14. Jahrgang // Nummer 12 // Wien, Dezember 2015
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d i rek t FACEBOOK.COM/FSG.OEGB TOPINFOS FÜR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN
LO HN S TEUE R G E SE NK T!
Foto: Mauritius Images/Ybbs (Montage)
AB 2016
FESTSTIMMUNG WIE SCHON LANGE NICHT ...
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... WIE SEIT 40 JAHREN NICHT MEHR!
Inhalt
FÜR ARBEITNEHMERiNNEN PRO JAHR
Cover: Symbolbild zur Lohnsteuerentlastung ab 1. Jänner 2016. 3
Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
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GdG-KMSfB wurde younion Mit neuem Namen und neuen Leitanträgen in die Zukunft. FSG/GPA-djp: „Helfen statt Hetzen“
Kommentar
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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian
Brutto-Verdienst monatlich
Ersparnis in € pro Jahr
Lohnsteuer verringert sich um
1.000,00
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Steuergutschrift1
1.100,00
279
Steuergutschrift1
1.200,00
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Steuergutschrift2
1.300,00
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57 %
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382
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1.500,00
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Hintergrund
2.400,00
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„Schwachsinn“ umgesetzt Für einen geordneten Zugang von Flüchtlingen braucht es mehr Personal.
2.600,00
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Service
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Recht, Antworten auf Fragen
3.400,00
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3.600,00
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1.516
15 %
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12 %
5.000,00
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Grundsatz
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Unsere Gesellschaft wird älter Schneller umdenken und rechtzeitig alternsgerechte Arbeitsplätze schaffen.
Europa/International
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Neue und faire Steuerpolitik EU-Parlament prescht im Kampf gegen Steuertricksereien vor. 16 Alles Gute für 2016!
Grobe Übersicht der Lohnsteuerentlastung 2016 (Informationsstand bei Redaktionsschluss). 1 Geringe Monatsbruttoeinkommen profitieren besonders von einer erhöhten Steuergutschrift von bis zu maximal 400 Euro pro Jahr (derzeit 110 Euro pro Jahr). 2 Zusätzliche Entlastung, weil der/die ArbeitnehmerIn mit dem neuen Steuertarif noch nicht steuerpflichtig ist und in den Genuss der Steuergutschrift kommt. WWW.OEGB.AT/RECHNER
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Kathrin Liener, Hansjörg Miethling, Franz Fischill, Thomas Kallab. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos/Grafiken: FSG younion, FSG/GPA-djp, vida/ITF, Franz Fischill, Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
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AKTUELLES
Angaben ohne Gewähr
LOHNSTEUERENTLASTUNG AB 1. JÄNNER 2016
14. Jahrgang // Nummer 12 // Wien, Dezember 2015
EDITORIAL
N E B A H ! WIR T F F A H C S E G ES STUNG A L T N E R E EU LOHNST CHTSGELD A N H I E W + NGEN D U L H E Ö G S H B R U E S A + U R L - / G E H A LT N H O L E H C I ZU SEIN! E B + J Ä H R L I A D T U =G
Steuerreformen gab es in den vergangenen 40 Jahren einige. Aber keine hatte ein so großes Entlastungsvolumen für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen wie jene, die ab 1. Jänner 2016 wirksam wird. Mit mehr als fünf Milliarden Euro werden die arbeitenden Menschen entlastet. Das bringt für jede Einzelne und jeden Einzelnen mehr netto vom Brutto. Mit dieser Forderung sind ÖGB und Gewerkschaften 2014 an die Öffentlichkeit gegangen, in jenem Jahr, in dem noch nie in der Geschichte zuvor so viel an Lohnsteuer gezahlt wurde. Mehr als 880.000 UnterstützerInnen folgten der Forderung. Und jetzt ist es geschafft! GROSSE UND KLEINE AUFREGER Von der Bundesregierung wurde natürlich nicht das ÖGB/AKModell eins zu eins umgesetzt. Es fielen Vorschläge heraus (Stichwort höhere Vermögensbesteuerung), und es kamen andere Vorschläge hinein – zum Beispiel die Einführung eines Umsatzsteuersatzes von 13 Prozent für Tierfutter, Blumen, Beherbergung, Eintrittskarten im kulturellen Bereich etc. Erste Aufregung machte sich breit, die Skepsis stieg: Wie viel würde von der Entlastung am Ende übrig bleiben? Beispielrechnungen brachten Gewissheit: Gibt jemand insgesamt 100 Euro pro Monat dafür aus, dann kostet es künftig um 2,72 Euro mehr. Überraschend kein Interesse gab es daran, dass gleichzeitig der Steuersatz für Eintrittskarten
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zu Sportveranstaltungen von 20 auf „Gemeinsam können 13 Prozent gesenkt (!) wurde. Künftig wir mehr erreichen als gilt ein einheitlicher Steuersatz von Einzelne. Das liegt zwar 13 Prozent für Kultur- und Sportvernoch nicht im Trend, anstaltungen. funktioniert aber!“ Mehr Verunsicherung herrschte wieWilli Mernyi, FSGder beim Thema GrunderwerbssteuBundesgeschäftsführer er. Dabei erben laut Österreichischer Nationalbank 80 Prozent gar keine Immobilien. Und selten bekommt jemand jedes Jahr eine Immobilie vererbt oder geschenkt beziehungsweise schafft sich eine an. Geschätzt wechseln Immobilien etwa alle 40 Jahre ihre EigentümerInnen. Beispielrechnung: Eine jährliche Entlastung von 1.000 Euro ergibt ohne Berücksichtigung der jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen, Zinsen etc. nach 40 Jahren ein sattes Plus von 40.000 Euro. Da sollte genug Spielraum für eine Erbschaft drin sein. WIR MACHEN WEITER Wie viel am Ende eines Jahres von der Entlastung bleibt, hängt davon ab, was man damit macht: Viele werden sich mehr leisten (können), einmal länger auf Urlaub, mehr für (Enkel-) Kinder, mehr für sich selbst oder mehr sparen. Damit das so bleibt, bleiben wir weiter dran! Zum Beispiel müssen die Auswirkungen der sogenannten „kalten Progression“ eingedämmt werden. Das heißt: Ab einer bestimmten Teuerung sollen Steuerfreigrenzen und -stufen an diese angepasst werden. Die Formulierung aus dem ÖGB/AK-Modell fand in der Steuerreform keinen Niederschlag. Und mehr Verteilungsgerechtigkeit – auch bei der Arbeitszeit – bleibt ebenfalls auf unserer Agenda. Was aber am wichtigsten ist: Jetzt weiterzusagen, dass wir gemeinsam mehr erreichen können als Einzelne!
AKTUELLES
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Fotos: Christian Bruna
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GEWAPPNET FÜR NEUE HERAUSFORDERUNGEN
GdG-KMSfB WURDE YOUNION Erfahrenes FSG-Führungsduo wurde beim Bundeskongress im November bestätigt: Christian Meidlinger und Erich Kniezanrek führen die GdG-KMSfB mit neuem Namen und neuen Leitanträgen in die Zukunft. Es war kein gewöhnlicher Bundeskongress: Begonnen wurde der Kongress noch als Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB). Am Ende des Tages gingen die Delegierten mit einem neuen Namen im Gepäck nach Hause: „younion _ Die Daseinsgewerkschaft“. Was bedeutet der neue Name? „You (du) + union (Gewerkschaft) = younion. Uns ist das Individuum wichtig (du), gleichzeitig stehen wir für die Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen (union). Es ist das Miteinander von vielen, sehr individuellen Menschen, die uns als Gewerkschaft stark machen. Der Name younion ist international. Wir wollen da-
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AKTUELLES
mit ausdrücken, dass unsere Solidarität universell ist“, so die Begründung. Der Name ist neu, das FSG-Führungsduo mit Christian Meidlinger (kleines Bild) und Erich Kniezanrek erfahren: Meidlinger wurde im Vienna International Center mit 96,11 Prozent der Delegiertenstimmen als Vorsitzender wiedergewählt, Kniezanrek wurde mit 98,80 Prozent als Bundesgeschäftsführer bestätigt. Als stellvertretende Vorsitzende wurden Johann Auer (99,10 Prozent), Erika Edelbacher (98,50 Prozent), Christa Hörmann (95,21 Prozent) und Franz Liposchek (99,40 Prozent) gewählt. Neben der Umbennung wurde natürlich über die Inhalte diskutiert: Leitan-
träge zu den Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt, zur Zukunft der Daseinsvorsorge, zum Kampf über einen fairen Freihandel und zur finanziellen Absicherung Kreativschaffender wurden beschlossen. „Wir haben viel zu tun. Packen wir’s an“, so Meidlinger und Kniezanrek. Viel zu tun gibt es bei den Gesundheitsberufen: „Wir möchten eine gerechte und faire Bezahlung für alle Beschäftigten in den Krankenanstalten erreichen, die Mehrverantwortung durch den mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich muss sich auch am Lohnzettel wiederfinden.“ www.younion-fsg.at Autorin: Kathrin Liener
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AKTUELLES VOR ORT BRAUCHEN MEHR VERTEILUNGSGERECHTIGKEIT
„HELFEN STATT HETZEN“ Foto: dewi
Michael Aichinger, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Wiener Gebietskrankenkasse, wurde beim Bundesforum der FSG in der GPA-djp im November zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der 52-jährige Wiener Michael Aichinger löst Willi Braun, Zentralbetriebsratsvorsitzender der Angestellten bei Opel Austria, in seiner Funktion als Vorsitzender der FSG in der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) ab, die er seit 2002 innegehabt hatte. HINREICHEND INFORMIEREN „Im Mittelpunkt der kommenden Jahre wird das Thema Verteilungsgerechtigkeit stehen – ich werde die FSG als lösungsorientierten Partner präsentieren, der im Sinne der Kolleginnen und Kollegen auch jederzeit bereit ist, seine Position streitbar zu vertreten, wenn es nicht anders geht“, kündigte der Jurist an. Als weiteren Schwerpunkt nannte Aichinger den Kampf gegen Auslagerungen: Ihm sei keine Privatisierung bekannt, die nicht zulasten der ArbeitnehmerInnen durchgesetzt worden wäre. Am Herzen liegt dem Neo-Vorsitzenden außerdem umfassende Information was Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Antifaschismus betrifft: „Wir leben in einer Zeit, in der es Hilfe statt Hetze braucht. Es ist verständlich, dass sich viele Menschen angesichts der aktuellen Situation Sorgen machen – diese Ängste dürfen aber nicht durch Falschinformationen geschürt werden, wie wir das häufig beispielsweise auf Social Media erleben. Das beste Gegenmittel ist und bleibt Information.“ Neben stärkeren Anstrengungen zu besseren Lebensbedingungen in den
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Michael Aichinger (links) bedankte sich gemeinsam mit Wolfgang Katzian bei seinem Vorgänger Willi Braun. Heimatländern von Flüchtlingen sei es Aufgabe und Verantwortung der Politik, gute Integrationsmöglichkeiten für jene zu schaffen, die in Österreich Schutz und Hilfe suchen, gerade auch am Arbeitsmarkt. Für den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen müsse es klare, faire und transparente Regelungen geben, verwies Aichinger auf die ÖGB-Position zur Flüchtlingssituation. Auch Unternehmen seien gefordert, zu einer gelungenen Integration der ArbeitnehmerInnen am Arbeitsplatz beizutragen. „Die Notsituation der arbeitssuchenden Menschen darf keinesfalls für Lohn- und Sozialdumping missbraucht werden“, so Aichinger.
Gemeinsam mit GPA-djp-Vorsitzendem Wolfgang Katzian würdigte Michael Aichinger das Engagement seines Vorgängers: „Willi Braun hat die Geschicke der FSG in der GPA-djp mit sehr viel Herzblut geführt und sich nicht davor gescheut, auf den Tisch zu hauen, wenn es notwendig war, dafür danken wir ihm herzlich.“ Zu stellvertretenden Vorsitzenden der FSG in der GPA-djp wurden Alois Freitag, Elisabeth Kubicek, René Pfister, Sandra Steiner, Ingrid StreibelZarfl, Klaus Zenz und Bettina Zweiler gewählt. www.fsg-gpa-djp.at Autorin: Litsa Kalaitzis
AKTUELLES
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FAIRE ARBEIT IM TRANSPORTBEREICH
„WIR SCHAFFEN EINE MILLION“ Beschäftigte starteten Europäische Bürgerinitiative für faire Arbeit im Transportbereich. Die Gewerkschaft vida und die Europäische Transportarbeiter-Föderation unterstützen sie dabei. Jede Stimme zählt und die Zeit läuft bereits!
GLEICH BEHANDELN Europäische BürgerInnen, TransportarbeiterInnen und Gewerkschaftsmitglieder haben daher die Europäische Bürgerinitiative „Fair Transport Europe“ gestartet. Sie rufen die EU-Kommission auf, die Beschäftigten in Hinblick auf Bezahlung und Arbeitsbedingungen ungeachtet des Herkunftslandes europaweit gleich zu behandeln. Als Basis hierfür fordern die Beschäftigten und Gewerkschaften, dass die EU-Kommission faire Wettbe-
:::: WE B T IP P :::: www.fb.com/fairertransport
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AKTUELLES
JETZT UNTERSTÜTZEN Die Europäische Bürgerinitiative kann ab sofort unterstützt werden. Für den Eintrag wird die Nummer des Reisepasses oder eines Personalausweises benötigt. Bis zum 14. September 2016 müssen EU-weit eine Million Unterschriften gesammelt werden, um die Vorgaben zu erfüllen und die Behörden auf EU-Ebene dann zum Handeln zu bewegen. www.fairtransporteurope.at
werbsbedingungen zwischen den unterschiedlichen Verkehrsträgern gewährleisten muss. Hebensteit ist davon überzeugt: „Wir schaffen die dafür notwendige eine Million an UnterstützerInnen!“ Die Europäische Transportarbeiter-Föderation (ETF) repräsentiert über 3,5 Millionen Gewerkschaftsmitglieder aus den Verkehrssektoren von über 40 europäischen Ländern, davon über 200.000 in Österreich in den Bereichen Bahn, Straße, Luft- und Schifffahrt. Der Transportsektor erzeugt nahezu fünf Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und zählt mehr als elf Millionen Direktbeschäftigte, was fünf Prozent aller ArbeitnehmerInnen in der EU entspricht. Autor: Hansjörg Miethling
Fotos: vida/ITF
„Die ArbeitnehmerInnen im Verkehrssektor leisten einen wichtigen Beitrag für einen funktionierenden europäischen Wirtschaftsraum“, sagt der Vorsitzende des vida-Fachbereichs Eisenbahn, Roman Hebenstreit. Er ist österreichisches Mitglied im Vorstand der Europäischen TransportarbeiterFöderation (ETF). „Dennoch geraten die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten immer mehr unter Druck“, kritisiert Hebenstreit und fordert: „Ein vereintes Europa darf nicht zulasten fairer Lohn- und Arbeitsbedingungen der TransportarbeiterInnen gehen. Die Qualität von Verkehrsdienstleistungen sowie die Sicherheit von Passagieren, Beschäftigten und Waren muss unter fairen Bedingungen erfolgen.“
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KOMMENTAR
DIGITALISIERUNG SOZIAL GESTALTEN
Anstatt Spekulationen anzustellen und in Angst oder Ehrfurcht vor den technischen Umwälzungen, die da auf uns zukommen, zu erstarren, müssen wir ab sofort damit beginnen uns vorzubereiten. Die Digitalisierung kann weder aufgehalten noch zurückgedreht werden und wird fast alle Branchen in der einen oder anderen Form betreffen. Wir müssen daher von Anfang an dafür sorgen, dass es intelligente Regulierungen der digitalen Erwerbsarbeit gibt, zusammen mit der Politik und den Arbeitgebern, die ebenso wie wir sehen, dass die digitale Umwälzung nicht dem Selbstlauf überlassen werden kann. Wenn wir eine faire Chancenverteilung für künftige Generationen wollen, dann wird das nur gehen, wenn wir die gewaltigen Zugewinne an Produktivität und Reichtum, die durch den digitalen Umbruch möglich werden, so verteilen, dass sie für eine bessere, gerechtere und lebenswerte Gesellschaft eingesetzt werden, anstatt Macht und Geld noch stärker in den Händen Weniger zu konzentrieren.
WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
Und wir erwarten, dass die EU ihren Vorschlag zur digitalen Agenda so abändert, dass auch die Auswirkungen auf Arbeit und Beschäftigung enthalten sind, und nicht nur der digitale Binnenmarkt im Mittelpunkt steht. Viel gefährlicher als die Digitalisierung an sich ist in meinen Augen nämlich die Art und Weise, wie damit umgegangen wird: Man lässt die Dinge einfach laufen und hofft, dass der Markt das schon irgendwie regeln wird. Nach all den Jahren, in denen wir bereits mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise kämpfen, ist das eine beinah sträflich naive Haltung. Der Markt wird den digitalen Wandel zweifellos gestalten – aber bestimmt nicht fair und sozial gerecht. Foto: Capital Press Agency / Rex Features / picturedesk.com (Symbolbild, Edinburgh Science Festival 2009)
Kaum ein Thema symbolisiert den Umbruch, in dem wir uns als Gesellschaft befinden, mehr als die Digitalisierung. Der Begriff Digitalisierung ist zum absoluten Modewort geworden. Für die einen steht er für neue technische Möglichkeiten. Für die anderen verkörpert er eine Bedrohung und Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Fortschrittsglaube und Zukunftsangst liegen hier sehr nahe beisammen.
Wir brauchen zudem eine Verbesserung unseres Wissensstands über die Beschäftigungswirkungen – insbesondere bezogen auf die einzelnen Branchen und eine Neubewertung und Neuverteilung von Arbeitszeit. Egal was uns die Arbeitgeber erzählen. Eine deutliche Arbeitszeitverkürzung ist in diesem Zusammenhang im Interesse aller unausweichlich.
Fortschrittsglaube und Zukunftsangst liegen sehr nahe beisammen. Die gewaltigen Zugewinne an Produktivität und Reichtum, die durch den digitalen Umbruch möglich werden, müssen für eine gerechtere und lebenswerte Gesellschaft eingesetzt werden.
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KOMMENTAR
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SPÄT, ABER DOCH:
„SCHWACHSINN“ UMGESETZT Gewerkschaftsvertreter von Polizei, Bahn und Bus reflektierten die Ereignisse rund um die Flüchtlingsströme der vergangenen Monate. Ihr Resümee: Für einen „geordneten Zugang“ braucht es mehr Personal. Mitten in eine Familienfeier von Angelika K. (Name von der Redaktion geändert) platzte ein Anruf ihres Chefs. „Angelika, wir brauchen dich dringend. Komm bitte sofort auf die Inspektion“, lautete der Hilferuf. Für die junge Polizistin und Mutter einer vierjährigen Tochter schon fast Routine, wie sie wenig später einer Journalistin erzählt. Angelika K. ist seit Wochen am Grenzübergang Spielfeld quasi im Dauereinsatz. Ihr ergeht es nicht anders als einem Großteil der rund 28.000 PolizistInnen österreichweit. Sie sind direkt oder indirekt von der aktuellen Flüchtlingssituation betroffen. Gemeinsam mit den Beschäftigten von Hilfs- und Rettungsorganisationen, Bundesheer, ÖBB, Postbus und privaten Busunternehmen sorgen sie, inzwischen abseits der medialen Begleitung, täglich für Tausende Flüchtlinge. Viele sind inzwischen schon an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. „Manche schon darüber“, wie Hermann Greylinger, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, überzeugt ist. Der schwierige Einsatz bringt für die PolizistInnen zusätzliche Belastungen mit sich, da sie es mit Menschen zu tun haben, die aus einem Kriegsgebiet
Stehen für einen „geordneten Zugang“ bereit: Polizeigewerkschaftsvorsitzender Hermann Greylinger, vida-Gewerkschaftssekretär Karl Delfs (Bereich Busunternehmen) und ÖBBKonzernbetriebsrat Roman Hebenstreit (von links nach rechts). 8
HINTERGRUND
kommen, Hunderte Kilometer Flucht mit extremen Strapazen sowie teilweise unvorstellbaren Erlebnissen hinter sich haben. „Gerade in einer solchen Situation wäre beste Planung und Organisation ‚von oben‘ notwendig. Und genau das ist mangelhaft“, kritisiert Greylinger und ärgert sich, dass statt dessen die „Zaundiskussion“ vom Zaun gebrochen wurde. WORAN ES BISHER KRANKTE Die österreichische Polizei habe, so der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, in den vergangenen Jahren trotz angespannter Personalsituation unzählige Großeinsätze bestens gemeistert und dabei viel Erfahrung gesammelt. Greylinger erinnert beispielsweise an die Fußballeuropameisterschaft 2008, an viele Großdemonstrationen oder das jährliche Donauinselfest mit Millionen BesucherInnen. Warum diese Erfahrungen sowie jene von Wochen davor an der burgenlän-
dischen Grenze in Spielfeld plötzlich nicht gefragt waren, ist für den Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft „nicht ein Versagen vor Ort, sondern vielmehr schlechte Organisation und mangelhafte Kommunikation von der ‚Spitze‘ her.“ Für den notwendigen „geordneten Zugang“ wäre alles bereit gestanden, stattdessen wurde unnötigerweise „über alles Mögliche und Unmögliche“ öffentlich diskutiert. Die Polizeigewerkschaft hat nun einen Forderungskatalog präsentiert, der auch eine Aufstockung der Polizei um 2.000 Dienstposten vorsieht und inzwischen, von der zuständigen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner unterstützt, auch vom Ministerrat beschlossen wurde. „Spät, aber doch“, wie Greylinger anmerkt. Die Personalaufstockung ist eine langjährige Forderung und, so Greylinger: „Vor zwei Jahren hat die Innenministerin das noch als Schwachsinn bezeichnet, jetzt setzt sie diesen Schwachsinn um.“
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RECHT AUS DEIN DER PRAXIS
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Flüchtlings-Beförderung: Ohne einen Bahnkonzern in staatlicher Hand hätte es „unglaubliches Chaos“ gegeben.
CHAOS GERADE NOCH VERHINDERT Knapp ist das Personal aber auch in anderen Bereichen, die direkt oder indirekt mit der Flüchtlingsbetreuung befasst sind. Daher haben Greylinger, der ÖBB-Konzernbetriebsratschef Roman Hebenstreit sowie Karl Delfs, der für den Bereich Busunternehmen zuständige Sekretär der Gewerkschaft vida, gemeinsam an die Öffentlichkeit appelliert, ihre Forderungen nach mehr Personal sowie die Einhaltung von Dienstzeitund Pausenregelungen zu unterstützen. So forderte Delfs, dass das Verkehrsministerium den Ausnahme-Erlass, dass Busfahrer im Einsatz für die Beförderung von Flüchtlingen nicht an Lenkund Ruhezeiten gebunden sind, wieder aufheben. Von den Strecken her wären die Fahrten innerhalb der normalen Lenkungszeiten durchaus machbar. Bei längeren Routen sollte ein zweiter Fah-
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rer mitgeschickt werden. Das gelte auch für LenkerInnen beim Postbus, so der Vorsitzende des Zentralbetriebsrates beim Postbus, Robert Wurm. Für Hebenstreit hat sich in den vergangenen Monaten noch etwas gezeigt: Ohne einen Bahnkonzern in staatlicher Hand hätte es vor allem in den ersten Tagen des Flüchtlingszustroms „ein unglaubliches Chaos gegeben“. Aber so wurde die ÖBB-Infrastruktur für die Notfallzentralen genutzt. An die Befürworter einer Privatisierung der Staatsbahn gerichtet meinte Hebenstreit, man solle sich nur einmal vorstellen, es hätte 30 kleine Bahnen im eigenwirtschaftlichen Betrieb in Österreich gegeben, als die Flüchtlinge in großen Zahlen an den Grenzen standen. Dann wären all diese Leistungen keineswegs möglich gewesen. Autor: Franz Fischill
ELGA STARTET 2016 DURCH Die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) stellt eine Vernetzung von Gesundheitsdaten der Patientin/des Patienten her. ELGA ist ein sicheres und modernes Informationssystem, das allen TeilnehmerInnen sowie berechtigten Gesundheitsdiensteanbietern (zum Beispiel ÄrztInnen oder Spitälern) den Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht. Vorteil: Mehrere behandelnde ÄrztInnen können Vorbefunde, Entlassungsberichte und die aktuelle Medikation als unterstützende Entscheidungsgrundlage für die weitere Therapie heranziehen. Wege für PatientInnen werden so kürzer, Befunde mühsam hin und her schleppen gehört der Vergangenheit an. Die Teilnahme ist freiwillig, die Vorteile für die eigene Gesundheit liegen aber klar auf der Hand. Mehr über ELGA gibt es unter: www.elga.gv.at
HINTERGRUND
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SOZIALBETRUGSBEKÄMPFUNGSGESETZ (SBBG)
MASSNAHMEN VERSCHÄRFT Mit 1. Jänner 2016 gelten weitergehende Regelungen und Maßnahmen zur Verstärkung der Abwehr von Sozialbetrug als bisher. Die Definition des Sozialbetrugs wurde dabei weit gefasst. Die Regelungen sind in einem eigenen, neuen Gesetz, dem Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) zusammengefasst. Gemäß § 1 SBBG ist Zweck des Gesetzes die Verstärkung der Abwehr, Verhinderung und Verfolgung von Sozialbetrug (Sozialbetrugsbekämpfung) und damit die Sicherstellung, dass selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeiten zu vorschriftsgemäßen Bedingungen im Sinne des Schutzes der ArbeitnehmerInnen, des Sozialsystems und des fairen Wettbewerbs ausgeübt werden. Dazu wurden auch Ergänzungen oder Änderungen im
Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) und im Ausländerbeschäftigungsgesetz notwendig. Die Definition des Sozialbetrugs ist weit gefasst. Sozialbetrug bezeichnet alle Verhaltensweisen, die eine Verletzung von Pflichten im Zusammenhang mit der Sozialversicherung zum Gegenstand haben (zum Beispiel richtige Anmeldung), aber auch im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen aus der Sozial-
„AN TAGEN WIE DIESEN“: FÜR EIN MENSCHLICHES EUROPA Am 3. Oktober fand in Wien Europas größte Veranstaltung der Menschlichkeit statt: Mehr als 200.000 Menschen waren auf den Straßen, um sich bei dem von der Volkshilfe veranstalteten Konzert mit den Flüchtlingen solidarisch zu zeigen. Bei „Voices for Refugees“ erhoben KünstlerInnen ihre Stimmen gegen Ausgrenzung und Rassismus. Der Wiener Heldenplatz erstrahlte in einem ganz besonderen Licht. Sänger Campino von der deutschen Band „DIE TOTEN HOSEN“
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SERVICE
BUCHTIPP
sagte dazu live: „Ich werde den Menschen zu Hause sagen, da in Österreich, da haben sie Taschenlampen, mit denen sie telefonieren können.“ Das Buch versammelt Konzertfotos und Beiträge von Robert Misik, Julya Rabinowich, Marlene Streeruwitz, Vea Kaiser und vielen anderen mehr. „Voices for Refugees“, Erich Fenninger (Herausgeber), Residenz-Verlag 2015, 160 Seiten, 24,90 Euro. Mit dem Kauf wird die Volkshilfe-Flüchtlingshilfe mit 5 Euro unterstützt. Zu bestellen bei: ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132, E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.diefachbuchhandlung.at
WAS IST SOZIALBETRUG Sozialbetrug bezeichnet alle Verhaltensweisen, die eine Verletzung von Pflichten, aber auch mit dem Bezug von Leistungen im Zusammenhang mit der Sozialversicherung zum Gegenstand haben (zum Beispiel richtige Anmeldung). Zudem wurden jetzt Maßnahmen gegen Scheinunternehmen gesetzlich vorgesehen.
versicherung bestehen. Insbesondere wurden Maßnahmen gegen sogenannte Scheinunternehmen gesetzlich vorgesehen. Ein Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von ArbeitnehmerInnen zu verkürzen oder Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. HAFTUNGEN AUSGEWEITET Die für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft zuständige Abgabenbehörde ist das Finanzamt der Betriebsstätte. Besteht ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens, ist dieser dem Unternehmen durch die Abgabenbehörde schriftlich mitzuteilen. Zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Absatz 1a InsolvenzEntgeltsicherungsgesetz (IESG) hat die
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RECHT
THOMAS KALLAB Foto: mauritius images / Alamy (Symbolbild)
Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at
Abgabenbehörde die IEF-Service GmbH („Insolvenz-Entgelt-Fonds-Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung“) über das Bestehen eines Verdachts schriftlich zu informieren. Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch bei der Abgabenbehörde erhoben werden. Wird kein Widerspruch erhoben oder bei entsprechenden Ermittlungsergebnissen, hat die Abgabenbehörde mit Bescheid festzustellen, dass das Unternehmen, hinsichtlich dessen ein Verdacht vorliegt, als Scheinunternehmen gilt. Der rechtskräftige Bescheid ist allen Kooperationsstellen (Sozialversicherung, BUAK, IEF-Service GesmbH etc.), der Gewerbebehörde und dem Auftragnehmerkataster Österreich zu übermitteln. Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der den Auftrag gebende Unternehmer, wenn er zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unter-
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Fairer Wettbewerb: Das auftraggebende Unternehmen haftet zukünftig unter bestimmten Bedingungen für Sozialbetrug durch Scheinunternehmen mit – auch für Entgeltansprüche von ArbeitnehmerInnen.
nehmen um ein Scheinunternehmen handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen für Ansprüche auf das kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten ArbeitnehmerInnen. Die Krankenversicherungsträger haben bei Mitteilung, dass ein Scheinunternehmen vorliegt, die bei diesem Unternehmen angemeldeten ArbeitnehmerInnen zu laden. Leisten die ArbeitnehmerInnen der Ladung nicht Folge oder können sie die Arbeitsleistung nicht nachweisen, kann die Pflichtversicherung erlöschen beziehungsweise storniert werden. Autor: Thomas Kallab
Ich beziehe als Sicherheitsfachkraft Entgelt von meinem Arbeitgeber. Habe ich auch Anspruch auf dieses Entgelt während meines Urlaubs oder Krankenstandes? Das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) hat in einer jüngst ergangenen Entscheidung bestätigt, dass wenn Sie für diese Aufgabe und Tätigkeit (zusätzliches) Entgelt beziehen, dieses auch für die Zeit des Urlaubs zu bezahlen ist. Gleiches muss meines Erachtens auch für die Zeit des Krankenstandes gelten. Es sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Vor einer Klage empfehle ich daher jedenfalls, Rücksprache mit der zuständigen Gewerkschaft oder Arbeiterkammer (AK) zu halten. Mein Kind muss für einige Tage ins Spital. Habe ich auch in diesem Fall Anspruch auf Pflegefreistellung? Seit 1. Jänner 2013 haben ArbeitnehmerInnen auch Anspruch auf Pflegefreistellung gemäß § 16 UrlG (Urlaubsgesetz) wegen der Begleitung eines erkrankten Kindes (Wahloder Pflegekindes) oder eines im gemeinsamen Haushalt lebenden leiblichen Kindes des/der anderen Ehegatten/-gattin, des/ der eingetragenen Partners/Partnerin oder Lebensgefährten/-gefährtin bei einem stationären Aufenthalt in einer Heil- und Pflegeanstalt, sofern das Kind das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
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ÄLTERE ARBEITNEHMERiNNEN UND FRAUEN
UNTERNEHMEN UND ÖVP MÜSSEN Die am Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfel beschlossenen Maßnahmen sind wichtige und richtige Schritte – jetzt geht es darum, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, damit Frauen nicht in Altersarmut schlittern.
BEWUSSTSEIN SCHAFFEN Zur nachhaltigen Sicherung eines selbstbestimmten Lebens und zur Sicherung unseres Pensionssystems ist es wichtig, möglichst viele Menschen in gut bezahlte Beschäftigung zu bringen und zu halten sowie das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben. Derzeit ist laut Arbeitsmarktservice (AMS) fast jede/r vierte unselbst-
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GRUNDSATZ
ständig Beschäftigte älter als 50 Jahre. 2020 soll laut AMS ein Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 50 und 65 Jahren sein, im Gegenzug sollte das Arbeitskräfteangebot bei den Jüngeren (unter 25 Jahren) aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge sukzessive sinken. Diese Entwicklung lässt sich nur dann in konkrete Arbeitsplätze umsetzen, wenn Unternehmen entsprechend „mitspielen“. Aktuelle Zahlen lassen aber daran zweifeln. Die Beschäftigungsquote von Frauen ist in den letzten zehn Jahren gestiegen, allerdings hauptsächlich in Teilzeitlösungen. Es gibt immer weniger Perspektive für Jüngere, gute Arbeit zu finden und zu behalten. Die Integration von Mig-
rantInnen auf dem Arbeitsmarkt ist eine zusätzliche Herausforderung. Es gibt aufgrund gesetzlicher Änderungen immer weniger Möglichkeiten, vorzeitig in Pension zu gehen. Daher werden immer mehr Menschen am Arbeitsmarkt verfügbar sein und sollen länger im Erwerbsleben bleiben können. Bereits sieben von zehn arbeitslosen Frauen suchten 2015 eine Vollzeitbeschäftigung. Rund 17 Prozent der beschäftigten Frauen wünschen sich eine höhere Arbeitszeit und damit verbunden mehr Einkommen und mehr Pension. Schließlich arbeitet beinahe jede zweite Frau derzeit in Teilzeit mit einem Einkommen mit dem sie kaum auskommen kann. Das widerlegt Aussagen von Wirtschaft und ÖVP, dass Frauen
REICHER ZU WERDEN IST NICHT SCHWER, REICH ZU WERDEN HINGEGEN SEHR Vermögenswerte oder Staatsschulden liegen in Österreich in kaum vorstellbaren Milliardenhöhen. Um die Summen greifbarer darstellen zu können, wurden die Gesamtwerte der privaten Haushalte auf die Gesamtzahl der österreichischen Bevölkerung statistisch umgelegt. Vom Kleinkind bis zur Person im hohen Alter verfügt so jede einzelne Person über die rechts dargestellten Vermögenswerte und Schulden. Zur Vergleichbarkeit wurden auch die Ausgaben des Staates (laut Budget 2016) ebenfalls pro Kopf dargestellt.
Übrigens: Zehnjahresvergleiche um die Jahrtausendwende zeigten auf, dass die privaten Vermögen um 80 Prozent und die privaten Kredite um 70 Prozent angestiegen sind. Was nichts anderes heißt als: Reicher zu werden ist nicht schwer, reich zu werden hingegen sehr.
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Unser Ziel als FSG ist, dass Menschen gesund bleiben und mit gutem Einkommen langfristig berufstätig sein können. Die SPÖ-geführte Bundesregierung hat zusammen mit den SozialpartnerInnen beim „Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfel“ Ende Oktober wichtige Impulse gesetzt. Die Bewusstseinsbildung zu mehr Beschäftigung älterer Menschen soll bis 2017 vertieft und im Effekt gemessen werden. Das Bonus-Malus-System soll dann bei Verfehlung definierter Zielwerte ab 1. Jänner 2018 Anwendung finden. Klingt auf den ersten Blick gut, auf den zweiten droht uns die Zeit davonzulaufen. Weder Polemik noch Ausgrenzung oder Diskriminierung sind hilfreich. Es gilt zu handeln: Für mehr Beschäftigung und gegen Altersarmut! Die Arbeitslosigkeit Älterer steigt seit zwei Jahren an. Laut Statistik Austria im 2. Quartal 2015 sind davon Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 54 Jahren am stärksten betroffen mit einem Anstieg um bis zu mehr als zehn Prozent. Nur 60 Prozent der Frauen gehen aus der Erwerbstätigkeit in Pension, jeweils rund 20 Prozent treten sie nach Arbeitslosigkeit oder Krankheit an.
14. Jahrgang // Nummer 12 // Wien, Dezember 2015
FRAUEN Das Arbeitskräfteangebot Älterer kann sich auch durch die Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters erhöhen.
generell freiwillig Teilzeit arbeiten. Fakt ist vielmehr, dass Frauen oft gar keine Chance auf Vollzeitarbeitsplätze haben beziehungsweise ihnen keine adäquaten Vollzeitstellen angeboten werden. Offenbar geht auf freiwilliger Basis in vielen Unternehmen gar nichts. Daher ist die am Arbeitsmarkt- und Konjunkturgipfel beschlossene Einigung auf eine „Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte“ sehr zu begrüßen. Davon werden in der Praxis vor allem Frauen profitieren. Zur von der ÖVP ständig aufgewärmten Diskussion um das Frauenpensionsalter: Im 2. Quartal 2015 waren mehr als 1,1 Millionen Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren erwerbstätig. Für sie gilt schon heute die schrittweise Angleichung des gesetzlichen Frauenpensionsantrittsalters an jenes der Männer (65 Jahre) ab 2024 bis 2033. Die ÖVP ist die
Partei, die Frauen mangels Arbeitsplatzangebot in Arbeitslosigkeit und Altersarmut schicken will – nicht mit uns! MINDESTENS 1.700 EURO IM MONAT Unsere Forderungen für Frauen liegen längst auf dem Tisch: Einkommensgleichheit herstellen, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermöglichen (Stichwörter Betreuung von Kindern und Pflege von Angehörigen), mehr Vollzeitarbeitsplätze anbieten und das Mindesteinkommen auf 1.700 Euro brutto monatlich erhöhen, damit auch Frauen in Teilzeitbeschäftigung aliquot ein Einkommen zum Auskommen verdienen. An einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohn- und Ressourcenausgleich führt kein Weg vorbei, weil bezahlte Arbeit anders verteilt werden muss. Schon heute und erst recht im Zeichen zunehmender Digitalisierung, die ebenfalls eine gravie-
rende Auswirkung auf das Arbeitsplatzangebot mit sich bringen wird – besonders für Frauen. An einer Erhöhung der Mindesteinkommen auf 1.700 Euro für Vollzeitbeschäftigte muss dringend gearbeitet werden. Das hilft Frauen am allermeisten. Durch höheres Einkommen und bessere Arbeitsbewertung. Schließlich arbeiten die meisten Frauen in den Branchen mit den niedrigsten Gehältern. Viele von Ihnen verdienen so wenig, dass sie zusätzlich Mindestsicherung bekommen. Aber: Nicht die Mindestsicherung ist zu hoch, sondern die Mindesteinkommen sind zu niedrig.
ILSE FETIK FSG-FRAUENVORSITZENDE
PRIVATE IMMOBILIEN- UND GELDVERMÖGEN, PRIVATE KREDITE, STAATSSCHULDEN UND STAATSAUSGABEN (2016) JEWEILS PRO KOPF (DER ÖSTERREICHISCHEN BEVÖLKERUNG) Jede Person hat statistisch gesehen rund 20.000 Euro an privaten Krediten. Österreichs Staatsschulden betragen pro Kopf rund 34.000 Euro. Die Ausgaben des Staates für 2016 sollen laut Budget rund 9.000 Euro pro Kopf ausmachen. Private Kredite 20.000 Euro Staatsschulden 34.000 Euro Staatsausgaben 9.000 Euro (2016)
Private Immobllienvermögen 83.000 Euro Private Geldvermögen 69.000 Euro
Jede Person – vom Kleinkind bis zur Person im hohen Alter – verfügt statistisch gesehen über rund 83.000 Euro an Immobilien- und 69.000 Euro an Geldvermögen – zusammen 152.000 Euro!
Quellen: Österr. Nationalbank, Statistik Austria, BMF Budget 2016, Werte 2. Quartal 2015 (außer Budget 2016), Österr. Bevölkerung: 8,579 Mio. Personen (vorläufiges Ergebnis 2015), Werte auf 1.000 gerundet.
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UMDENKEN
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KONZERNGEWINNE EINHEITLICH BERECHNEN
FÜR EINE NEUE UND FAIRE STEUER Das EU-Parlament prescht im Kampf gegen Steuertricksereien vor. Die BürgerInnenkammer Europas will dem ungerechten Steuerwettbewerb in der EU ein Ende setzen und fordert Transparenz und strenge Regeln für Konzerne.
Der LuxLeaks-Sonderausschuss – auch TAXE genannt – hält im Abschlussbericht eine Reihe umfangreicher Forderungen fest. Diese richten sich sowohl an die Kommission als auch an die Mitgliedsstaaten. Mit starker sozialdemokratischer Handschrift soll damit der Weg bereitet werden für eine neue und faire Steuerpolitik in Europa: KONZERNGEWINNE EINHEITLICH BERECHNEN Innerhalb der EU braucht es ein einheitliches System, um zu besteuernde
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Gewinne von Konzernen zu berechnen. Die Einführung der gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer (GKKB) ist daher dringend notwendig. Mehrmals hat die EU-Kommission in den vergangenen 15 Jahren versucht, die Mitgliedsstaaten von diesem Projekt zu überzeugen – bis dato erfolglos. Noch immer gibt es 28 unterschiedliche Systeme in der EU, um den Gewinn eines Unternehmens zu berechnen. Das hat Konzernen und ihren Steuerberatern die Möglichkeit für Tricksereien eröffnet – denn je weniger Gewinn aufscheint, desto weniger Steuern sind fällig. Eine EU-weite Berechnungsmethode wäre ein schlagkräftiges Instrument gegen das künstliche Kleinrechnen von Gewinnen, wo am Ende nichts zum Versteuern übrig bleibt. Der LuxLeaks-Skandal und sozialdemokra-
tischer Druck zeigten bereits Wirkung. Die EU-Kommission – sie schlägt Gesetze vor – hat für 2016 angekündigt, einen neuen Vorschlag für die Bemessungsgrundlage zu präsentieren. Auf lange Sicht braucht es aus sozialdemokratischer Perspektive künftig auch EUMindeststeuersätze, denn diese werden mit der einheitlichen Bemessungsgrundlage noch nicht geregelt. KONZERNE IN DIE PFLICHT NEHMEN Für die Unternehmen selbst fordert das EU-Parlament eine öffentliche Berichtspflicht. Konzerne, die in der EU tätig sind, sollen dazu verpflichtet werden, offenzulegen, wie viel Gewinn sie in welchem Mitgliedsstaat machen und wo sie wie viele Steuern bezahlen. Mit dieser Berichtspflicht wäre sofort klar, ob Kon-
Beispiel LuxLeaks: Aggressiver Steuervermeidung kann nur auf EU-Ebene begegnet werden. Foto: mauritius images / United Archives
Nach zehn Monaten Ermittlungsarbeit, zahlreichen Anhörungen mit KonzernvertreterInnen und zig Ausschusssitzungen hat das Europäische Parlament Ende November den Abschlussbericht des LuxLeaks-Sonderausschusses mit großer Mehrheit angenommen. Zentrale Erkenntnis: Staatlich organisierte Steuervermeidung, wie sie der LuxLeaksSkandal zum Vorschein brachte, ist nicht nur ein luxemburgisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem. Für das EU-Parlament ist klar: Aggressiver Steuervermeidung und den dahinterliegenden Strukturen, die diese Ungerechtigkeit begünstigen, kann nur auf europäischer Ebene begegnet werden. Dem unfairen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten, der vor allem zulasten von ArbeitnehmerInnen geht, muss ein Ende gesetzt werden – mit einheitlichen Regeln, die für alle gelten.
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EU-PARLAMENT
POLITIK IN EUROPA
Gewerkschafterin, Europaabgeordnete und Delegationsleiterin der SPÖ-Europa-
zerne durch Steuervereinbarungen mit jeweiligen nationalen Behörden bessergestellt sind als andere Unternehmen (vor allem Klein- und Mittelbetriebe). Wir brauchen Klarheit darüber, ob Konzerne in Steueroasen tatsächlich tätig sind oder dort nur eine Briefkastengesellschaft zum Zweck der Steuervermeidung gegründet haben. Steuervereinbarungen sind per se nicht illegal, jedoch sind sie sehr fragwürdig, vor allem weil sie im Geheimen zwischen Unternehmen und nationalen Behörden ausverhandelt werden. Bei der EU-Kommission laufen aktuell mehrere Steuerprüfverfahren. In zwei Fällen hat sie bereits richtungsweisende Entscheidungen getroffen und die Steuervereinbarungen für Starbucks in den Niederlanden und für Fiat in Luxemburg als illegal erklärt. Die Strafen gegen die beiden Unternehmen sind die Vorboten für einen Umbruch, durch den diese Praktiken strenger bestraft werden. Nun gilt es, die Ermittlungen weiterzuführen und intensiv auszuweiten.
MITGLIEDSSTAATEN IN DIE PFLICHT NEHMEN Informationen über Steuervorbescheide – individuelle Absprachen der Steuerbehörden mit Großkonzernen – müssen offengelegt werden. Dazu ist die Verpflichtung zum automatischen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten notwendig. Bei den EU-FinanzministerInnen gibt es hier bereits eine politische Einigung. Diese ist jedoch nur eine „Light-Variante“, bei der die EU-Kommission keinen Einblick in die tatsächlich pikanten Details der Steuerabsprachen erhalten soll. Die SozialdemokratInnen fordern eine echte Offenlegung aller gültigen Steuervorbescheide. Die Grundprobleme sind also hinlänglich bekannt und die zentralen Forderungen formuliert. Doch noch immer sind wichtige Fragen offen und zu vieles liegt im Dunkeln. Daher werden die Steuerermittlungen im EU-Parlament
abgeordneten
EVELYN REGNER weitergeführt und der LuxLeaks-Sonderausschuss für sechs weitere Monate eingesetzt. Vor der Tatsache, dass durch Steuerhinterziehung und -vermeidung jährlich 1.000 Milliarden Euro verloren gehen, können mittlerweile selbst Wirtschaftsliberale nicht mehr beide Augen zudrücken. Steueroasen müssen trockengelegt werden. Gewinne sind dort zu besteuern, wo sie auch erwirtschaftet werden. Wir brauchen eine neue und vor allem faire Steuerpolitik in Europa. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu
WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION BRAUCHT SOZIALE DIMENSION Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zielen auf eine Einführung von Wettbewerbsfähigkeitsräten in den Mitgliedsstaaten ab, die die jeweiligen Lohnentwicklungen untersuchen sollen. Gefahr besteht dadurch vor allem für die guten Lohnniveaus und die Tarifautonomie der Sozialpartner. Wo der Mehrwert bleibt, ist mehr als fraglich. Die EU-Kommission will damit lediglich die Strukturreformen, die sie den Mitgliedsstaaten bereits seit Jahren verordnet, forcieren und ihr Wettbewerbsparadigma vorantreiben. Im präsentierten Maßnahmenpaket werden Löhne lediglich als Kostenfaktor herangezogen und nicht als Einkommen, was für die Binnennachfrage und das Wirtschaftswachs-
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tum essenziell ist. Mit Beschwichtigungsversuchen, die die Unabhängigkeit der einzelstaatlichen Regelungen zur Ausverhandlung von Kollektivverträgen betonen, sind die Sorgen noch längst nicht vom Tisch. Unter keinen Umständen darf es zu inhaltlicher Einflussnahme auf die Lohnpolitik kommen. Stattdessen braucht es eine institutionelle Stärkung der Gewerkschaften und mehr Einbindung der Sozialpartner. Die Wirtschafts- und Währungsunion braucht :::: WE B T IP P :::: vor allem eine stärkewww.evelyn-regner.at re soziale Dimension.
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FAIR. SOZIAL. GERECHT. WWW.FACEBOOK.COM/FSG.OEGB
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Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
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