FSG direkt, 04/2014

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13. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2014

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Foto-Collage: picturedesk.com und Archiv

TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN

BLICK AUF EUROPA RECHTSPOPULISTISCH SEITE SEITE SEITE

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SEITE N 5 UND 14

Ta g d e r A r b e i t : Ü b e r d i e E n t d e c ku n g d e r S o l i d a r i t ä t Dein Recht: Wenn Urlaub kein Urlaub mehr ist A n t e i l e h a l t e n : Te l e k o m i s t R ü c k g r a t u n s e r e r W i s s e n s g e s e l l s c h a f t


EU-WAHL AM 25. MAI

WIR BRAUCHEN INVESTITIONEN UND BILDUNGSANGEBOTE Investieren und Beschäftigung ankurbeln! Europa kann nur durch Zukunftsinvestitionen und die Leistungen der ArbeitnehmerInnen aus der Krise herauswachsen. Dazu brauchen wir neue Arbeitsplätze mit Perspektiven statt Praktika und unbezahlte Jobs.

WIR BRAUCHEN ARBEIT, VON DER MAN GUT LEBEN KANN Strategie für Wachstum & Wohlstand für alle Wir brauchen keinen Standortwettbewerb, der nur das Ziel verfolgt, Löhne und Sozialstandards weiter nach unten zu drücken. Wir brauchen wirksame Maßnahmen gegen diesen Trend, einheitliche Mindeststandards für alle ohne Ausnahmen.

WIR MACHEN

EIN EUROPA

FÜR MENSCHEN. www.erstdermensch.at

Spitzenkandidat der SPÖ:

EUGEN FREUND

WIR BRAUCHEN KLARE REGELN AUF DEN FINANZMÄRKTEN Null Toleranz bei Steuerbetrug und Spekulation 1.000 Milliarden Euro entgehen der EU jährlich durch Steuerflucht und Steuerbetrug. In etwa genau jener Betrag, der bisher zur Rettung der Banken aufgewendet werden musste. Wir brauchen daher eine funktionierende Bankenunion, und die Finanztransaktionssteuer muss endlich eingeführt werden.

SpitzenkandidatInnen der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen:

EVELYN REGNER

HEIDI HIRSCHBICHLER

SASCHA ERNSZT

THOMAS KATTNIG

SYLVIA REISS

WOLFGANG GREIF

GERALD KREUZER


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13. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2014

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Foto-Collage: OJO Images / Rex Features / picturedesk.com und Archiv

TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN

BLICK AUF EUROPA SOZIALDEMOKRATISCH SEITE SEITE SEITE

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SEITE N 5 UND 14

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LÜCKEN SCHLIESSEN

SÄUMIGE UNTERNEHMEN

Inhalt

SCHWÄCHEN KASSEN

Cover: Blick auf Europa, statt neue Mauern brauchen wir eine sozialdemokratische Mehrheit im EUParlament, Montage. 4 5

Lücken schließen Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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AK-Wahlen: FSG legt zu FSG erzielt beeindruckende Wahlerfolge in Kärnten und Wien, Junge wählen FSG.

Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Blick auf Europa Neue Mehrheiten in Europa fordert der Europäische Gewerkschaftsbund.

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Von einem Skandal spricht FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian, wenn Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge nicht an Krankenkassen weitergeben, die den ArbeitnehmerInnen abgezogen werden.

„In jedem Wahlkampf wird die Forderung der Wirtschaft laut, die Arbeitgeber-Beiträge für die Krankenkassen zu senken. Offenbar ist es eine Generallinie der Arbeitgeber, die Krankenkassen zu schwächen

: : : : G R AT I S - Z A H N S P A N G E K O M M T : : : :

Service Dein Recht, Antworten auf Fragen

Klartext

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Unlesbar? Undenkbar!

Grundsatz

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Staatsanteile an Telekom halten

Europa/International

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Grundrechte respektieren

Foto: mauritius images / imageBROKER / Albrecht Weißer

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und finanziell auszuhungern. Anders ist die schlechte Zahlungsmoral der Unternehmen in puncto Krankenversicherungsbeiträge nicht zu erklären“, kritisiert Wolfgang Katzian die Tatsache, dass die Beitragsrückstände der

„Mit der Gratis-Zahnspange für Kinder bis 18 Jahre wird mit Juli 2015 sichergestellt, dass gesunde Zähne nicht vom Einkommen der Eltern abhängen. Bisher konnten sich viele Familien diese für ihre Kinder nicht leisten“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. „Das ist nicht nur eine Investition in die Gesundheit der Kinder, sondern auch eine sozialpolitische Leistung der Krankenversicherung, mit der bisherige Lücken in der Sachleistungsversorgung geschlossen werden.“

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Sekretariat: Karin Stieber, A-1020 Wien, Johann-BöhmPlatz 1, Telefon 01/662 32 96-39738, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: karin.stieber@oegbverlag.at. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Nani Kauer, Thomas Kallab, Thomas Linzbauer. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: FSG Wien, GPA-djp, SPÖ, APA Picturedesk, Waldhäusl, Mauritius Images, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES


13. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2014

TOPINFOS FÜR GEWERKSCHAFTERiNNEN

RECHTSPOPULISMUS WAS STECKT DAHINTER

Arbeitgeber mit vergangenem Jahresende 920 Millionen Euro betragen haben: „Dieser Rückstand wirkt sich natürlich auf das Leistungsangebot aus, säumige Unternehmer schwächen also die Krankenkassen.“ IM INTERESSE FAIRER ARBEITGEBER „Es ist ein Skandal, wenn die Sozialversicherungsbeiträge den ArbeitnehmerInnen abgezogen werden und die Arbeitgeber sie dann nicht an die Sozialversicherung weitergeben. Hier braucht es offensichtlich noch wesentlich mehr Druck auf diese schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern“, fordert Katzian. Das sei im Übrigen auch im Interesse jener Arbeitgeber, die sich korrekt und fair verhalten. Die beachtliche Summe von 920 Millionen Euro setze sich nicht nur aus den Rückständen von Scheinfirmen und in Insolvenz geratenen Unternehmen zusammen. Katzian: „Den Unternehmern ist dringend mehr Zahlungsmoral angeraten! Wenn alle Arbeitgeber ihre Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge so pünktlich abliefern würden wie die ArbeitnehmerInnen, dann hätten wir mehr Spielraum, um das soziale Netz engmaschiger zu spannen.“

:::: FSG DIREKT IM ABO :::: FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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Was haben VertreterInnen von rechtspopulistischen Parteien in den EU-Mitgliedsstaaten naturgemäß gemein? Sie schwingen Reden mit rassistischem Hintergrund, können sich danach nicht daran erinnern, wollen es dann nicht gesagt oder so gemeint haben, bedauern es anschließend und entschuldigen sich noch dafür. So auch der Spitzenkandidat der FPÖ für die EUWahl. Damit verschaffen sie sich mediale Aufmerksamkeit. Aber ist das schon alles?

„Österreich und Europa vor rechtsextremen Hetzern schützen.“ Willi Mernyi, FSGBundesgeschäftsführer

Die Frage, die sich aber stellt: Wann ist die Grenze von Rechtspopulismus zu Rechtsextremismus überschritten? Aus rassistischen Gründen verfolgten, misshandelten oder sogar ermordeten Menschen hilft es im Nachhinein nichts, wenn sich die Verantwortlichen für ihre (verbalen) Taten entschuldigen. Und dass vermeintlich wirkende Reden schnell in Volksverhetzung und tatsächliche Taten ausufern können, beobachten wir leider in vielen Ländern auf der Welt. Volksverhetzer spielen Menschen gegenseitig mit dem Schüren von Neid und Hass aus – AusländerInnen, ethnische Minderheiten oder andere Gemeinschaften. Es gab auch eine Zeit, in welcher GewerkschafterInnen verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet wurden. Denken wir daran, was die Idee der EU im Grunde genommen war und ist: Der Friede zwischen den europäischen Völkern auf Basis eines solidarischen Miteinanders statt Misstrauen und Mauern zwischen den Ländern. Ändern wir am 25. Mai das, was die konservative und neoliberale Mehrheit bisher geschürt hat: die Gier nach schnellem Profit zulasten der hart arbeitenden Menschen. Und schützen wir unser Land und unser Europa vor rechtsextremen Hetzern!

AKTUELLES

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AK-WAHLEN

FSG LEGT ZU Die AK-Wahlen sind nun auch in Kärnten, Wien und Oberösterreich geschlagen. Klare Siegerin ist die FSG. Die ArbeitnehmerInnen erteilten der primitiven Hetze anderer wahlwerbender Gruppen eine Absage. „Die ArbeitnehmerInnen wissen, wer sich für sie einsetzt und wo ihre Rechte am besten aufgehoben sind. Das Vertrauen, das die ArbeitnehmerInnen der FSG gegeben haben, ist für uns alle ein Arbeitsauftrag, den wir sehr ernst nehmen“, sagte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian und gratulierte den Spitzenkandidaten und ihren Teams. „Günther Goach bezeichnet die FSG gerne als Bollwerk gegen jene, die ArbeitnehmerInnenrechte einschränken wollen – genau auf dieses Bollwerk können sich die ArbeitnehmerInnen in Kärnten jetzt auch in den nächsten Jahren verlassen“, so Katzian. Günther

Goach schaffte den historischen Erfolg in Kärnten mit 76,9 Prozent gegenüber 66,8 Prozent im Jahr 2009. Die FSG Wien steigerte mit ihrem Spitzenkandidaten Rudi Kaske und der FSGVorsitzenden in der AK Wien, Dwora Stein, ihr Ergebnis von 56,4 Prozent im Jahr 2009 auf nunmehr 58,73 Prozent. Erfreuliches Detailergebnis: 62 Prozent der jungen ArbeitnehmerInnen bis 29 Jahre wählten die FSG. FSG-Spitzenkandidat Johann Kalliauer erreichte mit seinem Team in Oberösterreich laut vorläufigem Ergebnis 65,5 Prozent der Stimmen (2009 waren es 59,3 Prozent). www.fsg.at

HOCH DER 1. MAI „DIE ENTDECKUNG DER SOLIDARITÄT“ „Den ArbeiterInnen fehlte lange Zeit das Geld, das Wissen und die Macht, um im Kampf für ein besseres Leben und Mitsprache eine Chance zu haben. Aber sie fanden rasch heraus, dass die Chance größer wurde, wenn sie zusammenhielten“, schreibt die Historikerin Brigitte Pellar in ihrem Buch „Eine andere Geschichte Österreichs“ über die Anfänge der Gewerkschaftsbewegung (siehe Buchtipp auf Seite 10). Die ersten „Knappschaftskassen“ zur gegenseitigen Unterstützung der „Bergarbeiter“ entstanden im Jahr 1299 in Böhmen. Die Ideen der Französischen

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AKTUELLES

Revolution von 1789 für mehr Mitbestimmung des Volkes wurden in Österreich brutal niedergeschlagen. Gewerkschaftsgründung blieb hierzulande ein Schwerverbrechen. Erst ab 1848 konnten erste Erfolge und politische Rechte für „Arbeiter“ erkämpft werden. Allzu demokratische Regungen wurden weiterhin unterdrückt. „Der Aufruf der Sozialistischen Internationale, am 1. Mai für den Achtstundentag zu demonstrieren, wurde dann nirgends in so hohem Maße befolgt wie in Österreich“, so Pellar. Überall standen Militär und Polizei in Bereitschaft.


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KOMMENTAR

WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER

Foto: Sebastian Philipp

ARBEITSLOSIGKEIT IST SOZIALPOLITISCHE BOMBE

Die meisten Kundgebungen verliefen friedlich. Erst „in den 1890er-Jahren gab es die ersten Kollektivverträge, die bessere Löhne und Arbeitszeitverkürzungen brachten.“ DIE „GUTE ALTE ZEIT“ GIBT ES NICHT „Unsere Geschichte sollten wir viel öfter in Erinnerung rufen, vor allem für unsere Jugend“, sagt FSG-Bundesgeschäftsführer Willi Mernyi. Denn heute glaubten viele, früher war alles viel besser – auch was die EU betreffe. Aber wie Pellar schreibt: „Die ,gute alte Zeit‘ gab es nie. Die Mehrheit der Menschen musste immer darum kämpfen, genug zu essen, warme Kleidung und wenigstens einen Teil von Wissen und Bildung abzubekommen.“ Der 1. Mai (Tag der Arbeit) steht anlässlich der EU-Wahlen am 25. Mai heuer ganz im Zeichen für ein soziales und demokratisches Europa: „Erst der Mensch, dann der Profit“, lautet das Motto. Mit dabei auch die Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung.

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Für viele ArbeitnehmerInnen läuft Europa schief: Immer mehr EU-Länder nutzen die Finanz- und Wirtschaftskrise nämlich für Eingriffe in das Arbeitsrecht und in ihre Sozialsysteme – damit lassen sich einerseits Staatsausgaben kürzen, andererseits werden so der Arbeitsmarkt flexibilisiert und das Lohnniveau gesenkt. Die Konsequenzen liegen auf der Hand. Seit 2007 sind die Arbeitslosenzahlen in der EU um mehr als 20 Prozent gestiegen, insgesamt sind 26 Millionen Menschen ohne Arbeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit erreicht traurige Rekordwerte – eine sozialpolitische Bombe, die auch den demokratischen Zusammenhalt in der EU gefährdet. Trotzdem will ein machtvolles, neoliberal ausgerichtetes „Reform-Bündnis“, in dem die EU-Kommission und viele EU-Regierungschefs zentrale Rollen einnehmen, uns weismachen, dass es zur Bewältigung der Krise keine Alternative zu diesen harten Einschnitten gibt. Das Gegenteil ist der Fall: Es braucht den Weg raus aus dieser neoliberalen Sackgasse hin zu einer Politik, die endlich den dringend notwendigen Spielraum für Wachstum und Beschäftigung schafft. Es braucht Zukunftsinvestitionen, um Wachstumsimpulse setzen zu können. Es braucht die stärkere Regulierung von Banken und Finanzmärkten sowie das Aus für Steuerdumping. Es braucht eine Stärkung der Rechte der ArbeitnehmerInnen. Unsere Antwort auf die Unzulänglichkeiten in der derzeitigen EU-Politik kann jedenfalls nicht lauten: Nein zu Europa. Sie muss in unserem eigenen Interesse heißen: Ja zu Europa – aber zu einem anderen Europa! Am 25. Mai haben wir die Gelegenheit dazu. Machen wir aus der Unzufriedenheit mit den Entscheidungen, die schieflaufen, ein Ja für einen Kurswechsel im Sinne der ArbeitnehmerInnen!

KOMMENTAR

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BLICK AUF EUROPA

NEUE MEHRHEITEN MÜSSEN HER Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) setzt im Vorfeld der EU-Wahl verstärkt auf Beschäftigung und Steuergerechtigkeit. Mit einem Investitionsplan sollen elf Millionen Vollzeitarbeitsplätze geschaffen werden.

1.000 Milliarden Euro zur Rettung von Banken – und 6 Milliarden Euro für Europas Jugend. Dieses eine Beispiel zeigt, in welch krasser Schieflage die EU derzeit steckt. Die EU an sich dafür verantwortlich zu machen, wäre aber verkehrt – es sind die Mehrheitsverhältnisse in Kommission, Rat und Parlament, die die aktuelle Politik machen. Seit Jahrzehnten führen neoliberale, konservative Kräfte die EU an, Ergebnis davon ist natürlich neoliberale, konser-

Beim EGB-Gipfeltreffen in Brüssel wurden Ende März die gewerkschaftlichen Alternativen für Europas Zukunft aufgezeigt.

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HINTERGRUND

vative Politik. „Es gibt einige, die die Gelegenheit jetzt in der Krise nutzen wollen, um das, was wir das soziale Modell nennen, zu schwächen, und um das Europäische Modell insgesamt zu ändern“, sagt Bernadette Ségol, Generalsekretärin des EGB. FÜR FAIRE VERTEILUNG Der Kampf um faire Verteilung ist angesichts der sozialen Lage in der EU, die sich in einigen Ländern bereits dras-

tisch verschlechtert, auf der EGB-Agenda ganz oben. Ein wesentliches Element wäre die Finanztransaktionssteuer. Viele – darunter auch der EGB – haben die Befürchtung, dass diese wichtige, gerechte Steuer nach langem Verhandeln mehr und mehr verwässert wird, wie der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, vermuten lässt. „Man muss Schluss machen mit dieser Ungleichbehandlung der Ärmsten und der Reichsten“, sagt Ségol. „Das ist eine unerträgliche Schande für unsere Gesellschaft, und es ist vollkommen inakzeptabel für die ArbeitnehmerInnen in der EU. Die Finanztransaktionssteuer muss Wirklichkeit werden.“


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PARTEIEN UND MANDATE IM EU-PARLAMENT FRAKTIONSLOS GRÜNE/EFA

ERST DER MENSCH

ALDE EVP

S&D ECR GUE/NGL

EFD

GUE/NGL:

Sozialisten, Kommunisten

S&D:

Sozialdemokraten

35

GRÜNE/EFA:

Grüne 58

195 32

FRAKTIONSLOS:

Liberale 84

ALDE: EVP:

Christdemokraten, Konservative 274

ECR:

Konservative 57

EFD:

EU-Skeptiker, Rechte 31 Quelle: Europäisches Parlament (www.europarl.europa.eu, Stand 29. März 2014)

Der EGB verlangt daher einen Kurswechsel hin zu einem völlig neuen Weg für Europa – so auch der Slogan der aktuellen EGB-Kampagne. Kernstück ist ein Investitionsplan, der den Teufelskreis aus Sparpolitik und Verschlimmerung der Lage beendet. KERNSTÜCK INVESTITIONSPLAN Der Plan sieht vor, dass über zehn Jahre hinweg zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU aufgebracht werden. Mittel der EU, der Mitgliedsstaaten und privates Kapital sollen in Zukunftsbranchen investiert werden, darunter Forschung und Entwicklung, erneuerbare Energien, Infrastruktur, Bildung und Gesundheit. Das würde nach Berechnungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes für ein BIP-Wachstum Europas um bis zu 400 Milliarden sorgen, bis zu 11 Millionen neue Vollzeitarbeitsplätze schaffen, über 100 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen bringen, für die nachhaltige Erholung von Europas Wirtschaft sorgen und langfristig hochwertige Arbeitsplätze für die europäischen ArbeitnehmerInnen schaffen.

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EU KANN STÄRKER WERDEN Denn was die EU dringend braucht, sind neue Arbeitsplätze, von denen die Menschen auch leben können. Die Schaffung von Beschäftigung steht daher im Zentrum der EGB-Forderungen im Vorfeld der EU-Wahl. Beim Parteitag der Europäischen SozialdemokratInnen in Rom forderte Ségol daher: „Wir müssen die soziale Gerechtigkeit verbessern, die Rechte der ArbeitnehmerInnen ausbauen, die demokratische Verantwortung der EU stärken und die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Die EU kann in den kommenden fünf Jahren stärker werden, wenn sie die richtigen Maßnahmen für nachhaltige wirtschaftliche Erholung trifft, und zwar mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und mit breiter demokratischer Unterstützung. Europäerinnen und Europäer: Geht und wählt.“ Autorin: Nani Kauer E-Mail: nani.kauer@oegb.at

:::: WE B T IP PS :::: www.etuc.org (EGB) socialistsanddemocrats.eu/de

Bernadette Ségol Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB)

„DAS MUSS MAN UNBEDINGT AUCH SAGEN“ FSG direkt: Gibt es auch etwas Gutes an der EU? Bernadette Ségol: Viel Gutes wurde selbstverständlich, darüber denkt man nicht mehr nach: Dass man sich frei bewegen kann oder das Recht hat, überall zu arbeiten. Beim ArbeitnehmerInnenschutz, bei Elternkarenz, Gleichstellung von Teilzeitarbeit hat es für viele Verbesserungen gegeben. Das muss man unbedingt auch sagen. FSG direkt: Gewinnen die Märkte oder doch die Menschen? Bernadette Ségol: Auf lange Sicht gewinnen die Menschen. Wirtschaft sind nicht nur die Zahlen, die man in eine Reihe bringt. Es gibt eine wichtige Variable dabei, und das sind die Menschen.

:::: EU- WAHL AM 25. MAI :::: Wer ist wahlberechtigt: ÖsterreicherInnen (mit Hauptwohnsitz in und außerhalb Österreichs), die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, sowie EU-BürgerInnen mit Hauptwohnsitz in Österreich. Wie viele Abgeordnete hat Österreich: Die EU-Wahl entscheidet über 18 zukünftige österreichische Abgeordnete von insgesamt 751 MandatarInnen.

HINTERGRUND

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BUCHTIPPS EINE ANDERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS Die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung ist immer ein Stück Geschichte von einzelnen Menschen. All diesen Menschen ist dieses Buch über die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung gewidmet. Es ist ein Werk, das daran erinnert, dass vieles, was heute selbstverständlich erscheint, erst über Jahre hinweg hart erkämpft werden musste. Die Entdeckung der Solidarität begann in der frühen Neuzeit bei den „Bergarbeitern“.

:::: BUCHTIPP :::: Eine andere Geschichte Österreichs; Gewerkschaft. Soziale Verantwortung und menschliche Politik, Brigitte Pellar, ÖGB-Verlag, 128 Seiten, 29,90 Euro. Der Bildband ist wie eine Zeitung gestaltet. Jede Seite kann für sich allein gelesen werden. Neben einem fixen Kernteil (der für alle Ausgaben gleich ist) wird die Geschichte für die jeweilige Gewerkschaft erzählt (erschienen für PRO-GE, GPA-djp, GBH, vida und GPF).

GELD MITTEL ZUM ZWECK Geld sollte uns dienen und uns das Leben erleichtern. Doch davon sind wir weit entfernt: Staatsschuldenkrise, Systembanken, Währungsspekulationen, Steueroasen – Geld beherrscht unser Leben. Autor Christian Felber beschreibt, wie wir über demokratische Prozesse zu einer neuen Geldordnung gelangen könnten.

:::: BUCHTIPP :::: Geld. Die neuen Spielregeln, Christian Felber, Deuticke Verlag, 2014, 304 Seiten, 19,50 Euro. Bestellmöglichkeit gibt es in der ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefon 01/405 49 98–132 oder per E-Mail an: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.oegbverlag.at

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SERVICE

URLAUBSUNTERBRECHUNGEN

WENN URLAUB Immer wieder kommt es vor, dass im verdienten Urlaub Ereignisse auftreten, die den eigentlichen Erholungszweck zunichte machen.

Dabei stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Urlaub dadurch unterbrochen wird, das heißt, dass die Tage nicht als Urlaub gewertet werden und trotzdem Entgelt vom Arbeitgeber zu leisten ist. ERKRANKUNG WÄHREND DES URLAUBS Das Urlaubsgesetz (UrlG) selbst bestimmt im § 5 Abs. 1, dass ein Krankenstand, der während des Urlaubs beginnt und länger als drei Kalendertage dauert, den Urlaub unterbricht. ArbeitnehmerInnen (AN) haben den Krankenstand dem Arbeitgeber (AG) zu melden und einen Nachweis darüber zu liefern. Bei Wiederantritt der Arbeit muss unverzüglich eine Krankenstandsbestätigung vorgelegt werden. Erkrankt ein/e AN während des Urlaubes im Ausland, muss der Krankenstandsbestätigung eine behördliche Bestätigung darüber beigefügt sein, dass sie von einem zugelassenen Arzt ausgestellt wurde, außer wenn die ärztliche Behandlung in einer Krankenanstalt erfolgte und hierüber eine Bestätigung dieser Anstalt vorgelegt wird. ERKRANKUNG VOR URLAUBSANTRITT Das Urlaubsgesetz wird von Lehre und Rechtsprechung dahingehend interpretiert, dass ein Krankenstand, der bereits vor vereinbartem Beginn des Urlaubszeitraumes begonnen hat und in diesen hineinreicht, den Urlaub grundsätzlich nicht unterbricht, weil das Urlaubsgesetz als Bedingung für eine Unterbrechung des Urlaubes voraussetzt, dass die Erkrankung während des Urlaubes eintritt. Im Fall einer Erkrankung bereits vor dem Urlaubs‑ antritt wird AN lediglich das Recht zugebilligt, von der getroffenen Urlaubsvereinbarung einseitig zurückzutreten. Das hat aber den Nachteil, dass der Rücktritt nur von der gesamten Urlaubsvereinbarung möglich und ein nahtloser Anschluss eines Urlaubes nach Ende des Krankenstandes in einem solchen Fall nicht möglich wäre.


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DEIN RECHT

KEIN URLAUB MEHR IST

Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der EU ausdrücklich verankert. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass der Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, unwichtig ist. AN sind daher berechtigt, ihren bezahlten Jahresurlaub, der mit einem Krankenstand zusammenfällt, zu einer späteren Zeit zu nehmen, unabhängig davon, wann die Arbeitsunfähigkeit begonnen hat. Angewendet auf die österreichische Rechtslage bedeutet dies, dass auch Krankenstände, die vor Beginn des Urlaubes begonnen haben, den Urlaub unterbrechen und ein Rücktritt von der getroffenen Urlaubsvereinbarung nicht notwendig ist. Freilich hat der EuGH nicht konkret zum § 5 Urlaubsgesetz entschieden, sondern zur Rechtslage in einem anderen Land der EU. Diese Interpretation des EuGH ist daher nicht direkt auf die österreichische Rechtslage anwendbar. Zur Vorsicht sollte daher im Falle einer Erkrankung, die vor dem Urlaub beginnt

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und in diesen hineinreicht, nach wie vor entweder eine Änderung der Urlaubsvereinbarung mit dem AG getroffen oder nötigenfalls von der geschlossenen Urlaubsvereinbarung aus wichtigem Grund zurückgetreten werden.

THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at

PFLEGEFREISTELLUNG & URLAUB Auch Dienstverhinderungen können einen bereits vereinbarten Urlaub unterbrechen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu bereits entschieden, dass die notwendige Pflege eines erkrankten nahen Angehörigen im Sinne einer Pflegefreistellung gemäß § 16 Urlaubsgesetz den Urlaub jedenfalls dann unterbricht, wenn sie während des Urlaubes beginnt und mindestens drei Kalendertage dauert (analog zu § 5 UrlG).

Meine Lebensgefährtin ist in Eltern-Karenz und jetzt erkrankt. Kann ich zur Betreuung unserer kleinen Tochter Pflegefreistellung beanspruchen? Ja, wenn Sie wegen der notwendigen Betreuung Ihres gesunden Kindes oder eines im gemeinsamen Haushalt lebenden leiblichen Kindes Ihrer Lebensgefährtin an der Arbeitsleistung verhindert sind, weil jene Person, die das Kind ständig betreut, aus schwerwiegenden Gründen (zum Beispiel Tod, Aufenthalt in einer Heil- oder Pflegeanstalt, schwere Erkrankung) ausgefallen ist (= Betreuungsfreistellung), können Sie Pflegefreistellung beanspruchen.

Nach einer Entscheidung des OGH gilt das aber nicht für die sogenannte Betreuungsfreistellung: Wenn also Pflegefreistellung in Anspruch genommen werden muss, weil die Betreuungsperson eines Kleinkindes wegen Krankheit oder sonstigen Bedingungen ausfällt. Dienstverhinderungen aus anderen Gründen können bei Vorliegen derselben Bedingungen ebenfalls den Urlaub unterbrechen. BEI PROBLEMEN RAT EINHOLEN Sinnvoll ist es jedenfalls, wenn Probleme mit Unterbrechung eines Urlaubes infolge von besonderen Ereignissen auftreten, so rasch wie möglich Rat und Unterstützung bei der zuständigen Gewerkschaft oder Arbeiterkammer einzuholen.

Foto: Panthermedia / Jiri Moucka / Bildagentur Waldhäusl

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aber in einem Urteil aus dem Jahr 2012 (Rechtssache C-78/11) festgehalten, dass der Anspruch jedes/r AN auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der EU anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen der Richtlinien der EU umsetzen dürfen.

Ich habe mich nach Jahren einvernehmlich von meinem Arbeitgeber getrennt. Kann ich die Auszahlung der Abfertigung (Abfertigung Neu) verlangen? Ja, Sie können die Auszahlung aller Abfertigungsbeiträge, auch die aus früheren Arbeitsverhältnissen, verlangen. Geben Sie aber der betrieblichen MitarbeiterInnenvorsorgekasse (BVK) nicht binnen sechs Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich bekannt, wie Sie über die Abfertigung verfügen möchten, bleibt diese in der BVK und wird weiterveranlagt.

SERVICE

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NANI KAUER

KLARTEXT

E-MAIL: nani.kauer@oegb.at

UNLESBAR? UNDENKBAR! Bitte, da waren wir doch schon viel, viel weiter. Jetzt sagen ja sogar schon die konservativsten Politiker (absichtlich ohne –innen) in ihren Sonntagsreden brav „Bürgerinnen und Bürger“. Auch die, die gerne Frauen aus der Arbeitswelt raus und zu Kindern und Küche verbannen wollen, lassen nicht mehr als die Hälfte der Bevölkerung – und des Wahlvolkes – sprachlich aus. Selbst Banken schaffen es, über die Namenszeile „EmpfängerIn“ zu schreiben.

Alle seriösen Untersuchungen sagen, wer nicht angesprochen wird, ist auch nicht gemeint und fühlt sich auch nicht gemeint. Punktum.

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GRUNDSATZ

Foto: Mauritius Images

Und dann kommt im Jahr 2014 ein Vorschlag daher, da fühlt man sich in die Steinzeit zurückversetzt. Das Binnen-I, das hochgestellte a hinter der Abkürzung für Magistra und vieles mehr, das erschwert doch nur das Lesen, und es sind ja eh auch immer die Frauen gemeint, wenn man von allen Leuten redet. Blödsinn, Unfug, Firlefanz.

In Österreich ist die A1 Telekom Austria einer der größten Arbeit- und Auftraggeber im Zulieferbereich und liefert einen wichtigen Anteil zur nationalen Wirtschaftsleistung.


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INFRASTRUKTUR A1 TELEKOM AUSTRIA

STAATSANTEILE HALTEN Die Infrastruktur der Telekom ist das Rückgrat unserer Wissensgesellschaft und die Basis für eine gute Wirtschaftsentwicklung. Die Reduktion der Staatsanteile wäre gegen jede Vernunft, warnen Personalvertretung, Betriebsrat und Gewerkschaft.

Helmut Köstinger Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten

Der Aufsichtsrat der Staatsholding ÖIAG hat Ende März dem Vorstand ein Verhandlungsmandat zur Endverhandlung eines Syndikatsvertrages mit dem zweiten Großaktionär der Telekom Austria Group „America Movil“ erteilt. Gesucht wird damit ein stabiler Partner mit dem Ziel, den Standort Österreich für die Telekom abzusichern.

dische Hände zu legen“, sagt TelekomHolding-Betriebsrat Alexander Sollak.

Foto: Michael Rathmayerl

FÜHRERSCHAFT WACKELT Die America Movil will dem Vernehmen nach ihren Anteil an der Telekom auf mehr als 30 Prozent aufstocken. Derzeit hält die ÖIAG 28,42 Prozent an der Telekom Austria Group und die America Movil 26,84 Prozent. Gemeinsam hat man die Mehrheit. Die restlichen 44,74 Prozent sind Streubesitz. America Movil will über 30 Prozent kommen, um die industrielle Führerschaft in der Telekom darstellen und um sie in der Bilanz der America-Movil-Gruppe erfassen zu können. Mit Blick auf eine Wachstumsperspektive ist dabei eine Kapitalerhöhung wahrscheinlich. Das ist auch der Grund, warum die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) und die Personalvertretung Alarm schlagen. „Die strategischen Interessen der Republik

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Österreich sind bei allfälligen Verhandlungen und Vereinbarungen zu gewährleisten“, fordert Walter Hotz, Betriebsratsvorsitzender der A1 Telekom Austria und GPF-Vizevorsitzender. Denn kommt es tatsächlich zu einer Kapitalaufstockung, müsste die ÖIAG Geld in die Hand nehmen und mitziehen, um ihren derzeitigen Anteil oder zumindest die Sperrminorität von 25 Prozent und eine Aktie halten zu können. Tut sie das nicht, ginge die gesamte Macht an America Movil. „Die Telekom Austria ist ein systemrelevanter Betrieb für unsere Volkswirtschaft. Die Telekominfrastruktur ist das Rückgrat der Wissensgesellschaft und die Basis für eine positive Wirtschaftsentwicklung in der Zukunft. In Österreich ist die A1 Telekom Austria einer der größten Arbeit- und Auftraggeber im Zulieferbereich und liefert daher einen wichtigen Anteil zur nationalen Wirtschaftsleistung und Beschäftigung. Es muss daher ein elementares Interesse der Republik Österreich sein, auch weiterhin einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, und die Kontrolle nicht in auslän-

SPERRMINORITÄT SICHERN Personalvertretung und Betriebsrat beharren daher auf ihren grundsätzlichen Forderungen: ::: Die Republik Österreich muss größter und bestimmender Eigentümer der Telekom Austria bleiben, der Staatsanteil darf nicht verwässert werden. ::: Die ÖIAG muss in die Lage versetzt werden, auch außerhalb von Kapitalerhöhungen Anteile zukaufen zu können. ::: Der ÖIAG-Anteil (Staatsanteil) an der Telekom Austria darf zu keiner Zeit unter 25 Prozent und eine Aktie (Sperrminorität) fallen – dies muss gesetzlich im Verfassungsrang verankert werden. ABHÄNGIGKEIT VERHINDERN GPF-Vorsitzender Helmut Köstinger steht hinter den Forderungen und sagt die volle Unterstützung der Gewerkschaft zu: „Ein derart wichtiges Infrastrukturunternehmen aus staatlicher Hand zu geben würde bedeuten, dass man Österreichs Zukunft in die Abhängigkeit eines an Profitmaximierung orientierten ausländischen Konzerns ausliefert. Das wäre gegen jede Vernunft und unverantwortlich gegenüber der Bevölkerung und den Beschäftigten.“ www.gpf.at

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KRISENPOLITIK

GRUNDRECHTE RESPEKTIEREN Seit die Finanzmarktkrise Europa erfasst hat, wird ein rigider Sparkurs verfolgt. Die Auswirkungen der Politik der Troika in „Programmländern“ sind dramatisch und gefährden mittlerweile Menschenleben.

Griechenland, Irland, Portugal und Zypern mussten auf Anweisung der sogenannten „Troika“, die sich aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammensetzt, eine strenge Austeritätspolitik (= strenge Sparpolitik) umsetzen. Mit Instrumenten wie dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) – kurz zusammengefasst dem Euro-Rettungsschirm – wurden in von der Krise besonders betroffenen Ländern Sparmaßnahmen und Strukturreformen durchgesetzt.

Basis dafür waren die „Memoranda of Understanding“ (= Absichtserklärungen), in denen sich diese Länder verpflichteten, den vorgegebenen Kurs zu halten, um die notwendigen Kredite zu bekommen. UNTERERNÄHRUNG GESTIEGEN Die Auswirkungen dieser fehlgeleiteten Politik haben nun die Bürgerinnen und Bürger zu tragen. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch, in Ländern wie Griechenland oder Spanien sind über 50 Prozent der Jugendlichen ohne Beschäftigung. Erst vor kurzem wurde eine britische Studie über das griechische Gesundheitssystem veröffentlicht, die belegt, dass in den Jahren 2008 bis

„EUROPA VOM KOPF AUF DIE FÜSSE STELLEN“ Die Idee der EU sei verbunden mit „fundamentalen Menschenrechten und gegenseitigem Respekt“, sie sei „die beste Antwort auf Zerstörung, Krieg, Hass, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, sagte Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments und sozialdemokratischer Kandidat für die Präsidentschaft der EU-Kommission, bei seinem Besuch in Wien. Aber: „Diese Idee ist bedroht, weil die Organe der EU nicht mehr als Organe wahrgenommen werden, die den individuellen Interessen dienen.“ Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei das europäische Projekt „in keinem guten Zustand“. Schulz: „Mit eurer Hilfe möchte ich es verbessern und verändern. Ich möchte Europa vom Kopf auf die Füße stellen.“ www.martin-schulz.eu/de

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EUROPA/INTERNATIONAL

2010 die Säuglingssterblichkeit um 43 Prozent gestiegen ist. Als Gründe werden der Anstieg der Unterernährung und der strikte Sparkurs bei Gesundheitsausgaben genannt. Zahlreiche ÄrztInnen sowie Krankenhäuser müssen nun Gebühren einheben. Ein Teil der Bevölkerung kann sich daher den Besuch kaum mehr leisten. Von den Geldgebern wird verlangt, dass Griechenland nicht mehr als sechs Prozent seines Bruttoinlandproduktes für Gesundheit ausgibt. Österreich wendete im Vergleich dazu im Jahr 2012 mehr als elf Prozent für die Gesundheitsversorgung seiner BürgerInnen auf. Diese dramatischen Entwicklungen führen dazu, dass die Kritik an der Troika immer lauter wird. In einem aktuellen Rechtsgutachten der Universität Bremen, erstellt im Auftrag von ÖGB, AK, des Europäischen Gewerkschaftsbundes und des Europäischen Gewerk-


13. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2014

EU-WAHL

Bunker aus dem 2. Weltkrieg südlich von Bordeaux, Frankreich. „Nationalismus frisst Frieden“ und „Armut frisst Demokratie.“ Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) darüber, dass es nicht egal ist, wer in Europa das Sagen hat. schaftsinstituts, wird der Troika sogar vorgeworfen, ihre Politik verstoße gegen Menschenrechte und EU-Recht. Der Autor der Studie, Andreas FischerLescano, spricht von einem „massiven Rückbau sozialer Arbeitsrechte“. Zudem seien in den betroffenen Krisenstaaten die Rechte auf Wohnung und soziale Sicherheit eingeschränkt. Er führt aus, dass die Beteiligung der EU-Kommission und der EZB am Abschluss der Memoranda of Understanding nicht den Vorgaben des Unionsrechts entspreche. Es werde in Bereichen agiert, in denen – etwa bei der Lohnfestsetzung – die Kompetenz fehle. Insgesamt, so der Autor der Studie, seien die Memoranda of Understanding aufgrund der Rechtsverletzungen nicht verbindlich. Im EU-Parlament herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Modell der Troika nur eine Notlösung war, es aber jetzt höchst an der Zeit ist, eine solide gemeinschaftsrechtliche Basis zu schaffen. Ebenso muss die Einbindung des IWF hinterfragt werden. Da es sich um europäische Gelder handelt, sollte auch die EU das Sagen haben. Wichtigster Punkt ist aber die Einbindung des EUParlaments. Es wurde immer wieder bewiesen, dass die EU-Abgeordneten als direkt gewählte VertreterInnen die Einhaltung der Grundrechte ernst nehmen.

d i rek t

Viele Maßnahmen der Troika, die eben zu einem Anstieg der Armut und der Arbeitslosigkeit geführt haben, wären nicht in dieser Form umgesetzt worden. NICHT VERHANDELBAR Es ist unbestreitbar, dass in den Krisenländern Reformbedarf herrscht. Doch nicht nur am Korruptionsabbau, sondern auch an der Umverteilungspolitik muss gearbeitet werden. Dabei muss beachtet werden, dass Grundrechte nicht verhandelbar sind. Das gilt für die Troika ebenso wie für die politisch Verantwortlichen in den Mitgliedsstaaten. Derzeit entfernen wir uns immer mehr von den EU-2020-Zielen. Die soziale Kluft wird sogar größer und AlleinerzieherInnen, ältere oder kranke Menschen sowie Menschen mit Behinderungen haben ganz besonders unter den Auswirkungen der Krisenpolitik zu leiden. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass vor allem die Schwächsten der Gesellschaft wieder ausreichend Unterstützung erfahren. Um das zu erreichen, gilt es unter anderem dort anzusetzen, wo Geld – es sind EU-weit 1.000 Milliarden Euro pro Jahr – in Steuersümpfe abfließt. Finanztransaktionen müssen ebenso besteuert werden. Eine faire Gestaltung des Finanzsystems ist notwendig, denn jeder muss seinen Beitrag leisten. Dadurch kommen wir dem Ziel der gerechten Umverteilung zwischen Armen und Reichen wieder ein Stück näher. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

Evelyn Regner EU-Abgeordnete und Spitzenkandidatin der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen

M E N S C H E N S TAT T B A N K E N SY S T E M R E L E VA N T FSG direkt: Warum soll man am 25. Mai zur EU-Wahl gehen? Evelyn Regner: Weil diese eine Weichenstellung ist. Wollen wir weiterhin ein neoliberal dominiertes Europa, in dem die Rechte der ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaftsrechte geschmälert werden, oder wollen wir ein Europa, das diese Rechte stärkt. Wer Zweiteres wünscht, sollte zur Wahl gehen und die SozialdemokratInnen unterstützen. FSG direkt: Immer wieder wünschen sich rechte Gruppierungen einen Austritt aus dem Euro oder gleich aus der EU. Eine Option? Evelyn Regner: Ganz klar nein. Die Option heißt nicht EU drinnen oder draußen, sondern diese oder eine andere EU. Mit einer gestärkten Sozialdemokratie sind nicht die maroden Banken systemrelevant, sondern zunächst einmal die Menschen in Europa. Mit einer starken Sozialdemokratie müssen die für die Krise bezahlen, die sie auch (mit)verursacht haben.

:::: WE B T IP PS :::: www.evelyn-regner.at www.erstdermensch.at

EUROPA/INTERNATIONAL

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w w w. f s g . a t

FAIR. SOZIAL. GERECHT.

ÖSTERREICHS AUSSENHANDEL IMPORTE UND EXPORTE SEIT 1995 140

130

120

80

IMPORTE

60 41,3 40 20

34,6

69,7

48,5

EXPORTE

42,2 EU-BEITRITT

1990

93,7

94,7

74,9

Quellen: Statistik Austria (2013 vorläufige Zahlen), APA

2000

1995

2005

KEINE NEUEN MAUERN

2010

2013

3,9 %

Fast 70 Prozent unserer Exporte gingen 2013 in die EU-28. Die restlichen 30 Prozent wurden in Drittstaaten geliefert. Die EU ist damit zum wichtigsten Handelspartner für Österreich geworden. Nach dem Einbruch im Krisenjahr 2009 erholten sich Österreichs Exporte sehr schnell auf das Niveau davor. Der Anteil der Exporte am heimischen Bruttoinlandsprodukt betrug 2013 etwa 40 Prozent. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt mit mehr

als 500 Millionen Menschen ist für Österreich seit dem EU-Beitritt 1995 nicht mehr wegzudenken. Das sollte auch EUSkeptikern zu denken geben. Klar ist aber, dass die EU eine neue Strategie für mehr Wachstum und Wohlstand braucht. Und

Letzterer muss zuerst bei den Menschen ankommen und nicht bei gierigen Spekulanten. Und mit Zukunftsinvestitionen können neue Arbeitsplätze geschaffen, die Kaufkraft und die Einkommen gesichert werden. www.erstdermensch.at

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