"FSG direkt", 4/2016

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15. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2016

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Foto: Johannes Zinner

TOPINFOS FÜR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN

R E F R O T S D N U H F L O D RU L H A W E T DIE ERS SEITE 4

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Mehrheitswechsel nach Betriebsratswahlen Sie wollten wählen, und sie wurden ausgelacht Entsendung: ArbeitnehmerInnen schützen

WA HL 201 6

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W Ä H LT, ZÄ HLT!


Fotos: Wien Museum; unten: Autodromwagen um 1965

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Inhalt Cover Bundespräsidentschaftswahl: Rudolf Hundstorfer – mit Sicherheit die erste Wahl!

Schlechte Idee: Vorzeitig halbkrank in die Arbeit gehen, das kann die Genesung verzögern und die Gesundheit gefährden.

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Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

4 Bundespräsidentschaftswahl

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Rudolf Hundstorfer: Mit Sicherheit immer für uns! Erfolge bei Betriebsratswahlen

Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Würde und Respekt SozialarbeiterInnen haben in der Flüchtlingskrise eine wichtige Rolle.

Service

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Recht, Antworten auf Fragen

Grundsatz

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Hilfe in Notlage Umfrage liefert neue Erkenntnisse zur Endlosdebatte um Mindestsicherung.

Europa/International

14 Entsenderichtlinie

Sozialdumping verhindern – ArbeitnehmerInnen schützen. 16 Alle 24 Stunden 12 neue Millionäre

250 JAHRE WIENER WURSTELPRATER, ABER ERST SEIT 126 JAHREN MAIFEIERN Am 7. April 1766 überließ Joseph II. das bis dahin kaiserliche Jagdgebiet der breiten Öffentlichkeit. Wurstel – die Wiener Version des Kasperls – eroberte nach und nach den Prater. Er stand auch als Namensgeber für den „Wurstelprater“ Pate. Arm und Reich verkehrten im Prater, Adel, Bürgertum und die einfachen Leute. Früh wurde das Gelände zum Tummelplatz für Hobbysportler, Flugbegeisterte und Feierlaunige. 1873 wurde der Prater für die Weltausstellung herausgeputzt.

1766

Jahr

1890

124 Jahre nach der Öffnung zogen 1890 die ersten Maifeiern am Tag der Arbeit in den Prater. Seither bieten die Maifeste am Ersten des Wonnemonats Mai beste Unterhaltung. Anlässlich des heurigen Jahrestages finden zahlreiche Sonderausstellungen und Veranstaltungen statt. www.wienmuseum.at

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Martin Fill, Beate Horvath, Litsa Kalaitzis, Thomas Kallab, Ronald Pötzl, Bernt Neumann/Michael Dünser. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos/Grafiken: FSG Vorarlberg, FSG Wien, FSG Steiermark, FSG Burgenland, younion , Höllriegl, picturedesk.com, Mauritius Images, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag/Michael Mazohl. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-39 744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES

Foto: FSG Wien


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15. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2016

BUNDESPRÄSIDENTENWAHLEN

WAHLPFLICHT, WAHLBETEILIGUNG

Eine Wahlpflicht bei Bundespräsidentenwahlen bestand bis 1982. Ab dann bestand sie nur noch in den Bundesländern, in denen dies durch Landesgesetz angeordnet war. 1986 und 1992 war das in Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg der Fall; 1998 nur noch in Tirol und Vorarlberg; 2004 nur noch in Tirol. Erst seit der Bundespräsidentenwahl 2010 besteht keine Wahlpflicht mehr. Bis 1971 lag die Wahlbeteiligung über 95 Prozent. Danach sank sie ab; die Übersicht zeigt nur 1. Wahlgänge: 1971 ..... 95,3 % 1992 ..... 84,4 % 1974 ..... 94,1 % 1998 ..... 74,4 % 1980 ..... 91,6 % 2004 ..... 71,6 % 1986 ..... 89,5 % 2010 ..... 53,5 %

EDITORIAL

WAHL 2016 WER WÄHLT, ZÄHLT Klare Sache. Eine Demokratie lebt von der Mitwirkung ihrer BürgerInnen; sie entscheiden, wo es lang geht in einem Land, über die Ausgestaltung von Grundrechten, die Sozialstaatlichkeit und so weiter. Auch bei der Bundespräsidentenwahl!

Natürlich zählen auch die Menschen in einer Demokratie, die nicht zur Wahl gehen. Aber sie beJede funktionierende Demokratie braucht die Mitwirstimmen nicht mit! Daher müssen kung ihrer BürgerInnen – mit oder ohne Wahlpflicht. Es sie alles in Kauf nehmen, was die „Bei keiner Wahl geht ist noch gar nicht so lange her, da wollten die Menschen anderen über sie mitbestimmt haes nur um irgendwas. hierzulande mitbestimmen, aber sie durften nicht! ben. Auch wenn ihnen das dann Das gaukeln uns so gar nicht passt. Problematisch jene vor, die unsere Anno dazumal: wird das dann, wenn nur noch beiDemokratie ausFrauen wollten wählen, und sie spielsweise 30 Prozent der Wahlschalten wollen. wurden ausgelacht. Buchtipp auf Seite 10 berechtigten ihre Stimmen abgeDaher wählen gehen!“ ben, problematisch auch für die Willi Mernyi, FSG2016 Demokratien selbst. Beides – also Bundesgeschäftsführer Jahr eine sehr geringe Wahlbeteiligung 1919 und auch überfallsartige Änderungen zur Ausschaltung demo1907 kratischer Strukturen – sehen wir mit Besorgnis in einigen Wahlrecht II EU-Mitgliedsstaaten. Und auch den EU-Institutionen ist Anfang 1919 fanden das ein Dorn im Auge. Wollen einige wirklich zurück in erstmals allgemeine, freie, die Diktatur und Zensur? gleiche und unmittelbare Wahlen Wahlrecht I zu einer Nationalversammlung Nach Androhung eines Als „gelernte“ ÖsterreicherInnen erinnern wir uns an statt, an denen Frauen kandidieren Generalstreiks wurde 1907 die Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg und und wählen durften. Die Sozialdas allgemeine Wahlrecht für auch an die Zeit unserer Freiheit. Wir leben seit JahrdemokratInnen gingen mit Männer geschaffen (zuvor je zehnten unsere Demokratie. Und auch wenn uns jetzt 72 Mandaten als stärkste nach Adels-, Vermögens-/ KandidatInnen zur Bundespräsidentenwahl weismachen Partei hervor. Berufsstand sowie wollen, dass das Amt ohnehin überflüssig wäre, oder wir Steuerleistung). in Medien lesen müssen, dass es völlig wurscht wäre, ob wir wählen gehen oder nicht, so soll uns das zum Nachdenken FSG DIREKT IM ABO bringen. Denn wer würde von der Ausschaltung unserer Demokratie profitieren? Und welche funktionierende Demokratie hat „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per keine quasi „Doppelspitze“, also einen/eine Regierungschef/in Post oder per E-Mail bezogen werden und eine/n Präsidentin/Präsidenten? Reden wir darüber, dis(www.fsg.at/abo). Anregungen oder Beikutieren wir mit anderen darüber, aber dann gehen wir wählen! träge einsenden an: fsg@oegb.at Und mit Sicherheit: unseren Rudi Hundstorfer.

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AKTUELLES

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NDSTORF RUDOLF HUAP IM WORDR

mentInnen, us für Konsu a e iv n tz u ch rfen nicht TTIP: „S d Umwelt dü n u n e n n rI e Arbeitnehm en.“ lem gesenkt werd nn das Prob ich allein ka e rr e st „Ö : e esamtFlüchtling ndlich eine g te tz le ss u m es müssen nicht lösen, d Flüchtlinge n U . n e b e g l Lösung zum Beispie europäische g halten, die n ru a b in re Ve sich an eine e vorsieht.“ e Sprachkurs d n as wert verpflichte uss uns etw m it e rh e h ic „S s r Geld für da Bundesheer: klar für meh h ic te e tr m sein, daru er ein.“ e Bundeshe österreichisch storfer Rudolf Hund

MIT SICHERHEIT ...

WAHLKARTE & BRIEFWAHL Wählen in einem anderen Wahllokal oder per Briefwahl ist nur mit einer Wahlkarte möglich. Der Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte ist bis spätestens 20. April per Brief, Fax oder E-Mail und persönlich bis 22. April bei der Gemeinde möglich, in deren Wählerevidenz man eingetragen ist. Eine telefonische Beantragung ist nicht möglich!

FSG-Wahlauftakt, Anfang März in Wien

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AKTUELLES


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... IMMER FÜR UNS RUDOLF HUNDSTORFER

DIE ERSTE WAHL Rudolf Hundstorfer kennt die Probleme der Menschen. Im Wahlkampf besucht er landauf landab Betriebe und ist andauernd unterwegs, um das Gespräch mit den BürgerInnen zu führen. Vielen brennen dieselben Themen unter den Nägeln: Arbeitsplätze, Pensionen, Soziales. „Sicherheit ist dabei ein zentrales Bedürfnis der ÖsterreicherInnen“, berichtet Hundstorfer. „Die Menschen erwarten sich, dass die Politik für Sicherheit sorgt. Sicherheit vor äußeren Bedrohungen wie Terror, aber auch ein sicherer Arbeitsplatz, sichere Pensionen und eine sichere und intakte Umwelt müssen in der politischen Arbeit eine Rolle spielen. Das gilt auch für die Amtsführung des Bundespräsidenten“, sagt Hundstorfer. Mit ihm an der Spitze gibt

es mit Sicherheit keine Experimente wie mit anderen Kandidaten. Denn einige würden tatsächlich den Nationalrat auflösen wollen, wenn er ihnen nicht mehr genehm ist. Abgesehen davon, dass das demokratiepolitisch bedenklich wäre, ist dazu auch ein Vorschlag der Bundesregierung notwendig. In unsicheren Zeiten, wie sie jetzt herrschen, brauchen wir daher Sicherheit durch Stabilität; FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian: „Wir brauchen ein soziales Gewissen an der Spitze des Staates.“ Und dafür steht nur einer: unser Rudolf Hundstorfer!

FSG-JUGEND STEHT GESCHLOSSEN HINTER „RUDI“

„Bei seiner jahrelangen Tätigkeit als ÖGB-Präsident sowie als Arbeits- und Sozialminister hat Rudi Hundstorfer bewiesen, dass ihm die Themen unserer Jugend am Herzen liegen. Für junge ArbeitnehmerInnen kann es daher nur einen Kandidaten bei dieser Wahl geben: Rudolf Hundstorfer“, sagt FSG-Jugendvorsitzender Mario Drapela. Nachsatz: „Darüber sind sich alle einig. Alle sozialdemokratischen Jugendvorsitzenden der Gewerkschaften stehen geschlossen hinter Rudolf Hundstorfer.“

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AKTUELLES

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BETRIEBSRATSWAHL

MEHRHEITSWECHSEL Das Team der FSG übernimmt die Landesleitung der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft in Vorarlberg. Im Zuge von erfolgreichen Betriebsratswahlen mit kräftigen Stimmgewinnen in den Landeskrankenhäusern (LKH) Bregenz und Feldkirch gelang es dem FSGTeam, die bisherige Mehrheit der Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen (FCG) von 4 zu 2 FSG-Vorstandsmitgliedern zu brechen. Aufgrund der Wahlergebnisse und der deutlichen Mitglieder-

zuwächse hat die FSG jetzt 6, die FCG nur noch 3 Sitze im Landesvorstand der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft. Die FSG konnte damit der FCG die Mehrheit im Vorstand und den Landesvorsitzenden abnehmen. Neuer Landesvorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft wurde LKH-Zentralbetriebsratsvorsitzender Thomas Steurer. www.fsg.at/vorarlberg

Neben Brioches schmeckte auch die Info über die Lohnsteuersenkung – vor allem die tatsächliche Entlastung für Frauen.

FORDERUNG DER ERSTEN STUNDE GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT „Der Internationale Frauentag steht für den langen Kampf der Frauen um Gleichberechtigung. Nach wie vor ist die Gleichstellung der Geschlechter weder in Österreich noch im Rest der Welt Realität. Die Forderung der ersten Stunde nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist bis heute nicht umgesetzt“, sagte Hermine SupperSchlögl, FSG-Landesfrauenvorsitzende im Burgenland, anlässlich des heurigen Internationalen Frauentages am 8. März. Die FSG Burgenland verteilte an diesem Tag Brioches in Form des Frauenzeichens

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AKTUELLES

an mehr als 4.000 Arbeitnehmerinnen. Mit Erfolg! Denn gleichzeitig wurde auch auf die Lohnsteuersenkung aufmerksam gemacht; speziell darauf, welche Entlastung diese den Frauen bringt. Durch die Senkung des Eingangssteuersatzes werden nämlich vor allem niedrigere Einkommen prozentuell am stärksten entlastet (bis zu 1.800 Euro). Durch die Anhebung der Negativsteuer profitieren zudem geringfügig Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte; sie erhalten bis zu 400 Euro rückvergütet. www.fsg.at/bgld

Von fünf auf acht Mandate: Manuela Leitgeb und Christian Fürntrath freuen sich über 437 den Wahlsieg Stimmen ihrer FSG-Liste.

für die FSG


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KOMMENTAR

WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER

ENTSENDERICHTLINIE VERSCHÄRFEN

Die FSG-Mitglieder des Vorstandes der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft in Vorarlberg: Vorsitzender Thomas Steurer, Markus Kohler, Anton Kohler, Patricia Zangerl, Helmut Madlener, Bernhard Nicolussi (von links).

„ERDRUTSCH“ IM LANDESKRANKENHAUS FELDBACH Als Herausforderer ging die FSG-Liste mit Christian Fürntrath an der Spitze in die Betriebsratswahl im Landeskrankenhaus Feldbach in der Steiermark. Bisher hielt die FSG bei fünf von elf Mandaten, im März 2016 aber haben die Wahlberechtigten anders entschieden. Die Wahlbeteiligung betrug 82,61 Prozent, 684 Stimmen wurden abgegeben. Die sozialdemokratischen WahlwerberInnen schnitten so gut ab, dass eine Bundesländerzeitung zu Recht von einem „Erdrutsch“ sprach. Auf die FSG entfielen nämlich 437 Stimmen (acht Mandate), während die Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen (FCG) auf 239 Stimmen beziehungsweise vier Mandate zurückfiel. Eine versuchte Einmischung seitens der Lokalpolitik für die bisherige Mehrheitsliste hat somit nichts gefruchtet. Die WählerInnen haben dem FSG-Team um Christian Fürntrath mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Herzliche Gratulation zu diesem Erfolg! www.fsg.at/steiermark

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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sollte selbstverständlich sein. Für entsandte Beschäftigte aus anderen EU-Staaten sieht die Realität aber oft anders aus. Auch wenn die Arbeitgeber erklären, dass es kein Problem mit Lohn- und Sozialdumping gäbe: Derzeit gibt es nur begrenzte Möglichkeiten, die Rechte dieser ArbeitnehmerInnen durchzusetzen und wenig Handhabe gegen Unternehmen, die Lohndumping betreiben. Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz ist ein wichtiger Erfolg im Kampf gegen Schwarzarbeit und Lohndumping. Mit der seit dem Vorjahr geltenden Verschärfung werden neben Grundlohn und Grundgehalt für ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland, die in Österreich beschäftigt sind, auch die Bezahlung von Überstundenentgelten und anderen Zulagen kontrolliert. Trotzdem müssen Arbeitgeber bei kürzeren Entsendungen zwar den gleichen Lohn bezahlen, sie können sich aber bei den Sozialversicherungsbeiträgen viel Geld sparen. Bei Entsendungen bis zu zwei Jahren, und das ist der Großteil, fallen nur die Sozialversicherungsbeiträge des Herkunftslandes an, die meist weit unter den österreichischen liegen. Das Dumping findet in diesem Fall also über die Sozialversicherungsabgaben statt. Außerdem fehlt die zeitliche Beschränkung für Entsendungen. Die von der EU nun vorgeschlagene Begrenzung auf zwei Jahre ist immer noch viel zu lang. Die Entsenderichtlinie braucht also dringend eine Verschärfung (siehe Seite 14). Wenn Lohndumping zur Stärkung des Arbeitsmarkts eingeschränkt werden soll, dann geht es um die Stärkung der Rechte entsandter Beschäftigter – sie sind es, die mehr Schutz brauchen und nicht die Unternehmen. Weil es absurd ist, dass Verkehrssünder EU-weit belangt werden können, Unternehmen, die Löhne drücken, dagegen ungeschoren davonkommen.

KOMMENTAR

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Hilfe zur Hilfe: Neben den Flüchtlingen brauchen auch ehrenamtliche HelferInnen Unterstützung und Koordinationsstellen.

NACH DER FLUCHT

WÜRDE UND RESPEKT SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen stehen in der Flüchtlingskrise an vorderster Stelle. Rechtzeitig zum Welttag der Sozialen Arbeit fand ein internationales Symposium in Wien statt. gebung berücksichtigen SozialarbeiterInnen die Bedürfnisse und Sorgen aller Betroffenen.“ Einen Appell an die Politik richtete IFSW-Generalsekretär Rory G. Truell: Regierungen, regionale Vereinigungen sowie internationale Organisationen sollen Mut zeigen und Menschlichkeit demonstrieren! Hintergrund Truells: „Die politischen VerantwortungsträgerInnen haben gezeigt, dass sie bei Bedarf den Willen und die Durchsetzungskraft haben, große Summen an Geld zur Verfügung zu stellen, um Banken vor dem Bankrott zu retten. Das gleiche Engagement können wir nicht erkennen, wenn es um Menschen geht. Vielmehr haben sich diese politischen VerantwortungsträgerInnen für militärische Interventionen entschieden und so den

Foto: FSG Vorarlberg

Die Soziale Arbeit soll professionell Hilfe leisten: den Flüchtlingen, den Institutionen und denen, die in den Zielländern zu Hause sind. Dazu vernetzen sich die Berufsverbände und entwickeln verbesserte Arbeitsweisen. Am 15. März trafen sich ExpertInnen aus Kriegsgebieten, Durchzugsländern und Zielländern der dramatischen Flüchtlingskrise in Wien. Die Wichtigkeit unterstrich die Präsidentin der „International Federation of Social Workers“ (IFSW), Ruth Stark: „Millionen von Menschen, die von dieser Krise betroffen sind, arbeiten mit SozialarbeiterInnen zusammen; sie sind entweder im öffentlichen Dienst oder in NGOs tätig, weltweit arbeiten Tausende von ihnen ehrenamtlich. Bei der Integration von Flüchtlingen in ihrer neuen Um-

30 Dollar pro Kopf/Monat

Vortrag zur Flüchtlingskrise: Kritik an Unterfinanzierung der Syrien-Hilfsprogramme.

PRO-KOPF-RATIONEN HILFE FÜR SYRIEN GEKÜRZT Auf reges Interesse stieß eine von der SPÖ-Rankweil organisierte und der FSG-Vorarlberg mitveranstaltete Diskussionsrunde zum Thema „Migration, Flucht, Asyl – und wie

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HINTERGRUND

13 Dollar pro Kopf/Monat

weiter?“ Sozialwissenschafter Kurt Greussing beleuchtete die Ursachen und Hintergründe der Flüchtlingskrise. Er ging in seinem Vortrag auf die prekäre Lage in den Flüchtlingslagern rund um Syrien ein. Kritisiert wurde dabei vor allem die chronische Unterfinanzierung der Hilfsprogramme vor Ort. Diese habe dazu geführt, dass die Pro-Kopf-Rationen im Laufe des Jahres 2015 von 30 auf 13 Dollar pro Monat gekürzt wurden, das entspricht etwa knapp zwölf Euro. Für den Experten ein „unhaltbarer Zustand“ und einer der Hauptgründe dafür, dass sich die Menschen nach Europa aufmachten.


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Foto: younion/Robert Rubak

SOZIALE ARBEIT

Foto: younion/Robert Rubak (Traiskirchen)

Alois Pölzl, Vorsitzender „Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit“, Ruth Stark, Präsidentin „International Federation of Social Workers“ (IFSW) und Rory G. Truell, IFSW-Generalsekretär (von links)

Konflikt noch mehr angeheizt. Das stellt die größte Hürde für Betroffene dar, Sicherheit und Freiheit zu finden.“ ENTSCHEIDENDER STÜTZFAKTOR „Die ExpertInnen sind sich einig, dass dieser Krise nur durch eine internationale Lösung beizukommen ist“, berichtet Erich Kniezanrek, Bundesgeschäftsführer der FSG in der Daseinsgewerkschaft younion. „An erster Stelle der Forderungen der internationalen Sozialarbeit steht der Ruf nach verstärkten finanziellen Mitteln. Hilfsorganisationen in der aktuellen Situation die Subventionen kürzen zu wollen, ist aus Sicht der FSG nicht einfach falsch und fahrlässig – der Einfall ist völlig ver-

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rückt“, kritisiert Kniezanrek und merkt an: „Während ein schwarz dominiertes Innenministerium seine heillose Überforderung beweist, erfüllt Wien als einziges Bundesland seine Quote.“ Alois Pölzl, Bundesvorsitzender „Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit“ (obds): „Der Sozialen Arbeit geht es um eine gerechte Gesellschaft, in der alle die hier leben in Würde und Respekt miteinander umgehen.“ Dazu fordert der obds in jedem Bezirk Österreichs eine professionelle sozialarbeiterische Gemeinwesenarbeit. Pölzl: „Zur Koordination wären das

117 Stellen. Wenn man jetzt spart, zahlt man später viel mehr – das sind einfache Lehren der Vergangenheit.“ Viele ehrenamtlich Engagierte wurden in den vergangenen Monaten ge- und zum Teil auch überfordert. „Hier ist Hilfe für die HelferInnen der entscheidende Stützfaktor“, so Pölzl. „In Krisen wissen wir nicht, was demnächst passiert. Daher müssen wir sicherstellen, als KrisenhelferInnen gesund und handlungsfähig zu bleiben. Wir müssen davon ausgehen, dass nur eine internationale Lösung diese erzwungene Völkerwanderung bewältigen kann und unsere Gesellschaft gestärkt daraus hervortreten wird.“ www.younion-fsg.at

„Hilfsorganisationen in der aktuellen Situation die Subventionen kürzen zu wollen – dieser Einfall ist völlig verrückt.“ Erich Kniezanrek, Bundesgeschäftsführer der FSG in der younion

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ARBEITSVERHÄLTNIS

WELCHER KOLLEKTIVVERTRAG GILT 53 Überstunden nicht ausbezahlt bekommen – 1.300 Euro weniger verdient.

www.oegb.at/mitgliedwerden

Kollektivverträge sind die arbeitsund entgeltrechtliche Basis für die ArbeitnehmerInnen (AN) in Österreich. Sie enthalten nicht nur Bestimmungen über das Mindestentgelt und den Anspruch auf Sonderzahlungen, sondern vielfach auch detaillierte Regelungen zu den Themen Arbeitszeit, Entgeltanspruch bei Dienstverhinderungen, Bedingungen für die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, Anspruch auf Aufwandsentschädigungen (zum Beispiel Taggelder) und vieles mehr. KVs sind für die im Anwendungsbereich liegenden Arbeitsverhältnisse bindend (Normwirkung).

SIE WOLLTEN WÄHLEN, UND SIE WURDEN AUSGELACHT Sie hatten es Anfang des vorigen Jahrhunderts satt. Sie, das waren die bürgerlichen Frauen. Lange genug hatten sie geredet, friedlich gefordert und klug argumentiert. Aber nichts hatte sich geändert. Nun wollten sie Taten sehen. Sie forderten das uneingeschränkte Wahlrecht, damit ihre Interessen bei parlamentarischen Entscheidungen endlich berücksichtigt würden. Die Suffragetten, wie man die couragierten Aktivistinnen nannte, gingen auf die

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SERVICE

Der ÖGB und die Gewerkschaften verhandeln und schließen jedes Jahr mehrere Hundert Kollektivverträge (KV). Welcher Kollektivvertrag für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, regelt das Arbeitsverfassungsgesetz. Entscheidend ist dabei die Zugehörigkeit des Arbeitgebers (AG) zu einer einen KV abschließenden Vereinigung. KVs gelten zwar unabhängig von der Mitgliedschaft der AN beim ÖGB (Außenseiterwirkung), aber je mehr Mitglieder ÖGB und Gewerkschaften haben, desto stärker können sie auftreten. Und das wirkt sich auch auf die Ergebnisse bei den Verhandlungen aus. Vielfach werden für ArbeiterInnen und Angestellte unterschiedliche KVs abgeschlossen. AUF BETRIEB KOMMT’S AN Wenn ein AG nur einen Betrieb hat und einer Interessenvertretung angehört, beispielsweise über eine Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer (Gewerbeberechtigung), ist der für diesen Bereich

BUCHTIPP

Straße, sie traten in den Hungerstreik und sie kämpften für ein Recht, das für viele heute zu selbstverständlich geworden ist. Sie waren in Deutschland, Österreich, England und in den USA unter anderem für das Frauenwahlrecht aktiv. Was sie uns aber überliefert haben, ist nicht nur ein Frauenrecht, sondern mittlerweile ein Menschenrecht. Die Suffragetten Antonia Meiners, Verlag Elisabeth Sandmann, 2016, 176 Seiten, 20,60 Euro. Zu bestellen bei: ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132, E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.besserewelt.at


15. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2016

RECHT

Kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen bekommen – 680 Euro mehr verdient.

THOMAS KALLAB

GEWERKSCHAFTS-

MITGLIEDER

HABEN‘S BESSER!

Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at

Ich habe schon so viel Urlaub offen, dass einige Tage verfallen sind. Darf ich mir diese Tage auszahlen lassen? abgeschlossene KV anzuwenden. Verfügt ein AG über mehrere Mitgliedschaften zu kollektivvertragsabschließenden Interessenvertretungen (mehrere Gewerbeberechtigungen), kommt es darauf an, ob seine Betriebe (Betriebsteile) organisatorisch getrennt sind. Ist von einer fachlichen und organisatorischen Trennung und damit von einer eindeutigen Zuordnung der Betriebe (Betriebsteile) auszugehen, kommt für jeden Betrieb der KV zur Anwendung, der seinem Wirtschaftsbereich entspricht. Die Zugehörigkeit eines AG zu einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer kann auch im internet abgefragt werden (www.firmen.wko.at). Liegt eine organisatorische Trennung in Haupt- und Nebenbetriebe oder eine organisatorische Abgrenzung in Betriebsabteilungen nicht vor (Mischbetrieb), findet jener KV Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Wenn in einem Mischbetrieb nur für den Wirtschaftszweig des weniger wichtigen Teiles des Betriebes ein KV abgeschlossen wurde, gilt nach der Rechtsprechung dieser aber auch für den eigentlich bedeutenderen Teil. Liegt zwischen den Betrieben (Betriebsteilen) weder eine organisatorische Trennung noch die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung eines fachlichen Wirtschaftsbereiches vor, findet für alle AN der KV jenes fachlichen Wirtschaftsbereiches Anwendung, dessen Geltungsbereich unbeschadet der Verhältnisse im Betrieb die größere Anzahl von AN erfasst.

Grundsätzlich sind Vereinbarungen, die für den Nichtverbrauch des Urlaubs Geld oder sonstige vermögenswerte Leistungen des Arbeitgebers vorsehen, rechtsunwirksam. Sinnvoller ist daher, dass Sie mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass er auf die Einrede der Urlaubsverjährung verzichtet. Jedenfalls sollten Sie aber dringend Urlaub planen. Die alljährliche Erholung im Urlaub ist notwendig und daher auch nicht ohne Grund im Urlaubsgesetz verankert.

Ich habe als Arbeiter neu angefangen zu arbeiten. Welche Mitarbeiter-Vorsorge-Kasse ist für mich zuständig? Im System „Abfertigung Neu“, das für Arbeitsverhältnisse gilt, die ab dem 1. Jänner 2003 begonnen haben, ist die Auswahl der Mitarbeiter-Vorsorge-Kasse grundsätzlich durch Betriebsvereinbarung vorzunehmen. Ist kein Betriebsrat errichtet, wählt der Arbeitgeber die Kasse aus. Die ArbeitnehmerInnenschaft hat aber ein genau geregeltes Mitspracherecht (§ 9 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, BMSVG). Wählt der Arbeitgeber keine Kasse aus, so ist ein formelles Verfahren bei der Gebietskrankenkasse einzuleiten. Wenn das auch nichts nützt, muss der Hauptverband der Sozialversicherungsträger eine Kasse zuweisen. Im Dienstzettel ist der Name und die Anschrift der Mitarbeiter-Vorsorge-Kasse anzuführen.

Autor: Thomas Kallab

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SERVICE

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MINDESTSICHERUNG

HILFE IN NOTLAGE Täglich grüßt das Murmeltier oder die Debatte um die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Aber völlig grundlos, wie Ergebnisse des Sozialbarometers der Volkshilfe Österreich jetzt zeigen. Knapp 838 Euro beträgt die höchste Mindestsicherung, die ein Ein-Personen-Haushalt 2016 erhalten kann. Anlässlich der aktuellen Debatte um Kürzungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) hat die Volkshilfe Österreich eine Umfrage in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse im Rahmen des sogenannten Sozialbarometers zeigen, dass eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung Kürzungen für MindestsicherungsbezieherInnen ablehnt. „Mehr als 70 Prozent der Befrag-

ten sind der Meinung, dass es sich bei der Mindestsicherung um keine ‚soziale Hängematte‘, sondern um eine zielführende Maßnahme zur Bekämpfung der Armut handelt“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. Die im Jahr 2010 eingeführte bedarfsorientierte Mindestsicherung zielt auf eine materielle Existenzsicherung ab, die gleichzeitig eine soziale Integration ermöglicht. Das eigene Vermögen muss jedenfalls bis auf rund 4.188 Euro aufgebraucht sein (ausgenommen davon

FRAUEN KÖNNEN FÜHREN, FRAUEN WOLLEN FÜHREN Oft gibt es in österreichischen Unternehmen mehr weibliche als männliche Beschäftigte. In Führungspositionen muss man Frauen trotz ihrer guten Ausbildung trotzdem suchen wie die vielzitierte Nadel im Heuhaufen: Österreich liegt deutlich unter dem EU-Durchschnitt. In den Top-200-Unternehmen liegt der Frauenanteil in der Geschäftsführung bei mageren 5,9 Prozent. Nur drei heimische Unternehmen werden von einer weiblichen Vorstandsvorsitzenden beziehungsweise von einer alleinigen Geschäftsführerin geleitet, auch in Frauen-Branchen wie im Handel oder bei Banken und Versicherungen ist die Spitze männlich. Für dieses Paradoxon gibt es eine „Reihe von Gründen“, keiner davon stimmt.

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GRUNDSATZ

Wie beispielsweise das Argument, dass Teilzeit und Führung nicht kompatibel wären. Wie bringen denn die Vorstandsmänner, die in mehreren Aufsichtsräten vertreten sind und oft auch noch zusätzlich Ämter bei Interessenvertretungen innehaben oder permanent in wichtigen Sitzungen oder auf Dienstreise sind, das alles unter einen Führungs-Hut? Warum orientieren sich Unternehmen in ihrer Betriebsorganisation oder ihrem Anspruch an die Führungskräfte immer noch an den Lebensumständen von Männern, was lange Meetings bedeutet inklusive einer Anwesenheitskultur, die in der Praxis hauptsächlich Frauen wirklich benachteiligt? Warum ignorieren Unternehmen den Wunsch ihrer Kundinnen, dass diese

sind Hauptwohnsitz und Einrichtung). Momentan liegt die Mindestsicherung mehr als 200 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle. Kürzungen der Mindestsicherung, wie sie vor allem von der ÖVP und ihrer Klientel – also von den reichen Besitzenden und Superreichen – gefordert werden, würden besonders Familien mit Kindern stark treffen. Derzeit werden für Kinder in Familien, die Mindestsicherung beziehen, etwa 150 Euro zusätzlich ausgezahlt. Fenninger warnt: „Man darf nicht zuerst Gelder für die Unterstützung dieser Familien kürzen und sich dann über vererbte Armut wundern. Gerade für diese rund 70.000 Kinder aus BMS-Haushalten bedeuten Kürzungen weniger Freizeitaktivitäten, weniger Nachhilfe, schlechtere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. Armut hat eine viel kleinere Lebenswelt zur Folge und verursacht soziale Ausgren-

eventuell lieber Frauen in verantwortungsvoller Position von Unternehmen sehen würden? Schließlich sind Unternehmen mit Frauen und Männern in der Führung erwiesenermaßen wirtschaftlich erfolgreicher! Frauen können führen, Frauen wollen führen! Ihr Aufstieg kann und muss viel früher beginnen als im Top-Management. Es geht um den nächsten Schritt – zur Leiterin der Schadensabteilung in einer Versicherung, als Gebietsverantwortliche im Pflegebereich, als Filialleiterin „Der Aufstieg von Frauen kann und muss viel früher beginnen als im Top-Management.“ Ilse Fetik, FSG-Frauenvorsitzende


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8,543.932 Österreichische Bevölkerung 2014

zung“. Personen, die unterhalb eines bestimmten Mindestlebensstandards ihr Auskommen finden müssen, also jene mit Einschränkungen in zent‑ ralen Lebensbereichen, sowie arbeitslose Personen bewerten ihre Lebenssituation grundsätzlich mit weniger Zufriedenheit.

Quelle: Statistik Austria

ARMUT BEKÄMPFEN

256.405

Personen bezogen 2014 Geldleistungen im Rahmen der bedarfsorientierten Mindestsicherung, darunter 70.333 Kinder. Das waren beispielhaft im Verhältnis zur österreichischen Bevölkerung ausgedrückt drei Prozent. Die bezogenen Leistungen dienten zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs.

REICHTUM BESTEUERN Der Sozialbarometer zeigt, dass die ÖsterreicherInnen auch verlangen, dass das Vermögen der Reichsten stärker besteuert wird, statt bei den Ärmsten zu kürzen. Dem stimmen acht von zehn Befragten sehr oder ziemlich zu. Die höchste Zustimmung findet sich bei ArbeiterInnen (86 Prozent) und bei jungen Menschen (83 Prozent). „Zehn

Prozent der Menschen in Österreich besitzen 70 Prozent des Gesamtvermögens. Es ist an der Zeit, dass sie einen fairen Beitrag leisten, ihre Vermögen gerecht besteuert werden, anstatt immer bei den Ärmsten der Armen zu kürzen“, sagt Fenninger. Soziale Sicherheit ist heute mehr denn je wieder ein Muss und rechnet sich am Ende für beide Seiten!

ERGEBNISSE DES „SOZIALBAROMETERS“ ZUR MINDESTSICHERUNG

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Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist ein wichtiger Schritt, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern. stimme sehr zu stimme ziemlich zu stimme wenig zu

Quelle: Volkshilfe Österreich/SORA, März 2016

im Handel, Projektleiterin im Forschungsbereich oder als Verantwortliche der Software-Entwicklung im IT-Bereich. Für diese Schritte auf der Karriereleiter gibt es eine ganze Reihe innerbetrieblicher Entwicklungsmöglichkeiten: Mentoring-Programme, Assessment-Runden speziell für Frauen, Führungspositionen auch für Teilzeitbeschäftigte, Quotenziele, Betriebsvereinbarungen mit der Festlegung eines Maßnahmenplans und noch mehr – die nächsten Schritte sind fällig! Gewerkschaften und BetriebsrätInnen fordern die Unternehmen auf, nicht nur von Corporate Social Responsibility zu reden oder zu schreiben, sondern Chancengleichheit ernst zu nehmen und das Potenzial von gut ausgebildeten Frauen im Arbeitsleben und in der Führung zu nutzen.

37 %

33 %

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stimme gar nicht zu

8%

Statt der Kürzung von Leistungen für die Ärmsten, wie zum Beispiel der Begrenzung der Mindestsicherung, sollten die Vermögen der Reichsten höher besteuert werden. stimme sehr zu stimme ziemlich zu stimme wenig zu stimme gar nicht zu

8% 9%

55 %

24 % Mehr Info zur Umfrage unter: www.volkshilfe.at

GRUNDSATZ

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www.f s g.at

ENTSENDERICHTLINIE

LOHN- UND SOZIALDUMPING VERHINDERN – ARBEITNEHMERiNNEN SCHÜTZEN Die Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen ist auch im Jahr 2016 eine wachsende und traurige Realität in Europa. Bei der Entsendung von Arbeitskräften werden Arbeitsstandards besonders oft umgangen. SozialdemokratInnen fordern deshalb seit Jahren eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie, die die EU-Kommission nun vorgelegt hat.

Die Dienstleistungsfreiheit ist eine der vier EU-Grundfreiheiten und ermöglicht es Unternehmen mit Sitz in einem EULand, ihre Dienstleistungen vorübergehend in Österreich zu erbringen. Setzt das Unternehmen vorübergehend ArbeitnehmerInnen zur Erbringung der Dienstleistung in Österreich ein, sprechen wir von einer Entsendung. Leider wird diese Freizügigkeit oft von Unternehmen missbraucht, um Arbeitsstandards zu umgehen, Sozialabgaben einzusparen und Wettbewerb über die Löhne zu betreiben. Die Leidtragenden

sind die Beschäftigten. Ein Hauptproblem, das grenzüberschreitendes Lohnund Sozialdumping fördert, sind die unterschiedlichen Lohnniveaus in der EU. Diese haben sich in den vergangenen Jahren nicht wie angenommen aneinander angenähert, sondern noch weiter voneinander entfernt. So kommt es, dass Mindestlöhne, die ArbeitnehmerInnen aus Österreich, Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden mit nach Hause nehmen – vor allem in die neuen Mitgliedstaaten – immer noch wesentlich höher sind als das Durchschnittseinkommen bei sich zu Hause. Daher wird die aktuelle Gesetzeslage mit all ihren Schlupflöchern leider von vielen als Chance gesehen, obwohl sie Missbrauch fördert und völlig unzureichend ist. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort sieht anders aus.

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Europas SozialdemokratInnen und Gewerkschaften fordern seit Jahren eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie, um die Rechte von Beschäftigten in grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen zu stärken. Denn die Richtlinie – sie stammt aus dem Jahr 1996 – weist große Schwachstellen auf. Das offenbarten auch zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs (zum Beispiel in den Fällen Viking, Laval, Rüffert, Luxemburg). Bis zuletzt fehlte der politische Wille der konservativen EU-Kommission für eine komplette Revision. 2014 wurde die sogenannte DurchsetzungsRichtlinie verabschiedet mit dem Argument, es mangele nur an der Um- und Durchsetzung der Entsenderichtlinie.

Österreich ist in der EU das Top-4-Zielland für entsandte ArbeitnehmerInnen. Im Jahr 2014 standen 48.815 aus Österreich ins EU-Ausland entsandte Beschäftigte 101.015 ArbeitnehmerInnen gegenüber, die nach Österreich entsandt wurden.

LÄNGST ÜBERFÄLLIG Die Überarbeitung des gültigen Rechtsakts für Entsendungen war auch eine der sozialdemokratischen Hauptforderungen an Jean-Claude Juncker, als er

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EUROPA/INTERNATIONAL


15. Jahrgang // Nummer 4 // Wien, April 2016

EU-PARLAMENT Präsident der Europäischen Kommission wurde. Anfang März legte die EUKommission schließlich einen Vorschlag dazu vor. Nach einem ersten Blick auf den Text ist klar, dass hier viel Arbeit auf das EU-Parlament zukommt, um den Vorschlag im Sinne der Beschäftigten zu ändern. Denn aktuell geht der Text nicht weit genug, auch weil die Kommission die Gewerkschaften in der Phase der Konsultation einmal mehr ausgeschlossen hat. Im Folgenden werden die wichtigsten Problemfelder erklärt: ::: Zeitliche Befristung – wie lange dauert eine Entsendung? Arbeitgeber dürfen ihre Beschäftigten nur vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsenden. Da die Unternehmen dieses Kriterium gerne umgehen, schlägt die EUKommission nun 24 Monate als Maximaldauer für eine Entsendung vor. Das ist völlig realitätsfremd, denn die durchschnittliche Entsendungsdauer am Bau – hier gibt es die meisten Entsendungen – beträgt nur vier Monate. Oft sind es auch nur wenige Wochen. Es widerspricht dem Wesen einer Entsendung, dass ein/e Arbeitnehmer/in wiederholte Male fast ohne Unterbrechung an die gleiche Stelle entsandt wird. Dennoch sind Kettenentsendungen eine Realität. Das ist „klassisches“ Sozial- und Lohndumping im Jahr 2016. Dem gilt es einen Riegel vorzuschieben. Entsendungen durch Zeitarbeitsfirmen und mittels Unterauftragsketten sollen generell verboten werden. Auch müssen Scheinselbstständigkeit und Briefkastenfirmen bekämpft werden. Hier muss im EU-Parlament nachgebessert werden.

d i rek t

::: Mein Arbeitgeber, der Briefkasten Die Frage, wer wen entsendet, ist auf den ersten Blick nicht immer zu beantworten. Tatsächlich sind Briefkastenfirmen ein großes Problem und spielen nicht nur bei Steuerdumping, sondern leider auch bei Sozialdumping eine zentrale Rolle. Unternehmen umgehen systematisch Arbeits- und Sozialstandards indem sie in einem Mitgliedstaat mit niedrigen Lohnnebenkosten und geringen Sozialabgaben einen Firmensitz anmelden, um von dort „billige“ ArbeitnehmerInnen zu entsenden und bis zu 25 Prozent an Kosten zu sparen. Sozialsysteme werden gegeneinander ausgespielt und die Beschäftigten ausgebeutet. Auch hier lässt der jüngste Kommissionsentwurf zu wünschen übrig, und es wird die Aufgabe des Parlaments sein, kräftig nachzujustieren. ::: Entlohnung Das Grundprinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ muss auch endlich für entsandte ArbeitnehmerInnen Realität sein. Zumindest in diesem sehr wichtigen Punkt ist der Gesetzesentwurf auf der richtigen Spur, weitere Maßnahmen sind aber noch zu treffen. Mindestlöhne dürfen nicht zu Maximallöhnen werden, nicht das Lohnniveau lokaler ArbeitnehmerInnen unter Druck setzen und nicht durch Lohndumping Arbeitsplätze im Zielland gefährden. Neben allen Detailfragen rund um den Vorschlag der EU-Kommission, die in den nächsten Monaten zu klären sind, ist es letztlich von zentraler Bedeutung, die Lohnniveaus innerhalb der Europäischen Union anzugleichen, um der

Gewerkschafterin, Europaabgeordnete und Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten

EVELYN REGNER www.evelyn-regner.at

FINGER WEG VON DER ARBEITNEHMERiNNENFREIZÜGIGKEIT Seit es keine Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit für bestimmte Mitgliedstaaten mehr gibt, nehmen unfreiwillige Entsendungen durch die Unternehmen zu. Beschäftigte werden unter Umgehung zwingender Regelungen in einem Mitgliedstaat mit dem alleinigen Ziel eingestellt, sie später im EU-Ausland einzusetzen. Dieser Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit durch Unternehmen darf nicht durch Einschränkungen der ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit, die auch als Grundrecht den EUBürgerInnen garantiert wird, kompensiert werden.

Umgehung von Sozial- und Arbeitsstandards den Boden zu entziehen und die ArbeitnehmerInnen grenzüberschreitend zu schützen. Autorin: Evelyn Regner

EUROPA/INTERNATIONAL

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w w w. f s g . a t

FAIR. SOZIAL. GERECHT. WWW.FACEBOOK.COM/FSG.OEGB

Foto: Mauritius Images (Symbolbild)

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H O U R S ZWÖLF NEUE MILLIONÄRE Auch weltweit steigt die Zahl der Superreichen in den kommenden zehn Jahren stark an. Die Zahl der Multimillionäre (mehr als 30 Millionen Dollar) steigt um 41 Prozent auf mehr als 263.000 Personen, die Zahl an Milliardären klettert um 44 Prozent auf 2.760 Superreiche. Kleine Draufgabe: Der Wert des Wohnsitzes ist bei den Vermögen nicht miteingerechnet.

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Quelle: APA/Knight Frank

In Österreich gab es im Vorjahr laut einer Studie des Londoner Immobilienberaters Knight Frank 113.000 Dollarmillionäre (entspricht rund 900.000 Euro). Vor zehn Jahren – im Jahr 2005 – waren es noch 68.100. Im Schnitt kamen also seither täglich zwölf neue Millionäre hinzu. Und der Trend setzt sich fort, bis es laut der Studie im Jahr 2025 an die 140.100 Millionäre sein sollen.

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Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

2025

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/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank P.b.b. 02Z031786M ÖGB-Verlag, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

Retouren an PF 100, 1350 Wien


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