Magazin GARCON - Essen, Trinken, Lebensart Nr. 41

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AUSGABE NR. 41 | 2016 | 6 €

ESSEN, TRINKEN & LEBENSART

E.T.A. HOFFMANN | LE BON MORI | ALTE ÜBERFAHRT | SAWADE | EINE PRISE HEIMAT


neu OBST UND GEMÜSE

SCHON

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MISE EN PLACE

Liebe Freunde, ein paar Gerüchtchen über die Zukunft des Sternerestaurants Les Solistes by Pierre Gagnaire im Waldorf Astoria köchelten im Oktober 2016, nachdem Roel Lintermans seine Entscheidung kundgetan hatte, das noble Haus zu verlassen. Die legten sich jedoch wieder, Sous Chef Thomas Leitner übernahm, der Gault Millau bestätigte die 17 Punkte des Vorjahres und auch der Michelinstern stand nicht zur Disposition. Dann – wie ein Paukenschlag – die Nachricht: Das Les Solistes schließt zum Jahresende. Pierre Gagnaire, einer der geschäftstüchtigsten französischen Küchenchefs im Ausland, hat keinen Bock mehr auf Berlin. Was auch immer folgt, steht noch in den Sternen, wenn denn was folgt. Der Trend des Niedergangs von Luxusrestaurants in Berlins Nobelherbergen setzt sich also fort: Louis im Steigenberger, Vitrum im Ritz-Carlton, Vivo im Esplanade, ver-

Das Restaurant Skykitchen im andel's Hotel.

gangen, vergessen, vorüber. Ein bisschen im Gedächtnis ist lediglich noch das first floor. Hier wollen die Manager, wenn das Lokal nach dem Totalumbau irgendwann 2017 wieder öffnen wird, die Casual-Karte spielen. Das dürfte wohl auch die einzig richtige Entscheidung sein. Oldschool ist „out“ in Berlin. Was „in“ ist? Versuchen Sie, im cool-großstädtischen Sternerestaurant Skykitchen des andel`s Hotels einen Platz zu ergattern, dann wissen Sie es.

Ihre Yvonne Weinlich info@bildart-verlag.de

GARÇON

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INHALT MISE EN PLACE TITEL Viktoria Kniely

Berliner Gastgeberin 2016

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Sardinen.Bar: Delikatessen aus Dosen.

Viktoria Kniely: Berliner Gastgeberin 2016.

LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann

GESCHMACKSSACHEN 24

Sawade-Schokolade 65

13 Jahre Cuisine classique

Traditionsunternehmen rockt den Markt

Sardinen.Bar 32

Toller Hecht I

Delikatessen aus Dosen

Fisch des Jahres im kulinarischen Abseits

Le Bon Mori

38

Toller Hecht II

70

74

Brasserie am Landwehrkanal

Restaurant Alte Schule Fürstenhagen

greenHOUSE 47

Brückenschläge 84

Gänseburger unter Palmen

Das Projekt „Eine Prise Heimat“

SchmidtZ & Ko.

52

KOPFSALAT

7 Gänge + 7 Weine = 79 Euro

Alte Überfahrt

Nina Quade

56

Die Popcorn-Queen aus Falkensee

Leuchtturm in Brandenburg

Neue Restaurants Wirtshaus Roter Jäger Gaststätte am Ufer

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GARÇON

62

90

65

Sawade: Schokolade made in Berlin.

BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

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SO TICKT BERLIN ...

70

Toller Hecht: Fisch des Jahres 2016 im kulinarischen Abseits.

KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre 2016 in Turin

111

Stippvisite auf dem Ausstellungsgelände Deutschland: Wenig Neues Österreich: Süße Früchte Japan: Starke Offerte

RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb

112

90

Nina Quade: Die Popcorn-Queen aus Falkensee.

Knollensellerie

Kulinarische Nachlese

114

In alten Kochbüchern geblättert

BREMEN · CHRONOGRAPH

Marktnischen 116 Auf Berliner Wochenmärkten entdeckt

Garcon-Quiz 118 Impressum

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101

Turin: Benvenuti a Terra Madre.

ASKANIA Flagship-Store: Hackesche Höfe Rosenthaler-Str. 40/41 · 10178 Berlin ASKANIA Uhrensalon: Uhlandstraße 179/180 · 10623 Berlin ASKANIA AG Office: Lützowplatz 5 · 10785 Berlin GARÇON 5 www.askania-berlin.de facebook.com/askania.uhren


TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

„SO JUNG UND SCHON SO GUT“ VIKTORIA KNIELY: BERLINER GASTGEBERIN 2016 VON JÖRG TEUSCHER

Die traditionelle Botschafts-Party zum österreichischen National-

mann Schützenhöfer und die Mitglieder seiner vielköpfigen Dele-

feiertag fand in diesem Jahr nicht am 26. Oktober, dem eigentli-

gation dann auch ausgiebig. 800 Gäste genossen es, unter ihnen

chen Termin statt, sondern am 8. November. Wegen der Schulfe-

etliche mehr oder weniger prominente Berliner Steiermark-Impor-

rien in Berlin.

te – Künstler und Unternehmer, Manager und Medienmenschen,

Die Vertretung der Alpenrepublik an der Stauffenbergstraße im

Gastronomen und Hoteliers, Schlagersternchen und Zweitligakicker.

Bezirk Tiergarten hatte neben dem nationalen Rot-Weiß-Rot auch

Viktoria Kniely bekam keine Einladung, obwohl die Restaurant-

das steirische Weiß-Grün geflaggt. Die Steiermark, Österreichs

leiterin des Kreuzberger Kult­lokals Herz & Niere nicht nur gebürti-

zweitgrößtes Bundesland, präsentierte sich zum gegebenen Anlass

ge Steirerin und Absolventin der steirischen Tourismusschulen in

in der deutschen Hauptstadt kulinarisch, musikalisch, politisch und

Bad Gleichenberg ist, sondern auch Berliner Gastgeberin des Jah-

vor allem touristisch.

res 2016 – heuer von einer unabhängigen Jury gewählt, öffentlich

Kein Wunder, denn von den über 6 Millionen Übernachtungen in

geehrt und medial gewürdigt.

der Steiermark im ersten Halbjahr 2016 entfielen immerhin 1,65 Mil-

„Sie setzt Maßstäbe für einen Berufszweig, der seit langem ein

lionen auf Urlauber aus Deutschland. Ein guter Grund also, diesen

neues Image benötigt“, so hieß es in den Hauptstadtzeitungen.

Markt zu pflegen. Das taten der steirische Landeshauptmann Her-

Sollte man das in Österreichs Botschaft überlesen haben?

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GARÇON


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Kindheit mit Bruder Gabriel.

2004 bis 2009: Tourismusschulen Bad Gleichenberg (mittlere Reihe, 3. v.li.).

VIKTORIA KNIELY • Geboren am 28. Februar 1990 in Feldbach • Aufgewachsen in Weinberg an der Raab • Volksschule in Hohenbrugg • Hauptschule in Fehring • Höhere Lehranstalt für Tourismus in Bad Gleichenberg, Abschluss Matura (Abitur) und Tourismus-Diplom

2009: Matura, Diplom...

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GARÇON

...und Start ins Berufsleben.


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

2011 bis 2014...

...im Restaurant Hugos.

• Stationen als Commis de Rang, Demi Chef de Rang und Chef de Rang in Österreich, der Schweiz und Spanien • Seit fünf Jahren in Berlin tätig • Chef de Rang und Commis Sommeliére im Restaurant Hugos – InterContinental • Restaurantleiterin und Sommeliére im Restaurant Herz & Niere

Putzen, bis der Arzt kommt...

...im April 2014 im Herz & Niere.

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Gala-Diner im Kraftwerk.

Viktoria Kniely gehört zu den Stars dieses Abends. Berliner Gastgeberin des Jahres, das ist schon was. Die Jury hat die Kriterien formuliert, den Maßstab, den sie beim Kandidaten-Check angelegt hat. Von Persönlichkeit und Menschenkenntnis ist da die Rede, von Freundlichkeit und dem Vermögen, sich auf die Gäste einzustellen, von der Fähigkeit, auch deren unausgesprochene Wünsche zu erfüllen und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Und natürlich von kulinarischer Kompetenz. Eine Menge Holz und viele Fallen: Die Trennlinie zwischen aufmerksam und aufdringlich ist fein, ebenso wie die zwischen lässig und nachlässig. „Das wichtigste Handwerkszeug eines guten Kellners sind Natürlichkeit und Empathie“, so Rose Marie Donhauser. Sie hat die Laudatio auf Viktoria Kniely gehalten. „Viktoria kann die Gäste lesen“, sagt die erfahrene Food-Journalistin. Weil es dazu naturgemäß beruflicher Erfahrung bedarf, wiegt diese Einschätzung umso schwerer, denn die zur Berliner Gastge-

Ehrengast: Rakhshan Zhouleh, Berliner Sommelier 2008.

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Das Alte-Schule-Team serviert: Rotwild, Zwetschke, wilder Kren.


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Viktoria Kniely und ihre Laudatorin Rose Marie Donhauser.

Viktoria Kniely und Alexandra Laubrinus, Berlin Food Week.

berin des Jahres Gekürte ist erst 28. „So jung und schon so gut“,

Mit den Titeln Berliner Maître (2003 bis 2011) und Berliner Gast-

formuliert anerkennend dann auch ein Berliner Unternehmer – eine

geber (seit 2012) wurden bisher ausgezeichnet:

Bemerkung, die wir zum Titel unseres Beitrages gemacht haben.

2003 Rainer Möckel, Borchardt

Viktoria Kniely ist mit ihrer herzerfrischenden Liebenswür-

2004 Gesumino Pireddu, Vitrum

digkeit, souveränen Gelassenheit und fachlichen Kompetenz ein

2005 Marie-Anne Raue, Restaurant 44

Aushängeschild für einen Berufsstand, der – nicht nur in Berlin –

2006 Gerhard Retter, Lorenz Adlon

Imageprobleme und Nachwuchssorgen hat.

2007 Olaf Rode, Hugos

Das beginnt mit den Lehrlingsvergütungen. Ein angehender Re-

2008 Anton Stefanov, Berlin-Sankt Moritz

staurantfachmann verdient im 1. Lehrjahr 647 bzw. 530 Euro, je

2009 Vedad Hadziabdic, Die Quadriga

nachdem, ob sich der Ausbildungsbetrieb in den alten oder neuen

2010 Manuel Finster, Facil

Bundesländern befindet, bei Bürokaufleuten etwa beläuft sich das

2011 Heike Seebaum, Altes Zollhaus

Salär auf 853 bzw. 767 Euro. Der Unterschied: Abends, wenn im

2012 Michael Köhle, Hugos

Büro die Lichter aus sind, wird im Restaurant gearbeitet. Das mag

2013 Andrea Güttes, Restaurant Markus Semmler

banal klingen, aber für Schulabsolventen ist das ein Faktor bei der

2014 Peter Frühsammer, Frühsammers Restaurant

Berufswahl. „Der Beruf des Restaurantfachmanns muss völlig neu

2015 Barbara Merll, Skykitchen

definiert werden“, so Andreas Truglia von der IHK Berlin.

2016 Viktoria Kniely, Herz & Niere

Fröhliche Preisträger mit Berlin-Partner-Geschäftsführerin Andrea Joras, li.

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Viktoria Knielys herzerfrischen­ de Liebenswürdigkeit und ihr fun­ diertes Wissen um Wein und Ku­ linarik machen einen Abend im Herz & Niere zum Vergnügen. Rose Marie Donhauser Reisejournalistin, Kochbuchautorin, Restaurantkritikerin Jurymitglied Berliner Meisterköche

Als Viktoria zu uns nach Lech kam, war sie ein junges Talent, das wir gern gefördert haben. Schnell beherrschte sie die gastfreundli­ chen Tugenden ihres Metiers und war deshalb bei unseren internati­ onalen Gästen sehr geschätzt. Josef Neulinger Chefsommelier, Almhof Schneider Lech am Arlberg Vorarlberg

Vicki? Ehrlich, fleißig, belastbar. Ein herzensguter Mensch ohne die in unserer Branche oft üblichen zwei Gesichter. Olaf Rode ehem. Maître, Restaurant Hugos Restaurantleiter Alpenstueck, Berlin-Mitte

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Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Sie schenkt jedem Gast ihr ein­ maliges Lächeln und ist so wun­ derbar natürlich wie man es nur sein kann, wenn man den Servi­ ceberuf als Berufung empfindet. Thomas Kammeier ehem. Küchenchef, Restaurant Hugos Gastronomischer Leiter EUREF-Campus, Berlin-Schöneberg

Natürlich macht es uns stolz, wenn wir von Absolventen unserer Tourismusschule hören, die sich in der gastronomischen Praxis so prächtig bewähren wie Viktoria Kniely. Schließlich sind sie Bot­ schafter unserer Schule. Johann Sokoll Fachvorstand Tourismusschulen Bad Gleichenberg Steiermark

Dass sich Viktoria nach ihrer Zeit im Hugos für das Herz & Niere entschied, gehört zum Besten, was mir passieren konnte. Michael Köhle ehem. Chefsommelier, Restaurant Hugos Inhaber Herz & Niere Berlin-Kreuzberg

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Als die Jungs (so nenne ich die bestimmt noch in zwanzig Jahren!) mich fragten, ob ich mit ihnen arbeiten wollte, habe ich ziemlich spontan zuge­ sagt. Dass ich nicht nur im Service zu tun haben würde, sondern auch auf dem Acker, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht ahnen. Ich mache jedoch das eine wie das andere mit Begeisterung. Vermutlich tobt sich das Landleben der Steiermark in meinen Genen aus, wenn ich in Rudow unsere Pflänzchen hege und pflege. Aber vom Berliner Stadtleben bin ich mindestens ebenso überzeugt. Viktoria Kniely

Ein starkes Team: Restaurantleiterin Viktoria Kniely und...

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...Inhaber Michael Köhle.


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Viktoria Kniely und Küchenchef Christoph Hauser.

Das Restaurant Herz & Niere ist der Arbeitsplatz von Viktoria Kniely,

hat. Förderprogramm für Jungsommeliers heißt das. „Es reicht mir

hier ist sie vom ersten Tag an Teil des Teams, auch auf dem gepach-

nicht, den ultimativen Weißwein etwa zu unserem Innereienmenü

teten Acker in Rudow oder in einem Wald irgendwo in Brandenburg.

zu empfehlen“, erklärt sie, „ich will tiefer in die Materie eindringen.“

Die Herz-&-Niere-Leute sind Gärtner und Sammler. „Es macht

Es ist wohl diese Leidenschaft, die sie auszeichnet.

Spaß, aber es ist keiner“, lächelt Inhaber Michael Köhle. Hinter dem

Ihr meistgebrauchtes Wort, wenn sie über ihre Arbeit spricht, ist

Ganzen steckt Kalkül, der Bruch mit Gourmetattitüden und mögli-

„authentisch“. Keine Verstellung also, keine Rituale und keine Flos-

cherweise auch ein neues Berufsverständnis.

kelsprache. Nicht permanent die Frage „Ist bei Ihnen noch alles in

Michael Köhle, Küchenchef Christoph Hauser, Viktoria Kniely und Co. gehören zu jener Gruppe junger Gastronomen, denen

Ordnung?“ Wie angenehm klingt dagegen das schlichte: „Möchten Sie noch Wein?“

Kornelkischen und Maulbeeren keine kulinarischen Rätsel aufgeben und die den Guten Heinrich nicht für einen netten Nachbarn halten. Sie sind in der Welt wilder Kräuter und alter Gemüsesorten zu Hause und beherrschen archaische Konservierungstechniken. „Neugier ist Gastronomenpflicht“, sagt Viktoria Kniely. Das ist wohl auch der Grund, weshalb sich die Berliner Gastgeberin des Jahres 2016 noch eine vinophile Fortbildung verordnet

HERZ & NIERE Fichtestraße 31 10967 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 — 69 00 15 22 www.herzundniere.berlin

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

„Hoch vom Dachstein an, wo der Aar noch haust, bis zum Wendenland am Bett der Sav´ und vom Alptal an, das die Mürz durchbraust, bis ins Rebenland im Tal der Drav´. Dieses schöne Land ist der Steirer Land...“ (Steirerhymne von Jakob Dirnböck, 1809-1861)

WIEN

GRAZ WEINBERG A.D. RAAB BAD GLEICHENBERG

„Warum liebt man die Heimat?“, fragt Bertolt Brecht. Die Antwort

Viktoria Kniely stammt aus dem Südosten der Steiermark. Kind-

des Dichters: „Deswegen: das Brot schmeckt da besser, der Him-

heit, Jugend, Volks- und Hauptschule. Kindergärtnerin wollte sie

mel ist da höher, die Luft ist da würziger, die Stimmen schallen da

werden. Doch da war die Mutter vor. Also zog Viktoria, 14-jährig,

kräftiger, der Boden begeht sich da leichter.“

nach Bad Gleichenberg ins Internat und absolvierte eine fünfjährige

Wenn Viktoria Kniely über die Steiermark spricht, das „grüne

Ausbildung an den dortigen Tourismusschulen. Überredung oder

Herz Österreichs“, dann gerät sie – ganz im Brechtschen Sinne –

Überzeugung? „Von beidem etwas“, wird uns Helga Krenn, ihre Mut-

ins Schwärmen und rollt das „r“ noch etwas stärker als sie es ohnehin

ter, später sagen.

schon tut. Nach einer Aufzählung der landschaftlichen Schönheiten

Wir sind auf Spurensuche. Am Flughafen Graz – Air Berlin fliegt

und architektonischen Besonderheiten des Bundeslandes, folgt das

täglich zweimal in die Steiermark-Haupstadt – begrüßt ein Schrift-

steirisch-ultimative „is so“. Soll heißen: Zweifel sind nicht erlaubt.

zug die Ankommenden: „Welcome – Expect a lot.“ Das tun wir.

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Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Der Vielfalt der Steiermark auf 350 Seiten gerecht werden? Ein schwieriges Unterfangen. 16.400 Quadratkilometer zwi-

Südoststeirische Idylle: Das Raabtal.

schen dem Dachsteinmassiv im

Wir lassen Graz – mit über 280.000 Einwoh-

und eine Region von kulinarischer Bedeu-

nern zweitgrößte Stadt Österreichs, seit

tung, weit über Österreichs Grenzen hinaus.

1999 auf der Liste des UNESCO-Weltkultur­

Stichworte müssen genügen: Gölles-Essi-

erbes und natürlich auch immer eine Reise

ge, Vulcano-Schinken, Zotter-Schokolade,

wert – links liegen.

der Kren und das Kernöl. Die Feinschme-

Unser Ziel befindet sich rund 50 Kilometer weiter östlich: das steirische Vulkanland. Eine Gegend von eigenwilliger Schönheit

cker lächeln wissend. Dann ein weiß-blaues Ortsschild – Weinberg an der Raab. Muss man das kennen?

Westen des Bundeslandes und den pannonischen Ebenen der Oststeiermark. 1,2 M ­ illionen Ein­ wohner. Architektur, ­Brauchtum, Geschichte, Politik, Kultur. ­Arnold Schwarzenegger, Peter R ­ osegger, Elfriede Jelinek – Autor Gunnar Schwarz ist es tatsächlich gelungen, das alles zwischen zwei Buchdeckel zu bringen und dabei keine publizistische Stopfgans zu produzieren. Respekt! Übrigens: Meister Johann Lafer ist zwar gebürtiger Steirer und wird auch nicht müde, sich als kulinarischer Botschafter der alten Heimat in Szene zu setzen, die wirklichen Protagonisten traditioneller wie moderner Steiermarkküche allerdings heißen Gerhard Fuchs, Dietmar Dorner, Harald Irka und Richard Rauch. Gunnar Strunz STEIERMARK Das grüne Herz Österreichs 4., aktualisierte Auflage 2017 Trescher Verlag Berlin ISBN 978-3-89794-340-7

Abseits großer Straßen: Weinberg an der Raab.

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

In Weinberg, einer 405-Einwohner-Ortschaft, gelegen an der Raab, wuchs Viktoria Kniely auf. Behütete Kindheit in dörflicher Idylle.

Barbara Aschbacher-Gartner.

Nein, kennen muss man Weinberg nicht. Oder vielleicht doch? Der genauso schmucke wie winzige Ort im Südosten der Steiermark ist auf jeden Fall ein Beispiel dafür, dass solche Dörfer nicht in Tristesse versinken und an Perspektivlosigkeit zu Grunde gehen müssen. Die Alten sterben aus, die Jungen ziehen weg, man kennt das. Da ist zum Beispiel Johann Koller, 48, Kürbisbauer, ein belesener Mann, der sicher auch in Graz oder Wien Karriere gemacht hätte. „Ich bin die fünfte Generation auf diesem Hof“, sagt er, „und solche Tradition verpflichtet.“ Seit 17 Jahren baut Koller den Steirischen Ölkürbis an und presst Kernöl, das er in die halbe Welt verkauft. Und weil er nicht in Konventionen verharrt, bietet er neben dem Öl auch Kürbiskernchutney, Kürbiskernpesto und neuerdings einen Kürbiskernbrand und sogar ein getrüffeltes Kürbisschmalz an. Mehr Kürbis geht sicher nicht. Koller lächelt, er hat wohl doch noch Einiges in der Kürbishof Gartner.

Ich finde, Unternehmergeist ist der Schlüssel für eine gute Zu­ kunft – nicht nur für Weinberg, sondern auch für viele andere kleine Dörfer. Barbara Aschbacher-Gartner

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Pipeline (www.kuerbisatelier.at).


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Gartners Café und Hofladen.

Am anderen Ende des Ortes befindet sich die Tischlerei von Franz

sie die in der Gegend traditionelle Schweinezucht der Schwiegerel-

Gross, die, genau genommen, Einrichtungswerkstätte Gross heißt:

tern. „Als Schweine wegen des Preisverfalls am Fleischmarkt nicht

18 Angestellte, der größte Arbeitgeber in Weinberg und nicht we-

mehr rentabel zu halten waren, haben wie es mit dem Ginseng­

niger über die Grenzen der Steiermark hinaus bekannt wie Johann

anbau probiert“, erzählt sie, „bis die Mäuse kamen.“

Koller. Gross propagiert das „Urschlafprinzip“ und fertigt unter dem

Heute bietet Barbara Gartner gestressten Städtern Urlaub auf

Markennamen Tueri metallfreie Holzbetten – Motto: Tueri bringt

dem Bauernhof. Aus einem Schweinestall entstand außerdem ein

den Schlaf zurück (www.tueri.at)!

Dorfcafé mit Hofladen (www.diegeniesserei.at), das einen Zu-

Es gibt in Weinberg einen funktionierenden Dorfgasthof mit

wachs an Lebensqualität nach Weinberg gebracht hat – als Ein-

großem Saal, Gewölbekeller und ziemlich respektabler Regional-

kaufsstätte regionaler Delikatessen und Kommunikationszentrum.

küche (www.bruchmanns.at), einen Gesangverein, etliche Oldtimersammler und ein jährliches Oldtimertreffen, das den Ort in ein tagelanges PS-Fieber versetzt. Und dann ist da noch Barbara Aschbacher-Gartner, die Chefin vom Gartnerhof (www.kuerbishof.at). Die charmante 47-Jährige stammt aus einer Kärntner Bergbauernfamilie und hat vor Jahren nach Weinberg geheiratet. Gemeinsam mit ihrem Mann übernahm

KÜRBISHOF GARTNER Weinberg a.d. Raab 60 8350 Fehring Tel. +43 3155 — 40 691 www.kuerbishof.at

Kürbisbauer Johann Koller.

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Das elterliche Weingut mit dem gemütlichen Buschenschank – das Thema Essen und Trinken war Viktoria Kniely sozusagen in die Wiege gelegt.

Mutter und Bruder: Helga Krenn und Gabriel Kniely.

Buschenschank. Immerhin, der Duden, die deutsche Rechtschreibung, kennt den typisch österreichischen Begriff, aus dem die Partner-für-Berlin-Vertreterin auf der Meisterköche-Pressekonferenz mal eben einen Bu-r-schenschank gemacht hat. Nein, das Wort hat mit Männlichkeit, von seinem grammatikalischen Artikel abgesehen, nicht viel zu tun, sondern steht für eine besondere Form von Gastronomie, die auf Kaiser Josef II. zurückgeht. Der Habsburger erteilte 1784 jedermann die Erlaubnis, von ihm selbst erzeugte Lebensmittel, Most, Wein, Speck, Wurst und anderes auszuschenken oder zu verkaufen. Um solche Orte zu kennzeichnen, hängten die Bauern Wacholderzweige an deren Türen, die so genannten Buschen. Also dann, „einig´schaut“ – auf zum Buschenschank Krenn/ Kniely oben auf dem Berg, hoch über Weinberg. „Griaß si!“ Josef und Antonia Krenn sind da, er 89, sie 87, Viktoria Knielys Großeltern. Sie haben die familiäre Einkehrstätte 1964 Buschenschank Krenn/Kniely.

Wir betreiben einen Buschen­ schank und kein Haubenrestau­ rant. Während dort Gänseleber­ terrine und Hummercreme ser­viert werden, gibt’s bei uns Lumpensalt und Verhackertbrot. Helga Krenn

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gegründet, Knielys Mutter Helga und Bruder Gabriel betreiben sie


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Großeltern: Josef und Antonia Krenn, v.li.

heute. Gabriel, 24, Winzer von Beruf, absolviert derzeit die Meister-

da weiß man, was Sache ist: Geselchtes, Hauswürstl, Ripperl und

schule für Weinbau und Kellerwirtschaft und ist für die dreieinhalb

natürlich das unvermeidliche Verhackert – frisch gehackter, gesal-

Hektar Rebfläche der Familie zuständig – Welschriesling, Weißbur-

zener Speck, gewürzt mit Zwiebeln und Knoblauch. „Denn in da

gunder, Chardonnay, Blauer Zweigelt.

Steiermark, da san d´Leit groß und stark...“, singt der Steirer. Nach

Der Knielysche Weinhof gehört übrigens zu dem in diesem Jahr

der Jause weiß man, weshalb.

neu geschaffenen Weinbaugebiet Vulkanland Steiermark: 1.400

Im Buschenschank lernte Viktoria Kniely von ihrer Mutter auch das

Hektar Rebfläche, die Großlagen Vulkanland und Oststeiermark,

kleine Einmaleins der Gastfreundschaft: Ein herzlicher Gruß, ein offe-

eine erstaunliche Sortenvielfalt, rund 70 familiengeführte Weingü-

ner Blick, ein freundliches Lächeln, Interesse am Wohl des Gastes –

ter als vorherrschende Betriebsstruktur.

das sind die kleinen Gesten, die wahre Gastlichkeit ausmachen.

„2016 war ein schwieriges Jahr“, so Gabriel Kniely, „im Frühjahr gab es noch Frost und im September, kurz vor der Lese, Hagel.“ Lediglich ein Viertel des Ertrags normaler Jahre lagert heuer in Knielys Keller. „Müssen die Gäste eben mehr essen als trinken.“ Was im Krenn/Knielyschen Buschenschank auf die Teller kommt, ist herzhaft und hausgemacht und in der Regel nichts für Diätpäpste und Kalorienzähler. Am besten, man bestellt eine Brettljause,

BUSCHENSCHANK KRENN/KNIELY Weinberg a.d. Raab 103 8350 Fehring Tel. +43 3155 — 26 05 www.buschenschank.at

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TITEL Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016

Von 2004 bis 2009 absolvierte Viktoria Kniely die Höhere Lehranstalt für Tourismus in Bad Gleichenberg/Steiermark.

Schulleiter Wolfgang Haas.

Die Steirischen Tourismusschulen – der Plural beschreibt, dass hier mehrere Ausbildungsstätten unter einem Dach vereint sind – befinden sich in Bad Gleichenberg in einem imposanten Gebäude des an imposanten Gebäuden nicht eben armen ältesten Kurortes der Steiermark. Wolfgang Haas, diplomierter Pädagoge, ist seit 2009 Schulleiter dieser Einrichtung. Der eloquente 60-Jährige war früher Tourismus-Manager, das merkt man. Bevor er zu einem Rundgang durch die vor 70 Jahren gegründete Tourismusschule einlädt, lobt er deren Standort. Bad Gleichenberg habe, so Haas, mit 2.000 Sonnenstunden im Jahr das wohl mildeste Klima Österreichs, in der Umgebung gebe es viele lohnende Ausflugsziele, etwa die Gesamtsteirische Vinothek in St. Anna am Aigen, keine zehn Kilometer weg von Bad Gleichenberg, in der die Besucher alle Rebsorten der steirischen Weinbaugebiete Tourismusschulen Bad Gleichenberg.

Wir bilden seit 70 Jahren Fach­ kräfte für Dienstleistungsbetrie­ be in der Tourismus-und Freizeit­ wirtschaft aus und gelten – mit aller Bescheidenheit – als eine der besten Ausbildungsstätten dieser Branchen weltweit. Wolfgang Haas

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verkosten können.


Viktoria Kniely – Berliner Gastgeberin 2016 TITEL

Ausbildungsküche mit allem Pipapo.

Dass Österreich für seine Tourismus-Ausbildung weltweit Anerken-

Selbstbewusstsein, von Sprachkenntnissen und Umgangsformen,

nung bekommt, ist längst kein Geheimnis mehr, auch nicht in Ber-

von Sozial-, Fach- und Führungskompetenz.

lin. Spitzenköche wie Sebastian Frank und Lucas Mraz stammen

Wir sehen Ausbildungsküchen und -kabinette, von denen deut-

aus Österreich, Spitzengastronomen wie Gerhard Retter und Willy

sche Schulen wahrscheinlich nur träumen können und beginnen zu

Schlögl ebenso, ein halbes Dutzend hauptstädtischer Hoteldirekto-

verstehen, weshalb die Absolventen so erfolgreich sind.

ren sind Alpenland-Importe.

Allerdings – die Gleichenberger Tourismusschule ist eine Privat-

Das liegt natürlich am hohen Stellenwert des Wirtschaftszweiges

schule, der Besuch also muss privat finanziert werden. Mal eben drei

bei unseren Nachbarn, also auch daran, dass sie viel mehr als hier-

Semester Spaß haben, um schließlich doch auf Streetfood-Worker

zulande in die Ausbildung entsprechender Fachkräfte investieren.

zu machen, das wäre dann ziemlich viel rausgeschmissenes Geld.

26 Tourismusschulen gibt es zwischen Vorarlberg und Burgen­land, unter denen die Bad Gleichenberger einen Spitzenplatz einnimmt. 300 Schüler sind derzeit in Bad Gleichenberg eingeschrieben,

TOURISMUSSCHULEN BAD GLEICHENBERG

die meisten leben im Internat. 25 kommen aus dem Ausland, darunter auch einige aus Deutschland. Das Motto der Ausbildung nennt Schulleiter Haas „learning by living and doing“. Er spricht von Neugierde und Aufgeschlossenheit, von Selbstvertrauen und

Ausbildungskabinett für Conciergerie und Reisebüro.

Kaiser-Franz-Josef-Straße 18 8344 Bad Gleichenberg www.tourismusschule.com

Der schuleigene Weinkeller.

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LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann

„Er hat´s im Blut“ THOMAS KURT UND 13 JAHRE CUISINE CLASSIQUE IM E.T.A. HOFFMANN VON JÖRG TEUSCHER

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e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN

Altmeister der Bodenständigkeit, Veteran der Berliner Küche, Klas­

Möglicherweise ist es das letzte Jubiläum, das Kurt hier feiert.

sik-Urgestein: Sicher gibt es noch mehr solcher Titulierungen diver-

Der Grund: Das Gründerzeitensemble Riehmers Hofgarten erlebt

ser Tester, die mit Thomas Kurts Cuisine classique nicht allzu viel

eine radikale Veränderung. Von Luxussanierung ist die Rede und

anfangen können, wahrscheinlich, weil ihnen Pilzdashi oder Pon-

von Quartierverdichtung. Betroffen ist auch Kurts e.t.a. hoffmann.

zusauce zum Glücklichsein fehlen. Na ja, der 57-Jährige nimmt`s

„Ich habe keine Planungssicherheit“, sagt der Gastronom, der sich

gelassen und lädt zum 13. Geburtstag seines Restaurants ein.

durchaus vorstellen kann, andernorts noch mal durchzustarten.

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LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann

Frühstück für die Küche.

Die Stammgäste des e.t.a. hoffmann wissen natürlich um diese

Schließlich wieder Kreuzberg – h.h. müller, das heutige Volt. Im

Probleme und sagen: „Schade, wenn er ginge.“ Thomas Kurt und

November 2003 dann der Start als Inhaber und Küchenchef des

seine Küche gehören zu Kreuzberg wie Paul Knopf und Curry 36.

e.t.a. hoffmann. Deftiges delikat, Gutes ganz einfach, dazu ein

Es begann 1985 mit dem Abricot an der Hasenheide. Entenbrust

superbes Weinangebot und das alles zu zivilen Preisen – das ist

an Heidelbeersauce. Elsässer Rieslinge. Es folgten Jahre als gas­

Kurts Rezept auch im 13. e.t.a.-hoffmann-Jahr. Zum Geburtstag

tronomischer Aufbauhelfer. Dschungel, Osvaldo, Frisco, Alter Fritz.

übrigens hat er seine Lieblings-Azubis eingeladen...

Teamwork in der Küche.

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GARÇON


e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN

„Suse war die beste Azubine, die ich je hatte“, sagt Thomas Kurt. Er

GRUPPENBILD MIT MITARBEITERN UND DEN LIEBLINGS-

benutzt zwar das Femininum, will aber auch die männlichen Auszu-

AZUBIS DER VERGANGENEN JAHRE

bildenden ausdrücklich einbezogen wissen.

Thomas Kurt und seine Partnerin Heike Seebaum, Gastgeberin

Suse, das ist Susan Jendritzki. Ihre Kochlehre bei Kurt absolvierte

im e.t.a. hoffmann (untere Reihe Mitte und rechts), feierten den

die 35-jährige Brandenburgerin aus Wriezen von 2005 bis 2008, die

13. Restaurantgeburtstag mit:

Gesellenprüfung bestand sie mit sagenhaften 97 von 100 möglichen

Lukas Kühn, Kochlehre, heute Küchenchef und Restaurantinhaber;

Punkten. Heute steht Susan Jendritzki als Sous Chefin neben Karl

Susan Jendritzki, Kochlehre, heute Sous Chefin; Stefan Walter, ak-

Wannemacher am Alt-Luxemburg-Herd. „Bei Thomas Kurt habe

tuell Sous Chef im e.t.a. hoffmann; Jascha Graf, aktuell Patissier

ich die Basics unseres Handwerks gelernt wie man sie nicht besser

im e.t.a. hoffmann (obere Reihe von links) – Robert Wiese, Res-

lernen kann, bei Karl Wannemacher bekomme ich den Feinschliff.“

taurantfach-Lehre, heute Weinberater; Michael Binninger, aktuell

Die Basics. Mise en place. Fleisch, Fisch, Gemüse. Braten,

Kochlehrling im e.t.a. hoffmann; Julia Rademacher, Restaurant-

Dünsten, Schmoren. Frittieren, Pochieren, Sautieren. Saucen an-

fach-Lehre, heute Eventmangerin; Melanie Agne, Restaurantfach-

setzen, Saucen binden. Würzen. „Thomas Kurt ist ein Meister der

Lehre, heute Verwaltungs- und Vertriebsmanagerin; Julia Rebecca

Basics“, bestätigt Arne Halit, von 1998 bis 2001 Kochlehrling im

Platter, Restaurantfach-Lehre, heute Ausbildung zur Erzieherin

e.t.a.hoffmann. Was er, Susan Jendritzki und die anderen bei Kurt

(mittlere Reihe von links) – Arne Halit, Kochlehre, heute Küchen-

gelernt haben, zeigt ihr Geburtstagsmenü (s.S. 28/29).

chef (untere Reihe links).

GARÇON

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LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann

ARNE HALIT, 34, KÜCHENCHEF, RESTAURANT GREENHOUSE, GLIENICKE/NORDBAHN: BLUTWURSTTORTE, ENTENLEBER, APFEL-RÖSTZWIEBEL-CHUTNEY, SELLERIEPÜREE.

LUKAS KÜHN, 32, INHABER UND KÜCHENCHEF, RESTAURANT SO, WEINHEIM: POT AU FEU VOM HUMMER, ROTES CURRY, KABELJAU.

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GARÇON


e.t.a. hoffmann LOKALTERMIN

MICHAEL BINNINGER, 20, KOCHLEHRLING IM 2. LEHRJAHR, E.T.A. HOFFMANN: LOUP DE MER, PULPORATATOUILLE, RUCOLAPESTO.

SUSAN JENDRITZKI, 35, SOUS CHEFIN, RESTAURANT ALT LUXEMBURG: SUSES SÜSSER TRAUM.

GARÇON

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LOKALTERMIN e.t.a. hoffmann

Übrigens: Thomas Kurt hat an diesem Geburtstagsabend natürlich

Übrigens: kein Geringerer als Paul Bocuse nannte das Rindfleisch

auch gekocht, natürlich einen Klassiker: Bœuf bourguignon und

auf Burgunder Art mal den „Höhepunkt jedes Festtages“.

Rinderfilet mit roter Bete und getrüffeltem Kartoffelpüree. Und,

Ob sich der Großmeister auch über geschmorte Kalbsnierchen

ehrlich, das macht ihm so schnell keiner nach. „Bei diesem Tradi-

geäußert hat, das wissen wir nicht. Auf jeden Fall würden wir sie

tionsgericht kommt es vor allem auf die Balance an“, erklärt Kurt,

dem Bœuf bourguignon vorziehen. Thomas Kurt kann's egal sein,

„auf den gleichberechtigten Geschmack von Fleisch und Wein.“

er hat auch Kalbsnierchen auf der Karte – mit Senfspitzkohl!

E.T.A. HOFFMANN Yorckstraße 83 10965 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 — 78 09 88 09 www.etahoffmann-berlin.de

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LOKALTERMIN SARDINEN.BAR

SARDINEN.BAR JAHRGANGSSARDINEN SIND KEINE DOSENFISCHE VON JÖRG TEUSCHER

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GARÇON


SARDINEN.BAR LOKALTERMIN

Als wir die Einladung zur Eröffnung des „Ersten Gourmet-Fischkonserven-Feinkost-Bistros seiner Art in Deutschland“ bekamen, waren wir skeptisch: Wieder mal ein Philosophie-Aspirant oder Soziologie-Doktorand, der auf seine Wissenschaft keinen Bock mehr hat und die Lebensmittelbranche für sich entdeckt. Motto: Eigentlich wollte ich schon immer was Handfestes machen. Kennen wir in Berlin zur Genüge, hat uns zwar manchmal überrascht, aber selten begeistert. Doch wie das mit Vorurteilen so ist: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der Chef der Sardinenbar heißt Thomas Vetter, ist gelernter Koch, Küchenmeister sogar, hat sieben Jahre in Irland gearbeitet und wollte schon immer „was mit Dosenfisch“ machen. Muss man erstmal drauf kommen. Ich erinnere mich an schäbige Dosen in gähnend leeren WGKühlschränken, an billiges Studentenfutter und an ein Gericht: Spaghetti, Knoblauch, Ölsardinen.

GARÇON

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LOKALTERMIN SARDINEN.BAR

SARDINEN SAINT GEORGES: Der Klassiker von La Belle-Iloise, benannt nach dem Gründer der Manufaktur. Sardinen, Olivenöl vergie extra, eine Prise Salz. Genuss pur!

OKTOPUS MIT ZWIEBELN IN ÖL: Zarter Atlantikoktopus in reinem Sonnenblumenöl. Mehr Würze bekommt das Ganze durch konfierte Zwiebeln. In Portugal von Hand eingelegt.

GEGRILLTER BACALHAU IN OLIVENÖL: Bacalhau, der Lieblingsfisch der Portugiesen, in einer besonderen Zubereitung, bei der der Fisch in einer Marinade aus Olivenöl und Zwiebeln eingelegt wird.

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GARÇON

Kennen Sie eigentlich diese Zubereitung,

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee mit

Herr Vetter?

dem Dosenfisch gekommen?

Aber sicher doch, Spaghetti nach Admi-

Durch den Besuch in einer kleinen Sardi-

ralsart, wobei das, was sie damals im Su­

nenbar in Lissabon.

permarkt gekauft haben, wahrscheinlich

Und von da an...

für 80 oder 90 Pfennige, Kreisklasse war

...von da an ging mir die Idee, so etwas

im Ver­gleich zu dem, was wir in unserem

in Berlin zu machen, nicht mehr aus dem

Bistro servieren. Was wir hier anbieten, ist

Kopf. Ja, dann haben wir die Räume hier in

Championsleague.

Schöneberg in der Grunewaldstraße ent-

Und übrigens, wenn Sie das Admirals-Es-

deckt – das war früher mal ein Grillrestau-

sen mit unseren Sardinen zubereiten wür-

rant – geplant, gebaut, und nun geht's hier

den, mit gehackten Schalotten, Knoblauch,

richtig los.

einer frischen Chili, mit gutem Weißwein

Sie benutzen den Plural?

ablöschen und mit Lion Poivre, einer spe-

Ohne Thomas Burlan, meinen Architekten,

ziellen Pfeffermischung würzen, dann ist

und ohne meinen Vater, der ist Maurermeis-

das auch eine Delikatesse.

ter und pensioniert, wäre es nicht so zügig


SARDINEN.BAR LOKALTERMIN

HUÎTRES FUMÉES: Geräucherte Austern in Olivenöl, ursprünglich eine Spezialität aus British Columbia, wird heute in Südkorea produziert.

Lebens- und Geschäftspartner: AnaΪs Causse und Thomas Vetter.

gegangen, und ohne meine Frau AnaΪs wür-

besonders fett und aromatisch sind. Sie

de ich wahrscheinlich immer noch an De-

werden nach dem Fang auch nicht schock-

tails feilen.

gefrostet, wie das normalerweise üblich ist,

AnaΪs Causse?

sondern direkt an Bord der Schiffe frisch

Richtig, die Tochter von Philippe Causse

verarbeitet.

und mit im Geschäft bei Maitre Philippe &

Was geschieht dabei?

Filles. Die beiden sind absolute Auskenner

Die Fische werden geschuppt und ausge­

was Sardinen, besser gesagt, Jahrgangs-

nommen, einige Verarbeiter entfernen auch

sardinen betrifft.

Haut und Gräten.

Was ist denn das Besondere an Jahrgangs­­

Für die Konservierung werden, im Gegen-

sardinen, verglichen mit herkömmlichen

satz zu den ,normalen' Ölsardinen, beson-

Sardinen?

ders hochwertige Olivenöle verwendet,

Erstmal handelt es sich bei Jahrgangs-

hinzu kommt dann nur noch Meersalz.

sardinen um die Atlantischen Sardinen, das

Eine weitere Besonderheit ist, dass die Fi-

sind Heringsfische, die im Idealfall im Sep-

sche nur locker in die Dose gelegt werden,

tember gefangen werden, weil sie dann

damit sie sich besser mit den Aromastof-

THUNFISCH: Vor den Azoren geangelter Atlantik-Bonito, eingelegt in Olivenöl, gewürzt mit der sehr aromatischen und nur wenig scharfen azorischen roten Paprika.

JAHRGANGSSARDINEN 2013: Vor der Küste von Saint-Gilles-Croix-de-View, einer Gemeinde südwestlich vom Nantes, gefischte Sardinen. Dosengestaltung: Delphine Cossais und Coralie Joulin.

Kompetente Mitarbeiterinnen: Nina Schretr aus Frankreich und Neomi Ben-Arie aus Israel, v.re.

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LOKALTERMIN SARDINEN.BAR

FOIE DE MORUE: Dorschleber in Olivenöl aus Quiberon mit feinen Räucheraromen. Eine typisch bretonische Delikatesse.

Inhaber Thomas Vetter und Sardinenbar-Architekt Thomas Burlan.

BACALHAU IN OLIVENÖL: Rund 150 Tage luftgetrockneter Kabeljau, gegrillt und mit Zwiebel und etwas Knoblauch in Olivenöl von Hand konserviert. Mehr Portugal geht nicht.

fen des Öls verbinden können. Mit wel-

ber, Makrele, Oktopus und andere Spezia-

chem Druck und welcher Temperatur dann

litäten aus der Dose an. Wie gesagt, alles

die Dose konserviert wird, ist ein sorgsam

Championsleague.

gehütetes Geheimnis der Firmen, die Jahr-

Und dabei bleibt es?

gangssardinen herstellen.

Nein, ich überlege natürlich, in Zukunft

Feinschmecker halten übrigens eine Reife-

auch warme Gerichte mit den Jahrgangs-

zeit von fünf bis sechs Jahren für optimal.

sardinen anzubieten – zum Beispiel Ihre

Da ist der Fisch dann schon ziemlich mür-

Spaghetti nach Admiralsart.

be und lässt sich beinahe wie eine Paste

Vielen Dank für das Gespräch.

streichen. Und solche Sardinen tischen sie hier auf. Ja, ganz klassisch, pur aus der Dose. Dazu gibt es einen bunten Salat und frisches Baguette. Und wir haben natürlich in unserer Sardinenbar auch den passenden Weißwein. Außerdem bieten wir Dorschle-

LISETTES DE SAISON: Kleine Jahrgangsmakrelen, die unfiletiert in kaltgepresstem Olivenöl eingelegt sind und mit der Zeit immer buttriger werden.

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SARDINEN.BAR Grunewaldstraße 79 10823 Berlin-Schöneberg Tel. 030 — 58 84 41 70 www.facebook.com/sardinen.bar


Echt. Gut.

Warum zahlt mir meine Molkerei Berchtesgadener Land einen fairen Milchpreis?

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www.bergbauernmilch.de


LOKALTERMIN Le Bon Mori

Le Bon Mori FEINE BRASSERIE AM LANDWEHRK ANAL

VON K ATARZ YNA K ASPROWICZ

Moritz Borowski 1981: Früh übt sich...

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Le Bon Mori LOKALTERMIN

Zweimal Moritz Borowski. Das kindliche Küchenspiel wurde 1981 von seinem Onkel aufgenommen. Der nannte den Neffen Mori und förderte entscheidend dessen Berufswahl. Moritz Borowski wurde Koch. Der Ausbildung im Alten Zollhaus, dem Stammlokal des Onkels, folgten Wander­ jahre, die ihn nach Amerika und in die Schweiz führten. 2015 dann die Rückkehr nach Berlin und ein Jahr später die Eröffnung eines eigenen Restaurants, dem er – Reverenz an den Onkel – den Namen Le Bon Mori gab.

Moritz Borowski, Mitte, 2016: Chef einer eigenen Brasserie.

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LOKALTERMIN Le Bon Mori

Ein paar Adressen sollte jeder Stadtmensch stets griffbereit haben: die eines menschenfreundlichen Zahnarztes, die einer Freundin, die gut und geduldig zuhören kann und die einer Brasserie mit sozialen Öffnungszeiten. Für Letzteres: Le Bon Mori. Der Laden hat zwar sonntags und montags Ruhetag, aber ansonsten ist von 11.00 Uhr bis 23.00 Uhr Betrieb. Und das kann man getrost wörtlich nehmen. „Bevor ich das Lokal übernommen habe“, so Moritz Borowski, „wurde recherchiert. Es existieren im Umkreis von einem Kilometer über 1.000 Hotelbetten, 4.500 Büroplätze und dann ist da noch das Hebbel-Theater drei Häuser weiter.“ Das gab dem 35-Jährigen Sicherheit. „Wissen Sie“, sagt er, „ich habe im Alten Zollhaus gelernt, das ist am Arsch der Welt und trotzdem immer voll.“ Und so entschied er: Was Herbert Beltle am CarlHerz-Ufer schafft, das schaffe ich in der Stresemannstraße auch. Tatsächlich, bereits eine Woche nach der Eröffnung am 5. Juli gab es so viele lobende Einträge im Gästebuch, dass Borowski nur

noch staunen konnte: „Danke, dass Sie in dieses gastronomische Brachland gezogen sind.“ – „Endlich eine gute Adresse in dieser Gegend.“ – „Wunderbar, liebevoll, lecker.“ Er freut sich natürlich über solche Hymnen, aber er überbewertet sie nicht, auch das hat er bei Herbert Beltle gelernt. Moritz Borowski ist nach seiner Lehre viel herumgekommen, meist stand er in Hotelküchen am Herd: Roger Sherman Inn, New York City; Grand Hotel Kronenhof, Pontresina; Grand Hotel National, Zürich; Grand Hotel Zermatterhof, Zermatt. Dazwischen immer mal wieder Berlin und Brandenburg – Estrel, Hubertushöhe, Oktogon und zum Schluß die sechsjährige Selbstständigkeit mit seiner damaligen Partnerin und einem Berghotel am Vierwaldstätter See in der Nähe von Luzern. Der Start ins Berliner Brasseriegeschäft war also keine Jungfernfahrt, der Mann wußte, was er tat. Auch kulinarisch. Kleine Karte, kleine Preise, eine Küche, die passt.

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Le Bon Mori LOKALTERMIN

Was Gastgeber Borowski und seine beiden Köche Dominic Reichardt und Deon Jaiter darunter verstehen, liest sich dann so: Flammkuchen, Quiches, Kuchen, alles hausgemacht, dazu zwei Suppen, drei Vorspeisen, vier Hauptgerichte (s. Seiten 42 bis 45). „Keine hochfliegenden kulinarischen Experimente, sondern Bistroklassiker auf hohen Niveau“, so Borowskis Credo. Dafür stehen Gerichte wie Kalbsbries und Kalbszunge mit Pfifferlingen, eine respektable Bouillabaisse und eine erstklassige Blutwurst, die von einem gekräuterten Kartoffelpüree und feinem Calvados-ApfelChutney begleitet wird. Und dafür steht auch ein preiswertes Lunchangebot – drei Menüs für je elf Euro (s. Kästen auf den Seiten 40 und 41). Alles in allem: ein sympathisch unschnöselhaftes kulinarisches Konzept. Kein Wunder also, dass Gäste hier schnell Stammgäste werden. Und Moritz Borowski hat noch viel vor. Die Weinkarte – derzeit über siebzig ordentliche Positionen aus Frankreich,

Küchenchef Dominic Reichardt.

Deutschland, Italien und sogar aus der Schweiz – will er Schritt für Schritt aufstocken; ein kleiner Feinkosthandel ist geplant, Gewürze, Chutneys, Pestos, vieles davon will die Le-Bon-Mori-Mannschaft selbst produzieren. Auch eine Zigarrenlounge kann sich Borowski vorstellen. Das alles macht Sinn, klingt unternehmerisch vernünftig, und wer Moritz Borowski kennenlernt, merkt schnell, dass hier einer angetreten ist, der weiß, was er will. Man könnte auch sagen: Herbert Beltle lässt grüßen. LE BON MORI Stresemannstraße 21 10963 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 — 25 29 12 46 www.lebonmori.de

Sous Chef Deon Jaiter, re.

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LOKALTERMIN Le Bon Mori

ENTRÉE: STEAK TATAR Wenn Moritz Borowski über den Drang spricht, seinen Gästen etwas Besonderes zu bieten, über kulinarische Aha-Erlebnisse, erstklassige Produkte und über die Verantwortung, sie nicht zu verpfuschen, sondern zu veredeln, dann hat er auch dieses Gericht im Blick, seinen „signature dish“, wie er sagt. Und tatsächlich – die Le-Bon-Mori-Version des Klassikers kann sich locker mit dem messen, was zum gleichen Thema anderswo in Berlin auf die Teller kommt. Die Fleischqualität fällt auf – „wir schaben frisches Rinderfilet“, so Borowski – und die subtile Würzung. Nochmal Borowski: „Das ist eine Mischung, die ich selbst entwickelt habe – mit Piment, geräuchertem Paprikapulver, Szechuanpfeffer und einer Prise gemahlenem Kaffee, insgesamt 14 Bestandteile.“ Ein pochiertes Ei, marinierte rote Zwiebeln, Dijonsenf-Mayonnaise, Fleur de Sel und Lauchasche machen die Vorspeise komplett.

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Le Bon Mori LOKALTERMIN

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LOKALTERMIN Le Bon Mori

PLAT PRINCIPAL: LOUP DE MER O.K., bei diesem Wolfsbarsch handelt es sich natürlich um einen Fisch aus der Aquakultur, aber man kann eben nicht alles haben. Geangelte Exemplare des „Königs der Meere“ sind selten geworden und dementsprechend teuer – für einen schönen Wildfang, beispielsweise im Ganzen im Salzteig gegart, werden in der Sternegastronmie locker schon mal 100 Euro fällig. Das ist jedoch absolut bistrountauglich und so kommen im Le Bon Mori die etwas fettreicheren Filets aus der Aquakultur zum Einsatz. Sie werden auf der Haut gebraten und mit zweierlei Blumenkohl – gerösteten Blumenkohlröschen und einem feinen Püree – sowie marinierten Radieschen serviert.

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Le Bon Mori LOKALTERMIN

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Schöne Bescherung!

Was für ein Jahr! Welch schöne Bescherung! Nach unserer grandiosen „15 Jahre RUTZ“-Party geben uns Deutschlands wichtigste Restaurantführer gute Gründe, in Feierstimmung zu bleiben: 18 Gault-Millau-Punkte & 2 Michelin-Sterne und als „Gruß in die Küche“ auch noch den „BIB Gourmand“ für unsere Weinbar! Wir sind sehr dankbar für diese Anerkennung und sehen darin eine Bestätigung der Arbeit des gesamten Rutz-Teams. Seit 2001 empfängt das RUTZ seine Gäste und etablierte sich mit seinem innovativen Konzept aus Weinhandel, Weinbar und Restaurant schnell unter den kulinarischen Topadressen Berlins. Die Weinkarte (vom Gault Millau als „Deutschlands Weinkarte des Jahres 2014“ gekürt) ist mit ihren ca. 850 Positionen nicht nur eine der spektakulärsten der Stadt, sie liefert den Stoff für die perfekte Weinbegleitung von Marco Müllers „Inspirationsmenü Natur & Aromen“ im Sterne-Restaurant in der Beletage oder die Speisen der Weinbar im Erdgeschoss. Um mal im Bild des genussorientierten Reifenherstellers zu bleiben: Wir geben weiter Gummi und freuen uns darauf, auch weiterhin Ihr Gastgeber sein zu dürfen! Ob in der Weihnachtszeit, zum Jahreswechsel oder im neuen Jahr. Wir sagen herzlichen Dank für Ihre Treue und wünschen Ihnen ein gesundes 2017! Auf viele weitere gemeinsame Genusserlebnisse Ihr RUTZ-Team

Unser Tipp: Silvester im RUTZ Der Jahreswechsel ist nicht mehr fern und sollte gut geplant sein. Ob in Berlin lebend oder als Besucher, der Silvesterabend im Rutz wird unvergesslich. Genießen Sie ein einzigartiges Menü von Chefkoch Marco Müller (2 Sterne Michelin) und dazu die passende Weinbegleitung.

Menü pro Person 195,00 € inkl. einem Glas Champagner, Mineralwasser und Single Origin Espresso Reservierungen unter info@rutz-restaurant.de. Wein-Bar Lars Rutz GmbH · Chausseestrasse 8 · 10115 Berlin-Mitte Tel.: +49 30 24 62 87 60 · www.rutz-restaurant.de · info@rutz-restaurant.de


greenHOUSE LOKALTERMIN

Grüne Jungs ZU GAST IM GREENHOUSE IN GLIENICKE/NORDBAHN VON PETR A LEONHARDT

Obwohl ihr Arbeitsplatz ein Gewächshaus voll tropischen Grüns ist, sind diese drei Männer weder Kakteengärtner noch Sukkulentenzüchter, sondern Gastronomen: Ilker Özcamur, 33, Robert Lorenz, 28 und Arne Halit, 34, v. re., schmeißen den Laden, der in korrekter Schreibweise greenHOUSE California Grill & Bar heißt, gleich hinter der nördlichen Berliner Stadtgrenze liegt und sich tatsächlich in einem piekfeinen Gewächshaus befindet. „Natürlich haben wir auch einen Gärtner, der sich regelmäßig um die Pflanzen kümmert“, sagt Ilker Özcamur. Klar, Gastronomen mit grünem Daumen sind selten.

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LOKALTERMIN greenHOUSE

„Typisch Thieme“, heißt es in der Branche, „alle paar Jahre haut der einen raus“. Und das ist durchaus anerkennend gemeint. 2012 war es das Two Buddhas im ehemaligen Empfangsgebäude des Stettiner Bahnhofs, Anfang dieses Jahres folgte das Greenhouse in Glienicke/Nordbahn, draußen, direkt an der B96. Da wie dort ist „klein, klein“ nicht das Ding des Volkmar Thieme, und da wie dort nimmt der erfolgreiche Lokalunternehmer gerne Anleihen bei der internationalen Lifestyle-Gastronomie auf. Stand bei den Two Buddhas das Londoner Zuma (mal von den Preisen abgesehen) Pate, war es beim Greenhouse das De Kas in Amsterdam. Premiere hatte das Berliner Gewächshaus-Restaurant im März und alle, die seitdem hier einkehrten, sind sich einig: ein ­kinderund familienfreundlicher, höchst erfreulicher Zugang an der Nord­ berliner Gastrofront. Küchenchef Arne Halit und sein Team servieren California Soulund Streetfood und ein halbes Dutzend Burger-Kreationen, kreativ

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greenHOUSE LOKALTERMIN

Küchenchef Arne Halit.

Barchef Robert Lorenz.

Restaurantleiter Ilker Özcamur.

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LOKALTERMIN greenHOUSE

arrangiert, mutig gewürzt, der Goose-Burger zum Niederknien. Dazu mixt Barkeeper Robert Lorenz einen tiefgrünen Gin-Basil-Smash oder einen gefährlichen Rhubabu oder man belässt es bei einem sanfteren badischen Spätburgunder, der auch glasweise ausgeschenkt wird. Übrigens: Älteren Gästen, in der Regel weniger california-minded als das hippe Berliner Jungvolk, erklärt Restaurantleiter Ilker Özcamur gerne, was sich etwa hinter Green Goddes Dressing verbirgt oder was es mit Potato Skins auf sich hat. Keine Hürde für den jungen Mann, schließlich war er Jahrgangsbester an der Hotelfachschule. GREENHOUSE Oranienburger Chaussee 10-11 16548 Glienicke/Nordbahn Tel. 033056 — 24 68 00 www.greenhouse-california.de

Der Gänseburger: Gehacktes, geformtes und gebratenes Brustfleisch, gezupftes Keulenfleisch, Cranberry-Meerrettich-Sauce, roter Mangold, Eisbergsalat, Rucola, Apfel-Chili-Chutney, in Sojasauce und Honig marinierte Zwiebeln, hausgeräucherter Gänseschinken.

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Um aus einem Stück glühendem Chrom-Molybdän-Vanadium Stahl bei 1.200° C ein WÜSTHOF Messer zu schmieden und es dann zu perfekter Schärfe zu schleifen, gilt die gleiche Philosophie wie für die Zubereitung raffinierter Gerichte:

www.wuesthof.com


LOKALTERMIN SchmidtZ & Ko.

ABENDS BEI

SCHMIDTZ & KO. ODER: 7 GÄNGE + 7 WEINE = 79 EURO VON JÖRG TEUSCHER

Es gibt Ecken in Berlin, die sind gastronomisch dermaßen unter-

kauf, natürlich, Weinverkostungen, Weinseminare, dazu eine Koch-

versorgt, dass die diversen Stadtteilzeitungen selbst dem letzten

schule und ein täglicher Mittagstisch für die vielen Büroarbeiter im

Allerweltsitaliener huldigen als habe er gerade den Grand Prix Cu-

Friedenauer Kiez.

linaire gewonnen. Rudow, Buckow und Britz sind solche Gegenden,

Wenn im SchmidtZ & KO. inzwischen auch abends das Licht

aber auch – und das liegt nun wirklich nicht auf der Hand – das

brennt und meist volles Haus ist, so hat das wohl etwas mit den

gutbürgerliche Friedenau.

Berliner Bedürfnissen im Allgemeinen und dem Bedarf in Friede-

Und so zog dann auch ein zufriedenes Raunen durchs Quartier

nau im Besonderen zu tun.

als Ende September 2014 SchmidtZ & KO. in der Rheinstraße an

„Endlich ein Platz im Kiez, der uns den Feierabend versüßt“,

den Start gingen. Deren Hauptakteure – Anja und Carsten Schmidt,

jubelt eine Boutiquebesitzerin von nebenan, „keine Trendgastro-

Weinhändler und Inhaber des Weinladens Schmidt, Ralf Zacherl (im

nomie für feinsinnige Sternesucher, sondern eine ambitionierte

Namen das Z) sowie Mario Kotaska (im Namen das KO) – hatten

Küche, die fröhlichen Essern feine Sachen zu fairen Preisen bie-

mit ihrem kulinarischen Ort allerdings kein Restaurant im Blick,

tet.“ Ihre Begleiterin, Apothekerin aus Tempelhof, ergänzt: „Das ist

sondern eine vinophile Genusswerkstatt. Eine Weinbar mit Weinver-

Alltagsgastronomie ohne Attitüde.“

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SchmidtZ & Ko. LOKALTERMIN

Auf die Visitenkarte von SchmitZ & Ko. sind die Öffnungszeiten ge-

Die gastronomische Leiterin Maria Hinrichsen, Filialleiter Oliver

druckt, hier heißen sie allerdings Genusszeiten. Seit 10.00 Uhr mor-

Budack und Servicemann Maik Omenzetter werden den Abend

gens werden Weine und Feinkost verkauft, von 12.00 bis 15.00 Uhr

stemmen (v.re.). Alle drei sind Gastroprofis und gute Botschafter

wurde den Business-Lunchern der Gegend ein Mittagstisch ser-

ihres Hauses, das eine junge Form von Gastronomie repräsentiert,

viert, jetzt beginnt das Abendgeschäft.

aber locker-flockig nicht mit nonchalant verwechselt.

Spaß beim Mise en place: Ralf Zacherl, wie Carsten Schmidt Ge-

Das sehen auch diese frühen Gäste so und bestellen das volle

schäftsführer von SchmitZ & Ko., und Küchenchef Marcel Woest.

Programm. Als die ersten Teller kommen – Rotbarbe, Blumenkohl,

Woest, 31-jähriger Niedersachse, hat ein Sieben-Gänge-Kleinigkei-

Zimt, Haselnuss – wird klar, dass die Woestschen Kleinigkeiten

ten-Menü entwickelt – einmal alles gibt’s für 49 Euro, mit Weinbe-

keine Winzigkeiten sind. Die Männer werden sich Zeit beim Essen

gleitung hat man 79 Euro auf der Uhr. Eine mehr als faire Offerte.

nehmen müssen. Zeit für Genuss.

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LOKALTERMIN SchmidtZ & Ko.

Inzwischen haben Restaurantleiterin Maria Hinrichsen und ihre Mit-

Birgit Staack führt eine Boutique in Friedenau, Christine Ramsba-

arbeiter gut zu tun. „Vor allem die Weinempfehlungen macht man

cher ist Apothekerin in Tempelhof. Die beiden Geschäftsfrauen tref-

nicht im Vorbeigehen“, so die 34-jährige Hotelfachfrau, die nach

fen sich regelmäßig auf einen Feierabendwein bei SchmidtZ & KO.

Lehre im Adlon und Tätigkeit im Service des Les Solistes by Pierre

und sind des Lobes voll über die vinophile Offerte, die exzellente

Gagnaire im Waldorf Astoria vor zwei Jahren zu SchmidtZ & Ko. kam.

Küche und den Service: „Maria ist einfach eine Perle.“

20.00 Uhr, in der Küche ist Gasgeben angesagt. Jedes der kleinen,

Gedanken, bevor der nächste Gang serviert wird: SchmitZ & Ko. ist

bunten Gerichte ist Versprechen und Erfüllung zugleich. Erfüllung

ein heißer Tipp für Leute, die dem Leben gerne ein paar Besonderhei-

jetzt, Vorfreude auf das, was noch kommt. An der Seite von Marcel

ten abringen. In Begleitung natürlich. Essen mit Wein und Menschen

Woest übrigens der Neuberliner Jonas Schwarz, 22, Saarländer, der

mit Menschen. Hier tritt man nicht ein, isst, trinkt und geht wieder.

seine Kochlehre in der Traube Tonbach in Baiersbronn absolvierte.

Hier sitzt man Stuhl an Stuhl mit Fremden und kommt ins Gespräch.

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SchmidtZ & Ko. LOKALTERMIN

Der nächste Gang, wir haben vergessen, mitzuzählen. Rehrücken,

Maria Hinrichsen, „die Perle“, in Aktion, und es ist wohltuend, dass

Süßkartoffelcreme, Quitte, Matcha. Intensive Aromen, mutige Wür-

sie keinerlei Symptome der Sommelierskrankheit zeigt, die unter

zung, ein klares Erscheinungsbild. Bravo, was die jungen Leute da

Weinkellnern grassiert wie ein Erkältungsvirus nach dem Weih-

machen, hat schon ziemlich viel Stil. Und am Nachbartisch wird

nachtsmarktbesuch. Soll heißen: Sie redet nicht über den Silvaner

Wildschwein aufgetragen – Bäckchen!!! – woher haben sie die denn?

bis der Wein warm ist und das Essen kalt.

Gleich geht die Gänsekeule an den Start, traditionell mit Rotkohl

Geöffnet haben Weinbar und Restaurant dienstags bis samstags

und Kartoffelkloß. Ein weiteres Indiz dafür, wie gut der Mann sein

ab 18.00 Uhr. Küchenschluss für die warmen Offerten von Marcel

Handwerk beherrscht. Und wieviel Witz und Esprit seine „Kleinig-

Woest und seiner Mannschaft ist um 21.30 Uhr. Also dann: Bis bald

keiten“ haben. Dazu kommen – wie gesagt – das einmalige Ambi-

mal bei Schmidtz & Ko. Auf die Liebe!

ente, der perfekte Service und die irre Weinauswahl.

www.schmidt-z-ko.de

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LOKALTERMIN Alte Überfahrt

Alte Überfahrt EIN KULINARISCHER LEUCHTTURM IN BRANDENBURG VON JÖRG TEUSCHER

Dieser Ausschnitt gehört zu einer rund 100 Jahre alten Landkarte, die – so eine Kennzeichnung – von Eisenschmidt's Buch- und Landkartenhandlung in Berlin NW 7, Dorotheen­ straße 60, herausgegeben wurde. Sie zeigt, dass zwischen Potsdam-Wildpark und der In­selstadt Werder damals eine Kahnfähre (K.F.) verkehrte. 1637 wurde der Fährverkehr aufgenommen, 1975 eingestellt. Anfang der 1990er gab es noch einen Versuch, 1995 aber war endgültig Schluss. Geblieben ist nur der Name: Alte Überfahrt.

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Alte Überfahrt LOKALTERMIN

Seien wir mal ehrlich: Man fährt nicht raus aus der Stadt, um hungrig wieder zurückzukehren. Besichtigungen und Wanderungen, das Erlebnis exzeptioneller Sonnenuntergänge oder anderer Szenen einer ländlichen Welt brauchen kulinarisches Unterfutter. Und wenn dann noch Atmosphäre und Essen am gewählten Ort so sind, dass man auf alle weiteren Ausflugsstationen gerne verzichtet und lieber noch ein wenig sitzen bleibt, dann ist das Glück vollkommen. Zumindest im Lande Brandenburg wird es allerdings mit dem vollkommenen Glück immer schwieriger, selbst der allwissende Gault Millau kennt da nur das, was wir auch kennen. Einziger Newcomer des gelben Guides in diesem Jahr zwischen Uckermark und Niederlausitz: Die Alte Überfahrt in Werder/Havel. Und das ist endlich mal ein richtiger Kracher. Die 14 Punkte sind wohlverdient und nicht etwa eine Art Ausgleich für verlorenes kulinarisches Terrain beispielsweise in Burg, wo sich Oliver Heilmeyer aus der Bleiche verabschiedete oder in

Überflieger in der Überfahrt: Patrick Schwatke und Thomas Hübner, v.re.

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Bad Saarow und Mittenwalde-Motzen, wo sich Villa am See und Märkische Stuben inzwischen mit dem in Brandenburg üblichen Mittelmaß zufrieden geben. Werder an der Havel also, Stadt der touristischen Konstanten: die idyllisch auf einer Insel gelegene Altstadt, deren Ursprünge bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen, die neogotische Heilig-GeistKirche, die mittelalterliche Bockwindmühle, das liebevoll kuratierte Obstbaumuseum und – natürlich – das seit 1879 berühmte Baumblütenfest mit seinen berüchtigten Obstweinorgien. Seit Anfang Mai 2016 ist Werder nun auch gastronomisch on top – dank Patrick Schwatke, Thomas Hübner und ihrem Restaurant Alte Überfahrt. Das kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern davon, dass die beiden Männer beruflich schon einiges aufzuweisen haben. Schwatke, 30, Koch von Beruf, stammt aus Suhl, war im San Nicci und im Uma bei Tim Raue tätig und als Küchenchef maßgeblich am

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Michelin-Stern des Beelitzer Kochzimmers beteiligt. Der 34-jähri-

Und die Küche? „Lichtjahre weg von der hier sonst üblichen Brachi-

ge Hübner, geboren und aufgewachsen in Berlin, absolvierte seine

alküche, leicht, frisch, meist feinsäuerlich abgestimmt und sensi-

Kochlehre im VAU, zog dann ins Margaux, später ins Facil und 2003

bel gewürzt“, schrieb Tagesspiegel-Mann Bernd Matthies bereits

nach Florenz. Enoteca Pinchiorri. Hier stand er bei der 3-Sterne-

wenige Wochen nach der Eröffnung. Und das gilt bis heute.

Köchin Anni Féolde in einem der besten Restaurants Italiens am Herd und holte sich den letzten Schliff.

Thomas Hübners kulinarische Kühnheit äußert sich nicht in schockierenden Kreationen, sondern ist bestens geerdet – aber dennoch

Seit einem Jahr ist Hübner wieder hier, weil er wollte, dass seine

sehr anders als das Gewohnte: wunderbar zarter Tafelspitz mit Zu-

Kinder in Deutschland aufwachsen und zur Schule gehen. Wer das

ckerschoten, Blutorangen-Gel und Kressecreme, Mut und Einfalls-

italienische Bildungssystem kennt, kann den Mann verstehen.

reichtum beim Fisch, witzig und toll die Desserts (s.S. 60/61).

Und wie das Leben so spielt, Schwatke hatte genau zu dieser Zeit das Restaurant im Hotel Prinz Heinrich übernommen – das traditionsreiche Haus gehört seinen Schwiegereltern – suchte einen Koch und Hübner kam. 200.000 Euro hatte Schwatke in den Umbau des ehemaligen Hotel-Cafés investiert – eine helle Küche entstand und ein einladender Gastraum, mediterran luzid, ohne Nouveau Protz und Dernier Prunk, einfach nur schlicht und schön.

ALTE ÜBERFAHRT Fischerstraße 48b 14542 Werder (Havel) Tel. 03327 — 73 20 60 www.alte-ueberfahrt.de

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LOKALTERMIN Alte Überfahrt

Jakobsmuschel gebraten, weißer Spargel, Beurre blanc, Ackersenf.

Kabeljau gedünstet, Kohlrabi, Senf, Estragon, rote Zwiebel.

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Tafelspitz, Zuckerschote, Blutorange, Kresse.

Suppendöschen: Viel Gemüse, feiner Sud, Muschel, Fisch.

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LOKALTERMIN Neue Restaurants

neu new nouveau Am letzten Septembersamstag war offi­

Die Grillhaxe dagegen war kross und der

zielle Eröffnung im Roten Jäger. „Einschie-

Speckkrautsalat wirklich hausgemacht.

ßen“, nannte es der trachttragende Wirt,

Auch vom Wiener Rindersaftgulasch ging

dessen Name nicht von Belang ist, weil er

die ersehnte Wärme aus – sicher ist der

das Wirtshaus längst wieder verlassen hat.

Klas­siker noch keine Offenbarung, aber auf

Es gab Führungen und Erklärungen, und

anständigem Niveau und kein Vergleich zu

die Gäste staunten nicht schlecht. Der Rote

dem, was in Berlins grausigster Alpenland-

Jäger – eine Lokalität der räumlichen Su-

Abfütterungsstätte, dem Hofbräu-Wirts­haus

perlative. Jägerstube, Wirtsstube, Kleine

am Alexanderplatz, dem Gast kulinarisch

Stu­be, Rauchkuchel, einer der ältesten Ge­

so zugemutet wird.

wölbekeller Berlins, schön, was da aus der

Aber eben auch meilenweit von dem ent­

ehemaligen Sat 1-Kantine und späteren Res­

fernt, was beispielsweise schräg gegenüber,

taurantschule von Christian Rach gemacht

im Aigner am Gendarmenmarkt, an wunder-

wurde.

voller Beisl-Küche auf die Tische kommt.

„Gmiatlich“, konstatierte dann auch ein

Wie man hört, leistet im Roten Jäger

anderer Trachtträger im ­Alpenlanddialekt

in­zwischen ein stadtweit bekannter baye-

und man hatte das Gefühl, der Mann ver-

rischer Gastronom kulinarische Entwick-

steht was davon. Nun ist zwar Gemütlich-

lungshilfe. Und der kann, sagt man, auch

keit durchaus ein Indikator gastronomischer

ziemlich „ungmiatlich“ werden...

Wahrheitsfindung, wichtiger aber ist wohl, was auf die Teller kommt. Und das war, na ja, nennen wir es mal ausbaufähig. Dem Obazda fehlte es an Geschmeidig­ keit und Würze, der bayerische ­Leberkäse wiederum hatte zuviel davon und der Wirts­ hausburger wirkte insgesamt ziemlich fade.

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WIRTSHAUS ROTER JÄGER Jägerstraße 28-31 10117 Berlin-Mitte Tel. 030 — 80 49 33 66 www.roter-jaeger.de


Neue Restaurants LOKALTERMIN

Gastronomisches Dreamteam: Tilo Roth und Martin Hötzl, v.li.

nuovo nuevo yeni Kennen Sie noch das Rodeo, das Rund-

Diese besondere Spielart der gastronomi-

Restaurant mit der markanten achteckigen

schen Kultur in Berlin ist nicht immer eine

Kuppel im Alten Postfuhramt?

U-Bahn-Fahrt wert, im Falle der Gaststätte

Eine ziemlich abgefahrene Location mit

am Ufer allerdings schon.

Zeug zur gesellschaftlichen Bühne war das:

Roths Küche kommt unprätentiös und

David La Chapelle nutzte die Räume für

überzeugend, daher – von der hausge­

Ausstellungen, Herbert Grönemeyer fei-

räucherten Makrele mit Pumpernickel und

erte hier seinen Record Release, Rick Ka-

Meer­rettich über die Königsberger Klopse

vanian und Bud Spencer die Kinopremiere

vom Kaninchen mit einem Gänseleberkern

eines ihrer Filme.

bis zum 900 Gramm schweren Ochsenko-

Für den Gastronomen und Juristen Martin Hötzl, 43, geboren am Rande des Ruhr-

telett vom Irish Hereford mit Speck-Kartoffel-Püree und Portweinjus.

potts, aufgewachsen in der Steiermark und

Ja, der Mann kann kochen. Zu Recht lob-

den 51-jährigen Küchenchef Tilo Roth, der

ten die tip-Tester Roths handwerklich per-

aus Gießen stammt und seit Anfang der

fekte Produktküche und setzten die gast-

1990er an Berliner Herden für Furore sorgt,

liche Stätte in ihrer ­„ Speisekarte 2017“

begann im Rodeo eine Zusammenarbeit,

auf Platz eins der Empfehlungen für einen

die sie über das The Grand in Mitte nun

guten und vor allem auch preiswerten Mit-

nach Kreuzberg führte.

tagstisch.

Am Paul-Lincke-Ufer – wo sonst? – eröffneten Hötzl und Roth Ende Oktober ihre Gaststätte am Ufer. Schon der Name lässt es vermuten: Das ist kein Ort für die Jeunesse dorée, sondern ein Kiezrestaurant, sozusagen ein Wohnzimmer zur Nachbarschaftsverpflegung.

GASTSTÄTTE AM UFER Paul-Lincke-Ufer 23 10999 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 — 61 62 52 10 www.gastamufer.de

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Der Capitale. Horcher, DER Wein der Hauptstadt. www.horcher-wein.de


Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN Schon der Name: Flag – ship – store. Das ist eben nicht irgendein Laden. Flagshipstores befinden sich im Gegensatz zu Outletstores in bester Lage, sind heiter bis edel eingerichtet, ge­schmackvoll inszeniert und auch sonst á jour. Natürlich ist die Eröffnung eines Flagshipstores, allemal in der Hauptstadt, ein gesellschaftliches Ereignis – geladene Gäste, gepflegte Getränke, gespannte Reporter, gefeierte Reden. Im Fall der Berliner Schokoladenmanu­ faktur Sawade gab es nicht nur das, sondern auch noch „Große Oper“, und so gesehen war die Bezeichnung „Grand Opening“ für die Geschäftseinweihung in den Hackeschen Höfen durchaus tref­fend.

Die Mezzosopranistin Maria Fiselier, Komische Oper Berlin.

„ICH WILL KEINE SCHOKOLADE...“ ...AUSSER SAWADE. EIN TRADITIONSUNTERNEHMEN ROCKT DEN MARKT VON JÖRG TEUSCHER

„Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann, ich will einen, den ich küssen und um den Finger wickeln kann!“ Die Zugabe der Mezzosopranistin Maria Fiselier, seit der Spielzeit 2016/2017 Mitglied im Ensemble der Komischen Oper Berlin, war geplant. Die Pointe allerdings nicht. Benno Hübel, Inhaber der Berliner Trüffel- und Pralinenmanufaktur Sawade mit Sitz in Reinickendorf überreichte der jungen Holländerin eine große rote Schachtel: „Herzlichen Dank und für Sie unsere beste Confiserie-Mischung.“ Darauf die Sängerin keck: „Ich will wirklich keine Schokolade – außer Sawade“.

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GESCHMACKSSACHEN Sawade Schokolade

Sawade, das ist alter Berliner Adel. Schokolade von Sawade. Und weil Adel nun mal verpflichtet, jetzt also endlich – neben dem gut sortierten Fabrikverkauf draußen in Reinickendorf – auch einen standesgemäßen innerstädtischen Flagshipstore. Der Edelladen entstand in den Hackeschen Höfen in Mitte. Eine erste Adresse in jeder Hinsicht, denn die Bezeichnung „Mitte“ steht nicht nur für die Stadtmitte Berlins, sondern ist vor allem so etwas wie ein Codewort für den Stil des Neuen Berlin, dessen Atmosphäre. Manhattan lässt grüßen. „Natürlich hätten wir unser Geschäft gern am historischen Standort eröffnet“, sagt Sawade-Inhaber Benno Hübel in seiner Begrüßungsrede, „aber dort hat jetzt Volkswagen einen Showpalast und den wollten sie leider nicht aufgeben.“ Tatsächlich, wo heute VW residiert, gründete 1880 Ladislaus Ziemkiewicz, der das Schokoladenhandwerk in Paris gelernt hatte, eine Confiserie, die er nach seiner Nachbarin Marie de Savadé –

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Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN

Geldgeberin oder Geliebte, das ist nicht überliefert – Sawade nannte. Schnell avancierte das Geschäft für feine hausgemachte Pralinen Unter den Linden 19 zum Kaiserlichen Hoflieferanten – erkennbar am Doppeladler aus Eisenguss neben der Eingangstür. Darüber, wie Sawade den I. und II. Weltkrieg überstand, ist wenig bekannt. 1949 wurden Sawade-Pralinen am Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf in einer Manufaktur in Wohnzimmergröße gefertigt, später – inzwischen hatte Ulrich Spengler die Firma übernommen – kamen Standorte in Schöneberg und Charlottenburg hinzu. 1972 schließlich wurde der Grundstein für die heutige Produktionsstätte in Reinickendorf gelegt. Thomas Spengler trat das Erbe seines Vaters an, Sawade schien auf gutem Weg. Doch obwohl die Firma drei Millionen Euro im Jahr umsetzte, gab es Schwierigkeiten. Im Juli 2013 schließlich musste Sawade Insolvenz beantragen. Showdown in Reinickendorf. Aber der Abgesang kam verfrüht. Ein Berliner Unternehmerpaar rettete das Traditionshaus.

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GESCHMACKSSACHEN Sawade Schokolade

Sie stehen vor dem Flagshipstore in den Hackeschen Höfen und man sieht ihnen an, wie stolz sie sind. Melanie und Benno Hübel – sie 40, er 42 – sind die Hauptdarsteller eines Berliner Erfolgsstücks. Vor drei Jahren unterzeichneten sie eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, übernahmen die Sawade GmbH und führten das Unternehmen aus dem Tal der Tränen. „2014 war unser erstes richtiges Jahr“, tut Benno Hübel kund. Und seine Frau fügt hinzu: „Ohne unsere Mitarbeiter wäre das nicht möglich gewesen. Wir sind wahnsinnig stolz auf unsere Mannschaft.“ Übrigens: Vor ihrem Sawade-Coup hatten die beiden beruflich mit Schokolade eher wenig zu tun, Benno Hübel vielleicht noch ein bisschen mehr als seine Frau, denn der Mann ist gelernter Koch und war im Mittleren Osten als Unternehmensberater für Lebensmittelbetriebe tätig. Melanie Hübel studierte Grafik-Design, gemeinsam führten sie eine Berliner Digitaldruckerei zum drittgrößten Fotobuchhersteller Europas.

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Sawade Schokolade GESCHMACKSSACHEN Solche Abteilungen wie Marketing und Vertrieb standen eigentlich nur auf dem Papier. Ziemlich viele Probleme, wie sind Sie vorgegangen? Wir haben keinen Rundumschlag gemacht, sondern haben gesagt, dass wir das bewahren wollen, was Sawade ausmacht. Was macht denn Sawade aus? Sawade ist eine Berliner Marke, der Kern der Marke ist Berlin. Sawade ist nicht modern, sondern zeitgemäß, Sawade ist elegant und hochwertig. Sawade ist exquisite Qualität und Sawade ist für Erwachsene. Weshalb betonen Sie das? Weil unsere Pralinen und Trüffel einen hohen Alkoholanteil haben, kein Thema für Kinder also. Um auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, wir haben den alten Schriftzug aus den 1940er Jahren wieder ausgekramt und ein völlig neues Verpackungskonzept entwickelt. Pralinen brauchen Ambiente. Der Schokoladenmann: Benno Hübel.

Herr Hübel, haben Sie einige Empfehlungen – Weihnachten steht vor der Tür.

Weshalb haben Sie die Sawade GmbH übernommen, Herr Hübel?

Unser Geheimtipp ist die Königin-Luise-Pastete. Sie besteht aus

Ganz rational kann ich das nicht erklären. Da gab es romantische

fünf Schichten – Edelmarzipan, Rum-Sahne-Trüffel, Mandel-Nou-

Gefühle, da war Lokalpatriotismus im Spiel, vielleicht auch ein

gat, Nuss-Nougat, Blätterkrokant – ist mit zartbitterer Schokolade

bisschen Naivität, mit Sicherheit meine besondere Beziehung zu

überzogen und dekoriert. Und natürlich gibt es eine hochwertige

Lebensmitteln im Allgemeinen und Schokolade im Besonderen.

Verpackung. Oder, ein zweiter Tipp – unsere Weihnachtspastete,

Woher kommt diese Beziehung?

die ebenfalls aus fünf Schichten besteht, darunter Edelmarzipan,

Ich bin Koch von Beruf, habe im InterConti gelernt, in Berlin und in

Mandel-Nougat, Maraschinokirschen. Auch die Weihnachtspaste-

London.

te hat eine neue, sehr edle Verpackung.

Aber Sie sind auch Betriebswirt und Unternehmensberater.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen, aber ans Geldverdienen haben meine Frau und ich zuallerletzt gedacht, als wir uns für Sawade entschieden. Übrigens, vielleicht beantwortet das Ihre Frage, ein Unternehmen etwa aus der Metallbranche hätten wir nicht übernommen. Was haben Sie vor drei Jahren bei Sawade vorgefunden? Qualitativ ausgezeichnete Produkte, hochmotivierte M ­ itarbeiter, aber auch fünfzehn verschiedene Logos, acht verschiedene Schrifttypen.

SAWADE GMBH Wittestraße 21e 13509 Berlin-Reinickendorf Tel. 030 — 43 00 60 www.sawade.berlin.de

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016

Toller Hecht I

DER FISCH DES JAHRES SCHWIMMT IM KULINARISCHEN ABSEITS VON CHRISTOPH AMELONG-HEIDEN

Bereits Ende des vorigen Jahres gaben der Deutsche Angelfisch-

können. Doch je häufiger Flüsse begradigt, Ufer befestigt und

verband, der Verband Deutscher Sporttaucher, das Bundesamt für

Auen trockengelegt werden, desto schwieriger wird es nicht nur

Naturschutz und das Österreichische Kuratorium für Fischerei und

für den Hecht, sich fortzupflanzen.

Gewässerschutz bekannt: Der Hecht ist der Fisch des Jahres 2016.

„Nur wenn genügend intakte Ufer- und Auenbereiche entlang

Der Grund für die Wahl des Esox lucius – so der wissenschaftliche

der Gewässer bestehen bleiben oder wiederhergestellt werden,

Name eines der größten und bekanntesten heimischen Raubfische –

können die Bestände des Hechtes sowie vieler weiterer Fischarten

war nicht die akute Gefährdung des Bestandes wie etwa bei Neun-

zukünftig in unseren Gewässern erhalten werden“, ließ dann auch

auge, Quappe oder Steinbeißer, sondern ein schleichendes Problem.

das Bundesamt für Naturschutz verlauten und fügte hinzu, dass

Den Hechten gehen langsam die Laichplätze aus. Das sind kraut-

mit der Renaturierung ehemaliger Auen nicht nur dem Hecht wie-

reiche Flachwasserzonen an Fluss- und Seeufern, in denen sie im

der naturnaher Lebensraum gegeben, sondern auch ein wichtiger

zeitigen Frühjahr ihre klebrigen Eier an die Wasserpflanzen heften

Beitrag zum Hochwasserschutz geleistet wird.

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Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN Kürzlich las ich lobende Worte des französischen Botschafters über das kulinarische Berlin. Das Einzige, was er wirklich vermisse, so Son Excellence Monsieur Philippe Etienne, sei sein Leibgericht: Quenelles de brochet, Hechtklößchen. Unser Tipp für den Diplomaten und Feinschmecker: Kreuzberg, Fichtestraße 31, Restaurant Herz & Niere. Wenn Küchenchef Christoph Hauser die delikaten Klößchen nicht auf der Karte hat, gibt es sie auf jeden Fall als Herz-&-Niere-Convenience. „Weck die Heimat“ – unter dieser Marke bringen Hauser & Co. „Gerichte Deiner Kindheit – frisch gekocht und eingeweckt“ an den Markt: Gaisburger Marsch, Königsberger Klopse, Rinderrouladen, Tafelspitz und eben Hechtklößchen. Natürlich ohne Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe oder was sonst noch bei dieser Kategorie Lebensmittel den Genuss versaut. Sicher ist die Herz-&-Niere-Hechtofferte nicht die einzige in Berlin und Brandenburg. Im Tradtionsgasthaus Bleske im Spreewald-

Joachim Lechler: Havelfischer.

Diethers Hechtkreation zu probieren, muss man sich schon auf den Weg nach Estland machen. Dass der Hecht auf der kulinarischen Beliebtheitsskala unter „ferner liefen“ rangiert, bestätigen die Fischlieferaten der Berliner Gastronomie. Deutsche See, der Bremerhavener Branchenprimus, verkauft im Jahr 3.350 Kilogramm des Edelfisches – deutschlandweit wohlgemerkt. „In Berlin wird Hecht eher selten geordert“, heißt es in der Deutsche-See-Dependance auf dem Beusselmarkt, „höchstens vier, fünf Restaurants bestellen ihn“. Joachim Lechler, Binnenfischer im brandenburgischen Caputh, macht ähnliche Erfahrungen: „2016 haben wir bisher rund 500 Kilogramm Hecht gefangen, tolle Fische, aber das Interesse der Berliner Küchenchefs hält sich in engen Grenzen.“ Also räuchert Lechler seinen Fang und verkauft ihn im eigenen Hofladen. „An Leute, die Ahnung haben“, sagt er. städtchen Burg gehört Hecht in Spreewaldsauce zum Standardangebot. Markus Semmler, Berliner Meisterkoch 2016, servierte den Gästen eines Charity-Events kürzlich einen anderen Klassiker: Hessischer Speckhecht (s.S. 97). Und im Facil stand jüngst Birnbaums Hecht auf der Karte, offenbar ein Hinweis auf die Herkunft des Fisches, nicht aber auf dessen Zubereitung (s.S. 72). Ansonsten bleibt nur die Erinnerung – beispielsweise an Dieter Müllers Hechtfilets, die der Altmeister in blanchierten Weißkohlblättern einpackte und mit Buttersauce und Wildreis auf die Teller brachte, an André Jaegers im Ganzen frittierten Hecht, den der „Erfinder“ der euro-asiatischen Küche in seiner Schaffhausener Fischerzunft mit Wasabi-Mousseline auftischte oder an Matthias Diethers first-floor-Zubereitung mit Dill und hechteigenem Kaviar. Doch Dieter Müller steht, inzwischen 68-jährig, nur noch beratend am Herd. André Jaeger schloss nach vierzig Jahren erfolgreicher Arbeit Anfang 2015 sein Restaurant, und um heute Matthias

Uwe Hosang: Abteilungsleiter Fisch, Metro Cash & Carry.

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 Auch Uwe Hosang, Abteilungsleiter Fisch bei der Metro Cash & Carry in Friedrichshain, kennt die Abneigung vieler Gastronomen und Köche gegenüber dem Hecht. Zu viele Gräten, zu viel Arbeit. In einem der Becken neben Hosangs imposanter Fischtheke schwimmen zwei Exemplare des ungeliebten Hechtes. Kommentar des 29-jährigen Metro-Mannes: „Die werden garantiert alt hier.“ Es ist der Zander, der dem Hecht im Regional-Ranking den Rang abgelaufen hat, obwohl dessen relativ geschmacksneutrales Fleisch dem kernig-aromatischen Hechtfleisch nicht das Wasser reichen kann. Aber: Der Zander hat eben nur wenige Gräten, die zudem selbst Hobbyköche mit ein paar Handgriffen entfernen können. Joachim Gerner, Küchenchef im Sternerestaurant Facil des Mandala-Hotels am Potsdamer Platz, teilt diese Einschätzung. Auch der 35-Jährige – Michael Kempf nennt ihn „einen absoluten Fischfachmann“ – hält den Hecht für kulinarisch unterbewertet, ebenso wie den Karpfen übrigens.

Birnbaums Hecht.

baums Hecht. Filets in Nussbutter gegart, dazu Brunnenkresse und Hechtsuppe, abgeschmeckt mit schwarzem Pfeffer und Kren. Übrigens: Sage und schreibe 25.100.000 Treffer meldet Google zum Stichwort Hecht, darunter immerhin 2.140 Rezepte. Ein besonders altes und einfaches fanden wir zudem in unserem Archiv. Es stammt aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Auguste Wilhelmine Friedérique Charlotte Fontane, Großmutter des

Facil-Küchenchef Joachim Gerner.

„Der Hecht ist ein wunderbarer Fisch, wenn man mit ihm umgehen kann“, so Gerner. Der Mann aus dem oberösterreichischen Innviertel, der seine Berliner Karriere im längst verblichenen Gourmetrestaurant Quadriga begann und seit elf Jahren als „treuer Wegbegleiter“ an der Seite von Michael Kempf im Facil am Herd steht, sieht die Sache „des Umgangs mit dem Hecht“ patriotisch: „Die meisten österreichischen Köche beherrschen den Y-Schnitt, mit dessen Hilfe man den Fisch von seinen Gräten befreit – und zwar völlig.“ Es ist tatsächlich so: Filetiert ein Küchen-Meister aus dem Alpenland einen Hecht, müsste eigentlich immer der Kaiserwalzer gespielt werden (siehe auch Seite 77). Sieht man einem deutschen Koch bei

berühmten Brandenburg-Wanderers und Romanciers. Die Küchen-

der gleichen Arbeit zu, sollte es eher ein Trauermarsch sein.

notizen entstanden im Jahr 1795 und wurden 1904 unter dem Titel

Die Hechte für das Facil kauft Gerner, ebenso wie andere Sterne-

„Wie man in Berlin zur Zeit der Königin Luise kochte“ gedruckt.

köche auch, bei Fischzüchtern im oberbayerischen Epfenhausen.

Vor allem gefiel uns jene knappe Bemerkung, die auch im Zeitalter

Der Name des Familienbetriebs: Birnbaum. Und so heißt es dann

hochgerüsteter Küchen keinen Deut an Aktualität verloren haben

auch auf der Speisenkarte des Sternerestaurants schlicht: Birn-

dürfte: „die qualité der Zuthathen, nicht quantité“.

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016

Toller Hecht II DIE KULINARISCHE SPURENSUCHE FÜHRT NACH MECKLENBURG VON JÖRG TEUSCHER

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Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN

Der Fischer: Oliver Pahlke.

Sicher, es gibt Gegenden mit klangvolleren Namen. Die Feldberger

aber da muss man halt durch, wenn am Ziel ein kulinarischer Leucht-

Seenlandschaft steht da ein bisschen abseits, zu Unrecht, keine

turm blinkt. Und das ist die Alte Schule Fürstenhagen mehr denn je.

Frage. Sie hält ein ausreichend großes Reservoir bereit, in dem

Vor acht Jahren starteten Florian Löffler, zuvor Küchenchef im

Naturliebhaber, Stillesucher und Wanderfreunde mit Sicherheit ein

VAU, und seine Partnerin Nadine Gala hier zu neuen Ufern, zwei

Fleckchen finden, das ihren Intentionen entspricht. Dementspre-

Jahre später übernahmen Daniel und Nicole Schmidthaler, pack-

chend euphorisch formulieren die Reiseführer: eine der schönsten

ten noch eine Schippe drauf und machten die Alte Schule zu einer

Endmoränenlandschaften Europas, die beeindruckendsten Buchen-

der besten Adressen im Nordosten Deutschlands. Der Michelin-

wälder Deutschlands, seit 2011 UNESCO-Weltnaturerbe, versteckte

Stern, 17 Gault-Millau-Punkte und, na ja, zwei Feinschmecker-F

Moore, glasklare Seen, ein Paradies des Nordens.

begründen den Spitzenplatz ebenso, wie Daniel Schmidthalers

Wir sind auf dem Weg nach Fürstenhagen, einem abgelegenen

Ehrung als Meisterkoch der Region 2016.

88-Einwohner-Dörfchen am Rande des Naturparks Feldberger Seen­

„Hecht“, sagt uns der 35-jährige Küchenchef, „Hecht ist ­immer

landschaft. Die Anfahrt, straßentechnisch eine Zumutung, hat sich

ein Thema, vorausgesetzt, Oli hat einen im Netz.“ Oli ist Oliver Pahl-

seit 2008 – da waren wir zum ersten Mal hier – keinen Deut gebessert,

ke, Binnenfischer und seit zwei Jahren Schmidthalers Fischlieferant.

Der Koch: Daniel Schmidthaler.

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016

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Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN

HECHT AUS DER SCHULSPEISUNG Rund 250 Kilogramm Hecht holt Oliver Pahlke jedes Jahr aus den acht Seen, die er als Binnenfischer bewirtschaftet. Die Fische werden nach der Ike-Jime-Methode geschlachtet, das heißt, dem Fangstress folgt eine Ruhephase in speziellen Becken, dann erst werden sie mit einem schnellen Stich in den Kopf getötet und bluten aus. „Ike Jime wirkt sich auf den Geschmack aus, das Fleisch der Fische wird cremiger, feiner“, so der junge Fischer. Auch in Schmidthalers Küche erfolgt dann der so genannte YSchnitt. „Ich versuche gar nicht erst, den Hecht nach herkömmlicher Methode zu filetieren und die Gräten dann mit einer Pinzette zu ziehen, ich schneide sie einfach weg“, so der Sternekoch. Gelernt hat er das bei seinem Landsmann Jörg Wörther, einst ein medial omnipräsenter Küchenkünstler aus Salzburg, um den es allerdings heuer still geworden ist. Die portionierten, haut- und grätenfreien Hechtfilets (tatsächlich haben wir in zwei Gerichten nicht mal den Hauch einer Gräte gefunden), röstet Daniel Schmidthaler kurz auf der Grillplatte an, um geschmacksstärkende Röstaromen zu erzeugen und ser­viert sie mit leicht gedünsteten Blättern der Rosenkohlpflanze („dem so genannten Auswuchs an der Spitze des abgeernteten Strunkes“), halbierten und gegrillten Rosenkohlköpfen und einem säuerlichen Gemüse von der Zierquitte. Würze bekommt das Gericht durch geräucherten und getrockneten Hechtrogen und einige Tropfen Zitronenverbeneöl, in Rapsöl „ausgelaugter“ Zitronenverbene. Bravo, sagen wir, Schmidthalers Interpretation des meist als kulinarisch banal geschmähten Hechts belegt, wie einzigartig der Stil des junges Mannes am Herd der Alten Schule ist.

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016

Nun geht es in der Fürstenhagener Alten Schule natürlich nicht nur um den Hecht, und allein des Fisches wegen hätten wir uns auch nicht auf den Weg gemacht, das überlassen wir gerne der GourIn unserem Haus ist jeder will­

met-Schickeria. Nein, bei Nicole und Daniel Schmidthaler geht es

kommen, der Gastlichkeit, Herz­

erstmal um zwei allzeit freundliche Menschen, die kennenzulernen

lichkeit und anspruchsvolles Essen

schon ein Gewinn ist.

in lockerer Atmosphäre genießen

Und es geht um ein Konzept, das wohl einen gewissen Einma-

möchte. In diesem Sinne freut es

ligkeitswert haben dürfte, zumindest in Deutschland. Zuerst al-

uns, dass wir zunehmend Zuspruch

lerdings wollen wir einem Mann Reverenz erweisen, den wir zwar

von der Generation U30 erhalten.

nicht kennen, aber ohne den es weder die Alte Schule noch das

Daniel Schmidthaler

zugehörige 18-Zimmer-Gästehaus geben würde und manches andere in Fürstenhagen und Umgebung auch nicht. Gemeint ist der Dortmunder Unternehmer Fritz Jaeger.

Die Schulleiter: Nicole und Daniel Schmidthaler.

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Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN

Unter dem Dach seiner Gut Conow Gruppe gibt es Land-, Forst-,

liche Verarbeitung regionaler Produkte, ein ordentliches Preis-

Fisch- und Wildwirtschaft, die Gut Conow Landprodukte fertigt

Leistungs-Verhältnis, summa summarum eine „Genussküche“, wie

und vertreibt einen Trockenfleisch-Snack, der Conow Anhängerbau

Schmidthaler es nennt.

entwickelt und produziert Hänger für die Landwirtschaft, die Tom

Das, was so brav klang, entpuppte sich jedoch schnell als fri-

Sawyer Boats Floßboote. Das Telefonstudio WittCall hat sich auf

sche, ungemein anregende Küche regionaler Provenienz, selbst-

Telefondienstleistungen für Markt- und Meinungsforschung spezi-

bewusst und zeitgemäß.

alisiert, und das ist noch nicht mal alles. Jaeger schuf hunderte

Dazu gab es eine der spannendsten Weinbegleitungen im gan-

Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region und sanierte auch

zen Nordosten und einen dermaßen herzlichen Service, dass man

das alte Fürstenhagener Schulgebäude...

sich verwundert die Augen rieb und nicht glaubte, in Mecklenburg

Als der Österreicher Daniel Schmidtahler – nach Stationen in

zu sein. Und so kam es, wie es Szenekenner erwarteten: Dass der

St. Christoph am Arlberg, Portals Nous auf Mallorca, Kitzbühel

Gast in der Alten Schule das angenehme Gefühl genießt, man wol-

und Berlin – und Frau Nicole, gebürtige Mecklenburgerin, 2010 hier

le ihm einfach nur ein Maximum an kulinarischer Freude bereiten,

starteten, hatten sie eine gute Landküche im Blick, die ganzheit-

war 2012 dem Michelin einen Stern wert.

Im Service: Jana Wegner.

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GESCHMACKSSACHEN Der Hecht: Fisch des Jahres 2016

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Der Hecht: Fisch des Jahres 2016 GESCHMACKSSACHEN

Der Chef und seine Mitarbeiter...

...Köchin Sandra Timmler und Ole Kreibig, Kochlehrling.

Im September 2016 gab es wieder Applaus für Daniel Schmidthaler.

ten kann, was ihm seine Lieferanten bringen – und das sind nicht

Der 35-Jährige wurde zum Meisterkoch der Region gewählt.

Deutsche See oder Rungis Express – beziehungsweise, was er selbst

Die Begründung der Jury: „Er verfolgt eine individuelle kulinarische Philosophie, die Bodenständigkeit und Gourmetanspruch harmonisch vereint. Aus regionalen Produkten wie Fisch und Fleisch, die er zu 80 Prozent von heimischen Erzeugern bezieht, kreiert er eine gehobene

angebaut oder in Wald und Flur entdeckt hat: Wilder Meerrettich zum Beispiel oder Herbsttrompeten. Die suggestive Wirkung von Edelprodukten entfällt, das Handwerkliche tritt klar hervor, und darin ist Schmidthaler meisterlich.

Landküche voller geschmacklicher Überraschungen“. Noch größer dürfte allerdings das Erstaunen der Alte-SchuleGäste gewesen sein, als sie statt einer Menükarte eine freundliche Absichtserklärung in die Hand gedrückt bekamen. Motto: Wir kochen für Sie und geben unser Bestes (s.S.80). Nun war das keine Marotte eines flippigen Küchenkünstlers, sondern der Tatsache geschuldet, dass Schmidthaler nur das verarbei-

ALTE SCHULE FÜRSTENHAGEN Zur Alten Schule 5 17258 Feldberger Seenlandschaft Tel. 039831 — 22 023 www.hotelalteschule.de

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FRISCHER WIND AUF EIN WORT: FRISCHDIENST-BERLIN-GESCHÄFTSFÜHRER DR. JENS OLA ÜBER NEUE WEGE IN EINEM TRADITIONSUNTERNEHMEN

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ADVERTORIAL

Herr Dr. Ola, Sie sind also der neue Besen bei Frischdienst Berlin? Das ist richtig, ich bin seit dem 1. September 2016 Geschäftsführer des Unternehmens. Ich will aber gleich hinzufügen, gekehrt wird bei uns gemeinsam, ich setze auf Teamwork. Man hört, dass Sie nicht der einzige Neue sind. Gut gehört, seit kurzem zählt auch Jörg Pöhlmann als Verkaufsleiter zur Frischdienst-Mannschaft. Ich glaube, ein bekannter Mann in der Berliner Lebensmittelbranche. Durchaus, aber man hört auch, dass bei Ihnen kein Stein auf dem anderen bleibt. Na ja, das ist ziemlich drastisch ausgedrückt. Richtig ist, dass wir neue Wege gehen und damit natürlich Zukunft sichern wollen. In welche Richtung? Wir sind dabei, uns vom bisher reinen Molkereiproduktelieferanten zum Frischelieferanten in allen Sortimenten zu entwickeln. Damit entsprechen wir den Wünschen von über 3.000 Kunden, die wir derzeit in Berlin, Brandenburg und den anderen ostdeutschen Bundesländern beliefern und stärken so unsere gastronomische Kompetenz.

die Aufzucht von Tieren artgerecht erfolgt und die Schlachtung

Was bedeutet das – Aufbau eines Frischesortiments?

ethisch einwandfrei vonstatten geht.

Bisher konnte man beim Frischdienst Berlin neben Molkereiproduk-

Wo sind Sie schon fündig geworden?

ten wie Milch, Butter, Sahne, Joghurt, Quark, Käse usw. noch all das

Beispielsweise bei der Luckenwalder Fleischwaren GmbH, einem

bestellen, was ein Hotelfrühstück sonst noch ausmacht, also auch

regionalen Produzenten, von dem wir Frischfleisch und Wurstwa-

Honige, Müslis, Säfte und Wiener Würstchen.

ren beziehen. Als jüngstes Beispiel möchte ich noch die Bauernkä-

Das jedoch genügt nicht mehr. Wir wollen unser Sortiment um

serei Wolters in der Uckermark nennen, von der wir bereits einen

Fleisch- und Wurstwaren, Obst, Gemüse und um einen gewissen

Sortimentskarton mit sechs geschmacklich sehr verschiedenen

Anteil Tiefkühlkost erweitern. Damit wollen wir sozusagen die Fri-

Käsesorten in unser Angebot aufgenommen haben.

sche komplettieren und unseren Kunden die Möglichkeit geben,

Natürlich suchen wir weiter, sprechen mit jedem potenziellen Lie-

weitere Produkte gleich bei uns mitzukaufen. Lediglich beim The-

feranten und prüfen sein Angebot. Außerdem, weil Sie nach den

ma Fisch werden wir uns auf Räucher- und Tiefkühlware beschrän-

Veränderungen gefragt haben, stärken wir schrittweise unsere

ken, da sind wir nicht Spezialisten genug.

Servicekompetenz.

Wo werden Sie die neuen Produkte einkaufen?

Was heißt das?

Wie bisher setzen wir beim Einkauf auf Regionalität, fassen den

Wir stellen unseren Vertrieb neu auf. Indem wir weg von der Spar-

Begriff allerdings schon etwas weiter als manche Kollegen. Wir

tenstruktur hin zu einer Regionalstruktur gehen, können wir mit un-

schließen neben dem Land Brandenburg auch Mecklenburg-Vor-

seren Gebietsverkaufsleitern noch schneller bei unseren Kunden

pommern mit ein, ebenfalls Regionen wie die Altmark, das Vogt-

sein und das Beratungsniveau, auch und vor allem im Hinblick auf

land, den Thüringer Wald oder die Oberlausitz.

unsere neuen Sortimente, wesentlich steigern.

Das sind immer noch kurze Transportwege, die unserer Vorstellung

Hinzu kommt die weitere Flexibilisierung bei der Auftragsannahme

von Nachhaltigkeit entsprechen, weil sie nicht nur die Umwelt we-

und der Belieferung unserer Kunden. Schon jetzt können die Küchen-

niger belasten, sondern weil auch der Blick hinter die Kulissen für

chefs und andere Einkäufer aus Gastronomie, Hotellerie und Gemein-

uns leichter ist.

schaftsverpflegung bis spät in die Nacht hinein bei uns ihre Ware

Eine ziemlich aufwendige Recherchearbeit.

bestellen und bekommen sie innerhalb von 12 Stunden geliefert.

Keine Frage, zumal wir ganz bewusst nicht nur bei anderen Händlern, sondern direkt beim Produzenten einkaufen. Und da müssen wir einerseits über die Leistungsfähigkeit Bescheid wissen, also

Beusselstraße 44 n-q

darüber, welche Mengen ein Landwirt etwa in welchem Zeitraum

10553 Berlin

liefern kann, andererseits spielt natürlich die Qualität der Lebens-

Tel. 030 – 39 00 05-12

mittel eine wichtige Rolle. Wir wollen eben wissen, ob zum Beispiel

www.frischdienst-berlin.de

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GESCHMACKSSACHEN Eine Prise Heimat

Brückenschläge DAS PROJEKT „EINE PRISE HEIMAT“ VON MARC STE YER

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Eine Prise Heimat GESCHMACKSSACHEN

Michael Kempf und Reza Ahmadi, v.re.

Gefühlte 2.000 Kochbücher erscheinen jedes Jahr in Deutschland:

Da ist zum Beispiel Reza. Der 29-Jährige stammt aus dem Iran,

regionale Küche, Länderküche, leichte Küche, schnelle Küche,

lebte lange in Afghanistan und kam vor zwei Jahren nach Berlin.

Fernsehküche, Sterneküche. Viele dieser Bücher sind bunte Re-

Hier fand er Arbeit als Schuhmacher. Für das Buchprojekt traf er

zeptsammlungen, die uns weder schlanker noch klüger und des-

mit dem 2-Sterne-Koch Michael Kempf zusammen.

halb auch keinen Spaß machen. „Eine Prise Heimat“ ist da anders. Ob es schlanker macht, das haben wir noch nicht getestet, klüger macht es auf jeden Fall und

Das Ziel der beiden Männer – aus Rezas Familienrezepten jene herauszufinden, die sich „Für eine Prise Heimat“ eignen, die Gerichte zuzubereiten, Zutatenlisten und Kochanweisungen zu s­ chreiben.

Spaß erst recht. „Eine Prise Heimat – A Pinch of House“ (das Buch

„Es war eine spannende und inspirierende Arbeit“, so Kempf,

ist in deutsch und englisch erschienen) dokumentiert Begegnun-

„und ich habe viel über Gewürze und Gewürzmischungen gelernt.“

gen von Spitzenköchen – darunter mit Sven Elverfeld, Sebastian

Das Ergebnis: Linsenvariationen mit pochiertem Ei, Kartoffel-

Frank, Michael Kempf und Micha Schäfer vier aktuelle Sterneköche

Reis-Kuchen mit Okraschoten und eine Safran-Limetten-Creme. Der

– mit Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderen Ländern, die

Band enthält 43 Rezepte, die zum Nachkochen einladen und zum

aus ihrer Heimat geflüchtet sind und jetzt in Deutschland leben.

Nachdenken anregen. „Eine Prise Heimat“, zum Schenken schön.

Unterstützer des Projektes: Sabine Hueck, ihr Mann Prof. Dr. Sérgio Costa, re. und Thomas Struck, Leiter des Kulinarischen Kinos der Berlinale.

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GESCHMACKSSACHEN Eine Prise Heimat

Lisa Thaens, 25, stammt aus Lutherstadt Wittenberg, studierte in Berlin International Business Management und gehörte 2014 zu den Mitgründern von Über den Tellerrand e.V., einer Initiative, die sich für eine Gesellschaft aus Geflüchteten und Beheimateten einsetzt, in der sich alle mit ihren individuellen Fähigkeiten einbringen können. „Eine Prise Heimat – A Pinche of Home“ ist das dritte Kochbuch der Initiative. Projektleitung: Lisa Thaens. www.ueberdentellerrand.org Wie ist es zu dem Projekt „Eine Prise Heimat“ gekommen, Lisa?

Ohne über ein Honorar zu reden?

Wir haben vor einiger Zeit den Küchenchef Andreas Tuffentsammer

Nur ein einziger Sternekoch aus Berlin hat, nachdem er sich das

kennengelernt und diskutiert, ob es möglich sei, etwa afghanische

Anliegen angehört hatte, gesagt, dass er uns ein Angebot schrei-

Gerichte auf Sterneniveau zu kochen. Ja, und dann entstand die

ben würde. Darauf haben wir natürlich verzichtet.

Idee, Sterneköche und Geflüchtete am Herd zusammenzubringen...

Das heißt, Sven Elverfeld, Sebastian Frank, Michael Kempf, Mi-

Und dann sind Sie losgezogen und haben Sterneköche gefragt, ob

cha Schäfer, Ralf Zacherl, Holger Zurbrüggen und die anderen

sie mitmachen?

Köche haben kein Honorar verlangt?

Na ja, erstmal wusste ich gar nicht, was das ist, ein Sternekoch. Von

Das heißt es, und dafür sind wir sehr, sehr dankbar. Dass sich nicht

Michelin und so hatte ich noch nie was gehört. Das hat es leichter

alles auf der Welt nur ums Geld dreht, beweist übrigens auch die

gemacht, solche Berühmtheiten wie Sven Elverfeld anzusprechen.

Tatsache, dass Fotografen, Grafiker, Layouter und Übersetzer auf

Wie haben denn Elverfeld und Co. reagiert?

Honorare verzichtet haben und Sabine Hueck uns ihr Atelier Cu-

Vielleicht war es meine Unbedarftheit, aber die meisten dieser Star-

linário kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

köche haben sofort zugesagt. Ohne Wenn und Aber.

Vielen Dank für das Gespräch.

Hobbykoch und Schuhmacher: Reza Ahmadi.

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Lisa Thaens und Julia Stein vom Sponsor Metro Cash & Carry, v.li.


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Mitte November eröffnet: Die BrewDog-Bar Berlin.

Bier ist längst nicht mehr nur Männersache.

GIB UNS CRAFT

AUF EINEN FLOTTEN VIERER MIT DIPLOM-BIERSOMMELIER TORSTEN SPÖRL TREFFPUNKT: BREWDOG BERLIN-MITTE, ACKERSTRASSE 29

Probieren geht über studieren: Der flotte Vierer.

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Vielfalt ist Programm: 30 Sorten aus 30 Zapfhähnen.


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Craft-Beer-Professionals im Gespräch: Dean Pugh, der Mann mit dem Bart, 30, Engländer aus Darlington und Manager der ersten BrewDog-Bar Deutschlands, sowie Torsten Spörl, 50, geborener Berliner, diplomierter Biersommelier und Craft-Beer-Spezialist in Diensten der Preuss Münchhagen GmbH, einem der größtem Gastronomiefachhändler Deutschlands.

Bei dem flotten Vierer handelt es sich hoffentlich um etwas Bie-

solcher Charakterbiere am Biermarkt insgesamt noch ziemlich

riges, Herr Spörl.

klein, in Berlin beispielsweise liegt er unter einem Prozent. Trotz-

Was dachten Sie denn? Was hier flotter Vierer heißt, bekommen Sie

dem haben wir bei Preuss Münchhagen Anfang September 2015

inzwischen in vielen Berliner Craft-Beer-Bars. Dabei handelt es sich

Craft Beer in unser Programm aufgenommen.

meist um handliche Bretter mit vier Gläsern in Probiergröße. Eine

Verschiedene Sorten?

ideale Sache, um die Biervielfalt der jeweiligen Bar zu erkunden.

Ja, wir sind mit rund 50 Sorten gestartet. Inzwischen können un-

Weshalb eigentlich haben Sie ausgerechnet diese Location für

sere Kunden aus 140 Bieren wählen, und wir sagen mit einigem

unser Treffen ausgesucht?

Stolz, dass wir für jeden Anlass das passende Craft Beer haben.

Zum einen ist die BrewDog-Bar hier in Berlin-Mitte die jüngste Er-

Ich persönlich etwa werde zum Jahreswechsel mit einem Strong

rungenschaft der hauptstädtischen Craft-Beer-Szene. Zum zweiten

Ale anstoßen, das mit Champagnerhefe vergoren wurde.

steht es der Stadt meiner Meinung nach gut zu Gesicht, dass Brew-

Sie sprachen von knapp einem Prozent Marktanteil, Herr Spörl,

Dog, immerhin die größte moderne Craft-Brauerei Europas, die be-

wo sehen Sie denn das Craft Beer in der Zukunft?

reits in elf Ländern Filialen eröffnet hat, nun auch in Berlin präsent

Ob es in absehbarer Zeit auch hierzulande die sagenhaften 15 Pro-

ist und die Gegend zwischen Bernauer und Torstraße biertechnisch

zent Marktanteil erreichen kann wie in den USA, vermag ich nicht

belebt. Und drittens sind die Schotten unsere Kunden.

zu sagen. In unserem Unternehmen haben wir das Ziel so formu-

Seit wann mischt denn Preuss Münchhagen im Craft-Beer-Ge-

liert: Wenn jedes Lokal wenigstens eine Craft-Beer-Sorte im Ange-

schäft mit?

bot hat, besser noch zwei bis drei, dann hat sich die Pionierarbeit

Erstmal: Craft Beer ist handwerklich gebrautes Bier mit eigenem

von Preuss Münchhagen gelohnt.

Charakter und eigenen Geschmacksbildern. Häufig sind solche

Und was ist dafür zu tun?

Biere Ergebnis eines – ich nenne es mal so – unkonventionellen

Wir müssen mit unseren Kunden noch mehr kommunizieren. Neh-

Umgangs mit den Grundbestandteilen Hopfen und Malz. Ich habe

men Sie zum Beispiel das Thema Essen und Bier. Hier hat Craft

vor fast zwanzig Jahren viele solcher Kreationen in so genannten

Beer noch viele Reserven. Probieren Sie doch mal ein Belgisches

amerikanischen Microbreweries probiert. Von dort aus schwapp-

Triple oder einen Doppelbock zum Gänsebraten – einfach herrlich.

te die Craft-Beer-Welle dann nach Europa. Allerdings ist der Anteil

Vielen Dank für das Gespräch.

GARÇON

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KOPFSALAT Nina Quade

Die Popcorn-Queen BESUCH BEI NINA QUADE IN FALKENSEE VON HANS-JÜRGEN BERGS

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Nina Quade KOPFSALAT

Nina Quade flirtet mit der Kamera. Kein Wunder, die 44-Jährige hat

Es begann mit einem Schüleraustausch. Sie war 16 und flog nach

an der Hochschule der Künste Design studiert und während ihrer

Kanada. Und das Heimweh flog mit. „Caramel-Popcorn war mein

Ausbildung dann und wann auch mal gemodelt, sie weiß also, wie

bester Seelentröster“, sagt sie und vermutet, dass schon damals

man sich in Szene setzt.

irgendetwas mit ihr passiert sein musste.

Nina Quade, die Popcorn-Queen. Popcorn? Dieser knuspernde

Sie kam zurück nach Berlin, die Seele brauchte keinen Tröster

Snack für eine mampfende Masse? Sie lächelt milde und zitiert den

mehr, doch das Virus hielt sich hartnäckig. Aber Deutschland war

Gastrokritiker der Los Angeles Times: „Popcorn“, hatte der mal ge-

nun mal kein Popcorn-Land. Also startete die Gymnasiastin erste

schrieben, „befeuert den Gaumen wie ein Flipperautomat – mit ei-

Experimente am eigenen Herd. Jugend poppt.

ner unwiderstehlichen Geschmacks-Matrix, die sich so süß, scharf,

Viel später hat sie diese Zeit mal ein bisschen poetisch-verklärt

geräuchert, knuspernd und salzig wohl kaum ein Suchtforscher

so beschrieben: „Meine Liebe zu Popcorn hat mich beim Erwach-

hätte ausdenken können“.

senwerden begleitet, durch mein Studium an der Kunsthochschule,

Ja, solche Sätze liest sie gerne. Schließlich ist sie nicht irgend-

bei meiner Arbeit beim Film und als Fotografin, und als Mutter habe

eine Popcorn-Produzentin, sie macht Gourmet-Popcorn, Popcorn

ich sie an meine Kinder weitergegeben.“ Immerhin war ihr ganzes

für Popcornaisseure.

Leben nicht nur Popcorn, sonst wären wohl die vier Kinder nicht da.

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KOPFSALAT Nina Quade

New York 1911: Just popped!

KLEINE KNURPSGESCHICHTE Dass Popcorn aus Amerika stammt, ist unbestritten. Ob es allerdings peruanische Ureinwohner waren, die als Erste Maiskörner im Feuer platzen ließen, um sie den Göttern zu opfern oder nordamerikanische Indianer, da sind sich die Archäologen uneins. Keinen Streit gibt es darüber, dass die Puffmaiskörner, die bei verschiedenen Ausgrabungen gefunden wurden, rund 5.000 Jahre alt sind, wenn nicht sogar älter. Zum beliebten Snack avancierte das Popcorn erst im 19. Jahrhundert. 1885 baute Charlie Cretors, ein Amerikaner, der be­reits einen Erdnussröster erfunden hatte, die erste Popcornmaschine. Straßenhändler stellten sie auf Karren und zogen damit dort­hin, wo Menschen sich versammelten. So wurde Popcorn zum ersten Streetfood. Schnell kam es auch ins Kino, sehr zum Leidwesen der Cineasten. Übrigens: Dass Deutschland erst nach dem Krieg auf den poppigen Snack kam, dürfte ein Stück aus dem Reich der Legenden sein. Unser Bild unten wurde 1924 von dem Berliner Presse-Fotografen Willy Römer aufgenommen. Es zeigt einen Straßenhändler, der in einem Glaskasten über offener Flamme Maiskörner röstet. Waren sie aufgeplatzt, kam Himbeersaft darüber. „Schneeflocken“ nannten die Kinder die süße Knabberei.

Berlin 1924: Lecker Puffmais!

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Nina Quade KOPFSALAT

Doch dann kam es, wie es wahrscheinlich irgendwann kommen

Knall platzt. Gleichzeitig dehnen sich Stärke und Eiweiß auf ein

musste. Nina Quade entschied, mit einer Popcorn-Bäckerei in die

Vielfaches aus – fertig ist das Popcorn.

Selbstständigkeit zu starten. Ein besonders lauter Pop, der Urknall.

Gourmetqualitäten jedoch haben solche Körner natürlich nicht.

Da sitzt sie nun im winzigen Büro ihrer Falkenseer Bäckerei und

Die bekommen sie erst durch Nina Quades Zutaten: Salz, Pfeffer,

lächelt versonnen. „Wollen Sie sehen, wie's geht?“ Wir wollen, Nina

Chili, Ingwer, Karamell, Knoblauch, Kräuter, Minze, Schokolade.

Quade ist jetzt ganz die Bäckerin. „Der Mais ist gentechnikfrei und

Geschmacksverstärker und Co. sind tabu. Der Suchtfaktor des

aus Frankreich“, erklärt sie, „und es geht nur mit dieser Sorte, nor-

ge­­sunden Snacks ist hoch: Auf der Internationalen Süßwaren-

maler Mais würde verbrennen.“ Der besondere Mais popt in ihrer

messe in Köln bekam die Popcorn-Queen aus Falkensee viel Lob.

Maschine und in der Backstube breitet sich ein angenehmer Geruch

Deutschland wird wohl doch langsam zum Popcornland.

aus, ein bisschen süß vielleicht... Was in ihrem amerikanischen Edelstahlgerät geschieht, ist Physik, 5.Klasse vielleicht. Also: Ein Maiskorn setzt sich aus Stärke, Eiweiß und Wasser zusammen. Äußerlich ist das Korn trocken, innen jedoch hat es immer noch ein bißchen Wasser gespeichert. Werden die Körner nun erhitzt, wandelt sich dieses Wasser in Dampf, der sich ausdehnt. Der Druck im Korn nimmt zu bis es mit einem lauten

POPCORN BAKERY Spandauer Straße 112 14612 Falkensee Tel. 0151 — 18 82 64 00 www.popcornbakery.de

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KOPFSALAT Nina Quade

Christmas Bliss nannte Popcorn-Queen Nina Quade ihre neueste Kreation, die sie so beschreibt: „Leichte, knusprig glasierte Popcornflocken glänzen mit dem ganzen Aroma frischen Lebkuchens, von Anis über Ingwer und Kardamom bis zum Zimt. Die warmen, weichen Weihnachtsaromen machen aus diesem leichten Knuspergenuss ein besonderes Vergnügen.“ Wir haben probiert und sagen: „Very blissful!“

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RAFFINIERT | HOCHWERTIG | LEGER

HIGHLIGHTS GENIESSEN KREATIV | REGIONAL | BERLIN

Falkensee, Bahnhofstraße 80: Die kleine Galerie.

Ein Postskriptum ist nötig – es betrifft ei-

kleider“ Mode und Accessoires aus

nen kleinen Laden in der Falkenseer Bahn-

Wolle anfertigt – Strickjacken, ­Pullover,

hofstraße 80.

Mützen.

Äußerlich ein unscheinbares Allerwelts-

Oder Nina Ullrich, ebenfalls Mode-

geschäft, innen bunte Vielfalt: Kunst und

designerin, deren schöne Schals und

Kunstgewerbe, Schmuck, Mode, Spielzeug,

Loops für die ganze Familie handwerk-

auch einige manufakturelle Lebensmittel

liche Unikate sind.

und – das ist das Besondere dieser Offerte –

„Eine Fundgrube für wirklich indi-

alles Made in Falkensee. Dahinter verbirgt

viduelle Geschenke in Zeiten billiger

sich ein Netzwerk von Künstlern, Handwer-

Massenware“, lobt eine Kundin die

kern und anderen Kreativen aus Falkensee

vielfältigen Angebote der kleinen Ga-

und der näheren Umgebung, für die Koope-

lerie auf Zeit, die hier noch bis zum

ration zu Recht die billigste Investition dar-

Jahresende 2016 verkauft werden –

stellt. Immerhin 170 Mitglieder.

darunter natürlich auch die neusten

Da ist zum Beispiel Ilka Buchholz, die seit sechs Jahren unter dem Label „Jakobs­

Popcorn-Kreationen von Nine Quade. www.made-in-falkensee.de

BUSINESS LUNCH IDEENREICHE DINNERKARTE JAZZ-BRUNCH AM SONNTAG

Falkenseer Netzwerkerinnen: Ilka Buchholz, Nina Quade, Nina Ullrich v.re.

RESTAURANT DUKE

T: +49 (0)30 68 315-4000 M: contact@duke-restaurant.com IM ELLINGTON HOTEL BERLIN NÜRNBERGER STRASSE 50-55 | 10789 BERLIN

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BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

GASTRO-GUIDES Ob er ihn im Blick hatte, das wissen wir nicht, aber jetzt ist er da, der zweite Michelin-Stern. Chapeau, Marco Müller! In einer Welt, in der andere abheben, wichtigtuerisch, größenwahnsinnig oder Alkoholiker werden, bleibt er ein geerdeter Mensch. Das zeichnet den Mann mindestens genauso aus wie seine Küche, die ohne jegliches Imponiergehabe auskommt und einfach nur beglückt.

Alt Luxemburg: Karl Wannemacher und Susan Jendritzki.

16 Jahre notierten die Gault-Millau-Tester für Karl Wannenmacher 17 Punkte. Es folgten sechs Jahre mit 16 Punkten, aktuell sind es noch 15. Sicher geht deshalb die Welt nicht unter, Wannemachers schon gar nicht, aber vielleicht hätten die Berufsesser eine klitze­ kleine Begründung der erneuten Abwertung verlieren können. Liegt es echt daran, dass Wannemacher und seine Gemeinde den SauRutz: Marco Müller.

seschritt, mit dem die Zeit in Berlin kulinarisch eilt, nicht miteilen?

Gratulation zum ersten Stern an einsunternull-Küchenchef A ­ ndreas Rieger und seine Mannen, deren – Zitat aus dem Gault Millau – „regelrecht intellektuelle Kompositionen“ in beeindruckender Weise das Produkt hofieren und so viele neue geschmackliche Informationen geben. Damit wird nach dem Nobelhart & Schmutzig ein zweites Berliner Restaurant höchstbewertet, das den anhaltenden Trend zur Regionalität konsequenter verfolgt als andere.

Altes Zollhaus: Herbert Beltle und Günter Beyer, v.li.

Eine Frage, die man sich auch im Alten Zollhaus stellt, das die Gault-Millau-Menschen gleich ganz aus dem Guide gekegelt haben. Ist denn Haute Hausmannskost, wenn sie handwerklich perfekt und alles andere als provinziell gemacht und mit jenem Kick versehen ist, der beim Gast Zufriedenheit erzeugt, wirklich nicht mal mehr der Erwähnung wert? Ist kulinarische Verlässlichkeit dereinsunternull: Andreas Rieger.

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maßen out, dass sie flugs aus dem Guide verbannt werden muss?


Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

NATUR-WEIN Raw steht für „in natürlichen Zustand, weder durch maschinelle noch durch andere Prozesse bearbeitet.“ Raw Vegetables, Rohkost, ist ein alter Hut. Gemessen daran, steckt Raw Wine, Naturwein, noch in den Kinderschuhen und bietet viel Diskussionsstoff. Das zeigte sich auch auf der zweiten Weinmesse Raw Wine, die am letzten Novembersonntag in der Markthalle Neun in Kreuzberg stattfand. In einem sind sich die Branchenkenner immerhin einig: Ein kurzlebiger Trend ist der Raw-Wine-Boom nicht. „Aus meiner Sicht wird diese Bewegung mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft eine große Bedeutung haben“, so der Berliner Sommelier Jürgen Hammer in der Novemberausgabe der Zeitschrift Ess­Press. „Allerdings“, so Hammer, „dass Naturwein der bessere Wein sei, würde ich ganz klar verneinen.“ Das bestätigte auch die Verkostung etlicher Gewächse während des Messetages. Nur weil Raw auf dem Etikett steht, ist der Wein in der Flasche nicht automatisch besser als ein konventionell erzeugter Rebensaft.

Markthalle Neun: Weinmesse Raw Wine.

Szenekenner: Sommelier Jürgen Hammer.

Macht’s euch g’mütlich!

© magdal3na

Im Maximilians – Friedrichstr. 185 www.maximiliansberlin.de


BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten

Gewonnen hat das Deutsche Herzzentrum: Markus Semmler, Ulla Kock am Brink, Ralf Zacherl, Ruth Moschner, v.li.

COOKING BATTLE Tue Gutes und rede darüber. Ganz viel Gutes taten die Berliner Spitzenköche Markus Semmler und Ralf Zacherl sowie die Moderatorinnen Ulla Kock am Brink und Ruth Moschner, natürlich gemeinsam mit vielen Gästen. Um deren Stimmen „kämpften“ am ersten Dezembermittwoch Semmler und Zacherl, die von den prominenten Fernsehfrauen sowie Ärzten des Deutschen Herzzentrums Berlin unterstützt wurden. Zwei Teams, zwei Kochstationen, zwei Menüs und die Frage: Welches schmeckt besser? Seit wackere Küchenbullen die TV-Kanäle bevölkern, heißt sowas „Cooking Battle“. Am Ende des Tages gab's natürlich auch einen Sieger: Zacherl/Moschner und ihr Kalbstafelspitz hauchdünn vor Semmler/Kock am Brink und dem Speckhecht. Wichtiger als das war aber wohl ein Scheck über 20.000 Euro, ausgestellt zu Gunsten Ein bisschen Wein muss sein: Prof. Dr. Joachim Photiadis, Dr. Stephan Jacobs und Martin Hartweg von Vini del Mondo, v.li.

So sehen Sieger aus: Ruth Moschner und Ralf Zacherl.

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des Deutschen Herzzentrums. Chapeau! www.kochkunst-ereignisse.de

Kampf mit dem Hecht: Ulla Kock am Brink, Markus Semmler und Prof. Dr. Joachim Photiadis


Udo Walz: „Wenn Bier, dann nur Sulzbacher Schlösslebräu.“

WALZ-BIER „Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber

und Bistrobetreiberin aus USA ist fern –

ich esse gern.“ Mit diesem Satz beginnt

dafür aber kann man ein feines französi-

das Berlin-Buch des berühmtesten Fri-

sches Frühstück genießen, ausserdem

seurs der Hauptstadt.

diverse Lunchofferten, Salate, Sup­­pen,

Udo Walz empfiehlt darin die Blauen Zip­ fel im Florian, den Käse-Schinken-Toast im

Quiches, Tartes, Torten, Sandwiches, na­ türlich viel Vegetarisches.

Café Einstein, die Kekse, die es im Adlon

„Maultaschen wären noch ganz schön“,

zum Tee gibt und Cynthia Barcomis Choco-

hören wir am Nachbartisch. Aber echt

late-Espresso-Cheesecake.

gute Maultaschen sind schwer zu krie-

Nun hat der Coiffeur und Connaisseur

gen. Und so bleibt`s erstmal bei schwäbi-

ein eigenes Bistro-Café eröffnet – Q 32,

schem Bier – Sulzbacher Schlösslebräu

Uhlandstraße mit Kudammblick. Da gibt

von Andreas Walz. Der Bruder des Meis-

es zwar weder Adlon-Kekse noch Florian-­

ters betreibt in Sulzbach an der Murr, auf

Zipfel und auch der berühmte Chocolate-

halbem Weg zwischen Stuttgart und Heil-

Espresso-Cheesecake der Fernsehköchin

bronn, eine Hausbrauerei.


Ostseeurlaub – Zeit zum Genießen In der Yachthafenresidenz Hohe Düne erwartet Sie eine Hotelanlage der Extraklasse mit liebevoll eingerichteten Zimmern und Suiten, der paradiesischen Wohlfühlwelt Hohe Düne SPA, einer stilvollen Shopping-Passage und insgesamt zwölf Restaurants und Bars. Genießen Sie den traumhaften Blick auf den exklusiven Yachthafen und das offene Meer. Erleben Sie erstklassige Kulinarik mit unserem Arrangement „Gourmet-Traum Hohe Düne“ ab 365 € p. P. (2 Übernachtungen im DZ)

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Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION

Benvenuti a Terra Madre

NOTIZEN VON DER INTERNATIONALEN SLOW-FOOD-MESSE 2016 IN TURIN VON JÖRG TEUSCHER

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KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin

Slow Food, eine internationale Organisation mit rund 100.000 Mitgliedern und über einer Million Anhängern in 160 Ländern, setzt sich für eine gute, saubere und faire Lebensmittelproduktion ein. Gut, sauber und fair für die Produzenten, die Verbraucher und natürlich auch für die Umwelt. Die größte internationale Veranstaltung der Organisation trägt den Titel Terra Madre Salone del Gusto und findet seit 1996 aller zwei Jahre in Turin statt – 2016 war das vom 22. bis zum 26. September. Rund 7.000 Delegierte aus 143 Ländern – darunter auch 120 aus Deutschland – diskutierten an diesen Tagen die wichtigs-

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Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION

te Herausforderung für die Zukunft: unseren Planeten zu ernähren, ohne ihn zu zerstören. Ole Syndicus, Manager im Berliner Restaurant Restlos Glücklich, in dem mit Produkten gekocht wird, die andernorts in der Tonne landen, war Mitglied der deutschen Delegation. Sein Fazit: „Eine tolle Veranstaltung, viel spannender Gedankenaustausch, beispiels­weise über eins der wichtigsten Slow-Food-Themen – den Schutz der Vielfalt unserer Lebensmittel.“ Garcon sah sich im Turiner Valentino Park um, in dem hunderte handwerkliche Lebensmittelerzeuger ihre Produkte vorstellten.

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KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin

Wie die Offerte von Slow Food Deutschland im Turiner Parco del Valentino zustande kam, wissen wir nicht und natürlich auch nicht, weshalb sie so bescheiden, um nicht zu sagen mickrig, ausfiel. Neben zwei Brauereien und einem Stand der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, Retter der ältesten deutschen Sattelschweinrasse, präsentierten Ölmüller aus dem Bliesgau das Öl des Leindotters, wiederum ein paar Meter weiter hatte Detlef Werner aus Hennigsdorf seine mobile Knoblauchräucherei in Stellung gebracht (s. Interview S.105), ja, und das war's dann auch schon.

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Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION

Detlef Werner, genannt „Janosch“, stammt aus Hennigsdorf bei Berlin. Der 56-jährige Elektromonteur und Schienenfahrzeug-Inbetriebnehmer bei Bombardier wurde 2004 arbeitslos, gründete eine mobile Räucherei und spezialisierte sich auf das Räuchern von Knoblauch. www.mobile-raeucherei.de

Es ist nicht ganz leicht, bei Ihnen einen Termin zu bekommen,

Also rundum zufrieden?

Herr Werner.

Schön wär´s.

Das wird sicher auch bei anderen Einzelunternehmern und Allein-

Nanu?

unterhaltern so sein, gerade jetzt vor Weihnachten. Ich bin auf

Ich bin ein Kleinstproduzent und hätte mir ein bisschen Unterstüt-

dem Sprung nach Bremen, dann geht’s nach Stuttgart, und an den

zung gewünscht.

Adventswochenenden baue ich meinen Stand auf dem Markt am

Von wem und wobei?

Schloss Liebenberg auf.

Zum Beispiel von Slow Food Deutschland – etwa bei der Standmie-

Überall räuchern Sie Knoblauch?

te oder bei der Organisation einer preiswerten Übernachtungsmög-

Ich räuchere Knoblauch, verkaufe meine Spezialität, spreche über

lichkeit in Turin. Aber nix war´s.

ihren ernährungsphysiologischen Wert im Besonderen und über ge-

Ich musste die 300 Euro Miete pro Tag selbst aufbringen, habe sie-

sunde Ernährung im Allgemeinen.

ben Nächte in meinem Auto geschlafen, und auf ein Dankeschön

Damit haben Sie auch Slow Food Deutschland auf der Terra Madre

für mein Engagement warte ich bis heute. Das alles hat mich schon

Ende September 2016 in Turin vertreten. Erfolgreich?

ziemlich enttäuscht.

Turin war ein Mega-Erfolg für mich, tolle Begegnungen, super Gesprä-

Aber ich lasse mich davon nicht unterkriegen und mache trotzdem

che, sogar Carlo Petrini war an meinem kleinen Stand und hat Räu-

weiter. Mein Produkt ist gut und meine Botschaft ist es auch.

cherknoblauch verkostet. Am vierten Messetag war ich ausverkauft.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schmeckt nach Erbsen und Spargel: Leindotteröl aus der Ölmühle Bliesransbach.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin

Glücklich, wer so viel zu bieten hat. Felix Austria. Aus Wien kamen die Thum-Metzger, deren – nach einem über 150 Jahre alten Verfahren aus dem Fleisch von Mangalitza- und Turopoljeschweinen erzeugten Schinkenspezialitäten – weltberühmt sind. Engagierte Bauern aus dem niederösterreichischen Waldviertel präsentierten das Waldstaudekorn, eine alte, geschmacksstarke und inhaltsstoffreiche Roggenart, die derzeit eine Renaissance erlebt. Und dann war da noch die Leithaberger Edelkirsche aus dem Burgenland in vielfältiger Verarbeitung (s. Interview S.107).

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GARÇON


Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION

Rosi Strohmayer, 64, stammt aus Feldkirch im Bundesland Vorarlberg, lernte Tischlerin und kam des Berufs und der Liebe wegen 1978 ins Burgenland. Seit neun Jahren ist sie Obfrau des Vereins Leithaberger Edelkirsche, der sich für die Erhaltung, Vermehrung und Verarbeitung der alten Kirschsorten in der nordburgenländischen Region Leithaberg nahe des Neusiedler Sees einsetzt. www.genussquelle.at

Wie fällt die Bilanz Ihres Auftritts in Turin aus, Frau Strohmayer?

Wenn die Sorten so arbeitsintensiv und kaum zu lagern oder zu

In jeder Hinsicht positiv. Das Interesse der Besucher für unsere

transportieren sind, weshalb betreiben Sie den ganzen Aufwand?

Produkte war beeindruckend, die Anerkennung für unsere Arbeit

Gegenfrage. Haben Sie zum Beispiel schon mal eine Joiser Einsie-

überwältigend. Und das wiederum ist eine große Motivation für uns

dekirsche probiert?

und unsere Partner. Und eine Chance für unsere alten Kirschsorten.

Nein, an den eigenwilligen Namen könnte ich mich sicher erinnern.

Brauchen die denn eine?

Am meisten, denke ich, würden Sie sich wahrscheinlich an die

Absolut. Schauen Sie, in der Zwischen- und Nachkriegszeit des

intensive Aromatik sowie den süßen, angenehm würzigen Ge-

20. Jahrhunderts standen in unserer Gegend am nordwestlichen

schmack erinnern. Und das betrifft nicht nur die Joiser Einsiede-

Ufer des Neusiedler Sees noch rund 15.000 Kirschbäume. Halb-

kirsche, die in Österreich übrigens zur Streuobstsorte des Jahres

oder Hochstämme. Weil sie für den modernen Obstbau zu arbeits-

2017 gewählt wurde, sondern auch die anderen Sorten, etwa die

intensiv sind, wurden immer wieder welche gerodet. Nun gibt es

Frühbraune aus Purbach, die Windener Schwarze oder die Don-

nur noch 5.000 Bäume verschiedener lokaler Sorten. Die wollen wir

nerskirchner Blaukirsche.

erhalten und, wo möglich, vermehren.

Kommen Sie doch einfach am 1. und 2. Juni 2017 zum Internatio-

Welche Sorten sind das denn?

nalen Kirschenfest nach Graz, dort finden Sie auch die Leithaber-

Es sind acht lokale Kirschsortenraritäten, alle mit weichem Fleisch

ger Edelkirsche und überzeugen Sie sich!

und dünner Schale und nur begrenzt lager- und transportfähig.

Vielen Dank für das Gespräch.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin

Das „Japan-Zelt“ gehörte im Turiner Valentino Park wohl zu den eindrucksvollsten und deshalb meistbesuchten Offerten der Terra Madre Salone del Gusto 2016. Yoshi Tezuka, ein bekannter SushiMeister aus Tokyo, demonstrierte die perfekte Zubereitung der japanischen Appetithappen, die Millionenstädte Kobe und Sapporo präsentierten sich als Gourmetmetropolen und – last but not least – boten an gleich fünf Ständen Lebensmittelproduzenten der Präfektur Ishikawa ihre traditionell hergestellten Produkte zur Verkostung an (s.S.110).

Präsentierte sich in Turin als Gourmetmetropole: Kobe.

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Terra Madre Turin KULINARISCHE EXKURSION

Remi Ie, 39, wurde auf Japans Tropeninsel Okinawa Hontō geboren, studierte in den USA Volkswirtschaft und an der Slow-Food-Universität im norditalienischen Pollenzo Gastronomische Wissenschaften. Seit Anfang 2016 leitet sie Slow Food Japan als Direktorin. www.slowfood.com

Es gab viel Lob für die Exposition von Slow Food Japan hier im Park

Wie ich schon sagte, wir wollen die Slow-Food-Idee in Japan popu-

Valentino. Sind Sie selbst denn auch selbst zufrieden, Frau Ie?

lärer machen. Das Gedankengut unserer traditionellen Philosophie

Japan war zum ersten Mal mit einer so großen Gruppe auf der Terra

hat viel mit Slow Food gemeinsam – Leben im Einklang mit der

Madre vertreten – insgesamt zählte sie 122 Delegierte, die auch

Natur, Respekt vor ihren Ressourcen. Leider ist mit der Globalisie-

bei vielen Foren und Diskussionen aufgetreten sind – das hat mich

rung viel davon verloren gegangen, wir wollen es wieder erwecken.

schon ein bisschen glücklich gemacht. Wichtiger ist mir allerdings,

Können Sie ein Beispiel nennen?

dass die Slow-Food-Idee in Zukunft in meiner Heimat noch stärkere

Nehmen Sie die Bienen, die traditionell in Japan für die Bestäubung

Beachtung findet. Dafür wird es im kommenden Jahr auch endlich

und die Honigproduktion eine große Bedeutung haben. Mit der Ein-

eine Website und ein Online-Slow-Food-Journal geben. Sie sehen

führung von amerikanischen und europäischen Bienen werden die

also, dass wir noch einiges zu tun haben, um Slow Food Japan nach

angestammten Völker zurückgedrängt und sterben aus, weil Biene

vorn zu bringen.

eben nicht gleich Biene ist. Das wiederum hat negative Auswirkun-

Wie viele Mitglieder hat denn die Organisation derzeit in Japan?

gen auf den Kreislauf der Natur. Slow Food Japan plant dazu 2017

Aktuell haben wir rund 400 Mitglieder – Unternehmen, Produzen-

eine sogenannte „Let it Bee“-Konferenz. Wir haben auch die Arche

ten also, und Einzelpersonen.

des Geschmacks im Blick, die Probleme der Fischerei und wir wol-

Was haben Sie sich für das kommende Jahr vorgenommen, Frau

len uns um den Nachwuchs in der Landwirtschaft kümmern.

Ie, welche Ziele haben Sie im Blick?

Vielen Dank für das Gespräch

Die offiziellen Vertreter der Präfektur Ishikawa in Turin: Koji Yamade, Shinichiro Minato und Naoki Moriyama, v.re.

GARÇON

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KULINARISCHE EXKURSION Terra Madre Turin

Die Präfektur Ishikawa liegt auf der Insel Honshū in der Mitte Japans, rund 350 Kilometer von der Hauptstadt Tokyo entfernt und ist mit dem Shinkansen in zweieinhalb Stunden zu erreichen. Die Hauptstadt Kanazawa, im Mittelalter Residenz des mächtigen Maeda-Klans, zählt heute 457.000 Einwohner und ist eine moderne Großstadt mit vielen Sehenswürdigkeiten (www.kanazawa-tourism.com). Die Präfektur ist berühmt für ihre Lebensmittelproduktion und eine traditionelle Regionalküche der Samurai-Zeit, die sogenannte Kaga-Küche, zu deren Spezialitäten Fischgerichte und Eintöpfe gehören. Große Bekanntheit erlangte auch das Kunsthandwerk der Präfektur, etwa das Blattgoldschlagen und die Lackmalerei. Regierungschef ist seit 1994 Gouverneur Masanori Tanimoto. Gouverneur Masanori Tanimoto.

Vielen Dank für die Möglichkeit, mit Ihnen dieses Interview zu

das besonders klare Wasser aus dem Inneren des Berges Haku be-

führen, Herr Gouverneur.

fördern die Fermentationsprozesse und letztlich die Qualität der

Bitte sehr, ich freue mich, mit einem Reporter aus Deutschland zu-

Produkte. Außerdem gibt es in der Präfektur Ishikawa eine beson-

sammenzutreffen, weil, wie ich höre, bei Ihnen zu Hause das Inter-

dere Art der Salzgewinnung.

esse an Japan, japanischen Lebensmitteln und japanischer Küche

Geht es dabei um Meersalz?

immer größer wird.

Es handelt sich um Natursalz, das am Strand der Stadt Suzu gewon-

Zumindest für Berlin kann ich das bestätigen. Spielte das auch

nen wird. Das Salz wir aus dem Sand des Strandes ausgewaschen.

eine Rolle, weshalb die Präfektur Ishikawa mit so vielen Ausstel-

Sie haben auch das Agriturismo Il Casone besucht, weshalb?

lern zur Terra Madre in Turin angereist ist?

Wir wollen nicht nur in Europa die Produkte unser Lebensmittelma-

Natürlich, wir haben uns vor allem internationale Aufmerksamkeit

nufakturen präsentieren, um sie vielleicht zu exportieren, sondern

für unsere traditionell und manufakturell hergestellten Produkte

wir haben auch nach Erfahrungen gesucht, wie wir einen sanften

erhofft und haben sie auch bekommen.

Tourismus entwickeln können. Das Agriturismo Il Casone in der

Welche Produkte haben Sie da im Blick?

Toskana verbindet agrarische Produktion mit einem sehr hochwer-

Die Präfektur Ishikawa gilt als eine Schatzkammer Japans. Das

tigen Hospitalityangebot. Eine solche Form kann ich mir auch für

betrifft den Reisanbau ebenso wie die Herstellung von Miso, Sake,

Ishikawa vorstellen.

Soyasauce und anderer fermentierter Produkte. Unser Klima und

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gouverneur.

Besuch auf dem Agriturismo Il Casone 1729 in der Toskana .

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Erinnerungsfoto mit den Inhabern Alexander und Andrea Lehmann.



RUBRIKEN Fuhrmanns Früchtekorb Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den kenntnisreichsten ­Männern seiner Branche. Lieber klein, dafür fein — mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obstund Gemüsegeschäft. 1980 Umzug auf den Fruchthof an der Beusselstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühlhalle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Produkte ausliefern, pünktlich, zuverlässig und in hoher Qualität. Von A wie Artischocke bis Z wie Zi-

Dieter und Marcus Fuhrmann.

tronengras. Wenn in Berlin oder Brandenburg die wei-

ern, heißt es bei den Küchenchefs dort

Für unser Magazin Garcon stellen die

ßen 7,5-Tonnen-­Kühltransporter mit dem

meist kurz und knapp: Fuhrmann kommt.

beiden Großhändler Dieter und Marcus

Zeichen der Kirsche ­Hotels, Krankenhäu-

Dieter Fuhrmann, Chef des gleichna-

ser, K ­ antinen oder Res­taurants ansteu-

migen Fruchtgroßhandels ­und ­der Grand

Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor. Heute: Knollensellerie

FUHRMANNS FRÜCHTEKORB TOLLE KNOLLE VON DIETER FUHRMANN Was fällt einem Mann meines Alters beim Thema Sellerie zuerst ein? Natürlich der Klas­siker schlechthin: Waldorf-Salat. In den 1920er Jahren im legendären New Yorker Waldorf-Astoria-Hotel kreiert, ist er heute offenbar megaout. Die sternekochende Generation Y rümpft die Nase, fer­ mentiert Selleriewurzeln, frittiert Sellerie­ schalen, röstet Selleriegrün und serviert Sel­lerieeis. Waldorf, nein danke. Lediglich im Waldorf Astoria Berlin gibt es den Salat aus Stangen- und Knollensellerie, süßen und sauren Äpfeln, karamel­lisierten Walnüssen, roten Trauben, schwarzen Nüssen und einer hausgemachten Ma­­yonnaise, jedoch nur auf der Karte des Roomservices. Das Gourmetrestaurant Les Solistes by Pierre Gagnaire übrigens schloss Anfang Dezember, Küchenchef Roel Lintermans bleibt aber in Berlin. Der 38-jährige Belgier wechselte als kulinarischer Direktor ins Landwehr-Radczun-Gastroimperium, das mit Grill

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Fuhrmanns Früchtekorb RUBRIKEN

Roel Lintermans...

...und sein Waldorf-Salat á la Waldorf Astoria Berlin, aufgenommen im September 2016.

Royal, Petit Royal, Pauly Saal und Dóttir eine Dimension erreicht

te Phthalide vorkommen, die für das typische Selleriearoma ver-

hat, die wohl einen Oberaufseher braucht.

antwortlich sind. Besonders stark ausgeprägt ist es übrigens in

Damit zurück von den Köpfen zu den Knollen, meinem eigentli-

der Wildform des Selleries, die früher vor allem auf salzhaltigen

chen Thema. Der Sellerie, ein Doldengewächs und beispielsweise

Wiesen an der Nordseeküste verbreitet war, heute allerdings kaum

mit der Mohrrübe verwandt, ist eine uralte Kulturpflanze. Im alten

noch zu finden ist. Liebhaber des würzigen Geschmacks kommen

Ägypten war sie Grabbeigabe der Könige, im antiken Griechenland

auch bei älteren Sorten, etwa „Bergers weißer Kugel“, auf ihre Kos-

diente ihr Laub als Siegerkranz erfolgreicher Weltkämpfer und Ho-

ten; neuere Sorten, „Monarch“ zum Beispiel, schmecken milder,

mer, der erste Dichter des Abendlandes, feierte Selinon, den Selle-

nussartiger. Generell gilt: Je weißer das Fleisch der Knolle, desto

rie, in seiner Odyssee als Lieblingsgemüse der Zauberin Kalypso.

geringer deren typische Aromatik.

Seit dieser Zeit haftet der Knolle auch der Ruf eines Aphrodisiakums an, bewiesen wurde das jedoch nie. Belegt ist dagegen der gesundheitliche Wert der Knolle. Sie ent-

Ob so oder so, das ist sicher Geschmackssache – auf jeden Fall ist Knollensellerie ein grundehrliches Wurzelgemüse, das auch Spitzenköche schätzen: Matthias Gleiß zum Beispiel, der eine ge-

hält erhebliche Mengen der Vitamine A, C und E, viele Mineral- und

grillte Zanderbacke von Sellerie in drei Texturen begleiten lässt.

Ballaststoffe sowie ätherische Öle, in denen wiederum sogenann-

www.dieter-fuhrmann.de

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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.

Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.

Nun stöbern Johannes Mohr und Swen „Trotz Internet und Fernsehküche – Koch-

Die beiden Männer zogen im Januar 2010

Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-

bücher bleiben ein Kulturgut“, davon sind

aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-

lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-

Johannes Mohr und Swen Kernemann-

treiben seitdem in einem restaurierten

chern aus vergangenen Zeiten und notie-

Mohr überzeugt.

Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der

ren, was sie dabei bewegt.

KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR

Berliner Küche Berlin-Information DDR 1080 Berlin Neustädtische Kirchstraße 3 Redaktion: Bernd Dochow / Brigitte Schmidt Zubereitung der Speisen: Fritz Masche, Chefkoch im Interhotel „Stadt Berlin“ Kuchen und Gebäck: Bäckermeister Jürgen Schaaf, Berlin November 1983

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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN steht, dürften es nicht allzu viele gewesen sein: „Wir kochen gut – 1.000 mehr als erprobte Rezepte für den Haushalt, zusammengestellt unter Berücksichtigung der modernen Ernährungslehre“, erschienen 1968 im Leipziger Verlag für die Frau war wohl der Klassiker, eine Art DDR-Mini-Dr.Oetker (Dr.Oetker´s Schulkochbuch erschien 1927, 1. Auflage: 600.000 Exemplare, das wird „Wir kochen gut“ wohl nicht auf die Waage gebracht haben.) Dann ist da noch „Unser großes Kochbuch – Vom Frühstück bis zum Abendbrot“, erschienen 1970, ebenfalls in Leipzig. Aufgefallen ist uns, dass 1968 noch Produkte wie Seezunge, Steinbutt, Languste aufgeführt und Rezepte aus Finnland, Frankreich, Holland abgedruckt wurden – zwei Jahre später nichts mehr davon. Woran das wohl gelegen haben mag? Jutta Voigt, die 2008 das wirklich lesenswerte Buch „Der Geschmack des Ostens“ herausbrachte, hat eine Antwort: „Was es in der DDR nicht gab, durfte nicht existieren, um keine ‚künstlichen Meist finden wir beim Blättern in alten Kochbüchern Lesezeichen, häufig sind es Einkaufszettel, manchmal Fahrscheine, seltener Visitenkarten. In diesem Bändchen entdeckten wir zwischen den Seiten 148 und 149 ein Kalenderblatt: Sonntag, 16. Juni, auf der Rückseite die erste Strophe eines Eichendorff-Gedichtes. Das Internet macht´s möglich – Sonntag, der 16.Juni, das war der 16. Juni 1985.

Bedürfnisse‘ zu wecken.“ Der Band „Berliner Küche“, erschienen 1983, kommt da nicht in Verlegenheit. Seezunge, Steinbutt und Langusten gehörten auch in Westberlin nicht zu den Produkten, derer sich die Berliner Küche rühmen durfte. Da wie dort war die Fleischeslust das Seligmachende, dort wohl noch mehr. Die Zahlen kennen wir: Der Pro-Kopf-und-Jahr-Konsum

Fünf Tage zuvor fand auf der Glienicker Brücke der größte Agen-

an Fleisch lag in der DDR bei sagenhaften 96 Kilogramm, und wenn

tenaustausch der Nachkriegsgeschichte statt. Ob die Kochbuchle-

wir schon mal bei Statistiken sind – bei Butter waren es 15,7 Kilo-

serin – wir vermuten, es war eine Frau, weil sich in der DDR, wie wir

gramm, hinzu kamen noch 53 Kilogramm Zucker und 307 Eier. Pro

oft hören, Männer selten fürs Kochen begeisterten – ob sie also je

Kopf. Da war die DDR also tatsächlich Weltspitze.

von diesem Ereignis erfuhr, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass sie sich für das Holsteiner Schnitzel interessierte, denn die-

Bibliotheca-Culinaria

ses Gericht ist mit einem kleinen Kreuz gekennzeichnet. Und zwei

Zehdenicker Straße 16

Zutaten sind unterstrichen: Lachs und Kaviar...

10119 Berlin-Mitte

Wieviele Kochbücher in der DDR gedruckt wurden, darüber gibt es keine Angaben. Gemessen an dem, was in unseren Regalen

Tel. 030 – 47 37 75 70 www.bibliotheca-culinaria.de

Gerhard Redlich, Küchenchef im DDR-Interhotel Stadt Berlin (1988).

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RUBRIKEN Marktnischen tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürger­ meister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Heute gibt es wieder rund 120 Wochen-

Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.

märkte in Berlin – nicht nur vor RathäuWochenmärkte haben in Berlin eine lange

er genannt. Im benachbarten Berlin sind

sern – die sich wachsender Beliebtheit er-

Tradition. Der erste urkundlich erwähnte

der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-

freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“

Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-

rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss

stellt Garcon Händler vor, deren Offerten

gründungsdokument vom 7. März 1232 wird

ge­­schaffene Gendarmenmarkt die wich-

auch eine weite Anreise wert sind.

BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER Das Bild links zeigt eine Zitrone, allerdings eine besondere Zitrone – auch wegen ihrer Größe und des Gewichts – die Frucht ist 17 Zentimeter lang, mißt 10 Zentimeter im Durchmesser und wiegt 740 Gramm – vor allem aber wegen ihres Geschmacks. Intensiv aromatisch mit einer feinen süß­ lichen Note. Selbst die gegenüber herkömmlichen Zitronen dickere weiße Schale ist essbar. Ihr Name: Amalfizitrone, be­nannt nach der gleichnamigen Küste am Golf von Salerno, südlich von Neapel. Angebaut werden diese Zitrusfrüchte heute nicht mehr nur in Kampanien, sondern auch in der noch südlicheren Provinz Kalabrien und auf Sizilien. Dass man sie auf dem Wochenmarkt am Karl-August-Platz kaufen kann, ist das Verdienst von Benedicta von Branca, die eigentlich aus München kommt, in Wien Malerei studierte, 1990 nach B ­ randenburg fand, fünf Jahre später den Zwölf-Hektar-

116

GARÇON


Marktnischen RUBRIKEN

Benedicta von Branca: „Wir sind italophil.“

Hof am Weinberge in Bornow bei Beeskow

no amalfitanische Zitronen, Cheri­­­moyas – so

Sizilien zum Zweiten. Zehn Stände von

übernahm und in Berlin wegen ihrer Leiden-

genannte Rahm-Zimt-Zuckeräpfel – Kohl-

Benedicta von Brancas sizilianischer

schaft für ein beliebtes Nachtschattenge-

rabi, Palmkohl, verschiedene Tomatensor-

Obst- und Gemüseofferte entfernt,

wächs als „Tomatenfrau“ bekannt wurde.

ten und anderes Gemüse nach Bornow, ohne

bie­ten Pietro Nicotra, Vincenco Cos­

Groß- und Zwischenhandel.

tanca und Georgia Coluccia neben si-

„Wir sind italophil“, sagt die ­53-jährige Demeterbäuerin. Den Plural benutzt sie aus

Von Benedicta von Brancas Hof auf den

zilianischen Feinkostprodukten auch

familiären Gründen – ihre Mutter stammt

Charlottenburger Markt ist es dann nur ein

dieses Olio Extra Vergine di Oliva an.

aus dem Schweizer Tessin, dessen Bevölke-

Katzensprung. Die Kunden jedenfalls freut's

Es stammt aus der kleinen Koope­

rung italienisch spricht, ihr Mann hat in Mo-

und die Bio-Gärtnerin erklärt gern, was es

rative Agrestis, die Pietros Eltern vor

dena studiert und sie selbst liebt das Land,

mit ihrem Italo-Angebot auf sich hat.

Jahren gründeten, wurde aus be-

wo die Zitronen blühen, seit ihrer Kindheit. Vor Jahren lernte Benedicta von Bran-

reits im September 2016 in HöhenlaWochenmarkt auf dem Karl-August-Platz

gen von über 600 Metern geernteten,

ca während eines Besuchs auf der ­größten

Berlin-Charlottenburg

also noch grünen Oliven der Sorte

Mittelmeerinsel am Ende Europas einen Bio-­

Mittwoch, 8.00 – 13.00 Uhr

Tonda Iblea gepresst und gehört zum

Bauern kennen, man wurde handel­s­­einig,

Samstag, 8.00 – 14.00 Uhr

Besten, was Süditalien an Olivenöl zu

und seitdem liefert Angelo Amore aus Pachi-

www.tomatenfrau.de

bieten hat. Selbst die überaus strengen und vor allem unbestechlichen Merum-Tes­ ter aus Lamporecchio um Jobst von Volckamer vergaben zwei von drei mög­lichen Herzen und damit das Prädikat „Olio molto buono“. Besonders stolz sind Pietro Nicotra und seine Mitstreiter – allesamt Studenten in Berlin – darauf, dass Slow Food Italia im Mai 2016 die nach­ haltig erzeugten Olivenöle individueller Kleinproduzenten in den Rang eines Presidios erhob und damit eine deutliche Grenze zwischen solchen Charakterölen und der industriellen Mas­senware zog. Siziliessen GbR

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keit beschreiben. Dabei stammen etliche der angeblich Urberliner Gerichte nicht mal aus Berlin – der sogenannte Stolze Heinrich zum Beispiel, eine Bratwurst, die in einer plörrigen Biersauce serviert wird. Wir wollen heute wissen, wo dieses Re­­ zept seinen Ursprung hat.

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