5 minute read

go2market: „Die Verweildauer der Kunden ist bei uns dreimal höher“

„Die Verweildauer der Kunden ist bei uns dreimal höher“

go2market ► Die Marktreife im Handel bleibt für viele Produkte hierzulande eine Illusion. Wirtschaftliche und ökologische Schäden sind die Folge. Das „Forschungssupermarktlabor“ go2market mit je einer Filiale in Wien und Köln, möchte das Problem an der Wurzel packen und setzt dafür moderne Marktforschung ein. Was genau dahinter steckt, darüber sprach das Fruchthandel Magazin mit Jörg Taubitz, Country Manager Deutschland des österreichischen Startups.

Advertisement

Daniel Schmidt

Jörg Taubitz, Country Manager Deutschland go2market haben Sie selbst mal als eine Art Forschungslabor bezeichnet. Worum handelt es sich konkret?

Jörg Taubitz: go2market ist im klassischen Selbstverständnis ein realer Supermarkt mit realen Konsumenten in einer geschlossenen Gemeinschaft. Um bei go2market mitmachen zu können, muss man sich in einem Prozess bewerben. In Wien hatten wir 12.000 Leute, die gerne Produkttester sein wollten. Aus diesen 12.000 Leuten haben wir letztlich 1.500 Leute ausgewählt – konkret hat das eine statistische Software gemacht, um ein Panel im soziodemografischen Querschnitt abzubilden. In Deutschland haben wir – wenn man das so sagen kann – 2.600 Probanden aus 6.500 Menschen gesourced und ihnen angeboten, eine Mitgliedschaft abzuschließen.

Wie funktioniert das Konzept genau?

Wer als Mitglied ausgewählt wurde, kann eine Mitgliedschaft für drei, sechs oder zwölf Monate abschließen. Bspw. zahlt man bei der Variante über sechs Monate monatlich 14,90 Euro und bekommt im Gegenzug einen Warenwert von 55 Euro auf eine App. Dieser Warenwert kann durch freiwillige Umfragen erhöht werden. Auf diese Weise erhält man im nächsten Monat entsprechend mehr als Warenwert, im Schnitt 65 Euro. Die App ist dabei der Begleiter im Supermarkt und unterstützt beim Einkauf. Mit der App von Scan&Go geben wir Technologiepartnern die Möglichkeit, uns als Showcase zu benutzen. Damit können sie in einer realen Situation Produkte anwenden, die diese in der Distribution haben. Bei uns sind das im Wesentlichen

FMCG-Produkte sind. Wir haben auch ein paar Kosmetika und Nahrungsergänzungsprodukte, aber im Kern sind es zwar Schnelldreher im Foodbereich, aber Obst und Gemüse, stehen nicht im Fokus. Anschließend geht er mit den Produkten nach Hause und testet diese in seinem gewohnten Umfeld. Die Marktforschung findet nicht im Laden, sondern ausschließlich im häuslichen Umfeld statt. Auf freiwilliger Basis werden dort Fragen zu Themen wie Verpackung,

Geschmack, Zufriedenheit, Wiederkaufwahrscheinlichkeit oder auch zum Preis beantwortet. Auf diese Weise erhält der Industriepartner wichtige Informationen und kann für sich entsprechend Schlüsse daraus ziehen.

Fotos: go2market

Registrierte Mitglieder erhalten zu Beginn ihres Einkaufs einen Code für den Check-in.

Was passiert, nachdem der Produkttester die Ware ausgesucht und gescannt hat? Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Wir wollen damit verhindern, dass zu viele Produkte im Handel scheitern. Wir haben viele Produkte hierzulande – der HDE spricht von 120.000 Produkten pro Jahr – die nicht im Handel eingeführt werden. Das gelingt nur 10 % bis 15 % der Produkte. Das ist schade und ökologisch und ökonomisch eine rießige Baustelle. Unser Ansatz ist es, beim Konsumenten einen Tick früher ein Feedback einzuholen, um gegebenenfalls rechtzeitig Anpassungen vornehmen zu können. Damit ist die Wahrscheinlichkeit größer, viel mehr Produkte in den Handel zu bringen. Man könnte hier auch von einer Art Produkt-TÜV sprechen.

Wann ist denn aus Ihrer Sicht ein Produkt gescheitert?

Das entscheiden nicht wir. Das entscheidet der Industriepartner. Wir sind letztlich nur ein Werkzeug, ein Tool. Wir testen Produkte, die entweder noch nicht am Markt oder im Ausland schon erfolgreich sind. Zudem sind es Produkte, die parallel schon im Handel gelauncht werden. Kommt ein Produkt nicht wie gewünscht an, kann nachjustiert werden. Möglicherweise liegt es an der Verpackung, am Preis, am Geschmack oder vielleicht auch an der falschen Zielgruppe. Dies gilt es dann zu klären.

Bei go2market spielen mitunter technische Aspekte eine wichtige Rolle. Worauf kommt es Ihnen dabei an?

Wir sind kein Future-Store. Wir wollen nicht Edeka oder Rewe konkurrieren. Das ist nicht unser Ansatz. Wir sind der Showcase für unterschiedliche Technologieanbieter in einzelnen Modulen. Vielfach gibt es Einzellösungen, die wir bei uns in einem Gesamtsystem abbilden und somit im Supermarkt zeigen können. Das wirkt auf Menschen überzeugender. Das sieht man bspw. beim Thema Licht. Da arbeiten wir mit einer österreichischen Firma zusammen, die extrem spannende Lichtkonstruktionen baut. In unserem Markt haben wir ein Lichtsystem installiert, das Produkte anders ausstrahlt als sonst üblich. Die Präsentation über den Faktor Licht ist nicht nur spannend, sondern auch ökologisch und ökonomisch von Vorteil. Wir können einzelne Leuchtdioden wechseln. Somit muss nicht der gesamte Lichtkörper getauscht werden. Wir setzen zudem eine Sounddusche ein – ein System, das ähnlich wie eine Dusche im Bad funktioniert. Punktuell wird Sound ausgespielt. In einem Umkreis von einem Meter hört man dann bis auf den von uns eingespielten Sound nichts mehr. Ein Anwendungsbeispiel ist der Bereich von Fruchtfliegen. Der Kunde schaut sich eine Fruchtfliegenfalle an, gleichzeitig wird dazu der Sound von Fliegen eingeblendet und man kann auf diese Weise einen Kaufimpuls verstärken.

Mit Musik wollen Sie eine Blick auf den Kühlbereich von go2market – FMCG-Produkte bestimmen auch sonst das Bild.

Innovative Technologien kommen bei der go2marketMarktforschung zum Einsatz. gewisse Wohlfühlatmosphäre schaffen. Wie geht das?

Wir sprechen da von Sound-DNA. Wir wissen, wie viele Menschen sich im Supermarkt aufhalten, wie der Altersdurchschnitt ist und wie das Geschlechterverhältnis aussieht. Daraufhin können wir dann durch eine entsprechende Musikauswahl den Wohlfühlfaktor beeinflussen.

Die Art der Warenpräsentation ist bei Ihnen ebenfalls bewusst gewählt.

Wir machen zwar kein Duftmarketing, setzen aber einen bestimmten Duft als Wohlfühlduft ein. Wir greifen zudem auf intelligente Regale zurück. Das bedeutet, dass wir dynamische Warenpräsentationen einbinden. Bspw. sorgen Drehteller, besondere Lichteffekte und LEDScreens, mit denen man Produkt- und Imagevideos abspielen kann, für ein spannendes Einkaufserlebnis.

Ein spannendes Einkaufserlebnis – ist das wirklich so wichtig?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Probanden gerne Feedback zu den Produkten geben. Sie sind neugierig und interessiert an einem etwas anderen Einkaufserlebnis. Oft ist es ja so, dass Kunden eher zügig durch den Laden gehen, das Wichtigste einkaufen und dann wieder weggehen. Bei uns ist das nicht so. Wir haben zum Beispiel im Vergleich zu anderen Supermärkten eine dreimal höhere Verweildauer der Kunden. Ein besonderes Einkaufserlebnis ist auf jeden Fall wichtig. Ein Mehrwert inhaltlicher Art ist dabei ebenso relevant wie die optische Darstellung. 

This article is from: