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INTERVIEW
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STAGE
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Er ist ein theatrales Multitalent: Michael Fajgel ist Sänger, Schauspieler, Librettist und Theaterleiter des Theaters im Centrum. Er arbeitet als Regisseur, Autor und Darsteller und ist eines der Vorstands- und Gründungsmitglieder des Brüder Grimm Festivals Kassel. Vor Kurzem wurde mit der TIC-Produktion „Elvis im Park“ der Spielbetrieb im Botanischen Garten Kassel wieder aufgenommen. Wir haben ihn zwischen den ersten Aufführungen getroffen und mit ihm über Theater in Zeiten von Corona, seine Arbeit als Darsteller und Regisseur und die aktuellen Produktionen „Elvis im Park“ und GRIMM in CONCERT 2“ gesprochen.
Inmitten der Pandemie geht es zurück auf die Bühne. Wie sind eure Proben gestartet?
Erstmal musste ich alle fragen, ob sie wieder mitmachen. Ich habe ein großartiges Ensemble. Viele von ihnen haben wirklich anderthalb Jahre gar nichts gemacht und so war die Freude natürlich groß. Die Situation, dass wir Open-Air spielen, vermittelt ein großes Gefühl der Sicherheit. Sicherlich mussten wir – wie auch im letzten Jahr – auf mehr Dinge achten: Alle Hygienemaßnahmen werden eingehalten und wir bewerten die Situation täglich neu und hoffen, dass die Inzidenz stabil unter 50 bleibt. Verunsichert hat uns anfänglich, dass die Vorschriften sich von Bundesland zu Bundesland so massiv unterscheiden.
Das Sinken der Inzidenz war für uns das Zeichen, wieder etwas wagen zu können. Verbunden mit dem nächsten Wagnis und der Fragestellung: Was ist mit unserem Publikum? Fühlt es sich sicher und besucht uns? Dass es aber so gut angenommen wird, hätte ich nicht gedacht! Für mich war es total schön, dass die Menschen große Lust auf uns hatten. Der Zuspruch im Vorfeld war schon enorm: Wann spielt ihr wieder? Haltet durch! Und uns haben sehr viele Spenden erreicht und so hatten wir das Gefühl, dass das Publikum die ganze Zeit bei uns war und uns unterstützt hat – das war großartig und hat uns sehr geholfen, mit der ganzen Situation klarzukommen.
Am 18. Juni 2021 hat „Elvis im Park“ Premiere gefeiert. Was hast du dabei empfunden, wieder das erste Mal nach dem Lockdown auf der Bühne zu stehen?
Die Musik beginnt, man kommt auf die Bühne, die Leute sind da und man sieht frohe Gesichter und es kommt sofort eine besondere Stimmung auf und man denkt so: Waren wir eigentlich weg? Es war für alle ein unglaublich schöner Moment, dass man sofort wieder aufgenommen wurde. Alle Künstler waren sehr froh, dass wir wieder spielen können und das auch noch in einer so traumhaften Location im Botanischen Garten: Man wird zuerst von der Natur, dann von den Zuschauern aufgenommen. Man spürt wieder das Publikum und das macht Theater aus.
Das Brüder Grimm Festival Kassel veranstaltet ein Kinderprogramm im bezaubernd schönen Botanischen Garten Kassel. Warum ist Theater für Kinder so wichtig? Generell und in Zeiten von Corona?
Kinder sind sehr fantasievoll. Durch ein Theaterstück können sie unglaublich viel aufnehmen und lernen. Man kann Kinder ingesamt mit Theater besser erreichen – im Vergleich zu uns Erwachsenen, die ja manchmal schon etwas gesättigt sind. Kinder versprühen so eine unglaubliche Freude und wir wollen ihnen etwas mitgeben, etwas Gutes mitgeben: Eine gute Message, etwas, was sie für ihr Leben anwenden können. Oft beschäftigen wir uns mit den Themen Mobbing, Diversität oder auch Migration. Es soll eine Art der Wertevermittlung stattfinden, die wir szenisch und spielerisch umsetzen. Die Kinder nehmen das mit und verstehen das. Das ist für mich sehr wertvoll und macht das Kindertheater so wichtig.
Und gerade in Corona-Zeiten: Die Kinder sind die Leidtragenden. Die Freundschaften, die Sportaktivitäten und die Schule, in denen die Kinder soziales Verhalten gegenüber anderen lernen – all das ist eine lange Zeit verloren gegangen. Ich möchte, dass die Freude und das Lachen wieder durch uns zurückkehrt, aber auch generell die Normalität. Für mich ist das eine Wiedergutmachung. Die Kinder können sich wieder mit anderen Kindern treffen: Lachen, über Themen nachdenken, Fragen stellen und interagieren. Ich erinnere mich gern an eine Vorstellung im Staatstheater: Wir haben Jim Knopf und die Wilde 13 aufgeführt. An einer Stelle müssen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer einen Magnetfelsen bezwingen und besprechen vorher, dass sie alles ausziehen müssen, was magnetisch ist. Sie gingen los und dann fing ein Kind an: „Die Hosenträger“, dann zehn Kinder „Die Hosenträger“, plötzlich 100 Kinder „Die Hosenträger“ und schließlich 950 Kinder „Die Hosenträger“, „Die Hosenträger“, „Die Hosenträger“.
Mich fasziniert, dass Kinder so unmittelbar reagieren und sagen, was sie denken.
Erzählst du uns bitte etwas über „GRIMM in CONCERT 2“?
Da wir die Tribüne unserer Seebühne auf Grund von Corona nicht vollbesetzen dürfen und uns dadurch die Einnahmen fehlen, die wir brauchen, um alles stemmen zu können, legen wir das Format „GRIMM in CONCERT“ aus dem vergangenen Jahr neu auf. Letztes Jahr war die Besetzung weiblich, dieses Jahr männlich.
Mit „GRIMM in CONCERT 2“ spielen wir ein Potpourri aus vielen Songs vergangener Märchenmusicals der letzten fünf Jahre und planen bis weit in den August 41 Veranstaltungen.
Es gibt wohl kaum etwas Magischeres, als an lauen Sommerabenden unter freiem Himmel Theater zu erleben. Was wünscht du dir für das Jahr 2022?
Das, was wir gerade machen, ist natürlich ein Ersatzprogramm und ersetzt ein richtiges Theaterstück auf einer richtigen Bühne mit richtigem Bühnenbild einfach nicht. Ich wünsche mir, dass wir wieder mehr Richtung Theater kommen und im nächsten Jahr wieder die Seebühne bespielen können. Wie wahrscheinlich jeder, wünsche ich mir, dass die Normalität wieder zurückkehrt: Theater spielen, Reisen, familiäre Beziehungen und alle Veranstaltungsformate – alles soll wieder möglich sein und die Angst soll weichen, die man an der Körpersprache der Menschen merkt.
Gestatte uns noch ein paar persönliche Fragen. Welche Persönlichkeit aus der Vergangenheit würdest du gern zu einem Barbesuch einladen?
Jesus, Gandhi und Elvis. In meiner Jugend war ich nie ein großer Elvis-Fan. Als ich anfing, mich mit Elvis zu beschäftigen, und Filme über ihn gesehen habe, habe ich mir gedacht, der hat so etwas Besonderes: so eine besondere Ausstrahlung und so eine besondere Stimme, mit der er eigentlich gar nicht erfolgreich werden wollte. Und dann war er so erfolgreich und ist an seiner Berühmtheit kaputt gegangen. Er hat von sich gesagt, ich bin kein King, aber die Menschen haben ihn vergöttert.
Und wenn Jesus dann auch an die Bar käme, würden wir uns auch gut verstehen. Wenn Jesus so war, wie er war, dann würde ich gern wissen, wie er alles so ausgehalten hat. Jesus und Elvis würden sicherlich Wasser trinken und ich einen Chardonnay. Am besten gefällt mir, dass ich machen kann, was ich will und ich meine Kreativität aus mir selbst rausholen kann. Und ich aus dieser Kreativität ein Einkommen für mich für schaffen kann. Es macht mir nach wie vor großen Spaß, zu singen und zu spielen, nicht so viel Spaß macht mir die Verwaltung. Ich kann meine Kreativität dazu nutzen, um Dinge zu erschaffen, die anderen Menschen Freude machen.
Was bedeutet Glück für dich?
Dass ich drei Kinder habe, dass meine Lebenspartnerin mich in wirklich allen Belangen so großartig unterstützt. Glück hat bei mir komischerweise viel mit Ruhe zu tun. Wenn ich nichts erschaffen, nichts machen muss, sondern einfach da sein und durchatmen kann. Also, bei schönem Wetter irgendwo sein, nichts zu tun zu haben, mit Familie und Freundin durchatmen, da kann man glücklich sein.
Wir bedanken uns ganz herzlich für deine Zeit, wünschen dir und deinem Team weiterhin viel Erfolg und freuen uns auf viele sommerliche Abende im Botanischen Garten.
›› www.theaterimcentrum.de und www.brueder-grimm-festival.com
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