FSG direkt, 10/2013

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12. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2013

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Foto: Ruth Roeder / ChromOrange / picturedesk.com

Topinfos f端r engagierte Gewerkschafterinnen

Bankenunion: kein steuergeld mehr F端r bankenrettung SEITE SEITE SEITE

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Vor Streikfreigabe: Landesregierung ver weiger t faire Lohnverhandlungen Gef辰hrliche Drohung: Programm der Neos verspricht nichts Gutes Recht auf Krankenstand: K端ndigungen nicht einfach hinnehmen


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Topinfos

Inhalt Titelbild: Banken sollen künftig in einen „Pleitefonds“ einzahlen.

2 Landesregierung 3

auf Tauchstation Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

4 Neos

– eine gefährliche Drohung Geht es nach dem Programm der Neos, soll vor allem bei ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen kräftig abkassiert werden.

Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

8 Niemals

vergessen Im Gespräch mit FSG-Bundesgeschäftsführer Willi Mernyi.

Service

10 (Hör-)Buchtipps 11

Dein Recht, Antworten auf Fragen

Klartext

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Schnittmenge: Null

Grundsatz

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Wege zur echten Gleichstellung

Europa/International

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Erste Säule der Bankenunion steht

lANDESREGIERUNG

auf Tauchstation Vor Streikfreigabe: Falls die niederösterreichische Landesregierung faire Lohnverhandlungen weiter verweigert, werden gewerkschaftliche Maßnahmen anlaufen. „Da die niederösterreichische Landesregierung offenbar auch nach der Nationalratswahl auf Tauchstation bleiben will, bleibt uns als Vertreterin der Gemeindebediensteten keine andere Wahl: Falls nicht innerhalb der nächsten Tage doch noch faire Lohnverhandlungen für die Bediensteten der niederösterreichischen Städte und Kommunen beginnen, wird die Gewerkschaft einen Streikbeschluss fassen und weitere Maßnahmen einleiten“, erklärte Anfang Oktober der

Vorsitzende der FSG in der der GdGKMSfB (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe), Christian Meidlinger. Geduld zu Ende „Als am 17. September mehr als 3.000 KollegInnen in St. Pölten vom Rathausplatz bis zum Landhaus gezogen sind, hat sich die Landesregierung nicht einmal blicken lassen. Auch seither ist von der Politik kein Mucks zu hören. Jetzt ist die Geduld der Bediensteten im nie-

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Sekretariat: Karin Stieber (karin.stieber@oegbverlag.at), A-1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39738, Fax 01/662 32 96-39793. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Lucia Bauer, Nani Kauer, Thomas Kallab, Bernt Neumann/Michael Dünser, Klaudia Frieben. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: FSG Vorarlberg, GdG-KMSfB, picturedesk.com, Waldhäusl, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit ­Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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Aktuelles


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für Gewerkschafterinnen

nach dem wahlkampf wird’s noch skurriler ... „Wahrheit, Transparenz, Fairness“ – das waren die Werte des Teams Stronach im Wahlkampf. Heute muss man sich fragen: Was blieb davon übrig? Nichts, so der schnelle Befund. Während jedes neue Medikament vor der Zulassung ausgiebig auf Herz und Nieren geprüft werden muss, spielt es in einem Wahlkampf keine Rolle, welche „Jedes neue MedikaPartei mit welchen Parolen anment muss vor der Zutritt. Hauptsache ausreichend lassung ausgiebig geMillionen sind vorhanden, um prüft werden. Für Parden WählerInnen irgendwelche teien gilt das nicht.“ Werte an die Wand zu malen. Willi Mernyi, FSGEs widerspricht beinahe allen Bundesgeschäftsführer demokratischen Grundregeln, mit autoritären Zügen, wie sie Frank Stronach nach der Wahl an den Tag legte, vor der Wahl überhaupt antreten zu dürfen. Wer seine Werte nicht einhalten kann oder will oder mit dem Ergebnis im Nachhinein nicht zufrieden ist, sollte im Grunde genommen an keiner demokratischen Wahl teilnehmen. Denn das ist Wählertäuschung!

derösterreichischen Gemeindedienst zu Ende: Die GdG-KMSfB wird den ÖGB um Zustimmung zum Streikbeschluss ersuchen“, sagte Meidlinger. Erika Edelbacher, Vorsitzende der Landesgruppe NÖ in der GdG-KMSfB: „Praktisch alle Bundesländer wie etwa Salzburg, Wien oder Vorarlberg haben ihren Gemeindebediensteten nach Verhandlungen eine Lohnerhöhung gegeben. Die Gemeindebediensteten sind rund ums Jahr für die BürgerInnen im Einsatz. Warum ausgerechnet Niederösterreich ihre Leistungen nicht anerkennen will, ist unverständlich.“ www.gdg-kmsfb.at

: : : : F S G direkt im A bo : : : : FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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Foto: Herbert Neubauer / APA / picturedesk.com

Unverständlich: Gemeindebediensteten in NÖ soll nicht einmal die Teuerung abgegolten werden. In St. Pölten gingen daher 3.000 Menschen auf die Straße.

Das Geschäft mit der Wahl: Mit Millionen wollte Frank Stronach (links) viele Stimmen kaufen. Jetzt will er laut Medienberichten sein Geld wieder zurück. Bekommt auch Hans Peter Haselsteiner, Geldgeber von Neos-Chef Matthias Strolz (rechts), sein Geld bald mit Zinsen zurück?

AKTUELLES

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Neos, eine gefährliche Drohung

maggie lässt grüSSen „Neos“ ist das altgriechische Wort für „neu“, das sind die Forderungen der Neos aber nicht. Im Gegenteil, sie enthalten eine Mischung aus altbekanntem und neoliberalem Gedenkengut mit dem Ziel: Weg mit Sozialleistungen und Arbeitsrechten. Von einer ähnlichen Politik Margaret Thatchers hat sich Großbritannien bis heute nicht erholt.

abschaffen, kürzen, streichen Das Kapitel Wirtschaft, Standort, Steuern ist insgesamt sehr unkonkret formuliert, aber die Schlagworte verheißen nichts Gutes und wirken wie eine Kurzfassung des Steuerprogramms der Industriellenvereinigung (eine Auswahl): ::: Reduktion der Steuerarten. ::: Einheitliche Berechnungsbasis für alle lohnbezogenen Abgaben, mit Höchstsatz für jede Abgabe.

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Aktuelles

::: Privilegien und Sonderregelungen durch umfassende Bereinigung von Ausnahmen abschaffen. ::: Lohnnebenkosten reduzieren (analog dem Steuermodell der Industriellenvereinigung – FAIRSteuern). ::: Dienstgeber- und Dienstnehmerbetrag zusammenlegen. ::: Mindestkörperschaftssteuer weg. Aus für Pendlerpauschale Insgesamt geht es den Neos um eine Senkung der Steuerquote, sie sprechen sich aus für geringere Steuern und Abgaben für Unternehmer. Wie das genau zu erreichen ist, das bleibt ziemlich offen. An mehreren Stellen wird auf das Steuerprogramm der Industriellenvereinigung (IV) verwiesen. Dort kann man nachlesen, dass mit der Senkung der Lohnnebenkosten ganz konkret die Senkung der Beiträge zur Unfallversicherung, zur Krankenversicherung, zur Arbeitslosenversicherung, zum Insolvenzentgeltsicherungsfonds und zum FLAF (Familienlastenausgleichsfonds)

Nichts Gutes für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen hat Neos-Chef Matthias Strolz in seinem Programm, vormals Mitarbeiter vom heutigen ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf.

gemeint ist. Die Wohnbauförderungsbeiträge und die Auflösungsabgabe sollen generell gestrichen werden. Außerdem soll die Steuerfreigrenze auf die Höhe der Mindestsicherung herabgesetzt werden – die Ärmsten mit den niedrigsten Einkommen sollen also mehr belastet, die Grenze für den Spitzensteuersatz dafür angehoben werden. Ausnahmen, Absetzbeträge und Steuerbegünstigungen sollen gestrichen werden, darunter auch das Pendlerpauschale. Pensionistinnen sollen zahlen In sich haben es die Ideen der Neos im Kapitel Budgetkonsolidierung. Hier finden sich Forderungen wie zum Beispiel: ::: Hacklerregelung sofort stoppen. ::: Befristeter Solidarbeitrag von 15 Prozent oder mehr für die nächsten fünf Jahre auf alle Pensionen über dem 1,5-fachen der ASVG-Höchstpension. Foto: HerbertT Neubauer / APA / picturedesk.com

Wie einige Punkte aus den „Plänen für ein neues Österreich“ verdeutlichen, träumen die Neos von einer Verschärfung des Sparkurses und einem stärkeren Steuerwettbewerb zulasten der ArbeitnehmerInnen. Im Kapitel „Europa“ finden sich Forderungen wie: ::: „Europäischen Steuerwettbewerb beibehalten; keine europaweit einheitlichen Steuersätze.“ ::: „Eine Fiskalunion im Sinne einheitlicher Steuern ist eine unnötige Zentralisierung und trägt nichts zur Lösung der Schuldenkrise bei. Eurobonds im Sinne einer gemeinschaftlichen Haftung für die Schulden der Euro-Staaten sind nicht sinnvoll, da die Gläubigerländer dabei keine Kontrolle über die Schuldenaufnahme in Schuldnerländern hätten und somit Haftung und Verantwortung getrennt wären.“


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Foto: EPA / picturedesk.com

Liberalismus

::: Drei Jahre lang Pensionen über der ASVG-Höchstpension nicht erhöhen. ::: Ausgaben für Bildung einfrieren. ::: Kosten im Gesundheitswesen senken. ::: Investitionsprogramme in Bund, Länder und Gemeinden reduzieren. ::: Sämtliche verbliebene Staatsbeteiligungen sollen in der ÖIAG zusammengefasst und punktuelle Privatisierungen vorbereitet werden. Die Kürzungen im Pensionsbereich, im Gesundheitsbereich und auch die Forderungen zur ÖIAG entsprechen 1:1 dem ÖVP-IV-Programm. Einsparungen im Bildungsbereich und bei Investitionen zu fordern, mutet in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit jedoch besonders skurril an. Freiheit zur Ausbeutung Im Kapitel „Pensionen“ fordern Matthias Strolz und seine Mitstreiter unter anderem: ::: Sofortige Angleichung des Pensionsantrittsalters von Männern und Frauen. ::: Geblockte Altersteilzeit abschaffen. Man braucht nicht übermäßig viel Fachwissen, um sich ausmalen zu können, wie sich das auf die Arbeitslosigkeit älterer ArbeitnehmerInnen auswirken würde, wenn all diese Maßnahmen, die einen früheren Pensionsantritt ermöglichen, gleichzeitig abgeschafft werden.

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Weitere skurrile Formulierungen gibt es im Kapitel „Mehr Freiheit“. Es ist sehr kurz und enthält unter anderem die Forderung nach der Aufhebung der Zwangsmitgliedschaft in allen Kammern und eine Aufhebung der Ladenschlussbestimmungen. Damit beschrieben die Neos ihre Definition von Freiheit: Gemeint sein kann wohl nur die Freiheit zur unbeschränkten Ausbeutung der ArbeitnehmerInnen. Das passt auch zur Forderung im Kapitel „Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver machen“, die da lautet: höhere Flexibiliät bei Arbeitszeiten und Gehältern. geregelte Arbeitszeit ade Noch konkreter und unverhohlener wird das dann im Kapitel Arbeit. Da heißt es weiter: Keine generelle uhrzeitund wochentagsgebundene Festsetzung der Arbeitszeit, sondern Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und ArbeitnehmerInnen auf Betriebsebene unter Berücksichtigung des Kollektivvertrags und von Nachhaltigkeitszielen in Bezug auf Gesundheit. Kollektivverträge, die zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden, haben aber Richtliniencharakter. Den Neos schwebt also eine komplette Abschaffung des Arbeitszeitgesetzes vor.

:::: die andere Freiheit :::: Die konservative Margaret Thatcher ließ Mitte der 1980er-Jahre Gewerkschaftsproteste brutal niederschlagen und spaltete mit ihrem „Liberalismus“ die Gesellschaft Großbritanniens. Zahlreiche Privatisierungen führten zu Kostenexplosionen. Während die ArbeitnehmerInnen darunter litten, wurden Reiche immer reicher.

Teilkrankenstand im programm Ebenfalls enthalten ist die Forderung nach der Einführung eines Teilkrankenstands. Als kleiner Ausgleich für all die Verschlechterungen ist wohl die Forderung nach einer jährlichen arbeitsmedizinischen Untersuchung aller ArbeitnehmerInnen gemeint: Einmal im Jahr sollen ArbeitnehmerInnen mit einer (verpflichtenden) Untersuchung beglückt werden, dafür sollen sie das ganze Jahr lang rund um die Uhr arbeiten, auch wenn sie nicht gesund sind. Auf den Punkt gebracht Die Neos wollen die Staatskassen zugunsten von Unternehmern sanieren. Interessen, historisch gewachsene Rechte (wie Kollektivverträge) der arbeitenden Bevölkerung scheinen zweitrangig zu sein. Schwer vorzustellen ist daher, dass die rund 230.000 ÖsterreicherInnen, die den Neos bei der Nationalratswahl trotzdem ihr Vertrauen ausgesprochen haben, sich mit dem Parteiprogramm auseinandergesetzt haben. Diese „Pläne für ein neues Österreich“ sind nichts anderes als eine gefährliche Drohung für ArbeitnehmerInnen. Autorinnen: Lucia Bauer, Litsa Kalaitzis E-Mail: litsa.kalaitzis@gpa-djp.at

Aktuelles

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:::: Martina Gerharter :::: Dr.in Martina Gerharter (7. August 1960 bis 20. September 2013) war von 2006 bis Oktober 2012 stellvertretende Vorsitzende der Kontrollkommission des ÖGB und danach Leitende Sekretärin des ÖGB für Finanzen und Mitglied des ÖGB-Vorstands.

:::: Walter Androschin :::: Walter Androschin, geboren am 26. Mai 1959, verstarb unerwartet im 55. Lebensjahr in der Nacht von 3. auf 4. Oktober 2013. Androschin war Vizepräsident der Salzburger Arbeiterkammer, Landesvorsitzender der Gewerkschaft vida und FSG-Landesvorsitzender.

Gewerkschaften verlieren zwei Persönlichkeiten Die Leitende Sekretärin des ÖGB für Finanzen, Dr.in Martina Gerharter, ist nach schwerer Krankheit im 54. Lebensjahr am 20. September verstorben. „Vielen war Martina Gerharter zu einer verlässlichen, beliebten und sehr kollegialen Wegbegleiterin geworden, die mit großem Engagement und aus einer tiefen inneren Überzeugung für die Gewerkschaft tätig war“, würdigte ÖGB-Präsident Erich Foglar ihre Verdienste. FSG-Salzburg-Landesvorsitzender Walter Androschin verstarb unerwartet Anfang Oktober. Gewerkschaft und Arbeiterkammer sah Androschin stets als Garanten dafür, dass Gesetze den Interessen der ArbeitnehmerInnen entsprechen. „Mit Walter Androschin verlieren wir einen Gewerkschafter, der stets mit Leidenschaft und voller Kraft für unsere Bewegung da war. Nichts konnte seinen Kampfesgeist erschüttern“, sagte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian über seine Verdienste. „Im Namen aller aus unserer Gewerkschaftsbewegung gilt unser tiefes Mitgefühl den Angehörigen in dieser schwierigen Zeit“, so Foglar und Katzian.

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Aktuelles


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kommentar

Wolfgang Katzian fsg-vorsitzender

breite zustimmung: „stoppt die Abzockerei“ Über 500 BesucherInnen auf der Dornbirner Messe unterzeichneten die von AK-Vizepräsidentin Manuela Auer (rechts im Bild) lancierte Petition, die sich gegen unverhältnismäßig hohe Millionenabfertigungen und Managergagen in Österreich und Europa richtet. „Wir wollen, dass die Einkommen der Manager wieder in einem anständigen Verhältnis zu den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten stehen“, so Auer, die kritisiert, dass die Gehälter der ATX-Spitzenmanager in den vergangenen zehn Jahren vom 20-Fachen auf das 49-Fache eines Durchschnittsgehalts hochgeschnellt sind. www.fsg.at/vorarlberg

:::: voll daneben und absolut verkehrt :::: Das Magazin „Format“ befragte vor kurzem 35 Manager darüber, was die neue Regierung machen sollte, um dem Standort Österreich wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Unter anderem Gottfried Haber von der Donau-Universität Krems: „Hohe Priorität muss die nachhaltige Ausgestaltung des Pensionssystems haben, also eine strikte Umsetzung des Versicherungsprinzips – man bekommt das heraus, was man über die Jahre eingezahlt hat.“ (Format, 27. September). Aber was hat das noch mit Versicherungsprinzip zu tun? Ulrich Schuh, Leiter des industrienahen Instituts „EcoAustria“, brachte es in einem Gastkommentar ebenfalls im Format (2. August) wenigstens auf den Punkt: „Damit wäre jeder Versicherte im Besitz eines ,Sparbuchs‘, dessen Kapital als Pension auf die Restlebenserwartung aufgeteilt werden kann.“ Im Klartext heißt das: Abschaffung unseres Pensionssystems. Und das geht mit Sicherheit voll daneben!

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Sozialstaat gibt es nur mit Sozialdemokratie Die Nationalratswahl ist geschlagen – dass die Sozialdemokratie stärkste Kraft in Österreich geblieben ist, das liegt nicht nur an den ArbeitnehmerInnen-Themen, die den Wahlkampf dominiert haben, sondern natürlich an der Hilfe und Überzeugungsarbeit, die auch viele BetriebsrätInnen dafür geleistet haben: dafür ein herzliches Dankeschön! Trotzdem müssen wir uns eingestehen, dass mehr drinnen gewesen wäre. Es ist uns nicht gelungen, noch mehr WählerInnen zu mobilisieren. Unsere Stimmenverluste sind nämlich nicht nur auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Parteienlandschaft diesmal größer war. Die Analyse beweist, dass die größte Wählerwanderung bei dieser Wahl von der SPÖ zu den NichtwählerInnen stattgefunden hat. Ich leite aus diesem Ergebnis zwei Botschaften ab. Erstens den deutlichen Auftrag, auch in den kommenden Jahren tatkräftig mitzugestalten. Bundeskanzler Werner Faymann hat es sowohl vor dem 29. September als auch danach betont: „Nur mit uns bleibt die ArbeitnehmerInnen-Politik an erster Stelle!“ Zweitens: Wir müssen uns in den kommenden Jahren noch mehr anstrengen, um den Menschen zu vermitteln, warum unser Kurs der richtige ist: Weil nur bei uns die Themen im Mittelpunkt stehen, die den ArbeitnehmerInnen am meisten am Herzen liegen – Arbeit, von der man leben kann, ArbeitnehmerInnenschutz, der diese Bezeichnung verdient, soziale Gerechtigkeit und sichere Pensionen. Ein kurzer Blick in die Forderungsprogramme der anderen Parteien bestätigt das. Mehr Verteilungsgerechtigkeit und eine Absicherung unseres Sozialstaats wird es nur mit der SPÖ in der Regierung geben. Das bedeutet für uns eine große Verantwortung, die wir auch wahrnehmen werden.

Kommentar

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Niemals vergessen

„Heute tragen sie anzug“ Nach der Nationalratswahl stehen die nächsten Wahlen schon vor der Tür: Die Arbeiterkammerwahlen und die EU-Wahl Ende Mai 2014. „FSG direkt“ sprach mit FSG-Bundesgeschäftsführer Willi Mernyi über den vergangenen Nationalratswahlkampf und zukünftige Herausforderungen.

FSG direkt: Österreich hat gewählt, zufrieden mit dem Ergebnis? Willi Mernyi: Als sozialdemokratischer Gewerkschafter ist man nur mit einem Ergebnis zufrieden: Mit einem, das die Rechte und Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen stärkt. Es tut daher schon weh, wenn sich WählerInnen der ÖVP und FPÖ zuwenden, jenen Parteien, die zum Beispiel im Jahr 2003 schon einmal die Pensionen schlagartig um bis zu 40 Prozent kürzen wollten und heute immer längere und billigere Arbeit einfordern, was geradewegs in die Armut führt, und die die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen am liebsten abschaffen würden.

:::: Zur Person :::: Willi Mernyi, geboren 1968, lernte Starkstrommonteur und an der Universität Linz Kulturmanagement. 1993 wurde er Bundessekretär der Gewerkschaftsjugend, heute ist er Sekretär des ÖGB für Organisation, Koordination und Service. Mernyi ist Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) und Mitglied im ORF-Publikumsrat. Er ist (Mit-)Autor einiger Bücher (siehe Seite 10). Die Wiener Symphoniker und das MKÖ veranstalteten anlässlich der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2013 erstmals ein Festkonzert am Wiener Heldenplatz. www.mkoe.at

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HINtergrund

FSG direkt: Trotzdem wählten viele einen 12-Stunden-Arbeitstag? Willi Mernyi: Nein, laut einer IFESUmfrage sind 80 Prozent gegen einen 12-Stunden-Arbeitstag. Aber die Menschen haben Angst um ihr Einkommen, vielleicht gar nicht so sehr um ihren Arbeitsplatz, denn Zigtausende wechseln jedes Jahr ihren Arbeitgeber, weil sie zu wenig verdienen, keine Aufstiegschancen haben oder das Arbeitsklima schlecht ist. Die menschliche Geschichte wird oft als Tyrannei, Knechtschaft und Elend beschrieben. Mit unseren hart erkämpften sozialen Errungenschaften haben wir die Menschen aus diesem Teil der Geschichte befreit. Aller-

dings gerät das, wenn es die Menschen für selbstverständlich halten, nur allzu schnell in Vergessenheit ... FSG direkt: ... die Menschen vergessen? Willi Mernyi: Ja, sie vergessen zum Beispiel die Wurzeln unseres Pensionssystems – unseres Umlagesystems, das sich in der Wiederaufbauphase nach dem Weltkrieg bewährte. Und seit der Finanzkrise 2008 zeigt sich, dass unser System noch immer das beste und stabilste der Welt ist. Wir haben keine Milliarden in einem staatlichen Pensionsfonds stecken, die verzockt werden könnten oder die der Staat zur Schuldentilgung plündern und dann den PensionistInnen nur noch Almosen auszahlen könnte, wie das in einigen EU-Krisenländern der Fall ist. Bei uns stecken die Beiträge direkt im Wírtschaftskreislauf und kurbeln die Binnennachfrage an, was das Wirtschaftswachstum belebt. Trotzdem schreiben einige MöchtegernExperten seit Jahrzehnten unser System schlecht. Irgendwann glauben das die Menschen auch – zumeist wiederum nur aus Angst. FSG direkt: Hat sich seither nichts verändert? Willi Mernyi: Die Welt ist aufgund neuer Kommunikationstechniken schneller geworden, aber zugleich auch flüchtiger, oberflächlicher. Was früher die Tellerwäscher in den USA waren, die


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Foto: Christian Müller / picturedesk.com

Auf Stimmenfang

zum Millionär werden konnten, sind heute die Arbeitskraftunternehmer, EinPersonen-Unternehmer, die glauben, im globalen Wettbewerb überleben zu können und von einer Projektarbeit zur nächsten hetzen. Oder PraktikantInnen und VolontärInnen, denen man ihre faire Entlohnung vorenthält. Erst wenn extreme Risiken über sie hereinbrechen, wie Krankheit, Scheidung, Berufsunfähigkeit oder Ähnliches, werden den Betroffenen oft die wahren Bedrohungen dieser modernen Arbeitsformen bewusst. Auch wenn sie heute einigen – in jungen Jahren – eventuell durchaus Spaß machen, kann davon niemand monatelang überleben oder sich was aufbauen. FSG direkt: Die Menschen setzen also aufs falsche Pferd? Willi Mernyi: Es wird ihnen sehr geschickt schmackhaft gemacht, wie so manche Wahlplakate auch zeigten. Vieles war angedeutet in Richtung „Altes raus, Neues rein“, das kommt bei Jüngeren gut an, sagt allerdings nichts darüber aus, ob das Alte gut oder schlecht ist oder das Neue besser sein wird. „Genug Steuern gezahlt“ klingt ebenso gut, aber ein Staat muss auch finanziert werden. Also wenn alle immer nur weniger Steuern zahlen, dann wird vom Staat nichts übrig bleiben, und was eigentlich alles Staat ist, ist den wenigsten so richtig bewusst ...

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Inszenierung ist alles, Sachpolitik nichts: Selten lässt sich ein Politiker zunächst von einer Hebebühne übers Volk hieven, nur um dann zum Volk wieder herabzusteigen. Ähnlichkeiten mit dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (Deutschland) sind nicht ganz auszuschließen.

FSG direkt: ... es interessiert die Menschen nicht? Willi Mernyi: Doch schon, aber erst dann, wenn alles weg ist, denn erst dann fällt es den Menschen auf. So lange ein Zug kommt, die Müllabfuhr kommt, Wasser aus der Dusche rinnt, der Kindergarten, die Schule, das Krankenhaus, die Autobahnen da sind, so lange merken es die Menschen nicht, weil alles eben da ist, weil alles selbstverständlich ist. FSG direkt: Und „Nächstenliebe“ in der Wahlwerbung? Willi Mernyi: Das war eine gekonnte Umdeutung von Fremdenfeindlichkeit. Denn was ist mit den Übernächsten? Die Hetzer, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten waren auch in diesem Wahlkampf sehr präsent. Nur erkennen sie die Menschen kaum noch. Trugen sie früher Bomberjacken und Stiefel, störten jede Gedenk- oder Wahlveranstaltung, so tragen sie heute Anzug und sitzen in den Parlamenten, wie das Bei-

spiel der rechtspopulistischen Partei „Goldene Morgenröte“ in Griechenland deutlich zeigt. Das wird vor allem bei der EU-Wahl eine Herausforderung ... FSG direkt: ... warum? Willi Mernyi: Es ist keine Kunst zu schreien: Raus aus der EU, raus aus dem Teuro, unser Geld für unser Land und so weiter. Aber wir müssen weiterdenken, bei allem Reformbedarf auf europäischer Ebene. Ein kleines einzelnes Land wie Österreich wird in einem globalen Wirtschaftswettkampf nichts ausrichten können. Multis werden noch jahrelang in asiatischen Ländern billiger produzieren lassen können als in anderen Staaten. Wir reden dabei aber nicht von Arbeitsverhältnissen nach unserem Verständnis, sondern von Ausbeutung. Und die gilt es abzustellen, weil das kein fairer, kein freier Wettbewerb ist. Das ist in Wahrheit menschenverachtend, das müssen wir stärker ins Bewusstsein der Menschen bringen, sie vor Hetzern und Rechtspopulisten warnen und vor allem politische Alternativen und Lösungen aufzeigen. Wir haben ein Wohlstandsniveau, das gut ist, das es gilt zu verbessern. Aber nicht mit populistischen Parolen, dass Fremde an allem schuld sind, dass Sozialschmarotzer unsere Schulden verursachen, oder dass die EU nur Geld kostet und uns nichts bringt. Das ist Volksverhetzung wie wir sie schon einmal erlebt haben. Aber daran können sich auch nur noch wenige erinnern. Wir müssen den Menschen klar machen, Gutes zu bewahren – egal wie alt es ist, weniger Gutes zu überdenken und anzupassen und Neues dazuzudenken ... nur so können wir die Zukunft meistern. Und wir müssen den Zusammenhalt wahren!

hintergrund

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(Hör-)buchtipps

Das Hörbuch wendet sich an Menschen, für die Zivilcourage mehr ist als ein Schlagwort. Es ist für diejenigen, die dem demagogischen Klima, das sich am Arbeitsplatz, im persönlichen Umfeld und in der Öffentlichkeit auszubreiten droht, etwas entgegensetzen wollen. Mit Hilfe dieses Hörbuchs sind die Tricks der Hetzer zu durchschauen. Es enthält Tipps, die konkret helfen, in schwierigen Gesprächssituationen Vorurteile zu entkräften und Menschen für sich zu gewinnen. Es werden jene Methoden vorgestellt, die man braucht, um die Attacken von Hetzern erfolgreich abzuwehren: Hetzer und ihre

: : : : H ör B ucht I P P : : : : Hetzer stoppen! Propaganda entlarven. Vorurteile entkräften. Willi Mernyi, Michael Niedermair, ÖGB-Verlag, 2013, Audio-CD (Hörbuch), 88 Minuten, 9,90 Euro. Propaganda entlarven, psychologische Aspekte in Gesprächssituationen, Vorurteile entkräften, Schritte zum Konter etc. Hörproben unter: www.hetzerstoppen.at

die Wurzeln von Mitsprache und Arbeiterkammern Arbeiterkammern, wie sie die demokratische Republik 1920/1921 schuf, waren „zu Kaisers Zeiten“ noch nicht durchsetzbar. Einen Teil der ihnen zugedachten Aufgaben übernahm das Arbeitsstatistische Amt im Handelsministerium der Habsburgermonarchie, der Staat wünschte sich mehr Information zu den Lebens- und Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen. Das Buch ist ein Beitrag zu den Wurzeln von Arbeiterkammern, Sozialministerium und Sozialpartnerschaft.

: : : : B uch T I P P : : : : „... mit sozialpolitischen Erwägungen“, Brigitte Pellar, 4. Auflage, ÖGB-Verlag, 2013, 380 Seiten, 38,– Euro Die Tipps gibt es in der ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefonnummer 01/405 49 98–132, www.oegbverlag.at E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at

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SERVICE

Foto: Bildagentur Waldhäusl

Hetzer stoppen! Propaganda entlarven

recht auf

Krankenstand ArbeitnehmerInnen (AN) haben ein gesetzliches Recht, wenn sie krank werden, in den Krankenstand zu gehen und sich auszukurieren.

Die gesetzlichen Bestimmungen definieren Melde- und Nachweisverpflichtungen, aber auch die Verpflichtung zur Fortzahlung des Entgelts für die Arbeitgeber (AG) für eine bestimmte Zeit (vor allem im Entgeltfortzahlungsgesetz, EFZG, und Angestelltengesetz, AngG). Dieses Recht wird nicht nur politisch von konservativliberalen Kreisen vermehrt in Frage gestellt, sondern immer wieder von AG in konkreten Fällen verwehrt. AN werden mit Kündigung bedroht, wenn sie – trotz Vorliegens einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit – ihr Recht in Anspruch nehmen und in den Krankenstand gehen. Das ist leider kein Einzelfall! kündigung nicht einfach hinnehmen Manche AN lassen sich eine Kündigung im Krankenstand nicht gefallen. Der § 105 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) gibt die Möglichkeit, die Kündigung bei Gericht mit Klage anzufechten, wenn AN wegen der nicht unberechtigten Inanspruchnahme eines Rechts gekündigt wurden. Ziel der Bestimmung ist es, AN die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, ohne dass diese die Beendigung des Arbeitsverhältnisses befürchten müssen. Der Anfechtungstatbestand trägt dem Umstand Rechnung, dass Ansprüche aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes oft nicht geltend gemacht werden. Unter „Ansprü-


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Dein Recht

Thomas Kallab che aus dem Arbeitsverhältnis“ sind all jene Ansprüche zu verstehen, die sich unmittelbar aus der Stellung als AN im aufrechten Arbeitsverhältnis ergeben. Dabei ist es gleichgültig, ob Anspruchsgrundlage ein Gesetz, Kollektivvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag ist. Die in einem weiten Sinn zu verstehenden Ansprüche umfassen neben finanziellen auch sonstige Leistungs- und Unterlassungsansprüche wie die Gewährung des Urlaubs, Unterlassung gesetzwidriger Überstundenanordnung, Abwehr einer Versetzung, Inanspruchnahme von Arbeitsverhinderung bei Krankheit oder Pflege eines nahen Angehörigen. Klagen zumeist erfolgreich Die Fristen für eine Klage sind sehr kurz (2 Wochen ab Zugang der Kündigung), was ein Grund dafür ist, dass nur vereinzelt Klagen eingebracht werden. Dabei sind derartige Klagen immer wieder erfolgreich. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Kündigung für rechtsunwirksam erklärt, weil der betroffene AN Überstunden weit über das gesetzlich zulässige Ausmaß verweigert hat. Das Landesgericht St. Pölten hatte vor kurzem folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Eine AN erlitt einen Arbeitsunfall und verletzte sich am Fuß. Als die AN dies ihrer Vorgesetzten mitteilte, wurde ihr mit Kündigung gedroht, wenn sie in den Krankenstand geht. Die

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AN arbeitete aus Furcht vor der Kündigung trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit weiter. Die Folge war, dass sich die Verletzung verschlimmerte und die AN nach einigen Tagen nicht mehr anders konnte, als sich krank zu melden. Sie wurde neuerlich mit der Kündigung bedroht. Selbst der Hinweis durch die AN, dass sie wegen des Arbeitsunfalls eine schwere Fußverletzung erlitten habe und jetzt nicht arbeiten könne, half nichts. Tage später erhielt sie die Kündigung. Das Landesgericht St. Pölten erklärte diese Kündigung für rechtsunwirksam und begründete dies damit, dass es ein gemäß § 105 ArbVG verpöntes Motiv darstellt, wenn der AG eine Kündigung ausspricht, weil die AN ihr Recht auf Krankenstand in Anspruch nimmt. Die Entscheidung ist zwar noch nicht rechtskräftig, zeigt aber, dass es durchaus Sinn machen kann, sich zur Wehr zu setzen. niemand ist gerne krank Lange und mühsam erkämpfte Rechte, wie das Recht auf Krankenstand, müssen nicht nur politisch, sondern auch im Einzelfall immer wieder verteidigt werden. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass es nach der derzeitigen Gesetzeslage und Rechtsprechung keinen Schutz vor Kündigung im Krankenstand gibt, wenn andere Gründe vorliegen. Es ist daher notwendig, dass der Kündigungsschutz im Krankenstand verbessert wird.

Jurist, Arbeiterkammer Wien E-mail: thomas.kallab@akwien.at

Mein Arbeitgeber hat mir mitgeteilt, dass alle ArbeitnehmerInnen (AN) meiner Abteilung eine bestimmte Schulung besuchen sollen. Ich aber nicht, weil ich das eh in meiner Bildungsfreistellung als Betriebsrats-Mitglied lernen kann. Ist das rechtens? Nein, Betriebsrats-Mitglieder dürfen auch bei Schulungsmaßnahmen nicht benachteiligt werden. Die konkrete Durchsetzung dieses Anspruchs kann aber schwierig sein. Setzen Sie sich daher so rasch wie möglich mit der zuständigen Gewerkschaft oder AK in Verbindung. Ich habe am Wochenende ausnahmsweise arbeiten müssen. Welchen Entgeltanspruch habe ich? Erst einmal müssen die Stunden, die Sie gearbeitet haben bezahlt werden. Dabei wird es sich regelmäßig um Überstunden oder Mehrarbeitsstunden handeln und ein entsprechender Zuschlag zustehen. Darüber hinaus besteht Anspruch auf Ersatzruhe für jene Stunden, die sie während der Wochenendruhe gearbeitet haben. Diese Ersatzruhe sollte in der darauffolgenden Woche vor der nächsten Ruhezeit konsumiert werden. Sollte das nicht möglich sein, muss ein späterer Zeitpunkt vereinbart werden.

SERVICE

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Nani Kauer

KlarText

E-mail: nani.kauer@oegb.at

Schnittmenge: Null Das Schöne an persönlichen Kolumnen: Man kann persönliche Meinungen kundtun. Und das geht hier und diesmal so: Erstens: Die absolut unverrückbare Meinung der Kolumnistin zum Thema Schnittmengen von SPÖ und FPÖ lautet: Gibt’s nicht. Erstens sowieso, und zweitens auch im Detail. Denn wer im Wahlprogramm schreibt „Österreicher zuerst (…) im Sozialsystem, volle Sozialleistungen erst bei Staatsbürgerschaft“ – der kann hintennach zwanzigmal schreiben, er wäre für die Erhöhung der Familienbeihilfe, gegen Pensionskürzungen, für Mindestlohn oder was auch immer. Zweitens: Danke an den FSG-Vorsitzenden dafür: „Politik hat nicht nur mit Verhandlungen und Geschiebe zu tun, sondern sehr viel mit Haltung.“ An den ÖGB-Präsidenten dafür: „Nach der Wahl muss gelten, was davor gesagt wurde: Nicht mit der FPÖ koalieren, das ist Charaktersache.“ Und Dank auch an den PRO-GE-Chef: „Eine Koalition geht nicht, wir müssen unseren Grundsätzen treu bleiben.“ Mehr ist dazu nicht mehr zu sagen.

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GRUNDSAtz

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damit niemand auf der Strecke bleibt

wege zur echten Geht es nach den geltenden Gesetzen, dann sind Frauen Männern gleichgestellt. Geht es nach der Realität, sind Frauen weit davon entfernt!

Hohe Einkommensunterschiede, ungleiche Chancen in der Arbeitswelt, eine hohe Teilzeitquote sowie die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit, verbunden mit der Hauptverantwortung im häuslichen Bereich, stellen für Frauen sehr viele Hürden dar.

„Wir schreiben keiner Frau vor, wie sie zu leben hat. Was wir aber für sie wollen, ist ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben.“ Renate Anderl, FSG- und PRO-GE-Frauenvorsitzende sowie Vizepräsidentin der AK Wien

Emotionale diskussion Geht es um Frauenpolitik in Österreich, werden Diskussionen dazu sehr emotional geführt. „Frauen sind ja eh gleichgestellt, Teilzeit ist gewollt, Fraueneinkommen ist Zuverdienst, Kinder gehören möglichst lange zu ihren Müttern“, alle diese Argumente werden vor allem immer wieder von konservativer Seite angeführt, wenn es darum geht, frauenpolitische Forderungen umzusetzen.


12. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2013

gleiche chancen

Frauen arbeiten vom 8. Oktober, dem sogenannten Equal Pay Day, bis 31. Dezember gratis. Dieser Zeitraum entspricht der ungleichen Entlohnung in Tagen: Denn Frauen verdienen um 23,2 Prozent weniger als Männer.

gleichstellung Diese Argumente sind für die FSG-Bundesfrauenvorsitzende, Renate Anderl, völlig inakzeptabel. Denn der aktuelle Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt im heurigen Jahr 23,2 Prozent. Zudem gibt es immer weniger Vollzeitstellen für Frauen, rund 35.000 Betreuungsplätze für Kleinkinder fehlen und bei den Ganztagsschulen hat Österreich enormen Nachholbedarf. Und Frauen werden oft nur noch in Teilzeit beschäftigt und können mit ihrem dadurch geringeren Einkommen kaum auskommen. „Wir schreiben keiner Frau vor, wie sie zu leben hat, was wir aber für sie wollen, ist ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben, mit ausreichender sozialer und finanzieller Absicherung und frei von Gewalt“, beschreibt Renate Anderl das Ziel der FSG-Frauen. Sowohl Frauen als auch Männer brauchen gute Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Das Ziel: Eine Gesellschaft und eine Arbeits-

d i rek t

: : : : F orderu n ge n der F S G - F raue n : : : : ::: Ausreichende, qualitativ hochwertige Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen mit einheitlichen Rahmenbedingungen ::: Verbesserte Anrechnung der Elternkarenzen ::: Bezahlter Papamonat ::: Kollektivvertraglicher Mindestlohn/-gehalt von 1.500 Euro brutto/Monat ::: Weiterentwicklung der Einkommenstransparenz ::: Frauenförderung als erzwingbare Betriebsvereinbarung ::: Rechtsanspruch von Teilzeit auf Vollzeit ::: Kein vorzeitiges Angleichen des Frauenpensionsalters Alle Forderungen und den gesamten Leitantrag gibt es im Internet unter: www.oegb.at/frauen

welt, in der niemand auf der Strecke bleibt. Viel wurde bereits erreicht, jedoch besteht trotz vieler Erfolge noch viel Handlungsbedarf. „Gleichstellung ist ein fundamentaler Wert einer funktionierenden Gesellschaft“, so Anderl, „darum werden wir unsere Forderungen auch vehement gegenüber der

nächsten Bundesregierung präsentieren, ein Frauenministerium mit sozialdemokratischer Spitze wird unsere volle Unterstützung bekommen“, so Renate Anderl. Autorin: Klaudia Frieben E-Mail: klaudia.frieben@proge.at

GRUNDSATZ

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erste Säule der Bankenunion steht

Kein Steuergeld mehr für Bankenrettung Genau fünf Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers hat die Europäische Union den ersten Schritt in Richtung Bankenunion geschafft.

Nach harten Verhandlungen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) hat das Europäische Parlament der Errichtung eines „Einheitlichen Aufsichtsmechanismus“ für die 17 Euro-Länder zugestimmt. Damit übernimmt die EZB ab Herbst 2014 die Aufsicht über die rund 130 größten Banken in Europa. Wie von uns ParlamentarierInnen gefordert, untersteht die EZB beziehungsweise die daran angeschlossene Aufsichtsbehörde dabei der demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament. Diesem müssen nicht nur umfassende Auskünfte über die Tätigkeiten der EZB erteilt werden. Darüber hinaus kann das Parlament auch über den Vorsitz der neuen Behörde mitbestimmen. Nicht zu Unrecht wird die Errichtung der gemeinsamen Bankenaufsicht vielfach

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Europa/International

als „wirtschaftspolitisch wichtigster Schritt seit der Euro-Einführung“ bezeichnet. Mit der gemeinsamen Aufsicht wird nämlich einerseits verhindert, dass nationale Aufsichtsbehörden zugunsten von Standortvorteilen die heimischen Institute nicht ausreichend kontrollieren – wie das in der Vergangenheit passiert ist. Andererseits ist die gemeinsame Europäische Bankenaufsicht die Grundlage für die zwei weiteren Säulen der Bankenunion (siehe Kasten rechts). Banken haften für Banken Den Kern der zweiten Säule der Bankenunion bildet ein gemeinsamer Fonds zur Abwicklung (das heißt Auflösung) von Pleitebanken. In diesen sollen alle Banken einzahlen, um im Notfall mit den eingezahlten Geldern für Pleite-

„Banken sollen in einen Pleitefonds einzahlen, der im Notfall für Haftungen zur Verfügung steht. In Zukunft fließt dann kein Steuergeld mehr in die Bankenrettung.“ Evelyn Regner, EU-Abgeordnete


12. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2013

Bankenaufsicht

:::: WAS IST DIE BANKENUNION? :::: Im September 2012 hat die Europäische Kommission als Antwort auf die Finanzkrise ihren „Fahrplan für eine Bankenunion“ vorgelegt. Laut diesem umfasst die geplante Bankenunion im Wesentlichen drei Säulen:

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1. eine einheitliche Bankenaufsicht, 2. ein harmonisiertes Einlagensicherungssystem und 3. ein gemeinsames System zur Sanierung und Abwicklung von Krisenbanken.

banken haften zu können. Bis Februar 2014 will die EZB nun die Bilanzen prüfen, um festzustellen, ob es Banken gibt, bei denen Verluste bereits vorhanden, aber noch nicht verbucht sind. Davon abgesehen muss hierzu noch ein weiterer Punkt geklärt werden: Nämlich wer letztlich die Entscheidung darüber treffen soll, wie mit einer pleitegegangenen Bank umgegangen wird. Der diesbezügliche Kommissionsvorschlag sieht vor, dass innerhalb einer neu zu schaffenden Abwicklungsbehörde die Kommission selbst über Sanierung oder Abwicklung einer Bank entscheiden kann. Ob die Kommission rechtlich gesehen diese Befugnis hat oder nicht, wird gerade untersucht.

Der Errichtung der ersten Säule, einer Europäischen Bankenaufsicht, hat das EU-Parlament am 12. September zugestimmt. Im Herbst 2014 soll die neue Aufsichtsbehörde, für deren Einrichtung die Europäische Zentralbank zuständig ist, ihre Arbeit aufnehmen. Die beiden weiteren Säulen sollen so bald wie möglich folgen.

sieht vor, dass bei einer Pleite neben den Mitteln aus dem Abwicklungsfonds vor allem Eigentümer und Gläubiger der betreffenden Bank zur Haftung herangezogen werden sollen. Einlagen bis zu 100.000 Euro sollen jedenfalls weiterhin geschützt bleiben. Trotzdem muss die Ausgestaltung der Einlagensicherung weiterhin überwacht und bei Bedarf korrigiert werden. Unter dieser Voraussetzung müssen wir uns dafür einsetzen, dass die Bankenunion sobald wie möglich umgesetzt wird, um zu verhindern, dass in Zukunft auch nur ein zusätzlicher Euro aus Steuergeld für die Bankenrettung ausgegeben wird. Autorin: Evelyn Regner

Steuerzahlerinnen schützen Der Bau der dritten Säule, die einheitliche Sicherung der Kundeneinlagen, ist noch am wenigsten weit fortgeschritten. Dabei hängt es von der Regelung der Einlagensicherung ab, ob die SteuerzahlerInnen trotz oder zumindest bis zur Einrichtung des Abwicklungsfonds für Bankenpleiten zahlen müssen oder nicht. Der Kommissionsvorschlag

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E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

:::: WE B T IP P :::: www.evelyn-regner.at

Europa/International

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w w w. f s g . a t

fair. sozial. gerecht.

Wer schuld hat an der wirtschaftskrise

74 %

43 %

„Voll und ganz schuld“ an der Wirtschaftskrise haben für 74 Prozent der österreichweit Befragten klar Spekulanten und jeweils für 63 Prozent Banken und Bankmanager. AusländerInnen hingegen wird nur von 8 Prozent eine Schuld zugeschrieben. 82 Prozent sind zudem der Meinung, dass nur die „Kleinen“ für die Krisenfolgen zahlen und die Reichen verschont bleiben. Satte 93 Prozent glauben, dass bestimmte Personengruppen auf Kosten anderer von der Krise noch profitieren. An ein Umdenken profitgieriger Akteure glauben nur 24 Prozent.

40 % 30 % 23 % 18 % 17 % 15 % 8%

Banken/Bankmanager Quelle: Zukunftsforum Österreich, Umfrage der OeNB (11–12/2012)

63 %

Spekulanten

Konzerne superreiche

griechenland

politikerinnen

spanien Portugal/Italien irland

ausländerinnen

3,9 % konfliktreiche Herbstlohnrunde Für Beschäftigte drohen massive Verschlechterungen. Die Herbstlohnrunde in der Metallindustrie startete konfliktreich, sie gilt als richtungsweisend für nachfolgende Kollektivvertragsverhandlungen. Trotz mehrstündiger Verhandlungen blieben die ersten beiden Runden der Kollektivvertragsverhandlungen der Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp mit dem Fachverband der Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) Anfang Oktober

ohne Ergebnis. Weder im Rahmenrecht noch bei den Lohn- und Gehaltserhöhungen wurde eine Annäherung erzielt. „Im Gegenteil haben die Arbeitgeber Forderungen präsentiert, die alle auf massive Verschlechterungen für die Beschäftigten

hinauslaufen“, berichteten die Verhandlungsleiter von GPA-djp und PRO-GE, Karl Proyer und Rainer Wimmer. Nach diesen ersten Runden zu urteilen, könnten weitere konfliktreiche Verhandlungen in anderen Branchen drohen. www.lohnrunden.at

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Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank

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P. b. b. Erscheinungsort Wien

VERLAGSPOSTAMT 1230 WIEN


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