"FSG direkt", 11/2014

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13. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2014

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TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN

IMMER MEHR LÄNDERN REICHT'S GEMEINSAM GEGEN STEUERBETRUG SEITE SEITE SEITE

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SEITE N 3 UND 12

Öffentlich Bedienstete: Mehr als 230.000 wählen ihre Personalver tretungen Polizei tappt im Dunkeln: Skurrile Sparmaßnahmen ziehen durchs ganze Land Schweres Erbe: Armut gefährdet Aufstieg nachfolgender Generationen


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LOHNSTEUER MUSS RUNTER!

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Inhalt

Cover: Symbolbild für Steuerflucht Seite 12. 50 volle Kartons für Regierung Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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43. Bundesparteitag der SPÖ Ende November wird über Inhalte abgestimmt, die Themenpalette ist breit. Öffentlicher Dienst: Damit alles klappt Solidarisch in die Zukunft

Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

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Hintergrund

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Polizei tappt im Dunkeln So wird bei der Polizei gespart: Kaputte Taschenlampen werden nicht ersetzt. 10 Rückblick: Drei Wochen Urlaub

Service

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Dein Recht, Antworten auf Fragen

Grundsatz

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Erfindungsreichtum Ein Viertel aller Länder verschärft Gangart in Sachen Steuerbetrug.

50 VOLLE KARTONS

FÜR DIE REGIERUNG Am 30. Oktober war endgültig Schluss: Seit 3. Juli sammelten ÖGB und Gewerkschaften Unterschriften für ihre gemeinsame Aktion „Lohnsteuer runter!“. Die Kampagne geht jetzt in die nächste heiße Phase. Als die Unterschriften-Aktion anlief, war das Ziel 500.000 Unterschriften. Viele meinten, das schaffen die doch nie – vor allem nicht über die Sommermonate. Und sie wurden eines Besseren belehrt. Mit der Aktion machten ÖGB und Gewerkschaften „Lohnsteuer runter!“ zum Thema Nummer 1 in

Österreich. Trotzdem muss irgendwann Schluss sein. Das offizielle Endergebnis wurde im ÖGB-Bundesvorstand am 30. Oktober präsentiert: „882.184 Menschen unterstützen unsere Forderung nach einer spürbaren Lohnsteuerentlastung“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. Dieses Ergebnis könne die Bundesregierung nicht ignorieren. „Unser allergrößter Dank gebührt all jenen, die

Europa/International

Neues Sujet für die kommenden Wochen:

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Neue EU-Kommission: An die Arbeit

„Jetzt liegt's an der Regierung!“

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Thomas Kallab, Thomas Linzbauer, Kathrin Liener, Franz Fischill. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: BKA (Andy Wenzel), Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES


13. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2014

TOPINFOS FÜR GEWERKSCHAFTERiNNEN

CHANCENGLEICHHEIT HEISST NACHTEILE REDUZIEREN

In 50 Kartons passen 882.184 Unterschriften (bis zu zehn Unterschriften pro Blatt DIN A4).

unterschrieben haben“, so der ÖGB-Präsident. Den großen Erfolg versuchen nun einige politische Gruppierungen für ihre Interessen zu vereinnahmen. Statt einer Lohnsteuersenkung wollen sie Einzelinteressen bedienen und weitere Steuerbegünstigungen für Unternehmen. Auch ÖVP-Finanzminister Hans-Jörg Schelling. Vergessen scheint zum Beispiel, dass die Körperschaftssteuer unter Schwarz-Blau schon 2005 von 34 Prozent auf 25 Prozent abgesenkt wurde. Der ÖGB erteilt daher Vorschlägen, mit denen ArbeitnehmerInnen erst recht wieder belastet werden, eine klare Absage (zum Beispiel durch die Streichung der Steuerbegünstigungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Zulagen und Zuschlägen). LOHNSTEUERENTLASTUNG OHNE WENN UND ABER Der ÖGB-Bundesvorstand fordert mit seiner Resolution die Regierung auf, das ÖGB/AK-Modell so rasch wie möglich umzusetzen. Im November werden der Regierung die Unterschriften offiziell überreicht. Mit einer klaren Botschaft: Die Verhandlungen zu einer Lohnsteuerreform bis etwa Anfang 2015 können nur ein Ergebnis haben, eine spürbare und nachhaltige Lohnsteuerentlastung. ÖGB und Gewerkschaften bleiben weiter dran und werden Druck machen – falls nötig. Jetzt liegt's aber erst einmal an der gesamten Bundesregierung! www.oegb.at

:::: FSG DIREKT IM ABO :::: FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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In den vergangenen Jahrzehnten haben sich viele Gedanken darüber gemacht, wie denn der soziale Wohlfahrtsstaat der Zukunft aussehen könnte. Schnell wurde in der öffentlichen Debatte aus dem sozialen Netz, das wir in über hundert Jahren aufgebaut haben, die soziale Hängematte. Und aus der Staatsverschuldung eine Generationenfrage. Was mit den Schulden alles aufgebaut wurde, „Wir müssen einmal Bildung, Schulen oder ein Penmehr erklären, warum sionssystem, das den jüngeren mehr Solidarität heute Generationen noch immer zugute notwendig, aber mit kommt, interessiert kaum jemanweniger Staat völlig unmöglich ist.“ den mehr. Und anstatt den marktradikalen Willi Mernyi, FSGKapitalismus mit all seinen negaBundesgeschäftsführer tiven Erscheinungen gemeinsam zu zähmen, wurde die Beweislast von den Kapitalisten wieder gekonnt umgekehrt. Einmal mehr müssen wir erklären, warum soziale Errungenschaften besser für jene Mehrheit sind, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um überhaupt „überleben“ zu können (Seite 4). Wir müssen erklären, warum mehr Solidarität gerade heute notwendig, aber mit weniger Staat unmöglich ist. Kaum jemand würde eine ähnliche Frage bei einer Kfz- oder Haushaltsversicherung stellen. Verteilungsgerechtigkeit – so glauben manche auch noch immer – heißt, bloß den Reichen ein wenig mehr abzuverlangen, nur um es den Bedürftigen zu geben. Für uns heißt aber Verteilungsgerechtigkeit seit jeher, ein Mindestmaß an Chancengleichheit herzustellen und diese auch finanzieren zu können. Die wirklich Reichen wollen dafür oft keinen fairen – ihrem wahren Reichtum angemessenen – Beitrag leisten. Steuerflucht und Steuerbetrug florieren seit Jahrhunderten (Seite 12). Wenn wir jetzt mehr Verteilungsgerechtigkeit einfordern, dann heißt das nach der Finanzkrise und Bankenrettung nichts anderes als in den Worten von SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Wenn der Wind sich dreht, dann müssen wir die Segel anders stellen, aber nicht den Kompass über Bord werfen.“

AKTUELLES

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Foto: BKA/Andy Wenzel

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MEHR NETTO VOM BRUTTO BESCHLUSSVORLAGE BIS MÄRZ 2015 ÖGB-Präsident Erich Foglar (rechts) und AK-Präsident Rudi Kaske (links) übergaben Mitte September das ÖGB/AK-Steuermodell an die Bundesregierung. Nach der Regierungsklausur Ende September stand bereits der Fahrplan fest. Das Ausmaß der Steuerentlastung solle, so Bundeskanzler Werner Faymann, mindestens fünf Milliarden Euro betragen. Die Ausarbeitung der Details erfolgt in einer politischen Steuerungsgruppe, die bis März 2015 eine Beschlussvorlage für den Ministerrat erarbeiten soll. Im Juni 2015 könne die Beschlussfassung im Nationalrat erfolgen. Die Steuerungsgruppe habe zudem den Auftrag, „ein noch höheres Entlastungsvolumen“ zu prüfen.

43. BUNDESPARTEITAG DER SPÖ

THEMENPALETTE IST SEHR BREIT Ende November wird der SPÖ-Bundesparteitag über inhaltliche Schwerpunkte entscheiden. Die Themenpalette ist sehr vielfältig: Von Lohnsteuersenkung bis zum Nein zu Privatisierungen und Freihandelsabkommen.

Von rund 8,4 Millionen Menschen in Österreich können 23 Prozent – oder fast zwei Millionen – keine unerwarteten Ausgaben bis 1.050 Euro finanzieren. 55 Prozent sehen in ihrer Wohnkostenbelastung subjektiv eine „gewisse Belastung“, 15 Prozent eine „starke Belastung“. Fast 19 Prozent sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. So die Zahlen der Statistik Austria, die Grund zum raschen Handeln geben. Die Lohnsteuerbelastung für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen ist in Österreich viel zu hoch. Das kritisieren auch die EU-Kommission und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Teu-

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AKTUELLES

erung macht den Menschen zusätzlich zu schaffen. Besonders von den Preissteigerungen betroffen sind jene Bereiche, an denen niemand vorbeikommt: Lebensmittel, Wohnen und Energie. HARTE AUSEINANDERSETZUNG Bundeskanzler und SPÖ-Bundesparteivorsitzender Werner Faymann bekräftigt angesichts des Auseinanderdriftens von Arm und Reich und ungerechter Vermögensverteilung, „dass das politische Engagement der Sozialdemokratie für soziale Gerechtigkeit heute besonders dringend ist“. Es gelte daher, sicherzustellen, dass für Beschäftigung, Bildung, aber auch für Forschung und Ent-

wicklung genug Geld da ist. Gleichzeitig müsse man den Steuerbetrug bekämpfen und für gerechte Verteilung sorgen. „Das ist eine harte Auseinandersetzung, die es aber wert ist, geführt zu werden“, sagt Faymann. POLITISCHE WEICHEN STELLEN Österreichs Budgetpfad für die nächsten Jahre ist laut Faymann stabil – trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage. Die EU-weiten Prognosen für nächstes Jahr würden zeigen, dass die Wirtschaftskrise noch nicht vorbei ist. „Wir müssen uns aus der Krise herausinvestieren. Dazu müssen jetzt die richtigen politischen Weichen gestellt werden“, sagt Faymann. Die GewerkschafterInnen in der SPÖ werden beim 43. ordentlichen Bundesparteitag der SPÖ ihre Anliegen und Anträge einbringen. www.spoe.at


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DEIN RECHT PV-WAHLEN ÖFFENTLICH BEDIENSTETE

DAMIT IMMER ALLES KLAPPT Am 26. und 27. November wählen etwas mehr als 230.000 öffentlich anwaltschaft? – Über einen Freispruch Bedienstete ihre Personalvertretungen (PV). Die FSG/GÖD durch RichterInnen aber wieder wohl. kandidiert in nahezu allen Bundesdienststellen. Und wer sich über den Freispruch PV-Wahl 26./27. Nov. 2014 so freut, dass er gleich in der Bundeshauptstadt kulturelle Bereiche„Die Leistungen der öffentlich Bediens- und die Berufe vielfältig: rung sucht, trifft immer wieder auf teten werden gerne in Anspruch genom- Wer zum Beispiel im Ausland „BeamtInnen“: In den Bundesmuseen men. Gleichzeitig werden die KollegIn- ein Problem hat, kann sich an eine öster- oder auch im touristischen Aushängenen zumindest in der veröffentlichten reichische Vertretungsbehörde wenden. schild, der Spanischen Hofreitschule. Meinung immer wieder als ,die Beam- Die „BeamtInnen“ der Botschaft werden Das sind nur wenige Beispiele aus dem ten‘ oder ‚die Privilegienritter‘ regelrecht gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. öffentlichen Dienst, wie Holzer feststellt. verunglimpft“, stellt der Vorsitzende der Wenn wir ohne Bedenken angebotene Und der FSG/GÖD-Vorsitzende fügt noch FSG in der Gewerkschaft Öffentlicher Lebensmittel genießen können, sind es hinzu: „Wenn bei diversen Katastrophen Dienst (FSG/GÖD), Richard Holzer, fest. ebenfalls „BeamtInnen“ der Lebensmit- Bundesheerrekruten zu Hilfe eilen, dann In der öffentlichen Wahrnehmung sind teluntersuchungsanstalt, die dafür ver- sorgen wiederum ‚BeamtInnen‘ dafür, öffentlich Bedienstete mit einem Image antwortlich sind. Und wenn bei der Ar- dass alles klappt.“ behaftet, das der Realität überhaupt beitnehmerInnenveranlagung heute via nicht entspricht. Holzer: „Den granteln- Internet die Beantragung in wenigen Mi- BESTES ANGEBOT den älteren Herrn, der den halben Tag nuten geht, das Geld dann innerhalb ei- „Um die Interessen und Anliegen der seinen Schreibtisch aufräumt, Bleistifte niger Tage auf dem Konto ist, so sind es öffentlich Bediensteten, beispielsspitzt und dazwischen sein Jausenbrot die ExpertInnen der Finanzverwaltung, weise von den BereiterInnen in isst, gehört nicht nur der Vergangenheit die im Hintergrund für uns arbeiten. der Spanischen Hofreitschuan, es hat ihn nie gegeben.“ Auch wenn nicht jedes Service der öf- le bis zu den LehrerInnen, fentlich Bediensteten Freude bereitet, zu vertreten, ist eine starke VIELFÄLTIGE BERUFE wer freut sich schon über einen Straf- Personalvertretung unverzichtDie Bandbreite der Tätigkeiten im öffent- zettel der Polizei, den/die Gerichtsvoll- bar. Die FSG/GÖD hat dafür lichen Dienst ist sehr breit gefächert, zieher/in oder die Ermittlung der Staats- das beste Angebot“, ist Holzer überzeugt. www.goedfsg.at Robert Strasser / Strasser Robert / picturedesk.com

Fraktion Sozialdemokratische GewerkschafterInnen

„Die Leistungen der öffentlich Bediensteten werden gerne in Anspruch genommen. Gleichzeitig werden die KollegInnen in der veröffentlichten Meinung immer wieder als ,Privilegienritter‘ verunglimpft.“ Richard Holzer, FSG/GÖD-Vorsitzender Autor: Franz Fischill E-Mail: franz.fischill@oegb.at

Bundesheer im Einsatz gegen die Wassermassen der „March“ in Niederösterreich, 2006.

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AKTUELLES

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2. WIENER LANDESKONFERENZ

SOLIDARISCH IN DIE ZUKUNFT Aufbruchsstimmung herrschte bei der 2. Wiener Landeskonferenz der FSG/GdG-KMSfB: Die Weichen für die nächsten fünf Jahre wurden mit der Wiederwahl von Christian Meidlinger und seinem Team gestellt. Auch die inhaltliche Richtung wurde festgelegt.

POLITISCHER AUFTRAG „Wir haben einen erfolgreichen Weg eingeschlagen, diesen werden wir weiter gehen“, sagte Meidlinger in seiner Dankesrede. Der politische Auftrag für die nächsten Jahre ist klar und spiegelt sich in den FSG-Leitanträgen wieder, die einstimmig beschlossen wurden. „Solidarisch müssen wir in die Zukunft gehen. Solidarisch müssen wir auch die Besoldung weiterentwickeln“, gibt Meidlinger die Richtung vor und drängt auf die nötige Dienstrechts- und Besoldungsreform der Stadt Wien. Die Kernanliegen der GdG-KMSfB: ::: Arbeiten für Wien – fair bezahlen! Die Entlohnung muss sich an der tatsächlichen Funktion orientieren und soll weniger von Ausbildung oder Al-

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AKTUELLES

ter der ArbeitnehmerInnen abhängig sein. Die Gehaltskurve soll zu Beginn steigen – damit den jüngeren ArbeitnehmerInnen mehr Geld in der Tasche bleibt. Zulagen müssen in das Funktionsgehalt integriert, Sonn- und Feiertagsdienste ausgenommen werden. Und die Kollektivverträge müssen weiterentwickelt werden. ::: Neustart bei Freihandelsabkommen. Die Verhandlungen müssen transparenter werden, nationale Parlamente, Gewerkschaften und die Zivilgesellschaften sollen Zugang zu Verhandlungsdokumenten erhalten. Investoren dürfen keine privilegierten Sonderklagerechte gegenüber Staaten erhalten und Dienstleistungen

der Daseinsvorsorge müssen ausgenommen werden. ArbeitnehmerInnen-, KonsumentInnen- und Umweltschutz darf nicht gesenkt werden. ::: Schluss mit dem Kaputtsparen öffentlicher Dienste. Die EU-Sparpolitik und die Privatisierungsdebatte müssen ein Ende haben. Es bedarf höherer öffentlicher Ausgaben, damit die Dienste der Daseinsvorsorge in der jetzigen Qualität beibehalten werden können, außerdem braucht es einen fairen Finanzausgleich für die Kommunen. Öffentliche Ausgaben, die Investitionen in die Zukunft darstellen, sollen nicht als Schulden im Sinne des Fiskalpakts sowie Stabilitäts- und Wachstumspakts gelten. Foto: Harri Mannsberger

„Hier geht jeder für jeden durchs Feuer. Im Regen stehen wir niemals allein.“ Diese Textzeile aus dem Lied „Auf uns“ des deutschen Popsängers Andreas Bourani galt als Sinnbild für die 2. Wiener Landeskonferenz der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) im Oktober. 450 Delegierte wählten ihr Programm und ihre VertreterInnen für die nächsten fünf Jahre. Und sie schenkten erneut Christian Meidlinger ihr Vertrauen. Er wurde mit 92,19 Prozent wieder zum Wiener FSG-Vorsitzenden der GdG-KMSfB gewählt – ein eindeutiges Votum.

Christian Meidlinger (Dritter von rechts) mit seinem Team: Schriftführer Michael Novak, Vorsitzender-StellvertreterInnen Eduard Aschenbrenner, Christa Hörmann und Angela Lueger sowie FSG/GdG-KMSfB-Wien-Landesgeschäftsführer Erich Kniezanrek (von links nach rechts).


Foto: Christian Bruna

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KOMMENTAR

WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER Landeskonferenz im Wiener Colosseum XXI, 8. Oktober 2014

::: Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Die psychische Arbeitsbelastung nimmt immer mehr zu, besonders betroffen sind ältere ArbeitnehmerInnen sowie Nacht- oder SchichtarbeiterInnen. Wir fordern die Möglichkeit einer VierTage-Woche für DienstnehmerInnen ab dem 55. Lebensjahr bei vollem Lohnausgleich. Außerdem braucht es eine umfassende Regelung zur Mobbingprävention sowie mehr betriebliche SozialarbeiterInnen und ArbeitsmedizinerInnen. Weiters: „Die Lohnsteuer-Reform ist einer unserer Schwerpunkte. Eine Debatte über die Berechtigung von Steuern ist aber nicht angebracht. Steuern sind notwendig, um Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen zu finanzieren“, betont FSG/GdG-KMSfB-Wien-Landesgeschäftsführer Erich Kniezanrek. „Gemeinsam mit dem ÖGB werden wir weiterhin auf eine Lohnsteuersenkung drängen.“ Die Regierung habe einen klaren Auftrag – jetzt ist sie am Zug. „DIE STADT FUNKTIONIERT DANK EUCH“ Die Konferenz bot auch Gelegenheit, die letzten vier Jahre Revue passieren zu lassen. „Es war eine intensive, aufregende und spannende Zeit“, fasste Vorsitzender-Stellvertreterin Angela Lueger zusammen. Vieles wurde erreicht, die großen Aktionen sind noch jedem/jeder in Erinnerung: Eine Demo mit 40.000 GewerkschafterInnen in der Wiener City, die Europäische BürgerInneninitiative „Wasser ist ein Menschenrecht“ sowie eine Petition, um auf die Missstände im Kindergartenbereich aufmerksam zu machen. Für die sozialdemokratischen GewerkschafterInnen in der GdG-KMSfB allerdings kein Grund zum Zurücklehnen. Für die Kernanliegen wird weiter gekämpft – mit allen Mitteln: „Wir haben in den vergangenen Jahren gelernt, uns zu organisieren und zu wehren“, so Lueger. www.gdg-kmsfb-fsg.at Autorin: Kathrin Liener E-Mail: kathrin.liener@gdg-kmsfb.at

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JEAN-CLAUDE JUNCKER NEUE TÖNE LASSEN AUFHORCHEN „Meine erste Priorität ist eine Politik, die den Schwerpunkt auf Wachstum und Beschäftigung legt ...“, so beginnen die politischen Leitlinien, die der neue Kommissionspräsident der EU, Jean-Claude Juncker, noch im Sommer für seine Politik der nächsten fünf Jahre vorgelegt hat. Bemerkenswert, dass der ehemalige Premierminister Luxemburgs bei der Präsentation auch die soziale Schieflage in Europa und die Fehler der vergangenen Jahre nicht verhehlte: „Es gab einen Mangel an sozialer Gerechtigkeit.“ Das sind neue Töne, die aufhorchen lassen. Juncker macht damit zumindest einmal rhetorisch einen Schritt auf die Gewerkschaften zu. Vor allem auch, indem er einen großen Investitionsplan im Ausmaß von bis zu 300 Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen und privaten Investitionen in die Realwirtschaft ankündigte. Nun stellt sich allerdings die Frage nach der konkreten Gestaltung der angekündigten Investitionsstrategie. Überschriften reichen uns nicht. Es muss klargestellt werden, dass der Schwerpunkt auf öffentliche Investitionen in die soziale und ökologische Infrastruktur gesetzt werden muss. Gleichzeitig müssen generell die haushaltspolitischen Spielräume für öffentliche Investitionen erhöht werden. Die Zeit der Ankündigungen ist vorbei, jetzt geht es um konkrete Schritte. Daher fordert der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) einen europäischen Investitionsplan für die nächsten zehn Jahre, um nachhaltiges Wachstum und eine umweltschonende Re-Industrialisierung zu erreichen. Mit diesem EGB-Plan sollen elf Millionen neue Arbeitsplätze in Europa geschaffen werden. Das ist unsere Messlatte. Wir werden Juncker und sein neues Team daher nicht an schönen Worten, sondern an konkreten Ergebnissen messen – und hier zählt vor allem die Reduktion der Arbeitslosigkeit.

KOMMENTAR

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PV-Wahl 26./27. Nov. 2014 SO WIRD JETZT GESPART

POLIZEI TAPPT IM DUNKELN Kaputte Taschenlampen für den Streifendienst werden nicht ersetzt und eine fehlende Toilette auf einer Dienststelle: Das sind nur zwei banale und skurrile Beispiele dafür, was Polizeigewerkschafter der FSG/GÖD von ihren KollegInnen auf einer Tour quer durch Österreich alles zu hören bekamen.

barett angesiedelt ist, was er im niederösterreichischen Schwechat erlebt hat. In der dortigen Dienststelle gibt es keine Toilette. Wer gerade Innendienst hat, hat keine andere Möglichkeit, als einen Stock höher zu gehen in die ehemaligen Räumlichkeiten der Feuerwehr. Das gesamte Stockwerk ist allerdings baupolizeilich gesperrt. AN DEN BÜRGERiNNEN VORBEI Auch in anderen Bereichen wurde eingespart, ohne zu überlegen, ob das tatsächlich das Budget entlastet, dafür aber ganz sicher einen Verlust an BürgerInnenservice bedeutet. So wurden die mobilen Bankomatkassen eingezogen.

Foto: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

„Da kann ich nur ungläubig den Kopf schütteln“, meint Hermann Greylinger, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), was er in den vergangenen Wochen von den PolizistInnen quer durch Österreich so gehört hat. Durch den Einsparungswahn im ÖVPInnenministerium fehlen die banalsten Ausrüstungsgegenstände. Kaputte Taschenlampen für den Streifendienst werden nicht ersetzt. „Manche KollegInnen kaufen sich selbst neue Taschenlampen, damit sie bei nächtlichen Autokontrollen die Schrift auf den Führerscheinen nicht ertasten müssen“, empört sich Greylinger. Beinahe schon im Bereich des Ka-

Kontrolle und Sicherheit im Straßenverkehr wird klein geschrieben: Gespart wird bei der Polizei nämlich auch bei Reifenprofilmessern (Bild) und Vorteströhrchen zur Alkoholkontrolle.

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HINTERGRUND

Greylinger: „Damit gibt es vor allem für Lkw-Fahrer keine Möglichkeit mehr, Verwaltungsstrafen bei Verkehrskontrollen mit der Bankomatkarte zu bezahlen. Die Alternative ist eine Anzeige oder die Begleitung zum nächsten Geldautomaten.“ Ein anderes Beispiel ist, dass früher bei Anrufen von der Polizeiinspektion automatisch die Rufnummer mitgesandt wurde. So konnten abwesende Angerufene jederzeit zurückrufen, umständliche schriftliche Vorladungen konnten unterbleiben. Alles kostensparend, bürgerfreundlich und unbürokratisch. Das wurde gestrichen. Angebliche Kostenersparnis: 30.000 Euro jährlich. Über die Mehrkosten wird geschwiegen. Und nur zum Drüberstreuen: Gespart wird auch bei den Reifenprofilmessern und den Vorteströhrchen für Alkoholkontrollen. Erfreuliches hat Greylinger auch zu berichten. Seit Sommer

„Manche KollegInnen kaufen sich selbst neue Taschenlampen, damit sie bei nächtlichen Autokontrollen die Schrift auf den Führerscheinen nicht ertasten müssen.“ Hermann Greylinger (FSG/GÖD), Vorsitzender der Polizeigewerkschaft


13. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2014

GPF-WAHLEN wurden bereits 3.000 der insgesamt 6.000 neuen, kugelsicheren Schutzwesten ausgeliefert. HÄUPL HILFT AUS Zumindest in einem Punkt Positives kann auch Harald Segall, der Vorsitzende des Fachausschusses der Wiener Polizei, berichten. Auf Initiative des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl hat der Wiener Gemeinderat kürzlich „Beim Konzept ,Moderne Polizei‘ wurde der dritte und vierte Schritt vor dem ersten und zweiten gesetzt. Und so stolpert jetzt alles so dahin.“ Harald Segall (FSG/GÖD), Vorsitzender des Fachausschusses der Wiener Polizei beschlossen, 110.000 Euro bereitzustellen, damit allernotwendigste Ausrüstungsgegenstände für die PolizistInnen der Bundeshauptstadt angeschafft werden können. Segall: „Ein Lichtblick. Ich hoffe, die ÖVP-Innenministerin erkennt dadurch den Ernst unserer Situation.“ Und diese ist in Wien alles andere als rosig. Die Belastungen für die PolizistInnen sind enorm, es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Sondereinsätze notwendig sind. Demonstrationen bei denen die PolizistInnen immer wieder im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hinhalten müssen. Größere und kleinere Veranstaltungen, Staatsbesuche und vieles mehr erfordern regelmäßige Überstunden. Ganz zu schweigen von der inzwischen berühmt gewordenen Räumung

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einer Pizzeria, bei der weit mehr als 1.000 PolizistInnen im Einsatz waren, letztendlich 19 BesetzerInnen angetroffen wurden. Die Kosten betrugen, so das Innenministerium, 870.000 Euro. BÜROS IN ALTEN ZELLEN Dazu kommt, so Segall, dass sich die Umsetzung des groß angekündigten Konzeptes „Moderne Polizei“ zum Rohrkrepierer entwickelt hat. Im Frühjahr angekündigt, hätte es bereits im Oktober ins Finale gehen sollen. Segall: „Es wurde der dritte und vierte Schritt vor dem ersten und zweiten gesetzt. Und so stolpert jetzt alles so dahin.“ Konkret geht es dabei um die Zusammenlegung von Polizeiinspektionen. Bisher wurden lediglich die vier Hundestützpunkte zu einem zusammengeführt und zwei Inspektionen zu einer. Alles andere stockt. „Wir haben immer darauf hingewiesen, dass bei den neuen Inspektionen die gesetzlichen ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen einzuhalten sind. Und das kostet Geld, das nicht vorhanden ist.“ Der oberste Personalvertreter der Wiener Polizei nennt ein Beispiel, wie leichtfertig dabei offensichtlich geplant oder eben nicht geplant wurde. In Wien-Wieden sollte die Inspektion Rainergasse aufgelassen und in die Inspektion Taubstummengasse eingegliedert werden. Alles sollte bereits vor dem Sommer über die Bühne gehen. Die ehemaligen Arrestzellen sollten sich – durch einfaches Aushängen der Türen – plötzlich in Büros verwandeln. Segall: „Fotos in einer Tageszeitung sorgten für Empörung, wie mit PolizistInnen umgesprungen wird. Seither herrscht gespannte Ruhe. Für eine echte Sanierung entsprechend dem Gesetz, fehlt weiter das Geld.“ www.goedfsg.at Autor: Franz Fischill E-Mail: franz.fischill@oegb.at

ERGEBNISSE BEI POST UND TELEKOM KAUM VERÄNDERT Die Gewerkschaftswahlen der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) haben keine maßgeblichen Veränderungen ergeben. Das vorläufige Ergebnis ergab unverändert 66,6 Prozent für die FSG, 30,8 Prozent für die Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen (FCG). Die restlichen Prozente gehen an die Unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) und den Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB). Die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) traten nicht mehr an. Rund 71 Prozent der 49.273 wahlberechtigten Gewerkschaftsmitglieder haben ihre Stimme abgegeben. PERSONALVERTRETUNGSWAHLEN Parallel zur Gewerkschaftswahl sind die Wahlen der Personalvertretungen (PV) über die Bühne gegangen. Im Zentralausschuss der Post ergab sich eine Mandatsveränderung. Bisher gab es 10 Mandate, je fünf für die beiden Fraktionen. Da die Zahl der MitarbeiterInnen aber zurückgegangen ist, sind es nun nur noch 9 Mandate, davon 5 für die FSG und 4 für die FCG. Für Betriebsratschef Helmut Köstinger (FSG) ist der größte Erfolg, dass die FSG diesmal in Tirol/Vorarlberg eine relative Mehrheit erzielt hat und den Vorsitz im Personalausschuss stellt. Ebenso konnte in der Steiermark der Vorsitz im Personalausschuss gewonnen werden. Wenig Veränderungen gab es auch in der A1 Telekom Austria. Laut Betriebsratschef Walter Hotz (FSG) haben „schwache 70 Prozent“ bei der PV-Wahl für die FSG gestimmt, nach etwa 72 Prozent bei der vergangenen Wahl. Der Rest der Stimmen ging an die FCG. Bei den Mandaten werde sich dadurch nichts ändern. www.gpf.at

HINTERGRUND

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„OHNE KAMPF KEIN FORTSCHRITT“

MINDESTENS DREI WOCHEN URLAUB Am 18. November 1964 schlossen der ÖGB und die Bundeswirtschaftskammer einen Generalkollektivvertrag zur Einführung von drei Wochen Mindesturlaub ab. Seither hat sich vieles verändert und noch verbessert!

Wir schreiben das Jahr 1964: Die Geburtsstunde des Internets war damals noch gar nicht absehbar. Die Arbeitsroutine und -belastung war eine völlig andere als heute. In den 1960er- und 1970er-Jahren vollzog sich laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) noch eine enorme Verschiebung der Arbeitskräfte aus der Land- und Forstwirtschaft in Richtung Industrie und Dienstleistungssektor. Die Land- und Forstwirtschaft hatte 1964 mit 607.800 Arbeitskräften noch 19,3 Prozent aller Arbeitsplätze gestellt. 35 Jahre später waren es nur noch 145.700 oder 4,3 Prozent. VERÄNDERUNG BEI ARBEITSZEIT Die Jahresarbeitszeit je Erwerbstätigen/Erwerbstätiger hat sich im selben Zeitraum verringert. Dieser Rückgang war laut WIFO einerseits die Folge einer Abnahme der gesetzlichen wöchentlichen Arbeitszeit: 1975 erkämpften Arbeiterkammer (AK), ÖGB und Gewerkschaften die 40-Stunden-Arbeitswoche. Andererseits hatten die Verlängerung des Mindesturlaubs und die Einführung des Pflegeurlaubs Auswirkungen auf die Arbeitszeit. Der Anstieg der Frauenbeschäftigung bewirkte damals ebenfalls einen Rückgang der Arbeitszeit, da Frauen in höherem Maße als Männer teilzeitbeschäftigt waren. Auch der Rückgang des Anteils der Selbstständigen an der Erwerbstätigkeit trug zur Verringerung

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HINTERGRUND

der durchschnittlichen Wochen- und Jahresarbeitszeit bei. Später verstärkte die Zunahme der Zahl der geringfügig Beschäftigten die sinkende Tendenz der durchschnittlichen Arbeitszeit je Erwerbstätigen/Erwerbstätiger.

Erst 1986 setzten AK, ÖGB und Gewerkschaften dann den heute bestehenden Urlaubsanspruch durch: mindestens fünf Wochen. Und das war auch gut so. Denn wenn die Arbeit früher körperlich anstrengender gewesen sein mag, so verursacht das heutige Arbeitstempo aufgrund des technologischen Fortschritts jede Menge neuer Berufskrankheiten: Immer mehr ArbeitnehmerInnen klagen über arbeitsbedingte psychische

BUCHTIPP: FEHLZEITEN-REPORT GESUNDE ZUKUNFT HEUTE GESTALTEN Laut dem „Fehlzeiten-Report“ können sich Unternehmen dem gesellschaftlichen Wandel heute nicht entziehen: Älter werdende Belegschaften, mehr weibliche Arbeitnehmer oder der Fachkräftemangel sind nur einige der Veränderungen, mit denen Unternehmen unmittelbar konfrontiert werden. Hinzu kommen die Folgen der Globalisierung und des technischen Fortschritts. Während den Beschäftigten immer mehr Flexibilität und eine ständige Veränderungs- und Lernbereitschaft abverlangt wird, steigen auch die Erwartungen der Beschäftigten an die Unternehmen. Der Fehlzeiten-Report informiert über die Kranken-

standsentwicklung in der deutschen Wirtschaft. Der Report stellt Bewertungen zu den Gründen und Mustern von Fehlzeiten in Betrieben vor. Ein Ratgeber für alle, die Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen tragen. BESTELLMÖGLICHKEIT Fehlzeiten-Report 2014, Erfolgreiche Unternehmen von morgen – gesunde Zukunft heute gestalten (Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft), Bernhard Badura, Antje Ducki, Helmut Schröder, Joachim Klose, Markus Meyer, Verlag Springer, 2014, 1. Auflage, 2014, 578 Seiten, 56,60 Euro. ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefon 01/405 49 98-132 oder per E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.oegbverlag.at


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Foto: Dr. Bernhard Goepel / Interfoto / picturedesk.com, Aufnahme 1962

DEIN RECHT

THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at

Parkbucht am Gardasee in Italien. Erst 1986 setzten ÖGB, Gewerkschaften und AK den heutigen Urlaubsanspruch durch: mindestens fünf Wochen.

Belastungen. Stressfaktoren stören das Gleichgewicht und kosten Energie, Fehlbeanspruchung bremst die Produktivität und kann krank machen. Mittlerweile ist anerkannt, dass psychische Erkrankungen als Folge von Arbeitsbelastungen auf dem Vormarsch sind. BENACHTEILIGT DURCH MOBILITÄT Aber zurück zum Urlaubsanspruch: Das derzeit geltende Urlaubsrecht zielt auf eine lange Zugehörigkeit bei einem Arbeitgeber ab. Es gibt sechs Wochen Urlaub für ArbeitnehmerInnen, die 25 Jahre bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind. Die Flexibilität und die Mobilität der ArbeitnehmerInnen haben aber stark zugenommen. „Die derzeit geltenden Urlaubsregelungen benachteiligen Beschäftigte in Branchen, in denen die Verweildauer bei einem Arbeitgeber kürzer ist. Das sind insbesondere Bereiche mit einem hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten, wie der Handel oder der Sozialbereich. Daher ist die Ausdehnung des Anspruchs auf eine sechste Urlaubswoche insbesondere vom Standpunkt der Gleichbehandlung der Geschlechter notwendig“,

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sagt FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian und fordert ein gerechtes Urlaubssystem ein. Der FSG-Vorsitzende kann sich eine schrittweise Ausdehnung des Anspruchs auf eine sechste Urlaubswoche vorstellen, etwa bereits nach 15 Jahren Betriebszugehörigkeit oder durch bessere Anrechnungsbestimmungen bei Beginn von neuen Dienstverhältnissen nach dem „Rucksackprinzip“ (Ansprüche werden vom gegenwärtigen Arbeitgeber auf den nächsten mitgenommen). Katzian: „Eine weitere Möglichkeit wäre eine Regelung, wie sie im öffentlichen Dienst längst etabliert ist, nämlich der Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche ab einem Lebensalter von zum Beispiel 43 Jahren. Das Urlaubsrecht bedarf einer Reform, um es an die neuen Gegebenheiten der Arbeitswelt anzupassen und es gerechter zu machen.“ Ganz nach dem Motto der vergangenen FSG-Bundesfraktionskonferenz: „Ohne Kampf kein Fortschritt.“

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In unserem Betrieb werden viele ArbeitnehmerInnen gekündigt. Muss der Arbeitgeber das AMS verständigen? § 45 Arbeitsmarktförderungsgesetz bestimmt, dass Arbeitgeber bei sonstiger Unwirksamkeit der Kündigung die zuständige regionale Geschäftsstelle des AMS schriftlich verständigen müssen, wenn sie beabsichtigen, ::: die Arbeitsverhältnisse von mindestens fünf ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 100 ArbeitnehmerInnen, ::: mindestens fünf Prozent der ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit 100 bis 600 ArbeitnehmerInnen, ::: mindestens 30 ArbeitnehmerInnen in Betrieben mit mehr als 600 ArbeitnehmerInnen oder ::: von mindestens fünf ArbeitnehmerInnen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, innerhalb eines Zeitraumes von 30 Tagen aufzulösen. Dem Betriebsrat muss eine Kopie der Anzeige übermittelt werden.

SERVICE

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www.f s g.at

Stadthäuser: Mit einer sehr schmalen Bauweise konnten Reiche in

CHRISTOPH HÖLLRIEGL Aus der Redaktion. E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at

MACHEN WIR DEN STEUER-STRESSTEST Die Fakten: In Österreich zahlen ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen mit ihren Lohnsteuern den größten Anteil an den Steuereinnahmen des Staates. Dahinter folgt die Mehrwertsteuer. Unternehmen und Konzerne haben jede Menge Gestaltungsspielraum bei ihren Steuern – auch international (siehe Beitrag rechts). Aber selbst längst fällige Steuern werden hierzulande oft nur zögerlich bezahlt. Die Rückstände: um die zwei Milliarden Euro. Noch „kreativer“ sind jene, die ihr Geld überhaupt an der Finanz vorbeischleusen. Entgang: geschätzte eine Milliarde Euro jährlich. Nun der theoretische Steuer-Stresstest. Annahme: Alle könnten die gleichen (internationalen) steuerlichen Gestaltungsspielräume nutzen – nicht nur die Reichen. Also auch ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, die seit der Finanzkrise von allen Seiten her nur sparen, sparen und wieder sparen hören. Was würde passieren? Wie lange gäbe es noch Schulen, Spitäler, Straßen, Sicherheit und Ordnung ...? Daher: Schaffen wir mehr Steuergerechtigkeit. Das bringt die dringend notwendigen Wachstumsimpulse und davon haben alle etwas!

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GRUNDSATZ

Amsterdam schon vor Jahrhunderten Steuern „minimieren“.


13. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2014

STEUERN ERFINDUNGSREICHTUM

EDISON IN AMSTERDAM Im 17. Jahrhundert war Amsterdam eine wohlhabende Stadt in Europa. In ihren Häfen lagerten Gewürze und andere Kostbarkeiten aus Übersee. Und die Stadtkassa sollte entsprechend klingeln.

Anhand der Hausbreite wurden Steuern eingehoben. Was Reiche dazu mitveranlasste, schmale, dafür aber hohe Häuser zu bauen. Das Ziel: Steuern minimieren. Die Stadt hätte dann nur die Höhe mitberücksichtigen müssen, um den Steuerentgang auszugleichen. Dieser „Erfindungsreichtum“ in Sachen Steuerminimierung trat in Amsterdam schon rund 200 Jahre vor der Entwicklung der Glühlampe zutage, die Thomas Alva Edison Ende des 19. Jahrhunderts patentieren ließ. Zu dieser Zeit betrug die Arbeitszeit für ArbeitnehmerInnen noch zwölf Stunden pro Tag. Ähnliche Beispiele gibt es viele, in vielen Ländern und auch schon viel früher. An dem Erfindergeist hat sich bis heute nichts geändert. SPÄTE EINSICHT Wer Reichtümer hat, kann sich JuristInnen und SteuerberaterInnen leisten, die immer wieder neue Steuerschlupflöcher „erfinden“. Und das mittlerweile auf der ganzen Welt. Starbucks, Amazon, Google oder Apple wissen das gekonnt zu nutzen. Man spricht von Umverteilung von Betriebsvermögen. Dass dabei zu wenig Steuergeld in jenen Ländern zurückbleibt, in denen diese Unternehmen eigentlich tätig sind, ist kaum der Rede wert (auch von Seiten der politisch Verantwortlichen). Die Hauptprofiteure, jene, die die Gewinne dann fast steuerfrei einstreifen, bleiben im Dickicht der Finanzindustrie meist im Verborgenen.

Zumindest in einem EU-Land könnte mit derartigen Praktiken bald Schluss sein. Irland will nach Druck der EU sein Steuersparmodell für Konzerne abschaffen. Ab 2015 sollen Unternehmen nicht mehr in Irland registriert sein dürfen, ohne dass sie auch Steuern zahlen. Konzerne können sich bisher in Irland zwei Tochtergesellschaften einrichten, von denen eine ihren Firmensitz nicht in Irland hat, sondern in einer Steueroase. Die in Irland ansässige Firma reicht unversteuerte Gewinne zum Beispiel getarnt als Lizenzabgaben an die andere weiter. Und schon hat man Steuern minimiert. Übrigens: Irland hat jahrelang zusätzliche Fördermittel aus dem Kohäsionsfonds der EU erhalten, einem Fonds zur Stabilisierung der Wirtschaft, und musste 2010 mit Krediten vor der Pleite gerettet werden. SPURENSUCHE BEGINNT Wie viel Geld Ländern durch Steuervermeidung entgeht, ist schwer zu beziffern. Die EU-Kommission geht in der EU von einer Billion Euro jährlich aus. Das entspricht etwas weniger als

Licht aufgegangen:

dem Vierfachen der österreichischen Staatsschulden. Aufgrund der anhaltend schlechten Staatsfinanzen dürfte es jetzt immer mehr Ländern reichen. In Berlin verpflichteten sich Ende Oktober 51 Länder dazu, ab 2017 Kontendaten von AusländerInnen (!) automatisch auszutauschen, um Steuerbetrug wirksamer zu bekämpfen. Mehr als ein Dutzend weiterer Staaten haben ihr Interesse bekundet. Basis für den Austausch ist ein Standard, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitet hat. Banken und Finanzinstitute in den einzelnen Ländern sollen ihren nationalen Steuerbehörden Informationen über Konten von AusländerInnen und darauf verbuchte Transaktionen melden. Diese können sie dann KollegInnen in den Partnerländern weiterleiten. Auch Schlupflöcher in Steueroasen sind im Visier. Zu den Erstunterzeichnern der Vereinbarung zählen neben Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien auch Steueroasen wie Liechtenstein oder die Bermudas. OECDGeneralsekretär Angel Gurria mahnte am Tag der Unterzeichnung: „Die Arbeit endet nicht mit dem heutigen Tag.“ Das weiß auch Österreich: Eine Spezialeinheit des Finanzministeriums ist laut „DiePresse.com“ derzeit jenen Steuerbetrügern auf den Fersen, die Geld aus der Schweiz und Liechtenstein vor dem Inkrafttreten des Steuerabkommens mit diesen Ländern, geschickt abgezogen haben.

Einem Viertel aller Länder reicht's. Sie verschärfen

Autor: Christoph Höllriegl

gemeinsam ihre Gangart

E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at

in Sachen Steuerflucht.

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GRUNDSATZ

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www.f s g.at

Ausweg aus der Krise: Die Menschen in Europa brauchen Sicherheit und neue Arbeitsplätze durch

Foto: mauritius images / Image Source (Symbolbild)

mehr Investitionen.

NEUE EU-KOMMISSION

RAN AN DIE ARBEIT Am 22. Oktober wurde das Team Juncker mit 423 Ja-Stimmen (bei 209 Gegenstimmen und 67 Enthaltungen) vom Europäischen Parlament in Straßburg angenommen. Somit hat die EU endlich eine neue Regierung. Es ist allerhöchste Zeit, dass diese zu arbeiten beginnt, es gibt enorm viel zu tun!

Mit einem Investitionsplan von 300 Milliarden Euro will der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die EU in die Wachstumsphase zurückführen. Dieses Zugeständnis war nur durch steten Druck von den SozialdemokratInnen möglich. Das Bankrott-Sparen muss endlich ein Ende haben, denn Europa braucht dringend frische Investitionen und neues Wachstum. KEIN BLOSSES DURCHWINKEN Die Abgeordneten im EU-Parlament haben ihre Arbeit in punkto Kommissi-

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EUROPA/INTERNATIONAL

onsbildung bereits im Vorfeld erledigt. Jede Kandidatin und jeder Kandidat für eine Aufgabe in der neuen Kommission musste sich einer strengen Anhörung, dem sogenannten „Hearing“, unterziehen. Dabei ging es darum, die fachliche und Führungs-Kompetenz sowie die Verpflichtung zu den europäischen Werten der AnwärterInnen zu überprüfen. Nicht alle KommissarsanwärterInnen konnten überzeugen, und so wurde etwa der britische Finanzmarkt-Kommissar Jonathan Hill „zum Nachsitzen“

bestellt und musste sich ein zweites Mal den Fragen stellen. Die Slowenin Elena Bratusek wurde von einer Mehrheit der EU-Abgeordneten in den dafür zuständigen Ausschüssen gänzlich abgelehnt. Schließlich trat die designierte Kommissarin, die im Hearing fachliche Lücken hinterließ, selbst von ihrer Kandidatur zurück und machte den Weg frei für eine geeignetere Kandidatin – Violeta Bulc. Die anderen WackelkandidatInnen – Tibor Navracsics (Ungarn), Vera Jourova (Tschechien) und Miguel Arias Cañete


13. Jahrgang // Nummer 11 // Wien, November 2014

INVESTITIONSPLAN (Spanien) – hatten schriftliche Nachfragen zu beantworten. Erst danach konnte sich eine Mehrheit unter den Abgeordneten im jeweils zuständigen Ausschuss für die Bestätigung finden. Dabei konnten wichtige Verschiebungen der Zuständigkeiten erreicht werden: Navracsics wurden die BürgerInnenagenden weggenommen, Hill die Bankerboni entzogen und der spanische Klima- und Energiekommissar Cañete untersteht im Bereich der nachhaltigen Entwicklung künftig der Oberaufsicht von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. Die Art und Weise, wie das Europäische Parlament jedes künftige Kommissionsmitglied hinstellt und auf ihre/seine Kompetenz prüft, ist einzigartig. Man stelle sich vor, Regierungsmitglieder müssten ein ähnliches Prozedere vor einem nationalen Parlament durchlaufen. „SUPERKOMMISSARiNNEN“ Der Aufbau der 28-köpfigen EU-Kommission ist ebenso neu wie ihre Mitglieder: Juncker hat den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans zum 1. Vizepräsidenten gemacht, und sechs weitere KommissarInnen zu VizepräsidentInnen ernannt. Sie sind quasi „SuperkommissarInnen“ und gemeinsam mit einem oder zwei weiteren KommissarInnen für bestimmte Themenbereiche zuständig. Im EU-Parlament werden die SozialdemokratInnen neben der Beobachtung der fachlichen Arbeit genau darauf achten, dass sich durch diese neue Form der Aufgabenverteilung keine Verantwortungslücken ergeben.

ckers durch die Europawahlen am 25. Mai und das neue System der SpitzenkandidatInnen stärkt das Team, das seine Arbeit formell mit 1. November 2014 aufgenommen hat, zusätzlich.

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Regner ist seit 2009 SPÖEuropaabgeordnete, seit 2014 geschäftsführende Delegationsleiterin der SPÖ-Europa-

Trotz dieser vorteilhaften Startposition muss die neue Kommission vor allem an ihren Taten gemessen werden. Einige KommissarInnen waren nur mit Bauchschmerzen zu akzeptieren, letztendlich müssen sie sich aber mit ihrer Arbeit beweisen. Vieles wurde bereits von Juncker und Co. angekündigt. Das sicherlich größte Versprechen ist der 300 Milliarden Euro schwere Investitionsplan für die nächsten drei Jahre. Woher die Geldmittel kommen sollen und wie der Plan im Detail aussieht, ist noch nicht bekannt. Klar muss aber sein, dass die EU dringend neue Investitionen braucht. Es reicht nicht, bereits bestehende Mittel umzuschichten und dann so zu tun, als handle es sich um neues Geld. Bis Weihnachten verspricht der Kommissionspräsident, den Investitionsplan und Konkretes dazu vorzulegen. Investitionen in nachhaltige Bereiche, etwa in die Infrastruktur, erneuerbare Energien und den Bildungssektor müssen aus den Defizitberechnungen der Mitgliedsstaaten ausgenommen werden. Nur so ist es möglich, endlich wieder Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen. Die Erwartungen sind groß, umso größer wäre die Enttäuschung. Die Kommission muss sich an die Arbeit machen! Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

AN DEN TATEN MESSEN Die neue Kommission – das Team Juncker – ist mit Sicherheit eine der stärksten Kommissionen, die die EU je hatte. Die demokratische Legitimierung Jun-

Die Gewerkschafterin Evelyn

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abgeordneten.

„DAS BANKROTT-SPAREN MUSS EIN ENDE HABEN“ Zwei Fragen an SPÖ-Europa-Abgeordnete Evelyn Regner. FSG direkt: Wie geht es nach der „Annahme“ der neuen Kommission durch das EU-Parlament jetzt weiter? Evelyn Regner: Die Kommission macht sich endlich an die Arbeit, und auch wir EU-Abgeordnete gehen unserer täglichen parlamentarischen Arbeit nach. Es gibt enorm viel zu tun, die Wirtschaftskrise ist in einigen Teilen Europas noch lange nicht überwunden. FSG direkt: Was wird von Jean-Claude Juncker erwartet? Evelyn Regner: Juncker muss eine starke Kommission führen, die für Europas Bürgerinnen und Bürger gute Arbeit zu leisten hat. Diese Stärke muss insbesondere gegenüber den Staats- und RegierungschefInnen beibehalten werden. Beim zugesagten Investitionsplan von 300 Milliarden Euro nehmen wir ihn beim Wort, und ich erwarte mir Innovation und Defizitausnahmen bei Investitionen in nachhaltige Wachstumsbereiche. Das Bankrott-Sparen muss endlich ein Ende haben! Europa braucht dringend neues Wachstum.

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FAIR. SOZIAL. GERECHT.

AUSGRENZUNGS- UND ARMUTSGEFÄHRDUNG KINDER, JUGENDLICHE UND JUNGE ERWACHSENE Die meisten Vermögensunterschiede (Reichtümer) sind laut Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) nicht während eines Lebens erarbeitet sondern geerbt worden. Viele tragen heute aber ein weitaus schwereres Erbe mit sich: 24 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bis 15 Jahre sind ausgrenzungsgefährdet, ein Fünftel sogar armutsgefährdet. Die Folgen: Ungleiche Bildungschancen und spätere Einkommensnachteile – auch noch für nachkommende Generationen.

Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre

Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

(gesamt 1,268.000)

bis 24 Jahre (gesamt 2,328.000)

Ausgrenzungsgefährdet 310.000 (= 24 %)

Ausgrenzungsgefährdet 481.000 (= 21 %)

Armutsgefährdet 406.000 (= 17 %)

Armutsgefährdet 254.000 (= 20 %)

Ausgrenzungsgefährdet ist jene Gruppe, die von mindestens einer der drei folgenden Gefährdungslagen betroffen ist: Erhebliche Nichtleistbarkeit von Gütern/Bedürfnissen für den Haushalt oder Leben in Haushalten mit keiner oder sehr niedriger Erwerbsintensität oder Armutsgefährdung. Armutsgefährdet bedeutete 2013 ein Nettohaushaltseinkommen für Alleinlebende unter 1.104 Euro pro Monat (zwölf Mal jährlich), für jedes Kind unter 14 Jahren im Haushalt zuzüglich 331 Euro pro Monat und für jede/n weitere/n Erwachsene/n zuzüglich 552 Euro pro Monat. Quelle: Statistik Austria, EU-SILC 2013, Einkommen, Armut und Lebensbedingungen, 22. Oktober 2014 (Angaben beziehen sich teilweise auf 2012).

900 EURO PRO SEKUNDE

3,9 %

Das Privatvermögen wuchs in Österreich seit dem Jahr 2000 mehr als dreimal so stark an als das Bruttoinlandsprodukt. Reicher werden aber nur Reiche. Sozial Schwächere haben kaum Chancen auf wirklichen Reichtum. Während der Finanz- und Wirtschaftskrise konnten Reiche ihre Vermögen weiterhin in sicheren Häfen parken. Und sie wurden auch noch reicher. Weltweit! Nach dem „Global Wealth Report 2014“ der Schweizer Großbank Credit Suisse soll sich daran

auch nichts ändern. Die Zahl der Dollarmillionäre soll sich bis zum Jahr 2019 von gegenwärtig 18 Millionen auf 53 Millionen verdreifachen. In Österreich werden dann mit 700.000 Millionären fast zwölfmal so viele Millionäre leben als noch im Jahr

Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

2000. Zusehen kann man dieser Entwicklung online mit dem „Reichtumsticker“ der Arbeiterkammer Oberösterreich. Pro Sekunde werden die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung um fast 900 Euro reicher: ooe.arbeiterkammer.at/reichtumsticker

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/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank

P.b.b. 02Z031786M ÖGB-Verlag, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

Retouren an PF 100, 1350 Wien


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