"FSG direkt", 10/2016

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15. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2016

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d i rek t FACEBOOK.COM/FSG.OEGB TOPINFOS FÜR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN

K O M M E N TA R : KEINE AUFWEICHUNG BEIM ARBEITNEHMERiNNENSCHUTZ SEITE 7

N E K N E D U E N E L U H C S B E RU F S EREC BILDUNGSG

HTIGKEIT

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Wa h l : Initiative Gewerkschaf terInnen für Van der Bellen Soziale Hürden: Armut ist gesundheitsschädigend Lohnschere: Mehr Gerechtigkeit heißt besser leben


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LOHNSTEUER RUNTER

Cover: Kärntner Lehrlinge demonstrierten 2014 für mehr Bildungsgerechtigkeit vor dem Wiener Parlament.

„Lohnsteuer runter!“ hieß es in einer breit angelegten ÖGB-Kampagne im Jahr 2014. Und schon seit heuer bleibt netto mehr Geld vom Bruttolohn/-gehalt. Der Konsum steigt erstmals seit drei Jahren, die Wirtschaft wächst.

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Editorial Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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Berufsschule neu denken Lehrlinge fordern mehr Gesamtstunden und neue Freifächer. Österreichs ZeitzeugInnen

Kommentar

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Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Soziale Hürden beseitigen Das Risiko chronisch zu erkranken, steigt mit niedrigeren Einkommen.

Service

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Recht, Antworten auf Fragen

Grundsatz

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Lohnschere schneller schließen Großes Ost-West-Gefälle bei Einkommensunterschieden.

Europa/International

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Kein Sozialdumping in Europa Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. 16 Weihnachtsgeld: Mach mehr draus

WIRTSCHAFT WÄCHST DANK LOHNSTEURSENKUNG Die heimische Wirtschaftsleistung wird mit 1,7 Prozent heuer deutlich stärker wachsen als in den Jahren zuvor. Österreich holt dadurch zum Durchschnitt des Euro-Raumes und zu Deutschland auf. Vor allem der Konsum der privaten Haushalte nimmt heuer erstmals seit drei Jahren wieder zu. Mit 1,5 Prozent liefert er einen wichtigen Impuls für das heimische Wirtschaftswachstum. Sowohl die Steuerreform als auch der durch das Bevölkerungswachstum ausgelöste Nachfrageschub tragen dazu bei. 2017 wird laut Wirtschaftsforschungsinstitut die Konsumnachfrage jedoch mit dem Wegfall dieser Sondereffekte wieder etwas an Schwung einbüßen (plus 1,2 Prozent). Die Belebung gegenüber den Vorjahren ermöglicht in Österreich eine Fortsetzung des Beschäfti-

gungs-Aufbaues. Die Zahl der unselbstständig aktiv Beschäftigten steigt heuer um 1,4 Prozent und damit stärker als 2015 (ein Prozent) und wird sich auch 2017 um über 1 Prozent erhöhen. Die Ausweitung der Beschäftigung reicht jedoch immer noch nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Allerdings gelingt es, den Anstieg der vergangenen Jahre deutlich zu bremsen.

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Thomas Kallab, Beate Horvath, Amela Muratovic. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos/Grafiken: FSG-Bgld, Höllriegl, Mauritius Images, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag, picturedesk.com, SPÖ-Parlamentsklub (Seiten 1 und 5). Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-39 744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES

Foto: mauritius images / dieKleinert / Mihaela Epuran

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Foto: Michael Gruber / EXPA / picturedesk.com

Inhalt


15. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2016

N A C H H A LT I G A B S I C H E R N Niedrigere Einkommen wurden stärker entlastet. Bei einem monatlichen Bruttolohn/-gehalt verringerte sich die Lohnsteuer um ...

1.500 1.800 2.000 2.200 2.400 3.000 4.600 5.000

... 42 % ... 37 % ... 30 % ... 25 % ... 21 % ... 19 % ... 12 % ... 10 %

KALTE PROGRESSION MUSS WEG „Die Politik muss die Lohnsteuer-Entlastung nachhaltig absichern. Die kalte Progression soll ab 2017 eingedämmt werden“, fordert Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Die Forderung war auch schon mit ein Grund für die Kampagne „Lohnsteuer runter“ 2014. Mittlerweile kommt eine weitere, neue Studie der Wirtschaftsuniversität Wien zum Ergebnis, dass die kalte Progression NiedrigverdienerInnen stark belastet. Achitz: „Die Politik muss in der Lage bleiben, mit Steuern zu steuern. Wir brauchen Maßnahmen, die eine sozial ausgewogene Abgeltung ermöglichen.“ Die kalte Progression schlägt zu, wenn ArbeitnehmerInnen nach den jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen in eine höhere Steuerklasse vorrücken, dadurch mehr Lohnsteuer zahlen, auch wenn ihr Einkommen gar nicht an Kaufkraft gewinnt (wegen der Teuerung). Den „Mehr-netto-Rechner“ gibt es unter: www.oegb.at/rechner

Standort Österreich wieder attraktiver Erstmals seit Jahren rückte Österreich 19. PLATZ im „Global Competitiveness Ranking“ ÖSTERREICH des World Economic Forums auf und + 4 Plätze belegt nunmehr weltweit den 19. Platz. Damit verbesserte sich Österreich laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) um vier Plätze. Das Ranking beurteilt alljährlich die Wettbewerbsfähigkeit in 138 Ländern. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren werden heuer kaum Verschlechterungen berichtet. Besonders negativ wird weiterhin das Steuerund Abgabensystem gesehen. Dazu gehört eine Entlastung des Faktors Arbeit. International blieben die Spitzenplätze nahezu unverändert. Die Schweiz nimmt den ersten Rang ein vor Singapur und den USA.

FSG DIREKT IM ABO „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per Post oder per E-Mail bezogen werden (www.fsg.at/abo). Anregungen oder Beiträge einsenden an: fsg@oegb.at

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EDITORIAL

WILLI MERNYI FSG-BUNDESGESCHÄFTSFÜHRER

JETZT DRUCK ERHÖHEN GIERIGE KONZERNE STOPPEN Seit zehn Jahren reden und schreiben wir viel über „Krisen“. Ob in Zusammenhang mit Banken, Wirtschaft, Arbeitslosigkeit oder zuletzt Flüchtlingsströmen. Eigentlich sind es gar keine Krisen mehr, wir leben in einem Normalzustands-Modus mit hin und wieder kleineren oder größeren Auffälligkeiten. Und daran wird sich so schnell auch nichts mehr ändern. In den 1990er-Jahren warnten viele noch vor der Globalisierung. Unternehmen könnten ihre Produktionen hin und her verlagern wie sie nur wollten. Hauptsache billig produzieren, trotzdem zum Teil teuer verkaufen und die Profite dann in Steueroasen verstecken. Gesagt getan. Die Digitalisierung verlieh diesen verwerflichen Praktiken noch an Dynamik. Die Öffentlichkeit kam erst nach und nach drauf. In den Griff brachte die Globalisierung bisher niemand mehr so richtig. In der EU werden jährlich nach wie vor 1.000 Milliarden Euro an Steuern über Briefkastenfirmen am Finanzamt vorbeigeschleust. Einigen war klar und vielen wird erst jetzt richtig bewusst: Wenn Teile des Wohlstands im Westen auf Ausbeutung im Osten, in Asien, Afrika oder in anderen Ländern dieser Welt beruhen, dann wird irgendjemand einmal den Preis dafür zahlen müssen. Und wenn internationale Unternehmen und Konzerne sich vor ihren Steuern drücken, dann werden wir ArbeitnehmerInnen für diese brutalste Form des Kapitalismus vorerst die Zeche zahlen müssen. Theoretisch hätten wir die Wahl: Tun wir es nicht, verabschieden wir uns von Solidarität und Menschlichkeit, wird der Frieden in Europa irgendwo brechen. Für uns sozialdemokratische GewerkschafterInnen ist das keine Wahl. Aber für uns steht fest: Wir müssen den Druck erhöhen, damit gierige Konzerne mit ihren Steuerpraktiken scheitern, damit auch sie ihre fairen Abgaben bezahlen. Ohne Wenn und Aber. Die wahre Auffälligkeit sind nämlich nicht die Flüchtlingswellen, sondern der lang anhaltende Steuerbetrug internationaler Konzerne!

AKTUELLES

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Foto: www.vanderbellen.at/Wolfgang Zajc

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4. Dezember 2016

DEMOKRATIE UND SOZIALE ERRUNGENSCHAFTEN ERNST NEHMEN Österreich geht mit der Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember mutig einer neuen Zeit entgegen. Mit einem weltoffenen Demokraten, mit Alexander Van der Bellen an der Spitze als Bundespräsidentschafts-Kandidat. Es geht um

Veranstaltungshinweis: Alexander Van der Bellen kennenlernen und mit ihm diskutieren! 9. November, 19.30 Uhr im Bürohaus Catamaran, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien (direkt bei U2-Station Donaumarina).

das höchste Amt und darum, wer unsere der Bellen ist das sichere Fundament für Demokratie, unsere sozialen Errungen- unsere Errungenschaften; ihm können schaften schützt und verbessert, wer uns wir vertrauen. Mehr über die überfraknach außen hin vertritt, und wie mit Men- tionelle Initiative „GewerkschafterInnen schenrechten umgegangen wird. Van für Van der Bellen“ gibt es unter: www.gewerkschafterinnen-fuer-vanderbellen.at

NACHGEFRAGT

Foto: BUM MEDIA/Michael Mazohl

MIT MIGRANTiNNEN REDEN KEINE BÜRGERiNNEN ZWEITER KLASSE Was bedeutet Integration? Dino Šoše: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, wir machen bei dem Thema bereits am Anfang einen Riesenfehler, weil wir zwischen MigrantInnen und NichtmigrantInnen unterscheiden ... Dino Šoše ist Initiator der Wiener Integrationswoche und des Kommunikationsnetzwerkes „BUM MEDIA“, mit unter anderem drei gedruckten Magazinen in drei Sprachen, mehrsprachigen TV-Sendungen und acht Onlineportalen. Mehr Infos gibt’s unter: www.bummedia.at

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AKTUELLES

... das heißt? Dino Šoše: Wir haben in Österreich zwei Beispiele für „mega super gut integrierte“ Migrantinnen: Staatssekretärin Muna Duzdar und Maria Vassilakou, Vizebürgermeisterin von Wien. Dennoch liest man immer wieder Kommentare wie „Gute Nacht Österreich“ in Bezug auf diese Politikerinnen. Also einerseits heißt es, MigrantInnen sollen sich integ-

rieren, andererseits heißt es, wenn sie perfekt integriert sind, „Gute Nacht Österreich“. Es reimt sich einfach nicht. Was wäre der richtige Weg? „Ein-EuroJobs“? Dino Šoše: Die Frage muss lauten: Wollen wir Menschen, die ganz frisch nach Österreich kommen, integrieren und als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft, oder sollen sie BürgerInnen zweiter Klasse werden? „Ein-Euro-Jobs“ klingen für mich als sehr unterbezahlt. Die vollständige Diskussion zum Thema „Mit MigrantInnen reden“ gibt es online unter: www.arbeit-wirtschaft.at


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LEHRE BILDUNGSGERECHTIGKEIT

BERUFSSCHULE NEU DENKEN Von Lehrlingen wird immer mehr erwartet – höchste Zeit, die Berufsschulstunden zu erhöhen und die tägliche Unterrichtszeit auf 7 Stunden zu verkürzen. Ausreichende Englischkenntnisse, erfahrener Umgang mit hochtechnischen Geräten, IT- und Rhetorikkenntnisse sowie eine gute Portion Sozialkompetenz: Die Anforderungen an Lehrlinge sind gestiegen. „Selbst Wissenslücken, die der Ausbildungsbetrieb nicht abdecken kann, sollen sich Lehrlinge noch selbstständig nebenbei erarbeiten“, berichtet FSG-Jugendvorsitzender Mario Drapela. Mit der Arbeitsverdichtung und dem Leistungsdruck hat die duale Berufsausbildung in einigen Bereichen mit der Zeit nicht ganz Schritt gehalten. Drapela fordert einen Qualitätssprung in der dualen Ausbildung, um die verlorenen Schritte wieder wettzumachen. Dazu gehört vor allem die Anzahl der Berufsschulstunden. 90 Prozent der Lehrberufe haben mittlerweile 1.260 Stunden, wenige liegen noch darunter. 2014 ergriffen Kärntner Lehrlinge daher

die Initiative. Mit „Bildungsgerechtigkeit auch für Lehrlinge“ wurde auf die Missstände aufmerksam gemacht. 20.000 Menschen unterstützten die Forderung nach einer Verbesserung der Lehrlingsausbildung. Die parlamentarische Bürgerinitiative nahm der Nationalrat im Vorjahr zur Kenntnis. Die Forderung steht aber auch im Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2013–2018. Doch irgendwie herrscht Stillstand. „Fraglich ist, welche Kräfte in der ÖVP oder der Wirtschaft einen Schwenk hingelegt haben.

Denn wenn es im Arbeitsprogramm von SPÖ und ÖVP schon paktiert ist, sollte der Umsetzung nichts im Wege stehen“, so Drapela. ÖGB und Arbeiterkammer hätten sich jedenfalls dafür ausgesprochen. Denn Bildung ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg! BERUFSAUSBILDUNG MIT ZUKUNFT FORDERUNGEN DER FSG-JUGEND ::: Tägliche Unterrichtszeit von 7 Stunden (statt bisher 9) aus pädagogischer Sicht. ::: Fördermaßnahmen für lernschwache und lernstarke Lehrlinge. ::: Eine Mindest-Lehrlingsentschädigung von 700 Euro („FSG direkt“ berichtete in der September-Ausgabe). ::: Weitergehende Zusatzausbildungen/ Freifächer; beispielsweise Kommunikation, Fremdsprachen und Kultur (Förderung von Mehrsprachigkeit im Facharbeitsbereich). Die Gesamtstundenzahl soll auf 1.680 steigen.

Kärntner Lehrlinge demonstrierten 2014 gemeinsam mit UnterstützerInnen gegen Ungerechtigkeiten in der Berufsausbildung vor dem Parlament in Wien.

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AKTUELLES

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ORF-TVTHEK GOES SCHOOL

ÖSTERREICHS ZEITZEUGiNNEN Die persönlichen Erinnerungen österreichischer und internationaler ZeitzeugInnen bieten einen einzigartigen Zugang zur Zeitgeschichte Österreichs. „Wenn wir ein ‚Nie wieder‘ ernst nehmen, müssen wir Wege finden, um zu erinnern. Mit Projekten wie dem Videoarchiv ‚Österreichs Zeitzeugen‘ ist es gelungen, Zeitgeschichte innovativ und leicht zugänglich zu vermitteln“, sagt Kunst- und Kulturminister Thomas Drozda. Das neue Angebot ist Teil der Aktion „ORF-TVthek goes school“: Videoarchive werden dabei in einer speziell für die Integration in den Unterricht geeigneten Form bereitgestellt. Das Archiv ist in vier Rubriken gegliedert: „Monarchie und Erster Weltkrieg“, „Zwischenkriegszeit und Austrofaschismus“, „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“ und

„Nachkriegszeit“. Insgesamt kommen 89 ZeitzeugInnen zu Wort. „Die Berichte der ZeitzeugInnen verdeutlichen einmal mehr die Entwicklungen, die

Niemals wieder – niemals vergessen: Die unfassbaren Gräueltaten der Nazis.

FSG-BURGENLAND PERSONELLE WEICHEN GESTELLT Aufgrund der bevorstehenden Pensionierung von AK-Präsident Alfred Schreiner hat die FSG-Burgenland im September die personellen Weichen gestellt. Ende März 2017 legt Schreiner seine Funktion in der AK zurück und tritt seine Pension mit Anfang

Gerhard Michalitsch wird nächster AKPräsident im Burgenland.

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AKTUELLES

April an. Die Mitglieder des FSG-Landesvorstandes haben daher die Nachfolge festgelegt. Gerhard Michalitsch wird Schreiner als Präsident der AK-Burgenland nachfolgen. „Ich bedanke mich für das Vertrauen, das mir die KollegInnen der FSG entgegengebracht haben. Selbstverständlich werde ich mich in Vorbereitung auf die Arbeiterkammervollversammlung im März 2017 auch um die Unterstützung durch die anderen Fraktionen bemühen“, erklärt Gerhard Michalitsch, der seit 2014 Vizepräsident und auch Frak-

zum Austrofaschismus oder zum Nationalsozialismus führten. Diese persönlichen Erzählungen sollen Jugendlichen näherbringen, was in diesen höllischen Zeiten passiert ist. Aus der Arbeit des Mauthausen Komitee Österreich mit ZeitzeugInnen und Jugendlichen sehen wir, dass dadurch eine Verbindung der Lebenswelten – vor allem mit jenen der Jugendlichen – möglich ist“, so Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich. Gestaltet wurde das Videoarchiv vom ORF gemeinsam mit dem Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) und mit Unterstützung des Österreichischen Bundeskanzleramts und des Zukunftsfonds der Republik Österreich. Das Videoarchiv ist dauerhaft und unbefristet abrufbar unter: TVthek.ORF.at/archive

KURZ NOTIERT

tionssprecher der FSG in der AK ist. Die weiteren personellen Veränderungen sehen vor, dass ÖGB-Landesvorsitzender Wolfgang Jerusalem Vizepräsident der AK-Burgenland wird. Die Fraktionsführung übernimmt Kammerrätin und Vorstandsmitglied Dorottya Kickinger. Sie ist Frauen- und Bildungssekretärin im ÖGB-Burgenland. Neu in den AK-Vorstand kommt mit Michael Mohl der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz. www.fsg.at/bgld

Foto: JAZZ EDITIONS / Eyedea / picturedesk.com

102 Interviews und Gespräche stehen im Mittelpunkt eines neuen Videoarchivs auf der ORF-TVthek. ZeitzeugInnen erinnern an die „höllischen Zeiten“ des Austrofaschismus und Nationalsozialismus.


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KOMMENTAR

WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER

KEINE AUFWEICHUNG BEIM ARBEITNEHMERiNNENSCHUTZ Rechtzeitig zum Auftakt der Herbstlohnrunde ging auch die alte Leier der Wirtschaft wieder los: WK-Präsident Christoph Leitl fordert die Anhebung der täglichen Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden, der Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ebenso, natürlich ohne Überstundenzuschläge, und außerdem kündigte er an, dass das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz entrümpelt werden müsste. Zurufe, die alles andere als nachvollziehbar sind. Erstens haben sich die Metaller, deren Kollektivvertragsverhandlungen traditioneller Auftakt sind, im Sommer auf eine neue Variante flexibler Arbeitszeiten geeinigt. Zweitens gibt es ausreichende Möglichkeiten, auf betrieblicher Ebene flexible Modelle zu vereinbaren. Der Kollektivvertrag bildet als Garant für faire Regeln in beidseitigem Interesse den Rahmen, dabei soll es bleiben. Gleitzeit dient der Zeitflexibilität der ArbeitnehmerInnen, nicht dem Abarbeiten von Auftragsspitzen. Dafür gibt es Durchrechnungsmodelle, mit denen der Arbeitgeber

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ARBEITSUNFÄLLE (ANERKANNTE VERSICHERUNGSFÄLLE) 1990 BIS 2015

ohnehin festlegen kann, wann mehr gearbeitet werden soll. Zwölf Stunden sind hier nicht ohne weiteres möglich und das ist auch gut so. Und auch eine Entrümpelung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, wie Mitterlehner sie fordert, ist inakzeptabel. Modernisierungsbedarf mag es in einigen Teilbereichen schon geben. Die Beseitigung von Wechselwirkungen zwischen Hygienevorschriften und Arbeitsschutzmaßnahmen ist der beste Anlass für neue konkrete Regelungen, um den Schutz für die ArbeitnehmerInnen auszuweiten: Handlungsbedarf herrscht nicht nur, wenn es darum geht, physische und psychische Belastungen im Kontext der Digitalisierung zu verhindern. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz hat sich in den gut 20 Jahren seit seinem Inkrafttreten mehr als bewährt – Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle wurden deutlich reduziert, im Jahr 2015 mit 104.312 Arbeitsunfällen ein historischer Tiefstand erreicht. Ein richtiger Weg, der fortgesetzt werden muss – eine Aufweichung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes wird es jedenfalls mit uns nicht geben!

136.856 128.244

104.312

Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (erstellt am 19. Juli 2016; ohne SchülerInnen- und Studierendenunfälle)/Statistik Austria

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GESUNDHEIT

SOZIALE HÜRDEN BESEITIGEN Armut ist gesundheitsschädigend: Das Risiko chronisch zu erkranken, ist bei Personen mit niedrigen Einkommen deutlich höher als in oberen Einkommensgruppen. Kopfweh, Rückenschmerzen, Bluthochdruck: Der Gesundheitszustand einer Person hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Abgesehen von Alter, Geschlecht und Erbanlagen gibt es zum Beispiel je nach Art der Beschäftigung Unterschiede: Besserqualifizierte und Selbstständige leben in vielen Bereichen gesünder als andere Berufstätige. Sozial Benachteiligte weisen häufiger einen schlechteren Gesundheitszustand auf und sind vermehrt Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Besonders betrof-

fen sind Menschen, die aufgrund ihrer Lebenssituation großen Belastungen, wie etwa Arbeitslosigkeit und geringem Einkommen, ausgesetzt sind. Aber auch Menschen mit niedriger Schulbildung oder mit Migrationshintergrund. Das geht aus einer Studie der Statistik Austria hervor, die im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) sowie der Bundesgesundheitsagentur von Oktober 2013 bis Juni 2015 Personen ab 15 Jahren österreichweit zu ihrer Gesundheit befragt hat.

SELBSTEINSCHÄTZUNG DES GESUNDHEITSZUSTANDES (SEHR) GUT NACH BERUFLICHER TÄTIGKEIT UND GESCHLECHT IN PROZENT Einfache manuelle Tätigkeit

Männer Frauen

85,5 % 79,5 %

Höhere manuelle Tätigkeit

88,2 % 86,6 %

Landwirtschaft

84,6 % 83,0 %

Einfache nicht manuelle Tätigkeit

88,7 % 88,0 %

Höhere nicht manuelle Tätigkeit

91,5 % 92,6 %

Selbstständige

90,1 % 93,3 %

SELBSTEINSCHÄTZUNG DES GESUNDHEITSZUSTANDES (SEHR) GUT NACH EINKOMMEN (ABWEICHUNG VOM MEDIAN) IN PROZENT unter 60 % des Medianeinkommens

69,5 %

80 bis 100 % des Medianeinkommens

77,1 %

größer 150 % des Medianeinkommens

86,9 %

Quelle: Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2014, Bevölkerung in Privathaushalten im Alter von 15 und mehr Jahren; Äquivalenzeinkommen, Medianeinkommen = 50 % verdienen mehr und 50 % verdienen weniger als dieses Einkommen.

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HINTERGRUND

EINKOMMEN UND GESUNDHEIT Personen in einkommensschwachen Haushalten leiden häufiger an chronischen Krankheiten als Personen in höheren Einkommensklassen (siehe Grafik). Bei Männern der niedrigsten Einkommensstufe treten chronische Kopfschmerzen, Depressionen sowie chronische Nacken- und Kreuzschmerzen vermehrt auf. Bei Frauen ist der Einkommenseffekt bei Depressionen, Harninkontinenz, chronischem Kopfschmerz und Bluthochdruck am stärksten. Auch das Rauchverhalten und die Neigung zu Übergewicht erweisen sich für beide Geschlechter als stark einkommensabhängig. So rauchen zum Beispiel mehr als doppelt so viele Männer mit Abschluss der Pflichtschule als Männer mit Matura oder Hochschulabschluss. Ähnlich sieht es beim Thema Übergewicht aus: 23 Prozent der arbeitslosen Frauen leiden an Übergewicht, im Vergleich dazu sind es nur zehn Prozent aller erwerbstätigen Frauen. Laut der Studie steigt auch die Impfbereitschaft mit der Höhe des Einkommens. BILDUNG UND GESUNDHEIT Die Art der Beschäftigung und die Ausbildung spielen eine Rolle für das gesundheitliche Wohlbefinden. Daher sehen die Ergebnisse in Bezug auf diese Kriterien ähnlich wie beim Einkommen aus. Die überwiegende Mehrheit (über 90 Prozent) der Selbstständigen und Höherqualifizierten schätzen ihren Gesundheitszustand als gut ein. Die Wahr-


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ARBEITSZEIT

Foto: BMG/Jeff Mangione

DIGITALISIERUNG SOZIAL GESTALTEN FÜR FAIRE ARBEITSZEITGESTALTUNG, ANGEMESSENE BEZAHLUNG UND SOZIALE ABSICHERUNG

„Alle Menschen haben ein Recht auf ein Leben in guter Gesundheit, unabhängig von Bildungsstatus, Einkommenssituation oder Lebensumständen. Gesundheitliche Chancengerechtigkeit darf in Österreich kein Schlagwort bleiben.“ Sabine Oberhauser, Gesundheitsministerin

scheinlichkeit, dass Selbstständige an einer chronischen Krankheit, wie Rücken- oder Nackenschmerzen, erkranken, liegt bei 22 Prozent. Im Gegensatz dazu ist das Risiko bei Erwerbstätigen mit einfachen manuellen Tätigkeiten mit 34 Prozent deutlich höher. Ganz anders sieht die Situation bei Allergien aus: Je niedriger die Schulbildung, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, an einer Allergie zu erkranken. www.bmgf.gv.at Autorin: Amela Muratovic

Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Was bleibt, sind die grundlegenden Bedürfnisse der arbeitenden Menschen: faire Arbeitszeitgestaltung, angemessene Bezahlung und soziale Absicherung. Genauso bleibt die Diskussion über eine gerechte Verteilung der erwirtschafteten Gewinne. Die Digitalisierung verschafft Konzernen zusätzlich Gewinne. Diese bleiben oft (fast) unversteuert. Kapitalgewinne steigen, sie liefern aber keine Beiträge in unsere sozialen Sicherungssysteme. Daher stellt sich wie vor 20, 50

oder 100 Jahren die Frage nach der gerechten Verteilung der erwirtschafteten Profite und angesichts hoher Arbeitslosigkeit zugleich auch die Frage nach einer Neuverteilung des Arbeitsvolumens. FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian: „Wenn wir eine faire Chancenverteilung wollen, dann müssen wir dafür kämpfen, dass die Zugewinne an Produktivität und Reichtum so verteilt werden, dass sie für eine gerechtere und lebenswertere Gesellschaft eingesetzt werden.“

FINANZMINISTER PLAGT 12-STUNDEN-TAG LANGE ARBEITSZEITEN MÜSSEN AUSNAHME BLEIBEN „Ich werde heuer 63, ein permanenter 12-Stunden-Tag frisst Substanz und Energie“, sagte Finanzminister HansJörg Schelling in der „Kleinen Zeitung“ vom 8. Oktober. Damit ließ er offen, ob er einer nächsten Regierung noch angehören wolle. Für Blau-Schwarz würde er nicht zur Verfügung stehen. Aber bemerkenswerter: Die ÖVP fordert lautstark einen 12-Stunden-Arbeitstag, von negativen gesundheitlichen Aus-

wirkungen ist dabei wenig zu hören. In Ausnahmefällen ist ein 12-StundenArbeitstag schon heute möglich, dazu braucht es gar keine Änderung à la ÖVP. Zudem zeigen Studien, dass schon ab der 4. Arbeitsstunde die Konzentration nachlässt. Mehr Pausen würden daran wenig ändern. Die Fehler- und Unfallquoten steigen. Das freut dann auch die Unternehmen kaum, weil zum Beispiel der Ausschuss mehr wird.

Nichts versäumen, immer auf dem neuesten Stand sein. Entweder mit dem richtigen Eintrag für unser FSG-Infomail (unter www.fsg.at/infomail) oder mit einem „Like“ für unsere Facebook-Page: FAC E B O O K . C O M / F S G . O E G B

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HINTERGRUND

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TEILZEITBESCHÄFTIGUNG

LÄNGER ARBEITEN ALS VEREINBART Arbeiten teilzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen (AN) über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß hinaus, liegt sogenannte „Mehrarbeit“ vor. Dabei handelt es sich formal nicht um Überstunden im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (AZG), sondern um eine eigene Art von Arbeitszeit, die demnach auch eigenen Regeln unterliegt (§ 19d AZG). Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die vereinbarte Wochenarbeitszeit die gesetzliche Normalarbeitszeit oder durch Kollektivvertrag festgelegte kürzere Normalarbeitszeit im Durchschnitt unterschreitet.

tigte nur insoweit über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß (Mehrarbeit) arbeiten müssen, als 1. gesetzliche Bestimmungen, der Kollektivvertrag, die Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag dies vorsehen, 2. ein erhöhter Arbeitsbedarf vorliegt oder die Mehrarbeit zur Vornahme von Vor- und Abschlussarbeiten (§ 8 AZG) erforderlich ist, UND 3. berücksichtigungswürdige Interessen der AN der Mehrarbeit nicht entgegenstehen.

VERPFLICHTUNG Zum Schutz teilzeitbeschäftigter AN bestimmt § 19d AZG, dass Teilzeitbeschäf-

BEZAHLUNG Seit 2007 sieht § 19 Absatz 3a AZG vor, dass für Mehrarbeitsstunden

grundsätzlich ein Zuschlag von 25 Prozent gebührt und zwar zusätzlich zum für die Mehrarbeit gebührenden Stundenlohn/-gehalt. Dieser Stundenlohn/-gehalt ist üblicherweise vom normalen Wochenlohn oder Monatsgehalt zu errechnen. Besserstellungen sind wie bei den Überstunden (besonderer Überstundenteiler) immer wieder in Kollektivverträgen von den

UNERLÄSSLICH FÜR DEN ALLTAG KLARHEIT IN SACHEN ARBEITSZEIT

BUCHTIPP

Die Gestaltung der Arbeitszeit spielt für ArbeitnehmerInnen eine ganz wichtige Rolle. Klarheit und ausreichende Information über die Rechtsgrundlagen sind für den Alltag unerlässlich. Dieser Kommentar liefert Antworten auf Fragen mit ausführlicher Begründung anhand der Gesetzeslage und Rechtsprechung. Erstmals erscheint dieses Werk als web/book (= Kombination von Druckwerk, Online-Datenbank und e-book). Die Online-Datenbank verlinkt auf zusätzliche Materialien und wird bei Neuerungen aktualisiert. Arbeitszeitgesetz, Gerda Heilegger, Christoph Klein, Buch + Online-Datenbank + e-book, 760 Seiten, ÖGB-Verlag, 4. aktualisierte Auflage, 30. Juni 2016, 78,– Euro. Zu bestellen bei: ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132, E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.diefachbuchhandlung.at

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SERVICE

Foto: mauritius images / imageBROKER / zeitgeist_images

Für „Mehrarbeit“ von Teilzeitbeschäftigten gelten eigene Regeln. Grundsätzlich gebührt ein Zuschlag von 25 Prozent.


15. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2016

RECHT

THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at

Eine Verpflichtung zu Mehrarbeit darf berücksichtigungswürdigen Interessen der ArbeitnehmerInnen nicht entgegenstehen. Gewerkschaften vereinbart. Kein Zuschlag steht zu, wenn die Mehrarbeit innerhalb des Kalendervierteljahres, in dem sie geleistet wird, durch Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen wird. Daher steht für Mehrarbeit etwa am Beginn des Kalendervierteljahres (zum Beispiel 5. Jänner, erstes Kalendervierteljahr: Jänner bis März) ein längerer Zeitraum für den Zeitausgleich zur Verfügung als am Ende des Kalendervierteljahres (zum Beispiel 25. März). Zulässig ist es, einen anderen dreimonatigen Zeitraum als das Kalendervierteljahr zu vereinbaren. Kein Zuschlag steht auch zu, wenn bei gleitender Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten wird – also ein Ausgleich 1:1 innerhalb der Gleitzeitperiode erfolgt. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zeitguthaben (Mehrarbeitsstunden) in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden können. Dabei ist aber unbedingt auf

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die Formulierung der Gleitzeit-Betriebsvereinbarung oder des Arbeitsvertrages zu achten. Vereinbart werden kann auch eine Abgeltung von Mehrarbeitsstunden durch Zeitausgleich. Der Mehrarbeitszuschlag ist bei der Bemessung des Zeitausgleiches zu berücksichtigen oder gesondert auszuzahlen. Arbeiten Teilzeitbeschäftigte über die für Vollzeitbeschäftigte geltende gesetzliche Normalarbeitszeit hinaus, leisten sie nicht Mehrarbeit im Sinne des AZG, sondern vielmehr Überstunden, die entsprechend zu bezahlen oder in Zeitausgleich abzugelten sind. Kein Mehrarbeitszuschlag muss bezahlt werden, wenn vollzeitbeschäftigte AN zwar über die im Kollektivvertrag vorgesehene Normalarbeitszeit (zum Beispiel 38,5 Stunden), aber nicht mehr als die gesetzliche Normalarbeitszeit (40 Stunden) arbeiten. Autor: Thomas Kallab

Ich arbeite ständig mit einem Laptop. Mein Arbeitgeber meint, dass dann die ArbeitnehmerInnenSchutzvorschriften für den Bildschirmarbeitsplatz nicht gelten. Stimmt das? Für Bildschirmarbeitsplätze mit tragbaren Datenverarbeitungsgeräten (Laptops) sind bei deren regelmäßigem Einsatz keine Abweichungen von ergonomischen Anforderungen zulässig. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Tastatur neigbar und vom Bildschirmgerät unabhängig sein muss, die Software für die regelmäßige Tätigkeit geeignet sein muss und die Größe des Bildschirms der Arbeitsaufgabe angepasst sein muss. Nur wenn tragbare Datenverarbeitungsgeräte nicht regelmäßig am Arbeitsplatz eingesetzt werden, sind Abweichungen zu den für Bildschirmarbeitsplätze vorgesehenen Regeln zulässig. Zuständig für eine Überprüfung Ihres Arbeitsplatzes ist das Arbeitsinspektorat. Beratend stehen auch Arbeiterkammer und Gewerkschaft zur Verfügung.

SERVICE

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1.700 EURO BRUTTO MINDESTLOHN/-GEHALT

MEHR GERECHTIGKEIT FSG-Frauen fordern mehr Tempo beim Schließen der Lohnschere. Großes Ost-West-Gefälle bei Einkommensunterschieden.

Ö EINKOMMEN MÄNNER 48.863 €

Wenn Kolleginnen diesen Text lesen, dann arbeiten sie statistisch gesehen schon gratis bis zum Jahresende. Der Equal Pay Day symbolisiert die EntgeltUngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen: Für Österreich wurde der Termin, an dem Frauen in Vollzeitbeschäftigung im Vergleich zum Jahresverdienst der Männer umsonst arbeiten, heuer mit dem 11. Oktober errechnet, wobei ein großes Ost-West-Gefälle zu registrieren ist – mit 30 Prozent ist die Lohnschere in Vorarlberg am höchsten, dicht gefolgt von Tirol mit 25 Prozent. Am niedrigsten ist der Einkommensunterschied in Wien mit immer noch 18 Prozent. SCHRITTWEISE ZUM ZIEL Uns fällt mehr ein, als immer nur auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen: Die Einführung der von uns geforderten Einkommensberichte oder der Gehaltsrechner (online abrufbar unter www.gehaltsrechner.gv.at), den be-

reits mehr als zwei Millionen UserInnen angeklickt haben, um in vier Schritten herauszufinden, ob ihr Gehalt dem entspricht, was ihnen zusteht, sind Erfolge, die uns dem Ziel näherbringen, aber es geht zu langsam. Im Kampf um die Beseitigung des Gender Pay Gaps braucht es mehr Tempo. Natürlich ist Bewusstseinsbildung wichtig, aber es geht auch um ganz konkrete Maßnahmen: Die Ausweitung der Einkommensberichte auf Betriebe ab 100 Beschäftigten (statt wie jetzt 150 Beschäftigte) gehört genauso dazu wie verpflichtende Frauenförderungspläne und natürlich bessere Bezahlung. Der Grund für die Einkommensungleichheit liegt nämlich nicht nur in der höheren Teilzeitquote von Frauen: Sie sind in viel größerem Ausmaß von niedrigen Vollzeiteinkommen betroffen als Män-

OÖ –12.845 €

EINKOMMENSUNTERSCHIEDE ZWISCHEN FRAUEN UND MÄNNERN IN DEN BUNDESLÄNDERN (JÄHRLICHER NACHTEIL DER FRAUEN IN EURO UND PROZENT)

V –14.774 € –29,74 %

T –11.487 € –24,95 %

–26,76 %

S –11.734 € –24,65 %

K –10.334 € Quellen: Equal Pay Day in Österreich 2016, Vergleich ganzjährig vollzeitbeschäftigte ArbeitnehmerInnen; Statistik Austria, AK-Oberösterreich

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GRUNDSATZ

–21,90 %


15. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2016

FRAUEN

HEISST BESSER LEBEN ner. Während weniger als 9 Prozent der vollzeitbeschäftigten Männer weniger als 1.500 Euro brutto verdienen, sind es bei den Frauen doppelt so viel, nämlich 18 Prozent. Eine Anhebung der Mindestlöhne und -gehälter auf 1.700 Euro wäre somit ein wirksamer Schritt für mehr Einkommensgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und zum Schließen der Einkommensschere. ARBEITSZEIT FAIR TEILEN Weniger Lohn und Gehalt bedeutet auch lebenslange Armutsgefährdung inklusive höherem Risiko für gesundheitliche Probleme. Weniger Geld bedeutet weniger Selbstbestimmung, weniger gesellschaftliche Teilhabe – Probleme, die sich auch auf Kinder übertragen.

Grund genug für uns, den Kampf für kollektivvertragliche Mindestlöhne und -gehälter auf 1.700 Euro brutto nicht aufzugeben. Was übrigens auch für unsere Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich gilt: Wenn die im Überfluss vorhandene Arbeit auf mehr Menschen verteilt wird, dann steigen auch die Stundensätze für Vollzeitbeschäftigte und Teilzeitbeschäftigte – eine verteilungspolitische Maßnahme, von der natürlich Frauen in hohem Ausmaß profitieren würden. Die Konzepte haben wir – so lange, bis es völlige Gleichheit auf den Lohnzetteln von Männern und Frauen gibt.

Ö EINKOMMEN FRAUEN 37.935 € –10.928 € –22,36 %

Autorin: Ilse Fetik

NÖ –11.569 € –22,94 %

W –9.356 € –17,99 %

ST –11.086 € –23,54 %

B –10.185 €

d i rek t

–21,53 %

„Weniger Lohn und Gehalt bedeutet auch lebenslange Armutsgefährdung inklusive höherem Risiko für gesundheitliche Probleme. Weniger Geld bedeutet weniger Selbstbestimmung, weniger gesellschaftliche Teilhabe.“ Ilse Fetik, FSG-Frauenvorsitzende

GRUNDSATZ

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Foto: mauritius images / INSADCO Photography / Alamy

www.f s g.at

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT AM GLEICHEN ORT

KEIN SOZIALDUMPING IN EUROPA SozialpolitikerInnen setzten im EU-Parlament erstmals Forderungen gegen Sozialdumping durch. Lohnniveau und Sozialstandards in den Mitgliedstaaten sind weiter auseinandergedriftet. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.“ – Es ist dringender als je zuvor, dieses Prinzip ins Zentrum der politischen Arbeit der Europäischen Politik zu stellen. Der erste Schock über das Ergebnis der Abstimmung über den EUAustritt des Vereinigten Königreichs ist verkraftet, und die Rufe nach Einschränkungen der Freizügigkeit in Europa werden in vielen Mitgliedstaaten lauter. Europa droht, in Ost und West auseinanderdividiert zu werden, sich in ein

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EUROPA/INTERNATIONAL

Europa der zwei Klassen zu spalten, in ein Europa, in dem soziale Rechte und Mindeststandards nicht allen BürgerInnen zustehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in seiner Rede zur Lage der Union: „Europa muss sozialer werden.“ Da stimme ich ihm voll und ganz zu, vielmehr kämpfen wir SozialdemokratInnen seit jeher für ein sozialeres Europa, für eine soziale Fortschrittsklausel, für die Balance von sozialen

Grundrechten und Grundfreiheiten und für die Ausgestaltung der europäischen „sozialen Marktwirtschaft“. Es läuft eine Konsultation zur „Europäischen Säule für soziale Rechte“. Die soziale Säule soll den Startpunkt bilden, um Europa fairer und sozialer zu gestalten und die Strategie gegen soziale Ungleichheiten in Europa darstellen. Alles schön und gut, aber gelten muss die soziale Säule in ganz Europa. Es darf bei Mindeststandards weder


15. Jahrgang // Nummer 10 // Wien, Oktober 2016

EU-PARLAMENT

Mitgliedstaaten weiter auseinandergedriftet sind und sich nicht, wie erwartet angenähert haben. Fakten, die die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission zu verantworten haben, da sie zulassen, dass Unternehmen Wettbewerb in unserem Binnenmarkt über Löhne/Gehälter, Sozialabgaben und steuerliche Vorteile betreiben.

Ausnahmen für einzelne Staaten, noch eine Beschränkung auf die Euroländer geben. ANNÄHERUNG BLIEB AUS Die Beschäftigungs- und SozialpolitikerInnen im EU-Parlament konnten im September 2016 erstmals einen Bericht im Plenum durchsetzen, der Sozialdumping thematisiert. Der Bericht stellt einen Forderungskatalog mit Maßnahmen und Handlungsempfehlungen an die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten, um Sozialdumping europaweit wirksam zu bekämpfen. Es darf nicht länger über soziale Ungleichheiten in Europa geschwiegen werden. Über sie hinwegzusehen oder sie schönzureden hilft auch nicht. Fakt ist, dass das Lohnniveau und die Sozialstandards in den

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KOORDINIEREN STATT EINGREIFEN Die Lösungen der Nationalstaaten sind oft, Sozialleistungen einzuschränken, Zugang zum Arbeitsmarkt oder die Freizügigkeiten in Europa zu beschränken. Das ist der falsche Weg. Der richtige Weg ist, die Freiheiten in Europa so zu gestalten, dass die Spielregeln in Europa fair sind. Europa darf nicht in die nationalen Arbeitsmärkte, in nationale Lohnfindungsmechanismen oder Rechte der ArbeitnehmerInnen eingreifen, darf aber koordinieren und Mindeststandards schaffen und dafür sorgen, dass Arbeitgeber aus anderen Mitgliedstaaten, die Zugang zu einem nationalen Arbeitsmarkt haben wollen, die jeweiligen Regeln einhalten. Die bestehenden Lücken der Entsenderichtlinie zu schließen, ist ein erster Schritt. Es müssen aber weitere Schritte folgen: Maßnahmen, um Scheinselbstständigkeit und Briefkastenfirmen zu unterbinden, wirksame grenzüberschreitende Kontrollen zu schaffen und offene Fragen über Haftung für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge bei langen Subunternehmerketten zu finden, sind notwendig. Autorin: Evelyn Regner

„Der richtige Weg ist, die Freiheiten in Europa so zu gestalten, dass die Spielregeln in Europa fair sind: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.“ Evelyn Regner, Europaabgeordnete, Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten und Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten.

DIE WICHTIGSTEN PUNKTE DES EU-PARLAMENTS IM KAMPF GEGEN SOZIALDUMPING IN DER EUROPÄISCHEN UNION ::: Eine Definition für „Sozialdumping“ auf europäischer Ebene. ::: Ein europäisches Register zur zwingenden Anmeldung von ArbeitnehmerInnen, spätestens zum Zeitpunkt ihrer Entsendung. ::: Die Möglichkeit, bei groben Verstößen gegen geltende Tarifverträge oder die Entsenderichtlinie, die Erbringung von Dienstleistungen zeitweise zu untersagen. ::: Eine EU-weite „Black-List“ von Unternehmen und Briefkastenfirmen, die für Verstöße gegen europäische Arbeits- und Sozialrechtsvorschriften verantwortlich sind. ::: Mehr Kontrollpersonal für Arbeitsinspektorate und gemeinsam grenzüberschreitenden Kontrollen.

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