MISE EN PLACE
Liebe Freunde, Ende März prophezeite Starkoch Tim Raue für sich und seine Branche den worst case: „Corona wird unser kulinarisches Leben in Schutt und Asche legen.“ Mal abgesehen von der martialischen Wortwahl, mit der ich in diesem Zusammenhang nichts anfangen kann, schien Raues Vorhersage damals so falsch nicht zu sein. Ganz so schlimm ist es – Bund und Land sei Dank – zum Glück nicht gekommen.
Toshu Nakamura, 36, mit zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichneter Küchenchef – hier bei einem kulinarischen Workshop 2018 in Berlin (auf unserem Bild links).
Trotzdem mussten inzwischen die ersten Restaurants schließen. Die prominentesten Opfer in Berlin sind das Cell in der Uhlandstraße in Wilmersdorf, das mit dem neuen Küchenchef Liam Fagotter gerade wieder auf Kurs schien, Sarah Wieners Gastronomie- und Cateringbetriebe sowie Cynthia Barcomis Deli in den Sophie-Gips-Höfen in Mitte. „Es hätte keinen Sinn gemacht, mit einem Kredit die fehlenden Umsätze zu finanzieren“, so die Unternehmerin, „das hätte ich nicht überlebt.“ In Hamburg strich das erst 2017 eröffnete Izakaya die Segel, und in München schließlich kam es ganz dicke. Hier verschwand mit dem Schwabinger Werneckhof by Geisel – Küchenchef Toshu Nakamura war noch Ende 2019 zum „Koch des Jahres“ gekürt worden – eins der besten deutschen Restaurants von der kulinarischen Landkarte. Und wenn man Branchenkennern glaubt, ist das noch längst nicht das Ende. „Der Überlebenskampf hat gerade erst begonnen, und er wird noch weitere Opfer fordern“, sagte uns kürzlich der Berliner Küchenchef Thomas Vetter. Damit es vielleicht doch nicht so hart kommt, sollten wir – die Gäste – den Gastronomen unsere Solidarität zeigen. „Das Restaurant ist ein Ort, an den man geht, um seinen Gaumen, sein soziales Gebilde wieder aufzufrischen“, so Tim Raue, „ein Ort, an dem im besten Fall humanitäres Miteinander zelebriert wird.“ Ich finde, er hat Recht, also sollten wir das auch tun. Gehen wir essen!
Eure Yvonne Weinlich info@bildart-verlag.de
INHALT MISE EN PLACE TITEL Kochen mit Jaja
Einem Berliner Kleinverlag in die Töpfe geguckt
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06
Lowkal: Nische mit Zukunft.
Kochen mit Jaja: Einem Berliner Kleinverlag in die Töpfe geguckt.
GESCHMACKSSACHEN
LOKALTERMIN
Zimtschnecke Royal
Der Neustart — und nun? 23
Loblied auf eine Spezialität
Sieben Berliner Gastronomen
Coco & Co.
über den Stand der Dinge
Anaïs Causse empfiehlt:
Die Speisekammer eines Spitzenkochs
36
Nihon Mono:
Kostproben 62
Cucina Napolitana im Schillerkiez
Lowkal 44
KOPFSALAT
Nische mit Zukunft
Erika Kaneko
serviert im Rutz Zollhaus
4
GARÇON
48
60
Katsushi Oochi — Der japanische Gegenbauer
LimaLima 38
Ceviche vom Müritzsaibling,
58
Crema di Nocciola
Hoteldirektorin Verena Jaeschke im Interview
Berliner Teller
55
Probiert in der Patisserie Gil Avnon
Otto 32
Berlin Food Kollektiv
52
64
Rawfood-Meisterin und Kalligrafin
32
Otto: Speisekammer eines Spitzenkochs.
Wie geht's eigentlich...? Song R. Lee
70
FINDE DEINEN GIN
91
Punkte
48
BAR- & SPIRITS GUIDE
Berliner Teller: Serviert im Rutz Zollhaus.
Dieter Fuhrmann (1940-2020)
72
Zum Gedenken
KULINARISCHE EXKURSION Unterwegs in Brandenburg
75
Kremmen Schwante Sommerswalde
75
Unterwegs in Brandenburg: Kremmen, Schwante, Sommerswalde.
64
Erika Kaneko: Rawfood-Meisterin und Kalligrafin.
RUBRIKEN Berliner Marktnischen 102 Stadtfarm-Angebote im Landschaftspark Herzberge
Kulinarische Nachlese
104
In alten Kochbüchern geblättert
BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten
106
Hofläden in Brandenburg Der Weinlobbyist
Garcon-Quiz 110 Impressum 110
GARÇON
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TITEL Kochen mit Jaja
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GARÇON
Kochen mit Jaja TITEL
Kochen mit Jaja EINEM BERLINER KLEINVERLAG IN DIE TÖPFE GEGUCKT VON JÖRG TEUSCHER „Streng genommen hat nur eine Sorte Bücher das Glück der Erde ver-
nichts, was es noch nicht gibt. Oder fast nichts, denn noch hal-
mehrt: die Kochbücher.“ Der Satz stammt von dem englischen Schrift-
ten sich die meisten Food-Blogger und Restaurant-Tester beim
steller Joseph Conrad (1857-1924). Ob Conrad auch so noch dächte
Kochbuchschreiben vornehm zurück, obwohl ihre kulinarische
und schriebe, wenn er den aktuellen Kochbuchmarkt kennen würde?
Kompetenz sie dazu nachgerade prädestinieren würde, etwa die
Allein in Deutschland erscheinen jedes Jahr um die 1.900 neue
Lieblingsrezepte ihrer Lieblingsköche zu publizieren.
Kochbuchtitel oder – wie die Branche es formuliert – „Print-Novitä-
Aber vielleicht haben sie auch den Altmeister Wolfram Sie-
ten in der Warengruppe Essen und Trinken“. Viele davon kann man
beck (1928-2016) gelesen, der seinerZEIT urteilte, dass es bei
durchblättern, ohne auch nur ein einziges Mal hängen zu bleiben.
Kochbüchern mittlerweile völlig egal sei, welche Art von Rezep-
Sie sind weder sorgfältig zubereitet noch machen sie Appetit, und
ten sie enthielten. „Jedes Gericht“, so Siebeck, „ist inzwischen
von kulinarischer Verführung kann erst recht keine Rede sein.
schon zigfach beschrieben worden. Deshalb lohnen sich nur
Rund ein Dutzend spezialisierter Großverlage von Dorling Kindersley bis Gräfe und Unzer dominieren den deutschen Kochbuchmarkt,
noch Kochbücher, die hübsch anzusehen oder auf eine kurzweilige Weise geschrieben sind.“
der seit einigen Jahren aufgeht wie ein an der Heizung vergesse-
Der Berliner Kleinverlag Jaja gibt solche Kochbücher heraus.
ner Hefeteig: Länderküche, Regionalküche, schnelle Küche, leichte
Sie liefern dem Leser einen Mehrwert, indem sie Wissen vermit-
Küche, Gemüseküche, Fleischküche, Fischküche, vegetarische Kü-
teln, Geschichten erzählen, die Kochlust fördern und die kuli-
che, vegane Küche, Alltagsküche, Diätküche, Sterneküche, dazu die
narische Intelligenz des Genussinteressierten auf neue Höhen
jährlichen Pflichtbücher der Fernsehköche und ihrer Ghostwriter –
bringen. Ja, und hübsch anzusehen sind sie allemal.
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TITEL Kochen mit Jaja
Sonnenallee, Reuterstraße, Tellstraße. Die Bäckerei Sultan serviert zum Frühstück Sucuklu Yumurta, Knoblauchwurst mit Ei; der Salon Farhat bietet Haarschnitt und Bartrasur für 13 Euro; es gibt Copy- und Shisha-Shops, das Ramen House Men Men, die Arethusa-SchnitzelWelt und das Schwabylon: Stark und groß durch Spätzle mit Soß`. Hier, wo Neukölln am neuköllnischsten ist, hat der Jaja-Verlag seinen Sitz. Drei Sandsteinskulpturen zwischen den Fenstern der ersten Etage zieren das Mietshaus Tellstraße 2 – Göttinnen der schönen Künste des Altertums. Welche der neun Musen die Gründerzeitbaumeister dort oben aufstellten, blieb uns allerdings ein Rätsel. Genauso ging es Annette Köhn als sie 2006 im Haus eine Ateliergemeinschaft gründete. Dennoch nannte sie den künstlerischen Ort Musenstube. Die 44-jährige Fränkin stammt aus Erlangen, kam 1999 nach Berlin, studierte an der Hochschule der Künste in Weißensee KommunikatiVerlegerin Annette Köhn.
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GARÇON
onsdesign. Ihre Liebe galt schon damals dem Comic.
Kochen mit Jaja TITEL
Ihren 2011 gegründeten Jaja-Verlag, auch heute noch eine One-
von rund einer halben Milliarde Euro. Und da war auch das Ausschrei-
Woman-Company und ein Wagnis mit ungewissem Ausgang, sieht
bungsende für die Teilnahme am renommierten Comicbuchpreis
sie in erster Linie als Comic-Verlag. „Ich bewege mich haarscharf
2021 der Berthold Leibinger Stiftung im baden-württembergischen
an den Kanten und gleichzeitig im Spannungsfeld von Comic und
Ditzingen. Annette Köhn hat dafür einen Comic gezeichnet, eine
Illustration“, so die Verlagschefin, „beides Bereiche, deren Wirt-
Art Einblick in ihre Arbeit – vor Corona und ein halbes Jahr später,
schaftlichkeit nicht gerade auf festen Füßen steht, und mit der
nachdem sich alles verändert hatte…
Anerkennung könnte es auch besser bestellt sein, vor allem im
Wir stießen auf Annette Köhn und den Jaja-Verlag wegen seiner
Literaturbetrieb. Aber es ist auch gut, dass es Kanten und Ecken
Kochbücher, die universal stimulierend sind und Appetit aufs Leben
gibt und wir uns hier noch Boden erkämpfen können.“
machen. Und auf viele Sachen, die man noch kochen könnte.
Übrigens: Die Musenstube hat inzwischen „ausgestubt“, Annette Köhn wird künftig die Räume in der Neuköllner Tellstraße nur noch
JAJA VERLAG
als Verlagsbüro und -shop nutzen. Ein neues Schild sollte eigentlich längst über der Tür hängen, aber da war Corona mit den vielen Folgen. Buchmessen, Literaturfestivals, Lesungen wurden abgesagt, die wochenlange Schließung der Buchhandlungen bescherte den deutschen Verlagen – großen wie kleinen – einen Umsatzeinbruch
Tellstraße 2 12045 Berlin-Neukölln Tel. 030 - 22 68 71 87 www.jajaverlag.com
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TITEL Kochen mit Jaja
Dienstag, 5. Mai 2020 Anni von Bergen lebt seit einem Jahr in Hamburg. Wir verabreden uns telefonisch. Der Termin ist kein Problem, aber der Ort. Auch in der Hansestadt sind die Cafés und Restaurants Anfang Mai noch geschlossen. Anni von Bergen schlägt den Jungfernstieg vor.
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Kochen mit Jaja TITEL
beit als Illustratorin und Dozentin. Im September 2019 dann Hamburg. „Die Stadt hat viel zu bieten, der Austausch mit Kollegen ist hier besser als in Berlin, und ich kann in Hamburg meinen Master machen“, so Anni von Bergen. „Lassen Sie uns über Ihr Buch sprechen.“ „Über welches?“ Dezenter Hinweis darauf, dass „A Sauerkraut´s Kitchen“ – über den Titel wird noch zu reden sein – nicht das erste Buch der 31-Jährigen ist. Bereits 2017 illustrierte sie ein Opernbuch – Don Giovanni von Lorenzo da Ponte, Musik Wolfgang Amadeus Mozart. „Anni von Bergen setzt die in der Oper gesungenen Emotionen mit ihren dramatischen und expressiven Zeichnungen gekonnt in Szene“, lobte die Kritik. Ihr Kochbuch-Erstling ist eher weniger schwere Kost. Wobei: Für Leute ihrer Generation dürften Arme Ritter, Kalter Hund oder Leipziger Allerlei ebenso Bücher mit sieben Siegeln sein wie die Arien des Don Giovanni oder der Donna Elvira. Anni von Bergen nickt Der frühe Intercity Express, 5.19 Uhr ab Berlin-Südkreuz, 7.25 Uhr an Hamburg Hautbahnhof, ist normalerweise gut gebucht. Vor allem Geschäftsleute und Tagestouristen lieben die schnelle Verbindung in die Hansestadt. Im Coronamonat Mai erkennt man die Schieflage der Dinge vor allem daran, wie wenige Fahrgäste den ICE 608 nutzen. Ich zähle zwölf Passagiere auf dem langen Südkreuz-Bahnsteig. „Mask have?“, fragt mich ein junger Mann beim Einsteigen. Ich weiß es nicht, bejahe aber vorsichtshalber, und dann sitzen wir beide, bemaskt und meterweit entfernt, mutterseelenallein im Wagen Nummer 7 und rauschen Richtung Hamburg. Der erste Eindruck auch dort: Leere. Nur wenige Passanten in der Mönckebergstraße, auch auf dem Rathausmarkt, selbst an regnerischen Tagen pickepackevoll, nur wenige Menschen. Und am Jungfernstieg schließlich kann ich mir die Bank aussuchen, auf der ich auf Anni von Bergen warte. Der Alsterpavillon ist geschlossen,
bestätigend. „Wir sind viel gereist“, erklärt sie, „wir wissen, wie Korea kocht und Peru isst, kennen Bibimbap und Dulce de leche, die Verbindung zur heimatlichen Küche ist uns aber verloren gegangen.“ Diese Erkenntnis und eine kindheitgeprägte Leidenschaft fürs Kochen ließen bei der 31-Jährigen die Idee einer „zeichnerischen Entdeckungsreise durch Deutschlands Küchen“ reifen — so übrigens auch der Untertitel ihres Kochbuches. Die meisten Verlage, denen Anni von Bergen ihr Konzept vorstellte, reagierten skeptisch — erst bei Jaja war sie an der richtigen Adresse. Ein Jahr lang zog sie kreuz und quer durch deutsche Lande, besuchte Gasthöfe und Wirtshäuser, interviewte Fremde und Freunde, sammelte Rezepte. „Eine kulinarische Identitätssuche“, nennt sie diese Zeit heute. Probekochen, Testessen, mehr Lob als Kritik. Den Buchtitel schließlich liefern Bekannte aus England — für sie ist deutsche Küche eben A SAUERKRAUT´S KITCHEN. www.annivonbergen.com
die Alsterdampfer sind am Schiffsanleger festgemacht, Enten und Möwen haben die Binnenalster für sich. Anni von Bergen lebt seit knapp einem Jahr im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg, Europas größter bewohnter Flussinsel, früher für gut situierte Hanseaten eine hässliche No-go-Area – heute ein hipper Multikulti-Bezirk. Anni von Bergen könnte mit der S-Bahn zum Jungfernstieg fahren, aber sie nimmt für die zehn Kilometer lieber ihr Rennrad. „Ist bequemer“, kommentiert sie locker, „und nützt der Gesundheit.“ Trotz des blauen Himmels weht ein kalter Wind über die Binnenalster, nicht unbedingt die angenehmste Interviewsituation. Gegen Zehn öffnet eine Starbucks-Filiale am Neuen Jungfernstieg, immerhin. Der sündhaft teure Na-ja-Kaffee ist wenigstens heiß. Anni von Bergen, Jahrgang 1989, stammt aus Kamen, einer Stadt am Rande des Ruhrpotts, und studierte in Münster Visuelle Kommunikation. Bachelorabschluss 2016, Umzug nach Berlin, Ar-
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TITEL Kochen mit Jaja
64 Rezepte aus 16 Bundesländern bestanden die Auf-
BERLIN
nahmeprüfung – Rezepte, die es so oder oder so ähnlich natürlich auch in anderen Kochbüchern gibt. Was „A Sauerkraut´s Kitchen“ zu etwas Besonderem macht, sind die Illustrationen von Anni von Bergen – farbenBERLINER, BZW. OSTPREUSSISCHE SPEZIALITÄT. DER NAME SETZT SICH ZUSAMMEN AUS DEM URSPRÜNGLICHEN NAMEN „KÖNIGSBERG“ FÜR KALININGRAD UND DEM OSTPREUSSISCHEN „KLOPS“ FÜR „KLEINER KLOSS“.
FÜR 4 PERSONEN
FÜR DIE BÄLLCHEN
500 g Rinderhackfleisch 1 Brötchen vom Vortag 1 Tasse Milch, lauwarm 2 Schalotten 3 Eier (M) 4 Sardellenfilets 50 g Butter 10 Kapern Biozitronenschale, gerieben 2 Lorbeerblätter 1 Prise Rohrohrzucker Salz und Pfeffer aus der Mühle Muskatnuss, gerieben
KARTOFFELN UND SOSSE
1 kg Kartoffeln 2 Eier (M) 100 ml Sahne Zitronensaft Fleischbrühe 1 Glas Weißwein 3 EL Weizenmehl, Type 405 glatte Petersilie
ZEITAUFWAND
ca. 40 Minuten
1| Das Brötchen würfeln und mit warmer Milch bedecken. Das Hackfleisch in eine Schüssel geben. Schalotten häuten und fein würfeln. Sardellenfilets klein schneiden. Fleisch, Eier, Zitronenschale zum Fleisch geben. Hände mit Wasser befeuchten und alles vermengen. Mit Pfeffer und Salz würzen. Kleine Fleischbällchen rollen. 2| Geschälte Kartoffeln in einem Topf mit leicht gesalzenem Wasser zum Kochen bringen und gar kochen. 3| In einem großen Topf ca. zwei Liter Fleischbrühe zum Kochen bringen, Lorbeer und etwas Zitronensaft hinzugeben. Die Klopse hineinlegen, sodass sie mit Flüssigkeit bedeckt sind. 15 Minuten bei wenig Hitze gar ziehen lassen.
4| Anschließend die Fleischklopse mit einem Schaumlöffel aus dem Topf nehmen und auf einem Teller mit Alufolie warm halten. Etwa 2 Finger breit Brühe im Topf behalten. 5| Die Oberfläche mit Mehl bestäuben. Den Deckel 20 Sekunden auf den Topf legen. Anschließend rühren und mit Weißwein und Sahne verfeinern. Den Topf vom Herd nehmen und die Eigelbe schnell in die Soße rühren. Am Ende die Kapern und etwas Zitronensaft hinzugeben. Mit Pfeffer und Salz abschmecken. Die Kartoffeln aus dem Wasser nehmen und auf einem Teller mit Klopsen und Soße anrichten. Mit etwas gehackter Petersilie bestreuen.
SCHWIERIGKEITSGRAD Normal
FLEISCH
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Anni von Bergen, geboren 1989, gehört zu einer Altersgruppe, die Soziologen als Generation Y bezeichnen. Y gesprochen wie why, warum. Es ist eine Generation, die es buchstäblich wissen will, die mit dem Internet groß geworden ist, die Welt kennt und kulinarisch auf der kosmopolitischen Welle surft. Dennoch ein Buch über Bremer Klaben, Königsberger Klopse, Schwarzwälder Kirschtorte, Pfefferpotthast, Rinderrouladen und Sauerbraten, Frau von Bergen? „Vor allem im Ausland, aber auch von ausländischen Freunden in Berlin wurde ich oft gefragt, was typische deutsche Küche ist, was uns kulinarisch beglückt und was beleidigt. What we love to eat at home.“ Die Antworten, die Anni von Bergen auf ihre kulinarische Suchanzeige bekommt, sind durchaus sympathisch.
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frohe Einladungen zum Essen und an typische Orte, denen die Künstlerin ihre Aufwartung machte: den Altonaer Fischmarkt und den Viktualienmarkt in München, die Lüneburger Heide und die Bodenseeinsel Reichenau, die Eltzer Mühle in Uetze und den Reinickendorfer Flughafensee. Mal arbeitet sie mit kräftigem Pastell, mal mit filigranem Bleistift, oft überbordend, fast wild, immer aber ausdrucksstark, eindringlich, sinnlich. Nein, es müssen nicht immer die mittels Photoshop aufgemotzten Hochglanzfotografien sein, möglicherweise sind solche Illustrationen sogar viel intensiver.Individueller sind sie auf jeden Fall.
Kochen mit Jaja TITEL
„Es ist gut, dass solche Kochbücher noch verlegt werden und auch
eine steigende Zahl von Zufallsgästen feiern Eilhoffs deutsche Re-
ihre Leser finden“, sagt Michael Eilhoff, „zeigt es doch, dass die
gionalküche, die schlüssigen Kombinationen seiner Gerichte, die
deutsche Küche nicht tot ist, obwohl sie schon dutzendmal beer-
klare Würzung, die perfekten Garzeiten, eben das ganze Konzept.
digt wurde.“
Und obwohl die meisten Berufsesser auf der Suche nach dem
Sein Restaurant „Lutter & Wegner seit 1811“, das übrigens nicht
nächsten Kick das Restaurant mit dem gemütlichen Dunkelholz-
zum allgegenwärtigen Laggner-Imperium gehört, ist der äußerst le-
Ambiente links liegen lassen, hat es sich längst herumgesprochen:
bendige Beweis dafür. Seit 1995 steht Eilhoff hier am Herd, seine
Wer in Berlin unprätentiös speisen möchte, in zuverlässiger Qua-
Souschefin Cindy Menz ist seit 10 Jahren dabei. „Ich halte Kontinui-
lität und ohne pseudo-kreatives Chichi, der kommt am „Lutter &
tät und Konstanz durchaus für große Tugenden, auch in der Gastro-
Wegner seit 1811“ nicht vorbei.
nomie“, so Michael Eilhoff. Das Auffälligste an dem 62-jährigen Sauerländer ist seine Unauf-
LUTTER & WEGNER
fälligkeit, das Aufregendste seine Unaufgeregtheit. Und dementsprechend kocht er auch – handwerklich blitzsauber, schnörkellos und geschmacksintensiv. Ob Königsberger Klopse, Schwäbische Maultaschen oder Wiener Schnitzel, ob Blutwurst mit SchalottenSenfsauce oder Zander mit Blattspinat – viele Stamm-, aber auch
Schlüterstraße 55 10629 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 881 34 40 www.restaurantlutterundwegner.de
Inhaber und Küchenchef Michael Eilhoff.
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TITEL Kochen mit Jaja
Mittwoch, 20. Mai 2020 Auch in Berlin verbieten die Corona-Bestimmungen viele Treffpunkte. Anne Wenkel und Ivette Pérez de Wenkel haben gute Beziehungen und so öffnet Fernando Bolanos für unser Interview ausnahmsweise seine Mezcal-Bar in der Friedrichshainer Scharnweberstraße. Das Ambiente passt perfekt zum Gegenstand unseres Gesprächs und auch der Juquila-Kaffee ist total authentisch.
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Kochen mit Jaja TITEL
Weil Kunst und Kulinarik Schwestern sind, lag die Idee eines gemeinsamen Kochbuches der beiden Schwägerinnen auf der Hand. „Das Buch ist ein persönliches Andenken an meine Heimat Mexiko mit Rezepten, die in meiner Familie von Generation zu Generation überliefert wurden, und es ist gleichermaßen an meine deutsche Familie adressiert, der ich mit ‚Taco Tales‘ erklären wollte, wer ich bin, woher ich komme, was mir meine Heimat bedeutet“, so Ivette Pérez de Wenkel. Und Anne Wenkel fügt hinzu: „Für mich war es sowohl ein spannendes Projekt als auch eine Liebeserklärung an Mexiko, seine Menschen und deren kulinarische Gebräuche.“ „Die mexikanische Küche ist wie ein Labyrinth“, schreibt die berühmte Küchenchefin Margarita Carrillo Arronte, Restaurantbetreiberin in Mexiko City, TV-Köchin und Dozentin am renommierten Culinary Institute of America. Und tatsächlich gibt es Gerichte wie Tacos und Tamales in schier unzähligen Variationen. Tortillas – Fladenbrote, die seit Urzeiten das Aushängeschild der mexikanischen Küche sind Corona, das ist leider eine unumstößliche Wahrheit, trifft die Gastronomie besonders hart. Bisher prominentester Beleg: Die 57-jährige deutsch-österreichische Unternehmerin, Autorin und Politikerin Sarah Wiener. Am vorletzten Juli-Donnerstag gab sie auf ihrer Facebook-Seite bekannt, dass sie für ihre Berliner Restaurants und den Sarah-Wiener-Catering-Service Insolvenz anmelden musste. Keine deutsche Zeitung, die nicht darüber berichtete. Andere, weniger bekannte Gastronomien, sterben leiser... Ob es die kleine Mezcal-Bar, die Fernando Bolanos und seine Partnerin Fernanda Sueldo vor vier Jahren im Friedrichshainer Kiez eröffneten, noch gibt, wenn dieses Heft erscheint, das wissen wir nicht. Es wäre jedenfalls sehr schade um diesen authentischen, stimmungsvollen Ort, den Anne Wenkel und Ivette Pérez de Wenkel für unser Gespräch ausgesucht haben. Die beiden Frauen sind Schwägerinnen. Ivette, 50, stammt aus Mexico City, wuchs in einer Medizinerfamilie auf – Vater Arzt, Mutter
– werden auf hunderte verschiedene Arten verwendet. Und Chilis schließlich, das Lieblingsgewürz der Mexikaner und die vielleicht berühmteste Zutat in den Küchen zwischen Baja California Norte und Chiapas im Süden gibt es in mehr als 60 Sorten, die nicht nur für Schärfe, sondern vor allem für Aroma in den diversen Gerichten sorgen. „Seit einigen Jahren entwickelt sich wieder verstärkt ein Gefühl dafür, zu unserem Erbe und unserer Vergangenheit zurückzuschauen und in einem Land, in dem sich die Menschen verletzt und verloren fühlen, unsere Traditionen zu bewahren. Wir sind auf der Suche nach uns selbst, nach ein wenig Frieden und Kraft in unserer Identität als Mexikaner“, schreibt Ivette Pérez de Wenkel am Ende ihres Kapitels über den „Dia de Muertos“, den Tag der Toten, der in ihrer Heimat alljährlich am zweiten November gefeiert wird – eine prähispanische Tradition zu Ehren der Verstorbenen. Starke Worte einer beeindruckenden Frau. www.annewenkel.com
Krankenschwester – studierte an der Universidad Ibero Americana von Tijuana Medienwissenschaften, arbeitete beim Fernsehen, in der Werbung und sechs Jahre lang für die mexikanische Botschaft in London. Dort lernte sie Lars Wenkel kennen, Architekt aus Berlin und Annes Bruder. Übersiedlung in die deutsche Hauptstadt 2010, Hochzeit. Ivette Pérez de Wenkel gründete die Taco-Tales-Unternehmung, bietet Caterings an, veranstaltet Kochevents und vermittelt in kulinarischen Kursen Wissenswertes über Zutaten und Zubereitungen einer Küche, in der sich indigene und spanische Aromen vereinen und deren regionale Vielfalt die UNESCO veranlasste, die traditionelle mexikanische Küche als immaterielles Weltkulturerbe anzuerkennen. Anne Wenkel, Jahrgang 1983, ist Berlinerin, studierte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ihrer Heimatstadt Kommunikationsdesign, reiste für ihre Diplomarbeit kreuz und quer durch Westafrika und gestaltete ein afrikanisches Märchenbuch. Nach erfolgreichem Abschluss entschied sie sich, fortan als Illustratorin zu arbeiten.
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TITEL Kochen mit Jaja
Gleichzeitig punktet Taco Tales mit den farbenfrohen Paper-Cuts von Anne Wenkel und den atmosphärischen Reportagefotos von Andreas Kannengießer. Dabei bebildern die beiden Künstler nicht einfach Rezept- und Kommentartexte, sondern heben sie in eine neue emotionale Situation. Mexiko, wie es ist und isst – appetitanregend, bunt und fröhlich und immer auch ein bisschen melancholisch. Schlussendlich ist der Band auch Geschichtsbuch und Reiseführer. So könnte man sich für ferne Nach-Corona-Zeiten die Tour über die Halbinsel Baja California im Norden Mexikos vormerken... Übrigens: Taco Tales, die lesens- und ansehenswerten Rezeptgeschichten von Ivette Pérez de Wenkel und Anne Wenkel, wurden 2019 mit dem Gourmand World Cookbook Award geehrt!
Sicher gibt es rezeptreichere mexikanische Kochbücher als Taco Tales – etwa den 700-Seiten-Mexiko-Wälzer von Edel Germany – eins allerdings bieten sie alle nicht: Storytelling. Wie die Prise Salz im Tortillateig sind es die persönlichen Geschichten von Ivette Pérez de Wenkel, die diesem Buch eine besondere Würze geben. Beispielsweise, wenn sie über ihre Kindheitserinnerungen an den Straßenmarkt von Villa Coapa in der Megametropole Mexico City berichtet – noch heute ein perfekter Ort, um wirklich traditionelles mexikanisches Essen zu finden. Oder, wenn sie ihre Guacamole-Geheimnisse preisgibt. „Eine meiner Lieblingsspeisen“, verrät Ivette Pérez de Wenkel, „die mir immer ein Gefühl von Heimat, aber auch von Kraft und Halt gibt.“
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Kochen mit Jaja TITEL
Während Mexiko-Stadt in den letzten Jahren neben Lima zum kulina-
das Haus an der Fulhamer Allee eine Baustelle, von Mexiko keine
rischen Hauptreiseziel Lateinamerikas avancierte und mexikanische
Spur mehr. Vergangen, vergessen, vorüber.
Cuisiniers die Wiederentdeckung der indigenen Küche von Mayas,
Anders das La Lucha am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg – das Re-
Azteken, Zapoteken und Mixteken feiern, ist die Gastronomia de
staurant mit der einladenden Terrasse und dem typisch lateinameri-
Mexico hierzulande dabei – von wenigen Ausnahmen mal abgesehen
kanischen Farb- und Materialmix gilt als Leuchtturm im Meer der me-
– still und leise im Folkloristischen auszulaufen. „Um eine ferne
xikanischen Gastronomie-Tristesse in Berlin. Hier treffen traditionelle
Küchenrichtung blühen zu lassen, reicht es auf Dauer nicht aus,
Gerichte und klassische Cocktails auf zeitgenössische Interpretatio-
dass sie von ordentlichen Köchen ordentlich zubereitet wird“,
nen mexikanischer Genusswelten, lediglich solche Spezialitäten der
schreibt Berlins kompetentester Gastro-Autor Bernd Matthies in
prähispanischen Küche wie Chapulines oder Chicatanes fehlen noch…
diesem Zusammenhang, „sondern sie muss vielmehr ihre Elemente mit jenen anderer Küchenrichtungen verbinden, und die Köche müs-
LA LUCHA
sen sich in sich weiterentwickeln, um nicht von der nächsten Modewelle überholt zu werden.“ Unsere Bilder auf dieser Seite belegen den Trend. Das „Mexico“ im Neuköllner Ortsteil Britz (Bild oben) beispielsweise punktete einst mit respektabler Tex-Mex-Küche und passablen Cocktails. Heute ist
Paul-Lincke-Ufer 39-41 10999 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 - 55 20 09 14 www.laluchaberlin.com
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TITEL Kochen mit Jaja
Donnerstag, 4. Juni 2020 „Es ist aber nicht aufgeräumt“, fügt Jenny Boidol dem Vorschlag hinzu, unser Gespräch in ihrem Atelier zu führen: Berlin-Neukölln, Wissmannstraße 21. Das Atelier ist Werkstatt und Laden zugleich und natürlich herrscht überall penible Ordnung.
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Kochen mit Jaja TITEL
2012 startete Jenny Boidol in die Selbstständigkeit, 25 ist sie da. Auf ihrer Internetseite schreibt sie: „Ich denke mir liebevolle, nachhaltige Papierwaren aus und entwerfe auch gern Logos, Hochzeitspapeterie und vieles mehr.“ Ein freundliches Bärchen wird ihr Markenzeichen, aus alten Schulheften entstehen farbenfrohe Postkarten, es gibt Poster und Babybücher. „Ich bemale alles, was mir in die Finger kommt“, sagt sie. Im Regal steht eine Tasse − darauf, unverkennbar, das Konterfei der mexikanischen Malerin Frida Kahlo. Jenny Boidol bestätigt meinen fragenden Blick. „Ja, sowas.“ „Ein Jahr quer durchs Beet“ ist ihr Kochbuch-Erstling. Die Rezepte des 192-Seiten-Bandes stammen von Nicola „Nicky“ Kinghorn und Julia Hofmann, zwei jungen Frauen, die im Frankfurter Westend bis 2017 gemeinsam Matilda‘s Kitchen betrieben − dann wurde Nicola Kinghorn Mutter, stieg aus und Julia Hofmann führt seitdem den angesagten kulinarischen Ort allein. Den dringenden Wunsch nach einem eigenen Kochbuch hatten die beiden koch- und backverliebten Seiteneinsteigerinnen ins gasBerlin-Neukölln, Wissmanstraße 21. Das schmucklose gegendtypi-
tronomische Geschäft bereits im Sommer 2015. Sie schrieben ihre
sche Neuköllner Mietshaus hat vor einiger Zeit ein bisschen Farbe
Rezepte auf, fanden mit Gerhard Weber einen Fotografen, der ihre
gesehen und wirkt dadurch weniger trist als seine Umgebung. Eine
Gerichte so ins Bild setzte, dass sie Appetit machen und auch noch
schmale Ladentür, ein kunterbunt dekoriertes Schaufenster. Dazwi-
ein paar intensive Impressionen aus Matildaʼs Kitchen beisteuerte.
schen eine Fahne: Bär von Pappe − Atelier und Shop.
Eigentlich hätte das schon gereicht, um den Nutzer vor dem Verhun-
Jenny Boidol begrüßt − coronabedingt − mit Handzeichen und
gern oder dem nächsten Treffen mit einem echauffierten Lieferando-
auf die Frage, ob ihr Nachname deutsch oder französisch ausge-
Boten zu bewahren. „Aber“, so Nicola Kinghorn und Julia Hofmann,
sprochen wird, lacht sie ihr breites, ansteckendes Lachen. „Hat mich
„irgendetwas fehlte uns.“
noch nie jemand gefragt, alle haben immer ‚Boidol‘ gesagt, Betonung
Und so geschah es, dass Jenny Boidol erst ins Gespräch und
auf der zweiten Silbe, daran habe ich mich gewöhnt. Aber eigentlich
dann ins Boot kam. Sie machte aus dem Rezeptbuch mit fotografi-
ist der Name hugenottischen Ursprungs.“ Also wähle ich die franzö-
schen Serviervorschlägen ein herrlich buntes Lieblingskochbuch und
sische Aussprache. Wieder dieses Lachen. „Bitte sagen Sie Jenny.“
schreckte auch nicht davor zurück, einigen der großformatigen Fotos
Sie hat einen kleinen Tisch aufgebaut, dazu zwei Sessel gestellt.
von Gerhard Weber fette Schriften zu verpassen. Das macht aus „Ein
Es gibt Kaffee, Tee, Mineralwasser, Kuchen. Gesten der Freundlich-
Jahr quer durchs Beet“ ein fast privates Küchen-Tagebuch. Chapeau!
keit, kleine Weltverbesserungen im Alltag.
www.baervonpappe.com
Überhaupt diese Freundlichkeit. In einer Zeit, in der wir dazu neigen, andere instrumentell zu behandeln und nur dann freundlich zu sein, wenn es uns nützt, eine schöne persönliche Tugend. Jenny Boidol wehrt ab: „Das ist meine Natur.“ Die 33-Jährige ist gebürtige Berlinerin, der das künstlerische Gestalten offenbar in die Wiege gelegt wurde. „Schon in der Kita war ich die, die immer am längsten gemalt, gebastelt und geklebt hat“, erzählt sie. Nach dem Abitur wollte sie eigentlich Kulturwissenschaften studieren, nach einem Praktikum in einer Berliner Werbeagentur entschied sie sich für einen anderen Weg. Bei Dussman in der Friedrichstraße absolvierte Jenny Boidol eine Ausbildung zur Mediengestalterin und schrieb sich dann an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ein, Fachrichtung Kommunikationsdesign. Abschluss wann? Sie lächelt ein wenig verlegen. „Abschluss nein.“ Für die junge Berlinerin kein Problem, eher für ihre Eltern. „Sie haben sich halt heftig Sorgen um meine Zukunft gemacht“, kommentiert sie rückblickend milde.
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TITEL Kochen mit Jaja
Corona, das dürfte sicher sein, hat diesen Trend beschleunigt. Immer mehr Konsumenten sind neugierig auf alternative pflanzliche Produkte, werden von Aspekten des Tierschutzes geleitet, sehen geschmackliche Vorteile oder werden von ökologischen Gründen angetrieben, ihr Ernährungsverhalten zu überprüfen. Wer es damit wirklich ernst meint, bekommt von „Ein Jahr quer durchs Beet“ beste Unterstützung. Die Rezepte des Kochbuches sind geradezu vorbildlich, was ihren Aufbau und die Erklärungen angeht. Hinzu kommt, dass sie unkompliziert sind und ohne Angeberzutaten auskommen, für deren Beschaffung man Ralf Bos kennen oder tagelange Recherchen in Kauf nehmen müsste. Nein, das ist ein Buch für ganz normale Hobbyköche (übrigens nicht nur junge, Zubereitungszeit: ca. 20 Minuten l Schwierig? Nein, man braucht nur einen starken Mixer 1 Dose (500g) Kichererbsen, abgetropft 100ml Rapsöl 1 Knoblauchzehe 1 Zitrone (Abrieb und Saft)
Kichererbsen, Zitronensaft, Öl und Knoblauch im Standmixer oder mit dem Pürierstab cremig pürieren. Zitronenabrieb, Tahin und Kreuzkümmel dazugeben und mit Salz und Zucker abschmecken.
1 EL Tahin 1 Prise Kreuzkümmel Salz/Zucker
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Mein Freund Uwe hat Flugzeugbau studiert, ist Ingenieur und liebt strukturiertes, algorithmisches Denken. Bei ihm hat alles einen Titel und eine dementsprechende Ordnung. „Ein Jahr quer durchs Beet“ steht in seinem Kochbuchregal in der Kategorie Junge-Leute-Kochbücher – wahrscheinlich, weil seine Töchter auf internationale vegetarisch-vegane Küche stehen. Das Rezeptverzeichnis des Bandes weist 75 Positionen aus, 71 davon sind vegetarisch oder vegan und reichen von Banana-Bread und Carrot-Cake über Erdnuss-Falafel, Graupen-Salat und Pfirsisch-Frangipani bis Spargel-Quiche und Zitronen-Hummus. Rezepte, die im Trend liegen, denn einer aktuellen Forsa-Studie zufolge essen nur noch 26 Prozent 14 der Deutschen täglich Fleisch oder Wurst. Rund 55 Prozent
aller Befragten verstehen sich als Reduzierer und Flexitarier.
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GARÇON
wie ich finde) mit ganz normaler Kochleidenschaft. Gut so!
Kochen mit Jaja TITEL
Omar Saad, 56, ist der kulinarische Kopf des Charlottenburger Cèd-
zulande über die Zubereitung von Königsberger Klopsen. Welche
re Blanc, das man getrost auch als Hommous-Paradies bezeichnen
Kichererbsensorte? Wieviel Tahini? Kreuzkümmel oder kein Kreuz-
könnte. Der gebürtige Libanese, der seit 1980 in Berlin lebt, ser-
kümmel? Knoblauch ja oder nein und wenn ja, wieviel?
viert in seinem Restaurant ein gutes Dutzend wirklich erstklassige
„Jedes Land im Nahen Osten, jede Region, jedes Restaurant, so-
Spezialitäten der orientalischen Küche – von Baba Ghannough bis
gar jede Familie schwört auf das eigene Hommous-Rezept – selbst
Loubié bi Zeit – sein Hommous allerdings bedarf eines anderen
die Frage, ob das Kichererbsenpüree von Arabern oder Juden er-
Attributs – „göttlich wäre passend“, meint mein Freund Uwe. Ich
funden wurde, ist ein ewiger Streit“, erklärt Omar Saad, der für ihn
stehe zwar nicht besonders auf den himmlischen Superlativ, aber
natürlich längst entschieden ist. „Entweder es stammt aus dem
wo Uwe Recht hat, da hat er Recht.
Libanon oder der liebe Gott hat es erfunden.“
Kein Wunder also, dass Omar Saad im Kochbuch „Ein Jahr quer durchs Beet“ zuerst das schnelle Zitronen-Hummus-Rezept stu-
CÈDRE BLANC
diert. Sein Urteil fällt milde aus: „Kann man machen.“ Der Berliner Hommous-König (er bevorzugt diese Schreibweise des aus dem Arabischen stammenden Wortes, das schlicht Kichererbse bedeutet) klärt uns auf, dass es im Nahen Osten über das gleichnamige Gericht ähnlich viele Diskussionen gibt wie hier-
Nehringstraße 34 14059 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 - 63 33 93 80 www.cedre-blanc.de
Cèdre-Blanc-Inhaber Omar Saad.
GARÇON
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Neustart im Mai: Eine Umfrage LOKALTERMIN
Neustart im Mai — und nun? GASTRONOMIE IM ZEICHEN DER CORONA-PANDEMIE: EINE UMFRAGE VON UWE AHRENS UND JÖRG TEUSCHER
GARÇON
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LOKALTERMIN Neustart im Mai: Eine Umfrage
Herbert Beltle, Inhaber Rôtisserie Weingrün Berlin-Mitte, 9. Juli 2020
Wie ist der Stand der Dinge, Herr Beltle?
hat sich der Umsatz bei uns gegenüber dem vergleichbaren
Meiner Familie und mir geht es gut, unsere Tochter hat die Zeit des
Vorjahresmonat mehr als halbiert. Und von Erholung kann noch
Lockdowns unbeschadet überstanden und sich gefreut, dass sie end-
längst keine Rede sein.
lich wieder zur Schule gehen kann, wenn auch nur eingeschränkt.
Das klingt nicht eben optimistisch, Herr Beltle.
Und wie ist die Situation in Ihrer RÔtisserie Weingrün?
Mag sein, aber das ist realistisch. Natürlich kommen seit Anfang
Wir haben den Neustart nach der Schließung so organisiert, wie
Juni, seit Touristen wieder in Berliner Hotels und Pensionen über-
es die amtlichen Vorgaben vorsahen: Gästeempfang, Handdesin-
nachten dürfen, auch mehr Gäste, aber wirtschaftlich zufrieden-
fektion, Gästeregistrierung, Abstandsregelung, Maskenpflicht für
stellend ist das alles in keiner Weise. Nicht nur bei mir übrigens,
die Servicemitarbeiter. Wir haben unsere Take-away-Offerten bei-
sondern das gilt für unsere gesamte Branche. Nehmen Sie nur mal
behalten, und als das Wetter es zuließ, Terrassenplätze angeboten,
eine Zahl: 2019 hat die Berliner Gastronomie rund 3,6 Milliarden
aber…
Euro Umsatz erwirtschaftet, und wenn es am Ende des Jahres mög-
Das klingt doch gut, wieso ‚aber’?
licherweise nur zwei Milliarden sind, dann ist das schon drama-
...aber es fehlten die Gäste und dementsprechend die Um-
tisch. Das lässt sich weder durch Kostenreduzierung einschließlich
sätze. Besonders negativ auf unser Geschäft hat sich der
Kurzarbeit noch durch Gewinnverzicht ausgleichen. Deshalb sage
beispiellose Zusammenbruch des Tourismus mit Beginn der
ich: Wenn es überhaupt nicht mehr geht, dann ist es eben so.
Corona-Krise Mitte März in Berlin ausgewirkt. Allein im März
www.rotisserie-weingruen.de
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GARÇON
Neustart im Mai: Eine Umfrage LOKALTERMIN
Harry Wolleschak, Inhaber und Gastgeber Restaurant Die Eselin von A. Berlin-Charlottenburg, 20. Juni 2020
Ihr Kollege Herbert Beltle klagt über fehlende Touristen, Herr
meinen Stammgästen und natürlich meiner Familie und dem ge-
Wolleschak. Wie ist die Situation bei Ihnen?
samten Team. Mein Bruder Ernesto ist als mein Partner sowieso
Genauso. Normalerweise kommen zur Ferienzeit täglich hunderte
an Bord, meine Schwester Caro, die eigentlich in Chania auf Kreta
Besucher ins Schloss Charlotenburg. Wir liegen ganz in der Nähe
lebt, hat monatelang im Service geholfen, ebenso meine Tochter
und partizipieren natürlich davon. Jetzt ist hier touristisch tote Hose,
Alexa. Sie arbeitet normalerweise als Tennistrainerin in Melbourne,
sehen Sie, wir hatten zum Beispiel letzte Woche lediglich drei aus-
darf aber derzeit nicht in Australien einreisen und spielt deshalb hier
ländische Gäste, das ist schon ein Schlag ins Kontor.
in der Eselin mit, ganz selbstverständlich. Und mein anderer Bruder
Und die Stammgäste?
Alex macht neben seinem eigentlichen Job bei mir den Haustechniker.
Die halten uns nach wie vor die Treue und kommen vor allen Dingen
Familiärer Zusammenhalt kann den Auswirkungen der Corona-
regelmäßig – nicht nur aus Charlottenburg, sondern auch aus Wann-
krise Paroli bieten…
see und Wilmersdorf. Ich sage immer: Nach Union Berlin hat die Ese-
Durchaus, familiärer Zusammenhalt und kollegiale Kooperation.
lin von A. die besten Fans.
Kollegiale Kooperation?
Also, lax gesagt, sie kriegen‘s gebacken – trotz Corona.
Ja, wir haben zum Beispiel unser Außer-Haus-Angebot in das vom
Zwischenruf eines Gastes am Nachbartisch: Wer den Berliner
Restaurant Bahadur initiierte App-Projekt eatAround Delivery ein-
Yachtclub überlebt hat, der überlebt auch Corona, oder Harry?
gebracht, andere Kollegen auch, sowas meine ich.
Kann man so sagen. Und noch einmal, das danke ich vor allem
www.dieeselin.de
GARÇON
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LOKALTERMIN Neustart im Mai: Eine Umfrage
David Monnie, Inhaber und Gastgeber Restaurant Christopher´s Berlin-Charlottenburg, 30. Mai 2020
Reden wir über das Accessoire schlechthin, Herr Monnie.
richte im Weckglas, etwa ein Chili-Eintopf, eine Käse-Lauch-Suppe
Sie meinen die Gesichtsmaske?
oder ein Rindergulasch mit Paprika und Pilzen.
Genau. Bei einigen Ihrer Kollegen ist sie Werbeträger, bei ande-
Wie lief der Neustart?
ren Fashion-Statement. Sie verzichten auf beides, weshalb?
Wir haben die Zahl der Plätze halbiert, innen wie außen, wir arbeiten
Wir haben für alle Servicemitarbeiter die so genannten FFP-3-Mas-
mit einer Minimal-Besetzung, es gibt Einweg-Speisekarten, Gäs-
ken angeschafft. Bei einem Stückpreis von rund 50 Euro war das in
telisten, über die Gesichtsmasken haben wir schon gesprochen.
diesen Zeiten schon eine erhebliche Investition, aber sie sind eben
Das ist nicht besonders prickelnd, aber eben notwendig. Trotzdem
der beste Schutz für uns und unsere Gäste, obwohl die Arbeit unter
waren wir am 15. Mai ausgebucht, vor allem Stammgäste kamen,
dieser Maske für uns schon eine Herausforderung darstellt.
auch um uns Mut zuzusprechen, damit wir durchhalten.
Das Christopher‘s gehörte zu den ersten Berliner Restaurants, die
Und wie stehen die Chancen?
Take-aways und Home-delivery anboten. Hat sich das gelohnt?
Fragen Sie mal die Glaskugel. Es wird davon abhängen, wie sich die
Wenn Sie den Umsatz meinen, sicher nicht, aber wir haben damit
Pandemie entwickelt, ob sich das Konsumverhalten der Menschen
zumindest erreicht, dass die Menschen rund um die Mommsen-
ändert, wann der Tourismus wieder auf die Beine kommt usw. Seit
straße gemerkt haben: Wir geben nicht klein bei und helfen, den
dem 25. Mai dürfen wieder Touristen in Berlin übernachten – allzu-
Kiez am Leben zu erhalten. Wir werden die Take-away-Offerten üb-
viel merken zumindest wir bisher aber nicht.
rigens beibehalten, ebenso wie unsere Grocery-Angebote, also Ge-
www.christophers.online
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GARÇON
Neustart im Mai: Eine Umfrage LOKALTERMIN
Oliver Reimann, Geschäftsführer Braugasthaus Dolden Mädel Berlin-Kreuzberg, 11. Juni 2020
Glücklich, dass es nun wieder losgegangen ist, Herr Reimann?
Nein, natürlich nicht. Im Mai und Juni 2020 liegen wir bei 35 bis 38
Glücklich? Ja, vielleicht. Vor allem aber bin ich dankbar.
Prozent des Vorjahresumsatzes. Das ist auch kein Wunder. Neh-
Wem?
men Sie zum Beispiel unseren Biergarten. Normalerweise ist hier
Ich bin unseren Mitarbeitern dankbar, die sich wahnsinnig ins Zeug
Platz für rund 220 Gäste, die Corona-Abstandsregeln reduzieren
legen, um auch unter den wirklich schwierigen Bedingungen gute
diese Zahl auf 75. Und auch die müssen erstmal kommen.
Gastgeber zu sein – und ich bin besonders unseren Stammgästen
Ihnen fehlen die Touristen?
für ihre Unterstützung in den vergangenen Monaten dankbar.
Ganz extrem. Im vorigen Jahr zum Beispiel hatten wir sehr viele
Welche Art von Unterstützung war das?
Gäste aus Japan, weil unser Braugasthaus in einigen japanischen
Wir haben gleich am 15. März damit begonnen, einen Außer-Haus-
Reiseführern als kulinarisches Berlin-Highlight erwähnt wird. Aber
Service zu organisieren. Wir wussten natürlich, dass wir damit
auch auf Gäste aus anderen Ländern werden wir vergeblich war-
keinen nennenswerten Umsatz machen würden, aber wir wollten
ten, zumal Großveranstaltungen wie das Bergmannstraßenfest in
zumindest Flagge zeigen – hallo, wir sind noch da. Viele unserer
diesem Jahr ausfallen.
Stammgäste haben das verstanden und zwei-, dreimal in der Wo-
Was erwarten Sie jetzt von der Politik?
che unsere Gerichte bestellt. Und auch nach dem Neustart kom-
Eine wirkliche Hilfe wäre die vollständige oder zumindest anteilige
men sie häufiger als früher.
Erstattung der Betriebskosten.
Das heißt, der Umsatz pegelt sich wieder ein?
www.doldenmaedel.de
GARÇON
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LOKALTERMIN Neustart im Mai: Eine Umfrage
Michael Mödig, Koch, Caterer, Markthändler Wochenmarkt am Karl-August-Platz Berlin-Charlottenburg, 13. Mai 2020
Hallo Herr Mödig, wie geht es Ihnen?
bekommen. Das hat für den Moment geholfen, konnte aber die Um-
Wenn Sie nach meiner Gesundheit fragen – gut, obwohl ich durch
satzeinbußen nicht ausgleichen. Zum Glück waren die Berliner Wo-
die Wochenmarkt-Tätigkeit sicher mehr soziale Kontakte habe als
chenmärkte von dem Corona-Lockdown nicht betroffen, deshalb
andere Menschen und mit meinen 65 Jahren auch zur sogenannten
habe ich mich um zusätzliche Standmöglichkeiten beworben. Das
Risikogruppe gehöre.
hat geklappt, und so backe ich meine Flammkuchen nicht mehr nur
Wie sind Sie bisher durch die Krisenzeit gekommen?
samstags, sondern auch mittwochs auf dem Karl-August-Platz.
Ich musste in meinem Leben schon einiges hinter mich bringen,
Zusätzlich stehe ich am Donnerstag auf dem Breslauer und am
aber diese letzten Monate haben doch das meiste in den Schatten
Freitag auf dem Rüdesheimer Platz. Außerdem habe ich das Ange-
gestellt. Als im März zwei Cateringfirmen, für die ich seit Jahren
bot um Pastéis de nata, eine portugiesische Blätterteigspezialität,
arbeite, keine Aufträge mehr hatten, war auch ich außen vor. Vorbei
erweitert.
war es ebenfalls mit meinem Aushilfsjob in der Kempinski-Küche,
Können Sie damit Ihre Verluste kompensieren?
und auch als Privatkoch hatte ich nichts mehr zu tun. Wenn du über
Nein, bei weitem nicht. Meine Umsatzeinbußen liegen bei 50 bis
Nacht dermaßen im Regen stehst, kommst du schon ins Grübeln.
60 Prozent, dementsprechend geringer ist auch mein Verdienst.
Mit welchem Ergebnis?
Fragen Sie mich jetzt bitte nicht, ob ich damit leben kann, ich bin
Wie alle anderen Solo-Selbstständigen habe ich Soforthilfe in
gerade dabei, es herauszufinden.
Höhe von 5.000 Euro beantragt und auch innerhalb einer Woche
www.pommboula.de
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GARÇON
Neustart im Mai: Eine Umfrage LOKALTERMIN
Kornelia Tonitz, Tortendesignerin Koni Tonitz Tortenatelier Berlin-Hellersdorf, 2. Juni 2020
Nicht mehr in Friedrichshain, Frau Tonitz?
Spontan-Aufträge sowieso nicht. Außerdem hatte ich Außenstän-
Nein, ich habe hier in Hellersdorf einen optimalen und bezahlbaren
de im vierstelligen Bereich, vor allem bei Firmen, bei denen es auch
Ort für mein Tortenatelier gefunden und bin deshalb im September
ums Überleben ging.
2019 umgezogen. Und es lief von Anfang an hervorragend – meine
Sind die jetzt wenigstens beglichen?
Backkurse waren bestens gebucht, es gab jede Menge Bestellun-
Gott sei Dank, ja. Aber ehrlich, wenn ich meinen Mann und meine
gen beispielsweise für Hochzeitstorten.
Eltern nicht gehabt hätte, ich hätte mein Unternehmen aufgeben
Dann kam Corona.
müssen. Es war wirklich hammerhart, und mir war tagelang nur noch
Am 25. Januar fand mein letzter Kurs statt, Thema Strudelbacken,
zum Heulen.
dann war Ende Gelände. 30 geplante Kurse danach musste ich ab-
Jetzt können Sie aber schon wieder lachen.
sagen, die meisten Hochzeiten wurden verschoben, also hatte es
So ein bisschen, richtig befreit noch nicht. Ich gebe wieder Back-
sich auch mit den Hochzeitstorten. Eigentlich ging nichts mehr.
kurse – online – als Workshopleiterin des Tempelhofer Online-
Und dann?
Portals Bake Night, die Interessenten direkt bei Bake Night oder
Das habe ich mich auch gefragt, nachdem die erste Schockstar-
auf meiner Internetseite buchen können. Der Ertrag ist zwar relativ
re vorüber war. Was nun? Wie weiter? Ich weiß nicht, ob Sie sich
gering, aber für mich ist das auch Marketing, damit ich nicht in Ver-
eine solche Situation vorstellen können – plötzlich ist das ganze
gessenheit gerate.
Geschäft auf Null. Keine Kurse, keine Märkte, keine Messen und
www.tortendesignerin.com
GARÇON
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LOKALTERMIN Neustart im Mai: Eine Umfrage
Thomas Vetter, Inhaber und Küchenchef Sardinen.Bar Berlin-Schöneberg, 26. Mai 2020
Seit dem 15. Mai empfängt ihre Sardinenbar wieder Gäste, ist das
Einbußen hinnehmen mussten. Kurzarbeit und damit weniger Geld
Schlimmste überstanden, Herr Vetter?
am Monatsende gab es nicht nur in der Gastronomie. Und wenn Kauf-
Schön wär´s, nein, der wirkliche Überlebenskampf beginnt jetzt.
kraft fehlt, dann merken wir Gastronomen das natürlich zuerst.
Ist die Situation tatsächlich so dramatisch?
Das heißt, optimistisch blicken Sie nicht in die Zukunft.
Leider ja, sehen Sie sich um. Ich muss die Zahl meiner Plätze von
Was wollen Sie jetzt hören? Ich stecke den Kopf jedenfalls nicht in
40 auf 19 reduzieren, eine Bar, die ich für acht Gäste gebaut hatte,
den Sand. Ich verzichte auf Investitionen, beispielsweise wäre in
kann ich nicht nutzen — wegen der Abstandsregelung. Und mit der
diesem Jahr eine neue Außenbestuhlung dran gewesen, darauf ver-
50-prozentigen Kapazität die 100-prozentigen Kosten decken, er-
zichte ich. Ich versuche, Vereinbarungen zu treffen, um Zahlungs-
klären Sie mir doch mal, wie das gehen soll. Nein, es wird sicher ein
ziele — Miete, Steuern, Energie — zu verlängern. Ich arbeite allein
heißer Herbst für uns Kiezgastronomen. Bei mir kommt erschwe-
und bemühe mich trotzdem, ein guter Gastgeber zu sein.
rend hinzu, dass ich erst im vierten Geschäftsjahr bin, Rücklagen
Und wie sehen Sie Ihre Chancen?
also absolute Mangelware sind.
Ich kämpfe und sage: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Genügend Gäste haben Sie aber schon?
Worauf hoffen Sie, Herr Vetter?
Ich lebe zu 50 bis 60 Prozent von Stammgästen, die der Sardinen-
Auf das, worauf alle Berliner Gastronomen hoffen. Auf gutes Wetter,
bar zum Glück die Treue halten. Allerdings, und da spreche ich nicht
konsumfreudige Gäste und darauf, dass wieder Touristen kommen.
nur für mich, wir dürfen nicht vergessen, dass auch unsere Gäste
www.sardinen.bar
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GARÇON
LOKALTERMIN Restaurant Otto
Das waren noch Zeiten, damals Anfang März. Kein Mensch trug jenseits seiner Haustür Gesichtsmaske, den Begriff Social Distancing kannten allenfalls Epidemiologen und von einer Kurve, die flach gehalten werden sollte, war noch nirgendwo die Rede. Das Ende Oktober 2019 senkrecht gestartete Restaurant Otto feierte seine Lunchtime-Premiere mit einer Gemüsesuppe, die nicht nur dem Magen wärmte. An den Tagen darauf folgten Senfeier, Spinatspätzle und Wildragout, die Gäste kamen nun auch mittags in Scharen, das Konzept passte zum Ort und in die Zeit. Doch dann erfasste das Coronavirus auch Deutschland, die Restaurants mussten schließen und ein quälend langer Shutdown bestimmte das Leben. Als endlich Lockerungen möglich wurden, erklärte Vadim Otto Ursus: „Wir wollen das Restaurant nicht als einen Kompromiss des ursprünglichen Konzepts wiedereröffnen.“
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GARÇON
Restaurant Otto LOKALTERMIN
OTTO
GLAS DIE SPEISEKAMMER EINES SPITZENKOCHS VON JÖRG TEUSCHER
GARÇON
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LOKALTERMIN Restaurant Otto
Inhaber Vadim Otto Ursus und Servicechefin Cate Gowers.
Bereits wenige Tage nach der coronabedingten Schließung sei-
Wie viele Produkte bieten Sie an?
nes Restaurants am 15. März entschied der 27-jährige Inhaber
Etwa 20 bis 25, die Zahl wächst stetig. Allerdings wechselt das An-
und Küchenchef, den Herd nicht kalt werden zu lassen. Auch die
gebot auch, wenn beispielsweise die Bärlauchzeit vorbei ist, gibt
Mitarbeiter blieben an Bord, entwickelten das Otto-Pantry-Shop-
es eben irgendwann kein Pesto mehr.
Konzept, holten Lieferanten ins Boot und produzierten Haltbares:
Die Reaktion der Leute auf Ihre Offerten war zu Beginn – das ha-
Bärlauch-Pesto, Koji-Butter, Holunder-Sirup, Leinsamen-Cracker,
ben wir selbst erlebt – überwältigend. Hat das angehalten?
Linsen-Eintopf, Wild-Gulasch…
Ja, hat es, und eigentlich können wir das kaum fassen. Am Anfang,
Womit selbst Vadim Otto Ursus, durchaus ein Mann vom Stamm
also Ende März, als wir unseren Pantry-Shop eröffnet hatten, wa-
der Optimisten, nicht gerechnet hatte: Bereits in der ersten Woche
ren viele einfach nur froh zu sehen, dass hier überhaupt was pas-
gab es 130 Bestellungen. Neben den eigenen Produkten kamen
siert. Mittlerweile kommen eine Menge Leute regelmäßig einmal
auch Kreationen befreundeter Lebensmittelhandwerker aus Berlin
die Woche, um ihre Lieblingsprodukte zu kaufen.
und Brandenburg in das Schaufenster-Regal: Sauerteigbrot vom
Ihre finanziellen Verluste durch die Schließung des Restaurants
Domberger Brot-Werk, Pars-Pralinen von Kristiane Kegelmann,
halten sich also in Grenzen?
Kartoffelsalat von Bruno Ebermann.
Natürlich mussten wir finanzielle Einbußen in Kauf nehmen, aber wir
Wir haben uns durch das Otto-Angebot probiert, unsere Favoriten auf Seite 35 platziert und mit dem jungen Koch gesprochen.
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GARÇON
können uns ganz gut über Wasser halten. Der größte Verlust war die – ich nenne es mal – ‚soziale Komponente‘.
Restaurant Otto LOKALTERMIN
Kandierte Vogelbeeren: Die Früchte der Gemeinen Eberesche – wild gesammelt in der Schorfheide – verlieren durch das Bad in Läuterzucker viel von ihrem herb-sauren Geschmack und einen Teil ihrer Bitternoten. Ein Hochgenuss zu Käse, Joghurt oder Vanilleeis.
Brombeerblätter-Tee: Einst probates Hausmittel bei Bauchweh, verschwand das pektin-, tannin- und vitaminreiche Getränk irgendwann in der Versenkung, um nun – am besten kalt getrunken – eine grandiose kulinarische Wiedererweckung zu feiern.
Holunder-Sirup: Basis sind wilde Holundersträuche in der Schorfheide, deren Blüten diesem Sirup seinen besonderen, frühlingsfrischen Geschmack geben. Bestens für hausgemachte Limonaden geeignet, aber auch als kleiner Kick zu Schaumwein nicht schlecht.
Was meinen Sie damit?
Wird sich die Gastronomie nach der Coronakrise verändern?
Wir haben unser Restaurant mit dem Ziel gegründet, einen Ort zu
Sie hat sich schon verändert und wird sich meiner Meinung nach
schaffen, an dem sich nicht nur unsere Gäste, sondern auch wir
weiter verändern. Ich glaube, dass Fine dining in Zukunft nur noch
selbst wohlfühlen – weil das Essen schmeckt, weil die Atmosphäre
eine untergeordnete Rolle spielen wird, dass die Nachfrage nach
stimmt, weil sich das Otto alle leisten können. Ein Ort der Begeg-
immer exaltierteren Kompositionen und immer exklusiverem Ser-
nung und Kommunikation. Das ging auf. Und das fehlte lange.
vice abnehmen wird. Ich bin mir sicher, dass die Menschen eine
Deshalb also keine Wiedereröffnung nach dem Shutdown, kein,
ehrliche Produktküche zukünftig mehr schätzen werden, mögli-
wie Sie sagen‚ Kompromiss des ursprünglichen Konzepts?
cherweise sogar bereit sind, für gute, nachhaltige Produkte mehr
Genau. Wenn wir die geforderten Abstandsregeln einhalten, haben
Geld auszugeben als für Luxus und Prestige.
wir Platz für acht Gäste – ein Ort, an dem geteilt wird, Menschen miteinander reden wollen, Freundschaften gepflegt werden sollen,
RESTAURANT OTTO
kann das natürlich nicht sein. Deshalb gab es eben zuerst neben unserem Online-Shop nur den Verkauf aus dem Fenster. Und wie sieht es jetzt aus? Wir haben die Terrasse geöffnet, es gibt unsere Lunch-Angebote und natürlich auch die Speisekammer-Offerten.
Bachsaiblings-Garum: Schon die Römer kannten die legendäre Würzsauce, die durch Fermentation von Fischabschnitten und -innereien in Salzlake und Kräutern entsteht und Dressings, Suppen und Saucen ein wunderbar tiefes Aroma verleiht.
Jungschaf-Eintopf: Einfach mal eine gute Suppe. Erstklassige Zutaten aus der Region, natürlich kein Glutamat, keine künstlichen Aromen und keine Anfälligkeiten für modische Verirrungen. Das ist perfekte Gasthausküche à la Otto.
Oderberger Straße 56 10435 Berlin-Prenzlauer Berg Tel. 030-25 97 71 59 www.otto-pantry.net
Waldmeister-Kombucha: Das trendige, vor allem aber gesunde Zeitgeistgetränk in einer besonders aromastarken Variante aus wildem Waldmeister und wenig Zucker. Bestens geeignet, um es etwa mit Mineralwasser oder Prosecco zu mischen.
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LOKALTERMIN Berlin Food Kollektiv
Dr. Verena Jaeschke, geboren 1983 in Göttingen, wuchs in Berlin auf, studierte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und promovierte mit einem kulturgeschichtlichen Thema. Ihre Familie kaufte 2011 den seit Jahrzehnten leer stehenden denkmalgeschützten Neorenaissancebau des ehemaligen Stadtbades in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg und startete dessen Sanierung sowie den Umbau in ein Hotel. Verena Jaeschke übernahm die Verantwortung für das Interior-Design und fungiert seit der Wiedereröffnung des Hauses – 70 Zimmer, zwei Apartments, 10 Seminarräume, die öffentliche Schwimmhalle, das angesagte Restaurant Oderberger – als Hoteldirektorin. Anfang Mai 2020 gehörte die 37-Jährige zu den Mitgründern des Berlin Food Kollektivs. www.hotel-oderberger.berlin
Aufbruch zu neuen Ufern GESPRÄCH MIT DR. VERENA JAESCHKE ZUM PROJEKT BERLIN FOOD KOLLEKTIV Zuerst mal zu den Fakten: Wann wurde denn das Berlin Food Kol-
ist. Orte der Begegnung eben. Und je mehr Seele diese Orte haben,
lektiv gegründet, Frau Jaeschke?
desto besser können sie auch diese Funktion erfüllen.
Anfang April trafen sich ziemlich spontan einige Berliner Gastge-
Auch unter den Bedingungen der so genannten ‚neuen Normali-
ber, Gastronomen und Hoteliers, im Hotel Michelberger. Unsere
tät‘, also Maskenschutz und Abstandsregeln?
Betriebe waren geschlossen. Wir wollten die Situation besprechen.
Mit Sicherheit. Dieser neue Alltag, die neuen Regeln für Hygiene
In der Diskussion entstand die Idee, das Berlin Food Kollektiv zu
und zwischenmenschlichen Umgang erschweren zwar dieses Mit-
gründen. Ja, und das haben wir dann auch gemacht, mit dem Wis-
einander, machen es aber nicht unmöglich. Und außerdem — wir
sen, dass die Antwort auf diese Krise in der Kooperation besteht.
können doch jetzt nicht sagen – Gastronomie: rien ne va plus. Nein,
Wer gehört zum Kollektiv?
wir müssen unsere Arbeit eher neu definieren – mit mehr Umsicht
Gleichgesinnte. Die Hotels Michelberger und Orania, unser Haus,
und einer gewissen Demut. Mit einem neuen Verständnis unserer
also das Oderberger, die Sternerestaurants Nobelhart & Schmut-
Gastgeberrolle. Mit einer größeren Wertschätzung regionaler Pro-
zig, Rutz, Coda Dessert Dining, Horváth, Tim Raue, Tulus Lotrek
dukte, mit mehr Nachhaltigkeit.
sowie das Brlo Brwhouse, Lode & Stijn und das Restaurant Otto.
Dafür hat das Berlin Food Kollektiv dann auch eine erste Aktion
Was wollen Sie mit diesem Zusammenschluss erreichen?
gestartet – #facesbehindplaces – wenn ich richtig gelesen habe?
Ich nenne es lieber Schulterschluss, aber es geht uns nicht um
Genau, mit dieser digitalen Aktion sind wir am 6. Mai online ge-
begriffliche Feinheiten, sondern darum, die kulturelle und soziale
gangen. Wir haben deutschlandweit Gastronomen eingeladen, auf
Funktion der Gastronomie in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.
ihren Instagram-Kanälen Porträts all der Menschen zu zeigen, die
Das klingt, ehrlich gesagt, ziemlich spröde. Worin besteht denn
an einem x-beliebigen Gericht direkt und indirekt beteiligt waren
Ihrer Meinung nach die kulturelle und soziale Funktion der Gastro-
– Köche, deren Helfer und Lieferanten, Bauern, Gärtner, Fischer,
nomie, Frau Jaeschke?
natürlich auch die Servicemitarbeiter, Spüler usw., eben alle, die im
Darüber könnte ich jetzt lange referieren, aber das ist sicher nicht
Ökosystem Gastronomie beschäftigt sind und hinter dem Erlebnis
in Ihrem Sinne. Sehen Sie, vordergründig geht es erstmal um Ver-
stehen, das wir unseren Gästen jeden Tag bieten.
sorgung, um Essen und Trinken, natürlich auch um Genuss. Das
Mit welchem Ergebnis?
wichtigste Verlangen jedoch ist – so jedenfalls sehe ich das – der
Es war großartig. Wir konnten mit dieser Aktion zeigen, wer die
Wunsch nach Geselligkeit, nach Kommunikation, nach einem Mit-
Gastronomie zu dem macht, was sie ist.
einander. Und die Gastronomie bietet Orte, an denen das möglich
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Jaeschke.
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GARÇON
Nahrhaft & schön
Illustration: Martin Rümmele
Das Paradies vor der Haustür!
Entdecken Sie die Brandenburger Hofläden! brandenburger-hoflaeden.de gefördert durch
Natürlich Brandenburg – pro agro
pro_agro_eV
Brandenburger Landpartie
pro agro e.V.
EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums EUROPÄISCHE UNION Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
LOKALTERMIN LimaLima
CUCINA NAPOLITANA IM SCHILLERKIEZ VON UWE AHRENS UND JÖRG TEUSCHER Es kamen schon Leute ins LimaLima, die nach Anticuchos de corazón oder Suspiros de Limeña fragten und bitter enttäuscht waren, dass hier weder Kalbsherzspieße noch Milchkaramellcreme und auch keine anderen Klassiker der peruanischen Küche serviert werden. Aber mal ehrlich, hätten Sie geahnt, dass LimaLima nichts mit der südamerikanischen Hauptstadt zu tun hat, sondern dass es sich dabei um eine sogenannte Feilenmuschel handelt? Sie lebt im Atlantischen und Indischen Ozean, im Roten und im Mittelmeer, meist unter Steinen oder Korallen und wurde 1758 von Carl von Linné entdeckt und beschrieben. Als der Koch Rosario De Paola beim Tauchen im Golf von Neapel ein Exemplar der aussergewöhnlichen Muschelart fand, war er dermaßen begeistert, dass er sein erstes Restaurant im sardischen Cagliari nach ihr benannte. Jahre später kam De Paola mit seiner Partnerin Daniela Schaube nach Berlin, im Gepäck auch die Muschel. Die beiden Gastronomen eröffneten im Charlottenburger Schillerkiez ein Restaurant – klar, dass der Name auf der Hand lag.
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GARÇON
LimaLima LOKALTERMIN
LimaLima-Inhaber Daniela Schaube und Rosario De Paola.
Ja, es gibt sie mittlerweile in Berlin, diese Zwischenorte, wo man
Sie, eine ruhige, sympathische Frau, die schon ein bisschen rum-
sich auf ein Glas Wein und ein paar Vorspeisenkleinigkeiten tref-
gekommen ist in der Welt, managt den Service im LimaLima und
fen und auf wunderbare Art die Zeit bis zum Abendessen dahin-
ist zuständig für die Auswahl der Weine. Die 55-Jährige stammt
ziehen lassen kann.
aus Altenkunstadt, einem 5.400-Einwohner-Ort in der oberfränki-
In Charlottenburg geschieht das immer öfter im LimaLima. Di-
schen Provinz. Nach dem Abitur besuchte sie ihren Vater, einen
rekt an der Kreuzung Schlüterstraße/Goethestraße haben Danie-
Bundeswehroffizier, der auf Sardinien stationiert war – und blieb.
la Schaube und Rosario de Paola einen feinen Allzeit-Treffpunkt
Sie lernte italienisch und studierte an der Universität von Cagli-
etabliert, einen wirklich heißen Tipp für Menschen, die dem Leben
ari Sprachen und Literatur. Auf der Suche nach einem Nebenjob
gerne ein paar Besonderheiten abringen wollen.
landete sie in einem Restaurant namens LimaLima, lernte den jun-
Die drei stärksten Faktoren an diesem winzigen, gemütlichen Lokal mit dem muscheligen Namen: das mediterran luzide Am-
gen Küchenchef kennen und – wie das Leben so spielt – aus der schönen Fränkin und dem feschen Neapolitaner wurde ein Paar.
biente des Raumes, seine bis zur Decke reichenden maritimen
Einige Jahre führten Daniela Schaube und Rosario de Paola
Dekorationen (einschließlich eines originalen Exemplares der
– sie hatte inzwischen auch ein Ausbildung im Hotelfach ab-
namensgebenden Feilenmuschel) und die von urbanen Strömen
solviert – das Lokal in der sardischen Hauptstadt Cagliari ge-
dieser Gegend umflossene Terrasse. Und natürlich Daniela und
meinsam. 2015 schließlich die Übersiedlung nach Berlin und die
Maestro Rosario.
Eröffnung des LimaLima hier.
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LOKALTERMIN LimaLima
Sehen Sie, viele sind der Meinung, dass die neapolitanische Küche ausschließlich aus Pizza und Pasta besteht. Sicher sind Pizza Napoletana und Spaghetti Napoli weltweit bekannte Gerichte, aber sie sind eben längst nicht alles. Es gibt unzählige traditionelle Fisch- , Fleisch- und Gemüsezubereitungen, die ebenso Teil unserer kulinarischen Kultur sind wie Pizza und Pasta.
Wenn Sie sich intensiver mit der neapolitanischen Küche beschäftigen, werden sie auf einige interessante historische Aspekte stoßen — so zum Beispiel, dass man bereits in der Antike in und um Neapel vielfältiger gekocht hat als etwa in Rom oder, dass mit dem Liber de Coquina das erste italienische Kochbuch überhaupt im 14. Jahrhundert am neapolitanischen Hof entstand.
Es gibt Gäste, die bezeichnen unser Restaurant LimaLima als Paradies der neapolitanischen Küche in Berlin. Natürlich sind wir stolz auf dieses Lob, obwohl wir weiter nichts tun als Gerichte zuzubereiten, die den Gast erreichen. Heute gibt es dafür das Schlagwort Feel Good Food — ich nenne es eine langsam und sorgfältig gekochte, den klassischen Tugenden treue Küche.
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Neapel ist schön und hässlich, romantisch und chaotisch, freundlich und aggressiv. Neapel fasziniert und Neapel schreckt ab. Nach Neapel? Dio mio! – warnen die Einen. Die Anderen empfehlen euphorisch eine Fahrt mit der Circumvesuviana, einer Bahn, die den Vesuv umrundet oder einen Spaziergang durch die malerischen Altstadtgassen. In einem sind sich die 960.000 Einwohner der kampanischen Hauptstadt allerdings einig: Die neapolitanische Küche ist die beste in ganz Italien, wenn nicht sogar in der Welt. Rosario De Paola hält sich mit solcherart Hymnen zurück, er serviert lieber seine Klassiker und überlässt den Gästen das Urteil. Da sind zum Beispiel Polpo alla Luciana, in Weißwein gedünsteter Oktopus mit Tomatensauce, gehackten Oliven und Kapern (Teller oben), benannt nach dem Stadtteil Santa Lucia in Neapel; Salsiccia alla Napoletana, eine würzige Bratwurst, die traditionell mit Friarielli, einer besonderen Art Stängelkohl serviert wird (Teller unten) oder eben Ravioli con asparagi, mit grünem Spargel gefüllte Teigtaschen (Teller Mitte) – kräftig, schlicht, geschmacklich harmonisch. Und weiter geht’s – auf Seite 42.
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Außer den vegetarischen Grünspargel-Ravioli offeriert De Paola weitere Veggi-Gerichte: Ravioli mit Steinpilzfüllung in KnoblauchBasilikum-Butter, Ravioli mit Auberginen-Ziegenkäse-Füllung in Tomatensauce, Gnocchi all Sorrentina, Gnocchi all´Amalfitana und – natürlich – Parmigiana di Melanzane, den berühmten Auberginenauflauf, um dessen Urheberschaft man sich in Italiens Süden immer mal wieder heftig streitet. Für jeden echten Neapolitaner ist die Herkunft des Gerichts natürlich sonnenklar: Sowas kann nur die Cucina Napolitana. Und basta! Gleiches gilt für die Pasta-Gerichte – etwa für Maltagliati al Ragù Napoletano (Teller oben) oder für Paccheria alla Genovese (Teller Mitte). In beiden Fällen bringt De Paola die Teigwarenspezialitäten mit (unterschiedlich zubereiteten) würzigen Fleischsaucen auf die Teller, und die ohnehin äußerst italominded Berliner jubeln: Buono! Buonissimo! Auch wir sagen bravo – was der Küchenchef da macht, hat Stil und jede Menge Traditionsfeeling und ist Versprechen und Erfüllung zugleich. Erfüllung jetzt, Vorfreude auf das, was noch kommt – etwa Spaghetti alla Marinada (Teller unten) mit Sardellen, Kirschtomaten, Kapern und Oliven.
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GTS Großküchentechnik & Service GmbH Planung Montage Kundendienst Notdienst
Das Gros der Weine, die Daniela Schaube mit viel Sachverstand empfiehlt, stammt direkt von italienischen Produzenten: Apulien, Friaul, Sardinien, Sizilien, Toskana, Umbrien, Venetien. Und Kampanien? „Obwohl die Region auf eine lange Weinbautradition zurückblicken kann“, sagt sie, „fehlt vielen Winzern noch der Sinn für den qualitätsorientierten Weinbau.“ Dennoch — einige Gewächse hat sie gefunden, die ihren Ansprüchen genügen. „Der rote Irpina Aglianico und der weiße Greco di Tufo von den Mastroberardinos kommen bei den Berlinern gut an“, so Daniela Schaube. Einen Treffer hat die Gastronomin auch mit dem fränkischen Leikeim-Bier gelandet. „Irgendwas
Ihr zuverlässiger Partner für: Kochgruppen, Herde, Kombidämpfer, Bratplatten, Kochkessel, Fritteusen u.v.m. Gewerbe-Geschirrspülmaschinen Tiefkühl- und Kühlanlagen Arbeits- und Spültische
muss im LimaLima ja auch aus meiner Heimat kommen“, kommentiert sie die Offerte. LIMA LIMA Schlüterstraße 74 10625 Berlin-Charlottenburg Tel. 0172 – 312 24 62 www.lima-lima.de
GTS Großküchentechnik & Service GmbH Schwedter Str. 45-46 10435 Berlin Tel.: 030 - 440 540 48
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LOKALTERMIN LOWKAL
Nische mit Zukunft LOW CARB IM WILMERSDORFER LOWKAL VON JÖRG TEUSCHER
Lowkal-Inhaber Nadja Müller und Jens Bernert.
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LOWKAL LOKALTERMIN
Nadja Müller weiß, wovon sie spricht. Die 32-jährige Berlinerin hat in Leipzig den Bachelor in Ernährungsberatung gemacht und in Saarbrücken den Master in Gesundheitsmanagement. „Kohlenhydrate, also Zucker-, Stärke- und Cellulosestoffe, sind für den menschlichen Körper ausschließlich Energielieferanten. Werden diese Kohlenhydrate nicht sofort benötigt, landen sie automatisch auf den Hüften. Deshalb favorisieren wir das Low-Carb-Ernährungskonzept, bei dem Kohlenhydrate in unseren Gerichten reduziert werden. Kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Kartoffeln, Nudeln und Reis haben wir aus unserer Küche verbannt, ebenso den allgegenwärtigen Haushaltszucker. Fruchtzucker und Ballaststoffe eliminieren wir natürlich nicht aus den Speisen, denn unsere Devise heißt, ‚low‘ und nicht ‚no‘.“ Nadja Müller
Vor ziemlich genau drei Jahren eröffnete sie mit Jens Bernert, 40, gebürtiger Thüringer, Diätkoch, Küchenmeister und ebenfalls Low-Carb-Spezialist, das Wilmersdorfer Lowkal. Der Titel „1. Berliner Low-Carb-Restaurant“ dürfte allerdings Tim Raue gebühren, aber immerhin sind Nadja Müller und Jens Bernert da in bester Gesellschaft − doch das nur am Rande. In der an gastronomischen Ereignissen eher öden Pfalzburger Straße tut es gut, ein modernes, kulinarisch ambitioniertes Lokal vorzufinden, das zudem auch mittags geöffnet ist. Bernerts Kochstil ist erfrischend klassisch geprägt, die Gerichte geschmacklich fein abgestimmt und fern jeglicher Art von Verzichtküche. „Leichter und gesünder essen, hat mit Verzicht nichts zu tun“, erklärt Nadja Müller, die höchst kompetent den Service leitet.
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LOKALTERMIN LOWKAL
Jens Bernert, vor seiner Berliner Zeit im Seehotel Zeuthen und im
roten Zwiebeln und Apfelchutney; eine perfekt gegarte Spreewälder
Motzener Residenzhotel am Herd, hat eine Menge Geduld und Zeit
Rinderbrust mit Bohnenpüree, Brokkoli und Meerrettichsauce sowie
investiert, um der Low-Carb-Küche jene Besonderheiten abzuringen,
Seelachs mit Tomaten-Kapernsauce und Schinkenchips − das alles ist
die wirklich schmecken und nicht nur kurios klingen.
deftig-köstliche Küche, bürgerlich-gediegen, dann und wann mit asia-
Paradebeispiel sind seine in Rapsöl frittierten Kohlrabispalten,
tischen oder mediterranen Einsprengseln.
die die meisten Pommes frites locker in den Schatten stellen. Um sie
Die Mittagsofferten wechseln täglich, die Abendkarte wird viermal
allerdings so hinzukriegen, dass Gäste dieses Urteil fällen können,
im Jahr neu geschrieben. Lediglich Bernerts American Cheesecake
bedurfte es schon einer längeren Testphase. „Man muss den Kohl-
− der Boden besteht aus Mandelmehl und Kokosflocken, gesüßt wird
rabi vor dem Frittieren zuerst blanchieren und mit Kichererbsenmehl
mit Birkenzucker − ist eine feste Größe im Lowkal.
bestreuen“, so der Lowkal-Küchenchef, „dann gelingen die KohlrabiPommes bestens.“ Übrigens: Bernert zaubert aus Kohlrabi auch einen
LOWKAL
geschmacksstarken Salat − „falschen Kartoffelsalat“ − der solche Art Entschuldigung aber wirklich nicht nötig hat. Ebensowenig wie die gebratenen Steckrübenscheiben, die er „falsche Bratkartoffeln“ nennt. Auf Fleisch und Fisch wird im Wilmersdorfer Lowkal nicht verzichtet. Wir probierten gebratene Kalbsleber mit Selleriepüree, marinierten
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Pfalzburger Straße 72 A 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 – 88 72 08 36 www.lowkal.berlin
LOWKAL LOKALTERMIN
Spargelsuppe mit Mandelsplittern.
Spare Ribs mit Barbecue-Sauce und Kohlrabi-Pommes.
American Cheesecake mit Kirschragout.
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Berliner Teller SERVIERT IM RUTZ ZOLLHAUS
Die erste Rutz-Zollhaus-Speisekarte nach dem Neustart des Traditionsrestaurants beginnt mit sechs Vorneweg-Offerten, die den Asia-Mainstream links liegen lassen und weitgehend auf heimische Produkte setzen. Respektabel die Neuköllner Blutwurst, nicht von schlechten Eltern auch der Königsberger Klops. Begeistert hat uns das Karotten-Tatar, und gar hingerissen waren wir vom Saiblings-Ceviche (Foto). Zum feinsäuerlichen Müritzsaibling als Ceviche und der getrockneten und frittierten Fischhaut als Streu arrangierte Küchenchef Florian Mennicken gebratenen Romanasalat sowie die koriandergrüne Ceviche-Marinade und eine intensiv tomatige Sauce Choron. Unser Berliner Teller!
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Berliner Teller LOKALTERMIN
Auf den ersten Blick sieht man dem Zollhaus am Kreuzberger
Canis arbeitete als Sommelier auf den Kreuzfahrtschiffen MS Ar-
Carl-Herz-Ufer den Betreiberwechsel nicht an – zumindest nicht
kona und MS Deutschland, wechselte 1997 in das neu eröffnete
am Tage. Lediglich die wahrscheinlich schon jahrzehntealte Kindl-
VAU am Gendarmenmarkt und später ins Rutz. Als er Ende 2008
Werbung ist überklebt – anstelle des Industriebieres gibt es jetzt das
mit dem Gasthaus Spindel in der Friedrichshagener Bölschestraße
handwerklich gebraute Rollberg. Und auf dem ebenso betagten Zoll-
ein eigenes Projekt an den Start brachte, gehörte Hendrik Canis
haus-Schild wurde eine Rutz-Leuchtschrift installiert, die allerdings
längst zur deutschen Sommelierelite. „Er ist ein Weindetektiv, der in der Szene so einflussreich ist,
erst abends den Hinweis darauf gibt, wer hier jetzt das Sagen hat. Ein junges Serviceteam agiert betont umsichtig und mit jener
dass mancher deutsche Top-Winzer für ihn spezielle Abfüllungen
natürlichen Freundlichkeit, die sich Gäste wünschen. An der Spitze
reserviert“, notiert der Gault-Millau bereits 2007. Das Lob ist auch
der Brigade: Hendrik Canis. Der 51-Jährige, der nicht nur wegen
13 Jahre später kein bisschen verblasst, ganz im Gegenteil.
der äußerlichen Ähnlichkeit ein perfektes Matt-Damon-Double ab-
Die heimischen Gewächse liegen ihm besonders am Herzen –
geben würde (Canis hat auch mal an der Ernst-Busch-Hochschule
dementsprechend dominieren auch die deutschen Anbaugebiete
studiert), ist ein guter alter Bekannter. Geboren in Weimar, aufge-
seine Weinkarte im Rutz Zollhaus. An die Spitze hat er Saale-Un-
wachsen in Berlin, wechselte er nach der Schauspielausbildung
strut gesetzt. „Heimat bleibt Heimat“, kommentiert der Thüringer
ins Restaurantfach, entdeckte schnell seine Liebe zum Wein und
lächelnd und serviert uns einen Grauburgunder Breitengrad 51 von
begann, sich gründlich mit dieser Materie zu beschäftigen.
André Zahn aus Bad Sulza…
Gastgeber Hendrik Canis.
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GESCHMACKSSACHEN Berliner Teller
Ess-Zimmer: Das Design ist zwar schlicht, wirkt aber wohnzimmergemütlich: Ein edles Lichtgrau dominiert, dazu eichene Tischplatten und Sessel, die bei einer Wahl des bestbestuhlten Berliner Restaurants gute Chancen hätten, so bequem, wie man hier sitzt. In memoriam Lars Rutz. Der Mitbegründer der Weinbar Rutz in der Chausseestraße und bis zu seinem Tod 2003 deren Chefsommelier, ist nun auch Namensgeber des Rutz Zollhauses. Und er hätte sicher seine helle Freude an diesem gastlichen Ort. 1988 hatte Herbert Beltle das Haus am Landwehrkanal übernommen, es später gekauft und im vorigen Jahr, inzwischen 62-jährig, neue Betreiber gesucht. Er fand sie in den erfolgreichen Weinhändlern und Gastronomen (Rutz, Rutz Weinbar, SchmidtZ & Ko.) Anja und Carsten Schmidt. Gemeinsam plante man den radikalen Umbau der Küche und die behutsame Renovierung der Gasträume zu ebener Erde Bar-Hocker: Noch darf hier (coronabedingt) keiner hocken, aber die acht roten Thonet-Barstühle, die demnächst geliefert werden, dürften wohl schon bald die gefragtesten Zollhaus-Plätze unter den Tom-DixonHängeleuchten sein. Jede Wette.
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Berliner Teller LOKALTERMIN
Doppel-Spitze: Zuständig für die À-la-carte-Offerten ist der 33-jährige Belgier Florian Mennicken, zuletzt Souschef im Restaurant Slate am Monbijouplatz; das Bankett-Geschäft verantwortet Günter Beyer, 59 und Küchenchefs: Florian Mennicken und Günter Beyer, v. re.
Zollhaus-Urgestein.
sowie unterm Dach – sicher keine ganz konfliktfreie Angelegenheit, aber wenn man sich lange kennt und schätzt, einigt man sich auch schnell. Neben der edlen Bar und den blickfangenden Weinklimaschränken, die eigens für das Rutz Zollhaus gebaut wurden, fasziniert vor allem die neue Küche. Florian Mennicken, der neue Küchenchef, nennt sie „einen Arbeitsplatz der Superlative“. Sein fürs Bankett zuständiger Partner Günter Beyer, seit 1996 im Zollhaus am Herd, pflichtet ihm bei: „Besser geht’s nicht.“ Und irgendwo meint man den Geschäftsführenden Rutz-Küchendirektor Marco Müller still lächeln zu sehen… RUTZ ZOLLHAUS Carl-Herz-Ufer 30 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 - 692 33 00 www.rutz-zollhaus.de
Zuständig für Vor- und Süßspeisen: Charlotte Mesikow.
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GESCHMACKSSACHEN Zimtschnecke
„Heart of Sweden for me“ LOBLIED AUF EINE ZIMTSCHNECKE
Ehrlich gesagt, ein bisschen neidisch bin ich schon. Da entdeckt eine Veggi-Bloggerin – „Hi, I am Yoli“ – die veganen Zimtschnecken von Beumer&Lutum: Klick, ein Selfie mit Freundin und den Objekten der süßen Begierde, ein bisschen Amazing-Gefühl und die Bemerkung „Heart of Sweden for me“ ins smarte Mikrofon geflötet – und klick, klick, klick – die Zahl derer, die mit Yoli einer Meinung sind, ist schnell größer als die Auflage unseres Magazins. So läuft eben die gesellschaftliche Kommunikation heutzutage – nicht immer, aber meistens und nicht überall, aber vielerorts. Wir machen uns, ganz old school, auf den Weg um nachzuschauen, was es mit dieser hoch gelobten Zimtschnecke tatsächlich auf sich hat. Die Bio-Bäckerei Beumer&Lutum befindet sich in einem Neuköllner Gewerbegebiet an der Naumburger Straße. Es ist 6.00 Uhr morgens und Bäckermeister Joachim Grunzke erwartet uns schon.
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Zimtschnecke GESCHMACKSSACHEN
Bäckermeister Joachim Grunzke.
Deutschland ist nun nicht gerade das erste Land für Zimtschne-
Die Beumer-&-Lutum-Zimtschnecken bestehen aus Dinkelvollkorn-
cken, das weiß natürlich auch Meister Grunzke. Der 62-Jährige ist
teig, der nach dreistündiger Teigruhe zu Platten gewalzt wird. Die
seit zehn Jahren bei Beumer&Lutum für die Feinbackwaren verant-
wiederum werden ausgerollt und mit einer cremigen Masse aus
wortlich, wozu neben Puddingbrezeln, Franz- und Splitterbrötchen
Pflanzenmargarine (vegan!), Rohrzucker und Zimt (cuminarmer
auch Streusel- und eben Zimtschnecken gehören.
Ceylon-Zimt!) bestrichen und dann eng gerollt. Es entsteht eine
Zu Hause ist das süße Gebäck eher in Skandinavien — in Däne-
dicke Wurst, die in der Bäckersprache „Länge“ heißt und die Meister
mark etwa, wo es zum Standardangebot selbst der kleinsten
Grunzke mit Augenmaß in Streifen schneidet. Dann geht´s ab in
Dorfbäckerei gehört oder in Schweden, wo ihm sogar ein Ehren-
den Ofen. Fertig gebacken, werden die Schnecken noch mit heißer
tag gestiftet wurde (Seit 1999 wird zwischen Malmö, Stockholm
Aprikosenkonfitüre „abgeglänzt“. Voilà!
und Kiruna der 4. Oktober als Kanelbullens dag, als Tag der Zimtschnecke gefeiert.). „So weit sind wir natürlich noch nicht“, lacht Joachim Grunzke, „aber auf dem Vormarsch ist die Zimtschnecke natürlich auch bei uns.“ Der erfahrene Meister und sein Helfer Christian Steinke backen täglich immerhin über 800 Stück. „Das ist doch schon mal eine Hausnummer“, so Grunzke.
BEUMER&LUTUM Körtestraße 36 10967 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 691 72 64 www.beumer-lutum.de
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www.dieter-fuhrmann.de
Coco & Co. GESCHMACKSSACHEN
COCO & CO. PROBIERT IN DER PATISSERIE GIL AVNON VON JÖRG TEUSCHER
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GESCHMACKSSACHEN Coco & Co.
Konditormeister Gil Avnon.
„Sie treffen sich täglich um viertel nach drei am Stammtisch im Eck‘ in der Konditorei und blasen zum Sturm auf das Kuchenbüfett, auf Schwarzwälder Kirsch und auf Sahnebaiser...“ – als 1976 der Berliner Kabarettist Eckart Hachfeld diese Zeilen reimte und Udo Jürgens zwei Jahre später daraus einen Hit machte, war die Krise der wirtschaftswunderlichen Fettlebe schon im vollen Gange. Buttercreme- und Marzipantorten kamen auf den Index und der Beruf des Konditors oder Patissiers geriet gar in den Ruf, gesundheitsgefährdend zu sein. Das ist, Gott sei Dank, nur noch kulinarische Geschichte. Bei Berlins aktuellen Spitzenpatissiers – etwa René Frank, Anna Plagens oder Thomas Yoshida – taucht Omas Buttercremetorte höchstens noch als dekonstruiertes Zitat auf, Zucker wird wie ein Gewürz behandelt und Fertigprodukte sind ohnehin tabu. Keine Frage, auch Gil Avnon ist in dieser Liga angesiedelt. Der 50-jährige Berliner mit jüdischen Wurzeln (deshalb Gil auch mit G, also hebräisch ausgesprochen), lernte sein Handwerk in der Tradi-
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Coco & Co. GESCHMACKSSACHEN
tionskonditorei Genenz, anschließend folgten Stationen in internationalen Top-Hotels: Dolder Grand Zürich, Dorchester London, Raffles Plaza Singapur, Kempinski Heiligendamm. Im Jahr 2000 erwarb er den Meistertitel, Anfang Oktober 2019 eröffnete er seine Patisserie in der Schlüterstraße. Wir probieren Avnons subtile Kreationen: Florentiner Apfeltörtchen, Berliner Kranz, Limettentarte, Black-Forest-Schnitte – und immer macht es peng im Mund. Keine Frage, mit dem Meisterkonditor hat die süße Revolution nun auch Charlottenburg erreicht. PATISSERIE GIL AVNON Schlüterstraße 71 10625 Berlin-Charlottenburg Tel. 030 — 28 65 45 13 www.patisserie-avnon.de
Konditorin Celina Käbisch.
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GESCHMACKSSACHEN Crema di Nocciola
Anaïs Causse, 40, ist gebürtige Berlinerin. Nach dem Abitur an der Goethe-Oberschule in Steglitz studierte sie Arabistik und Islamwissenschaften, merkte aber zunehmend, dass das nicht ihr Ding ist. Sie verabschiedete sich von der Freien Universität und einer möglichen akademischen Laufbahn, heuerte bei FeinkostLindner an und absolvierte eine Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie. 2003 stieg sie in das Feinkostgeschäfts ihres Vaters ein. 2014 folgte ihre jüngere Schwester Noémie und übernahm den Onlineshop, aus „Maître Philippe“ wurde „Maître Philippe & Filles“ – ein Spezialitätenhandel, der beste Beziehungen vor allem nach Frankreich pflegt und kulinarisch wie atmosphärisch zu den ersten Adressen der Branche in Berlin zählt. Für Garcon schreibt Anaïs Causse regelmäßig über ihre exquisiten Spezereien und deren Produzenten.
CREMA DI NOCCIOLA, PER FAVORE VON ANAÏS CAUSSE Gibt es Glück im Glas? Ich behaupte: Ja! Das Glas kommt zwar relativ unglamourös daher, sein Inhalt ist allerdings dermaßen köstlich, dass er weit und breit seines Gleichen sucht: die Crema Nocciola des Piemonteser Haselnuss-Zauberers Josè Noè von Papa dei Boschi. Also: Vergessen Sie Nutella, Nusskati oder Nussetti und erst recht die extrem flüssige Nutwave von Attila Hildmann, die zudem noch sündhaft teuer ist – Josè Noès Crema ist die Nuss-NugatCreme par excellence. Und wenn Sie mir nicht glauben sollten, lesen Sie Thomas Platts Notizen zu seinem Nuss-Nugat-CremeTest (Tagespiegel, 16. Februar 2019), er bestätigt meine Behauptung voll und ganz. „Papa dei Boschi Crema di Nocciola“, schreibt er, „ist ein Süßwerk, das einen alle Konkurrenz augenblicklich vergessen lässt.“ Kein Wunder – andere Nuss-Nugat-Cremes enthalten 13 bis 45 Prozent Haselnüsse, die meisten außerdem noch Palmöl und Milchpulver. Die Crema di Nocciola dagegen besteht aus lediglich vier Zutaten: sagenhaften 55 Prozent gerösteten Haselnüssen, Magerkakaopulver, Rohrohrzucker und Bourbonvanille, alles perfekt aufeinander abgestimmt. Man riecht und schmeckt das wunderbare
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Crema di Nocciola GESCHMACKSSACHEN
Haselnussplantagen in der Provinz Cuneo im südlichen Piemont.
Aroma der gerösteten Haselnüsse, gleichzeitig ist die Crema aber
Als Haselnussmus sind sie sowohl Grundlage für ein sagenhaftes
auch sagenhaft schokoladig, ohne dabei süß zu wirken. Die dezent
Haselnusseis als auch ein ausgezeichneter Saucenbinder, der jedes
eingesetzte Bourbonvanille rundet das Ganze elegant ab.
Gericht mit seinem dezenten Nussaroma adelt.
Das Geheimnis dieser Creme sind die Haselnüsse – Nocciole Pie-
Die schokoladige Crema di Nocciola schmeckt köstlich auf Brot,
monte I.G.P. – auch bekannt als Tonda Gentile delle Langhe. Es sind
Crêpes oder Waffeln und zu Obst jeder Art. Oder eben einfach mit
Haselnüsse, die im Piemont angebaut werden und unter Kennern als
dem Löffel aus dem Glas – mmh, che buono.
die besten weltweit gelten. Der Name übrigens bedeutet soviel wie „Die nette Runde aus der Langhe“, weil die Kerne so schön rund sind. Übrigens: Ich lerne seit Mitte Januar mittels einer großartigen Tandem-App, die Sprachschüler weltweit verknüpft und die ich wärmstens empfehlen kann, italienisch. Für diesen Artikel konnte ich das bisher Gelernte praktisch anwenden und mich mit Josè Noès Frau Marina problemlos über den Haselnussanbau in der Langhe
MAÎTRE PHILIPPE ET FILLES Emser Straße 42 10719 Berlin-Wilmersdorf Tel. 030 — 88 68 36 10 www.maitrephilippe.de
und die Herstellung der Crema di Nocciola unterhalten. Die Azienda agricola, die Marina und Josè Noè gemeinsam mit drei Mitarbeitern in dritter Generation bewirtschaften, liegt im südlichen Piemont in einer Gegend, die wegen ihrer Höhenlage und des relativ rauen Klimas perfekt für den Haselnussanbau geeignet ist. Ende August beginnt die Erntezeit, immer und immer wieder wird die Qualität der Nüsse geprüft, Josè Noè überlässt nichts dem Zufall; „perfetto“, das ist für den Landwirt das Einzige, das zählt. Die gesammelten Nüsse trocknen auf dem großen Hof in der Sonne, geknackt und geröstet werden sie erst, wenn eine Bestellung eingeht. Die Röstung erfolgt nur in kleinen Chargen und bei schonenden 150 Grad Celsius. Anschließend werden sie rasch wieder auf 20 Grad heruntergekühlt. So bleiben sie länger frisch und behalten – in Vakuumbeuteln verpackt – über Monate ihr feines Aroma. Noès Haselnüsse sind zum Kochen und Backen wunderbar geeignet und passen hervorragend zu vielen Käsesorten. Eine ganz besondere Verwendung verriet mir die Berliner Autorin Ursula Heinzelmann: Crostini mit Lardo und gehackten Haselnüssen!
Haselnussbauer Josè Noè.
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GESCHMACKSSACHEN Nihon Mono
Die gebürtige Niedersächsin Dagmar Maas studierte Betriebswirtschaftslehre und startete ihre berufliche Karriere als Unternehmensberaterin. Während sie tagsüber internationale Teams coachte, drückte die genussfreudige Managerin abends selbst die Schulbank des Wine and Spirit Education Trusts (WSET). 2011 ging sie mit ihrer Familie nach Japan und begann, sich das weite Feld der japanischen Kulinarik zu erschließen. In Tokio besuchte sie die renommierte Kochschule von Elizabeth Andoh und war als Assistentin der weltweit bekannten Kochbuchautorin tätig. Zudem absolvierte sie eine Lehre zur Sake-Sommelière und wurde danach vom WSET als Sake-Ausbilderin zertifiziert. Nach der Rückkehr der Familie nach Berlin machte die Mutter dreier Töchter ihre kulinarischen Kenntnisse zum Beruf. Dagmar Maas eröffnete in der Potsdamer Straße eine japanische Genusswerkstatt. Für Garcon arbeitet sie als Autorin und schreibt regelmäßig über das kulinarische Japan.
KATSUSHI OOCHI: DER JAPANISCHE GEGENBAUER VON DAGMAR MAAS
Kulinarisch gesehen kann ich mein Leben wohl grob in die Zeit vor und nach Japan einteilen. Vor Japan war Reisessig nichts, worüber ich mir viele Gedanken gemacht habe, nichts, auf das ich besonderen Wert gelegt hätte. Zu selten habe ich ihn benutzt. Nur hier und da hat mal ein Rezept nach einer vergleichsweise geringen Menge verlangt, die nicht ausreichte, um mich näher mit diesem Produkt zu beschäftigen. Außerdem gab es auch keine große Auswahl, die mich animiert hätte, es doch zu tun. Bei Balsamico übrigens war das anders. Große Auswahl und große Unterschiede in Qualität und Preis, die einen veranlassen, das Warum näher zu erkunden. Mein Interesse für Reisessig änderte sich schlagartig, als ich vor einiger Zeit Katsushi Oochi kennenlernte, einen der renommiertesten Essigbrauer Japans und in Asien genauso bekannt wie der Österreicher Erwin Gegenbauer in Europa. Oochis Familie stellt seit fast 100 Jahren Reisessig her – nicht den, den ich aus deutschen Asia-Märkten kenne, sondern einen – der voll mit Umami – einem das Wasser im Munde zusammen laufen lässt.
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Nihon Mono GESCHMACKSSACHEN
Für einen Japaner untypisch hochgewachsen, empfing mich Katsushi Oochi mit einladendem Lächeln in seiner Manufaktur, die sich – abseits der großen Straßen – in den grünen, dicht bewachsenen Hügeln oberhalb der lauten Millionenstadt Hiroshima befindet. Stolz zeigte er mir die Tanks, in denen bei Wind und Wetter monatelang sein berühmter Essig reift, der – wie die Produkte des Wiener Essigbrauers Erwin Gegenbauer auch – zum selbstverständlichen Must-have asiatischer Spitzenrestaurants gehört. Der Stolz wuchs noch als er mich zu seiner Quelle führte. Das klare, kühle Wasser, das hier aus der Erde sprudelt, hat keinen weiten Weg hinter sich, kaum Mineralien aus dem Gestein gelöst und ist superweich. Nicht zufällig wird neben dieser Quelle Essig produziert, sondern diese Quelle war der bestimmende Faktor bei der Standortwahl für die Essigbrauerei. Neben dem weichen Wasser ist der berühmte Akita-Komachi-Reis – eine der geschmacksstärksten Reissorten weltweit – die zweite
Die Ernte des edlen Akita-Komachi-Reises ist Handarbeit...
schmilzt und die Körner des frisch gekochten Reises umschließt – dann kann ich nur sagen: ein Gedicht. Washoku nennen die Japaner die Harmonie einer Speise. Washoku hält dazu an, bei ihrer Zubereitung den natürlichen Eigengeschmack der Produkte in den Mittelpunkt zu stellen, ihn zu unterstreichen. Reisessig, eines der ältesten Würzmittel in der japanischen Küche, ist dafür essentiell. Deshalb zielt mein Plädoyer darauf, Kome-su – so sein japanischer Name – auch hierzulande kulinarisch mehr Bedeutung beizumessen. NIHON MONO
Essigbrauer Katsushi Oochi.
Potsdamer Straße 91 10785 Berlin-Tiergarten Tel. 0172 — 204 05 50 www.nihon-mono.shop
Säule des Essiggeschäfts von Katsushi Oochi. Aus beidem wird ein Premium Sake gebraut, der dann wiederum zu Essig vergoren wird. „Je besser der Sake, desto besser der Essig“, sagt Oochi, „ein einfacher Zusammenhang, der aber häufig vergessen wird.“ Neben Katsushi Oochi gibt es nicht viele Hersteller in Japan, die Reisessig mit soviel Hingabe und Kompetenz produzieren. Wie Erwin Gegenbauer in Wien gilt auch Oochi als Idealist, als kulinarischer Künstler. Auf die Balance von süß und sauer komme es an, erklärt der Essigbrauer, ohne Zusätze, ohne Tricks. Ich lerne, dass solcher Qualitätsessig über 70 verschiedene Säuren und Aminosäuren enthält, die sein wunderbares Aroma und seinen Geschmack bestimmen. Kein Wunder, dass Spitzenköche von New York bis Tokio davon schwärmen und Gerichte bis hin zum Dessert darauf abstimmen. Bei mir ist das natürlich alles eine Nummer kleiner, aber wenn ich Sushi-Reis zubereite und die milde Säure von Oochis Reisessig mit Kombu-Algen, Zucker und Salz ver-
...ebenso wie die Reisverarbeitung.
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KOSTPROBEN Fünf Supermarkt- und Discounterketten beherrschen 90 Prozent des Lebensmittelhandels in Deutschland. In den Regalen aromaverstärkte Fertiglebensmittel, plastikverschweißter Billigkäse, geschmacksuniforme Industrieware. Nicht nur, aber größtenteils. Die verbleibende Zehn-Prozent-Nische haben engagierte Genusshandwerker, kenntnisreiche Feinkosthändler und Onlineverkäufer mit ihrem Gegenentwurf zur Massenware der Lebensmittelindustrie besetzt: manufakturell hergestellte Aufstriche; Würste, die nicht aus der Schlachtfabrik kommen; handgefertigte Schokoladen, hausgemachte Liköre, Konserven ohne E-Zusätze, vieles in Bioqualität. Das meiste ist teurer als Supermarktware gleichen Namens, aber eben auch gesünder, nachhaltiger und geschmackvoller. Vier Kostproben dessen, was wir in den letzen Wochen entdeckten, probierten und als kulinarisch bemerkenswert empfanden, servieren wir Ihnen auf der folgenden Seite.
Jörg Kinskis Firma Goodvenience.bio im sächsischen Magdala ist spezialisiert auf die Herstellung von Brühen: Hühnerbrühe, Rinderbrühe, Gemüsebrühe – insgesamt 16 Zubereitungen. Weil Kinski ein „harter Japan-Fan“ ist, gibt es natürlich auch die berühmte Dashi-Brühe aus Bonito-Flocken, Wakame-Algen, Shiitake-Pilzen und einigen Gewürzen – und zwar in einer Qualität, die selbst Japaner überzeugt.
Dass Ulrike und Noni Piecha kochen können, das steht außer Frage. Manches gelingt den beiden Betreiberinnen des BioBuffets in der Kreuzberger Marheinekehalle sogar so gut, dass es höhere Weihen verdient. Zu dieser Kategorie gehört ihr Sauerkraut, das eher würzig denn sauer ist, die dunkle Farbe von karamellisiertem Rohrzucker bekommt und geschmacklich seinen vielen derben Verwandten meilenweit überlegen ist.
Preis: 35,94 Euro / 6 x 525 ml Goodvienience.bio GmbH Richard-Wagner-Straße 1a 99441 Magdala Tel. 036454 – 59 99 04 Online-Bestellung: www.j-kinski.de
Preis: 6,90 Euro / 380 g Piechas BioBuffet in der Marheinekehalle Marheinekeplatz 15 10961 Berlin-Kreuzberg Tel. 030 – 69 00 43 53 www.piechas.com
Der Auftragsrückgang während der Coronakrise bescherte der Berliner Cateringunternehmerin Ricarda Farnbacher viel freie Zeit. Die nutzte sie, um eine eigene Feinkostlinie zu entwickeln – Farnkost, nachhaltig und regional. Eins der ersten Prdukte: ein aromatisch dichter, geschmacklich leicht herber Sirup aus jungen Fichtentrieben, die aus der Müritz-Region stammen, von Hand gepflückt, sortiert und verarbeitet wurden.
Bei guten Fruchtaufstrichen dominieren die Aromen der verarbeiteten Früchte und nicht der Zucker. Natürlich weiß das Cornelia Burkhard, Chef confiturière der Bock & Gardener Manufaktur und komponiert dementsprechend ihre Genüsse im Glas. Dieser Quittenaufstrich zum Beispiel besteht aus Apfel- und Birnenquitten, die so schonend eingekocht werden, dass ihr Aroma voll zur Geltung kommt. Ein pures Vergnügen.
Preis: 5,90 Euro / 200 ml Farnkost / Ricarda Farnbacher Wochenmarkt am Kollwitzplatz 10435 Berlin-Prenzlauer Berg Kollwitzstraße Samstag 10.00 Uhr-16.00 Uhr
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KOPFSALAT Erika Kaneko
Es hat schon beinahe etwas Meditatives, wenn Erika Kaneko ihren dicken schwarzen Pinsel fast senkrecht auf das Papier setzt und mit sanftem Druck Striche und Bögen formt. Zwei japanische Schriftzeichen entstehen: REI WA, Schönheit und Harmonie. Erika Kanekos Künstlername und ihr Lebensmotto.
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Erika Kaneko KOPFSALAT
GOING RAW ERIKA KANEKO: KÖCHIN, KONDITORIN, KALLIGRAFIN VON JÖRG TEUSCHER
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KOPFSALAT Erika Kaneko
Erika Kaneko, ihr Mann Robert Kuls und Tochter Aina.
Katrin Tiede ist ein eher sachlicher Typ. Im Falle des Hojicha Cream Cheesecakes, den ihr Erika Kaneko vor ein paar Monaten anbot, geriet die Inhaberin des japanischen Feinkostladens Hanabira jedoch schier aus dem Häuschen: „Diese Fertigungsakkuratesse, diese Geschmacksexplosion, ein Meisterwerk der Rohkost-Küche.“ Seitdem stehen die Kreationen der Raw-Konditorin in der HanabiraKuchentheke und finden Woche für Woche neue Liebhaber. Bei so viel Jubel wurden auch wir neugierig, probierten und staunten nicht schlecht: Katrin Tiedes Euphorie ist tatsächlich berechtigt. Grund genug also, uns mit Erika Kaneko zu verabreden. Die 44-jährige Japanerin stammt aus Yokohama, studierte in Tokio Landwirtschaft, Abschluss als Bachelor of Agricultural Science und ergatterte einen Job in einem großen japanischen Reisebüro. 2008 kam ihre Tochter Aina zu Welt. Das Leben der freundlichen, eher zurückhaltenden jungen Frau schien in geordneten Bahnen. 2012 dann die Diagnose: Schilddrüsenkrebs. Eine erfolgreiche Operation.
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Erika Kaneko KOPFSALAT
„Die Krankheit hat mir die Augen geöffnet, was wirklich wichtig ist im Leben“, sagt Erika Kaneko. Sie stellt ihre Ernährung auf Rohkost um, erwirbt das Diplom als Raw-Food-Master, schreibt Artikel zum Thema Rohkost und beginnt, Keks- und Kuchenkreationen zu verkaufen. „Rohkost ist die natürlichste und harmonischste Lebensweise, die es seit der Antike gibt“, Zitat Erika Kaneko. Sie tuscht drei japanische Schriftzeichen: Gesundheit, Glück, Freude. All das erschien ihr 2011 in Gefahr. Die Katastrophe von Fukushima. Sie nennt den Supergau ihr Erweckungserlebnis. Diese plötzliche, alles erschütternde Wahrnehmung, wie unnormal die Wirklichkeit sein kann. Und wie nah jederzeit die Katastrophe. Solche Gedanken spielten eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, Japan zu verlassen. 2018 kommt Erika Kaneko mit ihrer Tochter nach Berlin. Sie lernt Robert Kuls, IT-Manager bei Siemens kennen, findet familiäres Glück. Und auch beruflich geht es voran — sowohl mit der Raw-Bäckerei als auch mit ihrer zweiten Leidenschaft, der Kalligrafie.
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KOPFSALAT Erika Kaneko
Es geht um eine besondere Form der Schriftkultur, die der allgemeinen Definition „Kunst des schönen Schreibens“ zwar nahe kommt, sie aber dennoch nur unzureichend beschreibt. Wichtiger als die Leserlichkeit ist bei der Kalligrafie die ästhetische Ausgewogenheit und – wie es Erika Kaneko nennt – „das Vermögen, Schrift so zu gestalten, dass Emotionen sichtbar werden.“ Bereits als Kind interessierte sich Erika Kaneko für diese Art des Schreibens, dann wurde anderes wichtiger. „Als Erwachsene habe ich meine Leidenschaft aber wiedergefunden“, sagt sie. Sie erwarb eine Lizenz, die sie berechtigt als Kalligrafie-Lehrerin zu arbeiten – wer den hohen Stellenwert der Kalligrafie im gesellschaftlichen Leben Japans kennt, kann ungefähr ermessen, wie schwer es ist, solche Lehrer-Lizenz zu erhalten… Auch in Berlin bietet Erika Kaneko – neben Rohkost-Kursen – übrigens solche für Hobby-Kalligrafen an. www.facebook.com/reiwaerika/
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KOPFSALAT Wie geht's eigentlich..?
2017 in Berlin: Song Lee und sein langjähriger Mentor Josef Eder.
Wie geht's eigentlich..? SONG R. LEE gen Koreaners und förderte es behutsam,
„Ihn müsst ihr im Blick behalten“, sagte uns vor gut zwölf Jahren Josef Eder, damals Küchendirektor im Berliner Grand Hyatt über seinen besten Koch-Azubi, „aus dem Jungen wird mal was.“ Der Junge, Song Lee, war als Zehnjähriger 1988 mit seiner Familie aus Seoul nach Berlin gekommen, hatte schnell die deutsche Sprache gelernt, die Grundschule und das Gymnasium absolviert, die Abiturprüfungen bestanden und 2006 eine Lehrstelle in seinem Traumberuf ergattert. „Dass ich im Hyatt genommen wurde und dort unter Josef Eders Fittiche kam, das war wie eine Fügung“, weiß Song Lee heute. Eder erkannte das Talent des jun-
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KINDHEIT UND SCHULE Geboren am 23. Mai 1978 in Seoul 1988 Übersiedlung mit Familie nach Deutschland Abitur in Berlin
machte ihn bereits nach dem ersten Com-
AUSBILDUNG Kochlehre im Grand Hyatt Hotel Berlin
des Restaurants Mesa und riet ihm 2014
BERUFLICHE STATIONEN Mesa, Grand Hyatt (Commis de Cuisine) MS Europa 1 (Guest Sushi Chef) Tizian Lounge, Grand Hyatt (Souschef) Tizian Lounge & Mesa, Grand Hyatt (Chef de Cuisine) Dae Mon, Berlin (Chef de Cuisine) Sticks‘n‘ Sushi, Berlin (Head Chef) HEUTE TÄTIG Chef de Cuisine Nikkei Nine Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten, Hamburg 15 Punkte Gault & Millau
mis-Jahr 2010 zum Sous Chef und 2011 zum Chef de cuisine der Tizian Lounge und sogar zum Wechsel ins noble Dae Mon am Monbijouplatz. Dort schaffte es Song Lee mit seiner Interpretation zeitgenössischer koreanischer Küche sogar auf die Liste der mit Lob nicht eben freigebigen Berliner Starkritikergilde. Song Lee bedankte sich artig für so viel Ehre – und zog weiter. 2016 wurde er Küchenchef im Berliner Restaurant Sticks'n'Sushi, 2019 im Nikkei Nine in Hamburg.
Wie geht's eigentlich..? KOPFSALAT
Als Song Lee im Mai 2019 Berlin verließ, verabredeten wir uns lo-
einzige Minute bereut. „Ich bin dankbar, in dieser Stadt leben und
cker – auf bald in Hamburg. Dass daraus ein Jahr werden würde, das
in diesem Haus arbeiten zu dürfen“, sagt er.
war nicht geplant – ebenso wenig wie ein Treffen mit Mundschutz
Besonders stolz ist Song Lee auf die Wahl des Nikkei Nine Ende 2019 in die „Lieblingsliste“ der F.A.S.-Kritiker Jürgen Dollase und
und im Coronaabstand vor einem geschlossenen Restaurant. „Seit dem 18.März sind im Nikkei Nine die Türen zu und die ge-
Stephan Reinhardt. Deren Begründung kann er noch Monate später
samte Mannschaft ist in Kurzarbeit“, erzählt Song Lee und sieht
fast wörtlich zitieren: „Das Nikkei Nine im Souterrain des Hambur-
dabei nicht eben besonders unglücklich aus. Darauf angesprochen,
ger Hotels Vier Jahreszeiten gehört zu den spannendsten neuen
ahnt man ein Lächeln unter der Maske. „Natürlich stehe ich am liebs-
Restaurantformaten der Republik. Hier glänzt Song Lee mit einem
ten am Herd“, so Song Lee, „aber am 16. März kam unsere Tochter
ungemein ausgereift wirkenden Mix aus japanischer und peruani-
Jenna zur Welt, und da bedeutet jeder Tag zu Hause für mich ein
scher Küche.“ Kurze Pause, dann fügt er hinzu: „In einem Atem-
großes Glück. Hinzu kommt, dass die Inhaber des ‚Vier Jahreszeiten‘
zug mit solchen Größen wie Heiko Nieder (er wurde von Dollase/
entschieden haben, das Kurzarbeitergeld aufzustocken, weshalb
Reinhardt zum Koch des Jahres international gewählt) und Torsten
also sollte ich niedergeschlagen durch die Welt laufen?“
Michel (Koch des Jahres national) genannt zu werden, das ist doch
Keine Frage, Song Lee hat seine Entscheidung, im Nikkei Nine die Nachfolge von Ben Dayag anzutreten, der die internationale Küchenbrigade seit der Eröffnung Ende 2016 führte, bisher keine
schon was, oder?“ Wir bejahen und verabreden ein neues Treffen in Hamburg, dann im geöffneten Nikkei Nine. PS: Der Re-Start des Restaurants erfolgte am 19. Mai 2020.
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DIETER FUHRMANN
DIETER FUHRMANN * 23. OKTOBER 1940 † 15. MAI 2020
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DIETER FUHRMANN
Es gibt Tage im Leben, die vergisst man nicht. Und es gibt Nach-
wichtigsten Stationen waren die Hotels Am Zoo und Windsor.
richten, die einen so unvorbereitet und überraschend treffen,
Als er 1977 mit einem Mitarbeiter und zwei VW-Bulli T2 in die
dass man glaubt, den Halt zu verlieren. Eine solche Nachricht
Selbstständigkeit startete, feierte das deutsche Küchenwunder
war die vom Tod Dieter Fuhrmanns am 15. Mai 2020.
seine ersten Erfolge. Das Bekenntnis einer Avantgarde junger
Der Tag unserer ersten Begegnung liegt über zwanzig Jahre
Köche zu frischem Obst und Gemüse, kürzeren Garzeiten und
zurück. Während einer Party im Hotel Adlon – den Anlass habe
leichteren Saucen wurde zum Trend, an dem engagierte Liefe-
ich vergessen – machte uns Karlheinz Hauser, der ehemalige
ranten wie Dieter Fuhrmann durchaus einen Anteil hatten.
Küchendirektor der Nobelherberge, miteinander bekannt. „Mein
Die Firma wuchs, die Zahl der Kunden stieg ebenso wie die
wichtigster Mann“, sagte Hauser damals, und ich glaubte tat-
der Mitarbeiter. Dieter Fuhrmann blieb der, der er immer war: ein
sächlich, Dieter Fuhrmann sei Koch in einer von Hausers Briga-
Mann mit Charisma, Fleiß und Disziplin. Ein erdnaher Unterneh-
den. Darauf angesprochen, klärte er mich lächelnd über seine
mer, der jeden auf Augenhöhe und mit Respekt behandelte. Ich
wirkliche Profession auf und lud mich ein, sein Unternehmen auf
erinnere mich auch, wie gut er darin war, anderen Ratschläge zu
dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße zu besuchen.
geben, dass sie sich schonen und auf sich aufpassen sollten.
Ich lernte einen klugen, uneitlen Menschen kennen, respektiert, empathisch und sympathisch, in dessen Leben es zwei Dinge gab, die für ihn so wichtig waren wie nichts anderes: die Familie und der Fruchtgroßhandel.
Er dachte stets viel mehr an andere als an sich selbst. Ja, Uneigennützigkeit hatte einen Namen: Dieter Fuhrmann. Bereits zu Beginn dieses Jahres planten wir, ihm, dem Grand Old Man seines Berufsstandes, den Titel unseres Oktober-Ma-
Dieter Fuhrmanns berufliche Karriere begann wie die vieler
gazins zu widmen. Ein großes Porträt zum 80. Geburtstag des
seiner Altersgenossen. Nach dem Krieg musste er seine schle-
Fruchtgroßhändlers, Titel: Typisch Fuhrmann. Dass daraus nun
sische Heimat verlassen, die Familie fand in Berlin ein neues
ein Nachruf werden musste, macht uns sehr traurig.
Zuhause. Dem Schulabschluss folgte eine Kellnerlehre, seine
Jörg Teuscher im Namen der Garcon-Mitarbeiter
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slube Hoteltürme – Wohnen an Orten wo man is(s)t Für Gastronomen, die mehr machen wollen aus ihren Locations, bieten die komfortabel ausgestatteten slube Mini-Hotels eine komplette und innovative Lösung. Betreiber, die Restaurantbesucher bisher an attraktiven Orten ausschließlich zum Essen empfangen, können mit den slube Hoteltürmen ihre Gäste einladen, direkt am Ort länger zu verweilen. Die slube Mini-Hotels können über die bekannten Online-Plattformen gebucht werden. Innovative SmartHome-Lösungen steuern Schließ- und Heizungssystem zentral. Bieten Sie Ihren Gästen noch mehr als gutes Essen, wie der Forellenhof Rottstock im wunderschönen Fläming. Die runden Hoteltürme können einzeln oder in Gruppen aufgestellt, und mit Hotel-Lounges, eigener Dachterrasse, separaten Toiletten oder Kiosks und Infoboxen kombiniert werden. © 25 Teiche
Auch für die Tischlerei am Yachthafen Greifswald und die Hafenbar am Stadthafen in Neustrelitz funktionieren die slube Hotels schon als Hingucker, als einmalige Übernachtungs-Attraktion, und als extra Motivation zum Verweilen. © Yachthafen Greifswald
Veloform Media GmbH entwickelt und produziert seit fast 20 Jahren ungewöhnliche Produkte für Städte und Menschen. Besonders bekannt ist das von Veloform entwickelte Velotaxi, welches heute in 60 Ländern urbane Mobilität neu definiert. Die slube GmbH wurde gegründet, um die bboxxen „slube home“ professionell zu betreiben. Es wurde ein ergänzendes Finanzierungs- und Mietmodell entwickelt und umgesetzt, mit dem das Netzwerk an buchbaren „slube home“ effizient erweitert werden kann.
Fotos: David Ludley
Veloform Media GmbH Tel. +49 (0)34903 595 595 _ info@veloform.com _ www.veloform.com _
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Wer in der Mark reisen will, der muß zu-
Prignitz
Fläming
nächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittli-
Dahme-Seenland
che Vergleiche totzumachen. Der Reisende
Ruppiner Seenland
in der Mark muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Mee-
Uckermark
Spreewald
ressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben.
gs e w r e t n U g r u b n e in BraWnANdTE — SOMMERSWALDE
KREMME
N — SCH
H G TEUSC VON JÖR
Es ist mit der märkischen Natur wie mit machen Frauen. ‚Auch die häßlichste‘ —
Barnimer Land
ER
Lausitzer Seenland
sagt das Sprichwort — ‚hat immer noch sieben Schönheiten!‘ Ganz so ist es mit dem Lande zwischen Oder und Elbe; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch
Elbe-Elster-Land
ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß
Seenland Oder-Spree
Havelland
sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise. Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg Die Grafschaft Ruppin Vorwort zur zweiten Auflage, Berlin 1864
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Kremmen, vor über 700 Jahren gegründet, zählt rund 7.500 Einwohner und ist eine stille Stadt. Einst muss es hier allerdings weit wuseliger zugegangen sein, der Ort galt als strategisch wichtiges Tor zur Mark Brandenburg. Jeder, der in der Gegend unterwegs war, musste über den „Cremmener Damm“, die einzige Verbindung durch das sumpfige Rhinluch. Dessen Entwässerung im 18. Jahrhundert änderte das – aus dem Tor zur Mark wurde ein Tor zur Natur. Die Touristiker werben also sowohl für Touren in die traumhafte Landschaft als auch für den Besuch der Kremmener Altstadt und des historischen Scheunenviertels.
Sehenswertes Schwante. Das 2.200-Einwohner-Dorf im brandenburgischen Landkreis Oberhavel wurde 1355 erstmals urkundlich erwähnt. Die evangelische Dorfkirche stammt aus dem Jahr 1780, im nahen Pfarrhaus wurde am 7. Oktober 1989 die Sozialdemokratische Partei der DDR gegründet. In Schwante hat ein berühmter Bäckermeister seine Backstube, es gibt einen attraktiven Renaissancegarten, und am 19. Juni 2020 eröffnete auf dem Gelände des historischen Schlossgutes ein Skulpturenpark, der das Zeug hat, sich zu einem Hotspot des internationalen Kulturtourismus zu entwickeln.
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Sommerswalde gehört zu Schwante und trägt die Bezeichnung „Wohnplatz“. Die Wirklichkeit ist zum Glück weniger spröde als dieser Terminus. Sie besteht aus einem eigenwilligen Gebäudekomplex: dem weißen Schloss, das als „zweiter Reichstag“ in die Geschichte einging; einem Backsteinbau sowie dem Forsthaus. Bauherr des Ensembles war der Berliner Immobilienmillionär Richard Sommer, nach dessen Tod 1916 das Anwesen viele Besitzer sah. Heute gehört das Schloss dem buddhistischen Verein Tharpaland und dient als Meditationszentrum. Das Forsthaus avancierte zu einem Ausflugsziel erster Güte.
„Natürlich unseren Spargelhof mit Gastronomie, Hofladen und einigen Kinderüberraschungen“, lächelte Malte Voigts. Wir hatten den Hofchef – seine offizielle Funktionsbezeichnung lautet Geschäftsführer der Spargelhof Kremmen GmbH & Co. KG – um einige Ausflugstipps für die Gegend rund um Kremmen gebeten. Wieso fragt ihr eigentlich keinen Einheimischen?, hörten wir dann von eben jenen häufig. Tatsächlich, Voigts stammt aus der Lüneburger Heide, studierte in Göttingen und kam erst vor 13 Jahren ins Kremmener Land. Aber: Er kennt seine neue Heimat inzwischen besser als die meisten Fremdenführer.
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Stadt Kremmen „SIE HABEN DA SO KURZE BETTEN..."
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Gottberg, Protzen, Tramnitz – weshalb Theodor Fontane solchen Winzlingsdörfern in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ vielseitige Kapitel widmete und ausgerechnet Kremmen – von ein paar marginalen Bemerkungen mal abgesehen – links liegen ließ, wird wohl das Geheimnis des Dichters bleiben. Lediglich in seinem Alterswerk „Der Stechlin“ läßt er seinen Helden Dubslav von Stechlin und dessen Diener Engelke über „Cremmen“ parlieren, wo Stechlins Sohn Woldemar auf dem Weg von Berlin ins heimatliche Ruppiner Land übernachtet hatte. „Die Nacht über in Cremmen. Auch kein Spaß.“ „Aber Cremmen is doch soweit ganz gut.“ „Nu, gewiss, gewiss. Bloß haben sie da so kurze Betten...“ Katharina Neuman kann darüber nur müde lächeln. Die Hotelfachfrau betreibt seit Anfang Juli 2020 am Kremmener Markt die Pension Alte Lebkuchenfabrik – sechs Zimmer mit garantiert großen Betten. „Und bald auch ein Hofcafé“, fügt sie hinzu. www.lebkuchenfabrik.com
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Ein Dorf in der Stadt DAS KREMMENER SCHEUNENVIERTEL
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Seit 2016 Kremmener Tourismus-Chefin: Andrea Busse.
Natürlich kennt Andrea Busse den Gelehrten Johann Grüwel (16381710), der einst in Kremmen Bürgermeister war und mit Abhandlungen über Imkerei und Seidenraupenzucht Aufsehen erregte (s. S.101). Sie bedauert, dass Grüwel heute in Kremmen fast vergessen ist und hat einige Ideen, das zu ändern. Sie leitet die Touristeninformation im Scheunenviertel und scheint nicht nur wegen ihres historischen Wissens für diesen Job prädestiniert zu sein, sondern auch wegen ihres familiären Backgrounds. Die Busses sind nachweislich seit 1402 in Kremmen ansässig. Die 48-jährige Handelsfachwirtin organisiert Stadtführungen sowie Natur- und Kulturwanderungen und weiß auch dann touristischen Rat, wenn die gedruckten Reiseführer passen. Besonders am Herzen liegt Andrea Busse das historische Scheunenviertel am südlichen Stadtrand von Kremmen, „das in seiner Größe und Bauweise wohl einzigartig in Deutschland, vielleicht sogar in Europa ist“, wie sie sagt. „Und dessen Geschichte lange zurückreicht.“
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Nach verheerenden Bränden im 16. Jahrhundert, die ihren Ausgangspunkt zumeist in den mitten in der Stadt gebauten strohgedeckten Scheunen hatten – Kremmen war eben eine Ackerbürgerstadt – verfügte 1672 Kurfürst Friedrich Wilhelm, der nach dem Sieg seiner Truppen über die Schweden 1675 bei Fehrbellin der Große Kurfürst genannt wurde, „die Scheunen hinaus fürs Thor zu schaffen“. Die Kremmener folgten dem Befehl, das Scheunenviertel entstand. Andrea Busse kennt die wechselvolle Geschichte aus dem Effeff und ist natürlich stolz darauf, dass 54 Scheunen nach der Wende saniert wurden, dass sich hier Handwerker, Künstler und Gastronomen ansiedelten, auch „wenn man noch mehr aus diesem Kremmener Schatz machen könnte.“ Zu den Scheunenviertlern der (fast) ersten Stunde gehört Norbert Stolley, 69 und – wie er in einem autobiografischen Büchlein schreibt – „ein leidenschaftlicher, sturer, friesischer Koch“ (s. S. 83).
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Coldehörn-Inhaber Norbert Stolley.
Und das seit 55 Jahren! Geboren in Brunsbüttel, Kochlehre im Kölner Weinhaus Hugo Wolf in der Komödienstraße, zehn Jahre Seefahrt. Dann, wieder an Land – selbständig in der kältesten Ecke Wilhelmshavens – in Coldehörn. Später Stationen in Hannover, Berlin und Eichstädt, seit 2007 dann Kremmen. Zur Erinnerung an die Anfänge nannte Stolley seine Feinkost- und Probierscheune auch hier Coldehörn. Seine kulinarische Offerte ist klein, aber fein. „Ich liebe das Einfache“, sagt er, „allerdings muss es toll zubereitet sein, frisch, schnörkellos, regional.“ RESTAURANT COLDEHÖRN Scheunenweg 30 16766 Kremmen Tel. 033055 – 20 0 04 www.coldehoern.de
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Schlemmen in Kremmen DER SPARGELHOF VIER JAHRESZEITEN
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Der Spargelhof Kremmen ist zuallererst natürlich ein Landwirtschaftsbetrieb, dessen Beiname „Vier Jahreszeiten“ die Produktfolge beschreibt. Dem Spargel, der von Anfang April bis Ende Juni das Bild bestimmt, folgen Anfang Juli bis Ende August die Kulturheidelbeeren. Von Anfang September bis Ende Oktober ist in Kremmen Kürbiszeit und ab November haben die am Ort aufgezogenen Freilandgänse und -enten Saison. Dass der Hof auch ein beliebtes Ausflugsziel ist, liegt einerseits an seiner Lage inmitten der idyllischen Landschaft des Rhinluchs, andererseits und sicher vor allem aber daran, dass den Gästen zu jeder „Kremmener Jahreszeit“ viel geboten wird. „Wir versuchen, in jeder Hinsicht gute Gastgeber zu sein“, so Malte Voigts, seit zehn Jahren Geschäftsführer des Spargelhofes. „Sowohl was die Angebote in unserem Hofladen als auch die unserer Hofgastronomie betrifft, haben wir Jahr für Jahr zugelegt“, fügt er hinzu, „aber nicht nur das, wir bieten auch Erlebnis und Entspannung.“
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Hofgastronomien sind häufig wenig ambitionierte Abfertigungsstätten für möglichst große Menschenmassen – kulinarisch total uninteressant. Dass das auf dem Kremmener Spargelhof nicht so ist, liegt an einem engagierten Team und einem alten Bekannten. Frank Buthmann, gebürtiger Schleswig-Holsteiner und inzwischen 47, gehörte früher mal zu Kolja Kleebergs VAU-Brigade, war Küchenchef im Berliner Weinstein, übernahm 2008 das Kleine Haus in Linum und machte dort mit schnörkelloser Regionalküche auf sich aufmerksam. 2018 heuerte er auf dem Spargelhof an und ist seit diesem Jahr dessen gastronomischer Leiter – man darf also durchaus gespannt sein, was da noch so kommt. Buthmanns Frau Janina, zuletzt als Product Scout in der Kreuzberger Markthalle Neun tätig und Marketing-Chefin Beate Gebauer sind für das Hofladen-Angebot zuständig und bieten inzwischen eine Spargelhof-Chef Malte Voigts und sein Gastronomie-Leiter Frank Buthmann, v.li.
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Offerte, die selbst den eingefleischtesten Homo sapiens Aldiensis ins Grübeln versetzen dürfte.
Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Zuständig für das Hofladen-Angebot:Marketingchefin Beate Gebauer und Janina Buthmann, v. re.
In den Regalen jedenfalls drängen sich bekannte Brandenburger Manufakturprodukte wie Büffelmozzarella, Bocconcini und Burrata des Kremmener Paolella-Teams oder die Hanf-Spezialitäten von Hempwood in Oranienburg neben regionalen Lebensmitteln von Kleinsterzeugern wie die Wildsalami von Christian Haferkorn oder das Bärlauchöl von Dirk Berdychowski. Honig aus Leegebruch, Leinöl aus Schulzendorf, Speiseeis aus Schwante, Kyritzer Säfte, Bruchhäuser Wurst, handwerklich hergestellte Käsesorten – das ist ein Einkaufserlebnis wie man es sich wünscht. SPARGELHOF KREMMEN Groß-Ziethener Weg 2 16766 Kremmen Tel. 033055 – 20 08 www.spargelhof-kremmen.de
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Laib und Seele DIE BÄCKEREI PLENTZ IN SCHWANTE
Erdbeerfest in der Kremmener Plentz-Filiale: Meister Karl-Dietmar Plentz, Verkäuferin Jessica Günther und ein Chevrolet Bel Air 1966.
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Bäckermeister Volker Rothensee und Geselle Maximilian Plentz, v.li.
033 055 79 01 30, die Bäckerei Plentz in Schwante. Wer in der Warteschleife landet, wird im Rammstein-Sound gerockt: „Wer will gutes Brot uns machen, der muss haben sieben Sachen: Herz und Hand, Fleiß und Verstand, Spaß und Stolz und ein gutes Nudelholz.“ Die Bässe wummern, und man meint wirklich, die Stimme von Till Lindemann zu erkennen. Ist es wirklich der Rammstein-Frontmann? Bäckermeister Karl-Dietmar Plentz lächelt: „Möglich.“ Wie auch immer, vor Überraschungen ist man bei dem 53-jährigen Zwei-MeterMann nur selten sicher. So hätte man auf dem Band der Bäckerei eher ein altes Kirchenlied erwartet — Plentz ist gläubiger Christ und hat keine Scheu, auch darüber zu reden — aber Pustekuchen. Karl-Dietmar Plentz ist Bäckermeister in vierter Generation. 1989 übernahm er die 112 Jahre zuvor in Oranienburg gegründete Bäckerei von seinem Vater, führte sie erfolgreich durch die Wirren der Wende, eröffnete Filialen – inzwischen sind es sieben – und bewies mit immer neuen Ideen, dass auch das Bäckerhandwerk
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
durchaus noch goldenen Boden haben kann. Eine davon ist der Holzbackofen auf dem Schwanter Dorfanger, der zwischen März und November immer freitags und samstags angeheizt wird und in dem beispielsweise die drei Kilogramm schweren Roggen-DinkelKrusten aus hauseigenem Sauerteig ausgebacken werden, deretwegen Kunden auch von weither nach Schwante kommen. Weitere Spezialitäten gibt es im großen, hellen Laden gleich nebenan: Champagnerroggenbrot, Honigbrot, Ringelblumenbrot, handgedrückte Brötchen, traditionelle Hefeblechkuchen und – unser Favorit – saftige Walnuss-Honig-Muffins mit Nüssen aus dem nahen Herzberg (Walnussmeisterei Böllersen) und Honig aus dem Fläming (Imkerei Albe). Und hier gibt es auch ein Buch, das Karl-Dietmar Plentz gemeinsam mit der Potsdamer Autorin Andrea Specht verfasst hat: Der Brotmacher, sechs Kapitel aus dem Leben eines Bäckermeisters, die von seiner regionalen Verwurzelung erzählen, von sei-
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
nem christlichen Engagement und seiner lokalpolitischen Arbeit. Von seiner Frau Agnes und den gemeinsamen fünf Kindern, auf die er so unendlich stolz ist. Von einem Frühstück mit Barack Obama, einer Planwagentour nach Weliki Nowgorod, von einer TV-Show um den Titel „Deutschlands bester Bäcker“. Von Backrezepten und Bibeltexten… „Unser wertvollstes Rezept“, sagt Karl-Dietmar Plentz, „ist sehr schlicht. Es lautet ‚Backen und Beten‘ und hat sich in guten und in schwierigen Zeiten bewährt.“ BÄCKEREI & KONDITOREI PLENTZ Dorfstraße 43 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 –79 01 30 www.plentz.de
Agnes und Karl-Dietmar Plentz.
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Kremmen-Schwante-Sommerswalde KULINARISCHE EXKURSION
Ai Weiwei: Flag for Human Rights, 2018.
George Rickey: Three Squares Vertical Diagonal II, 1986.
Eine Frau mit grauem Kurzhaar sitzt auf einer Parkbank und betrachtet versonnen den gläsernen Pavillon von Dan Graham … ein schwergewichtiger Mann hievt sich bäuchlings ins Gras, um dem AluminiumGarten von Toshihiko Mitsuya eine besondere Perspektive abzugewinnen … eine Gruppe junger Leute umrundet gestenreich und lautstark die meterhohe Säule von Gregor Hildebrandt aus gepressten und in Bronze gegossenen Schallplatten … Beobachtungen am Eröffnungstag des Skulpturenparks im Schlossgut Schwante und Bestätigung der Erkenntnis, dass die Liebe zur Kunst viele Facetten kennt, die von scheuer Verehrung bis zu wilder Zudringlichkeit reichen. Ins Leben gerufen haben diesen Park, der Kunst in einem aufregenden Ausmaß bietet, die neuen Schwanter Gutsbesitzer Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel. Das Powerpaar — sie ist promovierte Juristin und war einst jüngste Richterin Deutschlands und erfolgreiche Internetunternehmerin; er, diplomierter Betriebswirt und Kunsthistoriker, arbeitete jahrelang als Investmentbanker — erwarb
Tony Cragg: Elliptical Column, 2012.
Hans Arp: Architektonische Skulptur, 1958.
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KULINARISCHE EXKURSION Kremmen-Schwante-Sommerswalde
Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel.
2019 das Schloss und den 20-Hektar-Park. „Der Ort war da, und aus dem Ort heraus entstand das Projekt“, so Loretta Würtenberger. Ein Projekt, das es in sich hatte: Sanierung des Schlosses Schwante, das Würtenberger-Tümpel und ihre vier Kinder künftig bewohnen werden, Rekultivierung des Schlossparks, Organisation der Skulpturenausstellung, Aufbau eines Hofrestaurants, Einrichtung eines Hofladens, dazu der Umzug der Familie und ihrer Firma Fine Art Partners nach Schwante, Öffentlichkeitsarbeit, Personalsuche… Über all das und vor allem natürlich über die 23 Skulpturen international bekannter Künstler — darunter Ai Weiwei, Hans Arp, Tony Cragg, Katja Strunz und Toby Ziegler — sprechen Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel ohne Selbstgefälligkeiten und ohne Geltungsbedürfnis. „Der Reiz unseres Projekts liegt für uns in der standortlichen und architektonischen Besonderheit des Schlossgutes“, sagen sie. Und: Küchenchefin Yogini Hufendiek und Konditormeisterin Gloria Mara Baldi, v.re.
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„Wir sind kein Ausstellungsort im klassischen Sinne, sondern ein von der ländlichen Umgebung geprägter Begegnungsraum.“
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Gregor Hildebrandt: Säule, 2018.
Toshihiko Mitsuya: The Aluminium Garden — Structural Study of Plants 2019/2020.
Am 30. September 1894 schrieb Theodor Fontane in einem Brief an seine Tochter Mete: „Die Verpflegungsfrage ist für den Kulturmenschen eigentlich das Wichtigste.“ Eine Erkenntnis, die Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel nicht anzweifeln. Ganz im Gegenteil. In einem Backsteinhaus richteten sie einen Hofladen und ein Restaurant ein und stellten mit der Konditormeisterin Gloria Mara Baldi und der Küchenchefin Yogini Hufendiek zwei junge Frauen an, die ihr Handwerk beherrschen. „Landhausküche mit Pfiff“, fassen sie ihr Konzept zusammen. Wir sagen: Glückliches Schwante! SCHLOSSGUT SCHWANTE Schlossplatz 1-3 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 – 20 24 60 www.schlossgut-schwante.de
Katja Strunz: Unfolding Process, 2020.
Martin Creed: Work No. 1086, 2011.
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Forsthaus Sommerswalde GEHEIMTIPP FERNAB DER GROßEN STRAßEN
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Forsthaus-Inhaber Andree Franke.
Dieses Forsthaus abseits der großen Straßen ist schon etwas besonderes — nicht nur, weil hier kein Förster zu Hause ist und sein Name in Versalien – also FORSTHAUS – geschrieben wird, sondern vor allem deshalb, weil es Dinge bietet, die man hier nicht erwartet. „Kleinod im Schwanter Forst“, „Perle im Kremmener Land“, „architektonische Augenweide“, „kulinarischer Geheimtipp“ – das Lob der Gäste, die den Weg hierher fanden (die einschlägigen Reiseführer lassen das FORSTHAUS aus nicht nachvollziehbaren Gründen links liegen), spricht Bände. Hausherr des 1860 erbauten Anwesens ist Andree Franke, 53, Bauingenieur mit eigenem Büro in Glienicke-Nordbahn. Der Berliner entdeckte vor knapp acht Jahren das Haus mit den zugehörigen Stallungen. „Die Gebäude waren Ruinen mit Wildnis drumherum“, erzählt er, „trotzdem habe ich mich stante pede in das Areal verliebt.“ Er kaufte das Anwesen, plante ein Jahr lang und baute ein weiteres. 2015 eröffnete er das FORSTHAUS, den Sommergarten, die Ver-
Veranstaltungsleiter Heiko Franke.
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Restaurantleiterin Sandra Haase und Küchenchef Joachim Schöber.
anstaltungsscheune und drei Ferienwohnungen. Andree Franke, selbst begeisterter Sportler, installierte Anlagen für Armbrust- und Bogenschießen, legte einen Bouleplatz an und eine sommers wie winters nutzbare Stockbahn. Es gibt einen Spielplatz und einen Fahrradverleih, und aus dem verwilderten Park wurde eine grüne Oase inklusive Kräutergarten und Streuobstwiese, an der selbst Profi-Pomologen ihre Freude haben dürften. Und Franke hat auf dem 7.000 Quadratmeter großen FORSTHAUS-Gelände noch einiges vor – „aber wir wollen langsam wachsen.“ Weil der 53-jährige „Hobbygastronom“, wie er sich selbst nennt, nichts dem Zufall überlässt, holte er seinen Bruder Heiko und Schwägerin Sandra Haase ins Boot – ihn als Veranstaltungsmanager, sie als Restaurantleiterin. Irgendwie zur Familie gehört auch Küchenchef Joachim Schöber. Der 41-jährige Oranienburger kam nach Stationen in Wiehl, Berlin, Regensburg und im kanadischen Vancouver 2015 nach Sommerswalde
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und realisiert hier ein sympathisch-unschnöselhaftes Konzept, das man sich auch andernorts in Brandenburger Ausflugsgaststätten gut vorstellen könnte. Dabei setzt Schöber vor allem auf die Produkte der Region – vor allem auf Wild aus den Wäldern ringsum – und kontemporäre Zubereitungen für Sie und Ihn und ihre Kids. Leicht gekocht, geschmacklich fein abgestimmt und hübsch arrangiert. Einen guten Ruf genießt das idyllische FORSTHAUS-Anwesen inzwischen auch bei Berliner und Brandenburger Hochzeitsplanern, 2016 wurde es sogar Außenstelle des Hennigsdorfer Standesamtes. FORSTHAUS SOMMERSWALDE Sommerswalde 4-5 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 – 21 55 98 www.forsthaus-sommerswalde.de
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Der Bienenkönig DER BERLINER UNTERNEHMER MARCO SKALA PLANT GROßES IN KREMMEN
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Die letzte Station unserer Brandenburger Landpartie führt uns wie-
Tatsächlich summt und brummt es etwa in Berlin seit Jahren, selbst
der zurück nach Kremmen, allerdings nur für einen Minutenstopp
auf Hoteldächern und sogar im Innenhof des Bundestages stehen
mit laufendem Motor auf einem früheren Aldi-Parkplatz. Ein Berli-
Bienenstöcke. Marco Skala: „Allein in der Hauptstadt gibt es rund
ner Unternehmer will hier und in der nicht mehr genutzten Halle des
2.000 Imker, die etwa 11.000 Bienenvölker betreuen, und Branden-
Discounters ein Kompetenzzentrum für Berufs- und Hobbyimker
burg zählt sogar 5.100 Bienenhalter mit rund 52.600 Völkern.“
einrichten. „Zudem wollen wir diesen Ort nutzen, um Probleme wie das Insektensterben zu thematisieren“, sagt Marco Skala.
Der Bienen-Boom und die Tatsache, dass in Haselhorst Wohnungen gebaut werden sollen, ließen Marco Skala auf die Suche nach
Der 39-Jährige, gelernter Gas-Wasser-Installateur, betreibt seit
einem neuen Domizil gehen – und in Kremmen fündig werden. Neben
acht Jahren im Spandauer Ortsteil Haselhorst den Fachhandel für
dem Angebot all dessen, was Imker brauchen, plant der Unternehmer
Imkereibedarf „beekeepers“ – mit rund 4.000 Artikeln auf 1.000
dort einen Bienenlehrpfad, ein Bienen-Café und eine Schauimkerei.
Quadratmetern Verkaufsfläche einer der größten seiner Art in Ber-
Ende des Jahres will er „beekeepers Bienenwelt“ eröffnen.
lin und Brandenburg.
Kremmen wird’s freuen, zumal in der Stadt schon vor 300 Jah-
Jahr für Jahr nehme die Zahl derer zu, die das faszinierende
ren Imkereigeschichte geschrieben wurde: Johann Grüwel, einst
Imker-Hobby ausüben, so Marco Skala. „Die Zeiten, in denen es
Kremmener Bürgermeister, veröffentlichte 1709 die Abhandlung
lediglich als Altherrenbeschäftigung in ländlichen Regionen galt,
„Brandenburgische Bewährte Bienen-Kunst“.
sind längst vorbei.“
www.beekeepers24.com
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RUBRIKEN Berliner Marktnischen
tigsten öffentlichen Verkaufsplätze für Butter, Eier, Honig, Käse, Korn und Wolle. Deren Zahl stieg mit der Zeit zunehmend, so gab es 1882 innerhalb der Stadtgrenzen 19 Wochenmärkte mit rund 10.500 Marktständen, die jedoch mit dem Bau der Markthallen wieder verschwanden. 1952, die meisten Markthallen waren zerstört, forderte der Regierende Bürger meister Ernst Reuter: „Vor's Rathaus gehört ein Markt!“ Er meinte das Rathaus Schöneberg und beendete mit seinem Machtwort eine jahrelange Diskussion um den wichtigsten Wochenmarkt Berlins. Berlin-Wedding 1926: Der Toppmarkt.
Heute gibt es wieder rund 120 Wochenmärkte in Berlin – nicht nur vor Rathäu-
Wochenmärkte haben in Berlin eine lange
er genannt. Im benachbarten Berlin sind
sern – die sich wachsender Beliebtheit er-
Tradition. Der erste urkundlich erwähnte
der Molkenmarkt und der 1728 von Fried-
freuen. Unter der Rubrik „Marktnischen“
Markt ist der Spandauer, bereits im Stadt-
rich Wilhelm I. per Kabinettsbeschluss
stellt Garcon Händler vor, deren Offerten
gründungsdokument vom 7. März 1232 wird
geschaffene Gendarmenmarkt die wich-
auch eine weite Anreise wert sind.
BERLINER MARKTNISCHEN ENTDECKUNGEN ZWISCHEN ARMINIUSHALLE UND MAYBACHUFER Die Berliner Stadtfarm befindet sich gefühlt ziemlich j.w.d., aber in diesem Fall täuscht das Gefühl. Das Gewächshausareal liegt im östlichen Lichtenberg zwischen dem Landschaftspark Herzberge und dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, sicher ein bisschen versteckt, aber der Blick ins Internet oder das Navi helfen Erstbesuchern schnell. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrieb die Städtische Irrenanstalt Herzberge hier Ackerbau und Viehzucht, zu DDR-Zeiten wurde das Gelände vom Volkseigenen Gut Gartenbau genutzt, um Blumen für den Westexport zu züchten, nach der Wende „Die regionale Alternative fürs Lachsfrühstück“, mit diesem Slogan wirbt
übernahm die Natur das Regiment.
die Stadtfarm Berlin für ihre mit einem Rote-Bete-Würzmix gebeizten
2017 schließlich ging die Stadtfarm Ber-
Filets des African Catfish. Das grätenfreie Fleisch dieses zur Familie der
lin mit dem Ziel an den Start, eine landwirt-
Raubwelse gehörenden und in nachhaltiger Aquakultur am Standort des
schaftliche Produktion zur Versorgung der
Unternehmens in Berlin-Lichtenberg gezüchteten Süßwasserfisches ist
Menschen in der Stadt mit Produkten aus
bissfest, fettarm und von einer feinen Aromatik.
der Stadt zu etablieren. Stichwort: Smart Urban Farming.
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Bertliner Marktnischen RUBRIKEN
Die Stadtfarmer haben eine Catfish-Zucht aufgebaut, kultivieren
gleich zur konventionellen Landwirtschaft benötigen wir auch weit
außerdem Kräuter und Gemüse und verarbeiten einen Teil ihrer
weniger Wasser, genau gesagt, 80 Prozent weniger“, so Stadtfarm-
Produkte sogar selbst. Das klingt erstmal nicht besonders spekta-
Geschäftsführerin Anne-Kathrin Kuhlemann.
kulär, wird es aber dann, wenn man erfährt, wie sie das tun.
50 Tonnen Catfish, 30 Tonnen Kräuter sowie Gurken, Tomaten,
Sowohl der Fisch als auch die Kräuter und das Gemüse stam-
Paprika, Mangold und Grünkohl erzeugt das Unternehmen auf die-
men aus einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die auf Antibio-
se Weise jährlich. Den African Catfish gibt es frisch, gebeizt oder
tika, Hormone, Pestizide und künstliche Düngemittel verzichten
geräuchert im eigenen Hofladen oder im Online-Shop des Unter-
kann. Ein zweites Stichwort: Aqua Terra Ponic.
nehmens. Und einmal im Monat ist Markttag auf der Stadtfarm mit
Die Technologie führt Wasser in einen vollständig geschlossenen Kreislauf: Wenn es von den Ausscheidungen der Fische
weiteren Anbietern – etwa dem Biohof Zühlke, dem Gut Hirschaue und der Berliner Biobäckerei Endorphina.
verunreinigt ist, wird es aus den Bassins abgepumpt – in natürlichen Filtern geschieht die Umwandlung von Ammoniak durch eine sogenannte Bakterien-Oxidation erst in Nitrit, dann in Nitrat – anschließend fließt das nährstoffreiche Wasser in die Kräuterund Gemüsegärten – wird danach aufgefangen und wieder in die Fischbassins geleitet. „Bei uns fällt kein Abwasser an, und im Ver-
Stadtfarm im Landschaftspark Herzberge Allee der Kosmonauten 16 10315 Berlin-Lichtenberg www.stadtfarm.de
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RUBRIKEN Kulinarische Nachlese
Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria. Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare.
Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr, v.re.
Nun stöbern Johannes Mohr und Swen
„Trotz Internet und Fernsehküche – Koch
Die beiden Männer zogen im Januar 2010
Kernemann-Mohr sozusagen auch öffent-
bücher werden immer ein Kulturgut blei-
aus dem Ruhrpott nach Berlin und be-
lich. Für Garcon blättern sie in Kochbü-
ben“, davon sind Johannes Mohr und Swen
treiben seitdem in einem restaurierten
chern aus vergangenen Zeiten und notie-
Kernemann-Mohr überzeugt.
Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der
ren, was sie dabei bewegt.
KULINARISCHE NACHLESE IN ALTEN KOCHBÜCHERN GEBLÄTTERT VON JOHANNES MOHR UND SWEN KERNEMANN-MOHR
Der heruntergekommene Lucull Kochende Probleme von Karola Moll Illustrationen von G. Woldemar Hörnig J.P. Toth Verlag Hamburg Hamburg 1947 63 Seiten Preis (antiquarisch): 28,00 Euro
Ein Kochbuch mit Illustrationen wünschte sich die Chefredakteurin
nämlich auch ein begnadeter Maler und Zeichner, was die meisten
für unsere Nachlese-Kolumne in dieser Garcon-Ausgabe. „Passend
seiner Kochbücher eindrucksvoll belegen – „Lust auf Genuss“ (1998)
zum Titel des Heftes“, ließ sie uns ausrichten. Ein Kochbuch mit
beispielsweise oder „Kulinarische Skizzen“ (2002).
Illustrationen? Zuerst fiel uns Hans Haas ein, bis Ende 2020 noch
Am Ende entschieden wir uns dann doch für das Bändchen „Der
Küchenchef im Münchner Tantris. Der große Meister am Herd ist
heruntergekommene Lucull“ – einfach weil es älter und seltener ist.
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Kulinarische Nachlese RUBRIKEN
Ein schlichter Pappeinband, einfache Klebebindung und grobes Pa-
Karola, die Autorin des Bandes, wohnt – weil ausgebombt – mit
pier – das sind die äußeren Kennzeichen dieses 63-Seiten-Bandes.
ihrem Mann Lucull teilmöbliert in Hamburg-Barmbek und ist als
Das Erscheinungsjahr erklärt die Aufmachung: 1947. Damit dürf-
Köchin gnadenlos kreativ. Sie verarbeitet Brennnesseln und Zucker-
te „Der heruntergekommene Lucull“ eines der ersten Kochbücher
rübenblätter, macht aus Margarine, Apfelmus, Grieß und Zwiebeln
sein, die nach dem Krieg in Deutschland herausgegeben wurden.
künstliches Schmalz und aus Kartoffelmehl, Magermilch und Back-
Was kochten die vom Mangel traumatisierten Hausfrauen im zerbombten Deutschland – einem Land, in dem Lebensmittelkarten, Hamsterfahrten und Schwarzmarktkäufe an der Tagesordnung waren?
pulver falsche Schlagsahne. Es gibt Brotsuppe, Haferflockenklopse und Kohlklöße. Die Anregung, ihre Rezepte aufzuschreiben, kommt von Lucull. Karola wird so zur Kochbuchautorin und – aus heutiger Sicht –
Bei uns zu Hause im Ruhrgebiet beispielsweise gab es fol-
auch zur Geschichtsschreiberin. Ihr Büchlein hatte aber nicht
genden Reim: „Deutschland, Deutschland ohne alles, ohne But-
lange Bestand – mit der Währungsreform 1948 verbesserte sich
ter, ohne Speck. Und das bisschen Marmelade frisst uns die Be-
auch die Versorgungslage, 1950 wurden die Lebensmittelkarten
satzung weg.“ Schmalhans war Küchenmeister in den meisten
abgeschafft.
Haushalten, die Küche praktisch fettfrei. Kein Wunder, musste
Die Illustrationen stammen übrigens von G. Woldemar Hör-
man für ein Pfund Butter auf dem Schwarzmarkt 250 Mark hin-
nig, der sich 16 Jahre später mit der Gestaltung des ersten ZDF-
blättern. Fleisch und Fisch waren Raritäten, Obst sowieso. Was
Senderlogos einen Namen machte.
kam also dann auf die Teller?
www.bibliotheca-culinaria.de
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ADVERTORIAL
SERIE: L‘Art de Vivre Residenzen – eine Vereinigung herausragender Gastgeber, Spitzen- und Sterne-Köche, die zu den besten Restaurants & Hotels im deutschsprachigen Raum zählen. Sie verbindet seit mehr als 30 Jahren ein besonderer Wertekanon sowie die Solidarität untereinander.
SPITZENTYPEN
DIE HÜTER DER BURG Drei Generationen, zwei Familien, eine Vision: Hoch über dem Filstal haben weitsichtige Gastronomen in historischer Kulisse ihren Stammsitz eingerichtet: Hotel Burg Staufeneck. Burgherr sein – das klingt romantisch. Man denkt an wehrhafte Mauern, gewaltige Tore und herrliche Weitsicht, in grauer Vorzeit überlebenswichtig. Die Geschichte der Burg Staufeneck im baden-württembergischen Salach geht auf das Jahr 1080 zurück, als Ludwig von Staufen den Bau eines Stammsitzes in Auftrag gab. Mehr als 250 Jahre blieb sie im Besitz des Adelsgeschlechts. Später wird sie verkauft, vererbt – und verfällt. Bis 1926 der Burgfried wieder zugänglich gemacht wird. Pächterin Hildegard Wörner eröffnet einen Kiosk. Damit beginnt eine neue Familienchronik: Fast 50 Jahre später übernimmt ihre Tochter Lore mit Ehemann Erich Straubinger die Wirtschaft, Restaurant und Bankettsaal entstehen. Familie Straubinger erwirbt die Burganlage. Sohn Rolf wird Küchenchef und holt 1991 den Michelin-Stern; seine Frau und seine Schwester Karin organisieren Events. Karin heiratet ihren Jugendfreund Klaus Schurr, der als Manager einsteigt. Beide Paare haben eine gemeinsame Vision: Sie bauen ein Spitzenhotel in historischer Kulisse, mit erstklassigem Restaurant und Wellnessbereich.
Der Auszeichnung als „Hoteliers des Jahres 2011“ folgte die Fünf-Sterne-Superior-Zertifizierung. Heute zählt die Burg zu den 30 besten Hotels in Deutschland und ist als Hochzeitslocation beliebt. 2020 präsentieren sich Burgrestaurant und Gourmetlokal in neuer Gestalt. Staufeneck hat einen exzellenten Ruf zu verteidigen. Von Gästen lässt man sich dabei gern belagern.
Gutes Team: Küchenchef Rolf Straubinger (links) und Hotelchef Klaus Schurr Fotos © Hotel
www.lartdevivre-residenzen.com 106
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Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI
Inhaber und Sommelier Serhat Aktaş...
NACHRICHTEN UND NEUIGKEITEN Todesmutig oder erfolgsgläubig? Während die meisten Berliner Gastronomen in den letzten Monaten von der Krise geschüttelt wurden und einige sogar das Handtuch warfen, wagten andere den Start ins Essen-und-Trinken-Business. So eröffneten am 16. Mai Marisa und Egbert Möller in Charlottenburg ihr Restaurant Anouki; Lara und Franklin Edmond zogen am 23. Mai mit ihrem Le Cellier im Friedrichshainer Kiez nach, und am 30. Juni schließlich luden Serhat Aktaş und Antje Ewald zur Eröffnungsparty in ihr Bistro „Der
zum Restaurantfachmann im Aigner am Gendarmenmarkt. „Herbert Beltle weckte in mir das Interesse an der Welt der Weine“, sagt er. Es wurde seine Welt. Staatlich geprüfter Sommelier, Chefsommelier im Sternerestaurant SAVU am Kurfürstendamm, Önologiestudium an der Universität Geisenheim – da war die eigene Weinbar nur konsequent. Ende Frebruar 2020 übernahm Serhat Aktaş das einstige Café Linz nahe des Kaiser-Wilhelm-Platzes, investierte und sanierte und schuf einen atmosphärisch höchst gelungen urbanen Zufluchtsort.
Weinlobbyist“ in der Schöneberger Kolonnenstraße, das mit gästefreundlichen Öffnungszeiten (11.00 bis 23.00 Uhr), einem idylli-
DER WEINLOBBYIST
schen Innenhof und einer sorgfältig zusammengestellten Weinofferte punktet. Keine Frage, Aktaş ist – wenn es um Wein geht – ein Auskenner. Der 28-Jährige stammt aus Izmir, kam – elfjährig – mit seiner
Kolonnenstraße 62 10827 Berlin-Schöneberg Tel. 030 – 30 64 07 72 kontakt@weinlobbyist.de
Familie nach Berlin, beendete hier die Schule und eine Ausbildung
… und seine Partnerin Antje Ewald, früher Bankett-Chefin im Regent Hotel.
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„Wer wissen will, was genau er eigent-
endeinkauf etwa in der Prignitz zu erledigen,
lich isst, kann das am besten in Erfahrung
obwohl regional und direkt immer besser ist
bringen, wenn er in der eigenen Region
als von weither und aus dem Supermarkt.
direkt beim Erzeuger kauft und ihm quasi
Und so empfiehlt er Berlinern und Pots-
bei der Arbeit über die Schulter schaut“, rät
damern – ohnehin die wohl wichtigsten
der Berliner Autor Robert Zagolla in seinem
potentiellen Rezipienten dieses Guides
Anfang des Jahres bei be.bra erschienenen
– Hofläden in der näheren Umgebung per
Band „Hofläden in Brandenburg“. Ein Satz,
Fahrrad zu entdecken (schade, dass Za-
den sicher die meisten Verbraucher unter-
golla den Blankenfelder Bauernhof nicht
schreiben würden. Aber wie das eben oft im
erwähnt – Sabina Lischkas Käsespezia-
Leben ist – zwischen allgemeiner Zustim-
litäten hätten einen Tipp verdient gehabt,
mung und konkretem Handeln klafft dann
so geschmacksstark wie sie sind) oder
doch eine ziemliche Lücke.
aber den nächsten Landausflug nach Bran-
Einer Umfrage des Bundesministeriums
denburg zu nutzen, um einige Hofläden, die
für Ernährung und Landwirtschaft zum Ein-
ohnehin auf der Route liegen, zu besuchen.
kaufsverhalten der Deutschen zufolge, er-
Robert Zagolla rät aus gutem Grund, die
ledigen die meisten ihre Einkäufe im Super-
angegebenen Adressen und Öffnungszei-
markt – 64 Prozent. Rund 35 Prozent kaufen
ten noch einmal zu überprüfen. Die Recher-
beim Discounter ein, 11 Prozent im Bioladen
chen zu seinem Guide erstreckten sich über
oder Biosupermarkt, und 9 Prozent nutzen
mehrere Jahre – verständlich, wenn es in
die Angebote von Wochenmärkten. Ledig-
dieser Zeit da und dort Änderungen gab.
lich 7 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig regionale Hofläden zu besuchen, um dort frisches Obst und Gemüse, Fleisch
HOFLÄDEN IN BRANDENBURG
aus artgerechter Haltung, hausgemachte
Die besten Ideen und Adressen
Wurst, Honig, manufakturell hergestellten
für kulinarische Landausflüge
Käse oder Fisch aus nachhaltiger Zucht
Robert Zagolla
zu kaufen.
edition q im be.bra verlag GmbH
Zagollas Führer durch die Welt der Bran-
Berlin-Brandenburg 2020
denburger Hofläden – der Autor beschreibt
www.hoflaeden-in-brandenburg.de
rund 300 dieser kulinarischen Orte – ist nun
ISBN 978-3-86124-714-2
beileibe keine Aufforderung, seinen Wochen-
www.bebraverlag.de
399,-
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KANN STUNDENLANG MAHLEN! Motor 360 W 100 g feinstes Mehl pro Minute TOP QUALITÄT ZUM BESTEN PREIS. 40 Jahre Erfahrung im Mühlenbau stecken in der neuen Steinmühle von Wolfgang Mock: „So leise, so einfach bedienbar, so feines Mehl und noch dazu kann sie stundenlang mahlen. Das ist in dieser Preisklasse echt der Hammer!“ Quality made in Germany.
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VERLAG UND REDAKTION Bild Art Media Verlag Inh. Yvonne Weinlich Marzahner Promenade 26 12679 Berlin Fon 0 30 - 28 86 79 70 Fax 0 30 - 28 86 79 69 info@bildart-verlag.de www.garcon24.de | facebook.de/garcon24 HERAUSGEBER Yvonne Weinlich (V.i.S.d.P.) REDAKTION Petra Leonhardt (Leitung) Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc Steyer, Wolf-Dietrich Strobel Julia Junker, Heiko Schweter (Praktikanten) AUTOREN UND KOLUMNISTEN Uwe Ahrens, Anaïs Causse, Hans Diener, Stephan Falke, Marcus Fuhrmann, Swen Kernemann-Mohr, Shoko Kono, Dagmar Maas, Johannes Mohr, Rafael Neitzsch, Jörg Teuscher, Thorsten Tonski, Christian Zeltner GRAFIK UND LAYOUT Diana Putzu (diana.putzu@freenet.de) Maik Kleinhanns (info@davin-c.de)
TITELBILD Marie Geißler www.mariegeissler.de
Vor 115 Jahren entdeckte der elfjährige
Wir wollen wissen, wie hoch der jährliche Eis-
Frank Epperson in San Francisco per Zufall
am-Stiel-Konsum in Deutschland derzeit ist:
das Stiel-Eis. 1923 meldete er es als „Popsicle“ („pop“: ein Synonym für Limonade – „sicle“: eine Abwandlung von „icicle“= Eiszapfen) zum Patent an. Wer wissen will, wie das Stiel-Eis aus den USA in deutsche Tiefkühlfächer kam, landet
A ca. 500 Millionen Stück B ca. eine Milliarde Stück C ca. zwei Milliarden Stück
unweigerlich bei Theo Schöller. Der Sohn eines Nürnberger Büromöbel-Fabrikanten hatte Mitte der 1930er die eisige Spezialität probiert und war davon dermaßen begeistert, dass er gemeinsam mit seinem Bruder Karl eine Firma für die Herstellung von StielEis gründete. Schnell folgte das Hamburger Unternehmen Langnese, das im Jahr 1937 bereits 20 Millionen Eis am Stiel produzierte und dessen Klassiker Capri (1959), Nogger (1963) und Magnum (1989) noch heute in aller Munde sind.
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Ihre Antwort bitte an: Bildart Media Verlag Redaktion GARÇON Marzahner Promenade 26 12679 Berlin E-Mail: info@bildart-verlag.de Die Gewinne, drei wertvolle Kochbücher, werden unter den Teilnehmern verlost, die die Frage richtig beantwortet haben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 15. September 2020. Die Gewinne werden per Post zugesandt.
FOTOS UND ILLUSTRATIONEN Heiko Gralki, Jörg Teuscher, Archiv Garçon, Anette Köhn (1/Illustration S.8), Marie Geißler (4/Porträt-Illustrationen S.11, 15, 19 und Illustration S.33), La Lucha (2/S.17 unten), Hotel Oderberger (1/S.36) www.yolcsita.com (1/S.52 unten), Azienda Agricola Josè Noè, Papa dei Boschi(2/S.59), Katsushi Oochi (3/S.61) ANZEIGEN Yvonne Weinlich, Heiko Gralki, Henriette Jüngel anzeigen@bildart-verlag.de DRUCK www.pingoprint.de BEZUGSHINWEISE Zu beziehen im Zeitschriftenhandel oder im Abon nement. Einzelheftbestellung: Jedes Heft kostet 6,00 Euro, zuzüglich 1,55 Euro Versandkosten pro Sendung. Bezahlung nach Erhalt der Rechnung oder im Lastschrifteinzugsverfahren. Alle Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung bedarf der Zustimmung des Verlages. Aufnahme in Online-Dienste, Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach schriftlicher Bestätigung des Verlages.