Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

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Posttraumatische Belastungsstörung

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Inhaltsverzeichnis Überblick Einleitung Symptome Ursachen Risikofaktoren Häufigkeit Verlauf Diagnose Vorbeugung Behandlung Leben und Alltag Weitere Informationen Quellen

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Mehr Wissen Psychotherapie und ergänzende Behandlungen bei einer posttraumatischen Belastungsstörung Hilfe und Unterstützung Psychotherapie Was passiert bei einer Konfrontation? Wann ist eine Konfrontation nicht möglich? Welche Psychotherapien gibt es? Wie gut helfen die verschiedenen Verfahren? Ergänzende Behandlungen Medikamente bei posttraumatischer Belastungsstörung Antidepressiva Schlaf- und Beruhigungsmittel Lässt sich einer PTBS durch Medikamente vorbeugen? Welche Unterstützung ist unmittelbar nach einem Trauma sinnvoll? Psychische Erste Hilfe nach einem Trauma Was ist noch wichtig? Wie reagieren die Betroffenen? Was psychische Erste Hilfe nicht ist

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Was Studien sagen Kann frühe psychische Hilfe einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen?

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Kurz erklärt Kognitive Verhaltenstherapie Wege zur Psychotherapie: Wo gibt es Hilfe? Wie finde ich Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen?

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Glossar

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Überblick Einleitung

(PantherMedia / ZouZou) Schreckliche Erlebnisse wie Katastrophen, Gewalterfahrungen, sexueller Missbrauch oder schwere Unfälle können das Leben danach stark belasten und Menschen regelrecht aus der Bahn werfen. Man bezeichnet eine solche Erfahrung als Trauma, was in der Psychologie „seelische Verletzung“ bedeutet. Traumatische Erfahrungen sind manchmal nur schwer zu verarbeiten, und einige Menschen entwickeln daraufhin eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sowohl Opfer als auch Zeugen eines dramatischen Ereignisses können eine PTBS entwickeln. Typisch für diese Störung ist, dass einen das Erlebte nicht loslässt und die belastenden Erinnerungen immer wiederkommen. Unterstützung durch andere Menschen ist in einer solchen Lebenssituation besonders wichtig. Eine Psychotherapie kann helfen, die Erfahrungen mit der Zeit zu bewältigen.

Symptome Eine posttraumatische Belastungsstörung ist gekennzeichnet durch  belastende Gedanken: Das Trauma wird immer wieder durchlebt. Oft kommen plötzlich sehr deutliche Erinnerungen hoch, die sich nicht verdrängen lassen, sogenannte Flashbacks. Die sich aufdrängenden Bilder und Gefühle werden so empfunden, als würde das Ereignis in dem Moment noch einmal passieren. Viele Menschen haben wiederkehrende Albträume. Flashbacks und Träume können Angst und Hilflosigkeit, Bedrohungsgefühle, Schuld und Scham wiederaufleben lassen, aber auch körperliche Beschwerden wie Schmerzen hervorrufen.  Übererregbarkeit: Menschen mit einer PTBS sind besonders wachsam und oft in einer Art ständiger Alarmbereitschaft: Sie schlafen schlecht, können sich nicht gut konzentrieren, sind reizbar und impulsiv. Außerdem reagieren sie sehr stark auf Reize, die sie an das Geschehene erinnern, wie bestimmte Gerüche, Geräusche oder Bilder. Dabei kann es zu Herzklopfen, Engegefühl in der Brust, Atembeschwerden und Zittern kommen.  Vermeidungsverhalten: Die Betroffenen vermeiden Situationen, Orte oder Menschen, die mit dem Erlebten in Verbindung stehen und Erinnerungen und Flashbacks wachrufen könnten. Das betrifft auch bestimmte Aktivitäten, Gedanken oder Gespräche. Manche Menschen mit PTBS ziehen sich zurück oder verlieren das Interesse an Dingen, die ihnen früher wichtig waren. Einige fühlen sich fremd im eigenen Leben. Manche verdrängen ihre Erfahrungen so stark, dass sie sich an wichtige Teile des traumatischen Geschehens nicht mehr erinnern. Eine PTBS kann auch dazu führen, dass man sich emotionslos und innerlich wie taub fühlt. Oft ist es nicht möglich, das Erlebte einzuordnen und zu verarbeiten.  negative Gedanken und Stimmungen: Bei vielen Menschen ist das Vertrauen in sich und andere erschüttert. Ihr Selbstwertgefühl nimmt oft stark ab, sie empfinden sich als schwach und ohnmächtig. Häufig quälen sie sich mit Fragen wie: Warum ist es mir passiert? Wie hätte ich es verhindern können? Bin ich (mit) schuldig? Sie können auch sehr reizbar oder ständig verärgert sein. Sie können auf die Person

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wütend sein, die das Trauma verursacht hat, aber auch auf Menschen, von denen sie sich danach nicht genügend unterstützt gefühlt haben, zum Beispiel Polizisten oder Krankenhauspersonal.

Bei Kindern äußert sich ein posttraumatisches Belastungssyndrom oft anders als bei Erwachsenen. Häufig spielen sie das Erlebte in symbolischer Form immer wieder durch, zum Beispiel mit anderen szenischen Bildern und Beteiligten. Viele werden verhaltensauffällig, zum Beispiel sehr ängstlich oder aggressiv. Aufgrund eines Traumas kann es zu weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder einer Suchterkrankung kommen. Auch eine „dissoziative Störung“ ist möglich, bei der zum Beispiel unerträgliche Erinnerungen aus dem Gedächtnis gelöscht werden oder sich Teile der Persönlichkeit verändern („abspalten“). Zudem entwickeln einige Menschen chronische Schmerzen, eine Essstörung oder Psychose. Bei einer milden PTBS kommt es zu leichteren Beschwerden, oder sie treten nur vorübergehend in bestimmten Situationen auf, die an das Trauma erinnern. Dann kann der Alltag beinahe normal gestaltet werden. Dagegen können schwere Formen zu starken psychischen Beschwerden führen und so beeinträchtigen, dass ein Leben ohne Hilfe kaum mehr möglich ist. Manche Menschen entwickeln eine sogenannte „komplexe PTBS“. Bei dieser Form halten eine Reihe der genannten Beschwerden über mehrere Jahre an und sind sehr stark ausgeprägt. Eine komplexe PTBS entwickelt sich oft nach schweren oder wiederholten Traumatisierungen. Die Ausprägung der Symptome hängt aber nicht nur von der Schwere des Ereignisses ab, sondern auch davon, wie jemand mit Belastungen umgehen kann.

Ursachen Einer posttraumatischen Belastungsstörung geht immer ein Erlebnis voraus, das als lebensbedrohlich für sich und / oder andere empfunden wurde oder zu einer schweren körperlichen oder seelischen Verletzung geführt hat. Ursachen sind beispielsweise Gewaltverbrechen, Krieg, sexueller Missbrauch, Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen und medizinische Notfälle wie etwa ein Herzinfarkt oder eine lebensgefährliche Blutung. Auch die Nachricht, dass ein enger Freund oder Verwandter gestorben oder schwer erkrankt ist, kann als traumatisch empfunden werden. Belastungen wie zum Beispiel eine Scheidung, Arbeitsplatzverlust oder Mobbing führen nicht zu einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie können aber einzelne typische PTBS-Symptome auslösen und manchmal auch Depressionen oder Angststörungen.

Risikofaktoren Ob und in welchem Ausmaß sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, hängt davon ab,  was genau passiert ist – ob das Trauma durch Gewalterfahrungen oder durch ein schicksalhaftes Ereignis wie einen Unfall oder eine Naturkatastrophe verursacht wurde,  wie intensiv und anhaltend das Erlebnis war,  ob es wiederholt zu traumatischen Erlebnissen gekommen ist,  wie anfällig jemand für psychische Beschwerden ist und  welche schützenden Faktoren bestehen.

Eine wichtige Rolle spielt, wie intensiv die Gefühle von Angst, Hilflosigkeit und Kontrollverlust in der

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traumatischen Situation waren, ob sie als lebensbedrohlich erlebt wurden und ob jemand Gewalt durch andere erfahren hat. Wie eine Situation wahrgenommen und bewertet wird, wirkt sich also stark darauf aus, ob eine posttraumatische Belastungsstörung entsteht. Menschen mit psychischen Problemen wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen sind anfälliger für eine posttraumatische Belastungsstörung. Es gibt aber auch Menschen, die allgemein besser mit schrecklichen Ereignissen zurechtkommen als andere. Sie entwickeln seltener eine Belastungsstörung. Zudem können emotionale Zuwendung und soziale Unterstützung den Umgang mit dem Erlebten erleichtern – umgekehrt erhöht sich das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung, wenn solche Hilfen fehlen. Wie häufig eine PTBS auftritt, hängt sehr vom Auslöser ab. Eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln ungefähr    

50 % der Kriegs-, Vergewaltigungs- und Folteropfer, 25 % der Opfer von Gewaltverbrechen, 20 % der Soldaten nach Kampfeinsätzen und 10 % der Menschen, die einen schweren Verkehrsunfall oder eine lebensbedrohliche Erkrankung hinter sich haben.

Häufigkeit In Deutschland haben etwa 2 % der Bevölkerung im Laufe des Lebens mindestens einmal eine posttraumatische Belastungsstörung. Wie oft es dazu kommt, hängt sehr von den Lebensumständen ab: Bestimmte Berufsgruppen sind eher mit dramatischen Ereignissen konfrontiert. Dazu zählen Polizistinnen und Polizisten, Feuerwehrleute, Lokführende oder Rettungskräfte. Zudem sind Menschen in Kriegsgebieten deutlich häufiger betroffen. Dennoch ist eine posttraumatische Belastungsstörung nach belastenden Ereignissen nicht die Regel. Viele Menschen sind nach einem Trauma vielleicht immer wieder sehr traurig oder niedergeschlagen, wenn sie an das Erlebnis denken. Ihr Alltagsleben und Empfinden ist aber nicht nachhaltig beeinträchtigt. Zudem verblassen diese Gefühle oft mit der Zeit.

Verlauf Eine posttraumatische Belastungsstörung kann sehr unterschiedlich verlaufen. Schon während oder kurz nach dem Trauma können erste Beschwerden auftreten. Es kann aber auch einige Zeit dauern, bis sie sich zeigen. Die Symptome können nach einigen Wochen zurückgehen, aber auch viele Jahre anhalten und chronisch werden. Es gibt Phasen mit schwächeren und Phasen mit stärkeren Beschwerden. Möglich ist zudem, dass die Erinnerungen an das Trauma erst lange Zeit nach dem Ereignis belastend werden und jemand erst nach Jahren eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt. Dass Beschwerden erst mit Verzögerung auftreten, ist häufiger bei Soldaten zu beobachten. Ein weiteres Beispiel sind Kriegserinnerungen aus der Kindheit und Jugend, die für manche Menschen erst im hohen Alter belastend werden. Vielen Menschen gelingt es, das Erlebte zu überwinden und mit den Erinnerungen zurechtzukommen. Schon innerhalb eines Jahres geht es einem Teil der Betroffenen deutlich besser – oft auch ohne Behandlung. Bei etwa 30 % bleiben die Beschwerden drei Jahre oder länger bestehen und sie entwickeln

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nicht selten weitere Probleme wie eine Suchterkrankung. Starke Beschwerden können dazu führen, dass man im Alltag nicht mehr zurechtkommt. Manche Menschen verlieren ihren Job, weil sie aufgrund von Schlaf- und Konzentrationsproblemen den beruflichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Oder sie werden bei der Arbeit immer wieder an das Ereignis erinnert – was es erschweren kann, den Beruf weiter auszuüben. Vor allem nach Missbrauchserfahrungen können sich auch sexuelle Probleme entwickeln.

Diagnose Die Diagnose PTBS wird erst dann gestellt, wenn die Beschwerden über mehr als vier Wochen anhalten. Dies liegt daran, dass die meisten Menschen nach einem schweren Ereignis zunächst stark belastet sind und es immer eine Weile dauert, solche Erfahrungen zu verarbeiten. Beschwerden, die unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis auftreten, werden zunächst als „akute Belastungsreaktion“ bezeichnet. Eine posttraumatische Belastungsstörung kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Psychotherapeuten festgestellt werden. Im Rahmen dieser Gespräche geht es vor allem darum herauszufinden, wie stark die Beschwerden sind und wie sehr sie die aktuelle Lebenssituation beeinflussen. Dabei werden die Lebensumstände wie die Familien-, Berufs- und Wohnsituation erfasst. Manchmal wird zusätzlich ein Selbstbeurteilungs-Fragebogen ausgefüllt. Bei Kindern kann Malen oder Spielen eine Möglichkeit sein, Zugang zu ihren Erlebnissen zu finden. Eine posttraumatische Belastungsstörung kann leicht übersehen werden, da etwa nach schweren Unfällen die körperlichen Verletzungen im Vordergrund stehen. Zudem bringen manche Menschen ihre psychischen Beschwerden nicht mit belastenden Ereignissen aus der Vergangenheit in Verbindung. Ein anderer Grund ist, dass es zunächst sehr schwerfallen kann, über bestimmte Ereignisse und Probleme zu reden. Gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln, ist deshalb schon für die Diagnosestellung sehr wichtig. Die Diagnosegespräche werden sehr behutsam geführt. Das Erlebte selbst wird nur angeschnitten – ausführlicher darüber zu berichten, ist nicht nötig. Traumatische Erlebnisse können auch andere psychische Erkrankungen auslösen wie Depressionen oder Angststörungen. Auch sie müssen bei der Diagnose deshalb in Betracht gezogen werden.

Vorbeugung Unmittelbar nach einem belastenden Ereignis sind emotionale Zuwendung und praktische Unterstützung wichtig, um mit dem Erlebten zurechtzukommen. Betroffene brauchen eine sichere Umgebung, in der sie vor weiteren Belastungen geschützt sind und Unterstützung finden. In welcher Form die Hilfe am besten geleistet wird, hängt vom Ereignis ab und davon, ob zum Beispiel eher Trost, Sicherheit oder organisatorische Hilfe benötigt wird. Medikamente sind zur Vorbeugung in der Regel nicht geeignet.

Was Studien sagen  Kann frühe psychische Hilfe einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen?

Behandlung

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Zunächst ist es wichtig, die Bedürfnisse und Behandlungsziele eines Betroffenen zu klären. Welche Beschwerden stehen im Vordergrund? Was sind realistische Behandlungsziele, die mit den vorhandenen Therapien erreichbar sind? Welche zusätzliche Unterstützung ist nötig? Ist eine Behandlung überhaupt notwendig? Dazu kann man sich bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten beraten lassen. Manche Menschen benötigen eine Psychotherapie, um wieder ins Leben zurückzufinden. Bei anderen reicht die Unterstützung durch Familie, Freunde oder psychologische Beratungsangebote aus. Medikamente sind nur in bestimmten Situationen sinnvoll. Zudem gibt es vor allem in Kliniken weitere Angebote wie Körper-, Kunst- oder Musiktherapie, die oft ergänzend zu den anderen Behandlungen angeboten werden. Zentraler Teil einer Psychotherapie bei PTBS ist die sogenannte Traumatherapie. Dabei geht es darum, sich gezielt mit dem Erlebten auseinanderzusetzen. Es stehen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zur Verfügung:  Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Bei der KVT liegt der Schwerpunkt darauf, Gedanken oder Gefühle neu zu bewerten, die mit dem Trauma verbunden sind. Sie wird bei der posttraumatischen Belastungsstörung am häufigsten eingesetzt.  Psychodynamische Therapie: Sie hat sich aus der Psychoanalyse entwickelt und thematisiert stärker als die anderen Behandlungen aktuelle wie frühere Beziehungen und Erfahrungen.

Im Rahmen einer Psychotherapie kann auch die sogenannte EMDR-Behandlung eingesetzt werden. EMDR (englisch: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) bedeutet übersetzt etwa „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Dabei werden während der therapeutischen Gespräche bestimmte Reize eingesetzt, um die Verarbeitung des Traumas zu erleichtern. Zum Beispiel bewegt die Therapeutin oder der Therapeut einen Finger gleichmäßig hin und her, dem die Patientin oder der Patient mit den Augen folgt. Bestehen neben der PTBS noch weitere psychische Erkrankungen, muss je nach Situation entschieden werden, welche Störung vorrangig behandelt wird.

Mehr Wissen  Psychotherapie und ergänzende Behandlungen bei einer posttraumatischen Belastungsstörung  Medikamente bei posttraumatischer Belastungsstörung  Welche Unterstützung ist unmittelbar nach einem Trauma sinnvoll?

Leben und Alltag Ein traumatisches Ereignis kann das Leben stark beeinträchtigen. Auf der anderen Seite schafft es ein Teil der Betroffenen mit der Zeit, recht gut mit dem Erlebten zurechtzukommen. Bis dahin kann aber viel Unterstützung und Zuwendung nötig sein. Die Beschwerden können sich auch auf soziale Beziehungen auswirken, da nach einem traumatischen Erlebnis oft das Vertrauen in andere Menschen verloren geht. Dann fällt es schwer, neue Freunde zu finden oder Beziehungen aufrecht zu erhalten. Auch das Sexualleben kann stark beeinträchtigt sein. Manche Menschen mit einer PTBS ziehen sich extrem zurück. Umso wichtiger ist es, dass Freunde und Familie ihnen die Treue halten, auch wenn die Beziehung schwieriger sein kann als vorher.

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Einige Menschen müssen zum Beispiel nach einem Unfall oder Gewaltverbrechen jahrelange Rechtsstreitigkeiten führen. Dies kann zusätzlich sehr belasten. Eine gute juristische Unterstützung ist dann wichtig, um die Situation zu erleichtern. Um im Beruf und im sozialen Leben wieder Fuß zu fassen und im Alltag zurechtzukommen, stehen gezielte Hilfen zur Verfügung – zum Beispiel die berufliche Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell oder Angebote zur psychosozialen Rehabilitation.

Weitere Informationen Die Telefonseelsorge bietet Unterstützung bei akuten Problemen und vermittelt auch weitere Hilfen. Darüber hinaus stehen verschiedene Beratungsangebote zur Verfügung. Die Bundespsychotherapeutenkammer bietet auf Ihrer Internetseite eine Therapeutensuche an. Auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Psychotraumatologie kann man speziell nach Traumatherapeutinnen und -therapeuten suchen. Weitere Anlaufstellen sind:  Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ steht kostenfrei und rund um die Uhr mit speziell ausgebildeten Beraterinnen in 17 Sprachen zur Verfügung.  Hilfeportal Sexueller Missbrauch  Arbeitskreis der Opferhilfen

Erstellt am 19. September 2018 Nächste geplante Aktualisierung: 2021

Quellen Bisson JI, Cosgrove S, Lewis C, Robert NP. Post-traumatic stress disorder. BMJ 2015; 351: h6161. Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). S3 - Leitlinie: Posttraumatische Belastungsstörung. AWMF-Registernr.: 051-010. 31.01.2011. Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J, Lieb K, Berger M. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen - Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015. National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Post-traumatic stress disorder: The management of PTSD in adults and children in primary and secondary care. 03.2005. (NICE Clinical Guidelines; Band 26). Shalev A, Liberzon I, Marmar C. Post-Traumatic Stress Disorder. N Engl J Med 2017; 376(25): 2459-2469. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

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Mehr Wissen Psychotherapie und ergänzende posttraumatischen Belastungsstörung

Behandlungen

bei

einer

(PantherMedia / yacobchuk1) Häufig reicht die Unterstützung durch Familie und Freunde, um mit einem Trauma zurechtzukommen. Wenn sich jedoch eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt, kann eine Psychotherapie dabei helfen, die Folgen zu lindern. Jeder Mensch macht belastende Erfahrungen, die ihn für längere Zeit nicht loslassen. Aber nicht jeder braucht dann eine Therapie. Viele verarbeiten das Erlebte auch ohne eine Behandlung. Manchmal sind die Erfahrungen jedoch so dramatisch und wiegen so schwer, dass sich eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt. Dann kann professionelle Hilfe notwendig werden. Die Behandlung einer PTBS wird von ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeutinnen oder -therapeuten angeboten, zum Teil mit Weiterbildung in Traumatherapie. Bei jüngeren Menschen übernehmen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten die Therapie. Meistens kann ambulant behandelt werden. Ein Klinikaufenthalt ist unter anderem dann sinnvoll, wenn die Beschwerden für eine ambulante Behandlung zu stark sind oder ein besonderer Schutzraum benötigt wird. Manche Menschen haben Probleme, ausreichende Unterstützung zu bekommen. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: Einige warten sehr lange auf einen Therapieplatz, andere lehnen Hilfe ab, weil das Erlebte ihr Vertrauen in andere Menschen erschüttert hat oder weil sie sich schämen, davon zu berichten. Manchmal werden die Beschwerden auch nicht richtig erkannt.

Hilfe und Unterstützung Unmittelbar nach einem traumatischen Erlebnis sind vor allem menschliche Zuwendung und Trost wichtig – sei es durch Familie, Freunde, Arbeitskollegen, andere Betroffene oder professionelle Helfer. Es geht zunächst einfach darum, Sicherheit und Orientierung zu geben. Zum Beispiel nach Unfällen oder Katastrophen wünschen viele Menschen genaue Informationen über das Geschehen und die Konsequenzen. Sie möchten wissen, wie sie weiter unterstützt werden können. Andere wollen mit ihren Gefühlen und Gedanken erst einmal allein sein. Je nach Situation können ganz unterschiedliche Arten der Hilfe benötigt werden. Meist zeigt sich innerhalb der ersten Monate, ob die Beschwerden anhaltend so beeinträchtigen, dass eine Psychotherapie nötig wird. Die Hausärztin oder der Hausarzt kann beraten, welche Form der Unterstützung sinnvoll sein könnte. Eine erste Beratung ist aber auch in einer psychotherapeutischen Praxis, einer Klinik, Traumaambulanz oder psychosozialen Beratungsstelle möglich. Betriebsärztinnen und -ärzte sind ebenfalls mögliche Ansprechpartner.

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Manche Menschen merken erst viele Monate oder Jahre nach einem traumatischen Ereignis, dass es sie zunehmend belastet. Auch dann können zunächst Gespräche mit Freunden, Angehörigen oder anderen Betroffenen helfen. Sie können es leichter machen, die belastenden Erinnerungen und Gedanken zu sortieren – und vielleicht auch erstmals auszusprechen, was einem schon länger auf der Seele liegt. Reicht dies nicht aus, kann man sich ärztlich oder psychotherapeutisch beraten lassen und klären, ob eine Psychotherapie sinnvoll ist und welche Hilfen darüber hinaus noch infrage kommen.

Psychotherapie Bei einer Psychotherapie geht es zunächst darum, eine vertrauensvolle Beziehung zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten herzustellen. Sie ist eine entscheidende Voraussetzung, um ein Trauma behandeln zu können. Ein wichtiger Bestandteil der Psychotherapie ist die Traumatherapie. Dabei werden belastende Erinnerungen von der Therapeutin oder dem Therapeuten begleitet. Diese „geschützte“ Konfrontation mit dem Erlebten soll dazu beitragen, dass die Erinnerungen ihren Schrecken verlieren. Zudem werden Hilfestellungen gegeben, um das Erlebte zu verarbeiten. Bei einer schweren Traumatisierung ist eine Konfrontation manchmal erst nach einiger Vorbereitung sinnvoll, denn eine zu frühe Konfrontation kann die psychischen Probleme auch verstärken. Im Rahmen der Behandlung können Traumafolgen angesprochen werden, die den Umgang mit den Belastungen erschweren, wie zwischenmenschliche Konflikte oder Probleme am Arbeitsplatz. Manchmal steht auch gar nicht das Trauma selbst, sondern eine weitere Erkrankung wie eine Depression, Sucht oder Angststörung im Vordergrund der Behandlung. Wann der beste Zeitpunkt ist, mit einer Psychotherapie zu beginnen, lässt sich nicht allgemein sagen. Meist ist es sinnvoll, möglichst früh mit der Behandlung zu beginnen. Eine Traumatherapie kann aber auch dann noch helfen, wenn sie erst Monate oder Jahre nach dem Trauma beginnt. Eine Psychotherapie ist einzeln oder in einer Gruppe möglich. In die Behandlung können auch Angehörige oder enge Freunde eingebunden werden. Wie lange eine Psychotherapie dauert, ist sehr unterschiedlich. Manchen Menschen reicht eine Behandlung über wenige Monate aus – andere benötigen Jahre. In manchen Situationen können Therapiegespräche unmittelbar nach einem Trauma sinnvoll sein. Dann können schon wenige Sitzungen helfen, eine posttraumatische Belastungsstörung zu vermeiden.

Was passiert bei einer Konfrontation? Eine Traumatherapie soll einen geschützten Rahmen bieten, um sich mit dem Trauma auseinandersetzen zu können. Ziel ist es, das Erlebte zu verstehen, zu verarbeiten und einen besseren Umgang damit zu finden. Die Therapie ermöglicht die Erfahrung, dass es weniger bedrohlich ist als befürchtet, sich an das Geschehen zu erinnern. Ein Teil der Traumatherapie ist die Konfrontation. Dabei geht es darum, über die Erinnerung schrittweise und behutsam an das belastende Ereignis herangeführt zu werden. Die wiederholte Konfrontation soll helfen, das Trauma als Teil der persönlichen Geschichte anzunehmen. Man soll sich an das Erlebte erinnern können, ohne von negativen Gefühlen wie Angst überwältigt zu werden. Die Konfrontation besteht zunächst aus Gesprächen und Erinnerungen. Dabei werden belastende Situationen und der Umgang damit in Gedanken durchgespielt. Abhängig vom Erlebnis kann sich eine direkte Konfrontation in Begleitung der Therapeutin oder des Therapeuten anschließen. Je nach Situation

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nähert man sich dem Erlebten mal direkt, mal sehr langsam an. Beispiele für eine direkte Konfrontation sind:  wieder Auto fahren nach einem schweren Verkehrsunfall  durch den Park gehen, in dem man überfallen wurde

Die belastenden Erlebnisse werden im Rahmen der Therapie detailliert geschildert oder aufgeschrieben. Die Therapeutin oder der Therapeut hilft, für eine bestimmte Zeit in der Erinnerung zu bleiben. Durch die Erfahrung, dass Angst und Aufregung meist nach einer Weile abklingen, können diese starken Gefühle von der Erinnerung entkoppelt werden. Diese Erfahrung wird regelmäßig wiederholt und ist der Kern der meisten erfolgreichen Traumatherapien. Wenn die Erinnerung aus verschiedenen Bruchstücken besteht, sollen sie zu einer nachvollziehbaren Erzählung verbunden werden. Das Erlebte soll dadurch besser verstanden und als Teil der eigenen Lebensgeschichte angenommen werden. Nicht zuletzt vermittelt die Therapie, dass andere Menschen vergleichbare Probleme haben. Es kann helfen zu erfahren, dass es nicht an einer Charakterschwäche liegt, wenn man mit der Belastung nicht allein zurechtkommt. Während der Therapie lernt man, Strategien zum Umgang mit dem Erlebten anzuwenden, die sich nach der Behandlung auch allein umsetzen lassen.

Wann ist eine Konfrontation nicht möglich? Manche Menschen sind noch nicht bereit, sich mit traumatischen Ereignissen auseinanderzusetzen, weil Angst oder Panik noch zu groß sind. Wird man zu früh oder in unangemessener Art und Weise konfrontiert, können die Beschwerden stärker werden. Dies kann beispielsweise nach wiederholten schweren Traumatisierungen in der Kindheit der Fall sein. Solche Erfahrungen können das Vertrauen in andere Menschen tief erschüttern. Wenn das Risiko besteht, dass eine Traumatherapie zu starke Reaktionen auslöst, wird zunächst darauf verzichtet und versucht, eine psychische Stabilisierung zu erreichen. Auch Menschen, die ihre Gefühle nicht ausreichend steuern können oder die kein geregeltes Alltagsleben haben, sind oft noch nicht bereit für eine Konfrontation mit dem Erlebten. Dann geht es zunächst darum, andere Probleme zu lösen, bevor eine Konfrontation möglich ist. Starke Reaktionen auf eine zu frühe Konfrontation können zum Beispiel Selbstverletzungen, Abspaltung von Erinnerungen und Persönlichkeitsmerkmalen (dissoziative Störung), Panikstörungen oder körperliche Beschwerden sein. Wenn die Gefahr besteht, dass die Konfrontation Gedanken an Selbsttötung auslöst, wird zunächst darauf verzichtet.

Welche Psychotherapien gibt es? Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung erstatten die gesetzlichen Krankenkassen folgende Psychotherapien:  Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Ziel einer KVT ist es zu lernen, Erlebnisse, Verhaltensweisen und Gefühle anders als bisher zu deuten und zu bewerten. Dadurch soll zum Beispiel der Umgang mit Flashbacks – plötzlich aufsteigende deutliche Erinnerungen, die sich nicht verdrängen lassen – verändert werden. Die kognitive Verhaltenstherapie ist vor allem auch geeignet, wenn bestimmte Situationen vermieden werden. Sie ist zur Behandlung der PTBS am besten untersucht.

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 Psychodynamische Therapie: Die psychodynamische Therapie umfasst verschiedene Verfahren, die sich aus der Psychoanalyse entwickelt haben. Sie arbeitet ebenfalls mit einer schrittweisen Auseinandersetzung mit dem Erlebten. Während der Behandlung soll die Beziehung zwischen aktuellen Erfahrungen und früheren Traumatisierungen deutlich werden. Sie zielt darauf, die Gedanken, Gefühle und Beziehungsmuster zu verändern, die die Beschwerden aufrechterhalten.

Im Rahmen einer Psychotherapie kann auch die sogenannte EMDR-Behandlung eingesetzt werden. EMDR (englisch: Eye Movement Desensitization and Reprocessing) bedeutet übersetzt etwa „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Die Methode folgt einem festen Ablauf in acht Behandlungsphasen. In einer der Phasen bewegt die Therapeutin oder der Therapeut während der Konfrontation einen Finger gleichmäßig vor den Augen der Patientin oder des Patienten hin und her. Diese verfolgen den Finger mit den Augen. Es können stattdessen oder ergänzend auch akustische Reize oder Berührungen wie Klopfen auf das Handgelenk eingesetzt werden. Man nimmt an, dass die Augenbewegungen oder die Berührungen die Informationsverarbeitung erleichtern. Dies soll helfen, Erinnerungen angstfreier abzurufen.

Wie gut helfen die verschiedenen Verfahren? Zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung sind die kognitive Verhaltenstherapie und die EMDR am besten untersucht. Studien zeigen, dass beide Verfahren sehr wirksam sind. Etwa die Hälfte der Betroffenen hat aufgrund der Therapie keine posttraumatische Belastungsstörung mehr, bei anderen kann sie die Beschwerden zumindest lindern. Die psychodynamische Therapie wird bei vielen psychischen Erkrankungen angeboten. Zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung wurde sie bislang jedoch kaum in vergleichenden Studien untersucht. Deshalb lässt sich schlecht beurteilen, wie gut sie hilft. Auch Kindern und Jugendlichen mit traumatischen Erfahrungen kann eine Psychotherapie helfen und ihre Beschwerden lindern. Für sie ist die kognitive Verhaltenstherapie am besten untersucht. Eine Psychotherapie hilft aber nicht in jedem Fall. Manchmal bleiben die Beschwerden trotz der Behandlung bestehen. Einige Menschen brechen die Behandlung auch ab.

Ergänzende Behandlungen Vor allem bei einem Klinikaufenthalt werden ergänzende Behandlungen angeboten. Dazu zählen:     

Ergotherapie Kunsttherapie Musiktherapie Entspannungsübungen Bewegungs- und Körpertherapien

Solche eher körperorientierten und kreativen Therapien sollen aktivieren und positive Erfahrungen bieten. Sie können zudem bei der Annäherung an das Trauma unterstützen. In der Regel werden die belastenden Erinnerungen dann in der Psychotherapie verarbeitet. Deshalb sind die genannten Therapien bei schweren Traumatisierungen nicht zur alleinigen Behandlung geeignet. Sie können aber Menschen unterstützen und helfen, die weniger schwere Symptome haben und keine Psychotherapie machen.

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Entspannungsübungen wie autogenes Training eignen sich nicht für jeden. Denn während der Entspannungsphase können traumatische Erinnerungen hochkommen. Bei einer PTBS werden deshalb meist Methoden empfohlen, die mehr mit körperlicher oder geistiger Aktivität verbunden sind. Yoga, Tai-Chi oder Achtsamkeitstraining können dabei helfen, sich zu entspannen, Körper und Gefühle besser wahrzunehmen und miteinander in Einklang zu bringen. Ziel ist es, die Konzentration zu fördern und die Aufmerksamkeit gezielt zu lenken. Die bisherigen Studien liefern noch keine klaren Ergebnisse – deuten aber an, dass solche Methoden für manche Betroffene hilfreich sein können, um bestimmte Beschwerden in den Griff zu bekommen. Zum Nutzen von Bewegungstherapien gibt es ebenfalls nur wenige Studien. Diese sprechen aber dafür, dass regelmäßige Bewegung dazu beitragen kann, posttraumatische Beschwerden und Depressivität zu lindern. In den Studien wurden unter anderem Yoga, Radfahren und Krafttraining untersucht. Viele suchen Wege neben der Psychotherapie, um ihre Erlebnisse zu verarbeiten und Orientierung, Sinn und Ausdrucksmöglichkeiten zu finden – zum Beispiel durch die Beschäftigung mit Musik, Malen, Handwerk oder Tanz. Andere finden Halt in Spiritualität und Religion. Für gläubige Menschen ist der Beistand einer Seelsorgerin oder eines Seelsorgers nach Schicksalsschlägen oft hilfreich. In den meisten Kliniken gibt es einen Seelsorgedienst. Erstellt am 19. September 2018 Nächste geplante Aktualisierung: 2021

Quellen Bisson JI, Cosgrove S, Lewis C, Robert NP. Post-traumatic stress disorder. BMJ 2015; 351: h6161. Cusack K, Jonas DE, Forneris CA, Wines C, Sonis J, Middleton JC et al. Psychological treatments for adults with posttraumatic stress disorder: A systematic review and meta-analysis. Clin Psychol Rev 2016; 43: 128-141. Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). S3 - Leitlinie: Posttraumatische Belastungsstörung. AWMF-Registernr.: 051-010. 31.01.2011. Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J, Lieb K, Berger M. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen - Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015. Gartlehner G, Forneris CA, Brownley KA, Gaynes BN, Sonis J, Coker-Schwimmer E et al. Interventions for the Prevention of Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) in Adults After Exposure to Psychological Trauma. 04.2013. (AHRQ Comparative Effectiveness Reviews; Band 109). Gillies D, Taylor F, Gray C, O'Brien L, D'Abrew N. Psychological therapies for the treatment of post-traumatic stress disorder in children and adolescents. Cochrane Database Syst Rev 2012; (12): CD006726. Gillies D, Maiocchi L, Bhandari AP, Taylor F, Gray C, O'Brien L. Psychological therapies for children and adolescents exposed to trauma. Cochrane Database Syst Rev 2016; (10): CD012371. Hilton L, Maher AR, Colaiaco B, Apaydin E, Sorbero ME, Booth M et al. Meditation for posttraumatic stress: Systematic review and meta-analysis. Psychol Trauma 2017; 9(4): 453-460. Metcalf O, Varker T, Forbes D, Phelps A, Dell L, DiBattista A et al. Efficacy of Fifteen Emerging Interventions for the Treatment of Posttraumatic Stress Disorder: A Systematic Review. J Trauma Stress 2016; 29(1): 88-92. Rosenbaum S, Vancampfort D, Steel Z, Newby J, Ward PB, Stubbs B. Physical activity in the treatment of Post-traumatic stress disorder: A systematic review and meta-analysis. Psychiatry Res 2015; 230(2): 130-136. Visser E, Gosens T, Den Oudsten BL, De Vries J. The course, prediction, and treatment of acute and posttraumatic stress in trauma

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patients: A systematic review. J Trauma Acute Care Surg 2017; 82(6): 1158-1183. Wahbeh H, Senders A, Neuendorf R, Cayton J. Complementary and Alternative Medicine for Posttraumatic Stress Disorder Symptoms: A Systematic Review. J Evid Based Complementary Altern Med 2014; 19(3): 161-175. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

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Medikamente bei posttraumatischer Belastungsstörung

(PantherMedia / Dmitriy Shironosov) Medikamente können eine Psychotherapie nicht ersetzen, aber in bestimmten Situationen ergänzen. Allerdings ist nur für wenige Mittel nachgewiesen, dass sie wirksam sind. Da sie Nebenwirkungen haben können, sollte die Einnahme gut überlegt sein. Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist die psychotherapeutische Unterstützung am wichtigsten. In wissenschaftlichen Leitlinien wird davon abgeraten, allein auf Medikamente zu setzen. Ob Medikamente überhaupt infrage kommen, hängt von der individuellen Situation ab. Dabei spielt eine Rolle, welche Beschwerden bestehen, wie stark sie sind und ob weitere Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen hinzukommen. Die Einnahme von Medikamenten kann zwei Ziele haben:  vorübergehende Hilfe bei starken Beschwerden wie Schlaflosigkeit oder Panikattacken  langfristige Behandlung, um die Beschwerden der PTBS zu lindern

Zur Behandlung einer PTBS werden am häufigsten Antidepressiva sowie Schlaf- und Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) eingesetzt. Benzodiazepine sind für Menschen mit einer PTBS jedoch ungeeignet, weil sie schnell abhängig machen und kaum helfen, die Beschwerden zu lindern. Vor Beginn einer Behandlung mit Medikamenten ist eine gute Aufklärung über ihre Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen wichtig. Im Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt sollten auch die Erwartungen an die Behandlung geklärt und später regelmäßig darüber gesprochen werden, wie die Medikamente wirken und wie mit möglichen Problemen umgegangen werden kann. Wichtig ist, dass sich Ärzte gut mit den psychologischen Psychotherapeuten austauschen, die vielleicht die psychotherapeutische Behandlung übernehmen. Diese dürfen selbst keine Medikamente verschreiben.

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Antidepressiva Antidepressiva kommen vor allem dann infrage, wenn Beschwerden wie depressive Gefühle, Angst und Reizbarkeit sehr ausgeprägt sind. Sie sollen auch das Ein- und Durchschlafen erleichtern. Antidepressiva können vorübergehend oder langfristig eingenommen werden. In Deutschland sind nur zwei Mittel zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung zugelassen: die Antidepressiva Sertralin und Paroxetin. Studien zeigen, dass beide Wirkstoffe die Beschwerden lindern können. Daneben kommen eine Reihe weiterer Antidepressiva infrage – sie können allerdings nur im Rahmen eines Off-Label-Use verschrieben werden. Bei Antidepressiva dauert es häufig mehrere Wochen, bis sie spürbar wirken. In Studien zeigte sich:  Ohne Antidepressiva besserten sich bei etwa 35 von 100 Menschen die Beschwerden innerhalb weniger Monate deutlich.  Mit Antidepressiva besserten sich bei etwa 55 von 100 Menschen die Beschwerden innerhalb weniger Monate deutlich.

Mit anderen Worten: Bei etwa 20 von 100 Menschen bewirkten Antidepressiva eine spürbare Verbesserung. Viele Menschen mit PTBS kommen auch ohne Antidepressiva zurecht. Da die Medikamente Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit haben können, sollte gut abgewogen werden, ob sie überhaupt notwendig sind.

Schlaf- und Beruhigungsmittel Schlaf- und Beruhigungsmittel sollen Übererregung mindern und den Schlaf verbessern. Allerdings raten wissenschaftliche Leitlinien mittlerweile davon ab, sie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung einzunehmen. Es gibt kaum Studien, die ihren Nutzen untersucht haben. Zudem können sie schon nach wenigen Wochen abhängig machen.

Lässt sich einer PTBS durch Medikamente vorbeugen? Zur Vorbeugung spielen Medikamente so gut wie keine Rolle: Medikamente können das Entstehen einer posttraumatischen Belastungsstörung in der Regel nicht verhindern, wenn sie direkt nach dem Ereignis eingenommen werden. In einigen Studien konnte einzig Kortison das Risiko für eine PTBS verringern. Es wurde vor allem Krankenhauspatientinnen und -patienten unmittelbar nach einer großen Operation oder mit einer Blutvergiftung (Sepsis) gegeben. Anschließend entwickelten sie seltener eine PTBS. Man vermutet, dass manche Menschen anfälliger für eine posttraumatische Belastungsstörung sind, weil ihr Körper in Stresssituationen sehr wenig Kortisol ausschüttet. Kortison gleicht diesen Mangel aus. Erstellt am 19. September 2018 Nächste geplante Aktualisierung: 2021

Quellen Amos T, Stein DJ, Ipser JC. Pharmacological interventions for preventing post-traumatic stress disorder (PTSD). Cochrane Database Syst Rev 2014; (7): CD006239. Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT). S3 - Leitlinie: Posttraumatische Belastungsstörung. AWMF-Registernr.: 051-010. 31.01.2011.

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Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J, Lieb K, Berger M. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen - Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015. Hoskins M, Pearce J, Bethell A, Dankova L, Barbui C, Tol WA et al. Pharmacotherapy for post-traumatic stress disorder: systematic review and meta-analysis. Br J Psychiatry 2015; 206(2): 93-100. Lee DJ, Schnitzlein CW, Wolf JP, Vythilingam M, Rasmusson AM, Hoge CW. Psychotherapy Versus Pharmacotherapy for Posttraumatic Stress Disorder: Systemic Review and Meta-Analyses to Determine First-Line Treatments. Depress Anxiety 2016; 33(9): 792-806. Shalev A, Liberzon I, Marmar C. Post-Traumatic Stress Disorder. N Engl J Med 2017; 376(25): 2459-2469. Sijbrandij M, Kleiboer A, Bisson JI, Barbui C, Cuijpers P. Pharmacological prevention of post-traumatic stress disorder and acute stress disorder: a systematic review and meta-analysis. Lancet Psychiatry 2015; 2(5): 413-421. Stein DJ, Ipser JC, Seedat S. Pharmacotherapy for post traumatic stress disorder (PTSD). Cochrane Database Syst Rev 2006; (1): CD002795. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

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Welche Unterstützung ist unmittelbar nach einem Trauma sinnvoll?

(PantherMedia / Wavebreakmedia ltd) Nach einem Trauma ist verlässliche emotionale und praktische Unterstützung wichtig. Welche Art der Hilfe am sinnvollsten ist, hängt von den Bedürfnissen der Betroffenen ab. Eine traumatische Erfahrung kann zum Beispiel eine Vergewaltigung, eine Naturkatastrophe, ein schwerer Unfall oder eine akute lebensbedrohliche Erkrankung sein. Für betroffene Menschen – zu denen auch Angehörige und Augenzeugen gehören können – sind kurz nach dem Trauma vor allem folgende Hilfen wichtig:  Zuwendung und Anteilnahme  Informationen über das Geschehene und die Konsequenzen  Organisation praktischer Hilfen

Einige Menschen brauchen nach einem traumatischen Ereignis eine psychische Betreuung. Sie sollte jedoch niemandem aufgedrängt werden. Da Menschen mit belastenden Erlebnissen sehr verschieden umgehen, sollte sich die Unterstützung immer nach den persönlichen Bedürfnissen eines Betroffenen richten. Wichtig ist, ihm Zeit zu geben, mit dem Erlebten umzugehen und ihn nicht zu überfordern.

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Psychische Erste Hilfe nach einem Trauma Folgende Regeln werden empfohlen, um Menschen zu helfen, die gerade ein Trauma erlebt haben. Die Empfehlungen zur „psychischen Ersten Hilfe“ richten sich an professionelle Helfer, sind aber auch für andere Personen nützlich, die sich vor Ort befinden und helfen möchten. Je nach Situation ist es sinnvoll,  sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen,  Betroffenen aus der belastenden Situation herauszuhelfen (sie zum Beispiel vor Gefahr oder vor Schaulustigen zu schützen),  für eine sichere Umgebung zu sorgen,  zu prüfen, wer Hilfe benötigt,  Hilfe anzubieten, ohne sich aufzudrängen,  ruhig und geduldig zu bleiben,  in der Nähe zu bleiben und  jederzeit für die nächsten Stunden und Tage ansprechbar zu sein.

Im Kontakt mit den Betroffenen:  Mitgefühl zeigen, Trost spenden und beruhigen.  Berührungen und Umarmungen können wichtig sein – manchmal sind sie jedoch unangemessen. Wenn man sich nicht sicher ist: Berührungen lieber vermeiden oder fragen, ob sie erwünscht sind.  Einfach und klar sprechen – Informationen dosiert geben.  Sich zurücknehmen und in Gesprächen aktiv zuhören; Schweigen zulassen.  Die Gefühle und Wahrnehmungen der Betroffenen akzeptieren, auf entsprechende Signale achten; negative Gefühle aber nicht bestätigen.  Fragen, was benötigt wird.  Sie in Hilfsmaßnahmen für andere Betroffene oder die Organisation von Essen und Trinken einbinden, wenn angebracht – dies kann aktivieren und Kontrolle über die Situation geben.  Keine unrealistischen Versprechen und keine falschen Informationen geben.  Niemanden unter Druck setzen.

Praktische Hilfen und Informationen:      

Medizinische Hilfen organisieren oder Erste Hilfe leisten. Informationen über das Geschehene geben. Für Essen, Getränke und nach Möglichkeit eine angenehme Umgebung sorgen. Kontakt zu Familie und Freunden herstellen, vertraute Personen einbinden. Bei Bedarf weitere Unterstützung organisieren (zum Beispiel eine Unterkunft besorgen). Informationen über Anlaufstellen für weitere Hilfen geben (zum Beispiel Traumaambulanzen).

Was ist noch wichtig? Eine traumatische Situation kann auch für Helferinnen und Helfer belastend sein. Folgendes ist ebenfalls wichtig:  Sich nicht durch starke Emotionen verunsichern lassen, beispielsweise durch Wutausbrüche.  Die eigenen Grenzen als Helferin oder Helfer erkennen und wenn nötig selbst Unterstützung suchen.  Kulturelle und soziale Besonderheiten beachten – diese können Einfluss auf den Umgang mit

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Belastungen haben.  Auf die eigene Wirkung achten: Welche Worte wähle ich? Wie ist meine Körpersprache? Wie ist mein Gesichtsausdruck? Wie nähere ich mich den Betroffenen?  Die Anweisungen von professionellen Helfern (zum Beispiel Polizei und Rettungskräften) beachten und sie nicht bei der Arbeit behindern.

Wie reagieren die Betroffenen? Je nach Situation können Menschen sehr unterschiedlich auf schlimme Ereignisse reagieren:     

Manche erstarren, sind still und fühlen sich wie taub. Andere sind verwirrt und desorientiert. Einige sind niedergeschlagen, traurig und weinen. Manche sind kontrolliert und klar und zeigen kaum Stressreaktionen. Wieder andere zeigen heftige emotionale Reaktionen, sind beispielsweise verzweifelt, wütend oder schreien.

Bestimmte Personen sind hilfebedürftiger als andere, beispielsweise Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, solche ohne Bezugspersonen oder die Schutz vor Missbrauch und Gewalt benötigen. Dann können besonders viel Unterstützung und spezielle Hilfen notwendig sein.

Was psychische Erste Hilfe nicht ist Wichtig: Die psychische Erste Hilfe umfasst keine psychotherapeutische Behandlung. Sie ist auch etwas anderes als das sogenannte Debriefing. Beim Debriefing setzen sich Betroffene oder Helferinnen und Helfer unter Anleitung schon sehr früh mit dem Erlebten auseinander. Dagegen zielt die psychische Erste Hilfe darauf ab, Betroffene unmittelbar nach einem schweren Ereignis aufzufangen und ihnen die Hilfe zu geben, die sie benötigen, um kurz- und langfristig mit dem Erlebten umzugehen. Das Debriefing wird von vielen Fachleuten mittlerweile abgelehnt, da es einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht vorbeugen kann. Ob jemand eine psychotherapeutische Behandlung braucht, stellt sich meist erst nach einigen Tagen, Wochen oder Monaten heraus. Erst dann zeigt sich, ob die Belastungsreaktion von allein wieder abklingt oder ob sich anhaltende Beschwerden entwickeln. Zudem kann es einige Zeit dauern, bis es überhaupt möglich ist, sich auf eine Traumatherapie einzulassen. Bis dahin kann aber eine psychologische Begleitung sinnvoll sein, besonders für schwer traumatisierte Menschen. Eine Unterstützung durch andere sollte in jedem Fall gewährleistet sein; ebenso eine Umgebung, in der sie sich aufgehoben und sicher fühlen können und jederzeit die Möglichkeit haben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erstellt am 19. September 2018 Nächste geplante Aktualisierung: 2021

Quellen Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J, Lieb K, Berger M. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen - Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015.

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Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK). Psychische Erste Hilfe: Handbuch. 2015. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

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Was Studien sagen Kann frühe psychische Hilfe einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen?

(PantherMedia / manaemedia) Bei Menschen, die durch ein Trauma sehr stark belastet sind, kann eine frühzeitige therapeutische Hilfe einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen. Ein Debriefing, bei dem Betroffene, Helfende oder Zeugen kurz nach dem Ereignis unter Anleitung über das Erlebte sprechen, kann dagegen nicht schützen. Traumatisierte Menschen brauchen schon unmittelbar nach dem auslösenden Ereignis Zuwendung und Unterstützung. Wie diese genau aussieht, hängt von den Bedürfnissen der Betroffenen und der Situation ab. Vielen reicht eine empathische Unterstützung durch Freunde, Familie und Arbeitskollegen aus, um mit dem Erlebten umzugehen. Manche brauchen jedoch professionelle psychologische Hilfe. Die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ wird frühestens gestellt, wenn typische Beschwerden länger als vier Wochen andauern. Eine Psychotherapie wird meist auch erst danach begonnen. Manche Menschen sind auch erst nach einer gewissen Zeit bereit für eine Psychotherapie. Einigen Menschen werden schon kurz nach einem Trauma professionelle psychische Hilfen angeboten – etwa durch die Berufsgenossenschaft, Bahnbetriebe oder Polizeipsychologen. Sie haben vor allem das Ziel, einer posttraumatischen Belastungsstörung vorzubeugen. In Studien wurden das sogenannte Debriefing und therapeutische Angebote aus der kognitiven Verhaltenstherapie untersucht.

Debriefing „Debriefing“ bedeutet übersetzt „Nachbesprechung“. In der Psychologie bedeutet Debriefing, schon früh nach einem Trauma über das Erlebte zu sprechen. Die Gespräche werden von einer psychologischen oder seelsorgerischen Fachkraft moderiert und folgen meist einem vorgegebenen Ablauf. Dabei wird gefragt, wie die Betroffenen das Ereignis wahrgenommen haben, was sie darüber denken und wie sie sich fühlen. Zudem werden Möglichkeiten besprochen, mit dem Erlebten umzugehen. Das Debriefing wurde zunächst speziell für Berufsgruppen wie Polizisten und Rettungskräfte entwickelt, die regelmäßig mit dramatischen Ereignissen zu tun haben. Die Helferinnen und Helfer sollen sich in den ersten Tagen nach dem Erlebten in der Gruppe über das Erlebte austauschen und gezielt psychologische Unterstützung bekommen. Das Debriefing wird aber auch bei unmittelbar Betroffenen oder Augenzeugen eingesetzt, zum Beispiel bei Verbrechens- oder Unfallopfern. Die Wirksamkeit des Debriefings wird mittlerweile jedoch angezweifelt.

Was sagen Studien zum Nutzen des Debriefings?

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In Studien konnte das Debriefing das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht verringern. Es wurde sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen untersucht. Trotz Debriefing entwickelten sie in den meisten Studien anschließend genauso häufig ein posttraumatisches Belastungssyndrom wie Menschen, die kein Debriefing hatten – in einer Studie sogar etwas häufiger. Die Beteiligten, zum Beispiel Rettungskräfte, empfinden die gemeinsamen Nachbesprechungen zunächst jedoch oft als hilfreich. Es gibt Hinweise, dass sich ein Debriefing bei manchen traumatisierten Menschen sogar negativ auswirken könnte. So kann der Zeitpunkt des Debriefings für manche Menschen unangemessen sein, weil sie noch nicht bereit sind, über das Erlebte zu sprechen. Es wird auch befürchtet, dass solche Gespräche manchmal erst belastende Beschwerden auslösen und Selbstheilungskräfte hemmen könnten. Unterstützung und menschliche Anteilnahme sind nach einem schlimmen Erlebnis wichtig – die bisherigen Studien sprechen aber dagegen, allen Betroffenen, Helfern oder Zeugen nach einem Ereignis ein Gruppen-Debriefing anzubieten. Stattdessen sollte geprüft werden, wer welche Art von Hilfe benötigt. Viele Menschen brauchen zunächst Zeit, ihre Gefühle und Gedanken zu sortieren und signalisieren von selbst, wann und wie ausführlich sie über das Erlebte sprechen möchten.

Kurze kognitive Verhaltenstherapien Therapeutische Gespräche über das Erlebte und seine Konsequenzen können in bestimmten Situationen schon innerhalb der ersten Wochen nach dem traumatischen Ereignis sinnvoll sein. Solche frühzeitigen Gespräche können sich bei schweren Traumata anbieten, bei denen der Unterstützungsbedarf groß ist – und zu befürchten ist, dass die Beschwerden ohne psychotherapeutische Behandlung nicht wieder zurückgehen. Sie können auch für Menschen sinnvoll sein, die wiederholt Traumata erleben oder schon früh starke Beschwerden zeigen und bei denen eine akute Belastungsreaktion (umgangssprachlich: „Nervenzusammenbruch“) festgestellt wird. Solche Menschen sind durch das Erlebte beispielsweise sehr verwirrt, verzweifelt, stark verängstigt, manchmal aggressiv, haben körperliche Beschwerden und werden zum Teil von Albträumen geplagt. In einigen Studien wurden ihnen sogenannte Kurzinterventionen angeboten, die sich an der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) orientieren. Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht es vor allem darum, belastende Erlebnisse und Gefühle anders zu deuten und zu bewerten. Die Gespräche umfassten meist etwa 10 bis 15 Therapiestunden.

Was sagen Studien zum Nutzen von kurzen kognitiven Verhaltenstherapien? Einigen Betroffenen kann eine frühzeitige therapeutische Hilfe helfen. In Studien betraf dies vor allem Menschen, die starke Symptome einer akuten Belastungsreaktion zeigten. Die Behandlung konnte bei ihnen einer posttraumatischen Belastungsstörung vorbeugen. Dazu fanden in den ersten Wochen nach dem Ereignis mehrere Treffen mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten statt, bei denen über das Erlebte gesprochen und Bewältigungsstrategien vermittelt wurden. In Studien wurden auch verschiedene Unterstützungsprogramme untersucht, die sich an die kognitive Verhaltenstherapie anlehnen und frühzeitig an traumatisierte Kinder wenden. Beispielsweise an Kinder, die häusliche Gewalt erfahren hatten, sexuell missbraucht worden waren oder Kriegserfahrungen hatten. Studien weisen darauf hin, dass sich solche Programme positiv auf das Familienleben auswirken, Verhaltensproblemen und auch posttraumatischen Belastungsstörungen vorbeugen können. Erstellt am 19. September 2018 Nächste geplante Aktualisierung: 2021

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Quellen Flynn AB, Fothergill KE, Wilcox HC, Coleclough E, Horwitz R, Ruble A et al. Primary Care Interventions to Prevent or Treat Traumatic Stress in Childhood: A Systematic Review. Acad Pediatr 2015; 15(5): 480-492. Frommberger U, Nyberg E, Angenendt J, Lieb K, Berger M. Posttraumatische Belastungsstörungen. In: Berger M (Ed). Psychische Erkrankungen - Klinik und Therapie. München: Urban und Fischer; 2015. Gartlehner G, Forneris CA, Brownley KA, Gaynes BN, Sonis J, Coker-Schwimmer E et al. Interventions for the Prevention of Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) in Adults After Exposure to Psychological Trauma. 04.2013. (AHRQ Comparative Effectiveness Reviews; Band 109). Gillies D, Maiocchi L, Bhandari AP, Taylor F, Gray C, O'Brien L. Psychological therapies for children and adolescents exposed to trauma. Cochrane Database Syst Rev 2016; (10): CD012371. IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen. Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Wir bieten keine individuelle Beratung. Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

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Kurz erklärt Kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine der verbreitetsten und am besten untersuchten Formen von Psychotherapie. Sie kombiniert zwei Therapieansätze: die kognitive Therapie und die Verhaltenstherapie. Welche Behandlungsmethoden eingesetzt werden, hängt davon ab, um welches Problem, welche Erkrankung oder Störung es sich handelt. Die Grundannahme der Therapie ist aber immer dieselbe: Was wir denken, wie wir uns fühlen und uns verhalten, hängt eng miteinander zusammen – und alle diese Faktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden.

Was ist eine kognitive Therapie? Der Begriff „kognitiv" ist vom lateinischen „cognoscere“ abgeleitet und bedeutet „erkennen“. In einer kognitiven Therapie geht es darum, sich über seine Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar zu werden. Das Ziel ist, nicht zutreffende und belastende Überzeugungen aufzudecken und zu verändern. Denn es sind häufig nicht nur die Dinge und Situationen selbst, die Probleme bereiten, sondern auch die Bedeutung, die man ihnen beimisst. Ein belastendes Denkmuster ist es zum Beispiel, aus einem Vorfall sofort negative Schlüsse zu ziehen, sie zu verallgemeinern und auf ähnliche Situationen zu übertragen. Verallgemeinernde Denkmuster werden in der Psychologie als „Übergeneralisierung“ bezeichnet. Ein anderer belastender Denkfehler ist die „Katastrophisierung“: Es geschieht etwas Beunruhigendes, und prompt entstehen übertriebene Schlussfolgerungen über das Ausmaß des vermeintlich drohenden Unglücks. Solche Denkmuster entwickeln sich manchmal zu einer „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ und machen den Betroffenen das Leben schwer. Mithilfe einer kognitiven Therapie kann man jedoch lernen, sie durch realistischere und weniger schädliche Gedanken zu ersetzen. Die KVT hilft dabei, klarer zu denken und die eigenen Gedanken besser zu kontrollieren.

Wie funktioniert eine Verhaltenstherapie? Die Verhaltenstherapie hat ihren Ursprung im Behaviorismus. Diese Theorie geht davon aus, dass menschliches Verhalten (englisch: behavior) erlernt ist und daher auch wieder verlernt oder neu gelernt werden kann. In einer Verhaltenstherapie geht es darum herauszufinden, ob es bestimmte Verhaltensweisen gibt, die einem das Leben erschweren oder Probleme noch verstärken. Im zweiten Schritt wird daran gearbeitet, solche Verhaltensweisen zu ändern.

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Menschen mit depressiven Gedanken neigen zum Beispiel häufig dazu, sich zurückzuziehen und ihren Hobbys nicht mehr nachzugehen. Das führt dazu, dass sie sich noch unglücklicher und isolierter fühlen. In einer Verhaltenstherapie kann dieser Mechanismus erkannt und nach Wegen gesucht werden, um wieder aktiver zu werden. Bei Angststörungen besteht ein Teil der Verhaltenstherapie häufig darin, beruhigende Verhaltensweisen zu erlernen. Zum Beispiel kann man lernen, die eigene Angst durch bewusstes tiefes Ein- und Ausatmen zu verringern, sodass der Körper und die Atmung zur Ruhe kommen. Dabei konzentriert man sich auf die Atmung anstatt auf den Auslöser der Angst. Solche Techniken können dabei helfen, sich zu beruhigen und nicht in die Angst hineinzusteigern. Die meisten Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in KVT ausgebildet sind, bezeichnen sich in Deutschland als Verhaltenstherapeuten.

Welche Denk- und Verhaltensmuster sind schädlich, welche neutral? Schädliche Gedanken oder Verhaltensweisen können dazu führen, dass man sich schlecht fühlt. Ein Beispiel: Man begegnet auf der Straße einem Bekannten und grüßt ihn, aber der Bekannte grüßt nicht zurück. Die eigene Reaktion darauf hängt stark davon ab, wie man die Situation bewertet: Tabelle: Beispiel für schädliche und neutrale Denk- und Verhaltensmuster

Reaktion schädlich Gedanken „Er hat mich ignoriert – er kann mich nicht mehr leiden.“ Gefühle Wer so denkt, fühlt sich niedergeschlagen, traurig und zurückgewiesen. Verhalten Dieser Gedanke hat zur Folge, dass man den Bekannten in Zukunft meidet, obwohl die eigene Vermutung völlig falsch sein könnte.

neutral „Er hat mich gar nicht bemerkt – vielleicht bedrückt ihn etwas. Ich sollte mal wieder bei ihm anrufen und hören, wie es ihm geht.“ Bei diesem Gedanken kommen keine negativen Gefühle auf. Dieser Gedanke führt dazu, dass man mit dem Bekannten Kontakt aufnimmt und nachfragt, ob alles in Ordnung ist.

Was unterscheidet eine KVT von anderen Psychotherapien? Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine problemorientierte Strategie. Es geht darum, an aktuellen Problemen zu arbeiten und Lösungen für sie zu finden. Im Gegensatz zum Beispiel zur Psychoanalyse beschäftigt sie sich wenig mit der Vergangenheit. Ziel der KVT ist vielmehr, die Probleme im Hier und Jetzt anzugehen. Die „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht im Vordergrund: Man soll sein Leben so rasch wie möglich wieder ohne therapeutische Hilfe bewältigen können. Dies bedeutet nicht, dass der Einfluss vergangener Geschehnisse in einer kognitiven Verhaltenstherapie völlig ausgeblendet wird. Es geht aber vor allem darum, aktuell belastende Denkmuster und Verhaltensweisen zu erkennen und zu verändern. In der analytischen Psychotherapie, die ihren Ursprung in der klassischen Psychoanalyse nach Freud hat, werden andere Methoden angewendet. Dabei hilft die Therapeutin oder der Therapeut, Probleme und deren tiefere Ursachen aufzudecken und zu verstehen.

Wann kommt eine KVT infrage? Eine kognitive Verhaltenstherapie wird unter anderem zur Behandlung von Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie Suchterkrankungen eingesetzt. Sie kommt aber auch bei körperlichen

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Erkrankungen wie chronischen Schmerzen, Tinnitus und Rheuma infrage: Sie kann helfen, mit den Beschwerden besser zurechtzukommen. Eine KVT erfordert viel Engagement und Eigeninitiative. Eine Therapie kann nur erfolgreich sein, wenn man aktiv an der Behandlung mitarbeitet und auch zwischen den Sitzungen an den eigenen Problemen arbeitet. Gerade bei schweren Erkrankungen, etwa einer ausgeprägten Depression oder Angststörung, kann dies eine große Herausforderung bedeuten. Manchmal werden daher zunächst Medikamente eingesetzt, um die stärksten Symptome kurzfristig zu lindern und dadurch eine Psychotherapie erst zu ermöglichen. Die Entscheidung für eine bestimmte Art von Psychotherapie hängt auch davon ab, welche Ziele man damit verfolgt. Wenn jemand das Bedürfnis hat, tiefe Einblicke in die Ursachen seiner Probleme zu erhalten, ist eine KVT vermutlich nicht die richtige Wahl. Sie ist besonders dann sinnvoll, wenn jemand zuallererst konkrete Probleme bewältigen möchte und sich erst in zweiter Linie für deren Gründe interessiert.

Wie läuft eine KVT ab und wie lange dauert sie? Bei einer KVT ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Psychotherapeut und Klient wichtig. Manchmal dauert es eine Weile, bis die richtige Therapeutin oder der richtige Therapeut gefunden ist. Im ersten Gespräch stellt man seine aktuellen Probleme kurz vor und äußert Wünsche und Erwartungen an die Therapie. Auf dieser Basis werden die Behandlungsziele und der Therapieplan gemeinsam besprochen. Wenn sich die persönlichen Ziele im Verlauf der Therapie ändern, werden sie entsprechend angepasst. Ein Teil der Therapie besteht oft darin, die eigenen Gedanken über einige Zeit in einem Tagebuch festzuhalten. Dann wird zusammen mit der Therapeutin oder dem Therapeuten geprüft: Schätze ich die Dinge angemessen und realistisch ein? Was geschieht, wenn ich mich in einer bestimmten Situation anders verhalte als sonst? Erreichte Fortschritte und mögliche Probleme kommen regelmäßig zur Sprache. Im Rahmen einer KVT werden auch Entspannungsübungen, Trainings zur Stress- oder Schmerzbewältigung und bestimmte Problemlöse-Strategien angewendet. Im Vergleich zu analytischen Psychotherapien ist die KVT eine kurzzeitige Behandlung. Wie lange eine KVT dauert, lässt sich allerdings nicht pauschal sagen. Manchen Menschen geht es bereits nach wenigen Sitzungen deutlich besser, bei anderen ist eine Behandlung über mehrere Monate nötig. Dies hängt unter anderem von der Art und Schwere der Probleme ab. Ein Einzelgespräch dauert ungefähr eine Stunde. Die Sitzungen finden üblicherweise einmal pro Woche statt. Kognitive Verhaltenstherapien werden in therapeutischen Praxen, Kliniken und Reha-Einrichtungen angeboten, teilweise auch als Gruppentherapie.

Kann eine KVT auch unerwünschte Wirkungen haben? Es ist nicht auszuschließen, dass eine Psychotherapie unerwünschte Wirkungen hat: So kann eine direkte Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen oder Ängsten zunächst sehr belastend sein oder dazu führen, dass sich persönliche Beziehungen vielleicht verschlechtern. Wichtig ist, mit der Psychotherapeutin oder dem Psychotherapeuten offen darüber zu sprechen, wenn während der Therapie Schwierigkeiten auftreten. Wissenschaftlich sind unerwünschte Wirkungen von Psychotherapien bislang kaum untersucht.

Wer trägt die Kosten?

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Bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen und Suchterkrankungen wird eine kognitive Verhaltenstherapie von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Auch wenn Beschwerden infolge einer chronischen Erkrankung zu einem erheblichen Leidensdruck führen, kann eine KVT bezahlt werden. Es kann jedoch einige Wochen oder Monate dauern, bis man einen Therapieplatz bekommt oder bis die Krankenkasse die Behandlung genehmigt. Eine psychotherapeutische Praxis kann zunächst bis zu fünf probatorische Sitzungen (Probesitzungen) mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen. Das ermöglicht es Psychotherapeuten und Klienten, sich kennenzulernen und festzustellen, welche Probleme vorliegen und ob eine Therapie sinnvoll ist. Nach den probatorischen Sitzungen muss gemeinsam ein Antrag für die gesetzliche Krankenkasse vorbereitet werden, der begründet, warum eine Therapie erforderlich ist. Diesen Antrag muss der Klient vor Therapiebeginn bei seiner Krankenkasse einreichen. Neben dem Therapieantrag verlangt die Krankenkasse einen (haus-)ärztlichen Bericht, aus dem hervorgeht, dass die vorliegenden Beschwerden nicht körperlich bedingt sind und keine medizinischen Gründe gegen eine Psychotherapie sprechen. Die gesetzliche Krankenkasse entscheidet dann auf der Grundlage eines Gutachtens, ob eine Therapie bewilligt wird. Aktualisiert am 5. September 2016 Erstellt am 7. August 2013 Nächste geplante Aktualisierung: 2019

Wege zur Psychotherapie: Wo gibt es Hilfe? Bei körperlichen Krankheiten ist es für die meisten Menschen einfach, die richtige Ärztin oder den richtigen Arzt zu finden. Bei seelischen Problemen oder Erkrankungen wissen viele jedoch nicht, an wen sie sich wenden sollen. Hinzu kommen häufig Vorbehalte, über psychische Erkrankungen zu sprechen. Unsere Information hilft, sich im Begriffsdschungel des Gesundheitssystems zurechtzufinden. Sie zeigt unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten, erklärt, wer wann der richtige Ansprechpartner ist und beantwortet praktische Fragen, die sich vielleicht stellen, wenn eine Psychotherapie sinnvoll erscheint.

An wen kann ich mich bei psychischen Problemen zuerst wenden? Für viele Menschen sind Freunde und Angehörige erste Ansprechpartner, wenn es ihnen nicht gut geht. Wer wegen psychischer Probleme professionelle Hilfe benötigt, kann sich zunächst an die Hausärztin oder den Hausarzt wenden, an eine psychosoziale Beratungsstelle oder direkt an eine psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis. In Notfällen stehen auch psychiatrische Praxen mit Notfalldienst oder psychiatrische Kliniken zur Verfügung. Psychosoziale Beratungsstellen sind zum Beispiel Familien-, Frauen-, Erziehungs-, Lebens- oder Suchtberatungsstellen. Dort arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen wie Ärzte, (Sozial-)Pädagogen, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter oder auch speziell geschulte Pflegekräfte zusammen, um Ratsuchenden bei ihren Problemen zu helfen. Die Beratungsstellen werden in der Regel durch ihren Träger, durch Fördermittel und über Spenden finanziert. Sie bieten selbst keine Therapien an, können aber beraten, über Unterstützungsmöglichkeiten informieren und sie vermitteln. Eine weitere Anlaufstelle sind die Sozialpsychiatrischen Dienste. Sie sind bei den Gesundheitsämtern angesiedelt und können kostenlos in Anspruch genommen werden. Sie betreuen und begleiten vor allem Menschen mit behandlungsbedürftigen akuten oder chronischen psychischen Erkrankungen. Auch in den Sozialpsychiatrischen Diensten beraten und unterstützen Teams aus Medizin und Pflege, Psychotherapie und Sozialpädagogik. Die Fachkräfte bieten in der Regel selbst keine Therapien an, können jedoch feststellen, ob jemand eine behandlungsbedürftige Erkrankung hat. Sie begleiten auch Menschen, die gerade eine Therapie machen oder einen Klinikaufenthalt hinter sich haben, um ihnen zusätzliche

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Unterstützung zu geben. Angehörige, Freunde und Kollegen können sich ebenfalls an den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass jemand in ihrer Umgebung Hilfe benötigt. Die Sozialpsychiatrischen Dienste bieten bei Bedarf auch Hausbesuche an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Sozialpsychiatrischen Diensten und psychosozialen Beratungsstellen unterliegen wie Therapeutinnen und Therapeuten der Schweigepflicht.

Was ist eine Psychotherapie und wann kommt sie infrage? Wer den Begriff „Psychotherapie“ hört, denkt vielleicht als erstes daran, wie jemand auf einer Couch liegt und von seiner Kindheit erzählt, während die Therapeutin oder der Therapeut im Sessel daneben sitzt und zuhört. Dieses Bild wird uns häufig in Filmen oder anderen Medien vermittelt, wenn es um Psychotherapie geht. Doch es gibt viele Arten von Psychotherapien, die mit ganz unterschiedlichen Ansätzen arbeiten. Die am häufigsten eingesetzten Verfahren sind die Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Alle Psychotherapien haben das Ziel, die mit der psychischen Erkrankung verbundenen Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Welches der verschiedenen Verfahren infrage kommt, hängt unter anderem von der Störung oder Erkrankung, aber auch von den Vorlieben und persönlichen Zielen des Menschen ab, der eine Therapie benötigt. Zu den psychischen Störungen und Erkrankungen, die häufig mit einer Psychotherapie behandelt werden, gehören zum Beispiel Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen. Psychotherapien kommen übrigens nicht nur bei seelischen Erkrankungen infrage: Sie werden auch eingesetzt, um bei der Bewältigung von chronischen körperlichen Erkrankungen zu helfen. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können eine Behandlung auch ablehnen, wenn aus ihrer Sicht keine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt oder eine Psychotherapie nicht geeignet erscheint.

Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten – wer ist wer? Im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung gibt es in Deutschland verschiedene, zum Teil verwirrende Berufsbezeichnungen – sich hier zurechtzufinden, ist nicht ganz einfach. Viele Menschen setzen zum Beispiel Psychotherapeuten mit Psychologen gleich. Wer ein Psychologiestudium abgeschlossen hat, darf aber nicht automatisch therapeutisch tätig werden. Dazu müssen Psychologinnen und Psychologen zunächst eine mehrjährige, praktisch orientierte Psychotherapie-Ausbildung machen, die mit einer staatlichen Prüfung abschließt. Hier ein Überblick über die verschiedenen Berufsgruppen und -bezeichnungen:  Psychologische Psychotherapeuten: Psychologinnen und Psychologen mit Psychotherapie-Ausbildung. Sie behandeln zum Beispiel in einer psychotherapeutischen Praxis Menschen mit Angststörungen, Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen. Im Gegensatz zu ärztlichen Psychotherapeuten dürfen sie keine Medikamente verschreiben.  Ärztliche Psychotherapeuten (auch psychotherapeutisch tätige Ärztinnen und Ärzte genannt): Sie müssen ebenfalls eine Zusatzqualifikation in Psychotherapie oder eine entsprechende Facharztausbildung absolvieren, bevor sie als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut arbeiten dürfen. Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Weiterbildungsordnungen. Die meisten ärztlichen Psychotherapeuten haben eine Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie abgeschlossen.  Psychiater: Diese Fachärztinnen und -ärzte behandeln insbesondere solche psychischen Erkrankungen, bei denen die medikamentöse Therapie eine wichtige Rolle spielt, wie zum Beispiel Schizophrenien oder

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schwere Depressionen. Da Psychiaterinnen und Psychiater auch psychotherapeutische Verfahren anwenden können, ist es schwierig, die Fachgebiete Psychiatrie und ärztliche Psychotherapie genau zu trennen. Früher nannten sich Psychiater auch „Facharzt für Nervenheilkunde“. Diesen Abschluss, der keine spezielle psychotherapeutische Ausbildung beinhaltet hat, gibt es heute aber nicht mehr.  Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie: Ärztinnen oder Ärzte mit dieser Weiterbildung behandeln vor allem körperliche Beschwerden, die vermutlich durch psychische Probleme ausgelöst werden oder mitbedingt sind.  Fachgebundene ärztliche Psychotherapeuten: Diese psychotherapeutisch qualifizierten Ärztinnen und Ärzte behandeln ausschließlich psychische Erkrankungen oder Probleme, die mit ihrem eigenen Fachgebiet zu tun haben. Das können etwa Frauenärztinnen oder -ärzte sein, die zum Beispiel Frauen mit Brustkrebs eine unterstützende Psychotherapie anbieten.

Worin unterscheiden sich ärztliche und psychologische Psychotherapeuten? Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Berufen besteht darin, dass ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auch Medikamente zur Behandlung von psychischen Erkrankungen (Psychopharmaka) verschreiben können. Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten arbeiten hingegen ausschließlich mit Gesprächen, psychologischen Verfahren, Entspannungstechniken und anderen nicht medikamentösen Methoden. Wer eine Therapie bei einer Psychologin oder einem Psychologen macht und ergänzend Medikamente benötigt, kann sie sich von einer Ärztin oder einem Arzt verschreiben lassen. Im Idealfall arbeiten ärztliche und psychologische Psychotherapeuten eng zusammen. Die meisten ärztlichen Psychotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten mit tiefenpsychologischen oder analytischen Behandlungsverfahren. Vergleichsweise wenige sind Verhaltenstherapeuten, auch wenn ihr Anteil steigt. Etwa die Hälfte der psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist in Verhaltenstherapie, die andere Hälfte in tiefenpsychologischen Verfahren ausgebildet.

Gibt es speziell für Kinder ausgebildete Psychotherapeuten und Psychiater? Psychische Erkrankungen, die im Kindes- und Jugendalter auftreten, unterscheiden sich teilweise von denen Erwachsener. Auch ihre Behandlung verläuft manchmal anders. Daher gibt es Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die sich auf die Probleme von Heranwachsenden spezialisiert haben. Neben Psychologen können sich auch (Sozial-)Pädagogen zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche weiterbilden lassen. Ärztinnen und Ärzte können sich auf Psychotherapie oder Psychiatrie für Heranwachsende spezialisieren, indem sie eine Facharztausbildung für Kinder- und Jugendlichen-Psychiatrie und -Psychotherapie absolvieren. Auch ärztliche Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendärzte können eine Zusatzqualifikation für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen erwerben.

Wie finde ich einen Psychotherapeuten oder Psychiater? Unterschiedliche Einrichtungen helfen bei der Suche nach einer Psychotherapeutin oder Psychiater, zum Beispiel:    

Krankenkassen, psychosoziale Beratungsstellen, die Psychotherapeuten- und Ärztekammern der einzelnen Bundesländer und Sozialpsychiatrische Dienste.

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Möglichkeiten zur eigenen Suche bietet neben dem Telefonbuch natürlich das Internet: Hier bieten zum Beispiel die Kassenärztlichen Vereinigungen eine Ärzte- und Psychotherapeutensuche an. Auch die meisten Psychotherapeutenkammern bieten einen entsprechenden Service. Wer sich für ein bestimmtes Verfahren interessiert oder mehr über die Therapeutin oder den Therapeuten selbst wissen möchte, braucht sich nicht zu scheuen, in der Praxis nachzufragen: zum Beispiel wie lange sie oder er schon im Beruf arbeitet und mit welchen Schwerpunkten. Vor der Entscheidung für eine Therapie genau nachzufragen, ist völlig normal und wichtig – schließlich müssen Therapeut und Patient sehr eng und auf sehr persönlicher Ebene zusammenarbeiten. Weitere Fragen an die Behandelnden könnten sein: Haben Sie Erfahrung mit Menschen, die eine ähnliche Erkrankung haben wie ich? Welche Psychotherapie oder welche Medikamente können bei meiner Erkrankung helfen? Welche möglichen Nebenwirkungen haben die Therapien? Wie lange dauern die Psychotherapieverfahren, die infrage kommen, und wie oft sind dafür Praxisbesuche nötig?  Was passiert, wenn ich mich nicht behandeln lasse? Reicht es aus, wenn ich mir anderweitig Hilfe hole, zum Beispiel bei einer psychosozialen Beratungsstelle?    

Kann ich die Therapeutin oder den Therapeuten wechseln? Ein vertrauensvolles Verhältnis zur Psychotherapeutin oder zum Psychotherapeuten ist eine notwendige Voraussetzung für eine Psychotherapie. Es ist wichtig und muss möglich sein, völlig offen über Probleme und Schwierigkeiten reden zu können. Nicht alle Menschen finden auf Anhieb jemanden, bei dem sie sich gut aufgehoben fühlen. Deshalb können auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse bis zu vier Probesitzungen in einer psychotherapeutischen Praxis in Anspruch genommen werden („probatorische Sitzungen“). Während der probatorischen Sitzungen zeigt sich in der Regel schon, ob man mit der Therapeutin oder dem Therapeuten zusammenarbeiten möchte. Andernfalls ist es möglich, in einer anderen Praxis weitere Probesitzungen in Anspruch zu nehmen. Erst wenn die Entscheidung gefallen ist, muss der Therapeut bei der Krankenkasse des Klienten einen Antrag auf eine Therapie stellen. Auch wenn sich im Laufe der Therapie herausstellt, dass es mit dem ausgewählten Therapeuten doch nicht so gut klappt, besteht die Möglichkeit, die Therapie in einer anderen Praxis fortzusetzen. Ob dann ein neuer Therapieantrag gestellt werden muss, ist mit der Krankenkasse zu klären.

Wie beantrage ich eine Psychotherapie bei meiner Krankenkasse? Nach den probatorischen Sitzungen muss der Therapie-Antrag gemeinsam vorbereitet werden. Der Therapeut muss darin begründen, warum eine Therapie erforderlich ist. Neben dem Therapieantrag verlangt die gesetzliche Krankenkasse einen ärztlichen Bericht. Dieser kann von einer praktischen Ärztin oder einem praktischen Arzt nach einer allgemeinen Untersuchung erstellt werden. Der Bericht soll sicherstellen, dass körperliche Ursachen der Beschwerden ausgeschlossen werden und keine Gründe gegen eine Psychotherapie sprechen. Der Therapieantrag muss zusammen mit dem ärztlichen Bericht vor Beginn der eigentlichen Therapie bei der gesetzlichen Krankenkasse eingereicht werden. Die gesetzliche Krankenkasse entscheidet auf der Grundlage eines Gutachtens, ob eine Therapie bewilligt wird. Eine Gutachterin oder ein Gutachter mit spezieller Ausbildung prüft auf Grundlage des Antrags und

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des ärztlichen Berichts, die ihm anonymisiert zur Verfügung gestellt werden, ob eine Psychotherapie sinnvoll erscheint. Ist dies der Fall, werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Eine Ausnahme ist die Kurzzeittherapie: Zur Bewilligung dieser Therapieform, die nur wenige Sitzungen erfordert, ist kein Gutachten nötig. Die Krankenkasse erhält vom Gutachter nur Informationen, die für die Abrechnung der Therapie relevant sind. Unter welchen Voraussetzungen private Kassen eine Psychotherapie übernehmen, ist unterschiedlich. Privat Versicherte fragen am besten direkt bei ihrer Versicherung nach dem dort üblichen Verfahren.

Welche Psychotherapien werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen? Grundsätzlich bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen eine Psychotherapie bei allen psychischen Erkrankungen und Störungen, die als behandlungsbedürftig gelten. Auch wenn eine körperliche Erkrankung zu einem erheblichen Leidensdruck führt, wie zum Beispiel ein Tinnitus oder Krebserkrankungen, die häufig von Depressionen begleitet werden, können die Kosten für eine Psychotherapie übernommen werden. Die gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlen jedoch nicht jede Form der Psychotherapie. Von den Kassen anerkannte Verfahren sind derzeit drei Psychotherapien:  die analytische Psychotherapie,  die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und  die Verhaltenstherapie.

Innerhalb dieser drei Verfahren kann jedoch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Methoden angewendet werden.

Wie lange muss ich auf einen Therapieplatz warten? Es kann einige Wochen bis Monate dauern, bis man einen Therapieplatz in einer psychotherapeutischen Praxis bekommt. Ein Termin für ein Erstgespräch, in dem festgestellt wird, ob eine psychische Erkrankung vorliegt, lässt sich jedoch häufig kurzfristiger vereinbaren. In dringenden Fällen stehen der Sozialpsychiatrische Dienst, eine psychosoziale Beratungsstelle, eine psychiatrische Praxis mit Notfalldienst oder ein psychiatrisches Krankenhaus zur Verfügung.

Wie lange dauert eine Psychotherapie? Wie lange eine Psychotherapie dauert, hängt von der Art und Schwere der Erkrankung und vom eingesetzten Therapieverfahren ab. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen im Rahmen einer Verhaltenstherapie bis zu 80 Therapiestunden, bei einer tiefenpsychologischen Psychotherapie bis zu 100 Therapiestunden und bei analytischen Psychotherapien bis zu 300 Therapiestunden. Im Einzelfall können die Kosten auch darüber hinaus übernommen werden. Im Rahmen von Gruppenbehandlungen sind auch Doppelstunden möglich. Dass eine Verhaltenstherapie in aller Regel weniger lange dauert als eine analytische Psychotherapie, liegt daran, dass die VT ein eher praktisch orientiertes Verfahren ist, bei dem es vor allem um die konkrete Lösung von Problemen geht. Dagegen hat die analytische Psychotherapie das Ziel, ein tieferes Verständnis für die eigenen Probleme und lebensgeschichtlichen Zusammenhänge zu entwickeln.

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Müssen Therapeutinnen und Therapeuten Vertraulichkeit gewährleisten? Genauso wie Ärzte und Pflegekräfte unterliegen auch Psychotherapeutinnen und -therapeuten einer Schweigepflicht. Sie sind zur Verschwiegenheit über alles verpflichtet, was ihnen von ihren Klientinnen und Klienten im Rahmen einer Psychotherapie anvertraut wird. Einem Psychotherapeuten ist es nur dann erlaubt, Informationen weiterzugeben, wenn der Klient vorher schriftlich eingewilligt hat. Sie dürfen auch keine Sitzungen oder Telefongespräche aufzeichnen, wenn der Klient nicht zugestimmt hat. Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind genauso wie Ärztinnen und Ärzte dazu verpflichtet, ihre Behandlungen schriftlich zu dokumentieren.

Was kann ich tun, wenn es mir schwerfällt, bei psychischen Problemen Hilfe zu suchen? Manchen Menschen fällt es schwer, wegen ihrer Probleme eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Das kann unterschiedliche Gründe haben: Einige haben Angst davor, als psychisch krank bezeichnet zu werden oder sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, was bei einer Psychotherapie passiert. Andere haben Zweifel, ob ihnen auf diese Weise tatsächlich geholfen werden kann. Allerdings berichten Menschen nach dem Beginn oder Abschluss einer Therapie häufig, dass sie sich lieber schon früher Hilfe gesucht hätten. Es ist nicht einfach, die eigenen Gedanken und Verhaltensweisen zu hinterfragen und zu ändern – es kann sogar sehr anstrengend und fordernd sein. Die Anstrengung lohnt sich aber sehr oft: Eine Depression, Zwangs- oder Angststörung erfolgreich zu bewältigen, verbessert die Lebensqualität erheblich. Wem es schwerfällt, zu einer Therapie zu gehen, könnte  sich als erstes bei einem Spaziergang das Haus anschauen, in dem die Praxis untergebracht ist – oft ist ein erster Eindruck von der Umgebung hilfreich.  anonym mit der Praxis telefonieren und sich über den möglichen Ablauf einer Behandlung informieren.  sich in einem weiter entfernten Ort eine Praxis suchen.  zum ersten Gespräch einen Familienangehörigen, einen Freund oder eine Freundin mitbringen.  mit anderen sprechen, die schon mal eine Psychotherapie in Anspruch genommen haben, zum Beispiel über eine Selbsthilfegruppe.

Aktualisiert am 23. Dezember 2016 Erstellt am 23. April 2006 Nächste geplante Aktualisierung: 2019

Wie finde ich Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen? In Deutschland gibt es auch über Praxen und Kliniken hinaus ein breites Angebot zur persönlichen Beratung und Unterstützung im Krankheitsfall. Viele dieser Angebote sind aber vor Ort unterschiedlich organisiert und nicht immer direkt zu finden. Wir haben deshalb eine Liste von Anlaufstellen zusammengestellt, die helfen, Angebote vor Ort zu finden und zu nutzen.

Patientenrechte Vor jeder Behandlung haben Patientinnen und Patienten das Recht, sich ausführlich und verständlich über Vor- und Nachteile und über Alternativen aufklären zu lassen. Diese Rechte sind im deutschen Patientenrechtegesetz verankert.

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Selbsthilfegruppen In Selbsthilfegruppen lassen sich Kontakte zu anderen Menschen knüpfen, die die mit einer Erkrankung verbundenen Beschwerden, Gefühle und praktische Probleme kennen. Dort ist es möglich, sich über Themen auszutauschen, die vielleicht mit nicht erkrankten Menschen schwierig zu besprechen sind. Das kann eine große Entlastung sein. Tipps und Erfahrungen mit ebenfalls Betroffenen auszutauschen, ist die Kernidee der Selbsthilfe. Daneben gibt es zahlreiche weitere Angebote von Selbsthilfe-Organisationen. Dies können zum Beispiel Sportangebote, Veranstaltungen und Broschüren zu unterschiedlichen Themen, Hilfe bei sozialrechtlichen Fragen und nicht zuletzt auch die sozial- und gesundheitspolitische Interessenvertretung sein. Eine Selbsthilfegruppe ist idealerweise unabhängig und vertritt nur die Interessen ihrer Mitglieder. Folgende Patienten- und Selbsthilfeorganisationen sind in Deutschland gesetzlich als Vertretung von Patientinnen- und Patienteninteressen anerkannt. Wer Beratungs- oder Kontaktadressen sucht, findet auf den Webseiten dieser Organisationen weiterführende Hilfe:    

Deutscher Behindertenrat (DBR) BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP) Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.

Bei der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) kann online bundesweit nach einer passenden Selbsthilfeadresse gesucht werden. NAKOS bietet zudem neben anderen Angeboten eine Telefonhotline für Fragen zu Selbsthilfegruppen unter der Telefonnummer 030 / 31 01 89 60 an.

Die Unabhängige Patientenberatung Als zentrale Anlaufstelle steht ebenfalls die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) zur Verfügung. Die UPD berät kostenlos auch in sozialrechtlichen Fragen. Zur UPD lässt sich per E-Mail oder telefonisch Kontakt aufnehmen. Auf der Webseite der UPD findet sich auch ein Verzeichnis lokaler Beratungsstellen.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet zu verschiedenen Themen neben Internet-Informationen auch eine anonyme telefonische Beratung an. Eine Datenbank enthält Adressen von Beratungsstellen.

Was hab´ ich? „Was hab’ ich?“ bietet Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, Befunde und Arztbriefe einzusenden. Fachbegriffe werden dann ehrenamtlich von Medizinstudierenden und Ärzten in eine verständliche Erklärung "übersetzt". Dieser Service ist kostenlos.

Die Verbraucherzentralen der Bundesländer

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Auch in den einzelnen Bundesländern gibt es Verbraucherzentralen, die persönliche Beratung anbieten. Die Landes-Verbraucherzentralen haben unter Umständen eigene Schwerpunkte, zum Beispiel zu Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Zahnmedizin.

Weitere Beratungsangebote Darüber hinaus bieten folgende Stellen entweder selbst Beratung an oder kennen die lokalen Beratungsangebote:     

Krankenkassen und -versicherungen Rentenversicherung Gesundheitsämter (psycho-)soziale Beratungsstellen (Ansprechpartner nennen Sozial- und Gesundheitsämter) Patientenberatungsstellen der Zahnärzteschaft

Die Patientenbeauftragten Die Bundesregierung hat 2004 das Amt eines Patientenbeauftragten eingeführt. Die beauftragte Person soll in unabhängiger und beratender Funktion darauf hinwirken, dass die Belange der Patienten in allen relevanten gesellschaftlichen Bereichen beachtet werden. Die Geschäftsstelle ist in Berlin, auch Kontakt per Email und Telefon ist möglich. Auch die folgenden Landesregierungen haben Patientenbeauftragte eingesetzt:  Bayern  Berlin  Nordrhein-Westfalen

Der ThemenCheck Medizin Auf der IQWiG-Plattform „ThemenCheck Medizin“ können Bürgerinnen und Bürger Forschungsfragen stellen. Fachleute werten dann das Wissen zu ausgewählten Themen aus. Die Ergebnisse sollen in künftige Entscheidungen über die Gesundheitsversorgung einfließen. Aktualisiert am 4. April 2017 Erstellt am 27. Oktober 2013 Nächste geplante Aktualisierung: 2020 Schlagwörter: Belastungsstörung, F43, Posttraumatische Belastungsstörung, Psyche und Gemüt, Trauma

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Glossar ambulant Ambulant ist jede Behandlung, für die ein Patient nicht im Krankenhaus übernachten muss. Bei ambulanten Operationen kann der Patient unmittelbar oder wenige Stunden nach der Operation wieder nach Hause. Ärzte führen ambulante Behandlungen sowohl in Praxen als auch in Kliniken durch. Das Gegenteil von ambulant ist stationär.

Antidepressiva Antidepressiva sind Arzneimittel, mit denen eine Depression behandelt wird. Sie heben die Stimmung, wirken aber unterschiedlich auf den Antrieb, die Motivation und die Lust, etwas zu unternehmen. Manche Antidepressiva steigern den Antrieb, manche dämpfen ihn eher, und andere verändern ihn nicht. Eine Therapie mit Antidepressiva dauert in der Regel viele Monate; die Wirkung setzt erst nach Tagen oder Wochen ein. Es gibt verschiedene Wirkstoffklassen.

autogenes Training Das autogene Training (auto, griech. = selbst; gen, lat. = erzeugen) ist eine Technik, die zu körperlicher und seelischer Entspannung durch eine Art Selbsthypnose führen soll. Wer sich mit dieser Methode entspannt, nimmt zunächst eine bequeme sitzende oder liegende Haltung ein. Danach versucht man durch kurze Formeln, die man sich im Geiste vorsagt, verschiedene Körperstellen wahrzunehmen und ein intensives Gefühl von Schwere, Wärme, Kühle und Ruhe hervorzurufen. Solche Formeln sind etwa "Meine Arme sind schwer.", "Mein Herz schlägt langsam und gleichmäßig." oder "Ich bin ganz ruhig, gelöst und entspannt."

Benzodiazepine Benzodiazepine sind eine große Gruppe von auf die Psyche wirkenden Medikamenten, die beruhigend, Angst mindernd und krampflösend wirken. Sie werden als Schlaf- und Beruhigungsmittel eingesetzt. Die Wirkungsdauer reicht von einigen Stunden bis zu einigen Tagen. Einer ihrer großen Nachteile ist, dass sie schon nach vergleichsweise kurzer Anwendungszeit süchtig machen können.

Debriefing Debriefing (engl.) bedeutet Nachbesprechung und ist eine spezielle Methode der Notfallpsychologie. Kurz nach einem möglicherweise traumatischen Erlebnis bieten psychosozial geschulte Fachkräfte Betroffenen eine Nachbesprechung an. Darin fragen sie gezielt nach dem Erlebten und den damit verbundenen Gedanken und Gefühlen.

Depression Eine Depression ist eine häufig vorkommende Erkrankung der Psyche, die leicht, moderat oder sehr ernsthaft sein kann. Es gibt verschiedene Arten von Depressionen, die an unterschiedlichen Anzeichen erkannt werden können. Welche Symptome im Einzelnen auftreten und wie häufig und stark sie sind, ist von Person zu Person und innerhalb der einzelnen Altersgruppen unterschiedlich. An Depressionen können Menschen aus allen sozialen Schichten, aus sämtlichen Altersgruppen sowie beiderlei Geschlechts

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erkranken. Wenn mehrere typische Anzeichen wie tiefe Traurigkeit, Lustlosigkeit oder Interesselosigkeit länger als zwei Wochen anhalten, kann sich eine Depression entwickelt haben.

Diagnose Mit dem Begriff Diagnose (diagnosis, griech. = Erkenntnis, Urteil) ist das Feststellen und Benennen einer Erkrankung gemeint. Die Diagnose sollte unter anderem anhand der Vorgeschichte, der vorhandenen Beschwerden und der Untersuchungsergebnisse gestellt werden. Zu den Untersuchungen gehören sowohl eine eingehende körperliche Untersuchung als auch beispielsweise die Bestimmung von Blutwerten oder apparative Untersuchungen wie Ultraschall oder Röntgen.

Erste Hilfe Als Erste Hilfe werden Maßnahmen bezeichnet, die Laien oder medizinisch Geschulte in Notfallsituationen wie Unfällen, Schockzuständen, Vergiftungen oder akuten Erkrankungen mit Bewusstlosigkeit einleiten oder selbst ergreifen. Ziel ist, die hilfsbedürftigen Personen außer Lebensgefahr zu bringen, ihren Zustand stabil zu halten und weiteren Komplikationen vorzubeugen. Ein wesentlicher Bestandteil der Ersten Hilfe ist, die Notrufnummer 112 anzurufen. Je nach Situation können zusätzlich bestimmte Lagerungen, Verbände oder Wiederbelebungsmaßnahmen notwendig sein.

Herzinfarkt Myokardinfarkt Bei einem Herzinfarkt (Myokardinfarkt) wird ein Teil des Herzens plötzlich nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, sodass es zu dauerhaften Schäden am Herzmuskelgewebe kommen kann. Ursache eines Myokardinfarkts (myokard, griech. = Herzmuskel) ist in der Mehrzahl der Fälle ein kleines Blutgerinnsel, das eines oder mehrere Herzkranzgefäße verschließt. Plötzlich auftretende starke Schmerzen in der Brustgegend, die oft in den linken Arm, den Oberbauch und den Unterkiefer ausstrahlen, Übelkeit, Kreislaufprobleme bis hin zum Kollaps, Todesangst und Luftnot sind typische Zeichen für einen Herzinfarkt. Aber auch andere, weniger typische Krankheitszeichen wie Bauch- oder Rückenschmerzen können auf einen Herzinfarkt hinweisen.

kognitive Verhaltenstherapie Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Behandlungsform der Psychotherapie. Ein wesentliches Ziel dieser Therapieform besteht darin, den Patientinnen und Patienten eine andere Sichtweise zu vermitteln, sie beispielsweise darauf hinzuweisen, wo ihnen vielleicht Denkfehler unterlaufen oder wo falsche Vorstellungen zu Erkrankungen beitragen. Kognitive Verhaltenstherapie kann dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten lernen, ihre Situation anders einzuschätzen, und so ihre Symptome als weniger quälend erleben, ihr Verhalten ändern und insgesamt an Lebensqualität gewinnen.

Sepsis Bei einer Sepsis werden Krankheitserreger, meist Bakterien, von einem lokalen Entzündungsherd wie etwa einer Verletzung über die Blutbahnen gestreut. So lösen sie im ganzen Körper eine Infektion aus. Eine Sepsis geht unter anderem mit hohem Fieber, Schüttelfrost und allgemeinem Schwächegefühl einher. In der Folge kann es zum Ausfall von Organen kommen. Ohne Behandlung ist eine Sepsis – umgangssprachlich auch Blutvergiftung genannt – lebensgefährlich.

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Therapie Als Therapie (therapeia, griech. = Pflege, Heilung) wird in der Medizin die Behandlung von Krankheiten, einzelnen Beschwerden oder Verletzungen bezeichnet. Genauer sind damit die einzelnen Maßnahmen zur Behandlung einer Erkrankung gemeint. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise eine Änderung der Ernährungsweise, die Einnahme von Medikamenten, Operationen oder Krankengymnastik. Das Ziel einer Therapie ist Heilung oder zumindest eine Verbesserung der Beschwerden.

Verhaltenstherapie Die Verhaltenstherapie (VT) ist ein psychotherapeutisches Verfahren, bei dem es vor allem um die konkrete Lösung von Problemen geht. Sie geht davon aus, dass Verhaltensweisen erlernt und auch wieder verlernt werden können. Indem man an bestehenden Verhaltensmustern arbeitet und sie ändert, versucht man, seelische und soziale Probleme zu lindern und zu beheben. Die Verhaltenstherapie wird häufig bei Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen eingesetzt.

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