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14. Jahrgang // Nummer 5 // Wien, Mai 2015
d i rek t TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN
KEINE SONDERKLAGSRECHTE FÜR KONZERNE SEITE 14 SEITE SEITE SEITE
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Netzwerk Wiener St adtwerke: Absolut keine Argumente für Privatisierungen Abfer tigung neu: Wann Anspruch besteht und dieser mitgenommen werden kann Faire Vergaben: Bestbieter- vor Billigstbieterprinzip soll Arbeitsplätze sichern
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DER KAMPF GEHT WEITER ...
Cover: Menü-TTIP in Bamberg (Deutschland), Seite 14
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Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
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90 Jahre Rote Falken Netzwerk Wiener Stadtwerke Daseinsvorsorge darf nicht zur Handelsware werden.
Kommentar
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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian
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Hintergrund
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Gefahr Teilzeitbeschäftigung Jede zweite Frau arbeitet Teilzeit, ihnen drohen niedrige Pensionen.
Service
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Recht, Antworten auf Fragen
Grundsatz
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Faire Vergaben Bestbieter- vor Billigstbieterprinzip soll Arbeitsplätze sichern.
Europa/International
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TTIP erhitzt Gemüter Kritik wird lauter, EU-Parlament bereitet Entschließung vor. 16 Wohlstand sichern mit Weiterbildung
... FÜR SOZIALEN FORTSCHRITT
DIE ARBEITSZEIT NEU Während die einen so wenig Arbeit haben, dass sie mit ihrem Einkommen kaum mehr auskommen, arbeiten andere so viel, dass sie davon krank werden. Zudem steigt die Arbeitslosigkeit an.
„Die sozialdemokratischen Werte, das Einstehen für eine soziale, gerechte und solidarische Gesellschaft, sind heute aktueller denn je. Dafür gilt es, alle Kräfte zu bündeln“, appellierte FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian (im Bild oben) am Tag der Arbeit. ABSURDE SITUATION ENTSTEHT „Die Arbeitslosigkeit erreicht traurige Rekordhöhen. Während immer mehr Menschen gar keine Arbeit haben
oder unfreiwillig Teilzeit arbeiten und von ihrem Einkommen nicht leben können, arbeiten andere so viel, dass sie davon krank werden: Die österreichischen ArbeitnehmerInnen haben mit 41,8 Wochenstunden die zweitlängste Wochenarbeitszeit in der EU. Laut Arbeitsklimaindex der AK Oberösterreich arbeiteten 2014 bereits 34 Prozent der Beschäftigten in ihrer Freizeit, 17 Prozent im Urlaub und 14 Prozent sogar im Krankenstand. Allein im Vorjahr
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Carmen Janko, Thomas Kallab, Kathrin Liener, Mathias Beer, Thomas Linzbauer. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: GPA-djp, PRO-GE, GdGKMSfB, Höllriegl, Thomas Reimer, Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
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AKTUELLES
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EDITORIAL
Foto: Science Photo Library / picturedesk.com
NACH JUBILÄEN, LERNEN UND HANDELN
DENKEN wurden 270 Millionen Überstunden geleistet. Jede fünfte davon sogar ohne Bezahlung. Das ist eine absurde Situation, die deutlich macht: Arbeit muss neu und fair verteilt werden“, fordert Katzian. GEBOT DER STUNDE Dazu gehöre auch eine Verkürzung der Arbeitszeit. In einem ersten Schritt sollen Unternehmen, in denen enorm viele Überstunden geleistet werden, einen höheren Beitrag in unser Sozialsystem zahlen (einen Euro pro geleisteter Mehr- oder Überstunde). Werde Mehrarbeit nicht korrekt abgegolten, sollte das zur Verdoppelung der ArbeitnehmerInnenansprüche führen. Der Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte sollte zudem ab der ersten tatsächlich geleisteten Stunde fällig sein. Ebenso sei die sechste Urlaubswoche für alle ein Gebot der Stunde. Autorin: Litsa Kalaitzis
FSG DIREKT IM ABO „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per Post oder per E-Mail bezogen werden (www.fsg.at/abo). Anregungen und Beiträge einfach senden an: fsg@oegb.at
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70 Jahre hier, 65 Jahre dort, und noch 60 und 20 Jahre irgendwo dazwischen. Gemeint sind die kürzlichen Jubiläen in der 2. Republik: Gründung ÖGB und SPÖ, Startschuss zur Idee eines friedlich vereinten Europas, Unterzeichnung des Staatsvertrags und der Beitritt Österreichs zur EU. Alles wurde gefeiert, hoch gelobt und gewürdigt. Jetzt aber heißt es, aus den Begleiterscheinungen lernen und handeln.
„Niemand soll sagen können: ,Das habe ich nicht gewusst.‘ Wir müssen Geschichte begreifbar machen.“ Willi Mernyi, FSGBundesgeschäftsführer
Denn die eine oder andere Umfrage brachte doch Erstaunliches hervor. Das Market-Institut hat zum Beispiel für die Tageszeitung „Der Standard“ eine Umfrage rund um den Wiederaufbau gemacht. Einige Ergebnisse: Nur jeder/jede zweite FPÖ-WählerIn glaubt, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hat. Ebenso glauben sie auch nicht, dass unser Land von den alliierten Truppen befreit wurde. Grundsätzlich würde man beim rechten Kern der FPÖ ein verschobenes Geschichtsbild ja in Kauf nehmen. Allerdings wurden auch viele junge Menschen befragt, die bei der FPÖ überrepräsentiert sind. Niemand soll aber mehr sagen können: „Das habe ich ja nicht gewusst.“ Das heißt: Wir haben ein riesiges Defizit in der Vermittlung von Geschichtswissen bei einigen jungen Menschen. Ausgerechnet bei jenem Teil der Geschichte, der die Grundlage für ein friedliches, tolerantes und demokratisches Zusammenleben erst schafft. Denn kein Mensch wird als DemokratIn oder tolerant geboren. Das sind die Gradmesser dafür, wie entwickelt und gebildet eine Gesellschaft ist, und wie empfänglich sie für autoritäre Regime ist. Wir müssen unsere Geschichte immer wieder von Beginn an erzählen, und wir brauchen neue Methoden, sie für junge Menschen auch begreifbar zu machen. Ein Detail am Rande: Auch der erste ÖGB-Präsident Johann Böhm ist bereits weitgehend vergessen.
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9 0 . G E B U R T S TAG Mit einem Festakt im Juni feiern die Roten Falken heuer ihr 90-jähriges Bestehen. Ihre Geschichte ist untrennbar mit jener der Kinderfreundebewegung verknüpft. Lese- und Bastelstunden, Singen, Turnen und Ausflüge erfreuten von Beginn an Kinder von ArbeiterInnen.
Kapitalismuskritik: Der Coro Novecento di Fiesole kommt heuer ins Europacamp in Weißenbach am Attersee.
GLEICHE BILDUNGSCHANCEN „Heute haben wir das Ziel, diese Welt zu einem besseren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen. Die Schaffung gleicher (Bildungs-)Chancen ist eine zentrale Forderung“, erklärt der Vorsitzende der Roten Falken und Jugendsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Helmut Gotthartsleitner. JUBILÄUMSCAMP DÖBRIACH Das Sommerlager in Döbriach findet heuer passend als Jubiliäumscamp vom 18. Juli bis 1. August statt. Mehr Informationen gibt es im Internet unter: www.rotefalken.at
FESTIVAL DES POLITISCHEN LIEDES
BELLA CIAO
Italienische Partisanenlieder vom Feinsten sind heuer zu Gast am Attersee. Der Kulturverein Willy lädt bereits zum 17. Mal zum „Festival des politischen Liedes“.
Vom 12. bis 14. Juni warten LiedermacherInnen, Chöre, Punk, aber auch Erzählungen und Diskussionen auf BesucherInnen. Neben dem „Coro Novecento di Fiesole“ sorgen unter anderen die italienische Band „Gattamolesta“, „The Forum Walters“, die deutsch/italienische Band „The Offenders“ oder die Spanier von „Offerta Especial“ für die richtige kapitalismuskritische Stimmung. 2 X 2 TICKETS GEWINNEN Der Festivalpass für alle Konzerte im Europacamp der Sozialistischen Jugend in Weißenbach am Attersee kostet 23
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Euro. Weitere Infos über Location und Bands gibt’s unter: www.kv-willy.at Kostenlos beim Festival dabei sein? „FSG direkt“ verlost 2 x 2 Tickets. Einfach eine E-Mail mit dem Betreff „Bella Ciao“ mit Vor- und Nachnamen sowie Adresse und Telefonnummer bis 25. Mai senden an: fsg@oegb.at Die GewinnerInnen werden schriftlich oder telefonisch verständigt. Der Rechtsweg und eine Barablöse sind ausgeschlossen, es gilt österreichisches Recht. Autorin: Carmen Janko
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JUGEND Fotos: GdG-KMSfB/Peter Marchsteiner
WAHL DER JUGEND-VERTRETERiNNEN
ERFOLG FÜR FSG Im April fanden im Magistrat der Stadt Wien sowie in den Unternehmen der Wiener Stadtwerke Holding AG die Wahlen der Jugendvertrauenspersonen (JVP) und JugendvertrauensrätInnen (JVR) statt.
Die JungwählerInnen schenkten, wie bereits in den vergangenen Jahren, wieder der FSG ihr Vertrauen. Somit ging auch diesmal die FSG mit 96,99 Prozent als klare Wahlsiegerin hervor. Bei der vorherigen Wahl im Jahr 2013 waren es 96,85 Prozent. REGE WAHLBETEILIGUNG Die frisch gewählten JugendvertrauensrätInnen und Jugendvertrauenspersonen machen sich für die kulturellen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Anliegen der jugendlichen ArbeitnehmerInnen stark und versuchen, deren Forderungen umzusetzen.
Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme, dass sich die Jugend nicht für Politik interessiert, steht die hohe Wahlbeteiligung im Magistrat der Stadt Wien sowie in den Unternehmen der Wiener Stadtwerke Holding AG von 75,98 Prozent. Von den 999 Wahlberechtigten gaben 768 ihre Stimme ab, im Vergleich zur Wahl davor ist die Beteiligung um 6,24 Prozent gestiegen. Der Jugendreferent der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB), Jürgen Schmidt, und der Jugendvorsitzende der GdG-KMSfB Nicolai Wohlmuth freuen sich über die rege Teilnahme. „Das zeigt, dass
Nicolai Wohlmuth
Jürgen Schmidt
„Die hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass sich die Jugend sehr wohl für politische Inhalte interessiert. “ Nicolai Wohlmuth und Jürgen Schmidt, beide GdG-KMSfB
sich die Jugend sehr wohl für politische Inhalte interessiert. Sie wollen mitreden, mitentscheiden und in ihren Anliegen ernst genommen werden“, sind sich die beiden Gewerkschafter einig. www.gdg-kmsfb-fsg.at Autorin: Kathrin Liener
Foto: Stadt Wien
GUIDES GESUCHT
Informationen zum Projekt
Nie wieder Faschismus, Nationalsozialismus und Holocaust. Das gelingt nur, wenn niemals vergessen wird, was damals alles passiert ist. „Wir stehen heute vor der Herausforderung, Im Zentrum des ProjekVermittlungsprojekt Denkmäler und Gedenkstätten Innere Stadtzu dass es nicht mehr der lange Augenzeutes stehen Rundgänge gInnen und Überlebende des Holo- Denkmälern und Gedenkcausts geben wird. Deshalb braucht stätten in der Wiener Inim April 2015 es neue Methoden der Vermittlung“, nenstadt.Wien, Dafür werden sagte Bundesminister Josef Ostermay- nun „Guides“ gesucht und er bei der Präsentation von „denk mal ausgebildet. Für durchgewien“, ein gemeinsames Projekt mit führte Rundgänge gibt es dem Mauthausen Komitee und der AufwandsentschädigunStadt Wien zur Vermittlung von Ge- gen. Die Bewerbungsfrist schichte. 2016 und 2017 sollen damit läuft noch bis 30. Juni: 8.000 Jugendliche erreicht werden. www.denkmalwien.at
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Willi Mernyi (Mauthausen Komitee Österreich), Bundesminister Josef Ostermayer und Wiens Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (von links).
AKTUELLES
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NETZWERK WIENER STADTWERKE
„KEINE ARGUMENTE FÜR PRIVAT Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) lud unter dem Motto „#wien2015 packen wir’s an“ BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen Mitte April zu einer Diskussionsrunde.
„Wir müssen weiter investieren, bis die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Mit der Sparpolitik des Koalitionspartners machen wir die Krise nur noch schlimmer.“ Die immer wieder auftauchende Frage der Privatisierung wischte Brauner vom Tisch: „Privatisierung ist für mich keine Option, das zeigt auch die Praxis. Man braucht sich nur die Realität ansehen. Was hat sich in London abgespielt, als Wasser und Verkehr privatisiert wurden? Es ist alles schlechter geworden!“
Standen Rede und Antwort: Vizebürgermeisterin Renate Brauner und GdG-KMSfB-Vorsitzender Christian Meidlinger. Gemeinsam mit Renate Brauner, Vizebürgermeisterin der Stadt Wien sowie Stadträtin für Finanzen und Wiener Stadtwerke, diskutierte Christian Meidlinger, Vorsitzender der GdG-KMSfB, mit BelegschaftsvertreterInnen von Wien Energie, Wiener Netze, Wiener Linien, Bestattung & Friedhöfe und der Wiener Stadtwerke Holding über die Zukunft der Daseinsvorsorge, sozialdemokratische Stadtpolitik und die Herausforderungen der nächsten Jahre. Das Credo: Daseinsvorsorge darf nicht zur Handelsware werden. Was braucht es, damit die Unternehmen der Stadt Wien weiterhin die beste Leistung bringen können? „Wir halten nichts davon,
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AKTUELLES
dass Dienstleistungen der Daseinsvorsorge Wirtschaftsgut oder Handelsware werden. Die Frage der Wirtschaftskrise ist noch immer omnipräsent, viel zu viele Menschen sind arbeitslos. Wir haben durch den Stabilitätspakt kaum eine Möglichkeit, Investitionen zu tätigen. Aber eines ist klar: Wir haben gut qualifizierte MitarbeiterInnen und diese muss man auch entsprechend entlohnen“, betonte Meidlinger. Brauner ergänzte:
Mehr als 100 TeilnehmerInnen: Im Vordergrund die beiden Hauptgruppen-Vorsitzenden Kurt Januschke (Energie Wien) und Andreas Bauer (Wiener Netze).
HERAUSFORDERUNG ENERGIE Energieunternehmen sind in ganz Europa massiven Veränderungen ausgesetzt. Das betrifft auch Wien Energie und die Wiener Netze. „Andere Unternehmungen in Europa und Österreich haben MitarbeiterInnen in großer Zahl gekündigt. Wir suchen Lösungen für
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ISIERUNGEN“ unsere KollegInnen, wir sind uns der Verantwortung bewusst. Das heißt aber für die MitarbeiterInnen auch Bereitschaft zur Veränderung“, sagte Brauner.
WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
WARNUNG VOR FREIHANDELSFALLE Außer Acht wurde auch der internationale Blickwinkel nicht gelassen. Das Freihandelsabkommen TTIP ist in aller Munde, unbekannter aber umso bedeutender ist das Abkommen TiSA, das den Handel mit Dienstleistungen regeln soll. „Freihandelsbarrieren sollen abgeschafft, grenzenloser Handel zugelassen werden. Das klingt verlockend – nur die Spielregeln, die aufgebaut werden, damit haben wir große Probleme“, so Meidlinger. Chlorhühner und Co. seien nur der Anfang. „Es geht viel tiefer, es geht um die gesamte Kollektivvertragspolitik. Wir brauchen Rechtssicherheit für unsere KollegInnen. Öffentliche Dienstleistungen sind keine Handelswaren und deswegen können wir diesem Freihandelsabkommen auch nicht zustimmen“, bringt es Meidlinger auf den Punkt. Unter dem Motto „#wien2015 packen wir’s an“ wurde auch die Wien-Wahl am 11. Oktober ein Thema. Das Besondere für die MitarbeiterInnen der Stadt Wien: Sie wählen nicht nur ihre politische Vertretung, sondern auch ihren Eigentümer. „Es ist gut, einen Blick in die Wahlprogramme zu werfen. Der Vergleich wird euch zeigen, wen ihr am 11. Oktober wählt“, betonte Meidlinger. www.gdg-kmsfb-fsg.at
AUS DER KRISE GEHT’S NUR MIT HINAUSWACHSEN Alle Versuche, die Krise in Europa zu beenden, sind bisher gescheitert, weil sie letztendlich nur eine Fortsetzung der rigiden Sparpolitik bedeuten. Statt immer mehr desselben wirkungslosen Sparzwangs brauchen wir wirksame Instrumente, die den Staaten gerade in Zeiten des Abschwungs die notwendige Luft zum Investieren geben. Eine Möglichkeit, die wirtschaftspolitische Sackgasse zu beenden, wäre die Einführung einer „Goldenen Regel der Finanzpolitik“ im Rahmen der budgetpolitischen EU-Vorgaben, die öffentliche Ausgaben mit investivem Charakter aus der Berechnung des strukturellen Budgetdefizits ausnehmen würde. Die „Goldene Regel“ rechtfertigt eine öffentliche Verschuldung für bestimmte Ausgaben, die dazu führen, dass auch das öffentliche Netto-Vermögen steigt. Dahinter steht die Grundidee, dass öffentliche Kredite Lasten für spätere Generationen erzeugen. Durch die damit finanzierten öffentlichen Investitionen entsteht aber auch ein Nutzen für diese.
Fotos: GdG-KMSfB/Harri Mannsberger
Autorin: Kathrin Liener
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Für uns ist klar, dass die Krise nur durch Wachstum und öffentliche Investitionen überwunden werden kann. Die Gemeinden, die Städte, die Mitgliedsstaaten, alle brauchen Luft zum Atmen. Sie müssen wieder die Möglichkeit bekommen, nachhaltig zu investieren. Wir können nur aus dieser Krise hinauswachsen, nicht aus ihr herausschrumpfen. Wachstum darf jedoch kein Selbstzweck bleiben, sondern muss gute Arbeit mit guter Bezahlung schaffen. Europa ist noch immer der reichste Kontinent dieser Erde. Jetzt geht es darum, diesen Reichtum umzuverteilen und gesellschaftlich nutzbar zu machen. Gerechte Verteilung und Vollbeschäftigung müssen viel stärker ins Zentrum der europäischen Politik rücken – zum Beispiel mit einer „Goldenen Regel der Finanzpolitik“.
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STRATEGISCHE NEUAUSRICHTUNG
GEMEINSAM IN EINE SICHERE Am 18. Gewerkschaftstag der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) stand auch ihr 70-jähriges Jubiläum auf der Tagesordnung. Bei den Anträgen ging es dann in Richtung sichere Zukunft.
Ein Rückblick: Am 24. Mai 1945 kons‑ tituierte sich der Vorstand der Gewerkschaft der Post-, Telegraphen-, Fernsprech- und Rundfunkbetriebe Österreichs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen die Mitglieder daran, den Schutt und die Trümmer der Naziherrschaft wegzuräumen. Trotz aller materiellen Not waren die Ziele eindeutig: Alle Kraft für den sozialen und wirt-
schaftlichen Aufstieg der Bediensteten in einem demokratischen und unabhängigen Österreich. Damit wurde ein bereits vor dem Krieg begonnener Kampf für Gerechtigkeit und Solidarität fortgesetzt, der bis heute andauert. WECHSELVOLLE GESCHICHTE Die wechselvolle Geschichte der ursprünglich staatlichen Post, der Telekom
Austria und des Postbusses markiert auch die Arbeitssituation der Beschäftigten. Immer wieder triumphierten die Privatisierer: Besonders unter der schwarz-blauen Regierung von 2000 bis 2006. Aber auch 2014 gab die ÖIAG leichtfertig die Mehrheit an der A1 Telekom Austria an einen ausländischen Konzern ab. Der Ruf nach mehr politischem Einfluss wurde laut. „Eine strategische Neuausrichtung der Österreichischen Industrieholding AG war dringend notwendig und entspricht den geänderten Rahmenbedingungen. Die Neuregelungen sollen einen verant-
de auslösen: Zum einen ist die hohe Teilzeitquote der Frauen ein Grund für die statistische Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen. Zum anderen resultiert der Beschäftigtenzuwachs vor allem aus neuen Teilzeitstellen, während die Vollzeitjobs weiter zurückgehen.
ILSE FETIK FSG-FRAUENVORSITZENDE
MIT VOLLGAS AUS TEILZEITFALLE Wir sind Teilzeit-Vize-Europameister: Schon 1,15 Millionen Beschäftigte in Österreich haben keine Vollzeitstellen, nur in den Niederlanden gibt es eine noch höhere Teilzeitquote als unsere 27,7 Prozent. Im Gegensatz zu anderen Ländern Europas ist die Teilzeit in Österreich Frauensache – mit 47 Prozent ist nahezu jede zweite Teilzeitbeschäftigte weiblich, bei Müttern mit Kindern unter 15 Jahren beträgt die Quote satte 70 Prozent. Alles eitel Wonne? Mitnichten. Dieser Vize-Europameister-Titel kann weder bei den betroffenen Frauen, von denen 15 Prozent angeben, mehr arbeiten zu wollen, noch bei ExpertInnen Freu-
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HINTERGRUND
Diese Teilzeitfalle bremst natürlich die Karrieren vieler hochqualifizierter Frauen, weil es immer noch viel zu wenige hochwertige Teilzeitstellen oder Führungsfunktionen gibt, die in Teilzeit erledigt werden können. Und sie führt Frauen in die Armutsfalle, die mittlere Frauenpension in Österreich liegt mit 852 Euro brutto um 51,8 Prozent unter jener der Männer mit 1.769 Euro brutto. Der Handlungsbedarf ist also groß, wir müssen mit Vollgas aus der Teilzeitfalle. Es braucht keine vorzeitige Anhebung des Frauenpensions-Antrittsalters, wie die ÖVP das immer wieder fordert, sondern neben einer flächendeckenden Kinderbetreuung große mutige Schritte, die vor allem auch die Arbeitgeber mitgestalten müssen: viel mehr Männer in Karenz, mehr Frauen in Führungspositionen und eine Verkürzung der Arbeitszeit. Damit Österreich einmal einen Stockerlplatz hat, von dem alle profitieren.
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DEIN RECHT KOMMUNIKATION
Fotos: GPF/Egon Englisch
ZUKUNFT wortungsvollen Umgang mit den Beteiligungen des Bundes an Post, Telekom und OMV gewährleisten“, fasste ÖGBPräsident Erich Foglar die Schaffung der Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungs-Holding, kurz ÖBIB, zusammen. Noch immer aber sind Reformen und Umstrukturierungen in vollem Gang. „Die bisherigen Privatisierungen haben für den Staat, für die österreichische Bevölkerung und für die arbeitenden Menschen nichts Positives gebracht“, hält GPF-Vorsitzender Helmut Köstinger fest. Rund 15.000 Arbeitsplätze gingen
bei der Post und bei der A1 Telekom Austria seit Beginn der ersten Privatisierungsschritte verloren. Über 1.500 eigenbetriebene Postfilialen wurden für immer geschlossen. VOLLES PROGRAMM Während die Unternehmen Rekordgewinne machen, steigt der Druck auf die Beschäftigten immer mehr an. Beim Gewerkschaftstag wurden daher zahlreiche Anträge und Resolutionen behandelt, unter anderem die Forderung nach Absicherung der staatlichen Beteiligungen bei Post und A1 Telekom sowie ein möglicher Rückkauf von Aktien der A1 Telekom Austria zur Sicherung der Infrastruktur, zu verstärkter Gesundheitsvorsorge für die Beschäftigten, zur
Qualitätssicherung bei den Dienstleistungen, Maßnahmen gegen Lohndumping und Regulierung von Leiharbeit. Der bisherige GPFVorsitzende Helmut Köstinger wurde mit 100 Prozent wieder gewählt. www.gpf.at
„Wir haben in den vergangenen Jahren in einem schwierigen Umfeld vieles erreicht. Aber es gibt noch viel zu tun. Wir werden uns für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und eine sechste Urlaubswoche für alle einsetzen.“ Helmut Köstinger, GPF-Vorsitzender
BUCHTIPP
WAS MIT UNS SEIN WIRD, WISSEN WIR NICHT Sie werden aus ihrer Heimatstadt verjagt und wie Vieh abtransportiert: Im Februar 1941 muss das jüdische Ehepaar Wilhelm und Johanna Schischa gemeinsam mit zahlreichen Leidensgenossen den Zug nach Polen besteigen. Beraubt, bestohlen und erniedrigt finden sich die Schischas im Städtchen Opole Lubelskie wieder, in einem
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fremden Land und in vollkommener Ungewissheit über die Zukunft. BRIEFE AUS DEM GETTO Es gibt in diesem „Durchgangslager“ weder Arbeit noch Brot, sie werden in hoffnungslos überfüllte Massenquartiere gepfercht, wo unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen Seuchen wüten, die täglich neue Opfer fordern. Von Anfang März 1941 bis Ende Jänner 1942 schreiben sie Briefe an ihre Verwandten in Wien: hin- und hergerissen zwischen trivialen Dingen wie der nächsten Mahlzeit oder festem Schuhwerk und der existenziellen Frage nach dem Los, das sie erwartet. Der Sehnsucht, die Lieben eines Tages wiederzusehen, steht die nagende Sor-
ge um das Wohl der fernen Kinder gegenüber, die Wehmut, mit der sie ihrer für immer verlorenen Heimat gedenken. Das letzte gemeinsame Lebenszeichen endet mit den Worten: „Der I. Gott soll uns erlösen.“ BESTELLMÖGLICHKEIT Was mit uns sein wird, wissen wir nicht, Briefe aus dem Getto, Schischa Wilhelm, Schischa Johanna, Herausgeber: Freudmann, Gustav, 224 Seiten, Styria, 2015, 26,99 Euro. ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132 oder per E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.diefachbuchhandlung.at
HINTERGRUND
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BETRIEBLICHE MITARBEITERiNNENVORSORGE
ABFERTIGUNG NEU Alle ArbeitnehmerInnen (AN), deren Arbeitsverhältnis ab 1. Jänner 2003 begonnen hat, haben Anspruch auf „Abfertigung Neu“ aus der betrieblichen Mitarbeitervorsorge.
Seit 1. Jänner 2008 gilt dies auch für freie DienstnehmerInnen sowie für selbstständig Erwerbstätige. Der Anspruch entsteht bereits ab dem zweiten Monat des Arbeitsverhältnisses und kann auch in ein neues Arbeitsverhältnis mitgenommen werden. In diesem System haben auch Lehrlinge Anspruch auf Abfertigung. Die Auszahlung
der Abfertigung ist abhängig von der Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Der Anspruch geht bei Selbstkündigung nicht verloren. Unter bestimmten Voraussetzungen werden sowohl die Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges als auch Zivil- und Präsenzdienst berücksichtigt. Ab dem zweiten Monat des Arbeitsverhältnisses muss der Ar-
beitgeber (AG) monatlich 1,53 Prozent des Bruttoentgelts (auch von Urlaubs- und Weihnachtsgeld) mit dem Sozialversicherungsbeitrag an die Krankenkasse zahlen. Bemessungsgrundlage und Abfertigungsbeitrag müssen auf dem Lohnzettel aufscheinen. Die Krankenkasse prüft diesen Beitrag und leitet ihn an die jeweilige Abfertigungskasse weiter. Diese hat für jede/n AN ein Konto zu führen, das Geld zu veranlagen und die Abfertigung im Endeffekt auszuzahlen. Einmal jährlich müssen die AN schriftlich über den erworbenen Abfertigungsan-
PRO-GE-Bezirkssekretär Steyr/Kirchdorf Reinhold Binder (1. von rechts), Betriebsratsvorsitzender Clemens Oberreiter-Jura (3. von rechts), Branchensekretär Arbeitskräfteüberlassung PRO-GE OÖ Manuel Koller (1. von links)
ERSTMALS ÖSTERREICHWEITER BETRIEBSRAT BEI LEIHARBEITSFIRMA Vor kurzem konstituierte sich erstmals ein österreichweiter Betriebsrat bei der Arbeitskräfteüberlasserfirma I. K. Hofmann GmbH mit Sitz in Linz. Betriebsratsvorsitzender ist Clemens OberreiterJura aus St. Valentin, sein Stellvertreter
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Gerald Brandstätter kommt aus Stainz in der Steiermark. Das Betriebsratsteam umfasst 19 aktive BetriebsrätInnen. Wahlberechtigt waren 3.024 ArbeiterInnen. Bisher gab es nur in der Zweigniederlassung Steyr einen Betriebsrat.
„Wir werden eine starke Interessenvertretung für die ArbeiterInnen sein. Die Herausforderungen in der Arbeitskräfteüberlassung sind hoch, da die KollegInnen im ganzen Land verteilt sind und ihrer Arbeit in vielen unterschiedlichen Beschäftigerbetrieben nachgehen“, so Oberreiter-Jura. „Für die PRO-GE ist es wichtig, dass KollegInnen, die in der Arbeitskräfteüberlassung tätig sind, auch die Möglichkeit haben, sich betriebsrätlich und gewerkschaftlich zu organisieren“, so Reinhold Binder, Bezirkssekretär der Gewerkschaft PRO-GE Steyr/Kirchdorf. www.proge.at Autor: Mathias Beer
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RECHT
Foto: mauritius images / imageBROKER
THOMAS KALLAB spruch sowie die Grundzüge der Veranlagungspolitik informiert werden. WANN BESTEHT EIN ANSPRUCH Ein Anspruch auf Abfertigung besteht grundsätzlich bei jeder Beendigung des Arbeitsverhältnisses und richtet sich gegen die betriebliche Vorsorgekasse. AN können innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Arbeitsverhältnisses schriftlich die Auszahlung verlangen, sonst wird das Geld in der Abfertigungskasse weiter veranlagt. Ein Anspruch auf Auszahlung besteht bei Arbeitgeberkündigung, unverschuldeter Entlassung, berechtigtem Austritt, einvernehmlicher Auflösung, Zeitablauf und Mutterschaftsaustritt. Bei AN-Kündigung besteht kein Anspruch auf Auszahlung der Abfertigung. Sie verbleibt in der Abfertigungskassa. Es besteht dann kein Wahlrecht. Ein Anspruch auf Auszahlung besteht jedenfalls, wenn kein Arbeitsverhältnis mehr vorliegt bei Pensionierung. Bei Pensionierung können AN zwischen der Auszahlung der Abfertigung, einer Rentenversicherung, der Veranlagung in Pensionsinvestmentfondsanteilen oder der Veranlagung in einer Pensionskasse wählen. Bei Auszahlung ist die Abfertigung mit sechs Prozent zu versteuern, erfolgt eine Rentenzahlung, ist diese steuerfrei. Bei Pensionierung ist das Wahlrecht innerhalb von drei Monaten
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auszuüben, sonst wird die Abfertigung ausbezahlt. Gesetzlich garantiert ist jedenfalls die Summe der einbezahlten Abfertigungsbeiträge. Die tatsächliche Höhe der Abfertigung hängt ganz wesentlich davon ab, wie viel Zinsen die Veranlagung der Beiträge einbringt. Verringert wird der Abfertigungsanspruch durch die Verwaltungskosten, die zwischen ein und 3,5 Prozent der Beiträge ausmachen dürfen. AN können die Abfertigungsbeiträge in einer Kasse zusammenführen und der Vorsorgekasse des aktuellen AG übertragen. Die bislang in andere Kassen bezahlten Abfertigungsbeträge müssen mindestens drei Jahre beitragsfrei in der jeweiligen Vorsorgekasse liegen. Dazu ist es nötig, einen Antrag und eine Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises an die jeweilige Vorsorgekasse zu schicken. Diese wird dann die bei ihr erliegenden, dem AN zukommenden Gelder an die Abfertigungskasse des aktuellen AG überweisen. Damit wird die Handhabung für die AN übersichtlicher, weil alle Gelder in einer Kasse liegen. Die AK hat ein Muster für derartige Schreiben an die Mitarbeitervorsorgekasse online zur Verfügung gestellt: wien.arbeiterkammer.at/beratung/ arbeitundrecht Autor: Thomas Kallab
Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at
Ich bin Angestellte und habe mein Arbeitsverhältnis gekündigt. Wie bekomme ich meinen offenen Urlaub ausbezahlt? Zunächst ist zu berechnen, wie viel Urlaubsanspruch während des Arbeitsverhältnisses bestand. Für das letzte Urlaubsjahr besteht nur anteiliger Anspruch für die Dauer, die im vergangenen Urlaubsjahr verstrichen ist. Dauert das vergangene Urlaubsjahr zum Beispiel nur ein halbes Jahr, errechnet sich daher die Hälfte des Jahresurlaubs als Anspruch. Davon ist der Urlaub, der verbraucht wurde, abzuziehen. Der so errechnete offene Urlaub ist auszuzahlen, und zwar auf Basis des Urlaubsentgelts (Gehalt, anteilige Sonderzahlungen, durchschnittliche Überstunden usw.). Ich bin Angestellter und geringfügig beschäftigt. Habe auch ich Anspruch auf Sonderzahlungen? Wenn der für ihr Arbeitsverhältnis geltende Kollektivvertrag einen Anspruch auf Sonderzahlungen grundsätzlich vorsieht, gilt das auch für Sie. Geringfügig beschäftigte ArbeitnehmerInnen sind Teilzeitbeschäftigte, für die diesbezüglich keine Sondervorschriften gelten.
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ARBEITSPLÄTZE SICHERN
FAIRE VERGABEN Gesetzesänderung soll regionale Vergaben stärken und dubiose Firmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen. Künftig soll nicht mehr der niedrigste Preis allein ausschlagend sein. Autor: Thomas Trabi
CHRISTOPH HÖLLRIEGL Aus der Redaktion.
„Öffentliche Vergaben sollen effizient und zugleich fair sein. Das heißt, auch mittel- und langfristig die Kosten für die SteuerzahlerInnen gering zu halten und zugleich Wachstumsimpulse zu geben.“ Darauf verständigte sich die SPÖ-geführte Bundesregierung auf ihrer Klausur Ende März. Schon ein Monat später stand der dafür notwendige Entwurf zur Änderung des Vergabegesetzes fest, die geplante Novelle ging im April in Begutachtung. Das sei nicht nur für die „weißen Schafe“ unter den Unternehmen ein Grund zur Freude, sondern auch für Tausende Beschäftigte in Österreich, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), Josef Muchitsch. Er sprach sich schon im Vorfeld ganz klar für eine faire, transparente und nachvollziehbare Vergabe öffentlicher Aufträge aus.
E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at
Die Industriellenvereinigung (IV) vergönnt ArbeitnehmerInnen sehr wenig. Das ist nicht neu. Dafür gibt ihr Präsident Georg Kapsch im Magazin „biber“ in der Rubrik „Mein bester Rat“ nun jene Weisheiten preis, die ihn selbst weitergebracht haben. Kapsch: „Es braucht die vier H’s im Leben.“ Er meint Hirn, Herz, Hand und „Hintern“. Letzteres beschreibt er als Durchhaltekraft, Sitzfleisch, Disziplin. Interessant dabei ist: Die fast gleichnamigen US-amerikanischen „4-H-Clubs“ für Kinder und Jugendliche kamen nach dem 2. Weltkrieg zu uns und waren Vorbild für das damals gegründete „Ländliche Fortbildungswerk“ (später „Landjugend Österreich“). Nur ein H unterscheidet sich: Statt Kapschs H für „Hintern“ steht das vierte H für „Health“ – für Gesundheit. Ein Bereich, mit dem sich die IV schwer tut. ArbeitnehmerInnen sollen nämlich – wenn es nach der IV geht – viel länger arbeiten und noch später in Pension gehen. Gesundheit ist dabei kein Thema. Die Gewerkschaften hingegen fordern aufgrund des steigenden Arbeitsdrucks schon jetzt den leichteren Zugang zur 6. Urlaubswoche für alle. Kapsch ist dagegen. Klar, kennt er doch das falsche H!
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EIN FALSCHES H
SOZIALPARTNERINIATIVE Muchitsch war und ist auch die treibende Kraft der Sozialpartnerinitiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze!“ Denn der Wettbewerb in Österreich wird schärfer. Billigstanbieter mit BilligstarbeiterInnen vernichten regionale Arbeitsplätze. Gleicher Grundlohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort ist gesetzlich geregelt. Bei den Lohnnebenkosten gibt es allerdings noch Vorteile für ausländische Mitbewerber. Öffentliche ausschreibende Stellen akzeptieren Subvergaben an dubiose Firmen, obwohl nachweisliche Vergehen im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings vorliegen. Vorrangiges Ziel der Initiative ist daher, die regionalen Vergaben zu stärken und dubiose Firmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. „Das neue Bundesvergabegesetz kann uns dabei helfen, denn es soll die Auftraggeber klar in die Verantwortung nehmen“, so Muchitsch.
14. Jahrgang // Nummer 5 // Wien, Mai 2015
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REGIONEN
Lohn- und Sozialdumping am Bau: Unseriöse Firmen und undurchsichtige Subunternehmerketten vernichten mit Billigstangeboten regionale Abeitsplätze. Damit soll nun Schluss sein. Nicht mehr der Billigste, sondern der Beste soll bei Vergaben zum Zug kommen.
IN BEGUTACHTUNG Die Novelle im Vergabegesetz sieht eine volle Transparenz bei Sub- und Subsubunternehmern, eine verstärkte Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, eine Stärkung des Bestbieterprinzips sowie eine Verbesserung der Kleinlosregelung vor. Durch die geplante Novelle im Vergabegesetz bekommen regionale Unternehmen mit ihren Beschäftigten in Österreich eine faire Chance auf öffentliche Aufträge. Die Eckpunkte der geplanten Novelle: ::: Volle Transparenz bei Sub- und Subsubunternehmen: Bei Angebotslegung beziehungsweise vor Beauftragung sollen alle Sub- und Subsubunternehmer verpflichtend dem Auftraggeber bekannt gegeben und von diesem genehmigt werden. ::: Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping: Der Auftraggeber soll verpflichtet werden, den Auftragnehmer und sein komplettes Netzwerk nicht nur auf Verstöße gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz, sondern auch auf Lohn- und Sozialdumping zu prüfen. Eine entsprechende Datenbank sorgt für Transparenz. ::: Stärkung des Bestbieterprinzips: Der niedrigste Preis wird allein nicht mehr ausschlaggebend sein. Die Qualität der Leistung sowie andere
soziale Kriterien, wie beispielsweise die fachliche Qualifikation der Beschäftigten, sollen verstärkt miteinbezogen werden. ::: Kleinlosregelung verbessern: Der Zugang von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) zu öffentlichen Aufträgen wird erleichtert. „Die Novelle kann ein Meilenstein für regionale Unternehmen und ihre Beschäftigten werden“, sagt Muchitsch. Es kann gelingen, unseriöse Subunternehmerketten und anonymes Preisdumping zurückzudrängen. „Durch gesetzliche Offenlegungs- und Prüfpflichten sollen ‚schwarze Schafe‛ effektiv bekämpft und von Aufträgen ausgeschlossen werden. Die verbleibenden seriösen Anbieter stehen somit nicht nur in einem
Preis-, sondern auch in einem Qualitätswettbewerb. Das hilft unseren heimischen Unternehmen und ihren Beschäftigten.” Die Initiative „Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze!“ wird sich bis zur Beschlussfassung im Parlament vor dem Sommer intensiv mit den Inhalten auseinandersetzen und bei Bedarf weitere Vorschläge einbringen. Inkrafttreten könnte die Novelle dann schon im kommenden Herbst.
„Die Novelle kann ein Meilenstein für regionale Unternehmen und ihre Beschäftigten werden. Durch gesetzliche Offenlegungs- und Prüfpflichten können ,schwarze Schafe‘ effektiv bekämpft und von Aufträgen ausgeschlossen werden.“ Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz
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GRUNDSATZ
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VERHANDLUNGEN ÜBER FREIEN HANDEL
TTIP ERHITZT DIE GEMÜTER
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Das EU-Parlament kann am Ende nur Ja oder Nein zu TTIP sagen und ist bei den Verhandlungen nicht dabei.
Seit zwei Jahren wird das umstrittene transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA verhandelt. Während im April jenseits des Atlantiks die mittlerweile neunte Runde stattfand, wird Kritik an den Inhalten hierzulande und im Rest Europas immer lauter.
Als sich die EU und die USA im Jahr 2013 dazu entschlossen haben, TTIP („Transatlantic Trade and Investment Partnership“) auf den Weg zu bringen, hatten sie ein klares Ziel vor Augen: Handelshemmnisse abzuschaffen und die größte Freihandelszone der Welt einzurichten. Kaum wurde zu diesem Zeitpunkt über die potenziellen Gefahren des Abkommens für Europa und seine BürgerInnen gesprochen. Heute, fast zwei Jahre nach dem Verhandlungsstartschuss, prasselt die harte Kritik fast permanent auf die Verhandlungsführer nieder. Bürgerinitiativen, NGO, Gewerkschaften – sie alle ringen um Unterstützungserklärungen und Unterschriften gegen TTIP. Einige wollen das Abkommen als Ganzes sterben sehen,
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ehe es noch geboren wurde. Andere wünschen sich einen Neustart der Verhandlungen, und wieder andere fordern inhaltliche Änderungen. INTRANSPARENTE GESCHÄFTE Das EU-Parlament muss am Ende „Ja“ oder „Nein“ zu TTIP sagen – in die Verhandlungen selbst und in die inhaltliche Ausgestaltung des Abkommens ist die BürgerInnenkammer nicht eingebunden. Verhandelt wird vonseiten der EU von der EU-Kommission stets hinter verschlossenen Türen. Nur ein Bruchteil dessen, was hinter diesen Türen besprochen wird, dringt an die Öffentlichkeit. Das EU-Parlament kann aber sehr wohl Druck ausüben und drohen, das Abkommen abzulehnen. Mit mehr
und mehr KritikerInnen steigt auch die Zahl der inoffiziell geleakten (= durchgedrungenen) Dokumente. In unterschiedlichen Abständen veröffentlichen NGO oder Abgeordnete geheime Verhandlungspapiere und machen sie der Welt im Internet zugänglich, um aufzuzeigen, was hinter TTIP lauert: Die Herrschaft der Konzerne, so scheint es. REGULIERTE ZUSAMMENARBEIT Für Verärgerung sorgen Gerüchte, wonach im TTIP-Abkommen ein Gremium zur regulatorischen Zusammenarbeit geplant ist. Darin sollen bereits im Vorfeld geplante nationale Gesetzgebungen gemeldet werden. Diese Institutionalisierung von Lobbyismus birgt offensichtlich die Gefahr, dass Konzerne auf Gesetzes-
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TRANSATLANTIK vorhaben, etwa in den Bereichen ArbeitnehmerInnen-, Umwelt- und KonsumentInnenschutz sowie in der Gesundheit, direkt Einfluss nehmen. Ein solches Gremium entbehrt jedes rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzips. INVESTORENSCHUTZ Eines der heißen Eisen bei TTIP ist der Investorenschutz. Gleich zu Beginn der Verhandlungen wurde dieser Bereich nach einer Welle des Protests auf Eis gelegt. Hauptproblem sind private Schiedsgerichte: Wenn ein internationaler Konzern in einem Land investiert und sich dann durch einen geänderte Gesetzeslage, etwa im Umweltschutz, ungerecht behandelt fühlt, kann er diesen Staat auf Millionen verklagen. Ausgetragen wird solch ein Streit bis dato vor privaten und intransparenten Schiedsgerichten (ISDS-Klausel). Genau das passiert bereits seit Jahren auf globaler Ebene. Jüngstes Beispiel
ist Argentinien. Im Großraum von Buenos Aires wurde die Wasserversorgung in den 1990er Jahren privatisiert und 2006 schließlich wieder renationalisiert. Dem französischen Wasserversorger wurden aufgrund entgangener Gewinne rund 400 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Ähnliches ereignete sich in Kanada, wo ein USKonzern aufgrund der kanadischen Umweltgesetzgebung 300 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen bekam. In beiden Fällen urteilte kein öffentliches Gericht, sondern ein privates und intransparentes Schiedsgericht. Diese sogenannte ISDS-Klausel war zunächst auch für TTIP vorgesehen. Doch die EU-Kommission gerät nun ins Wanken und reagiert auf den massiven sozialdemokratischen Druck. Handelskommissarin Cecilia Malmström präsentierte Anfang Mai ein reformiertes Schiedsgerichtsystem – zur Wahrung der Rechtssicherheit von Staaten. Vorge-
DRUCK AUSÜBEN, UMDENKEN ERREICHEN FSG direkt: Was passiert derzeit im Europäischen Parlament zu TTIP? Evelyn Regner: Das Europäische Parlament bezieht Position und erarbeitet im Moment eine Entschließung zum Freihandelsabkommen TTIP. Zuständig ist dafür der Handelsausschuss. Im Vorfeld haben alle anderen Ausschüsse, also auch der Beschäftigungs-, Rechts- und Umweltausschuss, Stellungnahmen abgegeben, die in die Parlamentsentschließung einfließen sollen. FSG direkt: Sind hier schon rote Linien erkennbar?
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Evelyn Regner: Einer der umstrittensten Punkte sind die Schiedsgerichte. Konservative sind für die Schiedsgerichte – SozialdemokratInnen, Linke und Grüne dagegen. Die Mehrheit dafür oder dagegen wird äußerst knapp. Erfolge haben wir aber schon mit den Stellungnahmen der genannten Ausschüsse erreichen können, in denen ISDS klar abgelehnt und der Erhalt hoher Standards in allen Bereichen gefordert wird. FSG direkt: Wann wird diese Entschließung verabschiedet? Evelyn Regner: Der Handelsausschuss stimmt am 28. Mai darüber ab und das
sehen ist die Schaffung eines bilateralen Handelsgerichts mit unabhängigen RichterInnen und Berufungsmöglichkeiten. Offenbar sieht die EU-Kommission endlich ein, dass intransparente Schiedsgerichte der falsche Weg sind. Weder in den USA, noch in Europa ändert sind eine Gesetzeslage willkürlich von einem Tag auf den anderen. Davon einmal abgesehen, passiert Gesetzgebung nach demokratischen Prinzipien, die kein privater Konzern aufweichen darf. Eine Paralleljustiz durch undurchsichtige Schiedsgerichte ist daher inakzeptabel. Letztlich bräuchte es aber einen globalen Handelsgerichtshof, nicht nur ein bilaterales Gericht für TTIP. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu
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Gewerkschafterin, Europaabgeordnete und geschäftsführende Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten.
EVELYN REGNER
gesamte Parlament Anfang Juni. Bis dahin wird fleißig verhandelt. Es ist äußerst wichtig, sich auf einen guten und kritischen Text zu einigen, der die Position des Europäischen Parlaments deutlich macht. Nur so können wir richtig Druck auf die EUKommission ausüben und ein Umdenken erreichen.
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FAIR. SOZIAL. GERECHT. WWW.FACEBOOK.COM/FSG.OEGB
LEBENSBEGLEITENDES LERNEN NACH BILDUNGSNIVEAU IM ALTER VON 25 BIS 64 JAHREN IN PROZENT Um im Beruf oder am Arbeitsmarkt bestehen zu können, ist heute immer mehr lebensbegleitende Bildung notwendig. 14 % der ÖsterreicherInnen zwischen 25 und 64 Jahren nahmen 2013 an einer Aus- oder Weiterbildung teil. Enormen Einfluss darauf hat die Vorbildung: Besuchten nur 4,6 % aller Personen mit Pflichtschulabschluss eine Aus- oder Weiterbildung, waren es mit Hochschulabschluss mehr als sechsmal so viele.
Pflichtschule
4,6 %
Lehre
7,9 %
BMS
11,8 %
AHS
29,3 %
BHS
20,5 %
Hochschule
30,7 % Quelle: Statistik Austria, Bildung in Zahlen 2013/14, Wien 2015, Daten beziehen sich auf 2013.
WOHER DER WOHLSTAND KOMMT 3,9 %
Quelle: Statistik Austria, Bildung in Zahlen, 2013/14
Wohlstand wird hierzulande nicht nur mit Reichtümern, Besitzständen oder Vermögen vererbt, sondern auch mit Bildung. Ungleich verteilt ist alles davon. Einige Beispiele aus dem Bereich der Bildung. Die Wahrscheinlichkeit für Kinder aus einem Pflichtschulhaushalt, in eine AHS-Oberstufe zu gehen, ist um 97 % niedriger als für ein Kind aus einem AkademikerInnenhaushalt. ::: Die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, ist mit Pflichtschulabschluss
doppelt so hoch als mit einem Hochschulabschluss. ::: Die Erwerbstätigenquote von HochschulabsolventInnen beträgt 85 %, von PflichtschulabsolventInnen nur 46 %. ::: Mit Pflichtschule liegt das Einkommen um 13 % unter dem Medianeinkommen
Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
(= mittleres Einkommen, 50 % verdienen mehr und 50 % weniger als dieses), mit Hochschule um 36 % darüber. ::: Ein Weg zu Wohlstand führt daher über die Bildungsschiene. Aber: Mehr Bildungs- und Verteilungsgerechtigkeit braucht unser Land!
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