"FSG direkt", 10/2014

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13. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2014

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TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN

INFRASTRUKTUR: VERSORGUNG SICHERN, AUSVERKAUF STOPPEN. SEITE SEITE SEITE

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Lohn- und Sozialdumping: Schär fere Maßnahmen gegen Schwarzunternehmer Freihandelsabkommen: Die Gefahren und worum es eigentlich geht ÖGB/AK-Modell: Den eigenen Vor teil online ausrechnen


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JETZT WIRD VERHANDELT

Inhalt Cover: Symbolbild für heimische Infrastruktur, OMV in Schwechat.

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750.000 Menschen wollen mehr Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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Lohn- und Sozialdumping Novelle soll schärfere Maßnahmen gegen Schwarzunternehmer bringen. Druck auf Finanzlobby steigt

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Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Neue gf. FSG-Frauenvorsitzende im Gespräch mit „FSG direkt“.

Service Dein Recht, Antworten auf Fragen

Grundsatz

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Ausverkauf stoppen Die Erwartungen der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten an den neuen Finanzminister.

750.000 MENSCHEN Mit der Präsentation des ÖGB/AK-Modells vor mehr als 5.000 BelegschaftsvertreterInnen im Austria Center Vienna ging die überparteiliche Kampagne „Lohnsteuer runter!“ in die nächste Phase. „Jetzt liegt es an der gesamten Bundesregierung, unser Modell aufzugreifen, zu diskutieren und umzuset-

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KONJUNKTURBELEBUNG

Europa/International

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Die Sache mit dem Freihandel ...

zen. Wir werden weiter Druck machen, bis den ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen spürbar netto mehr Geld bleibt“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar im bis auf den letzten Platz gefüllten Austria Center Vienna am 18. September. Seit dem Start der Kampagne Anfang Juli unterstützen mittlerweile insgesamt fast eine dreiviertel Million Menschen im ganzen Land die Forderung nach niedrigeren Lohnsteuern. „Diese beeindruckende Unterstützung haben tausende Belegschaftsvertrete-

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Thomas Kallab, Thomas Linzbauer. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: Thomas Linzbauer, BKA (Andy Wenzel), GPF, GBH, Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES


13. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2014

TOPINFOS FÜR GEWERKSCHAFTERiNNEN

MITTELSTANDSDEBATTEN – DIE BESCHÜTZER DER REICHEN

BelegschaftsvertreterInnenkonferenz, 18. September 2014

WOLLEN MEHR rInnen möglich gemacht, die für unsere Kampagne in Betrieben und in Dienststellen sowie im privaten Umfeld geworben haben. Dafür gebührt ihnen und euch allen unser ganz besonderer Dank“, so Foglar zu den FunktionärInnen im Saal und weiter: „Vor allem aber auch jenen, die unsere Forderung bisher unterschrieben haben – auf Listen oder im Internet!“ „Eine echte Steuerreform, wie wir sie vorschlagen, erhöht die Einkommen der Menschen, stärkt damit die Kaufkraft im eigenen Land und belebt die Konjunktur. Die Bundesregierung kann jetzt Stärke zeigen, indem sie die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen spürbar entlastet“, sagte Foglar. Nachsatz: „Und sie sollte diese Chance auch nutzen!“ Gesagt, getan: Bei der Regierungsklausur in Schladming Ende September verständigte sich die Regierung sogleich auf eine Lohnsteuerentlastung von zumindest einmal fünf Milliarden Euro. Und jetzt wird verhandelt, geplanter Beschluss im März 2015. Bis dahin gibt es das ÖGB/AK-Modell mit OnlineEntlastungsrechner unter: www.lohnsteuer-runter.at

:::: FSG DIREKT IM ABO :::: FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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Seit das ÖGB/AK-Entlastungsmodell für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen vorliegt, treiben die Blender und Beschützer der Reichen wieder verstärkt ihr Unwesen: mit vermeintlichen Mittelstandsdebatten. Sie wollen jene, die ohnehin schon sehr reich sind, noch reicher machen, und alle anderen sollen dafür arbeiten und bezahlen. Klares Indiz dafür: Sie wollen den Steuerfreibetrag noch senken. Was das bedeuten würde? Viele Teilzeitbeschäftigte und NiedrigverdienerInnen würden mehr (!) Lohnsteuern zahlen. Das ÖGB/AK-Modell würde hingegen alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen entlasten.

„Völlig absurd: Die Beschützer der Reichen wollen die Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte und NiedrigverdienerInnen noch erhöhen.“ Willi Mernyi, FSGBundesgeschäftsführer

Die gleichen Beschützer der Reichen stürzen sich nur allzu gerne auf die Gegenfinanzierung einer jeden Steuerstrukturreform, nur um zu verschleiern, worum es in Wirklichkeit geht. Daher schauen wir etwas genauer hin: Wer Nein zum ÖGB/AK-Modell sagt, sagt Nein zu Maßnahmen gegen Steuerbetrug. Sagt damit Nein zu Kaufkraftsteigerung und Konjunkturbelebung, sagt Nein zu Reformen und sagt Nein zu mehr Steuergerechtigkeit durch vermögensbezogene Steuern auf internationalem Niveau (siehe auch Seite 16). Mit letzterem Nein sagt man auch gleichzeitig Nein zu mehr Chancengleicheit bei Bildung, Nein zum beruflichen Weiterkommen und Aufstieg. Damit sagt man wiederum Nein zum Sparen und Aufbau von Eigentum, da die hohen Lohnsteuern dazu keine Möglichkeit lassen. Und damit sagt man Nein zum Schließen der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich. Daher sagen wir zu all diesen Punkten ganz klar Ja! Und wir wissen auch genau, wofür wir Ja sagen: Für ein verdientes Leben der arbeitenden Menschen und für eine (sozial)friedliche Zukunft unseres Landes. Dazu sagen wir gerne Ja!

AKTUELLES

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GEGEN SCHWARZUNTERNEHMER

SCHÄRFERE MASSNAHMEN In Österreich wird das Unterlaufen kollektivvertraglicher Mindestlöhne seit drei Jahren bestraft. Trotzdem häuften sich in den vergangenen Monaten Negativmeldungen zu Lohn- und Sozialdumping. Jetzt wird nachgeschärft.

1.700 Scheinanmeldungen in Wien, 513 illegale Bauarbeiter in Tirol und 101 illegale Arbeiter auf einer Baustelle in der Steiermark. „Zudem werden immer wieder neue Tricks entwickelt, um die Beschäftigten um ihren Lohn und die Gesellschaft um Sozialversicherungsbeiträge und Steuereinnahmen zu bringen. Jetzt werden einige Schlupflöcher geschlossen“, sagt AK-Präsident Rudi Kaske und begrüßt die für das 2011 in Kraft getretene Gesetz gegen Lohn-und Sozialdumping vorgeschlage-

nen Verschärfungen. „Allein für das bisherige Jahr wurden Geldstrafen in der Höhe von mehr als 3,6 Millionen Euro verhängt“, berichtet ÖGB-Präsident Erich Foglar.

Dass jetzt noch gezielter gegen jene Arbeitgeber vorgegangen wird, die sich nicht an die Gesetze halten, ist ganz im Sinne der arbeitenden Menschen. Hier darf es kein Pardon geben.“

Künftig soll auch das Vorenthalten von Sonderzahlungen, Zulagen oder Überstundenzuschlägen strafbar sein. Foglar: „Sozialbetrug ist kriminell und schadet nicht nur den ArbeitnehmerInnen, sondern auch den ehrlichen Unternehmen und dem Staat ganz massiv.

OPFER VON LOHNDUMPING Durch die Verschärfung des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungs-Gesetzes soll sichergestellt werden, dass konjunkturfördernde Baumaßnahmen auch der österreichischen Wirtschaft und somit den österreichischen Arbeit-

WEIL SICH’S GERADE JETZT AUSZAHLT, DIE PENSION AUFZUFETTEN.

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DEIN RECHT LOHN- UND SOZIALDUMPING

Baubranche stark betroffen: Beschäftigte sollen von ihrer Unterentloh-

Schlupflöcher werden geschlossen: GBH-Vorsitzender Josef Muchitsch

nung informiert werden, damit sie ihre Ansprüche verlangen können.

(links) und AK-Präsident Rudi Kaske begrüßen die Novelle.

nehmerInnen zugute kommen, denn am häufigsten werden Menschen, die in der Baubranche arbeiten, zum Opfer von Lohndumping. Auch ausländische Firmen, die in Österreich Aufträge abarbeiten, müssen ihre Beschäftigten für die Dauer der Tätigkeit in Österreich nach den österreichischen Kollektivvertragsbestimmungen entlohnen. Speziell in diesem Bereich werden immer wieder Verstöße festgestellt. Die Ausweitung der Kontrolle auf alle Entgeltbestandteile ist deshalb eine wichtige Maßnahme, um hier ganz gezielt gegen Unterbezahlung und Billigkonkurrenz vorzugehen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch dazu: „Ich freue mich, dass dadurch eine langjährige Forderung der Gewerkschaft Bau-Holz und unserer Sozialpartner-Initiative ,Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze‘ aufgenommen wurde. Damit gibt es ein klares Bekenntnis zu regionalen Firmen und Beschäftigten sowie Wertschöpfung.“ FINANZPOLIZEI AUFSTOCKEN „Diese Novelle bringt wesentliche Verbesserungen bei den Kontrollen“, so Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Mit der Novelle werde ein weiterer Punkt des Regierungsprogramms umgesetzt. Die Novelle soll noch im November im Parlament beschlossen werden und am 1. Jänner 2015 in Kraft treten. Die AK fordert zudem die Aufstockung der Finanzpolizei zur Kontrolle des Lohn- und Sozialbetrugs und die Verlängerung der Verjährungsfrist für die Beitragseinhebung zur Sozialversicherung von fünf auf zehn Jahre. www.gbh.at

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NOVELLE ZUM GESETZ: WAS KOMMEN SOLL ::: „Der Bau ist jene Branche, die am meisten von Unterentlohnung betroffen ist“, sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Deswegen ist eine wesentliche Maßnahme der Novelle die Ausweitung der behördlichen Lohnkontrolle auf sämtliche Entgeltbestandteile. Das sind beispielsweise Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld), Zulagen wie Gefahren- oder Nachtarbeitszuschläge und Überstundenzuschläge. ::: „Bei Nichtbereithalten der Lohnunterlagen werden die Verwaltungsstrafen verdoppelt“, betont Hundstorfer. Der Strafrahmen wird auf das Niveau des Strafrahmens für Lohndumping erhöht – bisher eine Geldstrafe von 500 bis 5.000 Euro, künftig von 1.000 bis 10.000 Euro. Die Strafe wegen Nichtbereithalten der Lohnunterlagen wird künftig je ArbeitnehmerIn, für den/die die Lohnunterlagen nicht bereitgehalten werden, verhängt, anstatt wie bisher pauschal je Arbeitgeber. ::: Zudem wird in Zukunft der/die betroffene ArbeitnehmerIn informiert, wenn es einen Strafbescheid gibt, weil er/sie zu wenig Lohn erhalten hat. Dies eröffnet die Möglichkeit, den ausstehenden Lohn vom Arbeitgeber zu verlangen beziehungsweise einzuklagen.

AKTUELLES

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UMDENKEN SETZT EIN

DRUCK AUF FINANZLOBBY STEIGT In den „Expertengruppen“ der EU-Kommission sitzen seit Jahren vor allem VertreterInnen der Finanzindustrie. Gewerkschaften sind fast gar nicht vertreten. EU-Abgeordnete schließen sich jetzt der Kritik von ÖGB und Arbeiterkammer an und erhöhen den Druck auf die Finanzlobby.

Seit Jahren sind ÖGB und AK die schärfsten Kritiker der Übermacht der Finanzund Industrielobbys in der EU. Langsam zahlt sich der Druck aus, und es scheint ein Umdenken bei den Verantwortlichen stattzufinden. So haben sich EU-Abgeordnete aus allen großen politischen Fraktionen kürzlich der ÖGB-Forderung angeschlossen, die Budgetmittel für die sogenannten „Expertengruppen“ der EU-Kommission einzufrieren.

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AKTUELLES

Die Beratergruppen der EU-Kommission sind seit Jahren extrem unausgewogen besetzt. Vertreten sind vor allem die Finanzindustrie und das „Big Business“, während Gewerkschaften fast gar nicht vorkommen. Eine ÖGB/AK-Studie hat kürzlich aufgedeckt: In 17 untersuchten Expertengruppen stellte allein die Finanzlobby 70 Prozent der Mitglieder. Die EU-Ombudsfrau hat die Missstände ebenfalls aufgegriffen und mit einer

öffentlichen Konsultation auf die ÖGBKritik reagiert. KEIN GELD FÜR BERATER-LOBBYS Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, forderte bereits vor Wochen: „Wenn sich die Situation um die ExpertInnengruppen nicht rasch verbessert, sollte das EU-Parlament auch ein vorübergehendes Einfrieren der Budgetmittel für diese Beratungsorgane


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KOMMENTAR F Ü R M E H R T R A N S PA R E N Z I M EU-LOBBY-DSCHUNGEL ::: Allein die Finanzlobby ist in Brüssel mit mehr als 700 Organisationen vertreten. Nur ein Bruchteil von ihnen ist im (freiwilligen) Lobbyregister eingetragen. ::: Die EU-Kommission hat die ÖGB-Forderung nach einer verpflichtenden Eintragung aller LobbyistInnen in das Register bislang immer abgelehnt. ::: Jetzt kündigt der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Kehrtwende an: „Unsere BürgerInnen haben ein Recht zu wissen, mit wem sich Abgeordnete und die MitarbeiterInnen von Kommission und Rat treffen. Ich werde deshalb ein verpflichtendes Lobbyregister vorschlagen.“ ::: Ein verpflichtendes Register wäre ein großer Erfolg für die Gewerkschaften. Aber Skepsis ist angebracht: So möchte Juncker den britischen Konservativen und Ex-Finanzlobbyisten Jonathan Hill zum neuen EU-Kommissar für die Finanzmärkte ernennen. www.oegb-eu.at

überlegen.“ Und genau das scheint nun möglich zu sein. Der Haushaltsausschuss des EU-Parlaments hat kürzlich eine Sperre der Budgets beschlossen. Das Plenum wird im Oktober darüber abstimmen. Die Gelder sollen erst freigegeben werden, wenn die EU-Kommission die lang versprochenen Reformen ihrer Beratungsgremien in die Wirklichkeit umsetzt. Das heißt: mehr Transparenz, eine ausgewogene Besetzung und ein Ende der Bevorzugung von Industrie und Finanzwirtschaft. REFORMEN STATT VERSPRECHUNGEN Versprechungen hatte die EU-Kommission bereits 2012 abgegeben, um die nötigen Haushaltsmittel für ihre Expertengruppen vom EU-Parlament zu erhalten. Passiert ist seither fast nichts. Der ÖGB hat deshalb mit anderen europäischen Gewerkschaften kurz vor den Abstimmungen ein gemeinsames Schreiben an die EU-Abgeordneten geschickt. Die klare Forderung: Das EU-Parlament soll standhaft bleiben und die Mittel sperren, bis die Reformen wirklich umgesetzt werden. Autor: Oliver Röpke E-Mail: oliver.roepke@oegb-eu.at

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WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER

INDUSTRIE GEFÄHRDET SOZIALEN FRIEDEN! Das Steuermodell der Industriellenvereinigung (IV) ist nicht fair, wie sein Name suggerieren will, sondern bestenfalls originell. Das Volumen, um das Steuern und Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen, ist mit 15 Milliarden Euro exakt zweieinhalb Mal so hoch wie jenes im ÖGB/AK-Modell. Im Gegensatz zum ÖGB/ AK- Modell hat die IV aber keine Gegenfinanzierungsvorschläge anzubieten. Neue Steuern sind erwartungsgemäß tabu. Damit wird sich an bei der ungerechten Steuerstruktur in Österreich allerdings kaum etwas ändern. Während der ÖGB gemeinsam mit der AK ein Modell für eine Steuerreform erarbeitet hat, das ein hohes, spürbares und vor allem darstellbares Volumen von sechs Milliarden Euro vorsieht, legt die IV ein Konzept vor, das aus Sozialabbau auf der einen Seite und durch eine Erhöhung der Staatsschulden auf der anderen Seite finanziert werden soll. Sparpotenzial sehen IV-Präsident Georg Kapsch und Co. nämlich beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag, beim Krankenversicherungsbeitrag, beim Unfallversicherungsbeitrag, beim Familienlastenausgleichsfonds und wieder einmal beim Insolvenzentgeltsicherungsfonds. Die Pensionsausgaben sollen genauso gesenkt werden wie jene für das Gesundheitswesen, Frühpensionen sollen eingeschränkt und die Erhöhung des Frauenpensionsalters schneller realisiert werden. Ein fatales Maßnahmenbündel, weil es nichts anderes bedeutet, als das Hineinschneiden voll zulasten der Arbeitnehmerinnen: beim ArbeitnehmerInnenschutz, bei den Pensionen und bei der Gesundheit – das ist Retro-Kapitalismus in Reinkultur. Wer das ernsthaft fordert, der gefährdet den sozialen Frieden in Österreich!

KOMMENTAR

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GLEICHSTELLUNGSPOLITIK

„OHNE SANKTIONEN GEHT ZU Gf. FSG-Frauenvorsitzende Ilse Fetik: „Frauen müssen von der Steuerstrukturreform profitieren.“

Ilse Fetik wurde im September zur geschäftsführenden (gf.) FSG-Frauenvorsitzenden bestellt. Sie folgte Renate Anderl nach, die nach dem Wechsel von ÖGB-Frauenvorsitzender Sabine Oberhauser ins Gesundheitsministerium neue gf. ÖGB-Frauenvorsitzende wurde. Ilse Fetik im Gespräch mit „FSG direkt“.

FSG direkt: Bei der Regierungsklausur Ende September war die Steuerreform ein Thema, zufrieden mit dem Ergebnis? Ilse Fetik: ÖGB und AK haben ein gutes Modell erarbeitet, das der Regierungsspitze übergeben wurde. Durch den niedrigeren Eingangssteuersatz und die erhöhte Negativsteuer sind die Frauen Gewinnerinnen des ÖGB/AK-Modells, denn es sind vor allem Frauen, die oft wegen Betreuungspflichten Teilzeit arbeiten oder in sogenannten Niedriglohnbranchen tätig sind. Daher ist es bedauerlich, dass der neue Finanzminister nur jene entlasten möchte, die Lohnsteuer zahlen. Aus frauen- und familienpolitischer Sicht ist das ein Armutszeugnis.

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HINTERGRUND

Das können wir FSG-Frauen so nicht hinnehmen, wenngleich ein grundsätzliches Bekenntnis der ÖVP zu einer Steuerreform nach der Regierungsklausur, im Vergleich zur vorherigen Haltung der ÖVP, als erster Schritt in die richtige Richtung zu werten ist. FSG direkt: Heuer wurde die Familienbeihilfe erhöht und die Auszahlungsweise auf monatlich umgestellt, ein Fortschritt? Ilse Fetik: Wir FSG-Frauen fordern schon seit längerem eine Reform der Familienförderung mit mehr Sachleistung wie zum Beispiel mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch die

Erhöhung der Familienbeihilfe für alle – ich betone für alle, bei gleichzeitiger Abschaffung der steuerlichen Freibeträge. Damit erteilen wir auch sämtlichen Forderungen von ÖVP-nahen Organisationen nach höheren Freibeträgen eine klare Absage. Warum? Weil von Freibeträgen nur jene profitieren, die ein so hohes Einkommen haben, dass diese Beträge überhaupt wirksam werden. Teilzeitbeschäftigte Frauen zum Beispiel, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, schauen bei diesen Forderungen durch die Finger. Daher sieht das ÖGB/AK-Modell ja auch richtigerweise Gutschriften in Form der sogenannten Negativsteuer vor. Wir wol-


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FRAUEN

WENIG WEITER“ len alle Familien und Frauen entlasten – nicht nur die besser verdienenden unter ihnen. Daher auch Ja, die Erhöhung der Familienbeihilfe ist aus dieser Sicht zu begrüßen. FSG direkt: Wie steht es um die Einkommensberichte? Ilse Fetik: Die Pflicht zur Erstellung von Einkommensberichten besteht seit 2011, heuer wurde die zunächst letzte Stufe erreicht, nun sind Betriebe ab einer MitarbeiterInnenzahl von 150 dazu verpflichtet. Wir wollen die Verpflichtung aber auch auf Unternehmen ab 100 MitarbeiterInnen ausdehnen. Bei großen Unternehmen gibt es laut einer Umfrage unter BetriebsrätInnen von ÖGB und AK mittlerweile Verbesserungen. Grundsätzlich sind die Einkommensberichte ein Schritt zu mehr Transparenz ... FSG direkt: Gibt es konkrete Zahlen? Ilse Fetik: Was die Unterschiede zwischen Männern und Frauen betrifft, zeigte sich in 31 Prozent der Fälle, dass Frauen überproportional in niedrigen Entlohnungsstufen sind. 27 Prozent der Befragten gaben an, dass der Gesamtunterschied beim Einkommen unter 5 Prozent lag, bei etwa 15 Prozent der Befragten betrug dieser zwischen 5 und 9 Prozent. 23 Prozent gaben einen Unterschied von 10 bis 19 Prozent an. Diese Zahlen zeigen uns, dass wir auch in Sachen Frauenförderung mehr tun müssen. Wir brauchen die Verankerung von Frauenförderung und Frauenförderplänen als erzwingbare Betriebsvereinbarungen im Arbeitsverfassungsgesetz. Und wir brauchen nachweisliche

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betriebliche Frauenförderung als Vorausetzung für die Vergabe bestimmter Unternehmenssubventionen und für die Vergabe öffentlicher Aufträge … FSG direkt: Klingt, als ob hier zu wenig weitergeht? Ilse Fetik: Aufgrund der Verschwiegenheitspflicht bleiben die Einkommensberichte im Betrieb. Es lässt sich daher auch schwer sagen, wie viele Firmen säumig sind. Die Zahlen zeigen uns auch, dass wir noch mehr Schulungsangebote für BetriebsrätInnen in Sachen Interpretation von Einkommensberichten brauchen. Und eines steht auch fest: Ohne Sanktionen geht in den Betrieben zu wenig weiter … FSG direkt: Das heißt, es braucht mehr Druck für Einkommensgerechtigkeit? Ilse Fetik: Ja, ganz klar! Wenn wir uns die Entwicklung beim Equal Pay Day anschauen, also jenem Tag, an dem Männer bereits jenes Einkommen erreicht haben, wofür Frauen noch bis zum 31. Dezember weiter arbeiten müssen, haben wir noch jede Menge Arbeit vor uns. Frauen verdienen noch immer um 22,7 Prozent bei gleichwertiger Arbeit weniger als Männer. Heuer lag dieser Tag am 10. Oktober, eine Verbesserung um zwei Tage gegenüber 2013. Erfreulich, aber es muss zukünftig schneller gehen, sonst brauchen wir weitere 40 Jahre bis zur Einkommensgerechtigkeit. Das geht ja auch einher mit der Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters. Frauen haben im Jahr 2033 zwar das gleiche Pensionsantrittsalter wie Männer, aber erst 20 Jahre später das gleiche Ein-

kommen für gleichwertige Arbeit? Das kann nicht sein, damit würde die Einkommensdiskriminierung von Frauen über Jahrzehnte hinweg weiter fortgeschrieben werden ... FSG direkt: Also jede Menge Arbeit für die FSG-Frauen? Ilse Fetik: Ja! Wir sind noch lange nicht am Ziel. Gleichstellungspolitik ist leider auch nicht etwas, was in wenigen Monaten erkämpft werden kann. Das geht nicht von heute auf morgen. Erinnern wir uns an das Frauenwahlrecht: Es hat fast 40 Jahre lang gedauert, bis Frauen das Frauenwahlrecht 1918 erkämpft hatten. Unser Ziel ist, dass Frauen selbstbestimmt und unabhängig leben können – ohne jegliche Diskriminierung. Frauen sind bei Bildung, bei der Erwerbstätigkeit auf der Überholspur, im Arbeitsleben führt diese Überholspur leider noch allzu oft in eine Sackgasse. Das müssen wir ändern, das ist unser Ziel! Das Interview führte Christoph Höllriegl. E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at

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„Frauen sind bei Bildung und Erwerbstätigkeit auf der Überholspur, im Arbeitsleben führt diese Überholspur leider noch allzu oft in eine Sackgasse.“ Ilse Fetik, gf. FSG-Frauenvorsitzende

HINTERGRUND

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BEFRISTETE ARBEITSVERHÄLTNISSE

AUSNAHMEFALL MIT BEDINGUNGEN Damit befristete Arbeitsverhältnisse grundsätzlich zulässig sind, müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Geschützt werden damit vor allem die ArbeitnehmerInnen. Aber selbst bei Unzulässigkeit muss nicht auf die Ungültigkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses bestanden werden.

Das Gesetz sieht an verschiedenen Stellen die Möglichkeit vor (insbesondere § 19 Angestelltengesetz und § 1158 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch), ein sogenanntes befristetes Arbeitsverhältnis (AV) zu vereinbaren. Darunter wird im Allgemeinen verstanden, dass bereits bei Beginn des AV ein Zeitpunkt vereinbart wird, an dem es auch wieder gleichsam automatisch und ohne Zutun der Vertragsparteien enden soll. Befristete Arbeitsverhältnisse sind grundsätzlich als Ausnahmefall anzusehen. WAS ZU VEREINBAREN IST Voraussetzung ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber (AG) und ArbeitnehmerInnen (AN). Diese kann, muss aber nicht schriftlich vereinbart werden. Dem Gesetz wird entsprochen, wenn die Befristung im Dienstzettel festgehalten ist. Jedenfalls muss derjenige/diejenige, der/die sich darauf beruft, die Befristungsvereinbarung beweisen. Die Vereinbarung muss bestimmt und unzweifelhaft erfolgen. Die Befristung kann mittels Datum festgesetzt oder an ein objektiv bestimmbares Ereignis, das der willkürlichen Beeinflussung durch AG oder AN entzogen ist, geknüpft sein. Wird eine Befristung für zum Beispiel sechs Monate beginnend am 15. Februar 2015 vereinbart, so ist der letzte Tag des AV der 14. August 2015, da der erste Tag des AV mitzählt.

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Ist kein Datum festgelegt, sondern das Ende des AV mit dem Eintritt eines Ereignisses verknüpft, so sollte der Eintritt dieses Ereignis jedenfalls nicht nur von einer Vertragspartei (AG oder AN) beeinflussbar sein. Zulässig ist zum Beispiel eine Befristung für die Dauer einer Karenzierung oder einer krankheitsbedingten Abwesenheit. Vereinbarungen wie „bis zum Ende des Auftrages“ oder

„bis Abschluss des Projektes“ sind im Allgemeinen keine ausreichende Bestimmung. Unzulässig sind Befristungen gem. § 11 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt sind. Im Mutterschutzgesetz ist eine Ablaufhemmung verankert (§ 10a). Demnach werden befristete AV bis zum Beginn

BUCHTIPP: ARBEITSRECHT IN FRAGE UND ANTWORT Müssen bei einer Bewerbung alle früheren Tätigkeiten angeführt werden? Wann verjährt ein Urlaubsanspruch? Wann kann man aus sozialen Gründen eine Kündigung anfechten? Im Berufsleben wird man unweigerlich mit solchen Fragen konfrontiert. Der bewährte Bestseller aus dem Ratgeberprogramm des ÖGB-Verlages gibt auf alle arbeitsrechtlichen Probleme, die im Laufe e i n e s Berufslebens auftauc h e n können,

eine kompetente Antwort. Die Gliederung erfolgt nach Sachgebieten, die Aufarbeitung in Form von Fragen und Antworten. Ein unentbehrliches Nachschlagewerk für alle in der Privatwirtschaft Beschäftigten. BESTELLMÖGLICHKEIT Arbeitsrecht in Frage und Antwort, Thomas Kallab (AK Wien), Marion Chwojka (AK Wien), Erich Ullmann (Jurist), ÖGB-Verlag, 15. neu bearbeitete Auflage 2014, 360 Seiten, inklusive e-Book inside, 29,90 Euro. ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefon 01/405 49 98-132 oder per E-Mail an: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.oegbverlag.at


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DEIN RECHT des absoluten oder individuellen Beschäftigungsverbotes (Schutzfrist) verlängert, es sei denn es liegt für die Befristung eine im Gesetz enthaltene sachliche Rechtfertigung vor (zum Beispiel Vertretung, notwendige Erprobung). Im Fall einer diskriminierenden Nichtverlängerung (beispielsweise wegen einer Schwangerschaft) kann abhängig von den Umständen des Einzelfalles auch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nötigenfalls gerichtlich durchgesetzt werden. WAS ZULÄSSIG IST Unzulässig sind sogenannte Kettenarbeitsverträge. Diese liegen vor, wenn mehrere befristete AV aneinandergereiht werden, ohne dass eine ausreichende sachliche Rechtfertigung dafür gegeben ist. AN sollen durch die Aneinanderreihung von befristeten AV nicht um den allgemeinen Kündigungsschutz gebracht werden können. Denn dieser greift nur bei vom AG ausgesprochenen Kündigungen und schützt grundsätzlich nicht vor dem vereinbarten Zeitablauf eines AV. Eine sachliche Rechtfertigung müsste schon für die erste (befristete) Verlängerung des AV gegeben sein. Bei einer zweimaligen befristeten Verlängerung sind schon gute Gründe notwendig, damit die vereinbarte Befristung auch vor Gericht hält. Unzulässige Befristungen gelten als (teil)nichtig. Das heißt, sie sind gedanklich aus dem Arbeitsvertrag zu streichen. Das AV gilt als unbefristetes. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgeführt, dass durch das Verbot sachlich nicht gerechtfertigter Kettendienstverträge nur AN geschützt sind; die durch das Verbot Geschützten müssen sich aber nicht auf die daraus resultierende Ungültigkeit berufen. Denn für AN sind Befristungen insofern von Vorteil, als damit ein sicheres AV für eine bestimmte, meist längere Dauer besteht, da für den AG, aber auch für den AN eine Kündigungsmöglichkeit zumeist ausgeschlossen ist. Dennoch ist die Kündigung eines befristeten AV vor dem vereinbarten Zeitablauf grundsätzlich zulässig. Nach der Rechtsprechung muss aber ein angemessenes Verhältnis zwischen der Dauer der Befristung und der Anzahl der Kündigungsmöglichkeiten gegeben sein, und diese muss jedenfalls sowohl AG als auch AN offenstehen. Je länger die Befristung, desto mehr Kündigungsmöglichkeiten können vereinbart werden. Auch muss die Möglichkeit zur Kündigung deutlich aus dem Vertragstext hervorgehen, widrigenfalls das AV als befristetes AV nicht gekündigt werden kann.

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THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at

Mein Arbeitgeber meint, ich muss 60 Stunden arbeiten ohne Überstunden und begründet das mit „Arbeitsbereitschaft“. Ist das zulässig? § 5 Arbeitszeitgesetz bestimmt, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit bis auf 60 Stunden, die tägliche Normalarbeitszeit bis auf zwölf Stunden ausgedehnt werden können, wenn der Kollektivvertrag oder die Betriebsvereinbarung dies zulässt und darüber hinaus in die Arbeitszeit der ArbeitnehmerInnen regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Arbeitsbereitschaft ist eine Arbeitszeitform mit reduzierter Arbeitsbelastung und zwar insofern, als AN dabei nicht Arbeiten im engeren Sinn leisten, sondern sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort für die eigentlichen Arbeitseinsätze bereithalten. Es kommt also darauf an, welche Arbeit sie leisten und in welchem Umfang. Sie sollten unbedingt Rat bei der zuständigen Gewerkschaft oder AK suchen! Sind Zulagen in die Berechnung des Überstundenzuschlags einzubeziehen? Gemäß § 10 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz ist bei der Berechnung des Zuschlages der auf die einzelne Arbeitsstunde entfallende Normallohn zugrunde zu legen. Was unter „Normallohn“ zu verstehen ist, ist oft im Kollektivvertrag geregelt. Im Grundsatz gilt, dass das Entgelt, das ohne weiteres einer konkreten Arbeitsstunde innerhalb der Normalarbeitszeit zugeordnet werden kann, auch der Ermittlung des Überstundenentgelts zugrunde gelegt werden soll. Würde also die Zulage auch für die konkrete Stunde als Normalarbeitszeit zustehen, muss sie auch bei der Bemessung des Überstundenzuschlags berücksichtigt werden.

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CHRISTOPH HÖLLRIEGL Aus der Redaktion. E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at

EIN HAUS AUF RÄDERN In einem heimischen Magazin stolperte ich über eine Autovorstellung. Preis des Testwagens: rund 340.000 Euro – für ein Cabrio namens Bentley Continental GT Speed. In der Basisausstattung soll es ihn um rund 100.000 Euro günstiger geben. Da muss man unweigerlich an Vermögenssteuern denken. Bekannte bauen sich gerade ein Haus um den gleichen Preis, Grundstück inbegriffen. Dennoch sehr viel Geld. Aber selbst wenn sich meine Bekannten noch drei (!) Bentleys in ihre Garage stellen, würden sie nach derzeitigem Diskussionsstand keine Vermögenssteuern zahlen – vorausgesetzt, sie besitzen zu zweit alles zu gleichen Teilen. Auch wenn sie ihr neues Haus sofort ihrem Kind vererben, wäre die Belastung nach den bei der FSG-Bundesfraktionskonferenz 2013 diskutierten Vorschlägen mit einmalig 800 Euro im Leistbaren. Aber das ist nur eine theoretische Frage: Da mehr als die Hälfte des Hauses über einen Wohnbaukredit finanziert wird, würde gar keine Erbschaftssteuer anfallen. Und da trauen sich die BeschützerInnen der Reichen immer noch, gegen vermögensbezogene Steuern zu wettern!

Weitere Privatisierungen verhindern: GPF-Vorsitzender Helmut Köstinger auf „Zustellgang“ mit einem Kollegen.

REICHTUM DER MILLIARDÄRE WUCHS WELTWEIT UM ZWÖLF PROZENT Wovon ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen nur träumen können, ist für die weltweit 2.325 Milliardäre fast normal: Ihr Vermögen wuchs laut einer Studie der Schweizer Großbank UBS in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsinformationsdienst Wealth-X im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent auf

rund 5,7 Billionen Euro an. Die meisten Milliardäre leben mittlerweile in Europa (775 Milliardäre). Das Vermögen der 33 heimischen Milliardäre stieg laut dem Wirtschaftsmagazin „trend“ immerhin noch um fast neun Prozent auf 119 Milliarden Euro an. Die Top Ten der Superreichen Österreichs haben rund 86 Milliarden Euro.

Luxuscabrio: Bentley Continental GT Speed Convertible auf der Auto Show Detroit, Jänner 2013. Foto: Uli Deck / dpa / picturedesk.com

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13. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2014

INFRASTRUKTUR ERWARTUNGEN AN NEUEN FINANZMINISTER

AUSVERKAUF STOPPEN „Staatsinteressen vor Wirtschaftsinteressen, keine neuen Privatisierungen und mehr Steuergerechtigkeit“, fordert Helmut Köstinger, Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, vom neuen Finanzminister. Nachsatz: „Der neue Finanzminister muss jetzt zeigen, was ihm wichtiger ist.“

„Wir erwarten uns, dass der neue Finanzminister Hans Jörg Schelling keine weitere Verscherbelung wertvoller österreichischer Infrastrukturunternehmen zur Sanierung maroder Banken zulässt“, bringt es Helmut Köstinger, Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF), auf den Punkt. „Weiteren Privatisierungsschritten bei Post und A1 Telekom Austria würden wir vehement entgegentreten.“ Denn die bisherigen Verkäufe hätten lediglich Einmaleffekte für das Budget gehabt, langfristig seien sie weder für die Infrastruktur des Landes noch für die Sicherheit der Arbeitsplätze gut gewesen. WEITERE ÖIAG-DEBAKEL ERSPAREN Die GPF setzt auf eine faire und sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit, um die wichtigen Herausforderungen anzugehen.
„Ich sehe den Wechsel positiv und hoffe, dass der neue Finanzminister und damit Verantwortliche für die ÖIAG uns weitere ÖIAG-Debakel, wie zuletzt die leichtfertige Abgabe der Mehrheit an der A1 Telekom Austria, ersparen wird. Wichtig wäre im Interesse Österreichs, dem Infrastruktur-Ausverkauf in der ÖVP entschieden entgegenzutreten“, fordert A1 Telekom AustriaBetriebsratsvorsitzender Walter Hotz. „Die österreichische Industrieholding und ihre Beteiligungsunternehmen sind mit rund 33.000 Beschäftigten im Inland und 67.000 Beschäftigten

weltweit von großer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich und mit den Kernunternehmen OMV, Post und Telekom wichtig für Versorgungssicherheit und Infrastruktur. Der ÖGB hat die jüngsten Vorgänge rund um die Telekom immer wieder schärfstens kritisiert. Umso mehr begrüßen wir jede Entwicklung, die die ÖIAG weg von einer Privatisierungsagentur hin zu einer vernünftig agierenden Staatsholding führt“, sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar. Köstinger dazu: „Es soll eine vernünftige Holding sein mit jenen Infrastrukturunternehmen unter einem Dach, die sich dafür eignen.“ Wichtig wäre es nach Ansicht Köstingers, das ÖIAG-Gesetz auch dahingehend zu ändern, dass der Staat „im Bedarfsfall“ auch Anteile an Unternehmen wieder zurückkaufen kann. „Die Übernahme der Telekom-Anteile durch Carlos Slim hat gezeigt, wie schnell es gehen kann, dass man eines der wichtigsten Unternehmen in Österreich billig aus der Hand gibt.“

würden die untersten und mittleren Einkommen entlasten. Das stärkt die Kaufkraft und die Konjunktur, was gerade in Zeiten relativ schwachen Wirtschaftswachstums von größter Bedeutung ist. Und genau das unterscheidet unser Modell von anderen, wie dem der Industriellenvereinigung, das tiefe Einschnitte in den Sozialstaat bedeuten würde.“ In dieselbe Kerbe schlägt Köstinger und erwartet vom neuen Finanzminister, die ÖVP-Meinung „keine neuen Steuern“ zu überdenken, und durch eine Steuerstrukturreform mit einer Millionärssteuer für mehr Steuergerechtigkeit in unserem Land zu sorgen. „Der neue Finanzminister Schelling muss jetzt zeigen, was ihm wichtiger ist: die Fortführung weitgehender Steuerbegünstigungen für Millionäre oder ein saniertes Staatsbudget mit der volkswirtschaftlich dringend nötigen Kaufkraftstärkung für die arbeitende Bevölkerung.“ www.gpf.at

ARBEITNEHMERiNNEN ENTLASTEN Der ÖGB-Präsident erneuerte anlässlich der Regierungsklausur auch die Forderung von ÖGB und Gewerkschaften nach einer Senkung der Lohnsteuer: „86 Prozent des von uns geforderten Entlastungsvolumens von 5,9 Milliarden Euro Gegen Ausverkauf: Bundeskanzler Werner Faymann und GPF-Vorsitzender Helmut Köstinger auf Betriebsbesuch (von links).

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Foto: Symbolbild, Martin Hirsch / APA-Grafik / picturedesk.com

www.f s g.at

DIE SACHE MIT DEM

FREIHANDEL ... … ist auf den ersten Blick problematisch. Das zeigen die aktuellen Auseinandersetzungen mit den Freihandelsabkommen der EU mit den USA einerseits, und mit Kanada andererseits.

Auf den zweiten Blick ist die Sache jedoch klar: JA zu Wirtschaftswachstum – NEIN zur Herabsetzung von Standards und rechtsstaatlichen Instanzen. Während das EU-USA-Freihandelsabkommen „TTIP“ (Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen) noch ausverhandelt wird, sind die seit 2009 geführten Verhandlungen über das EU-Kanada-Abkommen „CETA“ abgeschlossen. Offiziell veröffentlicht wurde der Text am 26. September im Rahmen

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des EU-Kanada-Gipfels. Auf 1.634 Seiten befindet sich das nicht unumstrittene Ergebnis der fünfjährigen Verhandlungen. WORUM ES EIGENTLICH GEHT Primäres Ziel von CETA ist der Abbau von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen. Dadurch sollen der Handel zwischen der EU und Kanada intensiviert und die Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks angekurbelt

werden. Die EU-Kommission rechnet mit zehn Milliarden Euro Wachstum pro Jahr – das entspricht nicht einmal einem Tausendstel der gesamteuropäischen Wirtschaftsleistung. Gut zwei Drittel des EU-Warenhandels wird ohnehin innerhalb des europäischen Binnenmarkts abgewickelt. Unter nichttarifären Handelshemmnissen versteht man ganz generell jene Standards und Vorschriften, die von Wirtschaftstreibenden oft als „Belastung“ bei grenzüberschreitendem Handel bezeichnet werden. In der Praxis handelt es sich dabei aber um Essenzielles: ArbeitnehmerInnenrechte, soziale Schutzstandards, Mindeststandards bei Lebensmitteln und Konsumgütern, Umweltstandards, KonsumentInnenrechte und dergleichen mehr – alles Dinge, die die BürgerInnen im täglichen Leben schützen.


13. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2014

EU–KANADA WACHSTUM UM JEDEN PREIS? Außer Frage steht, dass Europa dringend frische Impulse und Investitionen für neues Wachstum braucht. In weiten Teilen der EU halten Wirtschaftskrise und enorm hohe Arbeitslosigkeit weiterhin Einzug. Nur in den wenigsten EU-Mitgliedsstaaten kann in der Vergangenheitsform über die wirtschaftlichen Jahre der Flaute gesprochen werden. Dennoch müssen wir Wachstum nicht um jeden Preis in Kauf nehmen. Die Verhandlungen zu CETA fanden hinter verschlossenen Türen und zunächst fast unbeachtet von der Medienöffentlichkeit statt. Zwischenergebnisse wurden keine präsentiert. Weder das Europäische Parlament als die BürgerInnenkammer Europas noch ArbeitnehmerInnenvertretungen, Umwelt-NGOs oder zivilgesellschaftliche Organisationen wurden in die Verhandlungen eingebunden. Abzulehnen ist die „Investorenschutzklausel (ISDS, „Investor-to-state-dispute-settlement“, siehe Kasten), die ausländische Konzerne schützt, wenn diese sich ungerecht behandelt fühlen – etwa dann, wenn strengere Umweltschutzauflagen oder neue arbeitsrechtliche Standards potenzielle Gewinne schmälern – so die Investorenschutz-Logik. Ein solcher Rechtsstreit würde laut Klausel aber nicht vor der öffentlichen Gerichtsbarkeit ausgestritten, sondern im Rahmen eines privaten nichtöffentlichen Schiedsgerichts. Warum dies notwendig sei, bleibt schleierhaft. Kanada und die Europäische Union verfügen gleichermaßen über hoch entwickelte Rechtsstaatlichkeit und Rechtskultur. Die Anwendung von Schiedsgerichten anstelle der demokratisch legitimierten öffentlichen Gerichtsbarkeit ist mehr als fragwürdig und entschieden abzulehnen. Diese Ansicht teilen breite Teile der

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Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und NGOs ebenso wie die SPÖ-EU-Abgeordneten. Die designierte EU-Handelskommissarin Cecile Malmström untermauerte in ihrem Hearing im EU-Parlament Ende September leider dennoch ihre Pro-ISDS-Haltung bei CETA: „Die ISDSBestimmungen aus dem Abkommen herauszunehmen, wäre keine gute Idee.“ WIE GEHT ES WEITER? Wie genau die praktischen Konsequenzen des geplanten Abbaus von Handelshemmnissen – insbesondere all jener, die ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und öffentliche Dienstleistungen vor Herabsetzung oder Privatisierung schützen – aussehen, bleibt ungewiss. Klar ist aber, dass eine Abwertung europäischer Standards unter keinen Umständen zu tolerieren ist! Malmström hat beim Hearing zwar zugesichert, keine Unterminierung von Standards zuzulassen, aber ihre Haltung zum Investorenschutz im CETA-Abkommen bleibt abzulehnen. Auch die möglichen Auswirkungen auf TTIP gilt es genauestens zu beobachten. CETA wird oft als Blaupause für TTIP bezeichnet. Diese Abkommen haben weitreichende Folgen für Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in der EU und dem Rest der Welt. Umso wichtiger ist es daher, jegliche Nachteile für potenziell Betroffene auszuräumen. Mit ISDS und der Herabsetzung von Standards gibt es nur eines zu sagen: Zurück an den Start!

ISDS: INVESTORENSCHUTZKLAUSEL ISDS steht für „Investor-to-state-dispute-settlement“: Dieses System ermöglicht es ausländischen Unternehmen, den „Gast-Staat“ auf Schadenersatz zu verklagen, wenn dieser nach Investitionsbeginn gesetzliche Rahmenbedingungen ändert und das Unternehmen/der Investor einen finanziellen Schaden erleidet. Nationale Gerichte werden dabei umgangen – gestritten wird vor internationalen, privaten und nicht-öffentlichen Schiedsgerichten. Bekannte Beispiele: ::: Der schwedische Stromerzeuger Vattenfall klagt Deutschland wegen der Entscheidung für den Atomausstieg. ::: Das Tabakunternehmen Philip Morris klagt Uruguay aufgrund der Einführung von Warnhinweisen auf Zigarettenverpackungen. Ursprünglich wurden Klagemöglichkeiten für Investoren ins Leben gerufen, um zu Investitionen in Entwicklungsländern mit wenig entwickelter Rechtsstaatlichkeit zu motivieren. Weder die EU noch die USA oder Kanada verfügen über wenig entwickelte Rechtssysteme. Der Widerstand gegen den Investorenschutz wächst!

Autorin: Evelyn Regner

Die Gewerkschafterin Evelyn

E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

Regner ist seit 2009 SPÖEuropaabgeordnete, seit 2014

:::: WE B T IP P :::: www.evelyn-regner.at

geschäftsführende Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten.

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FAIR. SOZIAL. GERECHT.

2 Milliarden Euro durch Reformen: Ausnahmen

VERTEILUNG DER GEGENFINANZIERUNG Das ÖGB/AK-Modell würde eine Lohnsteuerentlastung von 5,9 Milliarden Euro bringen. Die Gegenfinanzierung muss ausgewogen sein: Zwei Drittel würden aus Maßnahmen gegen Steuerbetrug, aus der Eigenfinanzierungskraft und durch Reformen kommen. Nur ein Drittel käme aus vermögensbezogenen Steuern. Auf konkrete Maßnahmen muss sich nun die Regierung verständigen. Ein anderes Detail am Rande: Allein die Steuerrückstände (= fällige, aber nicht bezahlte Steuern) stiegen heuer auf 2,3 Milliarden Euro.

im Steuersystem beseitigen, Effizienzsteigerungen, 1 Milliarde Euro

Kompetenzbereinigungen,

mit wirksamen Maß-

Beteiligung der Länder,

nahmen gegen

Doppelförderungen

Steuerbetrug.

vermeiden.

1 Milliarde Euro

2 Milliarden Euro

aus der Eigenfinanzierung

mit mehr Verteilungsgerech-

durch Konsum- und

tigkeit: große Vermögen, Erb-

Konjunkturbelebung.

schaften, Schenkungen und Stiftungen etc. besteuern.

Quelle: www.lohnsteuer-runter.at

3,9 % JETZT EIGENEN VORTEIL AUSRECHNEN Das ÖGB/AK-Modell lässt sich in zwei Sätzen erklären: Die Menschen sollen sich wieder mehr leisten können. Damit steigen die Kaufkraft, das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung in unserem Land. Wenn die Bundesregierung das ÖGB/ AK-Modell eins zu eins umsetzen würde, dann zahlen ArbeitnehmerInnen mit niedrigeren Einkommen um fast die Hälfte weniger an Lohnsteuern. Von dem Modell würden alle Lohn- und Einkommensteuer-

pflichtigen profitieren. ArbeitnehmerInnen hätten je nach ihrer Einkommenshöhe zwischen 340 Euro und 3.140 Euro jährlich mehr netto vom Brutto. PensionistInnen würden zudem erstmals auch von einer Negativsteuer profitieren.

Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

Wie viel man persönlich netto mehr vom Brutto hätte, ist jetzt ganz einfach mit dem Online-Rechner zum Modell herauszufinden:

F–D5

/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank

P.b.b. 02Z031786M ÖGB-Verlag, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

Retouren an PF 100, 1350 Wien


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