FSG direkt, 06/2014

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13. Jahrgang // Nummer 6 // Wien, Juni 2014

d i rek t TOPINFOS FÜR ENGAGIERTE GEWERKSCHAFTERiNNEN

PETITION R GENSSTEUE FÜR VERMÖ EIBEN. UNTERSCHR

J E T Z T! AT

Illustration: Hannes Kiengraber

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GENUG GESPART FÜR ANDERE, MEHR NETTO VOM BRUTTO SEITE SEITE SEITE

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Land unter am Balkan: Solidarität kennt keine Grenzen Betriebsvereinbarung: Wie „Gesetz im Betrieb“ Ru n te r m i t d e r L o h n s te u e r : E i n g a n g s s te u e r s ä t z e i m Ve r g l e i c h

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Inhalt Illustration: Hannes Kiengraber

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Cover: Aktion „Genug gespart“ der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Unterstützen unter: www.oegj.at Betrügerische Praktiken stoppen Editorial FSG-Bundesgeschäftsführer

Aktuelles

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Zustimmung ist Auftrag Personalvertretungswahlen bei der Stadt Wien brachten gutes Ergebnis. Warten auf Finanzminister „Nein“ zu Steuerstrukturreform ist unverantwortlicher denn je.

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Kommentar

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FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian

Hintergrund

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Land unter Wasser am Balkan

Service

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Foto: mauritius images / Alamy

LOHN- UND SOZIALDUMPING BEKÄMPFEN

Dein Recht, Antworten auf Fragen

Klartext

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Augen auf, FIFA!

Grundsatz

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Keine Fußball-WM auf „blutiger Erde“

Europa/International

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EU-Wahlen: Karten sind neu gemischt

UNDOKUMENTIERTE ARBEIT

BETRÜGERISCHE PRAK Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben die Anlaufstelle „UNDOK“ für MigrantInnen ohne Papiere ins Leben gerufen. Das Ziel: Dem Schwarzunternehmertum das Wasser abzugraben. Lohnarbeit von MigrantInnen ohne gesicherten Aufenthalt in Österreich oder mit fehlendem beziehungsweise beschränktem Zugang zu unserem Arbeitsmarkt kann schnell zur Falle werden. MigrantInnen sind damit erpressbar und ausbeutbar. Das heißt: Arbeitgeber zahlen ihnen immer weniger Lohn oder Gehalt und unterlaufen soziale Mindeststandards. Das schadet letztendlich allen ArbeitnehmerInnen. Denn damit werden die von den Gewerkschaften

hart erkämpften Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnen nach und nach wieder verschlechtert. ANLAUFSTELLE EINGERICHTET Um das zu verhindern, ist es wichtig, dass alle ihre Rechte aus ihrer Arbeit auch einfordern. Und diese Rechte stehen allen zu, unabhängig ob mit oder ohne Papiere. Selbst der Arbeitsvertrag muss nicht schriftlich vorliegen, er kann auch mündlich oder stillschweigend zustande gekommen sein.

:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Sekretariat: Karin Stieber, A-1020 Wien, Johann-BöhmPlatz 1, Telefon 01/662 32 96-39738, Fax 01/662 32 96-39793, E-Mail: karin.stieber@oegbverlag.at. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Nani Kauer, Thomas Kallab, Carmen Janko, Amela Muratovic, Franz Fischill, Thomas Trabi. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos: KV Willy, Amela Muratovic, FSG GdG-KMSfB/Franz Fischill, ÖGB, Mauritius Images, picturedesk.com, ÖGJ, ÖGB-Archiv. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Telefon 01/662 32 96-39744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@ oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ­ ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.

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AKTUELLES


13. Jahrgang // Nummer 6 // Wien, Juni 2014

TOPINFOS FÜR GEWERKSCHAFTERiNNEN

LERNEN GEGEN DAS VERGESSEN

TIKEN STOPPEN Um betrügerische und ausbeuterische Praktiken von Arbeitgebern einzudämmen und Betroffenen sicher und verlässlich helfen zu können, wurde nun die Anlaufstelle „UNDOK“ ins Leben gerufen. Anfang Juni eröffneten Gewerkschaften gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen, der Österreichischen HochschülerInnenschaft, migrantischen Selbstorganisationen und antirassistischen AktivistInnen die „UNDOK“–Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender. Auch die AK Wien beteiligt sich finanziell, um dem Schwarzunternehmertum das Wasser abzugraben. Angeboten werden kostenlose Information und Beratung zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragen mit besonderem aufenthaltsrechtlichen Bezug in mehreren Sprachen. Zudem gibt es Unterstützung bei der Geltendmachung von vorenthaltenen Ansprüchen wie zum Beispiel Lohn, Urlaubsgeld, Überstunden oder Krankengeld. Mehr Information gibt es unter: www.undok.at

:::: FSG DIREKT IM ABO :::: FSG direkt ist kostenlos und kann bestellt werden unter: www.fsg.at. Anregungen und eigene Beiträge können eingesandt werden an: fsg@oegb.at

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Die Ergebnisse der EU-Wahlen fielen je nach Land sehr unterschiedlich aus. Manche fragten sich zum Beispiel, warum es in Europa so viel mehr Kapitalisten als ArbeitnehmerInnen gibt. Andere wiederum waren überrascht von den Ergebnissen in Frankreich und Großbritannien. Dort gibt es eine zum Teil sehr breite Ablehnung gegenüber der EU. Die EU als großes Friedenspro„Die heutige Jugend ist jekt ist heute für viele kaum noch in einer sehr friedlichen ein Wert an sich. Auch wenn sich EU aufgewachsen. Was sie sich erwartet: Freizum Beispiel am heurigen 6. Juni die Landung der Alliierten in der heit und echte ChanNormandie („D-Day“) zum 70. Mal cen auf Bildung!“ jährte, oder der Zweite Weltkrieg Willi Mernyi, FSGam 1. September vor 75 Jahren Bundesgeschäftsführer begann. Heute klingt das in vielen Ohren schon beinahe wie Geschichtsunterricht – auch wenn es noch gar nicht so lange her ist. Aber auch der 30-jährige Krieg hatte seine Ursachen unter anderem in Armut und Hunger in der breiten Bevölkerung. Genau genommen waren es mehrere innereuropäische Kriege zwischen 1618 und 1648. Unsere Geschichte dürfen wir niemals vergessen, aus unserer Geschichte müssen wir lernen. Unsere heutige Jugend ist in einem sehr friedvollen Europa aufgewachsen, mit dem Euro als Währung und ohne Passkontrollen an den Grenzen. Laut Umfragen ist Freiheit ihre oberste Maxime, und sie wollen den allgemeinen Zugang zu Bildung. Erst danach kommen Themen wie Soziales oder Wirtschaft. Nach den EU-Wahlen sind daher alle Länder aufgerufen, unserer europäischen Jugend echte Chancen auf Bildung einzuräumen und so die angespannte Lage auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu entschärfen. Die EU bietet dazu auch gute Austauschprogramme wie zum Beispiel „Erasmus+“ für Studierende oder „Leonardo da Vinci“ für die berufliche Bildung. Wir brauchen die Mittel dafür und das Interesse daran. Denn wer bei der Bildung spart, schadet den Menschen, schadet langfristig dem Wirtschaftsstandort und gefährdet den Frieden.

AKTUELLES

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PERSONALVERTRETUNGS- UND GEWERKSCHAFTSWAHLEN

ZUSTIMMUNG IST AUFTRAG Ein insgesamt ausgezeichnetes Ergebnis für die FSG brachten die Personalvertretungswahlen (PV-Wahlen) bei der Stadt Wien sowie die Wiener Gewerkschaftswahlen der GdG-KMSfB. es ein Plus von 0,5 Prozent auf nunmehr 76,4 Prozent. Bei den Personalgruppenausschüssen hält die FSG nun bei 74,8 Prozent, ein Minus von 1,3 Prozent. „Eine derart hohe Zustimmung zu unserer Arbeit ist nicht nur erfreulich, sondern ein gewaltiger Auftrag für die nächsten Jahre“, sagt GdG-KMSfBVorsitzender Christian Meidlinger. Dem Erfolg ist harte Arbeit vorangegangen.

Foto: mauritius images / Alamy

Bei den Gewerkschaftswahlen der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB Wien) konnte sich die FSG von 79,42 Prozent im Jahre 2010 auf 79,85 Prozent oder plus 0,43 Prozent steigern. Differenzierter auf höchstem Niveau war das Ergebnis bei den PV-Wahlen. Bei den Dienststellenausschüssen gab

Rund zwei Jahre lang besuchten Christian Meidlinger und FSG-GdG-KMSfB-Sekretär Erich Kniezanrek viele Dienststellen. „Wir haben uns mit allen Problemen intensiv beschäftigt, eine sogenannte zielgruppenorientierte Gewerkschaftsarbeit entworfen und letztendlich damit Erfolg gehabt“, sieht Kniezanrek vor allem durch die Ergebnisse in einzelnen Bereichen dieses Konzept als Erfolgsrezept. Und das, obwohl bei den Personalvertretungswahlen 21 Listen angetreten sind, davon neben der FSG weitere fünf „FSG-freundliche“ Listen.

20. BIS 22. JUNI: LINKES MUSIK-WOCHENENDE

Es geht um eine abwechslungsreiche Breite an kulturellen Programmpunkten in einer Welt, die sich ohne Pause verändert. In diesem Sinne sind alle kulturellen Beiträge der KünstlerInnen Beiträge für eine bessere Welt – im Kleinen wie im Großen. Auf dem Kulturprogramm stehen heuer neben vielen anderen auch „Sigi Maron & Rocksteady Allstars“ mit der neuen CD „Dynamit und Edelschrott“. Programm und nähere Information gibt es unter: www.kv-willy.at

Zum 13. Mal findet das „Festival des Politischen Liedes“ heuer vom 20. bis 22. Juni im Europacamp in Weißenbach am Attersee statt (Oberösterreich). Organisiert wird das linke MusikWochenende von musik- und kulturbegeisterten Menschen im „Kulturverein Willy“. Jedes Jahr versuchen sie, Altes nicht in Vergessenheit geraten und Neues entwickeln zu lassen.

FREIKARTEN FÜR „FSG DIREKT“-LESERiNNEN Freikarten gibt's auch heuer wieder über die FSG: Unter allen eingehenden E-Mails bis 12. Juni mit dem Betreff „Festival“ und den Angaben Name, Adresse und Telefonnummer werden drei Mal zwei Festivalkarten verlost (der Rechtsweg ist ausgeschlossen): fsg@fsg.at

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AKTUELLES


13. Jahrgang // Nummer 6 // Wien, Juni 2014

PV-WAHLEN :::: MEISTERLEISTUNG ::::

220 Wahlsprengel, 243 Wahlzellen und 303 Urnen: 1.200 KollegInnen sorgten für einen reibungslosen Ablauf rund um die Personal- und Gewerkschaftswahlen in Wien.

BESONDERS ERFREULICH Die FSG im Bereich „Sozialpädagogische Regionen“ konnte von 48,22 auf 57,99 Prozent zulegen. Die FSG hält dort sieben Mandate und die absolute Mehrheit. Erfreulich auch das Ergebnis bei den SchulwartInnen. Dort hatte die FSG im Jahre 2010 bereits 86,82 Prozent erreicht und konnte sich jetzt auf 91,58 Prozent steigern. Um gleich 19,35 Prozent zulegen konnte die FSG beim Gesundheitsdienst und hält dort inzwischen bei 74,78 Prozent. Als besonders erfreulich bezeichnet Kniezanrek das Ergebnis im Bereich „Ämter für Jugend und Familie“. Dort konnte sich die FSG um 14,08 Prozent steigern, hält jetzt bei 52,26 Prozent und bei fünf von zehn Mandaten und stellt durch die Stim-

menmehrheit nach Jahren wieder den Vorsitzenden. Eine Genugtuung ist auch das Ergebnis bei der Berufsrettung: „Dort haben die Freiheitlichen wirklich mit allen Mitteln gearbeitet und sich schon als die großen Sieger gesehen“, erzählt Meidlinger. Und dann konnte sich die FSG von 51,54 Prozent auf genau 60 Prozent beziehungsweise sieben Mandate steigern. Die Freiheitlichen verloren 5,57 Prozent. Im wahrsten Sinne nichts gerissen haben die Freiheitlichen auch bei ihrem erstmaligen Antreten bei der Wien Energie. Kniezanrek: „605 Stimmen wurden abgegeben, neun für die Freiheitlichen. Ein Kommentar ist da überflüssig.“ Autor: Franz Fischill E-Mail: franz.fischill@oegb.at

GdG-KMSfB-Vorsitzender Christian Meidlinger, die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger (zuständig für Personal) und FSG-GdG-KMSfBSekretär Erich Kniezanrek (von links).

„Das war eine organisatorische Meisterleistung. Ich danke jedem und jeder Einzelnen, der beziehungsweise die zum Gelingen beigetragen hat“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB), Christian Meidlinger, nach der Wahl. Die Personalvertretungswahlen bei der Stadt Wien und die Gewerkschaftswahlen der GdGKMSfB waren der sprichwörtliche Gewaltakt, den die Teams um Wahlleiter Norbert Popofsits sowie den Leitenden Referenten Michael Novak geleistet haben. 73.009 WAHLBERECHTIGTE Wahlberechtigt waren 73.009 Beschäftigte der Stadt Wien. Sie hatten die Möglichkeit, die Dienststellenausschüsse sowie die Personalgruppenausschüsse zu wählen, also zwei Stimmen abzugeben. Gleichzeitig galt es auch, die Gewerkschaftsgremien zu wählen. Zusätzlich wurden die Behindertenvertrauenspersonen gewählt. Bei den Gewerkschaftswahlen waren die PensionistInnen sowie die Mitglieder aus dem Bereich KMSfB per Briefwahl stimmberechtigt.

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AKTUELLES

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STEUERSTRUKTURREFORM

WARTEN AUF FINANZMINISTER

„Das Vermögen der Millionäre steigt und steigt, während ,Otto Normalverbraucher‘ und Staatshaushalte nach wie vor unter den Folgen der Krise zu leiden haben“, fasst FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian den aktuellen Vermögensreport des Liechtensteiner Investmenthauses Valluga zusammen. Der Report bescheinigt Österreich das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich. Im vergangenen Jahr erhöhte sich die Zahl der Menschen mit einem Finanzvermögen von mehr als einer Million Euro um 4.600 auf 82.300. Im Durchschnitt besitzt ein österreichischer Millionär 3,19 Millionen Euro. Mit dem Gesamtvermögen von 262 Milliarden Euro könnten laut dem Report Österreichs Millionäre die gesamte Verschuldung der Republik auf einmal begleichen – und es blieben noch 20 Milliarden Euro „Restgeld“ übrig. „Während Vermögen in Österreich kaum besteuert wird, ist der Faktor Arbeit hoch besteuert. Damit muss jetzt Schluss sein“, fordert AK-Präsident Rudi Kaske. VERMÖGENSSTEUERN ZU NIEDRIG Österreich zählt nach wie vor zu den Schlusslichtern in Sachen Vermögensbesteuerung. „Während viele Millionäre eine vermögensbezogene Besteuerung vermutlich nicht einmal spüren würden, wäre das daraus lukrierte Geld eine Unterstützung für die Steuerstrukturreform, die wir dringend brauchen, um die ArbeitnehmerInnen zu entlas-

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AKTUELLES

ten“, sagt Katzian. Denn der Effekt der letzten Lohnsteuersenkung 2009 ist mittlerweile wieder verpufft. Zwar sank die Abgabenbelastung (Steuern und Sozialabgaben inklusive Arbeitnehmerbeiträgen abzüglich Sozialtransfers) eines/einer durchschnittlichen Arbeitnehmers/ -nehmerin 2009 von 49 auf 47,9 Prozent, aber seither ist sie wieder auf 49,1 Prozent angestiegen (Stand 2013). 2009 wurde unter anderem der Eingangssteuersatz bei der Lohnsteuer von 38,33 Prozent auf 36,5 Prozent abgesenkt. Österreich hatte damit nach Island 2010 noch immer den höchsten Eingangssteuersatz der 34 Mitgliedsstaaten der OECD. Im OECDSchnitt betrug dieser 15,5 Prozent. Die Eingangssteuersätze blieben laut dem deutschen Bundesministerium der Finanzen auch bis 2012 weitgehend unverändert (Stand 2013, siehe Seite 16). „WIR HABEN ES SATT“ Ablesen lässt sich aus den OECD-Zahlen auch der Effekt der „kalten Progression“. Für die/den durchschnittliche/n österreichische/n Arbeitnehmerin/-nehmer hat die OECD errechnet, dass 2013

von einer Brutto-Lohnerhöhung von 2,4 Prozent abzüglich Steuern (0,4 Prozent) und aufgrund der Teuerung fast nichts übrig geblieben ist. Übrigens: 2013 ist auch der Privatkonsum gesunken. „Österreich ist das Land, in dem 95 Prozent der Arbeitsverhältnisse durch Kollektivverträge gut geregelt sind, und die Gewerkschaften verhandeln jährlich anschauliche Lohnerhöhungen“, sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar. „Doch nach Abzug der Steuern und Abgaben bleibt zu wenig übrig, um die gestiegenen Kosten zu decken, und wir haben es satt, den Großteil dieser Lohnerhöhungen für den Finanzminister zu verhandeln“, kritisiert Foglar und fordert mehr Netto vom Brutto. Das würde die Nachfrage und die Wirtschaft stärken. Und allein durch den höheren Konsum würden durch die Mehrwertsteuer 20 Prozent wieder hereinkommen. Weitere Gedanken zu einer Gegenfinanzierung könnte man über vermögensbezogene Steuern anstellen. GEWERKSCHAFTEN MACHEN DRUCK Im ÖGB-Vorstand wurde daher Ende Mai einstimmig – also auch mit der Fraktion Christlicher GewerkschafterInnen – beschlossen, bis Herbst ein Konzept für eine Steuerstrukturreform vorzulegen. Von der Bundesregierung erwartet Foglar den Beschluss einer Entlastung 2015. Und „geht nicht, gibt’s nicht“,

Foto: mauritius images / dieKleinert

Ein „Nein“ zu einer Steuerstrukturreform ist angesichts neuer Vermögensberichte und Studien unverantwortlicher denn je. Wer die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen will, ist eine Gefahr für das ganze Land.


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KOMMENTAR stellt Foglar klar. Mittlerweile unterstützen auch viele ÖVPArbeitnehmerInnenvertreter den Kurs des ÖGB. Nur der ÖVPFinanzminister legt sich noch quer. „Es entsteht immer mehr der Eindruck, dass dem Finanzminister die Interessen einer kleinen Vermögens- und Finanzlobby wichtiger sind als die Entlastung der arbeitenden Bevölkerung und des Mittelstandes“, stellt Katzian fest. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die vor kurzem besiegelte Neuregelung der Grunderwerbsteuer, die nach wie vor sozialdemokratische GewerkschafterInnen kritisch sehen, und durch die Senkung der Lohnnebenkosten: Von beiden profitieren Unternehmen und Vermögende. Und zur Erinnerung: 2005 wurde unter der schwarz-blau-orangen Regierung die Körperschaftsteuer für Unternehmen von 34 auf 25 Prozent abgesenkt. Das war damals einer der niedrigsten Körperschaftsteuersätze in Europa. KEINE GEFAHR FÜR STANDORT Eine Studie des industrienahen Instituts „Eco Austria“ im Auftrag des Wirtschaftsministeriums lässt nun in puncto Standortwettbewerb aufhorchen: „Bei Verlagerungen ist Österreich nicht sonderlich auffällig und liegt im europäischen Mittelfeld, es gibt auch Betriebe, die sich bei uns ansiedeln“, sagt Studienautor Ulrich Schuh. Im zeitlichen Verlauf seien die Verlagerungsaktivitäten schon seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts deutlich zurückgegangen – damit auch der Abbau von Arbeitsplätzen. Von den im Untersuchungszeitraum 2002 bis 2013 betroffenen Arbeitsplätzen entfiel aber ohnehin fast die Hälfte (14.307) auf Insolvenzen. Von Schließungen waren 5.236 Arbeitsplätze betroffen, von Verlagerungen 6.872 Arbeitsplätze. Zum Vergleich: Seit 2002 wurden laut der Studie in Österreich allein durch 1.964 neue Ansiedlungen internationaler Unternehmen rund 20.500 Arbeitsplätze geschaffen. Stellt sich nur noch die Frage: Worauf wird eigentlich noch gewartet, um die ArbeitnehmerInnen durch eine Steuerstrukturreform endlich zu entlasten und dadurch die Nachfrage und die Wirtschaft anzukurbeln? ÖGB-Präsident Erich Foglar: „Diese Borniertheit im Finanzministerium ist mittlerweile eine Gefahr für das ganze Land.“ Autor: Christoph Höllriegl E-Mail: christoph.hoellriegl@fsg.at

:::: WE B T IP P :::: „Her mit der Vermögenssteuer“ – die Petition der Gewerkschaftsjugend unterstützen unter: www.oegj.at

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WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER

ES IST GERECHT UND MACHBAR, RUNTER MIT DER LOHNSTEUER Jeder, der einen Lohn- beziehungsweise Gehaltszettel hat, der weiß aus eigener Erfahrung genau, was die aktuelle Steuer-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt: DurchschnittsverdienerInnen sind in Österreich überdurchschnittlich hoch belastet. Unsere Abgaben fressen das halbe Einkommen – keine Übertreibung! Für einen durchschnittlich verdienenden Single liegt die Abgabenbelastung bei 49,1 Prozent, nur in Deutschland und Belgien ist die Belastung noch höher. Bei Familien ist es nicht ganz so viel: Im internationalen Vergleich liegt die Abgabenbelastung aber auch im Spitzenfeld. Die ArbeitnehmerInnen tragen einen immer größeren Anteil an der Steuerlast. Erstmals werden die Einnahmen aus der Lohnsteuer jene aus der Mehrwertsteuer übersteigen. Der Handlungsbedarf ist aber leider nicht allen klar. Einige vertreten immer immer noch die Meinung, dass sich die Republik eine Steuerstrukturreform nicht leisten kann. Diese Blockade vom Finanzminister und anderen, vor allem ÖVP-PolitikerInnen, muss endlich durchbrochen werden. Deswegen erhöhen wir Gewerkschaften jetzt den Druck auf die Bundesregierung: Der ÖGB hat das Thema Steuerstrukturreform mit einem Beschluss Ende Mai zum Schwerpunkt für 2014 und 2015 gemacht. Bis September werden unsere ExpertInnen gemeinsam mit der Arbeiterkammer ein Konzept erarbeiten. Das Hauptziel: Eine spürbare Entlastung der ArbeitnehmerInnen. Dass für die Finanzierung genug Geld vorhanden ist, das beweist der jüngste Vermögensreport. Die Zahl der Millionäre in unserem Land ist höher als je zuvor, Tendenz steigend. Daher: Her mit der Steuerstrukturreform, gegenfinanziert durch eine Vermögenssteuer!

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LAND UNTER IN BOSNIEN-HERZOGOWINA UND SERBIEN

SOLIDARITÄT KENNT KEINE GRE Heftige Regenfälle verursachten die schlimmste Flutkatastrophe am Balkan seit 120 Jahren. Betroffene helfen sich über Landesgrenzen hinweg gegenseitig. Der Samariterbund startete österreichweit Hilfsaktionen. Nach tagelangen, extremen Regenfällen sind weite Teile in Bosnien und Serbien noch immer überschwemmt. Ahmed Husagic, Politikwissenschafter und Mitinitiator der Hilfsaktion, hat den ersten Hilfskonvoi aus Österreich nach Bosnien begleitet. „Das Ausmaß der Katastrophe vor Ort machte mich und das gesamte Team sprachlos. Der Geruch von verwesten Tierkadavern und verbranntem Müll lag überall in der Luft. Am Weg zum Zentrallager sahen wir Kinder mit Schutzmasken den Müll nach noch brauchbaren Sachen durchwühlen, Frauen, die ihre Vorgärten mit verseuchtem Wasser säuberten, und Männer, die versuchten den bereits eingetrockneten Schlamm von den Straßenwegen zu entfernen“, schildert Husagic und kann trotz der katastrophalen Zustände dort auch Positives berichten: „Nach den schrecklichen Kriegsjahren und dem nationalistischen Druck, der das Land und seine BewohnerInnen de facto als SklavInnen gehalten hatte, haben die Menschen nun ihr wahres Gesicht des Miteinanders, welches dieses Volk immer ausgezeichnet hat, gezeigt. Ich bin äußerst positiv überrascht.“ CHANCE FÜR BOSNIEN Bosnien ist ein armes Land, schon vor der Hochwasserkatastrophe stand es am Rande eines sozialen Zusammenbruchs. Die gegenwär-

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HINTERGRUND

tigen Überschwemmungen verschärfen die Situation zusätzlich: „Etwa eine Million Menschen mussten in Notunterkünften untergebracht werden, viele von ihnen haben ihr ganzes Hab und Gut verloren. Dem Land fehlt es an notwendigen Mitteln, wie etwa genügend Einsatzfahrzeuge, um die aktuelle Situation allein zu bewältigen. Das ist sicherlich auch auf die derzeitige Regierung zurückzuführen. Ein Umdenken findet bereits bei den Menschen statt, und diese Katastrophe könnte eine große Chance für Bosnien sein, dafür braucht es aber unbedingt neue politische Kräfte“, sagt Husagic. WO HILFE AM NÖTIGSTEN IST Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ist Partner einer Hilfsaktion für die Flutopfer am Balkan. Was als eine spontane Hilfsaktion vieler kleiner Vereine und Privatpersonen über Facebook startete, wurde innerhalb kürzester Zeit zu einer großangelegten Hilfs- und Spendenaktion – allein am ersten Wochenende

wurden etwa 250 Tonnen an Kleidung, haltbaren Lebensmitteln, Mineralwasser, Hygieneartikel und medizinischem Zubehör gesammelt. „Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Österreich ist unglaublich groß. Hunderte freiwillige HelferInnen kamen, um die Hilfsgüter zu sortieren und transportfähig zu machen“, sagt Reinhard Hundsmüller, Bundesgeschäftsführer des ArbeiterSamariter-Bunds Österreichs. Mehr als 30 Sattelschlepper mit lebenswichtigen Spenden sind bereits in den stark betroffenen Regionen und bei den notleidenden Menschen angekommen – viele MitarbeiterInnen des Samariterbundes haben sich für diesen Auslandseinsatz freiwillig gemeldet. Es wird darauf geachtet, dass jede Lieferung genau dokumentiert wird, damit die Hilfe auch dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird. „Vor Ort versuchen wir, die Menschen zu erreichen, die ihr Zuhause nicht verlassen können – vor allem ältere und gebrechliche Personen, und Familien mit vielen Kindern“, sagt Corinna Dietrich vom ASB. Viele Wege und Häuser wurden durch gewaltige Erdrutsche zerstört. „Das ist der Unter-


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IN MEMORIAM

NZEN

„TAKTIEREN ALS NEBENSACHE“

schied zu den bestehenden Sammelstellen, zu denen nur mobile Menschen Zugang finden. Ein großer Teil der Bevölkerung, darunter viele Kinder, ist durch die gewaltigen Erdrutsche total von der Außenwelt abgeschnitten“, erzählt Darko Markovic, Initiator der Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien und Herzegowina. Insgesamt wurden seit Beginn der Hilfsaktion rund 650 Tonnen Sachspenden österreichweit gesammelt.

Autorin: Amela Muratovic E-Mail: amela.muratovic@oegb.at

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PROF. SEPP WILLE

Fotos: TT News Agency / picturedesk.com, Hans Ringhofer / picturedesk.com

JEDE UNTERSTÜTZUNG ZÄHLT „Die örtlichen Kräfte können das gewaltige Ausmaß der Flutkatastrophe nicht allein bewältigen, deswegen ist es wichtig, dass wir auch vor Ort sind und helfen. Großes Lob und Dank gilt auch vielen Unternehmen, die unsere Aktion mit ihren Spenden unterstützt haben“, sagt Hundsmüller. Das österreichische Bundesheer produziert zudem Trinkwasser für die nordbosnische Region Orasje, maximal 240.000 Liter pro Tag sind möglich. Damit kann der Bedarf von 25.000 Personen abgedeckt werden. Transportiert wird das aufbereitete Wasser per Lastkraftwagen. Zwei Drittel der lokalen Bevölkerung beziehen ihr Trinkwasser für gewöhnlich aus Hausbrunnen. Bis diese Versorgung wieder möglich ist wird noch einige Zeit vergehen müssen. Mehr Information und Spendenmöglichkeit gibt es unter: www.samariterbund.net

Gewerkschafter, Politiker, Philosoph und Publizist ...

Tief betroffen vom Ableben des ehemaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie (MBE), Professor Sepp Wille (1926–2014), zeigte sich ÖGB-Präsident Erich Foglar: „Mit Sepp Wille verliert die Gewerkschaftsbewegung einen engagierten, kollegialen und von allen Seiten anerkannten Gewerkschaftspolitiker. Neben seiner Funktion als MBE-Vorsitzender und Nationalratsabgeordneter war Sepp Wille auch ein großer Philosoph und Publizist der Arbeiterbewegung, dessen vielfältiges Wirken immer beseelt war von seinem Einsatz für Demokratie und Gerechtigkeit“, sagte Foglar. Wille war auch leitender Redakteur der Zeitschriften „Glück auf“ und „Welt der Arbeit“. Aus Letzterer ging 2002 die heutige Zeitschrift „FSG direkt“ hervor. WIE POLITIK ÜBERZEUGEN KANN Vor einem halben Jahrhundert schrieb Wille 1964 in der „Welt der Arbeit“ über Taktieren als Nebensache: „Freilich ist es zu verstehen, daß wir Sozialisten eine Politik betreiben, die die sozialistischen Vorstellungen zu verwirklichen hilft. Wir können eine ebenso parteipolitisch orientierte Politik auch den anderen Parteien nicht verdenken, und eben deshalb: Soll eine wahrhaft staatsmännische Politik überzeugen, so tut sie es

nur, wenn sie die Grenzen der eigenen Vorstellungen überschreitet und die Notwendigkeiten der anderen Parteien ebenso zu erfassen sucht. Nur eine derartige Politik – im engeren Rahmen lehren sie die Gewerkschaften seit 1945 – führt zu einer gemeinsamen Zielsetzung und so zur Lösung der gestellten Aufgaben. Freilich, eine derartige Politik hat nichts mit dem Übervorteilen – und dadurch Überfordern – des politischen Partners zu tun. Das politische Operieren und Taktieren wird von der Hauptsache zur Nebensache, und das politische Polemisieren, Verdächtigen und Stänkern hört auf. (...) Das Volk will also kein ermüdendes Gezänk und Gekläff, sondern ermunternde Beispiele konstruktiver Arbeit. Es wird besser verstanden, wenn sich die Politiker beider Parteien die Hände reichen und sich gegenseitig unterstützen, als wenn die wichtigsten Aufgaben unerledigt bleiben.“ Sepp Wille wurde 1926 in Landeck (Tirol) geboren, war gelernter Mechaniker und Werkzeugmacher und engagierte sich früh als Betriebsrat und Gewerkschafter. Wille war Abgeordneter zum Nationalrat (1971–1986), SPÖ-Klubobmann (1983–1986) und Vorsitzender der MBE (1985–1988), 1988 wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

HINTERGRUND

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BUCHTIPPS EINE REISE DURCH ALTERNATIVE WIRTSCHAFTSSYSTEME Hat der Kapitalismus ausgedient? Was muss sich in unserer Welt ändern, um bessere Voraussetzungen für alle zu schaffen? Ausgangspunkt für eine spannende Reise durch alte und neue Wirtschaftssysteme ist ein Streitgespräch zwischen einem systemkritischen Mädchen und seinem Vater. Anarchistische Visionen werden mit dem Problem einer effizienten Verwaltung von Ressourcen konfrontiert. Die Planwirtschaft

:::: BUCHTIPP :::: Bessere Welt Hat der Kapitalismus ausgedient? Eine Reise durch alternative Wirtschaftssysteme, Giacomo Corneo, Goldegg Verlag, 2014, 368 Seiten, 24,90 Euro. scheitert am Problem der Innovation, und das System der Selbstverwaltung leidet unter Betriebsegoismus. Auch die Ausweitung des Wohlfahrtsstaates und was eine Trendumkehr bedeuten würde, wird kritisch diskutiert.

KOLLEKTIVE LOHNGESTALTUNG IN ÖSTERREICH Die Festsetzung des Entgelts ist im österreichischen Arbeitsrecht eine der zentralen Aufgaben der überbetrieblichen kollektiven Rechtsgestaltung. Allerdings finden sich sowohl auf betrieblicher als auch auf überbetrieblicher Ebene Praktiken, die in einem gewissen Spannungsverhältnis dazu stehen. Das Buch widmet sich diesen praktischen Phänomenen.

:::: BUCHTIPP :::: Kollektive Lohngestaltung in Österreich, Reinhard Resch (Hg.), Reihe: Schriften zum Arbeits- und Sozialrecht, ÖGB-Verlag, 2014, 100 Seiten, 24,90 Euro Bestellmöglichkeit gibt es in der ÖGB-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Telefon 01/405 49 98–132 oder per E-Mail an: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.oegbverlag.at

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SERVICE

BETRIEBSVEREINBARUNG

WIE „GESETZ IM Betriebsvereinbarungen haben besondere Rechtswirkungen, die über jene eines privatrechtlichen Vertrages weit hinausgehen.

§ 29 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) definiert die Betriebsvereinbarungen (BV) als schriftliche Vereinbarungen zwischen Betriebsrat (BR) und Betriebsinhaber (meistens Arbeitgeber). BV können rechtsverbindlich im Sinne des ArbVG nur über Themen abgeschlossen werden, die das ArbVG, andere Gesetze oder der Kollektivvertrag ausdrücklich für die BV vorsehen. Sie sind im Betrieb ordnungsgemäß zu veröffentlichen (kundzumachen). Der Betriebsinhaber muss den für den Betrieb zuständigen gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber (Wirtschaftskammer) und der Arbeitnehmer (Arbeiterkammer) je eine Ausfertigung der BV übermitteln. Werden all diese formalen Voraussetzungen eingehalten, haben BV gemäß § 31 ArbVG besondere Rechtswirkungen, die über jene eines privatrechtlichen Vertrages weit hinausgehen. „FEHLERHAFTE“ BETRIEBSVEREINBARUNGEN Werden die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt, heißt das aber nicht, dass die Vereinbarung gänzlich unwirksam ist. Die besonderen Rechtswirkungen des ArbVG treten aber nicht ein. Je nach Art des Fehlers können auch „fehlerhafte“ BV Wirkung für die AN eines Betriebes haben. Wird zum Beispiel zu einem anderen Thema als im Gesetz oder Kollektivvertrag vorgesehen eine BV abgeschlossen, kann doch angenommen werden, dass sich der Arbeitgeber zu einer entsprechenden Leistung verpflichten wollte. Damit ist die (an sich ungültige) BV als Angebot an die AN des Betriebs zu verstehen, die Einzelverträge entsprechend zu ändern (sogenannte „freie“ BV). Nimmt ein AN das Angebot an, ist die entsprechende Regelung Inhalt des Einzelarbeitsvertrages geworden. Neuerliche Abänderungen sind nur mit Zustimmung des AN und Arbeitgebers möglich. Die Annahme des Angebots ist im Allgemeinen an keine besonde-


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DEIN RECHT

BETRIEB“

UNMITTELBAR RECHTSVERBINDLICH Die Bestimmungen der BV sind, soweit sie nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen Betriebsinhaber und BR regeln, unmittelbar rechtsverbindlich (Normwirkung). Es ist daher nicht nötig, dass die einzelnen ArbeitnehmerInnen (AN) des Betriebes der BV zustimmen. Die BV gilt wie ein Gesetz im Betrieb und wirkt auf die Einzelarbeitsverhältnisse unmittelbar ein. Die Bestimmungen in BV können durch Einzelarbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden. Arbeitsverträge sind nur gültig, wenn sie für AN günstiger sind oder Angelegenheiten betreffen, die durch BV nicht geregelt sind. DAUER UND KÜNDIGUNG BV können gemäß § 32 ArbVG befristet für eine Zeit abgeschlossen werden. Unbefristete BV können unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Letzten eines Monats schriftlich gekündigt werden. Das ArbVG sieht für bestimmte Themen bei Streit über den Abschluss, die Abänderung und Aufhebung einer BV die Anrufung der Schlichtungsstelle vor (sogenannte „notwendige“ BV ge-

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mäß § 96 Abs. 2 ArbVG). Derartige BV können nicht gekündigt werden. Die Rechtswirkungen der BV enden mit ihrem Erlöschen. Wurde die BV gekündigt, bleiben ihre Rechtswirkungen für Arbeitsverhältnisse, die unmittelbar vor ihrem Erlöschen durch sie erfasst waren, so lange aufrecht, als für diese Arbeitsverhältnisse nicht eine neue BV wirksam oder mit den betroffenen AN nicht eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird (sogenannte Nachwirkung). Die Beendigung der BV ist im Betrieb ordnungsgemäß kundzumachen. Der Betriebsinhaber muss die AK vom Erlöschen der BV verständigen. THEMEN UND ZUSTÄNDIGKEIT Die möglichen Themen für eine BV sind in den §§ 96 ff. ArbVG aufgezählt. Auch in anderen Gesetzen (zum Beispiel Arbeitszeitgesetz) finden sich derartige Ermächtigungen. Welche AN-Vertretung im Betrieb für den Abschluss einer bestimmten BV zuständig ist (Zentral-BR, BR, Gruppen-BR etc.) hängt einerseits davon ab, welche AN-Vertretung im Betrieb/Unternehmen existiert und welche AN von der BV betroffen sind. Sind zum Beispiel nur ArbeiterInnen eines Betriebes davon betroffen, ist der Arbeiter-BR dieses Betriebes dafür zuständig.

THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at Ich bin geringfügig beschäftigt. Habe ich Anspruch auf Sonderzahlungen? Sind Sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt, bedeutet eine geringfügige Beschäftigung nur, dass die Teilversicherung in der Unfallversicherung damit verbunden ist. Arbeitsrechtlich sind Sie teilzeitbeschäftigt. Sieht der anzuwendende Kollektivvertrag vor, dass Sonderzahlungen zustehen, müssen Sie diese erhalten. Geringfügig Beschäftigte können aber auch als „freie DienstnehmerInnen“ beschäftigt werden. Dann ist kein Kollektivvertrag anzuwenden. Sonderzahlungen stehen nur zu, wenn Sie solche vereinbart haben. Zustehende Sonderzahlungen sind bei der Berechnung der Geringfügigkeitsgrenze von 395,31 Euro pro Monat (2014) zu berücksichtigen.

Foto: mauritius images / Haag + Kropp

re Form gebunden. Auch eine schlüssige Annahme (zum Beispiel durch Annahme der Leistung durch den AN) sind möglich und zulässig.

Mein Arbeitgeber verlangt von mir öfters, dass ich die Mittagspause durcharbeite. Bekomme ich Überstunden dafür? Grundsätzlich zählt jede Zeit als Arbeitszeit, von Beginn bis zum Ende der Tagesarbeit. Pausen, die gehalten werden, jedoch nicht. Überschreiten Sie (durch den Wegfall der Pause) die gesetzliche Normalarbeitszeit, leisten Sie Überstunden und müssen diese auch als solche bezahlt bekommen. Ihr Arbeitgeber verletzt jedoch das Arbeitszeitgesetz und kann dafür bestraft werden.

SERVICE

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NANI KAUER

KLARTEXT

E-MAIL: nani.kauer@oegb.at

AUGEN AUF, FIFA! Rührend, der aktuelle Spot der FIFA, der im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien auf allen Sendern läuft: Fußball macht die Menschen glückselig, insbesondere die Kinder (herzige Kinder gehen immer gut), der Sport verbindet die Völker und alle haben sich furchtbar lieb. Die gleiche FIFA, die sich bisher nur in Überschriften und mit halbherzigen Lippenbekenntnissen zu den Zuständen im arabischen Katar – dort soll 2022 die Fußball-WM stattfinden – geäußert hat. Die FIFA sei doch aber nur für den Sport zuständig, hört man dann oft, wie es im Land zugeht, da könne man sich wirklich nicht einmischen; und doch etwas kritischere Stimmen meinen, bei 50 Grad Fußball zu spielen sei schon recht hart. Keine Rede von unmenschlichen Arbeitsbedingungen, Sklaverei-ähnlichen Zuständen oder gestorbenen Bauarbeitern. Mach die Augen auf, FIFA: Absiedlungen in Brasilien, Tote in Katar – das ist nicht mehr sportlich. Aktion vor der Botschaft von Katar in Wien, Ende April.

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GRUNDSATZ


13. Jahrgang // Nummer 6 // Wien, Juni 2014

FUSSBALL VERANSTALTER IN DIE PFLICHT NEHMEN

KEINE WM AUF „BLUTIGER ERDE“ In Katar auf der arabischen Halbinsel werden „Bauarbeiter“ wie Sklaven gehalten. Dennoch soll die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 dort stattfinden. Die Proteste werden lauter und sichtbarer.

1.200 Bauarbeiter sind bei den vorbereitenden Baumaßnahmen für die Fußball-WM 2022 in Katar bereits ums Leben gekommen. Für jeden getöteten Arbeiter wurde vor der Botschaft von Katar in Wien ein Bauhelm sowie ein Kranz mit der Gesamtzahl der Getöteten niedergelegt. In der Botschaft wurde eine Petition an den Premierminister von Katar übergeben, diese unhaltbaren Zustände zu beenden. UNWÜRDIG FÜR REICHSTES LAND Der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz, erinnert, dass es auch anders geht: „Für die WM in Südafrika 2010 kamen zwei und für die Olympischen Spiele in London 2012 null Menschen ums Leben. Das ist sehr weit weg von den 4.000, die in Katar befürchtet werden.“ In Katar sterben die Arbeiter zumeist an Herzinfarkten und nicht bei Arbeitsunfällen. Grund dafür sind die unerträgliche Hitze und die mangelnde Versorgung mit Wasser während der Arbeitszeit. Die zweithäufigste Ursache sind Suizide. „Die Situation in Katar ist absolut unwürdig für das reichste Land der Welt“, sagt Achitz.

nicht gegeben. „Alle bisherigen Aufforderungen, die untragbaren Zustände bei den Arbeitsbedingungen zu beenden, blieben aber erfolglos. Verbessert hat sich nichts. Seitens der FIFA wurden nur leere Versprechen gemacht“, sagt Nationalratsabgeordneter Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH). „So lange in Katar Arbeiter sterben, werden wir diesen Wahnsinn mit weiteren Aktionen aufzeigen. Kein Fußballfan oder Profifußballer darf akzeptieren, dass eine WM auf ,blutiger Erde‘ ausgetragen wird“, fordert Muchitsch. FIFA MUSS HANDELN Wenn Katar nicht schnell einlenkt, dann ist bis 2022 noch genug Zeit, um Katar die WM wegzunehmen. Dann muss über einen neuen Austragungsort abgestimmt werden. Dafür hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) die Kampagne www.rerunthevote.org („neu abstimmen“) auf die Beine gestellt.

Dennis Mimm, Profifußballer und Vertreter der Vereinigung der Fußballer (VdF), erinnert daran, dass der internationale Fußballverband FIFA einer der „reichsten und mächtigsten Verbände der Welt ist. Als solcher hat die FIFA auch eine große Verantwortung für die ArbeiterInnen – und dieser Verantwortung muss auch nachgekommen werden. Dafür müssen auch wir uns als Spieler einsetzen.“ JETZT UNTERSTÜTZEN Anlässlich der unhaltbaren Zustände in Katar wurde auch die Initiative „Nosso Jogo – für globales Fair Play“ ins Leben gerufen. Nosso Jogo heißt „unser Spiel“ auf portugiesisch. „Wir fordern damit faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Menschenrechte bei allen sportlichen Großveranstaltungen“, erklärt Stefan Grasgruber-Kerl von Nosso Jogo. Gemeinsam mit dem ÖGB fordert Nosso Jogo die Aufnahme bindender internationaler Arbeits- und Menschenrechtsbestimmungen in die Vergabekriterien und den Verhaltenskodex der FIFA und in die Olympische Charta. Nosso Jogo kann unterstützt werden unter: www.nossojogo.at

Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB (vorne links) und Nationalrats-

DRUCK ERHÖHEN 2010 bekam Katar vom internationalen Fußballverband FIFA den Zuschlag zur WM 2022. Der Bau von Hotels und Straßen begann 2011. Ohne Vergabe der WM an Katar hätte es diesen Bauboom

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abgeordneter Josef Muchitsch (GBH-Vorsitzender, vorne Mitte) fordern ein Ende der unhaltbaren Zustände im reichen Katar.

GRUNDSATZ

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EUROPA-PARLAMENT

KARTEN SIND NEU GEMISCHT Die BürgerInnen haben das neue EU-Parlament gewählt. Auf EU-Ebene ist das Ergebnis beachtlich: Die Liberal-Konservativen müssen Sitze einbüßen, die SozialdemokratInnen halten ihre Mandate annähernd.

Der Abstand zu den Konservativen verringert sich deutlich. Vom österreichischen Wahlergebnis hatten sich viele mehr erwartet – Schönreden ist unangebracht. Nichtsdestotrotz können wir zufrieden sein, da wir bei der Mandatsanzahl gleichauf sind mit den Konservativen. Das ist zunächst einmal die Gelegenheit, um Danke zu sagen für die großartige Unterstützung aus den Gewerkschaften und von den Betriebs-

rätInnen. Und gleichzeitig der Zeitpunkt, um mit der Überzeugung, dass wir ein sozialeres Europa brauchen, nach vorne zu blicken. Die Wahl macht deutlich, wer die wahren DemokratInnen sind. Das Zögern der liberal-konservativen Regierungschefs bei der Nominierung des Kommissionspräsidenten zeigt ganz klar, dass es die SozialdemokratInnen sind,

PARTEIEN UND MANDATE IM NEUEN EU-PARLAMENT VORLÄUFIGE ERGEBNISSE

GUE/NGL:

Sozialisten, Kommunisten

45 (+10)

S&D:

Sozialdemokraten

190 (–6)

GRÜNE/EFA:

Grüne 52 (–5)

FRAKTIONSLOS: ALDE:

41 (+8)

Liberale 59 (–24)

EVP:

Christdemokraten, Konservative 221 (–53)

ECR:

Konservative 46 (–11)

EFD:

EU-Skeptiker, Rechte 38 (+7)

Neue Mitglieder, die keiner Fraktion des „alten“ EU-Parlaments angehören +59 Quelle: Europäisches Parlament (www.ergebnisse-wahlen2014.eu, Stand 5. Juni 2014)

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EUROPA/INTERNATIONAL

die den Willen der WählerInnen respektieren. Nach der Wahl ist oft vor der Wahl. Umso wichtiger ist jetzt eine enge Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Die EU ist überall – in Gemeinden, Gewerkschaften, Bundesländern – und aus dem Betriebsrats-Alltag nicht mehr wegzudenken. Füllen wir den Begriff „EU-BetriebsrätInnen“ mit Leben. Die Prioritäten bleiben dieselben. Auch in den kommenden fünf Jahren sind es die SozialdemokratInnen, die für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum, gegen Sozial- und Lohndumping und für den Erhalt von Gewerkschaftsrechten eintreten. BESCHÄFTIGUNG IM MITTELPUNKT Die EU muss wieder zu einem Ausgleich zwischen der Wirtschaft und dem Sozialen zurückkehren, Beschäftigung in den Mittelpunkt rücken und Vollbeschäftigung zum zentralen Ziel der EU-Politik machen. Die Europäische Jugendgarantie muss mit Leben erfüllt und ausgebaut werden. Die Garantie, die binnen vier Monaten nach Arbeitsplatzverlust eine hochwertige Anstellung, Aus- oder Weiterbildung garantiert, soll auf alle unter 30-Jährigen ausgeweitet werden. Zusätzlich sind eine angemessene finanzielle Entlohnung sowie Mindeststandards bei Praktika und Lehrverhältnissen dringend erforderlich. Wir dürfen eine ganze Generation nicht im Stich lassen. SOZIALER FORTSCHRITTSPAKT Der Stabilitäts- und Wachstumspakt soll durch ein soziales Fortschrittspaket ergänzt werden. Das Paket soll Beschäf-


13. Jahrgang // Nummer 6 // Wien, Juni 2014

EU-WAHLEN XXXXXXXXX

ARBEITSBEDINGUNGEN VERBESSERN Nicht zuletzt gilt es auch, die Arbeitsbedingungen der ArbeitnehmerInnen zu verbessern. Diese sind kein Luxus, den man in schwierigen Zeiten einfach über Bord werfen kann, sondern ein Grundrecht. Sicherheits- und Gesundheitsnormen müssen eingehalten werden. Gleicher Rechtsschutz für alle ArbeitnehmerInnen, egal welcher Branche, gilt es sicherzustellen, ebenso wie die Unterbindung von Scheinselbstständigkeit und „Nullstunden-Verträgen“ sowie den Missbrauch von Zeitarbeit. Jegliche Gefahr von Ausbeutung gilt es auszuschalten. In den kommenden fünf Jahren gibt es viel zu tun, um Europa sozialer und gerechter zu machen. Dafür werde ich mich einsetzen. Machen wir uns gemeinsam dazu auf. Autorin: Evelyn Regner E-Mail: evelyn.regner@europarl.europa.eu

:::: WE B T IP P :::: www.evelyn-regner.at

: : : : E U RO PA S G R Ö S S T E S F E S T I VA L : : : : Das Donauinselfest – Europas größtes Open Air Festival mit freiem Eintritt – findet heuer vom 27. bis 29. Juni in Wien statt. Mit dabei auch wieder die FSGArbeitsweltinsel. Das gesamte Programm wird im Juni bekanntgegeben. Es ist dann auf der Website unter dem Menüpunkt Programm zu finden. www.donauinselfest.at

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FREIHANDELSABKOMMEN „TTIP“ KRITIK DER GEWERKSCHAFTEN Ein Thema, das besonders im Wahlkampf die Gemüter erhitzte, ist das „Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen“ (TTIP). Derzeit wird das TTIP zwischen den USA und der EU verhandelt und ist vor allem aus folgenden Gründen höchst umstritten: Intransparenz der Verhandlungen: VertreterInnen der USA sowie der EU-Kommission saßen in bis dato fünf Runden am gemeinsamen Verhandlungstisch. Die Öffentlichkeit und das EU-Parlament, die BürgerInnenkammer, sind nicht involviert und bekommen kaum Einblick in die Hinterzimmer-Gespräche.

Foto: Zinner

tigungs- und Sozialindikatoren enthalten, um schneller und gezielter handeln zu können. Die sozialen Maßnahmen sollten nach Ansicht der SozialdemokratInnen auch existenzsichernde Löhne beinhalten und einen allgemeinen Zugang zu Gesundheitsversorgung. Selbstverständlich geht auch der Kampf um gleiche Entlohnung für dieselbe Arbeit am selben Ort weiter. Geht es nach den SozialdemokratInnen, sollen die Mitgliedsstaaten angehalten werden, das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern jährlich um zwei Prozent zu verringern.

„Nach derzeitigem Wissensstand bin ich klar gegen das Abkommen. Eine Aushöhlung von Gewerkschafts- und ArbeitnehmerInnenrechten ist inakzeptabel.“ Evelyn Regner, EU-Abgeordnete

Investitionsschutzklausel und Schiedsgerichtsbarkeit: Dieses System ermöglicht es privaten Unternehmen, einen Staat auf Schadenersatz zu verklagen, zum Beispiel wenn durch Gesetzesveränderungen dem Unternehmen Einbußen entstehen. Unterminierung von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards: Das TTIP ist kein Zollabkommen, sondern soll „nicht-tarifäre“ Handelshemmnisse ausräumen. Dahinter verbirgt sich der Abbau gesetzlicher Hürden – also umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlicher Bestimmungen. Die EU hat in diesen Bereichen wesentlich höhere Standards als die USA. Durch das Abkommen droht eine Unterminierung von Lebensmittelstandards und der ArbeitnehmerInnenrechte. Sowohl die europäischen als auch US-amerikanischen GewerkschafterInnen üben heftige Kritik. „Am Ende muss das EU-Parlament, das derzeit kaum Einblick in die Verhandlungsinhalte bekommt, über das Abkommen abstimmen. Nach derzeitigem Wissensstand bin ich klar gegen das Abkommen. Eine Aushöhlung von Gewerkschafts- und ArbeitnehmerInnenrechten ist inakzeptabel. Unter den gegebenen Umständen werde ich auf keinen Fall zustimmen“, sagt die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner.

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FAIR. SOZIAL. GERECHT.

EINGANGSSTEUERSÄTZE IM EU-VERGLEICH EINGANGSSTEUERSATZ IN PROZENT

NIEDRIGSTER STEUERSATZ BEI DER BERECHNUNG DER LOHNSTEUER 36,5 %

Quellen: Wirtschaftskammer Österreich (Stand: Oktober 2013), OECD (Daten für 2010), deutsches Bundesministerium der Finanzen (Ausgabe 2013, Daten für 2012). Ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen und Freibeträgen sowie zusätzlichen Steuern in einigen Ländern (Gesundheitssteuer, Gemeindesteuern, Solidaritätszuschläge, Beschäftigungsfonds etc.). * Tarif besteht nur aus einem Proportionalsatz (= „Flat Rate“).

23 % 18 %

15 %

MEHR NETTO VOM BRUTTO

FINNLAND

FRANKREICH

LUXEMBURG

GRIECHENLAND

BULGARIEN*

KROATIEN

DEUTSCHLAND

PORTUGAL

TSCHECHIEN*

MALTA

LITAUEN*

UNGARN*

SLOWENIEN

RUMÄNIEN*

POLEN

SLOWAKEI

ZYPERN

GROSSBRITANNIEN

IRLAND

ESTLAND*

ITALIEN

SPANIEN

LETTLAND*

BELGIEN

DÄNEMARK

SCHWEDEN

ÖSTERREICH

NIEDERLANDE

10 %

3,9 %

Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht noch weiter aufgehen. Daher ist es höchst an der Zeit für eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen. Das fordert mittlerweile auch die EU-Kommission von Österreich. Der Eingangssteuersatz ist der niedrigste Steuersatz, der nach Überschreiten des Freibetrags von 11.000 Euro pro Jahr in Österreich für die Berechnung der Lohnsteuer angesetzt wird (derzeit 36,5 Prozent). Eine kräftige Absenkung würde die Kaufkraft

stärken, die Nachfrage erhöhen und die Wirtschaft in Schwung bringen. Die Menschen hätten mehr Netto vom Brutto! Die ÖVP blockiert aber eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen, sie hat nur was übrig für ihre Klientel von Millionären und Finanzlob-

Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit

byisten. Denn zum Vergleich: 2005 wurde die Körperschaftssteuer für Unternehmen unter der schwarz-blau-orangen Regierung von 34 um 9 Prozent auf 25 gesenkt. Der Eingangssteuersatz wurde zuletzt 2009 um 1,83 Prozent gesenkt.

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/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank

P.b.b. 02Z031786M ÖGB-Verlag, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1

Retouren an PF 100, 1350 Wien


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