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hüter des schatzes

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der gute ton

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45 Jahre SpitzenklangDas älteste Kunstgewerbemuseum Baden-Württembergs hat seit Juli 2019 mit Dr. Max Tillmann eine neue Leitung. Der ausgewiesene Kunstexperte über seine Pläne zur konzeptionellen Weiterentwicklung der traditionsreichen Gmünder Kulturinstitution, die 2026 ihr 150-jähriges Jubiläum feiern wird.

»Es ist meine innerste Überzeugung, dass die Errichtung einer Vorbildersammlung (nach dem Beispiel des Kensington-Museums) gewiss für den hiesigen Platz von Vorteil wäre, und dass bei richtiger Pflege des guten Geschmacks seinerzeit Gmünd eine hervorragende Stelle in der Gesamt-Industrie sich erwerben und erhalten wird.« m it diesen Zeilen und dem Verweis auf das später in »Victoria and Albert Museum« umbenannte »South Kensington Museum« gab der Unternehmer Hermann Bauer 1874 den geistigen Impuls zur Einrichtung eines Museums, das zwei Jahre später als »Fachmuseum der Edelmetallindustrie« aus den Reihen der Fabrikanten als erstes seiner Art in Baden-Württemberg gegründet wurde. Unter den sechs Gründungsmitgliedern war auch der kunstsinnige und weitgereiste Fabrikant Julius Erhard, der neben Produkten seiner Firma auch seine privaten Kunstsammlungen dem neuen Museum stiftete und damit für einen vielschichtigen Grundstock der »Vorbildersammlung«, bestehend aus Dokumenten, Zeichnungen, Grafik, Fotografie, Malerei, Skulptur, Kunstgewerbe, Gebrauchsgerät und Mobiliar, gesorgt hat. Dieser Blick in die Gründungsgeschichte des Gmünder Museums war für dessen neuen Leiter Dr. Max Tillmann besonders inspirierend. »Diese Aufbruchstimmung, die Vision und der Pioniergeist der Museumsbegründer, die durch enge personelle Verbindungen zwischen Gewerbeschule, den Gewerbeunternehmen und dem Gewerbemuseum viele Jahrzehnte Bestand haben sollte, kann für die weiteren Planungen und Perspektiven des Museums – besonders auch im Hinblick auf das 150-jährige Jubiläum 2026 – beflügeln und inhaltlich Richtung geben«, ist sich Max Tillmann sicher. Der Experte in Sachen Alter Kunst, der in den letzten 15 Jahren u.a. bei der bayrischen Schlösserverwaltung, an der staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe und bei der Internationalen Galerie Röbich in München tätig war, ist in Schwäbisch Gmünd »sehr offen empfangen« worden. Er hatte, da seine Wahl zum Jahreswechsel 2018/19 bereits feststand, bis zu seinem Amtsantritt am 1. Juli 2019 ausreichend Zeit, sich einen Überblick über die Sammlung zu verschaffen und sich inhaltlich intensiv damit auseinanderzusetzen. »Dabei war mir das Museumsteam, insbesondere meine Vorgängerin Frau Dr. Boosen, mit ihrer fachlichen Expertise und ihrem enormen Wissen über die Museumsbestände, eine große Unterstützung«, unterstreicht der neue Museumsleiter.

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In dem knappen Jahr, in dem Max Tillmann nun die Leitung des Gmünder Museums, der Galerie im Prediger und des Silberwarenmuseums Ott-Pausersche Fabrik inne hat, hat er vier Kernpunkte für seine künftige Arbeit festgelegt, an denen er und sein Team kontinuierlich arbeiten wollen: 1. Die Weiterentwicklung der Sammlung, 2. die Forschung, 3. die Pflege und 4. die Vermittlung derselben. »Der Pilot für das ›erweiterte Führungswesen‹, sprich: Ver-

mittlung, das auch die sozialen Medien miteinbezieht, wird die Sonderausstellung ›THE LAST UNICORN. Das Einhorn im Spiegel der Popkultur‹ sein (bis 10. Januar 2021) – die hier gewonnen Erfahrungen und Erkenntnisse werden wir nach und nach auch auf die Dauerausstellung übertragen«, so Max Tillmann. »Forschung und Pflege hängen bei der Museumsarbeit natürlich eng zusammen. Um die räumliche Situation der Magazine und Depots und die konservatorisch-restauratorische Betreuung der Materialgruppen ist es leider nicht gut bestellt! Nur ein Beispiel: Unsere in ihrer Geschlossenheit einzigartige, historische Kunstbibliothek, ein kostbarer Schatz aus kunstgewerblichen Zeitschriften sowie von Büchern technischen, kunstgeschichtlichen und ästhetischen Inhalts aus der Gründerzeit des Museums, sind noch gar nicht erschlossen und erforscht, ebenso etliche weitere facettenreiche und bedeutsame Bestände des Museums«. Deshalb muss das Museum gewissenhaft überlegen, wenn Künstlernachlässe an es herangetragen werden – wie jüngst von Eugen Netzel, Albert Holbein, Gottfried Weinhold oder in absehbarer Zukunft Jakob Wilhelm Fehrle – was gehört ins Museum, was soll hier aufbewahrt, erforscht, restauriert werden? »Es braucht einen Kompass für das, was man ins Museum holt – und man muss auch mal ›Nein‹ sagen können«. g anz bestimmt »Ja« sagen werden Max Tillmann und sein Team zum Nachlass der ehemaligen Höheren Fachschule für die Edelmetallindustrie – der heutigen Hochschule für Gestaltung. Womit sich wiederum ein Kreis zu den Gründervätern des Museums schließt: In das von Martin Elsässer erbaute Jugendstilgebäude in der Rektor-Klaus-Straße zog 1909 die Gewerbeschule und das Gewerbemuseum ein. Und dieses Erbe der ersten Hälfte des 20.Jh. möchte Max Tillmann über das aktuelle Ausstellungsjahr hinaus beforschen und Ausstellungen dazu planen – z.B. unter den Themen »Das Bauhaus und die Fachhochschule« oder »Kunstgewerblerinnen in den 1920er/30er Jahren«. »Es wird mit dem Zeithorizont 2026 eine ganze Reihe anspruchsvoller, attraktiver Ausstellungsprojekte geben«, deutet Museumsleiter Max Tillmann an – wir sind gespannt!

Streiflichter

Dr. Max Tillmann mit Martina Tauber, Co-Kuratorin der aktuellen UNICORNAusstellung.

Kleiner Umtrunk anlässlich der Ausstellung »Was trägt« am 18.10.2019 in der Galerie im Prediger.

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