Ausgabe 1 | 2018
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Inklusive Plakat zum Aufhängen
Länger arbeiten für weniger Geld
! d ö l b t h c i n h Wir sind doc W as für manche vielleicht auf den ersten Blick harmlos oder sogar verlockend klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als glatter Lohnraub. Denn der 12-Stunden-Arbeitstag – oder umgerechnet die 60-Stunden-Arbeitswoche – bringt in Wahrheit nur den Unternehmen und den Chefs etwas. Sie sparen sich bei langer Durchrechnung die Auszahlung von Überstundenzuschlägen. Die Wahlkampfspenden der Unternehmer würden sich um mehr als das 1.000-Fache rechnen. Die ArbeitnehmerInnen zahlen drauf. Seite 3
60-Stunden-Woche wird zu Lohnraub: 200 bis 300 Euro weniger pro Monat.
Arbeiten, wann ich es will …
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as klingt zwar gut, können sich aber die wenigsten selbst aussuchen. Auch beim 12-Stunden-Arbeitstag würde der Vorgesetzte ein Wörtchen mitreden wollen. Selbst wer gerne 12 Stunden durchgehend arbeitet, sollte sich fragen, ob er oder sie die Entscheidung, wann wieder Überstunden abzubauen sind, wirklich selbst treffen kann. Und auch noch vieles mehr. Seite 6
Mehr als 16.000 Menschen haben an einer Online-Umfrage der Arbeiterkammer zum Thema Arbeitszeiten teilgenommen. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Was halten ArbeitnehmerInnen von längeren Arbeitszeiten?
Willi Mernyi BUNDESGESCH
ÄFTSFÜHRER
Das schreit nach unserem Widerstand Regierungspläne sind respektlos gegenüber ArbeitnehmerInnen.
A
rbeiten bis zu 12 Stunden täglich ist bei Auftragsschwankungen und einigen Berufen sowie Ausnahmen schon längst möglich. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist ebenso umgesetzt, wie viele unterschiedliche Arbeitszeitmodelle zeigen (Schichtarbeit, Arbeitsbereitschaften, Gleitzeit, 4-Tage-Woche etc.). Auch auf diese Modelle steigt jetzt der Druck! Längere Arbeitszeiten müssen fair entlohnt werden, für Überstunden gibt es Zuschläge! Und die hat die Regierung von ÖVP und FPÖ jetzt massiv im Visier. Denn nach der Wahl ist Zahltag. Schließlich haben Unternehmer und Industrielle Großspenden dafür lockergemacht. Es geht darum, dass Zuschläge – sofern sie nach den Plänen der Regierung dann überhaupt noch anfallen – nicht mehr gleich abgerechnet und ausbezahlt werden, sondern dass sie (über einen längeren Zeitraum) „durchgerechnet“ werden. ArbeitnehmerInnen würden künftig nicht mehr wissen, ob sie ihre Zuschläge jemals in Geld ausbezahlt bekommen. Im Falle einer schwankenden Auftragslage, die ArbeitnehmerInnen gar nicht genau überprüfen können, würde es dann statt Geld nur Zeitausgleich geben. Mit Zeitausgleich lassen sich weder Mieten noch Reparaturen oder Sportwochen der Kinder bezahlen. Derartige Regierungspläne sind respektlos gegenüber ArbeitnehmerInnen. Länger arbeiten gibt’s nicht zum Nulltarif! 2
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89 Prozent
sagen, es wäre für sie „sehr oder eher schwierig“, wenn ihnen vorgeschrieben würde, wann Zeitguthaben aufzubrauchen sind.
83 Prozent
glauben, sie wären von einem 12-Stunden-Arbeitstag betroffen.
83 Prozent
sagen, es wäre für sie „sehr oder eher schwierig“, wenn an mehreren Tagen hintereinander 12 Stunden lang gearbeitet würde.
77 Prozent
der Befragten haben bisher schon fallweise 12 Stunden lang gearbeitet.
74 Prozent
der Eltern sehen es als „sehr oder eher schwierig“, 12-Stunden- Arbeitstage mit den Bedürfnissen der Kinder zu vereinbaren.
Von Überstunden spricht man … … wenn mehr als die gesetzlich zulässige wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden oder die tägliche Normalarbeitszeit von 8 Stunden gearbeitet wird. Mehrstunden betreffen Personen, die in Teilzeit tätig sind. Wird mehr gearbeitet, als vereinbart wurde, handelt es sich um Mehrstunden. Ab 40 Stunden pro Woche sind es Überstunden. Für jede Überstunde gibt es einen Zuschlag von 50 Prozent (auch bei Zeitausgleich). Viele Kollektivverträge sehen für Überstunden in Form von Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit höhere Zuschläge vor. Für Mehrarbeitsstunden gilt ein Zuschlag von 25 Prozent sowohl bei Auszahlung als auch bei Zeitausgleich. Bei Letzterem nur, wenn nicht innerhalb eines festgelegten Zeitraums von drei Monaten Zeitausgleich genommen wurde. Aufgrund der bereits erfolgten Flexibilisierung der Arbeitszeit gibt es bei Überstunden unterschiedlichste Modelle und Ausnahmen. Informationen geben Gewerkschaften und Arbeiterkammern.
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WOLFGANG KATZIAN
Mit Regierungsplänen droht Aus für bezahlte Überstundenzuschläge
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n Summe leisten Österreichs ArbeitnehmerInnen rund 250 Millionen Überstunden pro Jahr. Nicht alle werden auch bezahlt oder mit Zeitausgleich abgegolten: Für mehr als 50 Millionen Überstunden bekommen ArbeitnehmerInnen schon jetzt rein gar nichts. Werden die Regierungspläne zu längeren Arbeitszeiten umgesetzt, stehen in Summe rund 1,5 Milliarden Euro an Überstundenzuschlägen auf dem Spiel. Die Wirtschaftskammer räumt ein, dass Überstunden sehr flexibel sind, aber teuer. „Offensichtlich geht es den Arbeitgebern ohnehin nicht um flexibles Arbeiten, sondern ums Kürzen der Überstundenzuschläge“, sagt FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian.
beitnehmerInnen durch die Regierungspläne ein Verlust von 200 bis 300 Euro pro Monat. Hochgerechnet auf ein Jahr sind das bis zu 3.600 Euro. Sieben von zehn ArbeitnehmerInnen sind aber laut Umfragen mit ihrer Überstundensituation durchaus zufrieden. Nur sechs Prozent würden gerne mehr Überstunden machen, rund ein Viertel weniger. Forschungsberichte zeigen zudem auf, dass für viele ArbeitnehmerInnen das Verhältnis von Arbeitszeit und Einkommen sowie der Grad an Gestaltungsfreiheit aktuell „passen“. Wenig Bewusstsein herrsche hingegen in Sachen Gesundheit und lange Arbeitszeiten. Warum aber wollen dann die Regierungsparteien gerade jetzt die Arbeitszeiten ausweiten? Großspender machten für den Wahlkampf der ÖVP rund 1,2 Millionen Euro locker. Die Spenden würden sich um mehr als das 1.000-Fache rechnen, würde das Aus für bezahlte Überstundenzuschläge kommen.
„Den Arbeit gebern geht es ohnehin nicht um flexibles Arbeiten.“
Bis zu 3.600 Euro weniger pro Jahr Im Schnitt macht jede/r Fünfte Überstunden, mehr als sieben Stunden pro Woche. Geht man von Mischsätzen bei den Zuschlägen und Durchschnittswerten aus, dann droht Ar-
BUNDESVORSIT
ZENDER
12-Stunden-Tag ist kein Zukunftskonzept
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ie von der schwarz-blauen Bundesregierung geplante massive Anhebung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden am Tag und 60 Stunden pro Woche würde diese Arbeitszeiten generell möglich machen, was derzeit nur in Ausnahmefällen geht. Profitieren würden davon ausschließlich die Arbeitgeber. Von Vorteilen für ArbeitnehmerInnen ist in den bisherigen Regierungsplänen nichts zu finden.
Arbeitgeber erhalten
die Möglichkeit, im Betrieb längere Arbeitszeiten anzuordnen, was eine Schwächung von kollektivvertraglichen Regeln bedeutet. Für ArbeitnehmerInnen hingegen sind keinerlei Vorteile erkennbar, etwa längere zusammenhängende Freizeitblöcke, mehr Zeitautonomie, eine sechste Urlaubswoche oder höhere Zuschläge. Österreichs ArbeitnehmerInnen arbeiten schon jetzt sehr flexibel und auch lange. Die geleistete Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten ist in Österreich mit 41,5 Stunden pro Woche viel länger als im Schnitt der EU-Länder (40,3). Die Jahresarbeitszeit liegt mit 1.738 Stunden um rund 39 Stunden über dem Schnitt der Euro-Länder und auch deutlich über jener Deutschlands. Bei einer Ausweitung der Höchstarbeitszeit ist absehbar, dass Überstundenzuschläge über kurz oder lang in großem Ausmaß wegfallen und sich die Unternehmer Geld ersparen. Die Pläne der Regierung in puncto Arbeitszeit sind kein Zukunftskonzept, sondern bedeuten Lohnraub und einseitige Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen.
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Das plant die Regierung:
Länger arbeiten für weniger Ge
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g n u r e i g e R r e d n o v r e Mit d n e d n u t S 0 6 n e t n a l s gep u A s a d t h o r d e h c o l h c rbeitsw s A u z n e d n u t s r e b Ü e t l h a z e b r fü 4
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ratische Sozialdemok afterInnen Gewerksch
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läge! www.fsg.at facebook.com/fsg.oegb
12 Stunden, 5 Tage: Wie wäre das?
Unsere n e g n u r Forde /fsg.oegb
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gehe n n a g. W e die w n e e s t s u u Ha nge müs z n o en v e? Wie la d n u t ek h 14 S t o h p c en?“ i A t i e e r e i ä b d r ten w zt oder in en bzw. a i e z r Ar Fah alt h n m e u n d z e , t ff „Mi ufen nn o a a k d n i ich e ft, in der
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Unbezahlte Überstunden unterbinden
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Ausreichende Erholungsphasen sicherstellen
3
Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben verbessern
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Sechste Urlaubswoche für alle
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Arbeitszeit fairer verteilen Direkt
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Direkt Ausgabe zum Thema
60-StundenArbeitswoche
che s i t a r k o m e d l Sozia n e n n I r e t f a h c s Gewerk
Aber es wird doch schon länger gearbeitet … J
a, in manchen Berufen geht es nicht ohne Überschreitung des 8-Stunden-Arbeitstags, zum Beispiel in Krankenhäusern oder bei der öffentlichen Sicherheit. In diesen Fällen achten die Gewerkschaften besonders darauf, dass diese Tätigkeiten entsprechend entlohnt und die notwendigen Ruhezeiten zur Erholung eingehalten werden. „Wo keine absolute Notwendigkeit für eine Überschreitung besteht, kommt eine Ausweitung der Arbeitszeit auf Kosten der ArbeitnehmerInnen für uns nicht infrage“, heißt es dazu beispielsweise aus der Daseinsgewerkschaft younion. Das sei auch im Sinn der Arbeitgeber und der Gesellschaft: Denn überlange Arbeitszeiten stellen auf Dauer und ohne ausreichende Ruhezeiten ein gesundheitliches Risiko dar. Eine Folge wäre ein Anstieg von Frühpensionierungen. Das sollte die Regierung von ÖVP und FPÖ auch immer dazusagen, wenn sie auf Stimmenfang für ihren 12-Stunden-Arbeitstag geht!
FPÖ ging vor ÖVP in die Knie
e Debatte ig z it h 2 0 0 2 s it re e B eitstag zu 12-Stunden-Arb
Nachgedacht: Die Regierung will mit ihren Plänen die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse mit dem Betriebsrat und wo es keinen gibt mit dem/der einzelnen ArbeitnehmerIn „stärken“. In Wahrheit will sie branchenweite Kollektivverträge ausschalten. Selbst Betriebe mit Betriebsrat würden in Arbeitszeitfragen oder bei Löhnen und Gehältern in Konkurrenz zueinander geraten. Das bedeutet letztendlich nichts anderes als Lohn- und Sozialdumping im eigenen Land.
64 Prozent lehnten im Jahr 2002 laut einer Umfrage des Instituts für empirische Sozialforschung (IFES) den 12-Stunden-Tag ab. Mittlerweile ist die Ablehnung noch höher. In der jüngsten IFES-Umfrage sprechen sich 76 Prozent der ArbeitnehmerInnen gegen eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden ohne Gegenleistung aus. Bei den Jungen sind es 88 Prozent. Kein Wunder, die Digitalisierung hat das Arbeitsleben noch schneller gemacht, steigender Leistungsdruck und Zeitmangel schlagen sich auf die Gesundheit der arbeitenden Menschen. „Asoziale leistungsfeindliche Idee“ Gegen den 12-Stunden-Tag war damals auch noch die FPÖ. Jetzt ist sie mit Heinz-Christian Strache vor der ÖVP und der Wirtschaft in die Knie gegangen. Und das, obwohl Strache 2013 laut Medienberichten noch von einer „asozialen leistungsfeindlichen Idee“ gesprochen hatte, die „für alle Arbeitnehmer Nettoreallohnverluste bedeuten würde“. Der Kurswechsel der FPÖ kam scheinbar mit dem Amt des Vizekanzlers. Die Regierungsparteien von ÖVP und FPÖ nehmen offensichtlich Einkommensverluste für ArbeitnehmerInnen in Kauf.
Impressum: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, E-Mail fsg@fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-39744, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien. Herstellungsort: Wien. Fotos: Sebastian Philipp, 123rf.com. DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung
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