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14. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2015
d i rek t FACEBOOK.COM/FSG.OEGB TOPINFOS FÜR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN
LOHNS TEUER G ESENK T! AB 2016
ARBEITSZEIT VERKÜRZEN ARBEIT FÜR ALLE Foto: colourbox.de
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Sechste Urlaubswoche: Forderung bleibt auf dem Tisch Drei-Länder - Allianz: Gipfeltref fen stellt Weichen Arbeitslosengeld: Sicher ist sicher
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HELDENPLATZ
Inhalt Cover: Vor mehr als 30 Jahren wurden zuletzt die Arbeitszeit und der Urlaubsanspruch angepasst. Symbolbild
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Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
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Gesundheits- und Krankenpflege Novelle ist kein großer Wurf, Gewerkschaft fordert Nachbesserungen. Stufenbau der Rechtsordnung
Kommentar
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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian
Foto: Christian Bruna / AP / picturedesk.com
SECHSTE URLAUBSWOCHE
FORDERUNG BLEIBT
Hintergrund
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Gipfeltreffen stellt Weichen Österreich, Deutschland und Schweden feilen an Kurswechsel in der EU.
Die Forderung nach der sechsten Urlaubswoche für mehr Beschäftigte bleibt aus Sicht der FSG auf dem Tisch. Für die ÖVP gibt es aber offenbar zwei Klassen von ArbeitnehmerInnen.
Service
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Recht, Antworten auf Fragen
„Die Forderung nach einer leichteren Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche für mehr Beschäftigte bleibt selbstverständlich eine Forderung der Gewerkschaften an die Politik. Alle, die meinen, arbeitsmarktpolitische und beschäftigungspolitische Maßnahmen seien ein Wunschkonzert der Industrie, befinden sich am Holzweg“, stellte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian klar. Zuvor verlangte die Industrie von der Bundesregierung eine klare
Grundsatz
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Bester statt immer nur billiger ASFINAG geht mit gutem Beispiel voran, Gewerkschaft hofft auf Nachahmer.
Europa/International
14 Konzernbesteuerung
Tricksereien müssen ein Ende haben, Untätigkeit kostet Milliarden Euro. 16 Von der Digitalisierung profitieren
Aussage zur sechsten Urlaubswoche. Als dieses in Form einer Absage von ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner kam, brach die Industrie kurzzeitig in Jubelstimmung aus. Allerdings: „Von den ArbeitnehmerInnen immer mehr Flexibilität und Arbeitseinsatz zu fordern, ohne dass es im Gegenzug als Ausgleich eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensqualität gibt, das wird nicht funktionieren“, reagierte Katzian. Nachsatz: „Natürlich ist Sozialpartnerschaft immer mit Abtausch und Kom-
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Kathrin Liener, Oliver Röpke, Thomas Trabi, Thomas Kallab. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: FSG Wien, FSG GdG-KMSfB, Höllriegl, Röpke, Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
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AKTUELLES
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EDITORIAL MENSCHLICHKEIT SIEGT, HALTUNG BEWAHREN
Solidaritätskonzert: 150.000 setzten am 3. Oktober ein Zeichen für menschliche Asylpolitik.
AUF DEM TISCH promiss verbunden.“ Katzian erinnert auch daran, dass sechs Wochen Urlaub allen Beschäftigten nach 25 Jahren im selben Unternehmen rechtlich zustehen. Jedoch kommen aufgrund veränderter Erwerbsbiografien immer weniger Beschäftigte in den Genuss dieser sechsten Woche. Inzwischen sind das weniger als zehn Prozent. ZWEI KLASSEN VON BESCHÄFTIGTEN „Für die ÖVP gibt es offenbar zwei Klassen von Beschäftigten, denn im öffentlichen Dienst gibt es ein Anrecht auf eine sechste Urlaubswoche für alle Beschäftigten ab dem 43. Lebensjahr, unabhängig von der Dienstzeit“, stellt Katzian fest. Übrigens: Die letzte etappenweise Verlängerung des Urlaubs auf fünf Wochen fand 1986 statt, vor fast 30 Jahren. Zu einer Zeit, in der das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Seither ist die Arbeitswelt für viele schneller und stressiger geworden.
FSG DIREKT IM ABO „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per Post oder per E-Mail bezogen werden (www.fsg.at/abo). Anregungen und Beiträge einfach senden an: fsg@oegb.at
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Tausende Menschen machten sich am 3. Oktober auf den Weg zum Wiener Heldenplatz, um ein Zeichen der Menschlichkeit für Flüchtlinge zu setzen. Und für noch viel mehr. Nicht via Twitter oder über Facebook. Die „Lichterkette“ gegen Rechts strapazierte sichtlich die Handys (Bild links). Und das Netz war überlastet. Überlastet sind auch Tausen„Sozialer Frieden ist de Flüchtlinge in diesen Tagen. die erste Voraussetzung Flüchtlinge wie wir sie gewesen für Frieden zwischen wären, hätten sich nicht sozialden Menschen!“ demokratische GewerkschafterInnen vor Jahren und JahrWilli Mernyi, FSGzehnten dafür stark gemacht, Bundesgeschäftsführer sozialen Frieden in unserem Land zu schaffen. Sozialen Frieden mit einem starken Sozialstaat als Ausgleich zwischen sogenannten „Habenichtsen“ und „Besitzenden“. Und unser Netz, das Netz der Helfenden hält. Bildung, faire Löhne/Gehälter, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitslosenunterstützung, Absicherung im hohen Alter und so weiter. All das ist für viele heute selbstverständlich. Einige haben aber Angst davor, dass ihnen diese sozialen Errungenschaften, zumeist von ihren Eltern oder Großeltern erkämpft, weggenommen werden könnten. Von Flüchtlingen, von Langzeitarbeitslosen, von Kranken oder von SozialschmarotzerInnen. Sie denken kaum noch daran, wer diese Grundpfeiler für sozialen Frieden und damit die Voraussetzung für Frieden überhaupt geschaffen hat, zugleich die beste soziale Absicherung für die arbeitenden Menschen, wenn etwas Unvorhersehbares passiert wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Wir müssen die Ängste und Sorgen der Menschen noch stärker in den Vordergrund rücken, gleichzeitig müssen wir unsere sozialen Errungenschaften – den Status quo unseres Sozialstaates wenn man so will – noch besser erklären und klarmachen, welche politischen Kräfte sich für den Erhalt und die Verbesserung wirklich einsetzen!
AKTUELLES
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Foto: GdG-KMSfB/Robert Rubak
Nachbesserungen: In Wien will man nicht auf die Umsetzung der Gesundheits- und Krankenpflege-Novelle warten. Gemeinsam mit 100 Bediensteten übergab die Gewerkschaft einen Forderungskatalog an Stadträtin Sonja Wehsely.
GESUNDHEITS- UND KRANKENPFLEGE-NOVELLE
NOCH KEIN GROSSER WURF Lange ließ die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (kurz GuK) auf sich warten. Der große Wurf blieb letztendlich leider aus. Aus Sicht der Gewerkschaft bedarf es noch einiger Änderungen.
Im Sommer hat das Gesundheitsministerium einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der die Pflegeberufe neu ordnet: ::: in die Pflegehilfe, ::: die Pflegeassistenz und ::: den gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege. Die Ausbildung soll für alle neun Bundesländer gleich gelten. „Positiv fällt die Überführung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Kranken-
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AKTUELLES
pflege in den tertiären Bildungssektor auf“, heißt es in der Stellungnahme der Fachgruppenvereinigung für Gesundheitsberufe des ÖGB. Aus Sicht der Gewerkschaft bedarf es aber noch einiger Änderungen. KOMPETENZ-WIRRWARR „Die Dreigliedrigkeit des Pflegeberufs lehnen wir ab. Wir sehen die Gefahr von Kompetenzüberschneidungen in der Praxis“, sagt Susanne Jonak, Vorsitzende der Hauptgruppe II – Wiener
Krankenanstaltenverbund in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB). Auf die einjährige Ausbildung der bisherigen Pflegehilfe beziehungsweise der geplanten Pflegeassistenz muss zugunsten der zweijährigen Pflegefachassistenz verzichtet werden, das sieht auch die Fachgruppenvereinigung so. Im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) ist ein Schlüssel von 80 Prozent gehobenem Personal zu 20 Prozent Pflegehilfe Alltag. „Durch
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ARBEITSMARKT VOR ORT FRAUEN HABEN EIN
RECHT AUF GUTE ARBEIT Immer mehr Frauen sind erwerbstätig, aber gleichzeitig steigt auch die Teilzeitquote. Während die einen zu viel arbeiten – oft noch unbezahlt, geht den anderen die Arbeit aus. Zeit für eine Neuverteilung der Arbeitszeit! Länger arbeiten, mehr Überstunden machen, später in Pension gehen und noch flexibler werden. Und damit den ArbeitnehmerInnen trotz dieser Patentrezepte der Wirtschaft nicht die Motivation verloren geht, wird dazu regelmäßig die Rute des Jobverlustes ins Fenster gestellt. ARBEITEN AM LIMIT Resultat dieser absurden Strategie ist die Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in traurige Rekordhöhen steigt, während gleichzeitig immer mehr Menschen an
die neue Ausbildung wird es zu einem Rückgang an bestqualifiziertem Personal kommen. Die Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz wird vermehrt zum Einsatz kommen und die Zahl der gehobenen Pflegekräfte wird sinken“, befürchtet Jonak. FINANZIELLE ABSICHERUNG Wichtig ist der GdG-KMSfB auch eine gesetzliche Verankerung, dass bisher Ausgebildete keine Schlechterstellung in finanzieller Hinsicht, bei der Karriereplanung und der Ausübung ihrer Kompetenz erfahren dürfen. Und einen kleinen, aber feinen Unterschied macht auch die Berufsbezeichnung: Zwar soll es laut dem Gesetzesentwurf eine tertiäre Ausbildung für den gehobenen Dienst geben, aber die an-
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ihrem persönlichen Limit arbeiten – ein Paradoxon, von dem Frauen besonders betroffen sind. Nicht nur, weil sie den Löwenanteil an freiwilliger Pflege- und Betreuungsarbeit leisten. Immer mehr Frauen sind zwar erwerbstätig, aber gleichzeitig steigt auch die Teilzeitquote – mit 46,9 Prozent arbeitete fast jede zweite Beschäftigte im Vorjahr Teilzeit, viele davon alles andere als freiwillig. Auswege wären aber gar nicht so kompliziert, wie es die Dienstgeber gerne
tiquierte und verniedlichende Bezeichnung der Krankenschwester wird beibehalten. VERHANDLUNGSAUFTAKT IN WIEN In Wien will man jedenfalls nicht das Inkrafttreten der GuK-Novelle abwarten. Anfang September übergab die Gewerkschaft gemeinsam mit 100 Spitalsbediensteten einen Forderungskatalog an Stadträtin Sonja Wehsely. Für Christian Meidlinger, Vorsitzender der GdG-KMSfB, ist der Personalbedarf zu evaluieren und anzupassen, außerdem müssen Bezüge ebenso wie Nachtdienstzulagen angehoben sowie Sonn- und Feiertagsdienste besser abgegolten werden. www.gdg-kmsfb.at
ILSE FETIK FSG-FRAUENVORSITZENDE darstellen. Mehr als 270 Millionen Überstunden wurden beispielsweise in Österreich allein im Vorjahr geleistet, jede fünfte davon auch noch unbezahlt. Wenn es gelingen würde, ein Drittel dieser regelmäßig anfallenden Überstunden in mehr Arbeitsplätze umzuwandeln, wären das über 50.000 Vollzeitarbeitsplätze. Oder: Eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden, wie wir sie fordern, also um 10 Prozent, würde ein Beschäftigungswachstum von rund 100.000 neuen Jobs bringen. Damit könnte nicht nur Österreichs Wirtschaft endlich an Fahrt gewinnen. Das würde vor allem auch bedeuten, dass endlich mehr Frauen in Beschäftigung, in qualitativ hochwertige Vollzeitarbeitsplätze gebracht werden könnten – das bedeutet weniger Teilzeit und das raschere Schließen der Einkommensschere. Frauen haben ein Recht darauf! www.gpa-djp.at/arbeitszeit
Autorin: Kathrin Liener
AKTUELLES
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STUFENBAU DER RECHTSORDNUNG
ES GEHT IMMER NUR BESSER Im österreichischen Recht wird vom „Stufenbau der Rechtsordnung“ gesprochen. Als Basis gilt das Gesetz. Die Bestimmungen in Kollektivverträgen können dann für ArbeitnehmerInnen nur besser als das Gesetz sein. Betriebsvereinbarungen dürfen dann wiederum nur besser als die anzuwendenden Kollektivverträge sein. Wer kennt das nicht? Der Arbeitgeber legt einen Arbeitsvertrag vor und man weiß fürs Erste nicht so genau, ob man damit gleich gut fährt wie die anderen KollegInnen im Unternehmen. Es könnte ja auch sein, dass man länger arbeiten muss als die anderen oder weniger verdient. Viel wird gemunkelt, Gerüchte machen die Runde. Besonders Frauen werden oft benachteiligt, sie verdienen im ÖsterreichSchnitt noch um mehr als 22 Prozent weniger als Männer für gleichwertige Arbeit. Dazu kommt, dass mit sogenannten „All-in-Verträgen“ versucht wird, Leistungen abzugelten, für die eigentlich Zuschläge oder andere Vergütungen zustehen würden (zum Beispiel Überstundenzuschläge etc.). In so einem Fall ist es wichtig, dass jemand vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages ein Auge darauf wirft. Und das machen BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen sowie die zuständigen Gewerkschaften und Arbeiterkammern. ARBEITSVERTRAG: WAS GILT Im österreichischen Recht wird vom „Stufenbau der Rechtsordnung“ gesprochen. Als Basis gilt das Gesetz. Die Bestimmungen in Kollektivverträgen, die Gewerkschaften mit den VertreterInnen der Arbeitgeber ausverhandeln, können dann für ArbeitnehmerInnen nur besser als das Gesetz sein. Betriebsvereinba-
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AKTUELLES
rungen, die BelegschaftsvertreterInnen in den Betrieben mit den jeweiligen Arbeitgebern schließen, dürfen dann wiederum nur besser als die anzuwendenden Kollektivverträge sein. Sollte beispielsweise ein Arbeitsvertrag eine Verschlechterung gegenüber einer geltenden Betriebsvereinbarung beinhalten, ist diese Passage im Arbeitsvertrag ungültig. Es gilt die Betriebsvereinbarung. Damit wird auch das gegenseitige Unterbieten bei Entlohnung und Arbeitsbedingungen weitgehend ausgeschaltet. WAS JEMANDEM ZUSTEHT Dass es immer wieder da und dort schwarze Schafe unter den Arbeitge-
Die FSG Wien war bei der Demo für eine menschliche Asylpolitik am 3. Oktober in Wien mit dabei.
bern gibt, kennen die Gewerkschaften aus der Beratungspraxis nur allzu gut: Oft werden nicht einmal Mindeststandards eingehalten und einzelne ArbeitnehmerInnen so um ihre Rechte gebracht. Viele ArbeitnehmerInnen – vor allem jene, die nicht in Österreich ihre Schulausbildung gemacht haben – wissen zudem oft gar nicht genau über ihre Rechte Bescheid. Die Regelungen sind komplex, bringen ArbeitnehmerInnen aber jede Menge Vorteile. Daher ist es gut, dass es ExpertInnen bei den Gewerkschaften und BelegschaftsvertreterInnen gibt, die bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das schafft faire Arbeitsbedingungen für fast alle in unserem Land. Die Mitglieder machen
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KOMMENTAR GUT ZU WISSEN ::: Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt es nur, weil es in Österreich starke Gewerkschaften und Kollektivverträge gibt. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch darauf. ::: Die Gewerkschaften verhandeln die jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen und setzen sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ein. ::: Die Gewerkschaften bieten ihren Mitgliedern Rechtsschutz bei Differenzen mit dem Arbeitgeber. In vielen Fällen kann man sich auf dem Verhandlungsweg außergerichtlich einigen.
:::: WE B T IP PS :::: www.oegb.at www.kollektivvertrag.at www.watchlist-praktikum.at
Gewerkschaften stark und dadurch haben sie eine höhere Durchsetzungskraft als einzelne ArbeitnehmerInnen. Daher ist es auch so wichtig, dass viele bei der Gewerkschaft mit dabei sind!
WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
STARKES ZEICHEN DER MENSCHLICHKEIT Die EU steht vor großen Herausforderungen: Rekordarbeitslosigkeit, bescheidene Konjunkturaussichten, keine solidarische Lösung für die Schuldenkrise in Sicht. Dazu kommen Kriege außerhalb der Union, die Tausende Menschen in die Flucht treiben. Eine Herausforderung, die nicht kleingeredet werden kann – aber den Zustrom Schutzsuchender kann die EU nur gemeinsam bewältigen, wobei auch Österreich einen Beitrag leistet. Mir erscheint es besonders wichtig, die Diskussion zu versachlichen, zu hetzen und Angst zu schüren hilft niemandem. In Österreich hat sich bei vielen Menschen die Sichtweise durchgesetzt, Zuwanderung würde ausschließlich Gefahr oder Bedrohung bedeuten, dabei hat sie nachweislich auch gute Seiten: Die Zuwanderung trägt etwa dazu bei, das System der sozialen Sicherheit finanzierbar zu halten. Auch wenn Ewiggestrige uns immer wieder das Gegenteil weismachen wollen: Ausländische MitbürgerInnen zahlen schon jetzt mehr in die Sozialversicherung ein als sie an Leistungen in Anspruch nehmen. Andererseits müssen wir auch die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt thematisieren – Arbeit und Sprache sind die wichtigsten Hebel für erfolgreiche Integration. Anerkannte Flüchtlinge sollen rasch in Arbeit gebracht werden. Es gibt auch in Österreich Erklärungs- und Handlungsbedarf, aber eines stimmt mich positiv: In den vergangenen Wochen haben Tausende Menschen, Organisationen und Unternehmen bewiesen, dass sie nicht auf die Hetze aus dem rechten Eck hereinfallen. Die Zivilgesellschaft hat ein starkes Zeichen der Menschlichkeit gesetzt.
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KOMMENTAR
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„DREI-LÄNDER-ALLIANZ“
GIPFELTREFFEN STELLT WEICHEN Während konservative Regierungen ihre Angriffe auf Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen fortsetzen, fordern die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftschefs aus Österreich, Deutschland und Schweden einen Kurswechsel: Soziale Rechte müssen endlich aufgewertet, der Vorrang der wirtschaftlichen Freiheiten muss beendet werden.
Gemeinsame Ziele: Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Bundeskanzler Werner Faymann, SPD-Chef und Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel, der schwedische Gewerkschaftsvorsitzende Karl-Petter Thorwaldsson und ÖGB-Präsident Erich Foglar (von links)
Es läuft wieder vieles schief in Europa: Die britische Cameron-Regierung plant massive Einschränkungen des Streikrechts und erlaubt den Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher. Die finnische Rechts-Regierung streicht die Lohnfortzahlung für den ersten Krankheitstag und verbietet eine bessere Regelung in Kollektivverträgen. Höchste Zeit, dieser Entwicklung endlich etwas entgegenzusetzen. Viele europäische Gewerkschaften und sozialdemokratische Parteien fordern schon lange eine Änderung der EU-Verträge, damit soziale Rechte in
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HINTERGRUND
Demonstration von europäischen Gewerkschaften in Brüssel 2014: Soziale Rechte müssen endlich genauso viel zählen wie die wirtschaftlichen Freiheiten.
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DEIN RECHT FORTSCHRITTSPROTOKOLL
der EU endlich genauso viel zählen wie die wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarktes. DREI-LÄNDER-GIPFEL IN WIEN Deshalb wurde im vergangenen Jahr im schwedischen Bommersvik die „DreiLänder-Allianz“ der sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften aus Deutschland, Schweden und Österreich begründet. Nun gab es die Fortsetzung in Wien: Bundeskanzler Werner Faymann, der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven und der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel berieten mit den Vorsitzenden der Gewerkschaftsbünde, darunter ÖGB-Präsident Erich Foglar, und Sozialminister Rudolf Hundstorfer über die nächsten Schritte. SOZIALPROTOKOLL DURCHSETZEN Und es blieb nicht bei Ankündigungen: Die Partei- und Gewerkschaftschefs verabschiedeten einen konkreten Fahrplan für ihre gemeinsamen Forderungen. Die Europäische Union müsse dringend zu einer sozialen Union weiterentwickelt und die Rechte der ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften müssten besser geschützt werden. Deshalb fordern die Parteien und Gewerkschaften die „ehestmögliche“ Ergänzung der EU-Verträge durch ein soziales Fortschrittsprotokoll. Damit verpflichten sich erstmals die Regierungsspitzen aus drei EU-Ländern zu konkreten Schritten für ein sozialeres Europa. Nun müssen andere Verbündete nachziehen: Deshalb wirbt die „Drei-Länder-Allianz“ intensiv um Unterstützung bei anderen Parteien und Regierungen.
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FA K T E N & FO R D E RU N G E N ::: Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Schweden, die SPD und die SPÖ begründeten Ende 2014 eine soziale Allianz mit den Gewerkschaften: Das Ziel ist ein soziales Fortschrittsprotokoll in den EU-Verträgen. ::: Die sozialdemokratische Partei Schwedens und der Gewerkschaftsbund LO hatten bereits zuvor vereinbart, zukünftigen Vertragsänderungen nur noch zuzustimmen, wenn ein Sozialprotokoll eingeführt wird. ::: Auch in den Regierungsprogrammen in Österreich und Deutschland wurde die Aufwertung der sozialen Rechte im Binnenmarkt als Ziel vereinbart. ::: Damit soll der Vorrang der Wirtschaft vor den Rechten der Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen endlich beendet werden. ::: Der Gipfel in Wien bekennt sich nun zu den Kernpunkten eines solchen „Sozialprotokolls“. Es soll „ehestmöglich“ durchgesetzt werden. ::: Der Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) hat 2015 einstimmig die Unterstützung der Forderung beschlossen, andere sozialdemokratische Parteien folgen. Keine Unterstützung gibt es bislang von den Konservativen. Weitere Infos unter: www.oegb-eu.at
SOZIALDEMOKRATIE EINIG Einen ersten Erfolg gab es kürzlich in Wien: Beim ÖGB-Europadialog schloss sich der luxemburgische Ratsvorsitzende und Arbeitsminister Nicolas Schmit der Forderung an: „Ein Sozialprotokoll muss möglich sein“, so der luxemburgische Sozialdemokrat: „Es kann nicht sein, dass wir in der EU innerhalb von sechs Monaten eine Schuldenbremse durchsetzen, aber die Stärkung der sozialen Dimension soll nicht möglich sein.“ Bleibt zu hoffen, dass endlich auch die Konservativen und Liberalen ihren Kurs
ändern und dem Beispiel aus Schweden, Deutschland und Österreich folgen. Die drei Partei- und Gewerkschaftschefs werden jedenfalls nicht locker lassen: „Wir werden unsere Arbeit fortsetzen und konkrete Vorschläge zur Stärkung der sozialen Dimension der EU erarbeiten“, so die Botschaft des Wiener Gipfeltreffens. Autor: Oliver Röpke
:::: WE B T IP P :::: www.oegb-eu.at (ÖGB-Europabüro)
HINTERGRUND
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ARBEITSLOSENGELD
SICHER IST SICHER Arbeitslosigkeit ist belastend und bereitet oft viele Sorgen und Schwierigkeiten. Damit nicht auch noch die finanzielle Existenz gefährdet wird, gibt es das Arbeitslosengeld. Das Arbeitsmarktservice (AMS) zahlt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitslosigkeit – das Arbeitslosengeld (ALG) aus. Voraussetzungen: ::: Arbeitslose müssen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, also bereit zur Aufnahme einer Beschäftigung in einem Mindestausmaß sein (auch Teilzeit möglich). ::: Betreuungsverpflichtungen für Kinder werden unter Umständen besonders berücksichtigt. Auch ist der gleichzeitige Bezug von Kinderbetreuungsgeld und Arbeitslosengeld möglich.
::: Eine gewisse Mindestdauer an arbeitslosenversicherungspflichtiger (!) Beschäftigung muss nachgewiesen werden. Diese beträgt bei erstmaliger Inanspruchnahme des ALG 52 Wochen an arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten zwei Jahre, bei weiteren Inanspruchnahmen des ALG 28 Wochen innerhalb des letzten Jahres. Wird das ALG vor dem 25. Geburtstag beantragt, reichen bei erstmaliger Geltendmachung 26 Wochen innerhalb der letzten zwölf Monate. ::: Das ALG besteht aus Grundbetrag, Familienzuschlägen und einem allfäl-
Ob Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht und wie hoch dieses wäre, kann online abgefragt werden: http://ams.brz.gv.at/ams/alrech Weitere Informationen, Antragstellungen und Kontaktaufnahmen via „eAMS“-Konto: www.ams.at
ligen Ergänzungsbetrag. Als Grundbetrag gebührt ein „Tagsatz“ in der Höhe von 55 Prozent des aus der Jahresbeitragsgrundlage errechne-
BUCH-SERVICE
NEUERSCHEINUNGEN VOM BASIS- BIS ZUM PROFIPAKET Ohne schnellen Zugriff zu Gesetzen und Rechtskommentaren geht heute kaum mehr etwas im Betriebsrat. Was sich früher vielleicht noch beim Mittagstisch lösen ließ, verlangt heute sehr gute Kenntnisse der Gesetzeslage. Den Mitgliedern von Betriebsratskörperschaften steht daher vom Basispaket bis hin zum Profipaket jede Menge an Fachliteratur zur Verfügung. Und die Kosten für diese Art von Literatur hat das Unternehmen zu ersetzen. Aus dem Arbeitsverfassungsgesetz geht hervor, dass „Anspruch auf eine angemessene Ausstattung mit
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Fachliteratur“ besteht. „Juristische und sonstige Fachzeitschriften, Gesetzesausgaben, Kommentare etc. sind vom Betriebsinhaber in der jeweils aktuellen Ausgabe zur Verfügung zu stellen.“ „UP TO DATE“ MIT ÖGB-VERLAG Mit dem „Neuerscheinungsservice“ des ÖGB-Verlags ist man verlässlich und ganz einfach stets auf dem aktuellen Stand. Die relevanten Buch-Neuerscheinungen werden zur Ansicht zugesandt – etwa drei- bis viermal im Jahr, automatisch und selbstverständlich mit vollem Rückgaberecht.
ANMELDEN UND DABEI SEIN Mit der Sicherheit für die tägliche Arbeit in der betrieblichen Praxis bestens gerüstet UND stets auf dem Laufenden zu sein! ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132 oder per E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at, www.diefachbuchhandlung.at
www.arbeit-recht-soziales.at/neuerscheinungsservice 10
SERVICE
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Fortschritt: Die Schaffung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes geht bis ins Jahr 1918 zurück. Der damalige sozialdemokratische Staatssekretär für Soziales, Ferdinand Hanusch (1866–1923), griff zahlreiche Forderungen der ArbeiterInnenschaft auf. Mit den entsprechenden Gesetzwerdungen katapultierte er Österreich damals ins Spitzenfeld der sozial fortschrittlichsten Länder der Welt. Und da steht Österreich auch heute noch!
ten täglichen Nettoeinkommens. Zusätzlich gibt es Familienzuschläge für unterhaltsberechtigte Kinder, für die Familienbeihilfe gebührt. Während Schulungen wird ein Zusatzbetrag von 1,93 Euro täglich ausbezahlt. Durch einen Ergänzungsbetrag kann das ALG erhöht werden, sollten Grundbetrag und Familienzuschläge unterhalb eines gesetzlichen Mindestbetrags liegen (Ausgleichszulagenrichtsatz). ::: Das ALG gebührt grundsätzlich für 20 Wochen, bei 156 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung für 30 Wochen. Wenn das 40. Lebensjahr bereits vollendet wurde und innerhalb der letzten zehn Jahre 312 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung nachgewiesen werden, gibt es ALG für 39 Wochen; wenn das 50. Lebensjahr vollendet wurde und innerhalb der letzten 15 Jahre 468 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegen, dann für 52 Wochen. Nach dem Abschluss einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation oder bei Besuch einer Schulungsmaßnahme im Rahmen einer Arbeitsstiftung verlängert sich die Bezugsdauer.
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THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at ::: Das ALG kann nur durch persönliche Vorsprache beim AMS beantragt werden. Das sollte sofort nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geschehen (oder binnen zehn Tagen mit der Online-„Arbeitslosfrühmeldung“). Zuständig ist jenes AMS, in dessen Bezirk der Wohnsitz bzw. der ständige Aufenthalt liegt. Notwendig ist auch, eine Arbeitsbescheinigung vorzulegen, sofern der Arbeitgeber die Anund Abmeldung nicht elektronisch via Internet abwickelt. Die Arbeitsbescheinigung enthält Angaben zu der Dauer und Art des Arbeitsverhältnisses, Beendigungsart und Ansprüchen wie beispielsweise Kündigungsentschädigung. ::: Die Art, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde, ist wichtig für den Bezug von ALG. Eine fristlose Entlassung oder freiwillige Lösung eines (freien) Dienstverhältnisses führen dazu, dass für die ersten vier Wochen (28 Tage) kein ALG zusteht. Weiters steht kein ALG für die Zeit einer Kündigungsentschädigung, Urlaubsersatzleistung oder Entgeltfortzahlung im Fall von Krankheit zu. ::: Finanziert wird das ALG hauptsächlich aus Beiträgen der Beschäftigten. Autor: Thomas Kallab
Ich bin in Elternteilzeit. Mein Chef will mich versetzen – während meiner Teilzeit soll ich nur „untergeordnete“ Tätigkeiten machen. Ist das zulässig? Es gilt während der Elternteilzeit dasselbe wie sonst auch: Eine Versetzung ist nur zulässig, wenn sie im Rahmen der vereinbarten Tätigkeit erfolgt und bei Verschlechterung der Betriebsrat zustimmt. Versetzungen, die wegen der Elternteilzeit erfolgen, können aber auch diskriminierend sein und sind als solche bekämpfbar. Dafür gelten allerdings sehr enge zeitliche Grenzen. Daher schnellstens an die Gewerkschaft oder Arbeiterkammer wenden und sich beraten lassen! Für wie lange habe ich als BetriebsratsMitglied Anspruch auf Freistellung zur Weiterbildung? § 118 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) bestimmt, dass jedes Mitglied des Betriebsrats Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen bis zum Höchstausmaß von drei Wochen innerhalb einer Funktionsperiode unter Fortzahlung des Entgelts hat; in Betrieben, in denen dauernd weniger als 20 ArbeitnehmerInnen beschäftigt sind, hat jedes Mitglied des Betriebsrats Anspruch auf eine solche Freistellung gegen Entfall des Entgelts. In diesen Fällen kann der/die VeranstalterIn den Lohn-/Gehaltsausfall übernehmen.
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ASFINAG
BESTER STATT IMMER NUR BILLIGER CHRISTOPH HÖLLRIEGL
Die ASFINAG wendet ab sofort bei allen zukünftigen Ausschreibungen freiwillig das Bestbieterprinzip an. Die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) bedankt sich für diese Vorreiterrolle und hofft auf viele „Nachahmer“. Denn nur so bekommen regionale Firmen mit ihren Beschäftigten wieder eine Chance auf Aufträge.
Aus der Redaktion. E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at
MENSCH VW Er läuft und läuft und läuft ... so die einstige Werbung für den VW (Spar-)Käfer vor etwa 50 Jahren. Er läuft auch dann noch, wenn was schief läuft. 11 Millionen Motoren sind gegenwärtig nicht ganz ehrlich ihren BesitzerInnen gegenüber. Und sie verpesten die Lebensgrundlage von noch viel mehr Menschen. Das haben die rund 600.000 MitarbeiterInnen von VW nicht verdient, auch nicht zu verantworten.
Die ASFINAG und Verkehrsminister Alois Stöger haben seit dem Start der Initiative „FAIRE VERGABEN sichern Arbeitsplätze“ zugesagt, Pilotprojekte nach dem Bestbieterprinzip auszuschreiben. Das Ziel: Erkenntnisse aus der Praxis zu gewinnen. WENIGER PROBLEME Die Ergebnisse beweisen, dass sich das Bestbieterprinzip rechnet. Mehr Zeit für die Vorbereitung der Ausschreibung sowie mehr Einsatz bei der Angebotserstellung bewirken faire Preise und einen
In unserer heutigen digitalen Zeit könnte man die Fehlentwicklung aber auch ein wenig relativieren. Millionen von Menschen wollten keine Finanz-, Bankenoder Schuldenkrise. Mit Sicherheit nicht! Stellt sich die Frage, ob mit dem Siegeszug des digitalen Zeitalters nicht auch ein Instrument geschaffen wurde, mit dem wenige ungeheure Profite einfahren, diese aber immer von Millionen arbeitenden Menschen (zugleich SteuerzahlerInnen) bezahlt werden müssen.
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GRUNDSATZ
Foto: ASFINAG / OTS
Auch das sollte Thema sein, wenn es um die Zukunft der digitalen Wirtschaft geht, wenn von Industrie 4.0 die Rede ist. Ehrlichkeit und Gerechtigkeit gehören wohl einigen ins Stammbuch geschrieben. Damit eben nicht alles so weiterläuft, wie manches schon seit Jahren läuft!
Stellplatz der ASFINAG auf der A1.
fairen Wettbewerb, weniger Nachforderungen im Zuge der Abwicklung, eine hohe Qualität in der Ausführung und dadurch weniger Problemfälle in der Gewährleistung.
„Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip sind eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Allen Kritikern des Bestbieterprinzips beweist die ASFINAG, dass es funktioniert. Das ist der not-
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FAIRE VERGABEN
wendige Schuss vor den Bug für die ewigen Suderer. Der anfänglich Billigste ist nicht automatisch der Beste und langfristig oft wesentlich teurer. Unsere Steuergelder müssen wieder dort ankommen, von wo sie auch herkommen. Nämlich bei den regionalen Firmen mit ihren Beschäftigten”, so GBH-Vorsitzender und Nationalratsabgeordneter Josef Muchitsch.
FAIRE VERGABEN „Der freiwillige Vorstoß der ASFINAG ist ein richtiges Zeichen und ein großer Erfolg für unsere Initiative ,FAIRE VERGABEN sichern Arbeitsplätze!‛. Das ist aber auch ein klares Bekenntnis der ASFINAG an die seriösen heimischen Unternehmen mit ihren Beschäftigten. Ein herzliches Dankeschön an die ASFINAG“, sagt Muchitsch in die Richtung der Verantwortlichen. Auf gesetzlicher Ebene ist eine Novelle des Vergaberechts mit Beschluss im Herbst und Inkrafttreten im Frühjahr 2016 geplant. Die wichtigsten Eckpunkte sind:
„Der anfänglich Billigste ist nicht automatisch der Beste und langfristig oft wesentlich teurer. Unsere Steuergelder müssen wieder dort ankommen, von wo sie auch herkommen. Nämlich bei den regionalen Firmen mit ihren Beschäftigten.”
::: Volle Transparenz bei Sub- und Sub-Sub-Unternehmen: Nur mit Zustimmung des Auftraggebers dürfen Subunternehmer und Sub-Subunternehmer Aufträge ausführen.
Josef Muchitsch, GBH-Vorsitzender und Abgeordneter zum Nationalrat
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::: „Schwarze Schafe” sind von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen: Unternehmen, die gegen Lohn- und Sozialdumping verstoßen haben, sind bei Ausschreibungen nicht zugelassen.
::: Das Bestbieterprinzip kommt: Nicht mehr der Preis allein zählt, sondern auch Qualitätskriterien werden bei der Vergabe berücksichtigt. Im Baubereich ist ein verpflichtendes Bestbieterprinzip ab einer Million Euro Auftragssumme vorgesehen. ::: Klein- und Mittelunternehmen werden auch bei Großaufträgen berücksichtigt: Hier wird vorgesehen, dass Teilleistungen nach Gewerken ausgeschrieben werden können (Kleinlosregelung). Dadurch kommen nicht nur große Gesamtanbieter zum Zug, sondern auch kleine Gewerbetreibende können von direkten Vergaben bei großen Bauvorhaben profitieren und sind somit nicht mehr Subauftragnehmer von Generalunternehmern. Autor: Thomas Trabi
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GRUNDSATZ
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Foto: mauritius images / STOCK4B
Mehr als die Hälfte unserer jährlichen Lohnsteuersenkung ab 2016 geht in der EU durch dubiose Steuerpraktiken täglich verloren – genauer: 2,7 Milliarden Euro jeden Tag!
KONZERNBESTEUERUNG
TRICKSEREIEN STOPPEN Ein Jahr nach „LuxLeaks“ sind konkrete Maßnahmen gegen unfaire Steuertricks immer noch ausständig. Die Untätigkeit verursacht einen Verlust von 2,7 Milliarden Euro pro Tag (!) oder mehr als dem Fünffachen der jährlichen Wirtschaftsleistung Griechenlands. Am 5. November ist es genau ein Jahr her, als eine Gruppe von internationalen JournalistInnen einen der größten Steuerskandale in der jüngsten Vergangenheit der EU aufdeckte. Unter dem Stichwort „LuxLeaks“ gelangten Abertausende Dokumente an die Öffentlichkeit, die belegten, wie luxemburgische Steuerbehörden zahlreichen internationalen Konzernen Steuer-Sonderdeals einräumten. Amazon, Ikea, Pepsi – die Namen sind bekannt. Die Begünstigten dieser unethischen Steuervermeidung sind riesige Unternehmen mit enormen Jahresumsätzen – und einer Steuerquote von weniger als einem Prozent auf ihre Gewinne.
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EUROPA/INTERNATIONAL
LuxLeaks ist bei weitem kein Sonderfall, sondern leider gängige Praxis – staatlich unterstützte Steuervermeidung für Konzerne hat sich über die Jahre zu einem regelrechten Geschäftsmodell entwickelt. TEURES NICHTSTUN Offensichtlich, dass hier etwas gewaltig falsch läuft. Und doch fehlt es immer noch an konkreten Gegenmaßnahmen, um der Steuertrickserei im großen Stil einen Riegel vorzuschieben. Nach wie vor ist Steuerpolitik eine Angelegenheit der einzelnen EU-Länder, obwohl längst gesehen wird, dass die dubiosen Praktiken ein europäisches Problem sind.
Zwar hat die EU-Kommission einige Ankündigungen für eine faire Unternehmensbesteuerung gemacht, doch schöne Worte allein reichen nicht aus. Diese Untätigkeit kostet die EU jeden Tag rund 2,7 Milliarden Euro. Pro Jahr gehen 1.000 Milliarden Euro durch Steuervermeidung und -hinterziehung verloren. SCHLUPFLÖCHER SCHLIESSEN Klar ist, dass Gewinne dort zu besteuern sind, wo sie erwirtschaftet werden. Dieses simple und rationale Prinzip ist eine langjährige sozialdemokratische Forderung. Die Mitgliedsländer der EU brauchen dringend einheitliche Regeln,
14. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2015
EU-PARLAMENT um diesem Prinzip einen rechtlichen Rahmen zu geben. So lange das nicht geschieht, ist es mehr oder minder Amazon, Google, Starbucks & Co. selbst überlassen zu entscheiden, wo und wie viel Steuern sie bezahlen. Sie und ihre Steuerberater wissen bestens Bescheid über alle Möglichkeiten, die der unfaire Steuerwettbewerb zwischen den EULändern den Konzernen eröffnet.
Im EU-Parlament untersucht der eigens eingerichtete Sonderausschuss seit Februar dieses Jahres dubiose Steuerpraktiken der EU-Länder und internationaler Konzerne. Am Ende wird der Abschlussbericht konkrete Handlungsanweisungen an EU-Kommission und Mitgliedsstaaten geben. Außer Frage steht, dass zunächst Licht ins Dunkel gebracht werden muss. Der Fuß ist bereits in der Tür, um eine länderweise Berichtspflicht einzuführen. Damit wäre offensichtlich, welche Unternehmen eine Sonderbehandlung bekommen. Kreative Steuervermeidung darf nicht toleriert werden. Konzerne haben ebenso wie ArbeitnehmerInnen ihren Beitrag zu leisten. Gesetze müssen dafür sorgen, dass illegitimes Handeln künftig auch illegal ist. Deshalb müssen die europäischen Anstrengungen darauf hinauslaufen, faire Mindeststeuersätze für Unternehmen und strenge Sanktionen gegen Steueroasen einzuführen. Es ist höchst an der Zeit, endlich zu handeln. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu
d i rek t
Europaabgeordnete und Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten
EVELYN REGNER
INTERNATIONALE HANDELSABKOMMEN WIE GEHT’S WEITER Bis Jahresende stehen zwei Verhandlungsrunden zum umstrittenen TTIPHandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA auf der Tagesordnung. Ein Ende der Verhandlungen ist noch lange nicht in Sicht. Zu viele Fragen sind offen, zu laut ist die Kritik von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und der Zivilgesellschaft. KRITIK IST ANGEKOMMEN, ABER ... Um den kritischen Stimmen etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, präsentierte die EU-Kommission – sie verhandelt im Namen der Europäischen Union den Freihandelspakt – im September einen neuen Vorschlag zum Investitionsschutz (ISDS). Das kontroverse ISDSSystem kommt darin nicht mehr vor. Auf den ersten Blick ist der neue Plan ohne Zweifel das bis dato größte Zugeständnis von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Die Kritik scheint angekommen. Doch obwohl darin nun die Rede von unabhängigen RichterInnen und einer klaren Regulierungsmacht der Staaten und demokratisch gewählten Parlamente ist, bleibt das Problem der Paralleljustiz bestehen. Unter dem neuen
Namen „Investitionsgericht“ mit etwas veränderter Oberfläche verbirgt sich noch immer das Sonderklagsrecht für Unternehmen. Private Konzerne hätten dadurch weiterhin das Privileg, Regierungen außerhalb der öffentlichen Gerichtsbarkeit zu verklagen. Das Grundproblem ist mit der jüngst präsentierten Alternative also noch lange nicht aus dem Weg geräumt. Der weitere Verhandlungsverlauf bleibt kritisch zu beobachten! Foto: mauritius images / imageBROKER / Michael Dietrich
Wenn aber die 28 EU-Staaten gemeinsam handeln, profitieren letztlich alle davon. Es geht darum, steuerliche Schlupflöcher in Europa – immerhin dem größten Wirtschaftsraum der Welt – ein für alle Mal zu schließen.
Gewerkschafterin,
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EUROPA/INTERNATIONAL
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w w w. f s g . a t
FAIR. SOZIAL. GERECHT. WWW.FACEBOOK.COM/FSG.OEGB
ANGST UM DEN ARBEITSPLATZ KANN KRANK MACHEN ANTEIL JENER MIT ZUMINDEST SELTEN AUFTRETENDEN BESCHWERDEN 82 Prozent sind sehr beziehungsweise eher optimistisch, was die wirtschaftliche Zukunft ihres Arbeitgebers (Betriebs) betrifft. Im Vorkrisenjahr 2007 waren es 87 Prozent. Arbeitsplatzsicherheit ist laut Arbeitsklima Index auch ein Faktor für die Gesundheit: Wer seinen Arbeitsplatz für unsicher hält, leidet eher unter gesundheitlichen Problemen. 46 Prozent der Personen, die um ihren Arbeitsplatz fürchten, sind in den vergangenen sechs Monaten auch krank zur Arbeit gegangen.
Muskelverspannungen in Nacken, Schulter
59 %
Kreuzschmerzen, Probleme mit dem Rücken
52 %
Kopfschmerzen, Migräne
44 %
Einschlafstörungen, Durchschlafstörungen starkes Herzklopfen, Druck auf der Brust
30 % 13 %
in den vergangenen 6 Monaten krank zur Arbeit gegangen
65 %
54 %
49 % sicherer Arbeitsplatz unsicherer Arbeitsplatz
27 % 32 %
67 %
46 %
Quellen: Arbeitsklima Index/AK, IFES, SORA, Analysezeitraum 2014/2015, www.arbeitsklima.at
3,9 % VON DER DIGITALISIERUNG PROFITIEREN An den Produktivitätsgewinnen durch neue digitale Technologien müssen alle gesellschaftlichen Beteiligten teilhaben können. Darin sind sich die Sozialpartner einig. Die Arbeitswelt unterliegt mit der zunehmenden Durchdringung digitaler Technologien einem massiven Wandel. Gleichzeitig ändert sich auch der Lebensstil vieler Menschen. Die wirtschaftliche Zukunft Österreichs sehen laut Arbeitsklima Index
57 Prozent als sehr beziehungsweise eher optimistisch an. Im Vorkrisenjahr 2007 waren es satte 83 Prozent. Die Sozialpartner (ÖGB, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer) streben daher an, dass alle am Wertschöpfungs-
Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
prozess beteiligten gesellschaftlichen Gruppen an den Produktivitätsgewinnen teilhaben können. Die Ergebnisse des „Bad Ischler Dialogs“ 2015 zum Thema „Digitale Wirtschaft und Arbeitswelt“ gibt es unter: www.sozialpartner.at
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