15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
www.fsg.at
d i rek t FACEBOOK.COM/FSG.OEGB TOPINFOS FÃœR SOZIALDEMOKRATISCHE GEWERKSCHAFTERiNNEN
KO M M E N TA R : BRAUCHEN INVESTITIONEN S T AT T S C H I K A N E N
Foto: mauritius images / artpartner-images.com / Alamy (Montage)
SEITE 7
FREIHANDELSABKOMMEN
WIE WIR DRAUFZAHLEN SEITEN 3 und 14
CSTOEPTPAEN SEITE 12
SEITE 15
SEITE SEITE SEITE
5 6 16
I I I
younion: Besoldungsreform im Burgenland gelungen Jugend: Keine Benachteiligung bei sechster Urlaubswoche PREISVORTEIL: Die neuen Angebotsplattformen der Gewerkschaf ten
www.f s g.at Foto: mauritius images / dieKleinert / Kostas Koufogiorgos (Montage)
S TA N D O R T W E T T B E W E R B
00 ORBAN (H) 1-EURO-JOBS KURZ (A)
Inhalt
Cover: Symbolbild für „CETA stoppen“ (Montage). Seiten 3 und 14 3
Editorial Bundesgeschäftsführer
Aktuelles
5
6
Besoldungsreform im Burgenland Höhere Einstiegsgehälter für Kindergarten- und FreizeitpädagogInnen. Mehr Geld für Lehrlinge
Kommentar
7
Vorsitzender Wolfgang Katzian
Hintergrund
8
„Wie Tag und Nacht“ Richard Holzer (FSG GÖD) über Veränderungen in der Verwaltung.
Service
10
Recht, Antworten auf Fragen
Grundsatz
13
Wenn Urlaub kein Urlaub ist Gesetz an Realität anpassen und 6. Urlaubswoche schaffen.
Europa/International
14
Inakzeptables Abkommen Klares Nein zu CETA kommt von EU-Abgeordneter Evelyn Regner. 16 Preisvorteil macht stark
S JOB O R ) 2-EUERKL (D M
5-EURO-J O KOSAK (N BS Ö) ALTLENGBA CH
EIN-EURO-JOBS EINFACH ZU KURZ GEDACHT Für das mediale Sommerloch fanden sich auch heuer wieder Themen. Darunter verpflichtende Ein-Euro-Jobs für anerkannte Flüchtlinge, vorgetragen von Integrationsminister Sebastian Kurz. Diese stießen schnell auf Verwunderung. Anerkannten Flüchtlingen steht nämlich so wie allen arbeitssuchenden Menschen schon jetzt das Arbeitsmarktservice (AMS) samt Schulungs- und Integrationsmaßnahmen zur Verfügung. Das einzige was fehlt: Das AMS wartet auf die bereits beschlossene Aufstockung um 400 MitarbeiterInnen. Das Finanzministerium blockiert diese, kritisiert Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Und laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „profil“ rechnet sich diese Aufstockung auch finanziell. Was aber Ein-Euro-Jobs genau sein sollen, blieb im Trüben. Kurz will nur einen Euro dafür hergeben, Vizebürgermeister
Daniel Kosak zahlt Flüchtlingen jetzt schon fünf Euro pro Stunde. Für das Verschönern der Mittelschule in Altlengbach (NÖ), wie er gegenüber dem ORF-Radio sagt. Das heißt: Flüchtlinge arbeiten bereits – freiwillig. Kurz fordert das verpflichtend. Drängt sich der Verdacht auf, dass Kurz bei Ablehnung Zuwendungen an Betroffene streichen möchte. Und ob er vielleicht plant, dies auch auf andere BezieherInnen auszuweiten. Obwohl es für Arbeitsunwilligkeit heute auch schon Sanktionsmöglichkeiten gibt. Bleibt die Frage: Was wollte Kurz? Doch nur das Sommerloch füllen? Oder war alles zu kurz gedacht? Die Sozialpartner präsentierten ihre Maßnahmen schon im April. Inklusive Vorschlägen, wie Lohn- und Sozialdumping sowie Verdrängungsprozesse verhindert werden können. Setzt man sie um, hätte man weiter gedacht als Kurz.
:: IMPRESSUM :: Herausgeber: Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen im ÖGB, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/534 44-39080, www.fsg.at. Medieninhaber (Verleger): Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96–39744, Fax: 01/662 32 96–39793, E-Mail: zeitschriften@oegbverlag.at, www.oegbverlag.at, UID ATU 55591005, FN 226769i. Hersteller: Verlag des ÖGB GmbH. Verlagsort: Wien, Herstellungsort: Wien. Redaktion: Christoph Höllriegl (Leitung), Litsa Kalaitzis, Thomas Kallab, Beate Horvath, Ronald Pötzl, Helena Sachers, Franz Fischill. Grafikdesign: Verlag des ÖGB GmbH. Fotos/Grafiken: FSG-GÖD, FSG-Bgld, Helena Sachers, Höllriegl, Mauritius Images, ÖGB-Archiv, ÖGB-Verlag, picturedesk.com. Anzeigenrepräsentanz: Verlag des ÖGB GmbH, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1, Tel. 01/662 32 96-39 744, Telefax 01/662 32 96-39793, E-Mail: zeitschriften@ oegbverlag.at, DVR-Nr. 0562041, ZVR-Nr. 158750011. Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: www.fsg.at/offenlegung Für unverlangt eingesendete Manuskripte und Fotos keine Gewähr. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Z ustimmung der Redaktion und mit Quellenangabe. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der FSG entsprechen.
2
AKTUELLES
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
LOHNQUOTE & ABGABEN
EDITORIAL
75 %
Die Lohnquote sinkt seit Jahrzehnten. 1988
66 % 2007
SYSTEMUMBAU STATT LEISTUNGSKÜRZUNGEN Die Lohnquote stellt den Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen dar. Sie ist seit Ende der 1980erJahre von 75 Prozent auf das historische Tief von 66 Prozent 2007 gesunken. An der Lohnquote hängen viele Sozialabgaben. Auf der anderen Seite gewinnen Vermögenseinkommen an Bedeutung. Mit Spekulationen werden hohe Gewinne gemacht, aber ohne dass darauf Sozialabgaben anfallen. ÖGB-Präsident Erich Foglar: „Darauf ist unser Sozialsystem nicht ausgerichtet und noch nicht vorbereitet.“ Statt Leistungskürzungen sei ein Systemumbau mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf die Wertschöpfung notwendig. Das wäre nur eine Verschiebung mit einem positiven Nebeneffekt: Beschäftigung würde gefördert werden. Industrie und Wirtschaft sind dagegen; sie stehen unter den Fittichen der Reichen und Spekulanten!
Kluge Reiche gesucht Die 62 Super-Reichsten auf dieser Erde besitzen ein Vermögen das genauso groß ist wie jenes von 3,6 Milliarden Menschen der ärmeren Weltbevölkerung. Laut Deutschlands Parade-Linkem und Bundestags-Mitglied Gregor Gysi gibt es kluge Reiche, die wissen, wann sie etwas abgeben müssen, sonst gefährden sie ihre eigene Existenz. Dumme Reiche denken nur an ihr Heute. Gysi bei einer Rede in Wien: „Suchen wir doch wenigstens nach den klugen Reichen, damit wir eine gewisse Umverteilung auf der Erde erreichen. Sonst fliegt uns diese ganze Menschheit um die Ohren!“
FSG DIREKT IM ABO „FSG direkt“ ist kostenlos und kann per Post oder per E-Mail bezogen werden (www.fsg.at/abo). Anregungen oder Beiträge einsenden an: fsg@oegb.at
d i rek t
WILLI MERNYI FSG-BUNDESGESCHÄFTSFÜHRER
KEINE SONDERKLAGERECHTE FÜR KONZERE Das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada könnte schon bald unter Dach und Fach sein. Auch TTIP, jenes mit den USA. Gute Handelsbeziehungen sind zwar an und für sich nichts Schlechtes. Solange niemand draufzahlt. Beim derzeitigen Verhandlungsstand würden aber wir ArbeitnehmerInnen draufzahlen! Mit CETA werden Konzernen Sonderklagerechte gegen Staaten eingeräumt. Vor eigens eingerichteten Schiedsgerichten. Unser ordentlicher Gerichtsweg ist ihnen nicht gut genug. Den Staaten bleibt zwar nun das Recht zu regulieren, das heißt Gesetze zu beschließen, zum Beispiel beim ArbeitnehmerInnenschutz. Aber wenn sich ein Konzern dadurch negativ beeinflusst fühlt, dann kann er den Staat klagen: auf Schadenersatz. Und der Schaden muss noch gar nicht wirklich eingetreten sein. Trotzdem kann dieser auf einen Schlag geltend genmacht werden. Wer kann das sonst schon? Können ArbeitnehmerInnen ihre Löhne und Gehälter, die sie in den nächsten Jahren erst verdienen würden, heute schon einklagen? Weil zum Beispiel die Arbeitszeit auf zwölf Stunden erhöht wurde. Ohne dass sie mehr verdienen ... Genau. Im Rahmen von CETA können wir fast gar nichts. Denn CETA sieht für ArbeitnehmerInnen nicht einmal einklagbare Arbeitsstandards vor. Zum Trost will man uns weismachen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen würden. Andere sagen, es werden Hundertausende verloren gehen. Mehr noch: Unsere Einkommen könnten um 5.000 Euro pro Jahr sinken. Ein Blick zurück zeigt: Vollmundige Versprechungen gab’s immer vor Freihandelsabkommen. Jahre später stand fest: Millionen Arbeitsplätze waren verloren. Der Druck auf die Löhne und Gehälter stieg. Lernen wir daraus. Sagen wir Nein zu Sonderklagerechten für Konzerne. Sagen wir Nein zu CETA! Video und mehr Infos gibt es unter: www.fsg.at
AKTUELLES
3
www. f s g . a t
TIROLER SOMMERGESPRÄCHE
ARBEIT, WOHNEN, PENSIONEN Wohnbauförderung für leistbares Wohnen bereitstellen. Pensionen müssen auch in Zukunft Existenz sichern. Pension verdient, mit der die Existenz entsprechend gesichert ist. Harald Schweighofer, Regionalgeschäftsführer der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier), referierte über das Thema „Gleiche Arbeit – gleicher Lohn“. Er analysierte die Einkommenssituation der ArbeitnehmerInnen in Tirol. Die FSG steht klar für ein Mindesteinkommen von 1.700 Euro brutto pro Monat und eine höhere Besteuerung der Millionäre, damit jeder einen fairen Beitrag innerhalb der Gesellschaft leistet. Mit der Kernbotschaft „Leistbares Wohnen – allen Menschen ein sicheres Zuhause geben“ widmete sich Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft BauHolz und AK-Kammerrat Christian Hauser dem Thema „Wohnen“. Die FSG Tirol tritt für die Zweckbindung der Wohnbauförderung und all ihrer Rückflüsse ein, um genügend Mittel für den sozialen Wohnbau bereitstellen zu können.
Bernhard Höfler, Kammervorstand und PRO-GE-Sekretär
Harald Schweighofer, Regionalgeschäftsführer der GPA-djp Fotos: Helena Sachers
Parallel zu den ÖGB-Bezirkstagen lud die FSG Tirol im Juli zu den bereits traditionellen Sommergesprächen. Ziel war es, mit den BetriebsrätInnen vor Ort über die Herausforderungen im Betrieb und über die politischen Geschehnisse zu diskutieren. Dabei standen dieses Jahr die drei zentralen Forderungen der FSG Tirol im Mittelpunkt. Kammervorstand und PRO-GE-Sekretär Bernhard Höfler berichtete über das Thema Pensionen. Mit der Kernbotschaft „Pension erleben – abgesichert und lebenswert“ präsentierte Höfler den BetriebsrätInnen die Herausforderungen, die hinsichtlich der Absicherung der zukünftigen Pensionen auf uns zukommen. Die FSG tritt weiterhin vehement dafür ein, dass sich jede/r nach einem arbeitsintensiven Leben eine
BEFRAGUNG GESTARTET Der Tiroler Fraktionsvorsitzende Günter Mayr betonte bei den Sommergesprächen den großen Erfolg der Lohnsteuersenkung, und welche Bedeutung es hat, gemeinsam als Organisation für die Rechte der ArbeitnehmerInnen geschlossen einzutreten. Im Zuge der Gespräche wurde auch eine Befragung zu den drei Kernthemen unter den BetriebsrätInnen gestartet. www.fsg.at/tirol Günter Mayr, FSG-Landesvorsitzender und vida-Landesvorsitzender
4
AKTUELLES
Autorin: Helena Sachers
Christian Hauser, Landesgeschäftsführer Bau-Holz
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
VOR ORT FSG-younion-BurgenlandLandesvorsitzender Dietmar Ferstl (2. von links) mit seinen StellvertreterInnen Doris Handler und Gerhard Horwath (links) und younionBundesvorsitzendem Christian Meidlinger
DIE DASEINSGEWERKSCHAFT IM BURGENLAND
BESOLDUNGSREFORM GELUNGEN Neuer FSG-younion-Landesvorsitzender einstimmig gewählt. Höhere Einstiegsgehälter für Kindergarten- und FreizeitpädagogInnen. Der Schattendorfer Dietmar Ferstl (2. von links) wurde im Juni bei der FSGLandeskonferenz einstimmig zum neuen FSG-Landesvorsitzenden der younion im Burgenland gewählt. Ferstl ist Bauhofleiter in Schattendorf. Seine StellvertreterInnen sind Doris Handler und Gerhard Horwath. Von letzterem übernahm Ferstl die Funktion. „Ich danke für das große Vertrauen. Gemeinsam mit meinem Team will ich in den kommenden fünf Jahren für die Interessen der Beschäftigten in den Gemeinden und Verbänden arbeiten“, erklärte Ferstl nach seiner Wahl. Kaum in Funktion kann Ferstl schon einen Erfolg präsentieren. Auf Initiative der younion-Burgenland wurde eine Besoldungsreform im Kinderbetreuungsbereich beschlossen, die für die Beschäftigten wesentlich höhere Einstiegsgehälter bringt. „Damit wurde nicht zuletzt eine Forderung der FSG er-
d i rek t
folgreich umgesetzt“, sagt Ferstl. Konkret bedeutet die Novelle zum Burgenländischen Gemeindebedienstetengesetz 2014, die noch in der letzten Sitzung vor der Sommerpause beschlossen wurde, eine Erhöhung der Einstiegsgehälter für KindergartenpädagogInnen um 480 Euro und für FreizeitpädagogInnen um 430 Euro. Für KindergartenpädagogInnen bedeutet das ein Einstiegsgehalt in der Höhe von 2.333,60 Euro. FreizeitpädagogInnen verdienen künftig 2.094,70 Euro. Außerdem wird der Landesfeiertag zu Martini für alle, das heißt auch für diejenigen, die im alten System bleiben, zu einem Urlaubstag bzw. Ersatzurlaubstag bei Diensteinteilung. Die Vorbereitungszeit von acht Stunden wird beibehalten. Das ist ein Spitzenwert im Österreichvergleich. „Die Änderung, dass die Beaufsichtigung der Kinder während zwei Stunden Vorbereitungszeit stattfinden soll, wird
laut Aussage der Vertreter der Regierungsparteien im Landtag nur in Ausnahmefällen gelten“, stellt Gerhard Horwath, Landesvorsitzender der younion im Burgenland, klar. UMSTIEG JETZT MÖGLICH Die schon jetzt Beschäftigten haben zwischen 1. September 2016 und 28. Februar 2017 die Möglichkeit vom alten ins neue Gehaltsschema umzusteigen. Die Besoldungsreform im Kinderbildungsbereich trat mit 1. September 2016 in Kraft. Von der Novelle profitieren rund 800 Kindergarten- und FreizeitpädagogInnen im Burgenland. Die younion kümmert sich im Burgenland um die Anliegen von fast 1.800 Mitgliedern. Sie vertritt Beschäftigte im Gemeindedienst und in Verbänden, KindergartenpädagogInnen, KünstlerInnen, SportlerInnen sowie Beschäftigte im Pflegebereich und freie JournalistInnen. www.fsg.at/bgld, www.younion.at Autor/Autorin: Ronald Pötzl, Beate Horvath
AKTUELLES
5
www.f s g.at
Eine sechste Urlaubswoche fordert die FSG-Jugend auch für Lehrlinge ein. Sie würden sich diese ebenfalls „verdienen“.
JUGEND
MEHR GELD FÜR LEHRLINGE FSG-Jugend fordert 700 Euro Mindest-Lehrlingsentschädigung. Keine Benachteiligung bei sechster Urlaubswoche. Viele Jugendliche haben bereits in den Sommermonaten ihre Lehrlingsausbildung begonnen. Im September startet die zweite Welle. Das Präsidium der FSG-Jugend hat sich bereits im Mai auf ein 10-Punkte-Programm verständigt. Darin geht es vor allem um die Stärkung der Lehre und ihr Ansehen. „In den kommenden Jahren gehen aufgrund der Alterspyramide viele ältere Fachkräfte in Pension. Auf diese Lücke müssen wir vorbereitet sein. Wir müssen die Qualität der Lehrausbildung verbessern und ihre Finanzierung sicherstellen. Gleichzeitig müssen wir die Lehre für junge Menschen aber auch attraktiver machen“, fordert Mario Drapela, Jugendvorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) im ÖGB. Neben dem Ansehen der Facharbeit geht es Drapela vor allem
„Wir müssen die Lehrlingsentschädigungen anpassen und für junge Menschen attraktiver machen.“ Mario Drapela, Jugendvorsitzender der FSG im ÖGB
6
AKTUELLES
auch um eine Erhöhung vieler Lehrlingsentschädigungen. OFT KEINE WAHLMÖGLICHKEIT Die Forderung des Bundesrats der Grünen, David Stögmüller, in den Oberösterreichischen Nachrichten Ende August geht Drapela dabei aber nicht weit genug. Die FSG-Jugend fordert für Lehrlinge 700 Euro brutto pro Monat. Das sind rund 40 Prozent des von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohns beziehungsweise -gehalts von 1.700 Euro brutto pro Monat. Das entspricht netto etwa 600 Euro. Zudem fordert Drapela, die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der überbetrieblichen Ausbildung an die kollektivvertraglichen Lehrlingsentschädigungen anzupassen. Nach der Einführung der Ausbildungspflicht bis 18 Jahre sei dies ein weiterer wichtiger Schritt. Begründung: „Viele Jugendliche haben keine echte Wahlmöglichkeit, wo sie ihre Lehre beginnen. Immer mehr Unternehmen stehlen sich aus ihrer Verantwortung und bilden nicht mehr selbst aus. Da dürfen Lehrlinge, die keine Lehrstelle mehr vorfinden, nicht auch noch finanziell benachteiligt werden“, sagt Drapela. Beim Urlaubszuckerl wären sich Drapela und Stögmüller einig: Die sechste Urlaubswoche für Lehrlinge fordern beide. Denn auch die jungen ArbeitnehmerInnen würden sich diese „verdienen“.
Nichts versäumen, immer auf dem neuesten Stand sein. Entweder mit dem richtigen Eintrag für unser FSG Infomail (unter www.fsg.at/infomail) oder mit einem „Like“ für unsere Facebook-Page: FAC E B O O K . C O M / F S G . O E G B
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
KOMMENTAR
WOLFGANG KATZIAN FSG-VORSITZENDER
Wichtige Infos zur Lehrstelle und was man unbedingt wissen sollte, gibt es in einer Broschüre der Gewerkschaftsjugend, online unter „Info & Beratung“: www.oegj.at
Foto: apa-picturedesk / Siemens Österreich / OTS
BRAUCHEN INVESTITIONEN STATT SCHIKANEN Stimmungsmache gegen Arbeitslose, anders ist auch der neuerliche Vorstoß Reinhold Lopatkas, die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose weiter zu verschärfen, nicht zu erklären. Die Forderung, den gesetzlich geregelten zumutbaren Arbeitsweg von zwei auf zweieinhalb Stunden zu erhöhen, zeugt wie andere Ideen des ÖVP-Klubobmanns von einer großen Abgehobenheit gegenüber der Lebensrealität von Menschen, die schuldlos Opfer der Wirtschafts- und Beschäftigungskrise sind. Zynismus pur in einer Situation, in der fast 400.000 arbeitslosen Menschen in Österreich nur etwa 40.000 offene Stellen gegenüberstehen. Diese Forderung dient wie jene nach der Deckelung der Mindestsicherung einzig dem Zweck, den Druck am Arbeitsmarkt weiter zu erhöhen und noch mehr Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse zu zwingen. Jede Kürzung von Einkommen sozial Schwacher, wie Arbeitslosen und MindestsicherungsbezieherInnen, führt zu einer Schwächung des Konsums und somit zu einer Verstärkung der wirtschaftlichen Probleme. Von einer Regierungspartei, deren Mitglieder an wichtigen Positionen der Wirtschafts- und Finanzpolitik sitzen, erwarte ich seriöse, langfristig wirksame Konzepte zur Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung von Beschäftigung statt populistischer Schnellschüsse. In Sachen Arbeitszeitgestaltung wäre es beispielsweise hoch an der Zeit, statt ideologischer Verknöcherung wirtschaftliche Vernunft walten zu lassen. Außerdem sollte man alles daran setzen, neue Spielräume bei öffentlichen Investitionen durch eine Lockerung der EU-Budgetvorgaben zu eröffnen. Es braucht keine Schikanen, sondern Investitionen!
d i rek t
KOMMENTAR
7
www. f s g . a t
Richard Holzer beim Gewerkschaftstag 1981 (2. von links stehend).
Gewerkschaftstag 1997 mit GÖDVorsitzendem Fritz Neugebauer.
ÖFFENTLICHER DIENST
„WIE TAG & NACHT“ Richard Holzer über die Veränderungen in der Verwaltung. Im Oktober übergibt er seinen FSG-Vorsitz in der GÖD. „Mir ist klar, dass der Staat nicht wie ein Betrieb zu führen ist“, erklärte Christian Kern kurz nach seiner Bestellung zum Bundeskanzler. „Da gebe ich ihm vollkommen recht. Geht es nach der öffentlichen bzw. veröffentlichten Meinung ist allerdings das Gegenteil der Fall“, ärgert sich Richard Holzer, seit 1993 Vorsitzender der FSG in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). „Da erstellen die Medien Rankings‚ wie ‚fleißig‘ die Abgeordneten wieder waren und wie viele neue Gesetze sie gar beschlossen haben. Was dahinter steht und welche Folgen das hat, wird gefliessentlich verschwiegen“, kritisiert er die Doppelbödigkeit. Bereits während der Gesetzwerdung und bei der Umsetzung wirken BeamtInnen entscheidend mit und leisten eigentlich die Hauptarbeit. Holzer begann 1968 als Vertragsbediensteter im Innenministerium, und seither kennt er auch die Forderung nach einer Verwaltungsreform. Und zu
8
HINTERGRUND
jeder Zeit wurde und wird so getan, als hätte sich nie etwas entwickelt. Holzer: „Die Veränderungen in der Verwaltung sind enorm. Wenn ich ans Innenministerium denke, so ist es seit meinem Eintritt zu heute wie Tag und Nacht.“ In der Diskussion wird immer so getan, als hätte es nur Stillstand gegeben. Dafür werde suggeriert, dass es anders gehen müsste. Wie, erklärt Holzer so: „25.000 Gesetze abschaffen und 70.000 BeamtInnen – die es im Übrigen so gar nicht mehr gibt, da die meisten schon auf Dauer Vertragsbedienstete sind – entlassen. Klingt zwar gut, aber die Menschen würden sich danach wieder nach der ‚guten alten‘ Verwaltung sehnen.“ ZEIT DES AUFBEGEHRENS Richard Holzer wird am 10. Oktober bei der Konferenz der FSG GÖD den Vorsitz an seinen designierten Nachfolger Hannes Gruber übergeben. Bei der darauf folgenden GÖD-Bundeskonferenz wird
Mit AK-Präsident Herbert Tumpel bei einer Betriebsrätekonferenz 2000.
Gruber von Holzer auch die Funktion des stellvertretenden GÖD-Vorsitzenden übernehmen. Und Holzer selbst kann an eine lange und spannende Zeit als Gewerkschafter zurückdenken. Politisiert wurde er Mitte der 1960erJahre in der Schule, in einer Zeit, die „verstaubt und verzopft“ war, trat Holzer 1968 ins Innenministerium „ein“ und suchte gleich den Weg in die Gewerkschaft, konkret zur FSG. Es war die Zeit des Aufbegehrens der Jugend, der Proteste, der langen Haare und der Musik, die von den Beatles und Rolling Stones geprägt war. Es war aber auch die Zeit der Weichenstellung innerhalb der Sozialdemokratie. Bruno Kreisky und Hans Czettel ritterten 1967 um die Nachfolge von Bruno Pittermann als SPÖ-Vorsitzenden. „Gefühlsmäßig war ich auf der Seite von Kreisky. Es war ein einfacher Grund. Als geschichtlich Interessierter war mir bekannt, dass er in der Zeit der Illegalität die Arbeiterzeitung nach Sieghartskirchen in meinem Heimatbezirk Tulln (NÖ) schmuggelte. Und mit Kreisky begann dann am 1. März 1970 der große Aufstieg der Sozialdemokratie. Holzer war zu dieser Zeit gerade beim Bundesheer. Am Wahltag selbst war er bei seinen Eltern, in einer kleinen, bäuerlich geprägten Gemeinde
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
GÖD
Im Vordergrund: ÖGB-Frauenvorsitzende und Vizepräsidentin Renate Anderl.
Fotos: Hans Klaus Techt / APA / picturedesk.com, FSG GÖD, ÖGB-Archiv
Holzer und Thomas Kattnig von der Daseinsgewerkschaft younion.
GÖD-Personalvertretungswahlen 2004: Peter Korecky (Vorsitzender-Stellvertreter GÖD), Besoldungsreferent Hannes Gruber, FSG-Spitzenkandidat Richard Holzer und Zentralsekretär Erich Rudolph (von links).
d i rek t
Der scheidende FSG-GÖD-Vorsitzende mit ÖGB-Präsident Erich Foglar.
in Niederösterreich. Es war einer jener Tage in der Erinnerung von Holzer, der sich so eingeprägt hat, als wäre alles erst gestern passiert. Kaum war das Wahlergebnis bekannt, herrschte unter den Bauern Weltuntergangsstimmung. Jetzt werden die Bauern verstaatlicht, die Kolchosenwirtschaft wird kommen. Es wird so wie in der nur wenige Kilometer entfernten Tschechoslowakei. Holzer: „Es dauerte aber nur wenige Monate und diese Stimmung war wie verflogen.“ Während die österreichische Gesellschaft vom Erfolg der Sozialdemokratie durchdrungen wurde, stieg der Gewerkschafter Holzer ebenfalls auf und wechselte mit 31 Jahren als Besoldungsreferent in die GÖD-Zentrale in der Wiener Teinfaltstraße und damit auch in den GÖD-Vorstand. „Mitten unter lauter alteingesessenen Funktionären, die alle meine Väter hätten sein können. Die Blutauffrischung war offensichtlich fördernd für die gewerkschaftliche Arbeit“, meint er heute. Die 1970er- und 1980er-Jahre waren für die Sozialdemokratie auch deshalb so erfolgreich, weil „die Menschen uns verstanden und sie merkten, dass sie auch selbst davon profitierten“. Und heute: „Wir sprechen inzwischen eine Sprache, die niemand mehr versteht. Wir reden an den Menschen vorbei.“ www.goedfsg.at Autor: Franz Fischill
HINTERGRUND
9
www.f s g.at
ÄNDERUNGSKÜNDIGUNGEN
UNTER DRUCK GESETZT Wie weit geht Mitwirkungsrecht des Betriebsrats. Was kann er verhindern, was nicht.
Foto: mauritius images / imageBROKER / Michaela Begsteiger
Arbeitgeber (AG) versuchen immer wieder, ausgesprochene Vertragsänderungen durch Änderungskündigungen zu erreichen und insofern ArbeitnehmerInnen (AN) unter Druck zu setzen. Die Drohung entsteht dabei immer dadurch, dass der AG das Arbeitsverhältnis (AV) kündigt, wenn der AN eine Änderung des Arbeitsvertrages – regelmäßig zum Nachteil des AN und zum Vorteil des AG – nicht hinnimmt. Geändert soll dabei immer nur ein Vertragsteil werden (zum Beispiel das Gehalt reduziert werden); gekündigt wird aber das gesamte Arbeitsverhältnis. Zwei Varianten sind grundsätzlich denkbar: Entweder wird die Kündigung ausgesprochen und wird rechtsunwirksam, wenn der AN der Vertragsänderung zustimmt (auflösend bedingte Änderungskündigung), oder die Kündigung wird
BUCHTIPP
TTIP & CO. STOPPEN ALTERNATIVEN MÖGLICH MACHEN Gleich 27 AutorInnen aus 18 gegen das Freihandelsabkommen aktiven Organisationen tragen 38 schlagkräftige Argumente vor, warum sie gegen TTIP, CETA & TiSA sind. Die Verträge sind nicht einmal teilweise zu retten. Die Gliederung erfolgt nach weltweiten Wirkungen und allgemeinen Argumenten sowie fragwürdigen Inhalten in den Handelsabkommen. Das Buch macht letztendlich Mut, die Argumente in der Öffentlichkeit vorzutragen und liefert Bausteine für Alternativen.
10
SERVICE
38 Argumente gegen TTIP, CETA, TiSA & Co., Harald Klimenta, Maritta Strasser, Peter Fuchs u. a., VSA, 2015, 96 Seiten, 7,20 Euro. Zu bestellen bei: ÖGB-Verlag-Fachbuchhandlung, Rathausstraße 21, 1010 Wien, Tel. 01/405 49 98–132, E-Mail: fachbuchhandlung@oegbverlag.at www.diefachbuchhandlung.at
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
RECHT
ausgesprochen, soll aber erst wirksam werden, wenn der AN einer Veränderung des Arbeitsvertrags nicht zustimmt (aufschiebend bedingte Änderungskündigung). Während im ersten Fall die Kündigung schwebend rechtswirksam ist, und die Kündigungsfrist mit dem Ausspruch der Kündigung zu laufen beginnt, ist die aufschiebend bedingte Änderungskündigung vorerst schwebend rechtsunwirksam. Ihre volle Rechtswirkung und damit auch der Lauf der Kündigungsfrist beginnt erst mit dem Eintritt der Bedingung, das heißt mit der Ablehnung der Vertragsänderung durch den AN. Beide Varianten sind von der Rechtsprechung als zulässig erkannt worden. VERSETZUNG MIT GEHALTSKÜRZUNG Kürzlich hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage zu befassen, in welchem Umfang dem Betriebsrat (BR) im Fall von Änderungskündigungen ein Mitwirkungsrecht zukommt (GZ 8 ObA 63/15w). Dabei hatte der AG eine Änderungskündigung ausgesprochen und erklärt, dass die Kündigung außer Kraft tritt, wenn die AN schriftlich erklärt, einer Änderung ihres Tätigkeitsbereichs und in der Folge einer Gehaltskürzung zuzustimmen. Die AN hatte der Änderung zugestimmt und die Kündigung „trat außer Kraft“. Der Betriebsrat (BR) wurde davon verständigt und erhob gegen „die geplante Änderungsabsicht (Änderungskündigung) ausdrücklich Einspruch. Im § 105 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) ist das Mitwirkungsrecht des BR gesetzlich geregelt. Im Detail berichtete FSG direkt in der November-Ausabe 2015 darüber. § 101 ArbVG regelt nun, dass verschlechternde Versetzungen nur nach Zustimmung des BR rechtswirksam sind. Erteilt der BR die Zustimmung nicht, so kann sie durch Urteil des Ge-
d i rek t
richts ersetzt werden. Das Gericht hat die Zustimmung zu erteilen, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt ist. In der genannten Entscheidung hat der OGH nun ausgesprochen, dass im Fall von Änderungskündigungen beide Bestimmungen zu beachten sind. Demnach ist der BR von der geplanten Änderungskündigung (rechtzeitig) zu verständigen und, wenn eine verschlechternde Versetzung geplant ist, auch zuvor die Zustimmung beim BR einzuholen. Die Zustimmung der AN zur Versetzung allein genügt hier nicht. Der OGH führte (fast wörtlich) dazu aus: Die Frage der Zulässigkeit der Versetzung stellt sich auch bei der Änderungskündigung nur dann, wenn es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade nicht kommt, weil der AN das Änderungsangebot wählt. Ein sachlicher Grund, weshalb eine beabsichtigte verschlechternde Versetzung deswegen vom betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutz ausgenommen sein sollte, weil ihr mit einer konkreten Kündigung besonderer Nachdruck verliehen wurde, besteht nicht. Der Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG hat andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Im Kündigungsanfechtungsverfahren ist die sachliche Berechtigung einer nicht zustande gekommenen Versetzung kein Thema. Allenfalls kann ein Änderungsangebot bei der Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung sowie bei der Prüfung von betriebs- oder personenbedingten Rechtfertigungsgründen eine Rolle spielen und hier – wenn das Angebot rückwirkend als zumutbar beurteilt wird – zum Ergebnis der Abweisung der Klage wegen Kündigungsanfechtung führen. Autor: Thomas Kallab
THOMAS KALLAB Jurist, Arbeiterkammer Wien E-MAIL: thomas.kallab@akwien.at
Ich bin Lehrling und habe erfahren, dass mein Lehrberechtigter das Gewerbe zurückgelegt hat. Wie wirkt sich das aus? Gemäß § 14 Berufsausbildungsgesetz (BAG) endet ihr Lehrverhältnis „automatisch“, wenn ihr Lehrberechtigter nicht mehr zur Ausübung der Tätigkeit befugt ist, in deren Rahmen sie ausgebildet werden oder der Lehrberuf aufgrund des § 4 BAG von der Ausbildung von Lehrlingen ausgeschlossen ist. Ob das der Fall ist, sollte so rasch wie möglich geklärt werden. Grundsätzlich muss Sie der Lehrberechtigte davon verständigen. Verabsäumt er das, wird er seit 1. Jänner 2016 in gewissem Umfang schadenersatzpflichtig. Sie sollten unbedingt Rat bei der zuständigen Arbeiterkammer oder Gewerkschaft einholen! Ich wurde gekündigt. Der Brief wurde während meines Urlaubs zugestellt. Kann ich mich noch dagegen wehren? Eine Kündigungsanfechtung ist noch möglich, wenn Sie innerhalb von 14 Tagen nach dem Urlaub einen Antrag auf Wiedereinsetzung bei Gericht stellen. Wenn Sie die Kündigung gelten lassen wollen, kann durch den Urlaub unter Umständen die Kündigungsfrist erstreckt werden. Bitte wenden Sie sich umgehend an die zuständige Gewerkschaft oder AK!
SERVICE
11
www.f s g.at
BEHÖRDENWEG & KINDERBETREUUNG
WENN URLAUB KEIN URLAUB IST Ein Teil des Urlaubs wird für andere Zwecke als zur Erholung verbraucht. Urlaubsgesetz muss an Realität angepasst und modernisiert werden. Vielen ist nach den Ferien der Urlaub zu kurz. Verständlich. Eine satte Mehrheit der ArbeitnehmerInnen (88 Prozent) will eine sechste Urlaubswoche nach 25 Arbeitsjahren für alle – unabhängig davon, wie lange jemand in ein und demselben Betrieb oder bei unterschiedlichen beschäftigt war. Das zeigt eine Sonderaus-
Foto: Höllriegl
wertung des Österreichischen Arbeitsklima Index. Eine sechste Urlaubswoche steht heute ArbeitnehmerInnen nur zu, wenn sie 25 Jahre lang im selben Betrieb gearbeitet haben. „Als das Gesetz beschlossen wurde, war es noch der Normalfall, dass Leute ein Arbeitsleben lang im selben Betrieb waren. Heute stehen häufige Jobwechsel auf der Tagesordnung“, sagt Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer. Eine neue zeitgemäße Regelung muss also her, die der Mobilität und Flexibilität gerecht wird. URLAUB NICHT NUR ZUR ERHOLUNG Die Sonderauswertung brachte zudem zutage, dass viele ArbeitnehmerInnen Teile ihres Urlaubs auch für andere Zwecke als zur Erholung nutzen (müssen).
12
GRUNDSATZ
Neun von zehn ArbeitnehmerInnen wollen sechste Urlaubswoche für alle.
Jede/r Fünfte nimmt Urlaub, weil sie/er zum Arzt muss oder Behördentermine hat.
Jede/r Zehnte nimmt sich für Kinderbetreuungspflichten Urlaub. Jede/-r Fünfte nimmt sich Urlaub, weil sie/er krank ist, zum Arzt muss oder einen Behördentermin zu erledigen hat. Zwölf Prozent nehmen sich Urlaub, um ihre Kinder zu betreuen. Und das ist
immer noch sehr stark Frauensache: Während sich knapp 20 Prozent der Frauen frei nehmen müssen, sind es bei den Männern nur sieben Prozent. www.arbeitsklima.at
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
Foto: mauritius images / Caia Image
FRAUEN
MEHR FRAUEN AN ALLE SCHALTHEBEL IN DEN UNTERNEHMEN UND IN DER POLITIK ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka war im August mit seiner Forderung der verschärften Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose nicht allein, wenn es darum ging, das Sommerloch zu füllen. Entbehrliche Beiträge kamen auch von Integrationsminister Sebastian Kurz, unter anderem bezüglich 1-Euro-Jobs, und ausgiebig auch von Familienministerin Sophie Karmasin. Die Meinungsforscherin ist neuerdings offenbar für alles und jeden zuständig – von der Bildungsreform bis zum Arbeitsverfassungsgesetz, von der Bundes- über die Landesebene, vom gewerkschaftlichen bis zum betrieblichen Handlungsbereich, von der Ministerin zur Erziehungsberechtigten. Hauptsache, es reicht für eine Schlagzeile. Zu ihrer Forderung, die Arbeitszeit zu flexibilisieren, um „familiäre Herausforderungen“ besser bewältigen zu können: Wir informieren die Ministerin gerne darüber, welche gesetzlichen Möglichkeiten es heute schon für die Gestaltungsvarianten über Umfang, Lage und Verteilung von Arbeitszeit, für Gleitzeitlösungen, 4-Tage-Wochen und vieles
d i rek t
mehr gibt. Jahresarbeitszeitmodelle, Freizeitoptionen und Sabbaticals sind nur einige der von den Sozialpartnern verhandelten kollektivvertraglichen Modelllösungen, die helfen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Wir haben nämlich gar nichts gegen Flexibilität, wenn die Beschäftigten davon profitieren, und wenn sie diese Flexibilität in ihrem Interesse mitgestalten können. Wir wehren uns aber mit aller Kraft gegen kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit – sprich gegen Arbeit auf Abruf
„Wir haben nichts gegen Flexibilität, wenn die Beschäftigten davon profitieren und in ihrem Interesse mitgestalten können. Wir wehren uns aber gegen ,Arbeit auf Abruf‘ und gegen die Nichtbezahlung von Mehrarbeitszuschlägen.“ Ilse Fetik, FSG-Frauenvorsitzende
– und gegen die Nichtbezahlung von Mehrarbeitszuschlägen, wie das manche Unternehmen gerne hätten. Das ist nämlich absolut familienfeindlich und geht zulasten der Beschäftigten. Kinder, Eltern sowie Pflege-, Betreuungs- und Bildungseinrichtungen brauchen Planbarkeit und Zuverlässigkeit hinsichtlich Arbeitszeit und Einkommen. Was den Ruf der Familienministerin nach mehr Frauen im Betriebsrat betrifft – wir stimmen vorbehaltlos zu. Hand in Hand damit geht gewissermaßen auch unsere Forderung nach einer Quote für Frauen in Aufsichtsräten, da gibt es sozusagen viel Luft nach oben: In den umsatzstärksten 200 Unternehmen des Landes sind aktuell nur schwache 17,7 Prozent der Mitglieder im Aufsichtsrat weiblich – der Frauenanteil ist also in etwa halb so groß wie jener von 34 Prozent in den Betriebsratskörperschaften. Karmasin ist also herzlich eingeladen, unsere Forderung zu unterstützen: Mehr Frauen an ALLE Schalthebel in den Unternehmen und in der Politik! Autorin: Ilse Fetik
GRUNDSATZ
13
www.f s g.at
INAKZEPTABLES ABKOMMEN
KLARES NEIN ZU CETA Rechte von Beschäftigten durch CETA und TTIP in Gefahr. Einbindung des EU-Parlaments ist demokratiepolitisch ein Muss. Uns steht ein heißer Herbst bei den beiden geplanten Handelsabkommen TTIP mit den USA sowie CETA mit Kanada bevor. CETA ist bereits fertig verhandelt, nicht so TTIP. Klar ist in beiden Fällen: Es darf zu keiner Schwächung der europäischen Arbeits-, Umwelt- und Produktstandards kommen. Auch wenn hohe Standards nicht direkt vom Vertrag angegriffen werden, geht es mir vor allem um mögliche Folgewirkungen im Zuge eines verstärkten Verdrängungswettbewerbs zwischen US-amerikanischen und europäischen Unternehmen und deren Produkten und Dienstleistungen. Die Verhandlungen zu CETA wurden zwischen der EU und Kanada 2014 beendet, nach einer rechtlichen Prüfung wurde der fertige Text des Abkommens im Februar
2016 veröffentlicht. Im Herbst könnte der EU-Handelsministerrat zustimmen, für Österreich hat Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner das Stimmrecht. Im Falle einer darauf folgenden Zustimmung des EU-Parlaments könnte CETA somit ab 1. Jänner 2017 vorläufig Anwendung finden. Es war mehr als notwendig, dass nach heftigem Protest die EU-Kommission im Juli zugesichert hat, das geplante Handelsabkommen auf eine breite demokratische Basis zu stellen und auch die nationalen Parlamente abstimmen zu lassen. So wie CETA derzeit am Tisch liegt, ist das Abkommen für die SPÖ-Delegation im EU-Parlament inakzeptabel. Neben den Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen ist der geplante Pakt mit Kanada auch aus demokratiepolitischer
WAS MÜSSTE SICH ÄNDERN, UM DOCH NOCH ZUSTIMMEN ZU KÖNNEN Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Evelyn Regner steht den Freihandelsabkommen CETA und TTIP kritisch-ablehnend gegenüber. FSG direkt hat nachgefragt: Was müsste sich ändern, damit man doch noch zustimmen könnte? Evelyn Regner: Bei CETA ist eine Änderung inzwischen ausgeschlossen. Und bei TTIP sind unsere drei roten Linien unmissverständlich. Ich lehne private ISDS-Schiedsgerichte ab. Stattdessen soll auch von Kon-
14
EUROPA/INTERNATIONAL
zernen der ordentliche Gerichtsweg beschritten werden, der transparent arbeitet, einen Instanzenzug vorsieht, sowie unparteiische und unabhängige RichterInnen beschäftigt. Zweitens dürfen US-Lobbyisten keine Möglichkeit erhalten, unsere Gesetze zum Schutz der BürgerInnen zu verhindern und Befugnisse der demokratisch legitimierten Parlamente über die regulatorischen Kooperation einzuschränken. FSG direkt: Was ist mit unseren EUStandards?
„Ziel muss sein, einen Mehrwert für die BürgerInnen zu schaffen. Nicht die Interessen der multinationalen Konzerne sollen dabei im Mittelpunkt stehen.“ Evelyn Regner, Gewerkschafterin, Europaabgeordnete und Delegationsleiterin der SPÖ-Europaabgeordneten. Sicht für mich untragbar. Der Grundsatz „öffentliche, faire und gleiche Gerichtsbarkeit für alle“ muss immer gelten – doch das ist mit dem vorgesehenen Investorenschutz nicht gesichert. TTIP VOR DEM AUS Ähnlich kritisch, aber noch nicht so weit fortgeschritten, sieht es beim geplanten Freihandelsabkommen mit den USA aus. Seit Juni 2013 wird zwischen EUKommission und US-Regierung verhandelt. Trotz kleiner Fortschritte in Sachen
NACHGEFRAGT
Evelyn Regner: Drittens braucht es statt der Negativliste, die die Gefahr ungewollter Liberalisierung von bestimmten Dienstleistungen mit sich bringt, eine Positivliste, die ausdrücklich jene Dienstleistungen nennt, die liberalisiert werden dürfen. So war es auch bisher in Handelsabkommen üblich, um eine Absenkung von EU-Qualitätsstandards sowie Lohn- und Sozialdumping durch überbordenden Liberalisierungsdruck bei Dienstleistungen zu verhindern. www.evelyn-regner.at
15. Jahrgang // Nummer 9 // Wien, September 2016
Foto: mauritius images / ès collection / Odilon Dimier
FREIHANDEL
Transparenz gibt es viele inhaltliche Bedenken. Die US-Präsidentschaftswahlen am 8. November könnten zu einem Ende der TTIP-Verhandlungen führen. Besonders gefährlich erachte ich die Regulierungszusammenarbeit, die die künftige Zusammenarbeit zum Abbau von Handelshemmnissen vorsieht. Viele Regelungen haben KonsumentInnenoder ArbeitnehmerInnenschutz zum Ziel, und unsere demokratischen Institutionen wie unsere Parlamente werden in der künftigen Ausgestaltung der Gesetzgebung eingeschränkt. Die Einbindung des EU-Parlaments in Sachen Regulierungszusammenarbeit auch nach dem Abschluss des Abkommens ist demokratiepolitisch unabdingbar. Was in der Diskussion um Handelsabkommen wie CETA und TTIP oft untergeht: Ziel muss sein, einen Mehrwert für die BürgerInnen zu schaffen. Nicht die Interessen der multinationalen Konzerne sollen dabei im Mittelpunkt stehen, sondern jene der Beschäftigten und KonsumentInnen. Faire Regeln könnten wichtige Standards in der Weltwirtschaft setzen. Aufgrund der politischen liberalkonservativen Mehrheitsverhältnisse ist davon aber noch wenig zu spüren. Autorin: Evelyn Regner
d i rek t
DASEINSVORSORGE DROHT STÄNDIGER PRIVATISIERUNGSDRUCK Die Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TiSA sind in der momentanen Form ein massiver Angriff auf die gesamte Daseinsvorsorge. Die Bedenken von younion _ Die Daseinsgewerkschaft werden durch eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien bestätigt. Sie zeigt auf, dass der Schutz öffentlicher Dienstleistungen wie im gemeinnützigen Wohnbau, der Wasserver- und Wasserentsorgung, öffentlichen Verkehr oder bei Gesundheits-Dienstleistungen nicht gewährleistet ist. Es wird auch deutlich belegt, dass die Daseinsvorsorge erheblichen rechtlichen Risiken ausgesetzt wird, insbesondere durch Investitionsschutzbestimmungen. Durch diese erhalten ausländische Investoren Sonderklagerechte. Staaten können verklagt werden, wenn diese Regulierungen für Umwelt, Wasser oder Gesundheit erlassen, welche die Gewinnerwartungen von Investoren verletzen. „Die
Freihandelsabkommen neuer Prägung haben weitreichende Auswirkungen auf die kommunale Selbstbestimmung und erheblichen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der Kommunen und erzeugen einen permanenten Liberalisierungsdruck für Leistungen der Daseinsvorsorge. Wir dürfen keinem Abkommen zustimmen, das hohe Standards bei öffentlichen Dienstleistungen, ArbeitnehmerInnenrechten und Umwelt- sowie Konsumentenschutz im Austausch für vermeintliches Wirtschaftswachstum aufgibt“, stellt Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums von younion _ Die Daseinsgewerkschaft fest. VOLKSBEGEHREN STARTET Ab Herbst kann man das Volksbegehren gegen CETA, TTIP und TiSA unterstützen. Im Vorfeld den internationalen Aktionstag am 17. SepPE N tember: www.ttip-stoppen.at STOP
C ETA
Autor: Ronald Pötzl
CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement, Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen EU und Kanada. TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership, Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen EU und USA. TiSA – Trade in Services Agreement, Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen; TiSA ist ein Handelsabkommen, das die EU-Kommission mit 21 anderen Ländern der Welthandelsorganisation verhandelt (darunter USA, Türkei, Kanada, Mexiko, Australien und Japan); TiSA ist eine Folge der ins Stocken geratenen Verhandlungen zu GATS (General Agreement on Trade in Services).
EUROPA/INTERNATIONAL
15
w w w. f s g . a t
FAIR. SOZIAL. GERECHT. WWW.FACEBOOK.COM/FSG.OEGB
I
# was nettes basteln, pickerl wie mannerschnitten
.O PREISVORTEIL
EGB.AT
T PREISVORTEIL.OEGB.A
MITGLIEDER HABEN’S JETZT NOCH BESSER DIE NEUEN ANGEBOTSPLATTFORMEN DES ÖGB UND DER GEWERKSCHAFTEN Mit der ÖGB-Card gab’s schon bisher für Gewerkschaftsmitglieder tolle Angebote. Und jetzt werden sie laufend mehr. Von A, wie alles rund ums Auto, bis B, wie Bildungsangebote, über K, wie Kunstund Kulturveranstaltungen, weiter bis
R, wie Reiseangebote, bis zu Z, wie Zeitungsabos. Über die neue Angebotsplattform erhalten Mitglieder besondere Ermäßigungen. Einen Überblick über die Angebote, die für alle Gewerkschaftsmitglieder gel-
Ein Ersuchen des Verlages an den/die BriefträgerIn: Falls Sie diese Zeitschrift nicht zustellen können, teilen Sie uns bitte hier den Grund und gegebenenfalls die neue oder richtige Anschrift mit
ten, bietet die ÖGB-Card-Vorteilsplattform. Da kann man die Angebote auch je nach Region filtern. Regelmäßig reinschauen lohnt sich. Und Weitersagen verbreitet Freude. Jetzt anschauen im Internet unter: preisvorteil.oegb.at
F–D5
/ / / Straße/Gasse Haus-Nr./Stiege/Stock/Tür / Postleitzahl Ort Besten Dank P.b.b. 02Z031786M ÖGB-Verlag, 1020 Wien, Johann-Böhm-Platz 1
Retouren an PF 100, 1350 Wien