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13. Jahrgang // Nummer 5 // Wien, Mai 2014
d i rek t TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN
IHRE EU-POLITIK GIBT UNS HOFFNUNG WWW.DUHASTDIEWAHL.EU
EVELYN REGNER, Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen
ÜBERMACHT DER FINANZLOBBYS STOPPEN SEITE SEITE SEITE
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SEITE N 4, 6 UND 14
Unterentlohnung nimmt zu: BürgerInneniniative gegen Rechtsbrecher Ansprüche sichern: Was tun, wenn die Firma pleite geht Lohnsteueraufkommen steigt: ArbeitnehmerInnen endlich entlasten
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Inhalt Cover: Evelyn Regner, Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen und EU-Abgeordnete (SPÖ)
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Warten auf Lohnsteuersenkung Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
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Europa hat Zukunft Programm der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen zur EU-Wahl. Übermacht der Finanzlobbys stoppen
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Kommentar
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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian
Hintergrund
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Rechtsbrechern Handwerk legen Systematische Unterentlohnung nimmt zu – Bürgerinitiative gestartet.
Service
10 Buchtipps 11
Dein Recht, Antworten auf Fragen
Klartext
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So weit, so Atlantik
Grundsatz
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Frauen: Unser Kampf endet niemals
Europa/International
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EU-Wahl: Für Kurswechsel stimmen
Foto: Natascha Römer / Picture Alliance / picturedesk.com
UNMUT WÄCHST
LOHNSTEUERSENKUNG
AUF DIE LANGE BANK Heuer sollen die Einnahmen aus der Lohnsteuer höher ausfallen als jene aus der Mehrwertsteuer. Das heißt: Die Kaufkraft ist im Keller, und für die ArbeitnehmerInnen hat das Finanzministerium nichts übrig.
„Das zweitreichste Land der EU muss sich eine rasche Entlastung der ArbeitnehmerInnen von der kalten Progression leisten können“, sagte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian anlässlich der Debatte um das Doppelbudget 2014/15. Eine Steuerstrukturreform sei schon vor 2016 notwendig. „Ich bin für eine Arbeitsgruppe, die rasch ein Konzept erarbeitet, das unter anderem zum
Ziel hat, den Eingangssteuersatz zu senken und eine echte Lohnsteuerentlastung für ArbeitnehmerInnen umzusetzen. Außerdem muss versucht werden, ein Modell zu entwickeln, mit dem wir die kalte Progression langfristig in den Griff bekommen“, fordert Katzian. Grund dafür sind zwei Entwicklungen aus dem Strategiebericht 2015–2018 (siehe Seite 16): „Die eine besagt, dass die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer stark steigen werden. Die zweite besagt, dass
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Sekretariat: Karin Stieber, A-1020 Wien, Johann-BöhmPlatz 1, Telefon 01/662 32 96-39738, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: karin.stieber@oegbverlag.at. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Nani Kauer, Thomas Kallab, Bernt Neumann/Michael Dünser, Carmen Janko, Klaudia Frieben. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: AKOÖ, FSG Vorarlberg, SPÖ, ETUC-CES, Mauritius Images, picturedesk.com. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
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AKTUELLES
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WIR HABEN ES SATT, LIEBE WIRTSCHAFT
GESCHOBEN die Einnahmen aus der Lohnsteuer noch wesentlich stärker steigen werden.“ Das heißt, die ArbeitnehmerInnen verlieren weiter an Kaufkraft, während die Lohnsteuer stetig stark ansteigt. Trotzdem soll eine Steuerstrukturreform mit einer kräftigen Lohnsteuersenkung nur unter Finanzierungsvorbehalt umgesetzt werden – was so viel heißt, wie dass die Umsetzung auf die lange Bank geschoben wird. „SO WIRD DAS NICHT GEHEN“ „Das impliziert die erschreckende Überlegung, dass eine Steuerreform nicht einmal 2016, sondern sogar noch später zur Umsetzung gelangen könnte. Als Gewerkschafter sage ich dazu: So wird das nicht gehen. Wer glaubt, er könne weiter Einnahmen aus der kalten Progression einstreifen, ohne dabei auf den Tisch zu legen, wie es zu einer Entlastung der ArbeitnehmerInnen kommen kann, der wird den Widerstand der hart arbeitenden Menschen und der Gewerkschaften spüren“, warnt Katzian.
:::: FSG DIREKT IM ABO :::: FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at
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Was wäre der „Tag der Arbeit“ ohne Arbeitgeber, das fragte die Wirtschaftskammer heuer erneut anlässlich des 1. Mai und warnte wiederholt vor klassenkämpferischen Tönen der Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen, wenn es um Millionärssteuern oder eine Lohnsteuersenkung für die hart arbeitenden Menschen in unserem Land geht. Liebe „In den vergangenen 30 Wirtschaftskammer: Was wäre Jahren sind die Reichseinmal ein Tag ohne Konsumenten noch viel reicher tInnen – ohne die Löhne und geworden. Und die WirtGehälter, mit denen die Arbeitschaft wirft UNS KlasnehmerInnen eure Produkte und senkampf vor.“ Dienstleistungen kaufen? Hier Willi Mernyi, FSGgeht es nicht um Klassenkampf, Bundesgeschäftsführer sondern um die faire Verteilung der Wertschöpfung und der gerechten Finanzierung unseres Staates und unserer Sozialsysteme. Was wir seit Monaten einfordern, bestätigte jüngst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): In den vergangenen 30 Jahren sind die Reichsten noch reicher geworden. Und sie warnt davor, dass ohne gemeinsame politische Aktionen die Kluft zwischen Arm und Reich weiter aufgehen wird. Und sie fordert, dass SpitzenverdienerInnen ihren fairen Anteil an Steuern zahlen sollen – auch mit Vermögenssteuern. Und die Besteuerung von Kapital und Arbeit soll überprüft werden. Liebe Wirtschaft, ein Blick in die Geschichte zeigt, dass seit jeher in vielen Ländern mit Ausbeutung und Unterdrückung von ArbeitnehmerInnen-Rechten die größten Profite für die Reichen angehäuft wurden. Unser sozialpartnerschaftliches System hingegen hat sich über Jahrzehnte hinweg bewährt. Halten wir weiter daran fest, aber auch im Sinne der Empfehlungen der OECD!
AKTUELLES
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Material und Filme unter: www.erstdermensch.at
WIR BRAUCHEN INVESTITIONEN UND BILDUNGSANGEBOTE Investieren und Beschäftigung ankurbeln! Der Sparwahn der bisherigen konservativ-liberalen Mehrheit in Europa führte zu Privatisierungen und Kürzungen im Sozialbereich, Einschränkungen gewerkschaftlicher Grundrechte, Eingriffen in Mindestlöhne und zu Lohn- und Sozialdumping. Damit muss Schluss sein! Europa kann nur durch Investitionen und die Leistungen der ArbeitnehmerInnen aus der Krise herauswachsen. So schaffen wir sozialdemokratischen GewerkschafterInnen ein Europa, von dem alle was haben — nicht nur die Reichen, die Spekulanten und die Banken. Wir fordern daher: ìì Jugendarbeitslosigkeit konsequent bekämpfen ìì Gute Arbeitsplätze mit Perspektiven statt Praktika und unbezahlte Jobs ìì Kaufkraft und Einkommen sichern ìì Neue Arbeitsplätze durch Investitionen in Infrastruktur, sozialen Wohnbau und einen starken Sozialstaat schaffen
Spitzenkandidat der SPÖ:
EUGEN FREUND
EVELYN REGNER
WIR MACHEN
EIN EUROPA
FÜR MENSCHEN.
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Die SpitzenkandidatInnen der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen zur EU-Wahl:
AKTUELLES
HEIDI HIRSCHBICHLER
SASCHA ERNSZT
THOMAS KATTNIG
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EUROPA HAT ZUKUNFT WIR BRAUCHEN ARBEIT, VON DER MAN GUT LEBEN KANN
WIR BRAUCHEN KLARE REGELN AUF DEN FINANZMÄRKTEN
Strategie für Wachstum & Wohlstand für alle
Null Toleranz bei Steuerbetrug und Spekulation
Der Standortwettbewerb zwischen den einzelnen EULändern ging bisher vor allem zulasten der ArbeitnehmerInnen. Mitgliedsstaaten werben sich gegenseitig Firmen ab, indem sie mit immer niedrigeren Unternehmenssteuern und Löhnen locken.
Der EU entgehen durch Steuerflucht und Steuerbetrug jährlich 1.000 Milliarden Euro. Geld, das die Menschen in Europa dringend brauchen. Wenn Geld für Pleite-Banken da ist, muss auch Geld für die ArbeitnehmerInnen da sein — allen voran für jüngere und ältere.
Dazu wollen die Neoliberalen auch noch wichtige öffentliche Güter und Dienstleistungen privatisieren, wie zum Beispiel Wasser, Energie, Flugsicherung, Post, Telekom, Verkehr, Wohnbau, Gesundheit oder soziale Dienste. Das werden wir verhindern durch:
Unternehmen müssen ihre Gewinne dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden. Ebenso müssen wir bei der Vermögensbesteuerung endlich auf internationales Niveau aufholen. Wir setzen uns ein für:
ìì Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping ìì Bestbieter- statt Billigstbieterprinzip bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
ìì Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerbetrug sowie für ein Ende des Steuersenkungswettlaufs für Unternehmen ìì Beschränkung der Macht der Finanzlobby
ìì Einheitliche Mindeststandards ohne Ausnahmen (keine einseitigen Spardiktate der EU-Kommission)
ìì Funktionierende Bankenunion und Finanzmarkt aufsicht zur Entlastung der SteuerzahlerInnen
ìì Keine Privatisierung und kein Ausverkauf von Staatsanteilen an strategisch wichtigen Unternehmen
ìì Vermögensbezogene Steuern und Einführung der Finanztransaktionssteuer
SYLVIA REISS
WOLFGANG GREIF
GERALD KREUZER
ERST DER MENSCH, DANN DER PROFIT.
EU-WAHL AM 25. MAI
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AKTUELLES
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NEUE STUDIE BEWEIST
EU-FINANZLOBBYS BLOCKIEREN Geahnt hatten es viele, nun steht es schwarz auf weiß fest: Die Finanzlobbyisten haben enormen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung und blockieren vorsätzlich eine effektive Regulierung der Finanzmärkte.
Eine brandneue Studie im Auftrag von ÖGB und Arbeiterkammer (AK) zeigt erstmals die Dominanz von Banken und Konzernen beim Lobbying deutlich auf. Gerade die sogenannten „Expertengruppen“ der EU-Kommission sind durchsetzt mit Vertretern aus dem Finanzbereich. So vertreten 70 Prozent der „Berater“ in den untersuchten Expertengruppen die Finanzlobby, während weniger als ein Prozent der Exper-
tInnen aus Gewerkschaften kommen. Mindestens 123 Millionen Euro wenden Banken und Finanzkonzerne für ihr EULobbying auf, so die Studie. Die Dunkelziffer dürfte aber um ein Vielfaches höher liegen. KRASSES BEISPIEL Bei der Verabschiedung einer Richtlinie, mit der vor drei Jahren die berüchtigten Hedgefonds reguliert werden sollten,
stammten von 1.700 Änderungsanträgen im EU-Parlament 900 direkt aus der Feder der Bankenlobbys. Kein Wunder, dass die Regulierung der Hedgefonds am Ende recht zahm ausgefallen ist. Deshalb fordert unter anderen ÖGBVizepräsidentin Sabine Oberhauser endlich konkrete Taten gegen den Lobby-Irrsinn: „Wer zahlt schafft an – das darf in der EU nicht länger Richtschnur dafür sein, ob und wie die Finanzmärkte reguliert werden.“ Vielmehr müssen das Lobbyregister endlich verbindlich werden und die Beratergruppen der Kommission ausgewogen besetzt werden, fordert Oberhauser.
Gehört und gesehen werden: In der EU müssen die sozialen Rechte der Menschen Vorrang vor blindem Marktfetischismus haben.
der Sparpolitik soll endlich die Idee des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) für einen europäischen Marshall-Plan aufgegriffen werden, so der Appell von EGBGeneralsekretärin Bernadette Ségol.
DEMO IN BRÜSSEL 50.000 GEGEN KAPUTTSPAREN Ein deutliches Zeichen für einen politischen Kurswechsel setzen die europäischen Gewerkschaften in Brüssel. Kurz vor der letzten Sitzung des „alten“ EU-Parlaments forderten 50.000 Menschen einen politischen Kurswechsel. Statt blin-
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AKTUELLES
FSG WAR MIT DABEI Aus Österreich waren rund hundert GewerkschafterInnen angereist, darunter eine große Delegation der FSG. Vom neuen EU-Parlament und der nächsten EU-Kommission erwarten die Gewerkschaften endlich Taten gegen die Übermacht der wirtschaftlichen Freiheiten in der EU. Oliver Röpke vom ÖGB-Europabüro in Brüssel: „Wir brauchen endlich ein europäisches Sozialprotokoll. Auch in der EU müssen die sozialen Rechte der Menschen Vorrang vor blindem Marktfetischismus haben.“
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KOMMENTAR
REGULIERUNG EU-KOMMISSION SCHÜTZT FINANZLOBBY Die noch amtierende konservativ-liberal dominierte EU-Kommission unter Präsident José Manuel Barroso verweigert sich bis heute der Forderung nach einem verpflichtenden Lobbyregister. Dennoch werden die europäischen Gewerkschaften den Druck noch verstärken, damit die Dominanz der Finanzlobbys gebrochen wird und stattdessen endlich die Sozialpartner in die Entscheidungen der EU-Politik eingebunden werden. Unter http://politicsforpeople.eu/de haben ÖGB und AK eine europaweite Kampagne gestartet: Die KandidatInnen für die EP-Wahlen können auf der Website aufgefordert werden, sich im neuen EU-Parlament gegen die Übermacht der Finanzlobbys und für mehr Transparenz einzusetzen. FSG-Kandidatin Evelyn Regner steht hinter der Forderung: „Die Freiwilligkeit hat nicht funktioniert. Von 750 Finanzlobby-Organisationen sind über 450 gar nicht im Register eingetragen.“ FAKTEN ÜBER DIE FINANZLOBBYS ::: Von über 700 Lobby-Organisationen der Finanzindustrie sind nur 250 in das Lobbyregister eingetragen. ::: Zum Vergleich: Nur bescheidene 150 Organisationen vertreten hingegen Nichtregierungsorgansiationen, Gewerkschaften und KonsumentInnen. ::: 1.700 FinanzlobbyistInnen sind in Brüssel aktiv, das heißt auf jeden/jede Kommissionsbeamten/-beamtin, der/die mit Finanzmarktregulierung beschäftigt ist, kommen sage und schreibe vier LobbyistInnen. Die Gewerkschaften fordern von der EU-Kommission und vom neuen EU-Parlament: ::: die verpflichtende Eintragung von LobbyistInnen in das EURegister, ::: die Reduzierung der FinanzlobbyistInnen in ExpertInnengruppen auf ein absolutes Minimum und die ::: volle Transparenz über ihren Einfluss auf die EU-Gesetzgebung.
:::: WE B T IP P :::: www.oegb-eu.at (ÖGB-Büro Brüssel)
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WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
LEISTUNGSKÜRZUNGEN FÜR NEOS NUR KOMMUNIKATIONSPROBLEME Eine EU-Armee, die das österreichische Bundesheer ersetzt. Katastrophenschutz, den dann eben die Feuerwehr übernimmt, und Privatisierungen der Spitäler, weil sie in anderen Ländern großartig funktionieren – nur ein Teil der EU-Forderungen der NEOS, wie deren Kandidatin zur EU-Wahl, Angelika Mlinar, unlängst erklärte. Wasserprivatisierung biete laut Mlinar beispielsweise eine effizientere Versorgung, der Staat habe sich da gar nicht einzumischen. Ein konkretes Beispiel dafür konnte sie leider nicht nennen. Kein Wunder, denn alle bisher durchgeführten Wasser-Privatisierungen haben nicht zu mehr Effizienz, sondern zu höheren Kosten und schlechterer Qualität geführt. Der Staat hätte laut Mlinar mit der Rechtsstaatlichkeit, mit der Chancengerechtigkeit durch Bildung und mit der Sicherheit auch nur drei Kernaufgaben, auf die er sich konzentrieren müsste, der Rest wäre Verhandlungssache. Unser Gesundheitssystem sei zwar sehr gut, aber auch teuer, und es könnte effizienter sein. Daher sollte man darüber verhandeln, ob nicht kleinere ineffiziente Spitäler zugesperrt werden könnten. Das Argument, das würde den Menschen, die dort wohnen, nicht gefallen, lässt Frau Mlinar nicht gelten: Das wäre lediglich ein Kommunikationsproblem, erklärte sie in der ORF-Pressestunde. Die Leute würden es schon verstehen, wenn man es ihnen erklärt. Bravo, Frau Mlinar! Dann können Sie auch gleich die Pensionskürzungen, die im NEOS-Parteiprogramm stehen, erklären. Beim Thema Arbeitszeit sieht die NEOS-Kandidatin weder in der EU noch in Österreich Handlungsbedarf, weil sich das Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen bei uns immer ausmachen. Da sei alles schon etwas überreguliert. Aha. Überreguliert ist die Arbeitszeit in Österreich also. Genauso wie die Löhne und Gehälter? Denn geht es nach den NEOS, dann sollten Kollektivverträge nur noch Richtliniencharakter haben. Aber der Sinn dieser Idee ist wahrscheinlich auch ein Kommunikationsproblem ...
KOMMENTAR
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AK/ÖGB-BÜRGERiNNENINITIATIVE
RECHTSBRECHERN HANDWERK Systematische Unterentlohnung ist keine Seltenheit: Betroffene ArbeitnehmerInnen erfahren das meist erst bei Beendigung ihrer Dienstverhältnisse. Dann kann aber oft nur noch ein Bruchteil nachgefordert werden.
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In einem unbeobachteten Moment stiehlt Ihnen ein Mann 200 Euro aus der Handtasche. Ein Streifenpolizist beobachtet den Diebstahl und erwischt den Täter. Und jetzt: Ihnen darf niemand sagen, dass Sie bestohlen wurden. Daher können Sie das Geld auch nicht zurückfordern. Eine völlig absurde Vorstellung? Ganz klar! Wenn aber ein Unternehmen von der Gebietskrankenkasse (GKK) dabei ertappt wird, dass es seinen Beschäftigten zu wenig bezahlt, passiert genau das: Die GKK
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HINTERGRUND
darf die betroffenen ArbeitnehmerInnen nicht informieren. Die TäterInnen werden geschützt, die Opfer um ihre Chance gebracht, offene Ansprüche einzufordern. PARLAMENT IST GEFORDERT AK und ÖGB Oberösterreich haben nun eine BürgerInneninitiative gestartet, die es RechtsbrecherInnen schwerer machen soll: Sie fordern eine Informationspflicht bei Unterentlohnung. Mehr als 23.000 Menschen haben die Initiative bereits unterschrieben. Erstunterzeichner und ÖGB-
Landesvorsitzender AK-Präsident Johann Kalliauer hat ein Unterschriftenpaket bereits Nationalratspräsidentin Barbara Prammer übergeben, unterstützt von SpitzengewerkschafterInnen und SPÖNationalratsabgeordneten. Damit ist sichergestellt, dass sich das Parlament mit dem Anliegen der oberösterreichischen GewerkschafterInnen auseinandersetzen muss. Um genug Druck aufzubauen, damit die Initiative auch umgesetzt wird, braucht es jede Unterschrift. FÄLLE HÄUFEN SICH Gestartet haben AK und ÖGB die Bürgerinitiative, weil Fälle von systematischer Unterentlohnung zunehmen. Immer häufiger werden Zulagen und Überstun-
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KONTROVERS
LEGEN den falsch oder gar nicht bezahlt, immer mehr ArbeitnehmerInnen, die sich an AK oder Gewerkschaft wenden, erfahren, dass sie monate- oder jahrelang weniger Lohn erhalten haben, als ihnen laut Kollektivvertrag zusteht. „Meist fliegen solche Verfehlungen allerdings erst auf, wenn Dienstverhältnisse beendet werden und sich ArbeitnehmerInnen deshalb Hilfe suchend an Gewerkschaft oder AK wenden. Dann kann das entgangene Einkommen aber oft nur noch für wenige Monate nachgefordert werden, weil die Verfallsfristen so kurz sind. Das wollen wir ändern“, erklärt Kalliauer. DIE FORDERUNGEN 1. Die Beschäftigten sollen verständigt werden müssen, wenn eine Kontrolle durch Gebietskrankenkasse und Finanzamt zeigt, dass sie zu wenig Lohn oder Gehalt bekommen haben. 2. Verfallsfristen von weniger als drei Jahren für nichtbezahlte Ansprüche von ArbeitnehmerInnen sollen abgeschafft werden. Einen Link zur Online-Bürgerinitiative gibt es unter: www.fsg.at/ooe Autorin: Carmen Janko E-Mail: carmen.janko@oegb.at
AKOÖ-Vizepräsident Erich Schwarz, PRO-GE-Landessekretär Walter Schopf, Nationalratsabgeordneter und voest-Betriebsrat Dietmar Keck, PRO-GE-Vorsitzender Rainer Wimmer, ÖGB-OÖ-Landesvorsitzender und AKOÖ-Präsident Johann Kalliauer, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, AKOÖDirektor Josef Moser, ÖGJ-OÖ-Vorsitzender
EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ) und AKVorarlbergVizepräsidentin Manuela Auer
„DENKZETTELWAHL“ À LA FPÖ BRINGT SICHER KEINEN KURSWECHSEL Die politischen Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, wirken sich auf alle unsere Lebensbereiche aus. Auch auf die ArbeitnehmerInnenpolitik in Österreich hat die EU großen Einfluss. Umso wichtiger ist es, dass aus der Wirtschaftsunion endlich eine Sozialunion für alle EUBürgerInnen wird. Darüber waren sich AK-Vorarlberg-Vizepräsidentin Manuela Auer und SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner bei einem Treffen in Bludenz einig. „Europa steht bei der kommenden EUWahl am 25. Mai eine Richtungsentscheidung bevor“, so Evelyn Regner. „Will man weiterhin dem Neoliberalismus huldigen, der dazu geführt hat, dass in Europa heute 25 Prozent der Menschen armutsgefährdet sind, oder möchte man in einer EU leben, in der der Mensch und soziale Gerechtigkeit wieder im Mittelpunkt stehen?“ Wer Letzeres will, muss ganz klar die Sozialdemokratie im EU-Parlament unterstützen. Denn der Aufruf der FPÖ zu einer Art „Denkzettelwahl“ zielt ins
Leere. Damit würde nur die bestehende Mehrheit der Konservativen und Neoliberalen fortgeschrieben. Es würde die nächsten Jahre so weitergehen wie bisher, ein Kurswechsel würde damit in weite Ferne rücken. Das Ziel muss sein, endlich wieder die Mehrheit der Konservativen und Neoliberalen zu brechen. Und das gelingt nur mit einer starken Sozialdemokratie auf europäischer Ebene. EUROPA SOZIALER MACHEN AK-Vizepräsidentin Auer unterstreicht dies und fordert „ein Europa der Menschen und nicht der Konzerne und Spekulanten“. Sie kritisiert, dass in den vergangenen Jahren fast ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt wurden, während die Beschäftigten „viel zu wenig Gehör fanden“. Umso wichtiger sei es, die Sozialdemokratie zu stärken. „Wir brauchen eine Europäische Union, die die Finanzjongleure endlich in die Schranken weist und die Interessen der Beschäftigten wieder in den Vordergrund rückt“, so Auer.
Stefan Laufenböck (von links nach rechts).
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HINTERGRUND
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BUCHTIPPS OHNE BÜRGERiNNENBETEILIGUNG FREIHANDELSFALLE Es werden die möglichen Folgen für die politische und gesellschaftliche Entwicklung in Europa und Deutschland für den Fall herausgearbeitet, dass die Verhandlungen um eine „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) erfolgreich verlaufen. Dabei sind so unterschiedliche Bereiche wie Gentechnik, Landwirtschaft, Investitionsschutz, Finanzmärkte, Datenschutz oder das öffentliche Beschaf-
:::: BUCHTIPP :::: Die Freihandelsfalle, TTIP, Harald Klimenta, Andreas Fisahn und andere, VSA, Reihe „AttacBasisTexte“, 2014, 26 Seiten, 9,30 Euro. fungswesen betroffen. Dies führt dazu, das Abkommen infrage zu stellen. Stattdessen wird ein „Alternatives Handelsmandat“ gefordert, welches Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Demokratie als übergeordnete Prinzipien setzt.
ANDERS SEIN. ANDERS LEBEN. ANDERS ARBEITEN. Generation Y: Junge Beschäftigte haben heute wenig Lust, sich zu Sklaven ihrer Arbeit zu machen. Sie suchen Sinn, Spaß und fordern Zeit für Familie und Freunde. Die Generation Y, nach 1980 geboren, ist in aller Munde. Jetzt meldet sich eine junge Autorin zu Wort: Mit einem schonungslosen Blick beschreibt sie, was ihre Generation wirklich will.
:::: BUCHTIPP :::: Glück schlägt Geld, Generation Y: Was wir wirklich wollen, Kerstin Bund, Murmann, 2014, 200 Seiten, 20,60 Euro Bestellmöglichkeit gibt es in der ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefon 01/405 49 98–132 oder per E-Mail an: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.oegbverlag.at
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SERVICE
ANSPRÜCHE SICHERN
WAS TUN, WENN Kann der Arbeitgeber (AG) fällige Zahlungen, zum Beispiel Löhne oder Gehälter, nicht mehr leisten oder liegt Überschuldung vor, ist er insolvent.
Über einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entscheidet das zuständige Gericht mit Beschluss, welcher durch „Edikt“ veröffentlicht wird. Das Verfahren wird als Konkurs- oder als Sanierungsverfahren (ähnlich dem früheren Ausgleichsverfahren) geführt. Das Sanierungsverfahren kann mit oder ohne Eigenverwaltung des AG bestehen. Ist so wenig Vermögen beim AG vorhanden, dass nicht einmal die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, ist der Insolvenzantrag abzuweisen. Alle diese Beschlüsse sind kostenfrei im Internet unter www.edikte.justiz.gv.at abrufbar. Im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung behält der AG seine Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Sonst tritt an die Stelle des AG der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter. BESSERE ABSICHERUNG BEREITS SEIT 1977 Ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens darf der AG die bis dahin entstandenen Ansprüche nicht mehr erfüllen. Diese Ansprüche sind im Insolvenzverfahren bei Gericht anzumelden und beim Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEFService GmbH) zu beantragen. Der IEF ist ein gesetzlich eingerichteter Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit. Er besteht seit 1978 und trägt anstelle der ArbeitnehmerInnen (AN) das Risiko des Forderungsverlustes. Vertreten wird der IEF durch die IEF-Service GmbH. Die Finanzierung erfolgt großteils aus Beiträgen der AG (zuletzt 0,55 Prozent des Bruttoentgelts). Um AN in der Insolvenz besser abzusichern, wurde bereits 1977 auf Initiative der Gewerkschaften und der AK das InsolvenzEntgeltsicherungsgesetz (IESG) geschaffen. Durch die Insolvenzeröffnung werden Arbeitsverhältnisse nicht beendet. Nach der Insolvenzeröffnung bestehen vor allem abhängig von der Art des Insolvenzverfahrens besondere insolvenzspezifische Beendigungsarten. Ein
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DEIN RECHT
berechtigter vorzeitiger Austritt wegen Vorenthalt des (vor Insolvenzeröffnung fällig gewordenen) Entgelts unmittelbar nach Insolvenzeröffnung ist nicht mehr möglich. Je nach Fortgang des Insolvenzverfahrens kann ein berechtigter vorzeitiger Austritt aber auch ratsam sein. VON ÖGB UND AK GEGRÜNDET Wird zum Beispiel das Unternehmen mit Beschluss des Gerichtes geschlossen, kann der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) innerhalb eines Monats eine Kündigung aussprechen. AN können innerhalb dieser Monatsfrist berechtigt vorzeitig austreten. Wird das Unternehmen fortgeführt, bleiben im Grunde die sonstigen arbeitsrechtlichen Auflösungsmöglichkeiten (Kündigung, einvernehmliche Auflösung). Gleiches gilt bei Abweisung eines Konkursantrages mangels hinreichenden Vermögens. Kostenlose Beratung und Vertretung bietet der Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen (ISA) an. Er berechnet die offenen Forderungen, meldet diese im gerichtlichen Insolvenzverfahren an und beantragt das Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH. Der ISA wurde 1997 als gemeinsamer Verein von ÖGB und AK gegründet und hat Geschäftsstellen in allen Bundesländern an den Adressen der jeweiligen AK. Ein Antrag bei der IEF-Service GmbH muss binnen sechs Monaten ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehungsweise Kenntnis des Beschlusses
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bei Abweisung des Insolvenzantrages gestellt werden. Wird das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet, beginnt diese Frist neu zu laufen.
Gesichert sind die innerhalb der letzten sechs Monate vor der Insolvenz eröffnung beziehungsweise des Abweisungsbeschlusses oder sechs Monate vor Ende des Arbeitsverhältnisses fälligen Ansprüche – ältere Ansprüche nur, wenn sie innerhalb von sechs Monaten (ab Fälligkeit) eingeklagt wurden. Nach Eröffnung beziehungsweise bei Abweisung mangels kostendeckendem Vermögen sind die Ansprüche der AN abhängig vom Gang des Verfahrens nur eine Zeit lang gesichert. Danach kann ein Austritt notwendig sein, wenn erstmals Lohn, Gehalt, Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht oder nur teilweise ausgezahlt werden. ArbeitnehmerInnen sollten sich unbedingt sofort an die zuständige Arbeiterkammer oder Gewerkschaft wenden, wenn erstmals Forderungen nicht oder nur teilweise bezahlt werden!
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DIE FIRMA PLEITE GEHT THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at
Ich habe mit dem Fahrzeug meines Chefs einen Unfall verschuldet. Muss ich den Schaden zahlen? Er ist doch sowieso versichert. Grundsätzlich muss der AG zuerst die Versicherung in Anspruch nehmen. Sollte ihm daraus aber ein Schaden entstehen, können Sie unter Anwendung der Mäßigungskriterien des Dienstnehmer-Haftpflicht-Gesetzes zum Schadenersatz herangezogen werden. Das ist aber sehr von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Ich verdiene seit Jänner 2.500 Euro brutto im Monat und habe eine Konkurrenzklausel im Arbeitsvertrag. Bin ich daran gebunden? Nein. Die Vereinbarung einer Konkurrenzklausel ist ungültig, wenn das für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührende Entgelt das 17-fache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) nicht übersteigt. Die Monatsentgeltgrenze für die Konkurrenzklausel beträgt daher 2.567 Euro (im Jahr 2014).
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VON DER GESCHICHTE BIS IN DIE ZUKUNFT
UNSER KAMPF ENDET NANI KAUER
KLARTEXT
E-MAIL: nani.kauer@oegb.at
SO WEIT, SO ATLANTIK
Ist Frauenpolitik noch aktuell? Warum brauchen wir Frauenpolitik? Was haben wir erreicht? Alles Fragen, deren Beantwortung im Zusammenhang mit sozialdemokratischer Ideologie und Geschichte stehen.
Der Kampf um Gerechtigkeit und Gleichstellung ist aktueller denn je. Wir leben in einer Gesellschaft, die den Geschlechtern ihre traditionellen Rollen
zugeteilt hat. Während Frauen noch immer die Hauptlast der unbezahlten Arbeit tragen und diese Verpflichtung für sie ein Berufsrisiko bedeutet, kommt
TTIP – diese vier Buchstaben haben’s in sich. Da geht es um eine „Partnerschaft“ (Transatlantisches Freihandelsabkommen) zwischen den USA und der EU, die den Handel fördern soll. Das soll auf beiden Seiten des Atlantiks Arbeitsplätze schaffen, indem kräftig investiert wird. So weit, so schön.
Das ist nicht das, was wir uns hier in der EU – und auch die Gewerkschaften in den USA – unter einer Partnerschaft vorstellen. Wir wollen nicht, dass Österreich von Investoren vor ein dubioses Schiedsgericht zitiert wird, weil wir zu gute Kollektivverträge haben. Dieses TTIP kann ruhig in der Mitte des Atlantiks versenkt werden.
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GRUNDSATZ
Foto: Stefan Boness / Visum / picturedesk.com
Was daran allerdings partnerschaftlich sein soll, ist schleierhaft. Denn erstens werden die Verhandlungen geheim geführt, quasi in dunklen Hinterzimmern ohne demokratische Mitsprache von irgendjemandem. Und zweitens geht es wohl vor allem darum, Investitionen zu schützen: vor zu hohen Löhnen, vor zu strengen Arbeitsrechten, vor zu harten Umweltschutzbestimmungen oder vor Lebensmittelvorschriften ...
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FRAUEN
NIEMALS dem Mann nach wie vor die Rolle des „Familien-Ernährers“ zu. Das bedeutet für Frauen, trotz bester Ausbildung Beschäftigte 2. Klasse zu sein und sich mit der Rolle der „Zuverdienerinnen“ mit schlechter sozialer Absicherung zufriedengeben zu müssen. Hier muss fundamentales Umdenken stattfinden, damit Frauen eine „echte“ Wahlfreiheit haben. Sozialdemokratische Frauenpolitik – und hier speziell die Politik der Gewerkschafterinnen in der FSG – verfolgt das Ziel, Frauen ein selbstbestimmtes und wirtschaftlich unabhängiges Leben zu ermöglichen. Dazu brauchen sie existenzsichernde Einkommen aus vollwertiger Beschäftigung und gute Rahmenbedingungen. Vor allem brauchen sie eine Wirtschaft mit sozialem Verständnis, wo es selbstverständlich ist, dass sie nach einer Karenz wieder in ihren Beruf zurückkehren können. Aber auch Männern muss es ermöglicht werden, Väterkarenz ohne Angst um den Arbeitsplatz in Anspruch nehmen zu können. Die Wirtschaft muss lernen, dass Männer auch Väter sind. Ein solches Klima ermöglicht Frauen gleiche Chancen am Arbeitsmarkt. BEREITS VIEL ERREICHT Die Errungenschaften der Sozialdemokratie tragen die Handschrift starker Frauen in der SPÖ und in der Gewerkschaft. Johanna Dohnal, Franziska Fast, Hertha Firnberg oder Irmgard Schmidleithner sind nur einige von ihnen. Die Einführung des Mutterschutzgesetzes, die große Familienrechtsreform, die Fristenlösung bei Schwangerschafts-
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abbruch, das Gewaltschutzgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das frühere Frauenpensionsantrittsalter, aber auch das Verbot von unterschiedlichen Löhnen in Kollektivverträgen verdanken wir diesen Frauen. Ein Meilenstein im Kampf um Frauenrechte ist die Einführung des Frauenwahlrechtes im Jahr 1918. Dass Frauen ihr Wahlrecht wahrnehmen können, ist den Sozialdemokratinnen zu verdanken! Mut, Entschlossenheit und Solidarität haben viele bemerkenswerte Frauen zu ihrem Ziel geführt, darunter Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch. Als sozial denkende Menschen haben sie gekämpft und sehr viele Nachteile in Kauf genommen. Das sollten wir nie vergessen. Die nächste Gelegenheit, für mehr Frauenrechte einzutreten gibt es am 25. Mai, wenn wir SozialdemokratInnen unsere Stimme für ein soziales Europa erheben. WIR KÄMPFEN WEITER Sieht man sich die gegenwärtige Entwicklung für Frauen genauer an, so ist klar, dass der Kampf um Gleichstellung nicht enden darf und wir ständig wachsam bleiben müssen. Sei es etwa die versuchte Verhinderung, dass Frauen nicht mehr in unserer Sprache vorkommen sollen (Binnen-I) oder aber auch das Zurückdrängen des Anspruches auf gleiche Teilhabe von Frauen in Politik und Führungspositionen. Der Kampf für eine gerechte Gesellschaft muss weitergehen. Ein Kampf, der sich an den Grundwerten der Sozialdemokratie orientieren muss: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität! Autorin: Klaudia Frieben E-Mail: klaudia.frieben@proge.at
FSG-Frauenvorsitzende Renate Anderl im Interview.
„WO F Ü R W I R K Ä M P F E N “ FSG direkt: Was sind die Anliegen der FSG-Frauen? Anderl: Frauen müssen immer noch für das kämpfen, was für Männer selbstverständlich ist. Gerade heute sind wir mit konservativen Tendenzen konfrontiert, die zur Folge haben, dass Frauen verstärkt aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden. FSG direkt: Was genau ist darunter zu verstehen? Anderl: Wir brauchen den Ausbau von bedarfsgerechten Kinderbetreuungseinrichtungen, der für die Gemeinden kostenintensiv ist. Um dies zu umgehen, gibt es auf Gemeindeebene einfallsreiche Ideen, Frauen finanziell dafür zu entschädigen, dass sie auf diese Betreuungsplätze verzichten. Das lehnen wir vehement ab, da dies Frauen zu „Almosenempfängerinnen“ ohne eigenes Einkommen macht. FSG direkt: Welches Ziel wird verfolgt? Anderl: Eine gerechte Gesellschaft, in der sich beide Geschlechter wiederfinden können. Gleichstellung ist ein fundamentaler Wert einer funktionierenden Gesellschaft. Dieses Ziel zu erreichen, geht alle SozialdemokratInnen an. Ich appelliere daher an alle engagierten Menschen, dass wir gemeinsam für diese Werte kämpfen!
GRUNDSATZ
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ERST DER MENSCH, DANN DER PROFIT
JETZT FÜR DEN KURSWECHSEL Es naht ein entscheidender Tag für Europa und damit auch für alle EuropäerInnen. Am 25. Mai können wir darüber entscheiden, in welche Richtung sich die EU entwickeln wird.
Es ist ein Thema, das in den vergangenen fünf Jahren Europa und die ganze Welt in Atem hielt: die Finanzkrise. Die
stürzte. Die Vorgaben der Troika für jene Staaten, die auf Finanzhilfe angewiesen waren und es immer noch sind, führten
„DIE VORGABEN DER TROIKA BESCHNITTEN DIE RECHTE DER ARBEITNEHMERiNNEN.“ Krisenbewältigung der EU war dabei nicht immer rühmlich: Mit der Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank gaben Institutionen den Weg vor, der Millionen Menschen nicht aus der Krise, sondern tiefer in diese hinein-
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zu einem Abbau des Sozialstaates und zu einer Verringerung der Rechte von ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften. Von Lohnsenkungen über Kürzungen
bei Mindestlöhnen, Abbau von Kündigungsvorschriften, Leistungskürzungen in Pensions- und Gesundheitssystemen bis zur Schwächung von Kollektivverträgen reichten die Maßnahmen. Die Folgen sind deutlich spürbar: Die Wirtschaft hat sich immer noch nicht erholt und die Zahl der Arbeitslosen ist deutlich angestiegen. Besonders dramatisch ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen, die europaweit auf mehr als 5,5 Millionen Menschen angestiegen ist. In manchen Ländern ist jede/r zweite Jugendliche arbeitslos. Auf Druck der SozialdemokratInnen, insbesondere auch der österreichischen,
„EUROPAWEIT SIND FAST 6 MILLIONEN JUGENDLICHE OHNE ARBEIT.“
13. Jahrgang // Nummer 5 // Wien, Mai 2014
EU-WAHL 2014
Foto: Zinner
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„ARBEIT, VON DER MAN GUT LEBEN KANN“ Die Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen zur EU-Wahl Evelyn Regner im Interview.
STIMMEN konnten – trotz der derzeit neoliberalen Ausrichtung der EU-Institutionen – dennoch Erfolge erzielt werden. Sechs Milli-
den entscheidenden Positionen in den Institutionen befinden. Erstmals haben sich die großen europäischen Parteien bereits im Vorfeld auf Spitzenkandidaten für den EU-Kommissionpräsidenten geeinigt. Sollten die SozialdemokratInnen europaweit als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen, stehen die
„6 MILLIARDEN EURO FÜR DIE JUGEND – EIN ERSTER SCHRITT, ABER NICHT GENUG.“ arden Euro werden für die Europäische Jugendgarantie eingesetzt. Spätestens vier Monate nach Schulabschluss oder Jobverlust soll jeder/m Jugendlichen eine qualitativ hochwertige Arbeits- oder Ausbildungsstelle vermittelt werden. Insgesamt braucht es aber noch viel mehr an Investitionen für junge Menschen. Es ist klar, dass die sozialen Rechte nur dann stark in der EU verankert werden können, wenn auch jene Menschen, die sich für diese Rechte einsetzen, sich in
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Chancen gut für einen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten – Martin Schulz. Mit einer Stimmabgabe bei der EU-Wahl am 25. Mai kann man also sowohl im Europäischen Parlament als auch in der Europäischen Kommission für einen Umschwung sorgen. Hin zu einem sozialeren, gerechteren und arbeitnehmerInnenfreundlicheren Europa. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu
FSG direkt: Warum ist die EU-Wahl am 25. Mai so wichtig? Evelyn Regner: Weil es wichtig ist, dass alle BürgerInnen mitbestimmen, wer sie im EUParlament als einzig direkt gewählte EU-Institution vertritt. Jede Stimme zählt und eine hohe Wahlbeteiligung ist für eine sozialdemokratische Mehrheit notwendig, damit nicht die Lobbys, sondern die gewählten VertreterInnen der BürgerInnen das Sagen haben. Es sind weder Banken noch Konzerne, sondern es sind die hart arbeitenden Menschen, die im Mittelpunkt der Politik stehen müssen. Genau dafür können wir mit der Stimme für die SPÖ sorgen. FSG direkt: Wofür stehst du besonders? Evelyn Regner: Ich stehe für Gerechtigkeit und ein soziales Europa: Chancengleichheit und faire Löhne und Gehälter für alle, ob Frau oder Mann, ob jung oder alt. Ich kämpfe gegen die Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen, für einheitliche Mindeststandards im ArbeitnehmerInnenschutz und Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen in Unternehmen. Meine Ziele: Jeder soll von seiner Arbeit gut leben können, weitgehend geschützt sein und einen sicheren Arbeitsplatz haben. www.evelyn-regner.at
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FAIR. SOZIAL. GERECHT.
MEHR LOHNSTEUER ALS MEHRWERTSTEUER ARBEITNEHMERiNNEN SANIEREN DAS BUDGET
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LOHNSTEUER MEHRWERTSTEUER
Foto: mauritius images / imageBROKER / Creativ Studio Heinemann
Laut dem Strategiebericht 2015 bis 2018 soll 2014 die Lohnsteuer die Mehrwertsteuer als Haupteinnahmequelle des Staates ablösen. Bis zum Jahr 2018 soll sich diese Entwicklung noch verstärken. Eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen rückt damit in weite Ferne. Zugleich heißt das, dass die ArbeitnehmerInnen die ganze Zeche für die Budgetsanierung zahlen.
27,3 26,3
2015
28,7 27,1
2016
30,2 27,8
2017 2018
28,6 Quelle: Strategiebericht 2015–2018, April 2014
31,9
MILLIARDEN EURO
DER SCHMÄH DER ANDEREN 3,9 % Angesichts der Entwicklung der Steuereinnahmen sind sogar ÖVP, Wirtschaft und das Institut für Höhere Studien (IHS) für eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen. Nur was steckt in Wahrheit dahinter? Die ÖVP will die Entlastung irgendwann, die Wirtschaft will keine Millionärssteuer. Das IHS will die Steuerbegünstigungen für Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie die Freibeträge für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie für andere Zulagen streichen.
Obwohl keiner dieser Freibeträge seit 1988 an die Teuerung angepasst wurde. Damit wollen sie zuerst ArbeitnehmerInnen etwas wegnehmen, um ihnen dann viel weniger davon als „Entlastung“ wieder zurückzugeben. Der gleiche Schmäh wurde bereits 1953
versucht – ohne Erfolg. Machen wir aber alle Steuerentlastungen für Millionäre aus der schwarz-blauen Regierungszeit rückgängig, dann kommt einiges wieder ins Lot. Und mehr Steuergerechtigkeit heißt: die ArbeitnehmerInnen zu entlasten! www.fsg.at
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Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
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P. b. b. Erscheinungsort Wien
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