Fsg direkt, 11/2013

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12. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2013

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Foto: Bilderbox / United Archives / picturedesk.com

Topinfos für engagierte Gewerkschafterinnen

verteilungskampf wird härter SEITE SEITE SEITE

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A r b e i te rk a m m e r n : 3 , 3 M i l l i o n e n A r b e i t n e h m e r I n n e n w ä h l e n i h r e Ve r t r et u n g G e s e t z w i d r i g : A r b e i t s z e i t b e i Te i l z e i t b e s c h ä f t i g u n g n u r n a c h B e d a r f Fr aue n q uo te : Wa s s i e i n Vor s t ä n d en un d Auf s i c h t s r ä ten b r i n g t


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kollektivvertrags-verhandlungen

Inhalt

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Verteilungskampf wird härter Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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AK-Wahl 2014 3,3 Millionen ArbeitnehmerInnen wählen ab Jänner 2014 ihre Interessenvertretung. 6 Fußball-WM in Katar

Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Erfolg mit Hartnäckigkeit Johann Kalliauer: Ein Jahrzehnt im Dienst der OÖ ArbeitnehmerInnen.

Service

10 Buchtipps 11

Dein Recht, Antworten auf Fragen

Klartext

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Überrraschung, Überraschung ...

Grundsatz

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Soziale Dimension in EU wackelt

Europa/International

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Was die Frauenquote bringt

Foto: ÖGB-Archiv/Lang

Titelbild: Verteilungskampf wird härter (Symbolbild)

Faire verteilung

kampf wird härter Vor zehn Jahren standen im November alle Räder still: Die Eisenbahne‑ rInnen streikten gegen die Aufsplittung der Bahnstruktur. Und heuer wäre es in der Metallindustrie beinahe zu einem Streik gekommen. Die Gewerkschaft der EisenbahnerInnen machte 2003 gegen die Pläne der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung mobil. Die Bahnstruktur sollte zerschlagen und ins Dienstrecht per Gesetz eingegriffen werden. Fast drei Tage lang fuhren im November keine Züge. Die EisenbahnerInnen sollten mit ihrem Protest recht behalten: Die Bundesbahnen sind heute ein einheitlicher integrierter Konzern mit immer besser werdender Leistung. Für die EisenbahnerIn-

nen war es dennoch der größte Streik in der Zweiten Republik – unter Androhung von Entlassungen und Kündigungen. Ein Jahrzehnt später zieht der heutige ÖBBKonzernbetriebsratsvorsitzende Roman Hebenstreit Resümee: „Die Verteilungskämpfe werden härter, da müssen wir uns drauf einstellen.“ Gesagt, getan Den Gewerkschaften PRO-GE und GPAdjp gelang es heuer erst in der fünften „Metaller“-Verhandlungsrunde, die The-

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Sekretariat: Karin Stieber (karin.stieber@oegbverlag.at), A-1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39738, Fax 01/662 32 96-39793. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Nani Kauer, Thomas Kallab, Bernt Neumann/Michael Dünser, Carmen Janko. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: FSG Vorarlberg, FSG Oberösterreich, IGB, picturedesk.com, Waldhäusl, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit ­Zustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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Aktuelles


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Topinfos für Gewerkschafterinnen

politik mit unschuldigen schützt die schuldigen

men Arbeitszeit-Flexibilisierung und Einkommenserhöhungen zu entkoppeln. Nach dem Abschluss Ende Oktober stiegen die Gehälter und Löhne mit 1. November zwischen 2,5 und 3,2 Prozent. „Dieser Reallohnzuwachs ist nur gelungen, weil BetriebsrätInnen und Mitglieder den Druck auf die Arbeitgeber erhöht haben. Die Betriebsversammlungen und Streikbeschlüsse haben den Forderungen der ArbeitnehmerInnen Schubkraft gegeben“, sagten die Verhandlungsleiter auf ArbeitnehmerInnenseite, Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Proyer (GPA-djp). „Es gibt in Verhandlungen immer kritische Phasen. Es hat sich auch diesmal gezeigt, dass die heimischen Gewerkschaften mit dem Instrument des Streiks sehr verantwortungsvoll umgehen“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. Kritische Phasen nehmen zu „Unsere Geduld mit der niederösterreichischen Landespolitik ist zu Ende. Wir sind es unseren Mitgliedern schuldig, ihre Rechte zu vertreten“, erklärte auch die Vorsitzende der Landesgruppe NÖ in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe, Erika Edelbacher. Sollte es zu keinen fairen Gehaltsverhandlungen kommen, sind Maßnahmen unausweichlich. Der Streikbeschluss wurde Ende Oktober gefasst. Übrigens: Alle Kollektivverträge gibt es jetzt neu unter: www.kollektivvertrag.at

: : : : F S G direkt im A bo : : : : FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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Die Zeiten sind nicht gerade rosig. Die Welt hat schon bessere erlebt, die EU und wir in Österreich auch. Aber es hat schon weitaus schlechtere gegeben. 75 Jahre ist es her, als die Novemberpogrome die systematische Verfolgung von Menschen mit jüdischen Wurzeln entfachte (siehe Seite 4). Damit wurde zugleich einer Gruppe die Schuld „Angesichts der tristen an der miserablen WirtschaftsWirtschaftslage in eilage zugeschrieben – die Auslönigen EU-Ländern verser der Wirtschaftskrisen davor schärft sich die soziale waren vergessen. Eine naive ProKrise.“ paganda der Nationalsozialisten, Willi Mernyi, FSGdie um sich schlug. Bundesgeschäftsführer Heute klingt einiges erschreckenderweise sehr ähnlich: schuld sind die AusländerInnen, die SozialschmarotzerInnen und die EU als Institution. Griechenland steht vor einem „rechten“ Chaos, in Ungarn formieren sich die Rechten als neue Partei, in den Niederlanden, in Frankreich und in Belgien gärt es schon seit längerem. Schauen wir daher genau hin: Syrische Flüchtlinge zum Beispiel, die dem Krieg in ihrer Heimat entfliehen wollen, sie sind nicht die Schuldigen für unsere schlechte Wirtschaftslage. Damit machen die rechten Parteien nur ihre banale Politik und lenken von den wirklich Verantwortlichen und Schuldigen ab: von den vermeintlich Mächtigen in Banken, an Börsen und auch in politischen Institutionen, deren Gier nicht zu stillen ist. Unregulierte Finanzmärkte verleihen ihnen die „Übermacht“ zu Spekulationen, Wetten, Steuerflucht und Korruption. Zahlen dafür müssen die SteuerzahlerInnen – allen voran ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Wir brauchen nur einen Moment der Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938, des niemals Vergessens, um uns zu besinnen und die richtigen Entscheidungen für unsere Zukunft zu treffen: Nur gemeinsam sind Aufschwung und Wohlstand für viele möglich. Das ist Demokratie, die wir uns erarbeitet haben, das ist die Demokratie, die wir auch leben müssen!

AKTUELLES

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Foto: Renee Del Missier, AK Österreich

Interessenausgleich

starke kammern Alle fünf Jahre finden die Wahlen zu den Vollversammlungen der Arbeiterkammern statt. 3,3 Millionen ArbeitnehmerInnen wählen ab Jänner 2014 wieder ihre Interessenvertretung.

„Die Arbeiterkammern sind eine tragende Säule unserer Sozialpartnerschaft und gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten für die ArbeitnehmerInnen wichtiger denn je.“ Rudi Kaske, Präsident der Bundesarbeitskammer

Das Gesetz über die Errichtung der Kammern für Arbeiter und Angestellte wurde im Februar 1920 beschlossen. Die Arbeiterkammern sollten als Gegengewicht zur Handelskammer, die es schon seit der Revolution 1848 gab, die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertreten. Die gesellschaftspolitische Bedeutung sollten sie aber erst nach der Weltwirtschaftskrise 1929 und nach dem Zweiten Weltkrieg erlangen. Zunächst wurde

keine Stimmen für Rot-blau im FSG-Vorstand

Zerstörte Synagoge nach der „Reichskristallnacht“ in Wien.

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Aktuelles

Foto: Anonym / Imagno / picturedesk.com

Die FSG hat sich Anfang Oktober 2013 einhellig darauf festgelegt, Verhandlungen der SPÖ mit der ÖVP zur Bildung einer neuen Bundesregierung zu unterstützen. Es sei „vollkommen klar, dass die FSG Verhandlungen mit der ÖVP mit dem Ziel einer stabilen Bundesregierung unterstützt“, sagte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian nach einer knapp dreistündigen Aussprache des FSG-Vorstands mit Bundeskanzler Werner Faymann. Stimmen für RotBlau habe es in der Sitzung nicht gegeben. An ein Scheitern der Gespräche mit der ÖVP will Katzian nicht denken. Er gehe davon aus, dass es die Zielsetzung ernster Verhandlungen gebe und kein „Kasperltheater“ aufgeführt werde. Selbst im Fall eines Scheiterns sei die FPÖ für die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen aber keine Option. Seitens einzelner GewerkschafterInnen sei in der Sitzung bloß auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, im parlamentarischen Alltag mit allen Fraktionen in Kontakt zu bleiben.

die AK in Wien und dann jene in den Bundesländern wieder errichtet. Als gesetzliche Interessenvertretung setzen sich Arbeiterkammern vor allem für Beschäftigung, Weiterbildung, Qualifizierung und Wiedereingliederung ihrer Mitglieder am Arbeitsmarkt ein. Daneben vertreten die Arbeiterkammern die ArbeitnehmerInnen bei einer Vielzahl von Themen, darunter Arbeitsund Sozialrecht sowie KonsumentIn-


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AK-Wahlen nenschutz. Die Bundesarbeitskammer (BAK) steht ihren 3,3 Millionen ArbeitnehmerInnen zuverlässig mit Rat und Tat zur Seite: ::: 2 Millionen Mal bekommen AK-Mitglieder jedes Jahr kostenlos arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozialrechtliche Beratung. ::: 200 Millionen Euro hat die BAK im vergangenen Jahr für ihre Mitglieder vor Gericht mit Erfolg durchgesetzt. ::: Die BAK nimmt jedes Jahr zu mehr als 1.000 Gesetzen und Verordnungen Stellung und vertritt auch hier die Anliegen der ArbeitnehmerInnen. ::: 450.000 kompetente Beratungen erteilt die BAK im KonsumentInnenschutz jedes Jahr. ::: Über 60.000 ArbeitnehmerInnen nutzen den Bildungsgutschein jedes Jahr.

vor 75 Jahren: Novemberpogrom Das am 7. November 1938 vom 17-jährigen Herschel Grynszpan aus Protest gegen die Notlage seiner Eltern und die Verfolgung polnischer Jüdinnen und Juden verübte Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris war für Reichspropagandaminister Joseph Goebbels der formale Vorwand, in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 ein reichsweites Pogrom (= Ausschreitungen gegen religiöse oder rassische Minderheiten) zu inszenieren. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands war es auch Goeb– bels, der mit Bezug auf die angeblich wie Kristalle schimmernden Scherben der zerschlagenen Fenster und Auslagen den verharmlosenden Begriff „Reichskristallnacht“ prägte.

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Wer wählt was Automatisch wahlberechtigt sind alle an einem Stichtag umlagepflichtigen Mitglieder (Angestellte, ArbeiterInnen, freie DienstnehmerInnen). Per Antrag können sich Arbeitslose, geringfügig Beschäftigte, Karenzierte, Präsenz- und Zivildiener und Lehrlinge in die WählerInnenliste eintragen lassen. Gewählt wird die Vollversammlung der jeweiligen Länderkammer. Das Ergebnis der AK-Wahlen bestimmt auch die Entsendung von VertreterInnen in die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer (BAK) sowie in die Gremien der Sozialversicherungsträger wie zum Beispiel Gebietskrankenkassen, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt oder Pensionsversicherungsanstalt. Mehr Information gibt es im Internet unter: www.arbeiterkammer.at

: : : : D ie termi n e : : : :

Im Zuge des Pogroms kam es in Deutschland und Österreich zur Zerstörung und Verwüstung Tausender jüdischer Einrichtungen, Geschäfte und Wohnungen sowie zu gewalttätigen und demütigenden Übergriffen auf die jüdische Bevölkerung. Allein in Wien, wo die Übergriffe länger als nur eine Nacht andauerten, wurden 42 Synagogen und Bethäuser in Brand gesteckt oder anderwertig zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und beschlagnahmt sowie zahlreiche Juden und Jüdinnen misshandelt und verhaftet. Von den rund 6.500 Verhafteten wurden an die 4.000 in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

Görings die völlige Ausschaltung der Jüdinnen und Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben. Zudem wurde der jüdischen Bevölkerung die Zahlung einer „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark für das Pariser Attentat auferlegt sowie die Verpflichtung, für alle während des Pogroms entstandenen Schäden aufzukommen.

Aus Wirtschaft verbannt Wenige Tage später verordneten die nationalsozialistischen Machthaber in einer Sitzung im Reichsluftfahrtsministerium unter dem Vorsitz Hermann

Vorarlberg 27.1. bis 6.2.2014 Salzburg 27.1. bis 7.2.2014 Tirol 27.1. bis 7.2.2014 Kärnten 3.3. bis 12.3.2014 Wien 11.3. bis 24.3.2014 Oberösterreich 18.3. bis 31.3.2014 Steiermark 27.3. bis 9.4.2014 Burgenland 31.3. bis 9.4.2014 Niederösterreich 6.5. bis 19.5.2014

Systematisch Ermordet Die Novemberpogrome – als angeblicher „Volkszorn“ inszeniert – waren ein weiterer Schritt der zunehmenden Vertreibung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bis zur systematischen Ermordung von Millionen.

:::: WE B T IP P :::: www.doew.at (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands)

Aktuelles

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Foto: Eibner / EXPA / picturedesk.com

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FuSSball-WM in Katar

Zwischen leben und toD Während Fans für „ihren Fußball“ gerne leben, sterben immer mehr Bauarbeiter bei den Vorbereitungen zur Weltmeisterschaft 2022 im 40 Grad Celsius heißen Wüstenstaat Katar. Katar gilt dank seiner Einnahmen aus Erdöl und Erdgas als reichstes Land der Welt. Beim Bau der Stadien ist davon allerdings nichts zu bemerken.

Bauarbeiter werden wie Sklaven gehalten, sie arbeiten unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen. Schon jetzt gibt es Hunderte tote Bauarbeiter. Um die Infrastruktur

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Aktuelles

zu bauen, könnten bis zu 4.000 Arbeiter sterben, schätzt der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB). Gewerkschaften fordern unter diesen Bedingungen, dass neu abgestimmt wird, ob die WM

überhaupt in Katar stattfinden darf. Der ÖGB, „weltumspannend arbeiten“, die Vereinigung der Fußballer (VdF) in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) und „Südwind“ diskutierten daher über das Thema anlässlich des Welttages für menschenwürdige Arbeit im Oktober. „Es ist im eigenen Interesse der ArbeitnehmerInnen in Österreich, für menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit einzutreten“, sagte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. „Menschenrechte und Gewerkschaftsrechte sind unteilbar, wir müssen uns immer und überall dafür einsetzen.“ Eine Gelegenheit dafür sei die Kampag‑ ne des IGB.


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kommentar : : : : Zahle n & F akte n z u K atar : : : : ::: In Katar arbeiten laut Wirtschaftskammer 1,3 Millionen Menschen, 94 Prozent davon sind ausländischer Herkunft. ::: Weniger als 80.000 katarischen StaatsbürgerInnen arbeiten aufgrund der höheren Gehälter und besserer Urlaubs- und Sozialleistungen bevorzugt im staatlichen Sektor. ::: Die Branche mit der höchsten Beschäftigung ist die Baubranche mit 37 Prozent der Arbeitskräfte. ::: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in dem 1,9 Millionen EinwohnerInnen zählenden Staat mit 90.000 Dollar fast das Doppelte von Österreich. ::: Bild links: Skyline der Hauptstadt Doha bei Nacht.

Jetzt aktiv werden: Weltweit Aufschreien! Der Fußballer Abdeslam Ouaddou hat in Katar gelebt und gespielt, er ist das Gesicht der IGB-Kampagne „Re-Run the Vote“. Damit sollen Fußballfans und die Öffentlichkeit dazu veranlasst werden, Druck auszuüben, damit ein neuer Veranstaltungsort für die WM festgelegt wird. „Die Petrodollars dürfen nicht verschleiern, was in Katar vor sich geht“, sagte Ouaddou und berichtete über seine Lage: „In meinem ersten Jahr in Katar hat unser Klub die Meisterschaft gewonnen, alle waren glücklich. Im zweiten Jahr war ich plötzlich in einem anderen Team, weil der Prinz das so wollte. Ich bekam sechs Monate lang keinen Lohn.“ Ouaddou klagte den Klub mit seinem Anwalt, die Entscheidung steht noch aus. „Ich war in einer anderen Lage als die Arbeiter aus Nepal oder Bangladesch, denn ich bin Fußballer“, sagte er. „Deshalb habe ich die Verantwortung und die Pflicht, den Menschen die Augen über die unmenschlichen Bedingungen in Katar zu öffnen. Die Praktiken, die es hier gibt, sind aus einem anderen, vergangenen Jahrhundert.“ Sein Anwalt Ramesh Badal aus der nepalesischen Gewerkschaft GEFONT nennt es „moderne Sklaverei. Die Arbeiter haben keine Rechte, die vereinbarte Bezahlung wird nicht eingehalten, sie hausen in Räumen ohne Fenster. Dagegen hilft nur ein weltweiter Aufschrei“.

:::: WE B T IPPs :::: www.rerunthevote.org (auf Deutsch) www.weltumspannend-arbeiten.at

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Wolfgang Katzian fsg-vorsitzender

schluss mit der PANIKMACHE bei pensionen

Mit Jahresbeginn 2014 treten weitreichende Änderungen im Pensionsbereich in Kraft: Das neue Pensionskonto bedeutet das „Aus“ für Übergangszeiträume, auch die Reform der Langzeitversichertenregelung und der Invaliditätspension wird das faktische Antrittsalter anheben. Trotzdem werden einmal mehr mahnende Rufe laut, dass der Hut brennt. Auch die Ratschläge, die zur Sicherung des Pensionssystems erteilt werden, sind nicht neu – Frühpensionslücken schließen, gesetzliches Pensionsalter anheben und Erwerbsanreize erhöhen. Abgesehen davon, dass Maßnahmen logischerweise nicht wirken können, bevor sie in Kraft treten, übersehen die teilweise selbsternannten Experten auch, dass die Pensionskommission die finanzielle Situation der Pensionsversicherung bis 2025 besser einschätzt als im Referenzszenario, das vor zehn Jahren angenommen wurde. Diese Fakten werden in der aktuellen Debatte aber völlig ignoriert. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Eine derartige Panikmache ist nicht fair gegenüber den BeitragszahlerInnen und vor allem nicht seriös: Österreichs Pensionsdaten sind weit besser als Gerüchte und Vermutungen. Wenn wir das faktische Pensionsantrittsalter weiter anheben wollen, dann brauchen wir neben einer Reform der Arbeitswelt, um die Menschen länger im Erwerbsleben halten zu können, Elan und Ernsthaftigkeit, um längst beschlossene Maßnahmen umzusetzen. Politisches Kleingeld und legistischer Aktionismus helfen uns nicht weiter!

Kommentar

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10 Jahre AK-Präsident Johann Kalliauer

Erfolg mit hartnäckigkeit Ein Jahrzehnt im Dienst der oberösterreichischen ArbeitnehmerInnen: Viele Verbesserungen für die arbeitenden Menschen hat die AK Oberösterreich unter ihrem Präsidenten Johann Kalliauer gemeinsam mit dem ÖGB erreicht.

Vom Gratiskindergarten über die Mindestsicherung bis zu Kurzarbeitsvereinbarungen in den Krisenjahren 2008 und 2009: Viele Verbesserungen für die arbeitenden Menschen hat die AK Oberösterreich unter Präsident Johann Kalliauer gemeinsam mit dem ÖGB im vorigen Jahrzehnt erreicht. Gleichzeitig hat die Arbeiterkammer ihre Serviceleistungen ausgebaut. Bei verschie-

densten Umfragen bescheinigen ihr die OberösterreicherInnen regelmäßig höchste Vertrauenswerte. Im Herbst vor zehn Jahren wurde Johann Kalliauer erstmals zum AK-Präsidenten gewählt. Für seine Konsequenz, wenn es um die Interessen der oberösterreichischen ArbeitnehmerInnen geht, ist er bekannt. Bei Oberösterreichs Wirtschaft hat das nicht immer für Begeisterung

gesorgt – etwa wenn die Arbeiterkammer mit ihrem „Schwarzbuch“ die Arbeitsrechtssünder unter den Betrieben vor den Vorhang holt. gut durch die Krise gekommen Die Bilanz seiner zehn Jahre an der Spitze der Kammer beweist, dass gerade Kalliauers Hartnäckigkeit in der Interessenpolitik vielfach Erfolg hatte.

3.000 Unterschriften für begrenzung der Manager-Gagen AK-Vizepräsidentin Manuela Auer konnte über 3.000 Unterschriften für die Petition „Stoppt die Abzockerei!“ an Bundeskanzler Werner Faymann im Rahmen seines Vorarlberg-Besuchs übergeben. Für Auer ein „erfreulicher Abschluss der Aktion“, der Bundeskanzler begrüßte die Aktion und versprach, sich persönlich des Themas anzunehmen.

„Die Einkommen in den Chefetagen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten stehen.“ Manuela Auer (links), Vizepräsidentin AK Vorarlberg

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HINtergrund

Schweiz stimmt über Löhne ab Das Thema „Begrenzung der Managergehälter“ gewinnt auch international wieder an Brisanz. Ende November wird in der Schweiz über die Eidgenössische Volksinitiative „1:12 – Für gerechte Löhne“ der JungsozialistInnen abgestimmt. Die Initiative zur entsprechenden Änderung der Schweizer Bundesverfassung fordert, dass niemand in einem

Unternehmen mehr als zwölfmal so viel verdienen darf wie die am geringsten bezahlten MitarbeiterInnen im selben Unternehmen. Die Volksinitiative wird unterstützt von den SozialdemokratInnen und den Grünen, dem schweizerischen Gewerkschaftsbund und der Gewerkschaft Unia. Zu den erklärten Gegnern gehören die Gagen-Kaiser des Pharmakonzerns Novartis und der Wirtschaftsdachverband „economiesuisse“. In Zahlen würde die Forderung für Österreich bedeuten, dass wenn zum Beispiel der geringste Lohn 1.500 Euro brutto pro Monat (entspricht dem von der FSG geforderten Mindestgrundgehalt) in einem Unternehmen bezahlt wird, die höchste Gage 18.000 Euro brutto pro Monat nicht übersteigen darf. Netto be-


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Vor Ort

Bekannt ist Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer für seine Konsequenz, wenn es um die Interessen der arbeitenden Menschen geht, er erhielt dafür eine passende Karikatur (von links: Johann Kalliauer, FSG-Landesvorsitzender Andreas Stangl und ÖBB-Betriebsrat und AK-Vorstand Manfred Fadl). Viele Herausforderungen waren in diesem vergangenen Jahrzehnt zu bewältigen – wie zum Beispiel die größte Wirtschafts- und Finanzkrise in der Zweiten

trägt die Differenz runde 8.300 Euro pro Monat (ohne Berücksichtung von Absetzbeträgen etc.). 49-mal mehr Die Realität sieht krasser aus: Die Top-Gagen der Manager von heimischen Unternehmen, die an der Wiener Börse gemeldet sind, betrugen im Vorjahr das 49-fache eines östereichischen Durchschnittsgehalts. Mit 1,4 Millionen Euro pro Jahr ist das so viel, wie manch andere in ihrem ganzen Erwerbsleben nicht verdienen können. Wen es tröstet: US-amerikanische Vorstandschefs verdienen laut „Die Welt“ im Durschnitt 277mal so viel wie ihre MitarbeiterInnen, 1965 waren es noch „nur“ 20-mal so viel. www.fsg.at/vorarlberg

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Republik, die gerade dem Industriebundesland Oberösterreich schwer zu schaffen machte. Die AK hat gemeinsam mit dem ÖGB eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Krise gespielt. Krisenstimmung herrschte in den vergangenen Jahren in Oberösterreich auch wegen der Insolvenzen großer Arbeitgeber wie Quelle, dayli oder Alpine. Sie haben Tausende Arbeitsplätze gekostet. Die Arbeiterkammer ist den Betroffenen mit ihrem Insolvenz-Rechtsschutz kostenlos zur Seite gestanden. Auf rasche und unbürokratische Hilfe, damit die Betroffenen schnell zu ihren offenen Löhnen und Gehältern kommen, legte AK-Präsident Kalliauer großen Wert. Druck in der Arbeit steigt Gestiegen ist in den letzten zehn Jahren vor allem der Druck in der Arbeit. Löhne und Gehälter blieben oftmals hinter steigenden Gewinnen der Unternehmen zurück. Dennoch hat die AK Oberösterreich unter Kalliauer entscheidende Erfolge für die ArbeitnehmerInnen errungen. So gibt es nun Zuschläge für Mehrarbeit bei Teilzeitarbeit, die Mindestsicherung und das Kinderbe-

treuungsangebot wurde massiv ausgebaut, weil die Arbeiterkammer mit dem Kinderbetreuungsatlas Druck gemacht hat. KonsumentInnen sind besser vor unseriösen Finanzdienstleistern geschützt, freie DienstnehmerInnen sind dank des Einsatzes von AK und ÖGB arbeitslosenversichert und damit sozialrechtlich anderen Beschäftigten gleichgestellt. Herausforderungen annehmen „Es gibt aber noch viel zu tun. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen“, sagt Kalliauer. Seine dringendsten politischen Anliegen: ein gerechtes Steuersystem, die Arbeitslosigkeit bekämpfen, die Kaufkraft der Menschen stärken, die Bildungschancen ausbauen und die Situation von Leiharbeitskräften verbessern. Autorin: Carmen Janko E-Mail: carmen.janko@oegb.at

:::: WE B T IP Ps :::: www.arbeiterkammer.com www.arbeitsklimaindex.at www.fsg.at/ooe

hintergrund

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alphabet Angst oder liebe Wie wollen wir Kinder ins Leben gehen lassen? Wollen wir sie auf eine Angstgesellschaft vorbereiten? Oder wollen wir, dass sie ein Leben in Freiheit und Verbundenheit führen können? Die Zeit ist reif für eine Veränderung der Denkweise. Dafür werden neue Begriffe formuliert. Statt „Erziehung“ kann „Beziehung“, statt „Profit“ kann „Wert“, statt „Angst“ kann „Liebe“ stehen. Was jetzt ansteht, sind nicht neue Buchstaben, sondern ein neues Haltungsalphabet. Das Buch mit bisher unveröffentlichtem Material zum Film über die glücklichen ersten Jahre von Antonin Stern: Antonin wächst – wie schon

: : : : B u c ht I P P : : : : „alphabet“, Angst oder Liebe Erich Wagenhofer, Sabine Kriechbaum, André Stern, Ecowin-Verlag, 2013, 216 Seiten, 19,95 Euro. sein Vater – ohne Unterricht auf. Getragen von Begeisterung zeigt er, wie sehr wir Kindern und ihren angeborenen Veranlagungen vertrauen können.

Whistleblowing und Arbeitsrecht Abseits der Politik wird Whistleblowing (Enthüllung) auch als Schlagwort in der Arbeitswelt zunehmend wahrgenommen und gewinnt an Bedeutung. Folgende Fragen werden erläutert: Wie lässt sich Whistleblowing definieren? Wie hat sich ein/e Arbeitnehmer/in zu verhalten, um von rechtmäßigem und erlaubtem Whistleblowing sprechen zu können? Welche Besonderheiten ergeben sich für Belegschaftsorgane durch ihre Vertretungsaufgabe der Arbeitnehmerschaft?

:::: BuchTIPP :::: Whistleblowing und Arbeitsrecht, Leitfaden für Belegschaftsorgane und ArbeitnehmerInnen, Alexander Mulle, ÖGB-Verlag, 2013, 144 Seiten (e-Book inside), 29,90 Euro Die Tipps gibt es in der ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefonnummer 01/405 49 98–132, www.oegbverlag.at E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at

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buchtipps

teilzeitbeschäftigung:

einteilung der arbeitszeit Die Frage der Zulässigkeit von flexiblen Arbeits‑ zeiteinteilungen von Teilzeitbeschäftigten entschied vor kurzem der Oberste Gerichtshof (OGH). ::: In einem Urteil vom 24. Juli 2013 befasste sich der OGH mit der Frage, ob es zulässig ist, bei Teilzeitbeschäftigten das Ausmaß und die Lage im Arbeitsvertrag überhaupt nicht festzulegen, sondern es dem Arbeitgeber zu überlassen, wann und wie lange gearbeitet wird. Der OGH entschied, dass Teilzeitrahmenarbeitsverträge, die Ausmaß und Lage der Arbeitszeit nicht festlegen (Arbeit nach Bedarf des Arbeitgebers), gesetzwidrig und daher „teilnichtig“ sind. Das hat zur Folge, dass das den Umständen angemessene Ausmaß der Arbeitszeit in jenem Umfang anzunehmen ist, der dem normalen Arbeitsbedarf im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entspricht. Die Honorierung hat nach dem Durchschnitt des geleisteten Arbeitsausmaßes zu erfolgen, wobei regelmäßig ein einjähriger Durchrechnungszeitraum angemessen sein wird. Wird ein/e Arbeitnehmer/in – ohne dass ihm/ ihr dies zuzurechnen wäre – geringer beschäftigt, so hat er/sie Anspruch auf Nachzahlung des auf die Durchschnittsbeschäftigung entfallenden Entgelts. ::: Ein weiteres Urteil vom 25. Juni 2013 befasste sich mit der Frage, ob zur Vermeidung des Mehrarbeitszuschlags im Arbeitsvertrag ein längerer Durchrechnungszeitraum vorgesehen werden kann. Der beklagte Arbeitgeber hatte in seinen mit den teilzeitbeschäftigten MitarbeiterInnen


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Dein Recht

Thomas Kallab geschlossenen Dienstverträgen geregelt, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 20 Stunden beträgt und sich „flexibel laut Dienstplan“ verteilt. Diese wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von 20 Stunden „kann in einzelnen Wochen eines Zeitraums von 52 Wochen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen und Möglichkeiten über- oder unterschritten werden. Der Durchrechnungszeitraum beginnt jeweils am 1. Jänner und endet am 31. Dezember des Kalenderjahres. Ein allenfalls per 31. Dezember bestehender Saldo an Mehrstunden wird mit dem darauffolgenden Jännergehalt abgerechnet und ausbezahlt.“ Das Ergebnis vorweg: Derartige Regelungen im Arbeitsvertrag sind unzulässig. Teilzeitarbeit neu geregelt Herzstück der Neuregelung der Teilzeitarbeit im Arbeitszeitgesetz (AZG) aus dem Jahr 2007 war die erstmalige Einführung einer Zuschlagspflicht für die Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten – einer langjährigen Forderung der Gewerkschaften. Damit sollte die Kostengerechtigkeit zwischen Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit gefördert, die Zerlegung von Vollzeitarbeitsplätzen in Teilzeitarbeitsplätze verhindert sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden. Im Zuge dessen wurden auch die Regelungen über die Vereinbarung der Lage und die Änderung des Ausmaßes der Arbeitszeit geändert.

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Die Frage, ob Mehrarbeit vorliegt, ist von der Frage zu trennen, ob für die geleistete Mehrarbeit ein Zuschlag gebührt. Ein Mehrarbeitszuschlag muss zum Beispiel nicht ausgezahlt werden, wenn innerhalb des Kalendervierteljahres oder eines anderen festgelegten Zeitraums von 3 Monaten, in dem die Mehrarbeit geleistet wurde, ein Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 erfolgt, oder wenn bei gleitender Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeitperiode im Durchschnitt nicht überschritten wird. Durch Kollektivvertrag (!) kann anderes für alle den Mehrarbeitszuschlag betreffenden Regelungen vorgesehen werden. Es kann daher sowohl ein niedrigerer als der gesetzliche Zuschlag vereinbart werden, als auch die Verlängerung der Durchrechnungszeiträume – aber eben nur im Kollektivvertrag. Durch Einzelarbeitsvertrag sind derartig abweichende Regelungen nicht möglich. Daher ist es auch nicht möglich, durch Einzelarbeitsvertrag einen Durchrechnungszeitraum von einem Jahr zu bestimmen. Willkür einschränken Derartige Entscheidungen zeigen, wie wichtig und leider auch nach wie vor notwendig es ist, schrankenloser Arbeitgeber-Willkür in Arbeitszeitfragen Grenzen zu setzen. Dabei geht es nicht nur um eine gerechte Bezahlung für geleistete Arbeit, sondern auch um Lebensqualität für ArbeitnehmerInnen.

Jurist, Arbeiterkammer Wien E-mail: thomas.kallab@akwien.at

Müssen wir für einen Beschluss im Betriebsrat immer persönlich zusammenkommen? Was ist bei einem „Umlaufbeschluss“ zu beachten? Die Willensbildung muss unbedingt gemeinsam sichergestellt werden. Es muss aber nicht unbedingt eine persönliche gemeinsame Abstimmung erfolgen. Eine schriftliche Stimmabgabe, ein sogenannter „Umlaufbeschluss“ ist zulässig, wenn kein einziges Betriebsrats-Mitglied dieser Vorgangsweise widerspricht. Einer schriftlichen Stimmabgabe gleichgesetzt ist die fernmündliche Stimmabgabe per Telefon oder E-Mail, wenn alle Mitglieder im Einzelfall mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sind. Dabei trifft den Betriebsrats-Vorsitzenden eine besondere Pflicht zur Dokumentation der Beschlussfassung sowie der Information der anderen Mitglieder des Gremiums. Grundsätzlich ist bei der Durchführung von Umlaufbeschlüssen große Vorsicht geboten, um demokratische Prinzipien nicht auszuhebeln.

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Nani Kauer

KlarText

E-mail: nani.kauer@oegb.at

Überraschung, Überraschung ... Was bewegt Europa gerade? Welchen Themen widmen Europas Medien seit Wochen die Titelseiten? Den Millionen arbeitslosen Jugendlichen? Der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer? Der wachsenden Armut in Griechenland? Alles falsch. Beherrschendes Thema ist das Abhören von Angela Merkels Mobiltelefon. Das ist schade für Europa, weil es viele wichtige Themen gibt, über die man dringend reden muss. Dass sich nun alle darüber empören, dass Geheimdienste Menschen, auch PolitikerInnen, überwachen und bespitzeln, ist aber schon ein bisschen seltsam, denn das ist deren Aufgabe. Das heißt nicht, dass die Schreiberin das gut findet. Aber im Jahr 2013 – so ungefähr 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges – darüber jetzt recht überrascht zu tun und „Skandal“ zu rufen, scheint ein wenig blauäugig. Dass die NSA keine österreichischen PolitikerInnen abgehört hat, ist aber trotz allem ein bissl gemein ...

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von den konservativen sabotiert:

soziale Dimension In den ersten Plänen war die Rede vom Kampf gegen Armutslöhne, von neuen sozialen Standards und von einer Aufwertung der europäischen Arbeits- und SozialministerInnen. Am Ende blieb kaum etwas übrig.

Seit fast einem Jahr wurde sie angekündigt. Es sollte der große Wurf der EU gegen zunehmende Massenarbeitslosigkeit und den Abbau sozialer Rechte sein: Die Wirtschafts- und Währungsunion sollte endlich durch eine starke „soziale Dimension“ ergänzt werden. Doch die Vorschläge der EU-Kommission sind mehr als ernüchternd: Außer neuen, aber unverbindlichen sozialen

„Es sind nicht ,die EU‘ und ,die EU-Kommission‘, die gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen arbeiten, sondern es sind vielmehr die konservativ-liberalen PolitikerInnen.“ Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-EU-Büros in Brüssel

Indikatoren, die auch sozial- und beschäftigungspolitische Aspekte in die politische Koordinierung bringen sollen, ist nicht viel Neues in der Kommissionsmitteilung zu finden. Ehrgeizige Ziele verwässert Dabei hatte der sozialdemokratische EU-Sozialkommissar Lászlo Andor durchaus ambitionierte Pläne und Ideen. In den ersten Entwürfen war die Rede vom Kampf gegen Armutslöhne und -gehälter in der gesamten EU, von neuen hohen, sozialen Standards und von einer Aufwertung der europäischen Arbeits- und SozialministerInnen gegenüber dem übermächtigen Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN). Doch die Mitteilung wurde immer wieder verschoben.


12. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2013

Kurswechsel

21 der 28 EU-Kommissare sind dem konservativliberalen Lager zuzurechnen, darunter Kommissionschef José Manuel Barroso (rechts) und der einflussreiche Wirtschaftskommissar Olli Rehn (links).

in der EU wackelt : : : : K ritik a n de n „ gute n V ors ä t z e n “ : : : : ::: Neue soziale Indikatoren sollten die Sozialpolitik in der EU stärken. ::: Die Sozialpartner sollten stärker eingebunden werden. ::: Ein EU-Solidaritätsfonds sollte langfristig Staaten unterstützen, die mit großen wirtschaftlichen Problemen und hoher Arbeitslosigkeit kämpfen. Wolfgang Katzian, FSG-Vorsitzender, kritisiert die Minimalpläne: „Ein Bekenntnis zu hohen sozialen Standards fehlt ebenso wie die Stärkung sozialer Grundrechte.“ Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB: „Die Vorschläge werden die weit verbreitete Skepsis vieler ArbeitnehmerInnen gegenüber der EU nicht verringern können.“ www.oegb-eu.at

Von den ehrgeizigen Zielen blieb am Ende kaum etwas übrig. Der Grund: Das konservativ-liberale politische Lager in EU-Kommission und Rat zeigte einmal mehr, wie man im Interesse der Arbeitgeber lobbyiert, und was unter einem sozialen Europa zu verstehen ist. Zur Erinnerung: 21 der 28 EU-Kommissare

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sind dem konservativ-liberalen Lager zuzurechnen, darunter Kommissionschef José Manuel Barroso und der einflussreiche Wirtschaftskommissar Olli Rehn. Beide übten massiv Einfluss aus, um die Vorschläge zu entschärfen. Von Entwurf zu Entwurf verloren die Vorschläge an Substanz.

Mehrheit entscheidet Da eine offizielle Kommissionsmitteilung von allen Kommissaren gebilligt werden muss, wurde Kommissar Andor zu immer größeren Zugeständnissen gezwungen. Tatkräftige Unterstützung leistete offenbar die deutsche Bundesregierung, denn die Mitteilung wurde trotz monatelanger Vorarbeiten „zufällig“ erst kurz nach der Bundestagswahl veröffentlicht. Dieses Beispiel zeigt: Es ist weniger „die EU“ und „die EU-Kommission“, die gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen arbeiten, sondern es sind vor allem die konservativ-liberalen Mehrheitsverhältnisse, die der EU-Politik ihren Stempel aufdrücken. Das Gleiche gilt für das EU-Parlament, deshalb sind die EU-Wahlen im Mai 2014 entscheidend: Nur eine stärkere sozialdemokratische Stimme kann zu einem politischen Kurswechsel in der EU führen. Autor: Oliver Röpke E-Mail: oliver.roepke@oegb-eu.at

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Vorstand und Aufsichtsrat

was die Frauenquote bringt Nur 15 Prozent der Mitglieder in den Aufsichtsräten der größten EU-Firmen sind weiblich. Mit einer neuen Richtlinie will die EU nun für gerechte und transparente Postenvergabe sorgen.

Was haben der Nahrungsmittel-Konzern Agrana (bekannt für „Wiener Zucker“), das Catering-Unternehmen Do & Co und der Kartonhersteller Mayr-Melnhof gemeinsam? Erstens handelt es sich bei allen um österreichische Aktiengesellschaften. Zweitens beschäftigen sie jeweils mehr als 5.000 Menschen, und drittens sitzt in ihren Entscheidungsgremien – Vorständen und Aufsichtsräten – keine einzige Frau. Männlich besetzte Entscheidungsgremien sind in vielen EU-Mitgliedsstaaten die Regel. Die Karriereleiter von Frauen endet an der sogenannten „Gläsernen Decke“ – Führungspositionen sind unerreichbar. Für Aktiengesellschaften bedeutet dies, dass deren Vorstand eine Entscheidung trifft, die von keiner Frau mitgetragen wird, und dabei vom Aufsichtsrat kontrolliert wird, wiederum ohne Einbindung einer Frau. freiwillig passiert nichts Die EU hat vor drei Jahren eine Strategie entwickelt (siehe Kasten), um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Dazu schlug die EU-Kommission den börsennotierten Unternehmen in Europa zuerst vor, eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Steigerung des Frauenanteils in Entscheidungsgremien zu

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Europa/International

unterzeichnen. Jedoch folgten einerseits nur wenige Unternehmen diesem Aufruf, andererseits zog die Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Quote in Frankreich (genauso wie zuvor in Norwegen und Finnland) deutliche Verbesserungen nach sich. Aus diesen Gründen entschied sich die Kommission für eine Kurskorrektur: Faire und transparente Auswahlverfahren, in denen dem unterrepräsentierten Geschlecht bei gleicher

„Mein Ziel war es, möglichst alle börsennotierten Unternehmen zu erfassen, während die Konservativen den Bereich einengen wollten.“ Evelyn Regner, EU-Abgeordnete

Qualifikation der Vorzug gegeben wird, sollen bei der Besetzung von Führungspositionen verbindlich und bei Nichterfüllung an Strafen gekoppelt sein. Als Berichterstatterin im Rechtsausschuss konnte ich den von der Kommission vorgesehenen Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags erweitern. Mein Ziel war es, möglichst alle börsennotierten Unternehmen zu erfassen, während konservative Abgeordnete den Anwendungsbereich einengen wollten. Sie versuchten, eine Ausnahme für „Familienunternehmen“ durchzusetzen, was dazu geführt hätte, dass Konzerne wie LEGO oder BMW die Vorschriften nicht beachten müssen. Auch das Lobbying für Sonderausnahmen bestimmter Branchen konnte ich abwehren. Damit soll die Richtlinie nun für alle börsennotierten Unternehmen mit Ausnahme der Klein- und Mittelbetriebe gelten. Qualität verbessern Kommission und Parlament streben danach, den Frauenanteil in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen bis zum Jahr 2020 auf 40 Prozent zu erhöhen. Einerseits soll dadurch verhindert werden, dass Frauen, die über die gleiche Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber verfügen, bei der Postenvergabe


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personalpolitik

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: : : : Chro n ologie : : : :

Studien zeigen: Unternehmen mit vielfältig zusammengesetzten Aufsichtsräten reagieren besser auf Veränderungen, treffen ausgewogenere Entscheidungen und bringen höhere Erträge.

benachteiligt werden. Es geht vor allem darum, die Qualität von Aufsichtsräten zu verbessern. Kritik, dass damit Männer benachteiligt würden, ist zurückzuweisen: Denn in erster Linie soll nämlich sichergestellt werden, dass die Auswahl von Führungskräften gerecht und nachvollziehbar ist. Während das Geschlecht bei der derzeitigen Postenvergabe offensichtlich eine entscheidende Rolle spielt (aktuell sind nur 15 Prozent der Aufsichtsräte in den größten EU-Firmen weiblich), soll in Zukunft die Qualifikation im Mittelpunkt stehen. Für den Fall, dass Unternehmen kein transparentes Auswahlverfahren gewährleisten, schlagen Frauen- und Rechtsausschuss des Parlaments vor, diese von öffentlichen Ausschreibungen und EU-Strukturfonds auszuschließen. Die Möglichkeit, Unternehmen für unfaire Personalpolitik zu bestrafen, soll nicht nur der Abschreckung dienen, sondern vor allem langfristig dazu beitragen, die „Gläserne Decke“ zu durchbrechen. Autorin: EU-Abgeordnete Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

:::: WE B T IPP :::: www.evelyn-regner.at

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September 2010: Die EU-Kommission veröffentlicht ihre neue Rahmenstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2010–2015) und kündigt Initiativen an, um mehr Frauen in Entscheidungspositionen zu bringen. März 2011: Viviane Reding, Vizepräsidentin der Kommission, ruft börsennotierte Unternehmen zur Unterzeichnung einer freiwilligen Selbstverpflichtung auf, um den Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen bis 2015 auf 30 Prozent und bis 2020 auf 40 Prozent zu erhöhen. März 2012: Die Kommission stellt in ihrem Fortschrittsbericht fest, dass die Quote der Frauen in Entscheidungsgremien von Unternehmen zwischen Oktober 2010 und Jänner 2011 europaweit um nur 1,9 Prozent gestiegen ist; 86 Prozent der Posten sind noch immer mit Männern besetzt. In Frankreich hingegen, wo im Jänner 2011 eine gesetzlich verankerte Quote (40 Prozent) verabschiedet wurde, stieg der Frauenanteil im selben Zeitraum um satte 10 Prozent von 12,3 auf 22,3 Prozent. November 2012: Die Kommission schlägt ein transparentes Auswahlverfahren für die Aufsichtsräte von Europas börsennotierten Unternehmen vor, welches das unterrepräsentierte Geschlecht bevorzugt. Bis 2020 sollen 40 Prozent der Posten mit Frauen besetzt werden. Oktober 2013: Die EU-Abgeordneten des Frauen- und Rechtsausschusses sprechen sich für die Quote von 40 Prozent aus (Klein- und Mittelbetriebe sind ausgenommen). Als Strafe für Firmen, deren Auswahlprozesse für Aufsichtsräte nicht transparent sind, werden Geldstrafen, der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und Geldern aus EU-Strukturfonds vorgeschlagen. Nächste Schritte: Das Europäische Parlament stimmt voraussichtlich im November 2013 über die Änderungen und das Verhandlungsmandat mit Rat und Kommission ab. Danach beginnen die Verhandlungen mit dem Rat, in welchem sich derzeit mehrere Staaten wie zum Beispiel Deutschland gegen den Vorschlag aussprechen. Ziel ist, bis Ende der Legislaturperiode 2014 eine Einigung zu finden.

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fair. sozial. gerecht.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst die Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland. Es lässt sich laut Statistik Austria auch als Summe der Endverwendungskategorien darstellen. Der Anteil des privaten Konsums beträgt dabei 55 Prozent des BIP, der des staatlichen 19 Prozent. Würde die Kaufkraft in diesen Kategorien geschwächt (durch sinkende Einkommen, Sparpakete etc.) hätte dies negative Auswirkungen auf das BIP.

Quelle: Statistik Austria, laufende Preise 2012 (Zahlen gerundet) Foto: Ralph Kerpa / vario images / picturedesk.com

verwendung des bruttoinlandsproduktes Exporte Minus Importe 3 %

staatlicher „Konsum“ 19 %

investitionen (Sachanlagen) 23 %

privater Konsum 55 %

3,9 % ohne Kaufkraft geht nichts Die Wirtschaft lebt vom Konsum: Das fatalste in einer Wirtschaftskrise wäre daher, die Kaufkaft und den Konsum durch Kürzung der Einkommen oder Streichung von (Überstunden-)Zuschlägen zu schwächen. „Mit dem Metaller-Abschluss haben die Gewerkschaften einmal mehr hohe Verantwortung bewiesen“, sagt ÖGBPräsident Erich Foglar zu den Kollektivvertragsverhandlungen für die 120.000 Beschäftigten der Maschinen- und Me-

tallwarenindustrie. „Die Erhöhungen, die deutlich über der Inflation liegen, stärken die heimische Kaufkraft und das sichert einerseits den Lebensstandard der ArbeitnehmerInnen, andererseits nutzt das natürlich auch der Wirtschaft.“ (Siehe

Grafik oben.) Ohne die Erhöhungen der Kaufkraft könnte der Konsum von ArbeitnehmerInnen einbrechen und damit das Wirtschaftswachstum abgeschwächt werden, eine Abwärtsspirale würde in Gang gesetzt werden. www.lohnrunden.at

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Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank

02Z031786M

P. b. b. Erscheinungsort Wien

VERLAGSPOSTAMT 1230 WIEN


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