15. Jahrgang // Nummer 3 // Wien, März 2016
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BILDUNG ARBEIT GESUNDHEIT WOHLSTAND SICHERHEIT
Foto: ÖGB-Verlag/Michael Mazohl (Montage)
DARUM WIRD’S MIR IMMER GEHEN! AUF SEITE 8
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Ac ht Bezirke in drei Woc hen: Information über die Steuerreform vor Or t Der Weg aus der Krise: Investieren statt sparen, besser heute statt morgen Europas Indus trie: China – das Reich der Mitte drängt nach Westen
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TOPINFOS FÜR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN
Cover: „Darum wird’s mir immer gehen“, Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer.
DARUM WIRD’S MIR IMMER GEHEN!
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Ac ht Bezirke in drei Woc hen: Information über die Steuerreform vor Or t Der Weg aus der Krise: Investieren statt sparen, besser heute statt morgen Europas Indus trie: China – das Reich der Mitte drängt nach Westen
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Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
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20.000 Zugriffe auf All-in-Rechner Betroffene wollen mehr Klarheit in ihren Verträgen. Die Steuerreform vor Ort
Kommentar
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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian
Foto: / United Archives / picturedesk.com
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Hintergrund
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Bundespräsidentenwahl Weil es wichtig ist, wer die Interessen der arbeitenden Menschen vertritt.
Service
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Recht, Antworten auf Fragen
Grundsatz
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Feunde fürs Arbeitsleben Mensch-Roboter-Teams sollen zukünftig Aufgaben lösen.
Europa/International
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Europas Industrie China – das Reich der Mitte drängt in den Westen. 16 Gesundheit, Leistungsdruck, Betriebsklima
NACH GIPFEL
„AUF GUTEM WEG“ Die Sozialdemokratie und die Vernunft haben sich beim Pensionsgipfel Ende Februar letztendlich durchgesetzt. Im Vorfeld sah es anders aus. Die ÖVP hatte eine Reihe von Kürzungswünschen in ihrem Marschgepäck. Jetzt, nach dem Gipfel steht fest: Die SPÖ konnte nicht nur die Kürzungsideen der ÖVP erfolgreich verhindern, sondern auch noch wesentliche Verbesserungen für alle ArbeitnehmerInnen und besonders für Frauen und BezieherInnen kleiner Pensionen erreichen. ERFOLGREICH VERHINDERT ::: Vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters. Diese hätte viele ältere Frauen in die Arbeitslosigkeit gedrängt. ::: Pensionsautomatik: Diese hätte länger arbeiten und/oder weniger Pension gebracht. Zudem hätte sie ebenfalls viele in die Arbeitslosigkeit verschoben.
::: Bundeszuschuss einfrieren: Das hätte Kürzungen von 20 Prozent für ArbeitnehmerInnen, 50 Prozent für Selbstständige und 80 Prozent für LandwirtInnen bedeutet. ::: Niedrigere Aufwertung des Pensionskontos, die für gerade zu arbeiten beginnende Menschen eine Kürzung von bis zu 30 Prozent bedeutet hätte. ::: Aufwertung der 3. Säule (Privatvorsorge): Die Höhe der Pensionen würde dann immer mehr vom jeweiligen Aktienkurs auf den Kapitalmärkten abhängen. ERFOLGREICH DURCHGESETZT ::: Ausgleichszulage Plus für Alleinstehende: Für Alleinstehende mit mehr als 30 Beitragsjahren wurde eine Erhöhung des Ausgleichszulagen-
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Carmen Janko, Lisa Siutz, Thomas Kallab. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos/Grafiken: FSG Kärnten, GPA-djp, Höllriegl, picturedesk.com, Mauritius Images, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag/Michael Mazohl. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefonnummer 01/662 32 96-39 744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
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AKTUELLES
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EDITORIAL richtsatzes auf 1.000 Euro vereinbart. Davon profitieren beispielsweise Teilzeitbeschäftigte. ::: „Rehabilitation vor Pension“ wird gestärkt (Frühintervention im Krankenstand, bessere Kooperation, Konzentration auf psychische Krankheiten). ::: Bonus für längeres Arbeiten, wenn man drei Jahre über das Pensionsalter hinaus arbeitet. ::: Pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten: Ausweitung auf alle ab 1955 geborenen Frauen. ::: Schlankere und effizientere Pensionskommission. ::: Weitere Ergebnisse (Auszug): Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme wird vorangetrieben; Pensionssplitting auf bis zu sieben Jahre pro Kind erweitert. „DAS ZEIGEN UNS DIE ZAHLEN“ Die Ergebnisse des Gipfels werden dazu beitragen, das Pensionssystem weiterhin zu sichern. Sozialminister Alois Stöger sagte nach dem Gipfel: „Wir sind auf einem guten Weg. Das zeigen uns die Zahlen. Und ja, wir wollen das Pensionssystem gemeinsam weiterentwickeln.“ Im Zentrum steht, den Menschen ein gesichertes Einkommen im Alter zu gewährleisten. Als einen „sozialdemokratischen Verhandlungserfolg“ bezeichnet auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser die Ergebnisse des Pensionsgipfels. Besonders begrüßenswert sei aus gesundheitspolitischer Sicht das Modell zur Wiedereingliederung nach langem Krankenstand. Um nach längerer Erkrankung (mindestens sechs Wochen) die Rückkehr in den Arbeitsprozess zu erleichtern, soll es möglich werden, das Arbeitsausmaß auf 50 bis 75 Prozent zu reduzieren, während ein fiktives Krankengeld den Einkommensverlust ausgleicht. Für ÖGB-Präsident Erich Foglar sind die Ergebnisse des Pensionsgipfels „die richtige Ergänzung zum bisherigen Erfolgspfad des ehemaligen Sozialministers Rudolf Hundstorfer“, der nun von Alois Stöger fortgesetzt wird. www.spoe.at
FSG DIREKT IM ABO „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per Post oder per E-Mail bezogen werden (www.fsg.at/abo). Anregungen oder Beiträge einsenden an: fsg@oegb.at
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PENSIONEN SACK DIE KATZE IST AUS DEM Begonnen hat alles mit einer breiten Pensionsdebatte, angefeuert von den Neos und der Industriellenvereinigung. Schnell wurde unser Pensionssystem schrottreif geredet. Wir leben zu lange, gehen zu früh in Pension und kassieren viel zu viel an „Ruhestandsgenuss“. Wer es glaubte ... Einer der daran fälschlicherweise lange glaubte, war ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling. Dank „Andreas Khols sozialdemokratischer Faktenverbale Ausrutscher checks kam zum Schluss doch sind bekannt. Sozialnoch die Ernüchterung. Schelling demokratInnen als im Nachrichtenmagazin „profil“ ,rote Gfrießer‘ abzu(Nr. 07, Februar 2016): „Die Durchtun, spricht Bände.“ schnittspension ist heute schon Willi Mernyi, FSGam unteren Limit.“ Damit kam bei Bundesgeschäftsführer ihm die Einsicht schneller als beim Rest der ÖVP. Die will nämlich die Zeit zurückdrehen, in jene, in der Besitzlose um ein Stück Brot bei den Reichen betteln mussten, um (im Alter) überhaupt überleben zu können. Dass die ÖVP das, was Andreas Khol unter Blau-Schwarz in den 2000er-Jahren mit „Speed kills“ begonnen hat, am liebsten fortführen möchte, ist kein Geheimnis. Ihr Credo: Reformen so schnell durchpeitschen, dass die Stellungnahmen aller anderen immer zu spät kommen müssen – so killt man à la ÖVP Gegenargumente. Der Verfassungsrichter und zugleich Vorsitzende der staatlichen Pensionskommission, Rudolf Müller, brachte im selben „profil“-Artikel die Tatsachen. Die Pensionen seien in den vergangenen Jahrzehnten um 30 Prozent gekürzt worden, aber: „Derzeit ist das Pensionssystem sicher.“ Mit ein Grund, warum die ÖVP sich schnell wieder vom fortgesetzten Pensionsraub verabschiedet hat. Vor allem, um ihren Seniorenvertreter Andreas Khol als Bundespräsidentschaftskandidaten nicht anzupatzen. Übrigens: Khol wollte statt Ernst Strasser Innenminister werden, und die SozialdemokratInnen tat Khol als „rote Gfrießer“ ab ... das spricht Bände!
AKTUELLES
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30.000 ZUGRIFFE AUF ALL-IN-RECHNER
MEHR KLARHEIT IN VERTRÄGEN Nur auf den ersten flüchtigen Blick sind All-in-Verträge auch für Nicht-ManagerInnen attraktiv. Denn welche Mehrleistungen damit abgegolten sind, zeigt sich erst nach und nach. Betroffene fordern jetzt mehr Klarheit. Die Statistik Austria bestätigt, dass 21,1 Prozent der unselbstständig beschäftigten Männer und 18,8 Prozent der Frauen All-in-Verträge haben. Und es gibt sie in allen Branchen: bei Angestellten (19 Prozent), im öffentlichen Dienst (17 Prozent) und bei den ArbeiterInnen (ebenfalls 17 Prozent). Vom Grundgedanken der zusätzlichen Entlohnung von Management-Qualitäten ist in den meisten Fällen keine Rede mehr. „Das All-in-Gehalt ist oft nur auf den ersten, flüchtigen Blick attraktiv, weil meist schwer nachvollziehbar ist,
wie viele Überstunden und Mehrleistungen damit abgegolten sind“, erklärt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Wolfgang Katzian. Für die Beschäftigten bedeutet das oft Arbeiten bis zum Umfallen. Und das, ohne dass ihnen zum Beispiel geleistete Überstunden entlohnt werden. Ein All-inVertrag setzt aber weder das Arbeitszeitgesetz noch den Kollektivvertrag außer Kraft. Bei neuen All-in-Verträgen muss seit Jahresbeginn das Grundgehalt ausge-
wiesen sein. Für jene, die schon länger mit einem All-in-Vertrag arbeiten, hat die GPA-djp vor kurzem einen All-inRechner entwickelt (www.allinrechner. at). „FSG direkt“ berichtete darüber. Damit können das Grundgehalt und auch ein allfälliger Gehaltsverlust ermittelt werden. „30.000 Zugriffe in den ersten Wochen beweisen, wie wichtig der Kampf für mehr Transparenz bei All-in-Verträgen ist“, sagt Wolfgang Katzian. www.gpa.djp.at Autorin: Litsa Kalaitzis
WAS IST DRIN IM ALL-IN?
LASS DEIN GEHALT NICHT ZUM GLÜCKSSPIEL WERDEN. www.allinrechner.at .at GPA-djp-All-In-Sujets-96x65.indd 1
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AKTUELLES
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MEHR NETTO VOR ORT LOHNSTEUER
GESENKT
FSG-Landessekretär Georg Steiner, Nationalratsabgeordneter Hermann Lipitsch, Landeshauptmann Peter Kaiser, LAbg. Waltraud Rohrer, AK-Präsident Günther Goach und Josef Kronlechner, FSG-Regionalsekretär St. Veit und Feldkirchen (von links).
ACHT KÄRNTNER BEZIRKE IN DREI WOCHEN
DIE STEUERREFORM VOR ORT Mit der größten Lohnsteuerentlastung seit 40 Jahren konnte ein deutliches Signal an die ArbeitnehmerInnen gesendet werden: Österreich ist kein Lohnsteuerstaat! Die Lohnsteuer sollte nicht den größten Anteil am gesamten Steueraufkommen ausmachen. Über sechs Millionen Menschen werden daher nun um fünf Milliarden Euro entlastet. 90 Prozent davon entfallen auf Klein- und MittelverdienerInnen. Das nahmen die GewerkschafterInnen in der SPÖ im Februar zum Anlass, um mit einer Veranstaltungsreihe in drei Wochen in acht Kärntner Bezirken über 1.200 Menschen über die Vorteile der Steuerreform zu informieren. Grundtenor: „Wir haben unser Ziel erreicht, mehr netto vom Brutto. Jetzt heißt es aber weiterkämpfen!“ 54.000 AUS KÄRNTEN „Der Wissensstand zur Steuerreform in der Bevölkerung war unterschiedlich – je nach individueller Lebenslage und Problemstellung. Uns ist es wichtig, dass die ArbeitnehmerInnen vor Ort An-
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sprechpartnerInnen für ihre Fragen haben“, erklärt FSG-Kärnten-Vorsitzender Günther Goach den Zweck der Bezirkstour. Hermann Lipitsch, stellvertretender FSG-Vorsitzender in Kärnten betont den großen Erfolg, der nur mit der Unterstützung von mehr als 882.000 UnterstützerInnen, 54.000 davon aus Kärnten, möglich war: „Die Lohnsteuerentlastung wurde durchgesetzt. Der nächste Schritt muss sein, die Wirkung der sogenannten kalten Progression nachhaltig einzudämmen.“ Damit man bei Lohn- und Gehaltserhöhungen zum Beispiel nicht in die nächst höhere Steuerstufe rutscht und so von der Erhöhung kaum mehr etwas netto hat. Diese Forderung stand bereits im Modell von ÖGB und AK, das jedoch nicht zu 100 Prozent umgesetzt wurde. Was aber umgesetzt wurde, ist die automatische Arbeitnehmerveranlagung bei der Negativsteuer ab 2017. Goach: „Eine langjährige For-
derung wurde damit erfüllt. Die KärntnerInnen schenken dem Fiskus jährlich 28 bis 30 Millionen Euro. In Zukunft erhalten sie automatisch zurück, was ihnen zusteht.“ KAUFKRAFT GESTÄRKT Landeshauptmann Peter Kaiser war als Vertreter der SPÖ im Verhandlungsteam der Bundesregierung zur Steuerreform. Er erzählt von zähen, aber letztendlich für die ArbeitnehmerInnen erfolgreichen Verhandlungen über vier Monate hinweg: „Wir haben erreicht, wofür die Sozialdemokratie steht, für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Verteilungsgerechtigkeit“, so Kaiser. Wichtig sei es ihm auch gewesen, die PensionistInnen zu entlasten. Die Steuerreform wirke letztendlich positiv auf die Kaufkraft und belebe das Wirtschaftswachstum, von dem alle profitieren. www.fsg.at/ktn
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OBERÖSTERREICH
SCHWARZ-BLAUER SOZIALABBAU Strammer Rechtskurs: FPÖ und ÖVP schüren Feindbilder und kürzen Sozialleistungen. egal, wenn sie das Recht mit Füßen treten: „Verfassungsrechtler sollen nicht so tun, als wären sie Moralgötter. Am Ende des Tages zählt der Volkswille.“ Mit diesem fragwürdigen Rundumschlag auf die „gelehrten Herren im Elfenbeinturm“ reagiert der blaue Landeshauptmannstellvertreter in Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, auf die Feststellung des Verfassungsrechtlers Theo Öllinger,
Foto: ÖGB Archiv
Die Einkommen der ArbeitnehmerInnen müssen steigen, nicht die Mindestsicherung gekürzt werden, ist sich die FSG sicher. Doch die schwarz-blaue Regierungskoalition in Oberösterreich hat einen strammen Rechtskurs eingeschlagen. Was das heißt: Man schürt Feindbilder, kürzt Sozialleistungen und verschont Millionäre. Den kürzungswütigen Landespolitikern ist es offenbar
wonach eine Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge von 914 auf nur 320 Euro gegen die Verfassung verstoße. Damit offenbart er nicht nur eine bedenkliche anti-demokratische Geisteshaltung, sondern auch eine sozialpolitische Bankrott-Erklärung: Denn was diese scheinbar einfache Lösung an sozialem Sprengstoff und gesellschaftlichen Folgekosten birgt, ist gewaltig: Obdachlosigkeit, Slums, Verarmung und ein Abrutschen in die Kriminalität Tausender Menschen sind vorprogrammiert.
Mit dem „schwarz-blauen Marsch durch die Wüste Gobi“ beschrieb Andreas Khol den sozialen Kahlschlag während der Regierungszeit von FPÖ und ÖVP in den 2000er-Jahren. Mit „Speed kills“ gab der nunmehrige ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidat damals das Tempo vor. Und die arbeitenden Menschen bekamen es zu spüren, Demonstration in Wien 2003.
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AKTUELLES
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KOMMENTAR
MEHR EINKOMMEN STATT MEHR ARMUT „Dieser Beschluss reiht sich nahtlos in das Sozialabbauprogramm von Schwarz-Blau ein. FP-Haimbuchner kürzte Alleinerzieherinnen die Wohnbeihilfe, VP-Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer streicht ArbeitnehmerInnen einen erklecklichen Teil der Förderung von beruflicher Weiterbildung, nun sind eben die Flüchtlinge an der Reihe“, beschreibt FSG-Landesvorsitzender Andreas Stangl. Für die FSG ist die Kürzung der Mindestsicherung der absolut falsche Weg. Viel wichtiger wäre es, die kollektivvertraglichen Mindestlöhne und -gehälter auf 1.700 Euro zu erhöhen und die Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern, damit sich die Menschen selbst erhalten können. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) macht gerade einmal 0,7 Prozent der österreichischen Sozialausgaben aus und ist ein wesentliches Instrument zur Armutsbekämpfung. „Hier den Sparstift anzusetzen, erhöht die Armut, bringt kaum was fürs Budget und ist für die Integration kontraproduktiv.“ Auch die von der ÖVP auf Bundesebene geforderten Einschnitte bei Familien durch Deckelung der Mindestsicherung in Höhe von 1.500 Euro für Mehrpersonenhaushalte lehnt die FSG ab. Diese Leistungskürzung würde vor allem armutsgefährdete Familien mit Kindern und Alleinerziehende treffen. Schon jetzt gibt es in Österreich rund 310.000 Kinder und Jugendliche, die in Armut leben. FPÖ STIMMT GEGEN ARBEITNEHMERiNNEN Was die schwarz-blaue Koalition in Oberösterreich vorexerziert, führt vor Augen, was eine schwarz-blaue Koalition auf Bundesebene bedeuten könnte: brutalen Sozialabbau, sparen auf Kosten der Armen und billige Polemik gegen konstruierte Feindbilder, wie etwa gegen „Sozialschmarotzer“ und Flüchtlinge. „Wer trotz all dieser Grauslichkeiten immer noch glaubt, die FPÖ würde den ,kleinen Mann‘ vertreten, der sei daran erinnert, dass es die FPÖ war, die sich wiederholt klar gegen eine Millionärssteuer ausgesprochen und im Parlament gegen die Lohnsteuersenkung für ArbeitnehmerInnen gestimmt hat“, erinnert Stangl. www.fsg.at/ooe Autorin: Carmen Janko
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WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
INVESTIEREN STATT SPAREN, HEUTE STATT MORGEN Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die rigorose Sparpolitik in Europa der falsche Weg aus der Krise ist – weil es vielmehr einen finanzpolitischen Kurs braucht, der die notwendige Luft zum Investieren gibt. Jetzt sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Weltwirtschaft für heuer ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent voraus – das langsamste Plus der vergangenen fünf Jahre, was in einer Phase der Erholung nach einer Wirtschaftskrise bedenklich stimmen muss. Und sie empfiehlt der EU mehr Investitionen, was natürlich eine Kritik an der Zurückhaltung bei öffentlichen Ausgaben bedeutet. Damit bewertet nach den Gewerkschaften auch die OECD den „Juncker-Investitionsplan“ als enttäuschend, benannt nach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die aktuelle Situation – 23 Millionen arbeitslose Menschen in der EU, Tendenz aufgrund der Zuwanderung steigend – schreit eben nach einem Kurswechsel: Es braucht eine konsequente Beschäftigungspolitik und dafür muss auch investiert werden. Gerechte Verteilung und Vollbeschäftigung müssen viel stärker ins Zentrum der europäischen Politik rücken. Wir bleiben bei unserer Forderung nach einer sogenannten „Golden Rule“. Diese Investitionsregel soll es der öffentlichen Hand ermöglichen, für nachhaltige Investitionen Schulden aufzunehmen. Wir können aus dieser Krise nur herauswachsen, nicht aus ihr herausschrumpfen. Es ist wichtiger, heute Arbeitsplätze zu schaffen, heute unseren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen, heute leistbare Wohnungen zu bauen und heute den öffentlichen Verkehr auszubauen. Davon würden die Menschen wie auch die Wirtschaft und somit das ganze Projekt der EU nachhaltig profitieren.
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EINER VON UNS. EINER FÜR UNS. BUNDESPRÄSIDENTENWAHL 2016 Weil es wichtig ist, wer die Interessen der arbeitenden Menschen an der Spitze Österreichs vertritt!
::: Rudolf Hundstorfer weiß, was es heißt, aus einfachen Verhältnissen zu kommen. ::: Er weiß, welche Bedeutung Bildung und Ausbildung haben, wie wichtig gerechte Einkommen und Pensionen sind. ::: Er hat bewiesen, dass er die Erfahrung und die Professionalität hat, um unser Bundespräsident zu sein. ::: Rudolf Hundstorfer ist der beste Kandidat für die Hofburg und die beste Wahl für die Österreicherinnen und Österreicher.
DARUM WIRD’S MIR IMMER GEHEN! ::: Eine Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitsplätze und Wohlstand schafft.
::: Eine Gesundheitsversorgung, die hohe Qualität und einen modernen Standard bietet.
::: Eine Wirtschaftspolitik, in der die arbeitenden Menschen im Vordergrund stehen.
::: Ein Pensionssystem, das ein Altern in Würde mit finanzieller Sicherheit garantiert.
::: Eine Ausbildung unabhängig von sozialer Herkunft und finanziellen Mitteln.
::: Ein respektvolles Miteinander und ein offener Umgang.
::: Ein gestärkter Sozialstaat, auf den sich die ÖsterreicherInnen verlassen können. Rudolf Hundstorfer
„Unser soziales Fundament hat Österreich stark gemacht. Wir arbeitenden Menschen haben Österreich zu einem Sozialstaat gemacht, auf den wir stolz sein können. Bleiben wir uns treu! Wir brauchen das Gemeinsame vor dem Trennenden. Das bringe ich für das Amt des Bundespräsidenten mit: die verbindende Kraft, Brücken zu bauen und die Menschen zusammenzubringen.“ Rudolf Hundstorfer
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FREIGESTELLTE BETRIEBSRATSMITGLIEDER
KEINE KONTROLLRECHTE FÜR Das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) schreibt vor, unter welchen Bedingungen ein Anrecht auf Freistellung eines Mitglieds des Betriebsrats gegeben ist, und welcher Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber (AG) besteht. Paragraph 117 ArbVG sieht vor, dass auf Antrag des Betriebsrates (BR) in Betrieben mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen (AN) ein, mit mehr als 700 AN zwei und in Betrieben mit mehr als 3.000 AN drei Mitglieder des BR freizustellen sind. Für je weitere 3.000 AN kommt noch ein weiteres freizustellendes BR-Mitglied hinzu. In Betrieben mit getrennten BR für Arbeiter und Angestellte gelten diese Grenzen für die jeweilige Gruppe. Sollte jedoch in Betrieben eines Unternehmens eine Freistellung nicht möglich, aber mehr als 400 AN beschäftigt sein, so ist auf Antrag des Zentral-BR ein Mitglied desselben freizustellen. Ähnliches gilt im Konzern. Zusätzlich besteht für jedes BR-Mitglied ein Anspruch auf in-
dividuelle Bildungsfreistellung gem. § 116 ArbVG. BESCHLUSS DES GREMIUMS Der Anspruch auf Freistellung ist grundsätzlich ein Recht des BR als Gremium. Insofern beschließt der BR, welches seiner Mitglieder freigestellt wird. Ein Mitspracherecht des AG besteht nicht. Dieser ist lediglich zu verständigen. Der BR ist frei in seiner Entscheidung. Freigestellte BR-Mitglieder müssen nicht unbedingt eine Funktion (beispielsweise Vorsitzender) im BR innehaben. Auch eine „gerechte“ Verteilung auf die Fraktionen im BR ist gesetzlich nicht zwingend normiert. Das freigestellte BR-Mitglied kann vom Gremium mit Beschluss ab-
DAS ENDE VOM KAPITALISMUS WÜRDE UNS DAS GLÜCKLICH MACHEN? Nicht erst seit dem griechischen Schuldenskandal stellen sich Ökonomen weltweit die Frage: Wie konnte der westliche Kapitalismus in eine so schwere Krise geraten? Explodierende Verschuldung, niedrige Wachstumsraten und gravierender Anstieg von Ungleichheit. Diese Faktoren sind unmittelbar miteinander ver-
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berufen werden. Es bleibt aber Mitglied des BR. Die Freistellung endet mit Zugang der Benachrichtigung beim AG. ARBEITSPFLICHTEN RUHEN Mit der Freistellung ruhen alle Arbeitspflichten der freigestellten BR-Mitglieder. Es handelt sich um eine Art Pauschalierung des Zeitaufwands für das freigestellte BR-Mitglied. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ab einer bestimmten Zahl an AN die BR-Aufgaben so zeitintensiv sind, dass sie neben den Arbeitspflichten nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden können. Da das Arbeitsverhältnis des freigestellten BR-Mitglieds durch die Freistellung weder unterbrochen noch beendet wird,
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bunden. Niedrige Wachstumsraten erschweren die Rückzahlung der Verbindlichkeiten. Die wachsenden Schulden führen zu mehr Ungleichheit, denn die Schulden der einen sind die Vermögen der anderen. Robert Misik fasst die derzeitigen Debatten zusammen und zeigt auf: Die Krise der Gesellschaftsform, in der wir heute leben, ist so umfassend, dass es nicht genügt, mit Umverteilung gegenzusteuern. Das gesamte System muss neu gedacht werden. Kaputtalismus, Robert Misik, Aufbau-Verlag, 2016, 224 Seiten, 17,50 Euro. Zu bestellen bei: ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132, E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.diefachbuchhandlung.at
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RECHT
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ARBEITGEBER
Gesetzgeber: Die Aufgaben des Betriebsrats sind ab einer bestimmten Zahl an ArbeitnehmerInnen zeitintensiv. bestehen die anderen Pflichten weiterhin fort. Dies betrifft einerseits die Pflicht des AG, das Entgelt weiter zu zahlen und das freigestellte BR-Mitglied auch bei Sozialleistungen, Weiterbildungs- und AN-Schutz-Maßnahmen nicht zu benachteiligen. Andererseits die Pflicht des freigestellten BR-Mitglieds, Krankenstände und Urlaube zu melden und arbeitsvertragliche Nebenpflichten (zum Beispiel Konkurrenzverbot) zu beachten. KEINE KONTROLLRECHTE FÜR ARBEITGEBER Das freigestellte BR-Mitglied ist nur dem BR-Gremium und der Betriebsversammlung verantwortlich. Dem AG steht kein Recht zu, über die Tätigkeit des freigestellten BR-Mitglied Informationen zu verlangen oder diese zu kontrollieren. Der AG kann daher zum Beispiel vom freigestellten BR-Mitglied auch keine Abmeldung oder Information über das Verlassen des Betriebes verlangen. Das wurde erst kürzlich vom Oberlandesgericht (OLG) Linz unter Hinweis auf zuvor ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) ausdrücklich festgestellt (OLG Linz GZ 12 Ra 64/15s). Am Recht der anderen BR-Mitglieder, die Interessen der AN im Betrieb wahrzunehmen, ändert die Freistellung eines oder mehrerer BR-Mitglieder grundsätzlich nichts. Auch die Funktionen im BR (vor allem Vorsitz) bleiben bestehen. In der Praxis ist aber eine Aufteilung der Arbeiten immer wieder sinnvoll. Auf die ordnungsgemäße Beschlussfassung und Vertretung (zum Beispiel durch die/den Vorsitzende/n) gegenüber dem AG sollte aber geachtet werden.
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THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at
Ich kann regelmäßig keine Mittagspause halten, weil ich so viel Arbeit habe. Trotzdem wird mir die Pause abgezogen. Wie kann ich mich wehren? Zum einen begeht der Arbeitgeber (AG) eine Verwaltungsübertretung, wenn er die Ruhepause gem. § 11 Arbeitszeitgesetz (AZG) nicht gewährt. Die Verwaltungsbehörden können Strafen bis zu 1.815 Euro verhängen. Außerdem haben Sie durch die anfallende Mehrleistung Anspruch auf Entgelt, gegebenenfalls Überstundenentlohnung. Diese müssen Sie allerdings bei Ihrem AG geltend machen, widrigenfalls der Anspruch verfallen kann. Die dafür geltenden Fristen sind branchenweise unterschiedlich. Ich rate Ihnen unbedingt, so rasch wie möglich Unterstützung bei der zuständigen Gewerkschaft oder AK zu suchen. Ich habe aus meiner Zeit vor dem Präsenzdienst noch Überstunden offen. Können diese verfallen? Grundsätzlich ja, gemäß § 6 Abs. 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz (APSG) wird aber durch die Leistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes der Lauf von Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehemmt, die auf Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Einzelvertrag beruhen. Ob in Ihrem Fall der Anspruch auf Überstundenbezahlung bereits untergegangen ist, muss daher individuell berechnet werden. Wenden Sie sich so rasch wie möglich an die zuständige Gewerkschaft oder AK.
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INDUSTRIE 4.0
FREUNDE FÜRS ARBEITSLEBEN Bisher kamen Roboter vor allem zum Einsatz, wenn es für Menschen zu gefährlich war, wie beispielsweise in verseuchten Gebieten. Doch schon Berichte über den versuchsweisen Einsatz an Hotelrezeptionen oder als Unterhaltungsroboter für ältere Personen ließen erahnen, wohin die Reise gehen könnte: Anspruchsvolle Aufgaben sollen künftig durch Mensch-Roboter-Teams gelöst werden. Voraussetzung dafür ist laut dem deutschen Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), dass der Roboter den Menschen wahrnehmen und auf seine Handlungen reagieren muss. Das funktioniert schon mit einfachen Gesten: Der Mensch zeigt auf ein Objekt und der Roboter bringt und übergibt es dem „menschlichen“ Arbeitskollegen. So viel zum technischen Fortschritt. Die vierte industrielle Revolution steht (nach Dampfmaschine, Elektrifizierung und maschineller Produktion) ganz im Zeichen vom Informationsaustausch zwischen Mensch, Maschine und dem Produkt oder der Dienstleistung. Und sie wird Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben, von Arbeiten 4.0. über Schule 4.0 bis Essen 4.0 und Urlaub 4.0.
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Der Roboter muss den Mensch wahrnehmen und auf seine Handlungen reagieren.
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Mensch-Roboter-Teams in der neuen Arbeitswelt 4.0 sind schon zum Greifen nah.
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MASCHINERIE ARBEITSLOSENQUOTE IN PROZENT 8
Gleichzeitig macht eine „alte“ Sorge die Runde: Irgendwann könnten doch die Arbeitsplätze ausgehen. Genauer geht es um die Erwerbseinkommen. Das beschäftigt Menschen und Regierungen gleichermaßen nicht erst seit dem ersten Industrieroboter Mitte der 1970erJahre. Bereits im 17. Jahrhundert war Arbeitslosigkeit ein Begleiter breiter Bevölkerungsschichten. Der technische Fortschritt sollte aber nur vorübergehend ArbeitnehmerInnen freisetzen. SEIT MITTE DER 1970ER-JAHRE In Österreich setzte der Anstieg der Arbeitslosigkeit etwa Mitte der 1970er-Jahre ein (siehe Grafik). Zur selben Zeit wurde die wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden abgesenkt. Zehn Jahre später in einigen Branchen nochmals. Ein Zufall? Vorreiter war damals die Metallindustrie mit einer Verkürzung auf 38,5 Stunden
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Quelle: Arbeiterkammer Österreich, Mai 2015(WIFO, nationale Berechnung)
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bei vollem Lohnausgleich. In der Chemieindustrie sank die Arbeitszeit sogar auf 38 Wochenstunden. Seither hat sich wenig getan. Obwohl zwischenzeitlich das Internet die Welt revolutionierte, die Arbeitszeit blieb davon unberührt. Nur die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit lösten sich auf, All-in-Verträge kamen in Mode, flachere Einkommenskurven dämpften die Motivation. Arbeitsabläufe werden weiter automatisiert. Aus- und Weiterbildungen stehen unter immensem Veränderungsdruck. Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen verdoppel-
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te sich in den vergangenen zehn Jahren. Und schon Karl Marx stellte sich anno dazumal die Frage, ob der technische Fortschritt die Tagesmühen irgendeines menschlichen Wesens erleichtert hat, und kam zu dem Schluss, dass dies keineswegs der Zweck der kapitalistischen Maschinerie ist. Heißt so viel wie: Eine Arbeitszeitverkürzung und andere Verbesserungen müssen auch in Zeiten intelligenter Roboter von den arbeitenden Menschen hart erkämpft werden! Autor: Christoph Höllriegl
INVESTITIONEN IN GUT BEZAHLTE ARBEITSPLÄTZE Wenn wir von der Zukunft und von der Sicherung der Pensionen sprechen, dann geht es primär um die Frage der Arbeitsmarktpolitik und um deren Auswirkungen auf Frauen, sowohl in ihrem Aktivleben als auch in ihrer Pension. Die meisten Frauen können sich aufgrund ihres niedrigen Einkommens keine private Zusatzpension ansparen oder keine Privatversicherung gegen Arbeitslosigkeit leisten. Vor allem ältere ArbeitnehmerInnen haben gewaltige Probleme, gesund im Berufsleben zu bleiben oder eine neue Beschäftigung zu finden, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren. Viele Frauen können heute schon kaum von ihrem unselbstständigem Einkommen
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leben, vom Arbeitslosenbezug oder von ihrer Pension. Der Anstieg der häufig unfreiwillig geleisteten Teilzeitarbeit wird die Situation weiter verschärfen. Viele der bisherigen Forderungen und Pläne der oftmals selbst ernannten ExpertInnen sind offenbar auf dünnem Erfahrungsboden gereift, schließlich wissen wohl die wenigsten dieser sogenannten ExpertInnen aus eigener Erfahrung, was es bedeuten würde, über lange Zeit keinen neuen Arbeitsplatz finden zu können, von einem Teilzeitgehalt leben zu müssen, als Alleinerzieherin die Waschmaschinenreparatur nicht finanzieren zu können, sich den Schulschikurs der Kinder nicht leisten zu können, oder als Pensionistin die Miete nicht mehr bezahlen zu können.
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ILSE FETIK FSG-FRAUENVORSITZENDE
Jede ernsthafte Analyse beweist, dass unser Pensionssystem auf soliden Beinen steht, weil die Reformen greifen. Es braucht keine Verunsicherung, sondern vielmehr ernsthafte und nachhaltige Investitionen in gut bezahlte Arbeitsplätze, die nicht krank machen, um vor allem Frauen einen längeren Verbleib im Beruf zu ermöglichen sowie ein klares Bekenntnis zum umlagegedeckten Pensionssystem. Das ist der wirksamste Beitrag, um Pensionen nachhaltig zu sichern!
GRUNDSATZ
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EUROPAS INDUSTRIE
DAS REICH DER MITTE DRÄNGT China könnte noch heuer von der EU als „Marktwirtschaft“ anerkannt werden. Grund dafür ist eine auslaufende Frist im WTO-Beitrittsprotokoll Chinas. Für die europäische Stahlindustrie und Millionen von Arbeitsplätzen hätte das fatale Folgen. China ist nicht nur ein Konkurrent, sondern auch wichtiger Handelspartner und Investor für die Europäische Union. Das „Reich der Mitte“ ist aber noch alles andere als eine Marktwirtschaft. Dazu erfüllt das Land nicht im Geringsten die Anforderungen. Aus diesem Grund ist der Handel mit China derzeit eingeschränkt und die EU schützt ihre Industriesektoren mit Anti-Dumping-Maßnahmen. Sollte China mit dem Auslaufen des Protokolls in seinem Beitrittsabkommen zur Welthandelsorganisation (WTO) per 11. Dezember 2016 den Marktwirtschaftsstatus erhalten und die EU nicht gleichzeitig neue strenge AntiDumping-Maßnahmen setzen, drohen fatale Folgen für die europäische Industrie. Insbesondere in der Stahlindustrie besteht bereits jetzt eine große Bedrohung, da China mit der Produktion von
Überkapazitäten den Weltmarkt überschwemmt. Durch das Überangebot an chinesischem Billigstahl, für drei Stahlprodukte hat China Preise unter Herstellungskosten verlangt, entsteht eine weltweite Schieflage. Die EU als zweitgrößter Stahlproduzent hinter China hat damit besonders zu kämpfen. Mitte Februar gingen in Brüssel rund 5.000 StahlarbeiterInnen aus ganz Europa auf die Straße und forderten unter Protest einen stärkeren Schutz vor chinesischen Billigprodukten – unter ihnen auch eine große österreichische Delegation, die „Nein“ sagte zu Dumpingpreisen und zur Gefährdung Hunderttausender Arbeitsplätze.
5.000 StahlarbeitnehmerInnen gingen Mitte
NACH DER KRISE – VOR DER KRISE? Die Stahlindustrie, für Europa und insbesondere für Österreich von großer wirtschaftlicher Bedeutung, hat in ho-
hem Maße unter den Folgen der Finanzund Wirtschaftskrise gelitten. Mehr als 80.000 Arbeitsplätze gingen seit 2008 europaweit verloren. Außerdem wurde
TTIP: DASEINSVORSORGE SICHERN EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström versuchte Ende Februar bei einer Publikumsdiskussion in Wien das geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) zu verteidigen. Mit wenig Erfolg! ÖGB-Vizepräsidentin Renate Anderl zum Beispiel forderte eine schriftliche Zusage, dass die Daseinsvorsorge von TTIP nicht betroffen sein wird. Nachsatz: Dass das Abkommen Arbeitsplätze sichere und zu Wachstum führe, sei derzeit auch nicht gesichert.
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EUROPA/INTERNATIONAL
15. Jahrgang // Nummer 3 // Wien, März 2016
EU-PARLAMENT
NACH WESTEN
Gewerkschafterin, Europaabgeordnete und
Foto: Action Press / picturedesk.com (Symbolbild)
Delegationsleiterin
Februar in Brüssel auf die Straße. ein Verlust von 80 Millionen Tonnen Produktionskapazität verzeichnet. Und nun steht Europas Stahlsektor mit seinen rund 330.000 Beschäftigten durch die mögliche Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft aufgrund der auslaufenden Frist erneut vor einer existenzbedrohenden Krise. Die Volksrepublik hadert aktuell selbst mit ihrer Konjunktur und einem Einbruch der Nachfrage und ist deshalb im Begriff, den Weltmarkt mit exportsubventioniertem billigem Stahl – zum Teil unter dem Erzeugerpreis – zu überschwemmen. Der europäische Stahlstandort mit seinen hohen Arbeits- und Umweltstandards kann diesem Druck dauerhaft nicht standhalten.
d i rek t
KEINE MARKTWIRTSCHAFT Die Volksrepublik China ist nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern seit drei Jahren auch die größte Handelsnation im globalen Vergleich. Von europäischer Seite ist derzeit eine Reihe von Anti-Dumping-Maßnahmen in Kraft, die die verarbeitenden Sektoren der europäischen Wirtschaft schützen. Neben der Stahlindustrie sind unter anderem auch die Papier-, Glas- und Aluminiumsektoren massiv betroffen. Sollte China bald den Marktwirtschaftsstatus erlangen, würden die jetzigen Schutzmaßnahmen de facto wegfallen und die europäischen Unternehmen gehörig ins Schwitzen bringen. Mehr als die Hälfte aller europäischen Anti-Dumping-Maßnahmen richten sich aktuell gegen China. Wirtschaftstreibende im Reich der Mitte werfen der EU Protektionismus vor. Fakt ist, dass sich eine Marktwirtschaft durch ganz konkrete Kriterien auszuzeichnen hat, um sich als ebensolche bezeichnen zu können – so sagt es die Welthandelsorganisation (WTO), der China vor 15 Jahren beitrat. Damals glaubte man, die Volksrepublik würde sich in dieser Zeit zur Marktwirtschaft weiterentwickeln. Fakt ist auch, dass China bis dato nur eines von fünf Marktwirtschaftskriterien erfüllt, zudem regelmäßig massiv gegen Urheberrecht verstößt und europäischen InvestorInnen den Marktzugang erschwert. GEGEN AUTOMATISMUS Die EU-Kommission hat zum heiklen Thema China jüngst auch ein öffentliches Konsultationsverfahren eingelei-
der SPÖ-Europaabgeordneten
EVELYN REGNER www.evelyn-regner.at
tet. Margrethe Vestager, Kommissarin für Wettbewerb, kündigte aber unabhängig vom Ausgang auch bei Anerkennung des Marktwirtschaftsstatus weitere Anti-Dumping-Maßnahmen und Anti-Beihilfen-Maßnahmen an. Sollte China den Marktwirtschaftsstatus bekommen, müssen die Schutzinstrumente für die europäische Marktwirtschaft dringend modernisiert und verschärft werden. Hier ist der Rat der EU-WirtschaftsministerInnen gefragt, der beim Überarbeiten der Marktverteidigungsinstrumente schon länger die Tendenz zum Blockieren hat. Europas GewerkschafterInnen und SozialdemokratInnen sind sich auf jeden Fall einig: China darf den Marktwirtschaftsstatus nicht bekommen. Ein Automatismus bei der Zuerkennung ist abzulehnen. Auch die europäischen Sozialpartner der betroffenen Branchen sprechen sich klar gegen die automatische Anerkennung des Marktwirtschaftsstatus für China aus. In ihrem Manifest wird eindrücklich gewarnt: Insgesamt 3,5 Millionen Arbeitsplätze und rund 200 Milliarden Euro jährliches BIP stehen auf der Kippe. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Autorin: Evelyn Regner
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GESUNDHEIT, LEISTUNGSDRUCK, BETRIEBSKLIMA THEMEN, DIE DIE BETRIEBSRATSARBEIT IM VERGANGENEN JAHR BESONDERS PRÄGTEN (MEHRFACHNENNUNGEN)
39 %
Erhöhung des Leistungsdrucks
41 %
Gesundheitsförderung
35 %
35 %
Druck des Arbeitgebers, Urlaub und Gutstunden abzubauen
Änderung der Arbeitsorganisation
Verschlechterung des Betriebsklimas
34 % Altersteilzeit
34 %
Quelle: Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, ISW-BetriebsrätInnenbefragung, Mehrfachnennung
BELASTUNGEN NEHMEN ZU Sieben von zehn Betriebsratsvorsitzenden berichten von stark steigenden Belastungen am Arbeitsplatz. Aber auch sie selbst geraten unter Druck. Die Betriebsrätebefragung des Instituts für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (ISW) beschäftigte sich im vergangenen Jahr mit den Herausforderungen in der Betriebsratsarbeit. 72 Prozent der Betriebsratsvorsitzenden oder ihre Stellvertrete-
rInnen beobachteten einen Anstieg der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. 37 Prozent meldeten auch eine zunehmende körperliche Arbeitsbelastung der ArbeitnehmerInnen. Mehrfachnennungen waren möglich. Diese Entwicklungen ver-
Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
ändern die Tätigkeitsfelder von Betriebs-
3,9 % Themen wie GesundheitsförderätInnen. rung, Leistungsdruck oder Betriebsklima treten häufig in den Vordergrund – vor den den klassischen Themen wie Lohn- oder Gehaltserhöhungen und Einstufungen. Dabei kommen auch BetriebrätInnen selbst unter Druck der Arbeitgeber. Zwölf Pozent geben Einschüchterungen an, elf Prozent permanente Kontrolle, überzogene Reaktionen oder die Verbreitung übler Gerüchte.
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