutischen Praxis in Anspruch genommen werden („probatorische Sitzungen“). Während der probatorischen Sitzungen zeigt sich in der Regel schon, ob man mit der Therapeutin oder dem Therapeuten zusammenarbeiten möchte. Andernfalls ist es möglich, in einer anderen Praxis weitere Probesitzungen in Anspruch zu nehmen. Erst wenn die Entscheidung gefallen ist, muss der Therapeut bei der Krankenkasse des Klienten einen Antrag auf eine Therapie stellen. Auch wenn sich im Laufe der Therapie herausstellt, dass es mit dem ausgewählten Therapeuten doch nicht so gut klappt, besteht die Möglichkeit, die Therapie in einer anderen Praxis fortzusetzen. Ob dann ein neuer Therapieantrag gestellt werden muss, ist mit der Krankenkasse zu klären.
Wie beantrage ich eine Psychotherapie bei meiner Krankenkasse? Nach den probatorischen Sitzungen muss der Therapie-Antrag gemeinsam vorbereitet werden. Der Therapeut muss darin begründen, warum eine Therapie erforderlich ist. Neben dem Therapieantrag verlangt die gesetzliche Krankenkasse einen ärztlichen Bericht. Dieser kann von einer praktischen Ärztin oder einem praktischen Arzt nach einer allgemeinen Untersuchung erstellt werden. Der Bericht soll sicherstellen, dass körperliche Ursachen der Beschwerden ausgeschlossen werden und keine Gründe gegen eine Psychotherapie sprechen. Der Therapieantrag muss zusammen mit dem ärztlichen Bericht vor Beginn der eigentlichen Therapie bei der gesetzlichen Krankenkasse eingereicht werden. Die gesetzliche Krankenkasse entscheidet auf der Grundlage eines Gutachtens, ob eine Therapie bewilligt wird. Eine Gutachterin oder ein Gutachter mit spezieller Ausbildung prüft auf Grundlage des Antrags und
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des ärztlichen Berichts, die ihm anonymisiert zur Verfügung gestellt werden, ob eine Psychotherapie sinnvoll erscheint. Ist dies der Fall, werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Eine Ausnahme ist die Kurzzeittherapie: Zur Bewilligung dieser Therapieform, die nur wenige Sitzungen erfordert, ist kein Gutachten nötig. Die Krankenkasse erhält vom Gutachter nur Informationen, die für die Abrechnung der Therapie relevant sind. Unter welchen Voraussetzungen private Kassen eine Psychotherapie übernehmen, ist unterschiedlich. Privat Versicherte fragen am besten direkt bei ihrer Versicherung nach dem dort üblichen Verfahren.
Welche Psychotherapien werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen? Grundsätzlich bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen eine Psychotherapie bei allen psychischen Erkrankungen und Störungen, die als behandlungsbedürftig gelten. Auch wenn eine körperliche Erkrankung zu einem erheblichen Leidensdruck führt, wie zum Beispiel ein Tinnitus oder Krebserkrankungen, die häufig von Depressionen begleitet werden, können die Kosten für eine Psychotherapie übernommen werden. Die gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlen jedoch nicht jede Form der Psychotherapie. Von den Kassen anerkannte Verfahren sind derzeit drei Psychotherapien: die analytische Psychotherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Verhaltenstherapie.
Innerhalb dieser drei Verfahren kann jedoch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Methoden angewendet werden.
Wie lange muss ich auf einen Therapieplatz warten? Es kann einige Wochen bis Monate dauern, bis man einen Therapieplatz in einer psychotherapeutischen Praxis bekommt. Ein Termin für ein Erstgespräch, in dem festgestellt wird, ob eine psychische Erkrankung vorliegt, lässt sich jedoch häufig kurzfristiger vereinbaren. In dringenden Fällen stehen der Sozialpsychiatrische Dienst, eine psychosoziale Beratungsstelle, eine psychiatrische Praxis mit Notfalldienst oder ein psychiatrisches Krankenhaus zur Verfügung.
Wie lange dauert eine Psychotherapie? Wie lange eine Psychotherapie dauert, hängt von der Art und Schwere der Erkrankung und vom eingesetzten Therapieverfahren ab. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen im Rahmen einer Verhaltenstherapie bis zu 80 Therapiestunden, bei einer tiefenpsychologischen Psychotherapie bis zu 100 Therapiestunden und bei analytischen Psychotherapien bis zu 300 Therapiestunden. Im Einzelfall können die Kosten auch darüber hinaus übernommen werden. Im Rahmen von Gruppenbehandlungen sind auch Doppelstunden möglich. Dass eine Verhaltenstherapie in aller Regel weniger lange dauert als eine analytische Psychotherapie, liegt daran, dass die VT ein eher praktisch orientiertes Verfahren ist, bei dem es vor allem um die konkrete Lösung von Problemen geht. Dagegen hat die analytische Psychotherapie das Ziel, ein tieferes Verständnis für die eigenen Probleme und lebensgeschichtlichen Zusammenhänge zu entwickeln.
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Müssen Therapeutinnen und Therapeuten Vertraulichkeit gewährleisten? Genauso wie Ärzte und Pflegekräfte unterliegen auch Psychotherapeutinnen und -therapeuten einer Schweigepflicht. Sie sind zur Verschwiegenheit über alles verpflichtet, was ihnen von ihren Klientinnen und Klienten im Rahmen einer Psychotherapie anvertraut wird. Einem Psychotherapeuten ist es nur dann erlaubt, Informationen weiterzugeben, wenn der Klient vorher schriftlich eingewilligt hat. Sie dürfen auch keine Sitzungen oder Telefongespräche aufzeichnen, wenn der Klient nicht zugestimmt hat. Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind genauso wie Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, ihre Behandlungen schriftlich zu dokumentieren.
Was kann ich tun, wenn es mir schwerfällt, bei psychischen Problemen Hilfe zu suchen? Manchen Menschen fällt es schwer, wegen ihrer Probleme eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Einige haben Angst davor, als psychisch krank bezeichnet zu werden oder sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was bei einer Psychotherapie passiert. Andere haben Zweifel, ob ihnen auf diese Weise tatsächlich geholfen werden kann. Allerdings berichten Menschen nach dem Beginn oder Abschluss einer Therapie häufig, dass sie sich lieber schon früher Hilfe gesucht hätten. Es ist nicht einfach, die eigenen Gedanken und Verhaltensweisen zu hinterfragen und zu ändern – es kann sogar sehr anstrengend und fordernd sein. Die Anstrengung lohnt sich aber sehr oft: Eine Depression, Zwangs- oder Angststörung erfolgreich zu bewältigen, verbessert die Lebensqualität erheblich. Wem es schwerfällt, zu einer Therapie zu gehen, könnte sich als erstes bei einem Spaziergang das Haus anschauen, in dem die Praxis untergebracht ist – oft ist ein erster Eindruck von der Umgebung hilfreich. anonym mit der Praxis telefonieren und sich über den möglichen Ablauf einer Behandlung informieren. sich in einem weiter entfernten Ort eine Praxis suchen. zum ersten Gespräch einen Familienangehörigen, einen Freund oder eine Freundin mitbringen. mit anderen sprechen, die schon mal eine Psychotherapie in Anspruch genommen haben, zum Beispiel über eine Selbsthilfegruppe.
Aktualisiert am 23. Dezember 2016 Erstellt am 23. April 2006 Nächste geplante Aktualisierung: 2019 Schlagwörter: Angststörung, F41, F41.1, Generalisierte Angststörung, Psyche und Gemüt, T79, Z73
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Glossar Antidepressiva Antidepressiva sind Arzneimittel, mit denen eine Depression behandelt wird. Sie heben die Stimmung, wirken aber unterschiedlich auf den Antrieb, die Motivation und die Lust, etwas zu unternehmen. Manche Antidepressiva steigern den Antrieb, manche dämpfen ihn eher, und andere verändern ihn nicht. Eine Therapie mit Antidepressiva dauert in der Regel viele Monate; die Wirkung setzt erst nach Tagen oder Wochen ein. Es gibt verschiedene Wirkstoffklassen.
Antihistaminika Antihistaminikum Antihistaminika (Einzahl: Antihistaminikum) sind Wirkstoffe, die das Gewebshormon Histamin hemmen. Histamin ist unter anderem an Entzündungsprozessen beteiligt. Antihistaminika werden vor allem in Medikamenten eingesetzt, die allergische Beschwerden wie Juckreiz oder Heuschnupfen lindern. Ein anderes Anwendungsgebiet sind Entzündungen der Magenschleimhaut. Antihistaminika werden auch als Histamin-Rezeptorblocker bezeichnet.
autogenes Training Das autogene Training (auto, griech. = selbst; gen, lat. = erzeugen) ist eine Technik, die zu körperlicher und seelischer Entspannung durch eine Art Selbsthypnose führen soll. Wer sich mit dieser Methode entspannt, nimmt zunächst eine bequeme sitzende oder liegende Haltung ein. Danach versucht man durch kurze Formeln, die man sich im Geiste vorsagt, verschiedene Körperstellen wahrzunehmen und ein intensives Gefühl von Schwere, Wärme, Kühle und Ruhe hervorzurufen. Solche Formeln sind etwa "Meine Arme sind schwer.", "Mein Herz schlägt langsam und gleichmäßig." oder "Ich bin ganz ruhig, gelöst und entspannt."
Benzodiazepine Benzodiazepine sind eine große Gruppe von auf die Psyche wirkenden Medikamenten, die beruhigend, Angst mindernd und krampflösend wirken. Sie werden als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt. Die Wirkungsdauer reicht von einigen Stunden bis zu einigen Tagen. Einer ihrer großen Nachteile ist, dass sie schon nach vergleichsweise kurzer Anwendungszeit süchtig machen können.
Depression Eine Depression ist eine häufig vorkommende Erkrankung der Psyche, die leicht, moderat oder sehr ernsthaft sein kann. Es gibt verschiedene Arten von Depressionen, die an unterschiedlichen Anzeichen erkannt werden können. Welche Symptome im Einzelnen auftreten und wie häufig und stark sie sind, ist von Person zu Person und innerhalb der einzelnen Altersgruppen unterschiedlich. An Depressionen können Menschen aus allen sozialen Schichten, aus sämtlichen Altersgruppen sowie beiderlei Geschlechts erkranken. Wenn mehrere typische Anzeichen wie tiefe Traurigkeit, Lustlosigkeit oder Interesselosigkeit länger als zwei Wochen anhalten, kann sich eine Depression entwickelt haben.
Diagnose
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Mit dem Begriff Diagnose (diagnosis, griech. = Erkenntnis, Urteil) ist das Feststellen und Benennen einer Erkrankung gemeint. Die Diagnose sollte unter anderem anhand der Vorgeschichte, der vorhandenen Beschwerden und der Untersuchungsergebnisse gestellt werden. Zu den Untersuchungen gehören sowohl eine eingehende körperliche Untersuchung als auch beispielsweise die Bestimmung von Blutwerten oder apparative Untersuchungen wie Ultraschall oder Röntgen.
Herzinfarkt Myokardinfarkt Bei einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) wird ein Teil des Herzens plötzlich nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, sodass es zu dauerhaften Schäden am Herzmuskelgewebe kommen kann. Ursache eines Myokardinfarkts (myokard, griech. = Herzmuskel) ist in der Mehrzahl der Fälle ein kleines Blutgerinnsel, das eines oder mehrere Herzkranzgefäße verschließt. Plötzlich auftretende starke Schmerzen in der Brustgegend, die oft in den linken Arm, den Oberbauch und den Unterkiefer ausstrahlen, Übelkeit, Kreislaufprobleme bis hin zum Kollaps, Todesangst und Luftnot sind typische Zeichen für einen Herzinfarkt. Aber auch andere, weniger typische Krankheitszeichen wie Bauch- oder Rückenschmerzen können auf einen Herzinfarkt hinweisen.
kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Behandlungsform der Psychotherapie. Ein wesentliches Ziel dieser Therapieform besteht darin, den Patientinnen und Patienten eine andere Sichtweise zu vermitteln, sie beispielsweise darauf hinzuweisen, wo ihnen vielleicht Denkfehler unterlaufen oder wo falsche Vorstellungen zu Erkrankungen beitragen. Kognitive Verhaltenstherapie kann dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten lernen, ihre Situation anders einzuschätzen, und so ihre Symptome als weniger quälend erleben, ihr Verhalten ändern und insgesamt an Lebensqualität gewinnen.
Panikstörung Eine Panikstörung ist eine bestimmte Form der Angststörung. Sie äußert sich durch Attacken panischer Angst. Bei einer Panikattacke treten ganz plötzlich große Angst und gleichzeitig körperliche Beschwerden wie Luftnot, Schwindel, Brustenge, Herzrasen und Schweißausbrüche auf. Oft stellt sich das Gefühl ein, nicht mehr ganz bei sich zu sein. Eine Panikattacke dauert in der Regel 10 bis 20 Minuten und wird oft mit einem Herzinfarkt verwechselt. Häufig treten Panikattacken in Situationen auf, in denen man sich bedrängt fühlt und nicht entziehen kann, zum Beispiel in einem vollen Bus oder in einer großen Menschenmenge.
Serotonin Serotonin ist ein Botenstoff, der an vielen Orten im Körper wirkt. Er beeinflusst im Gehirn unter anderem die Stimmungslage, den Appetit und den Schlaf-Wach-Rhythmus. Serotonin wirkt beruhigend und dämpft Impulsivität und Aggressionen. Außerdem reguliert Serotonin beispielsweise den Blutdruck, die Aktivität des Magen-Darmtrakts und die Körpertemperatur.
Symptom Ein Symptom (symptoma, griech. = Zufall, Begleiterscheinung) ist in der Medizin ein Krankheitszeichen, das auf eine Erkrankung hinweist. Symptome können Beschwerden sein, die Betroffene selbst wahrnehmen, oder Anzeichen, die die Ärztin oder der Arzt durch eine Untersuchung feststellt. Im weiteren Sinne zählen
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auch durch Messungen erfasste Veränderungen dazu, die durch eine Krankheit oder Verletzung bedingt sind.
Therapie Als Therapie (therapeia, griech. = Pflege, Heilung) wird in der Medizin die Behandlung von Krankheiten, einzelnen Beschwerden oder Verletzungen bezeichnet. Genauer sind damit die einzelnen Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung gemeint. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise eine Änderung der Ernährungsweise, die Einnahme von Medikamenten, Operationen oder Krankengymnastik. Das Ziel einer Therapie ist Heilung oder zumindest eine Verbesserung der Beschwerden.
Verhaltenstherapie Die Verhaltenstherapie (VT) ist ein psychotherapeutisches Verfahren, bei dem es vor allem um die konkrete Lösung von Problemen geht. Sie geht davon aus, dass Verhaltensweisen erlernt und auch wieder verlernt werden können. Indem man an bestehenden Verhaltensmustern arbeitet und sie ändert, versucht man, seelische und soziale Probleme zu lindern und zu beheben. Die Verhaltenstherapie wird häufig bei Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen eingesetzt.
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