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Berlin Food Kollektiv
Dr. Verena Jaeschke, geboren 1983 in Göttingen, wuchs in Berlin auf, studierte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und promovierte mit einem kulturgeschichtlichen Thema.
Ihre Familie kaufte 2011 den seit Jahrzehnten leer stehenden denkmalgeschützten Neorenaissancebau des ehemaligen Stadtbades in der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg und startete dessen Sanierung sowie den Umbau in ein Hotel. Verena Jaeschke übernahm die Verantwortung für das Interior-Design und fungiert seit der Wiedereröffnung des Hauses – 70 Zimmer, zwei Apartments, 10 Seminarräume, die öffentliche Schwimmhalle, das angesagte Restaurant Oderberger – als Hoteldirektorin. Anfang Mai 2020 gehörte die 37-Jährige zu den Mitgründern des Berlin Food Kollektivs. www.hotel-oderberger.berlin
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Aufbruch zu neuen Ufern
GESPRÄCH MIT DR. VERENA JAESCHKE ZUM PROJEKT BERLIN FOOD KOLLEKTIV
Zuerst mal zu den Fakten: Wann wurde denn das Berlin Food Kollektiv gegründet, Frau Jaeschke?
Anfang April trafen sich ziemlich spontan einige Berliner Gastgeber, Gastronomen und Hoteliers, im Hotel Michelberger. Unsere Betriebe waren geschlossen. Wir wollten die Situation besprechen. In der Diskussion entstand die Idee, das Berlin Food Kollektiv zu gründen. Ja, und das haben wir dann auch gemacht, mit dem Wissen, dass die Antwort auf diese Krise in der Kooperation besteht.
Wer gehört zum Kollektiv?
Gleichgesinnte. Die Hotels Michelberger und Orania, unser Haus, also das Oderberger, die Sternerestaurants Nobelhart & Schmutzig, Rutz, Coda Dessert Dining, Horváth, Tim Raue, Tulus Lotrek sowie das Brlo Brwhouse, Lode & Stijn und das Restaurant Otto.
Was wollen Sie mit diesem Zusammenschluss erreichen?
Ich nenne es lieber Schulterschluss, aber es geht uns nicht um begriffliche Feinheiten, sondern darum, die kulturelle und soziale Funktion der Gastronomie in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.
Das klingt, ehrlich gesagt, ziemlich spröde. Worin besteht denn Ihrer Meinung nach die kulturelle und soziale Funktion der Gastronomie, Frau Jaeschke?
Darüber könnte ich jetzt lange referieren, aber das ist sicher nicht in Ihrem Sinne. Sehen Sie, vordergründig geht es erstmal um Versorgung, um Essen und Trinken, natürlich auch um Genuss. Das wichtigste Verlangen jedoch ist – so jedenfalls sehe ich das – der Wunsch nach Geselligkeit, nach Kommunikation, nach einem Miteinander. Und die Gastronomie bietet Orte, an denen das möglich ist. Orte der Begegnung eben. Und je mehr Seele diese Orte haben, desto besser können sie auch diese Funktion erfüllen.
Auch unter den Bedingungen der so genannten ‚neuen Normalität‘, also Maskenschutz und Abstandsregeln?
Mit Sicherheit. Dieser neue Alltag, die neuen Regeln für Hygiene und zwischenmenschlichen Umgang erschweren zwar dieses Miteinander, machen es aber nicht unmöglich. Und außerdem — wir können doch jetzt nicht sagen – Gastronomie: rien ne va plus. Nein, wir müssen unsere Arbeit eher neu definieren – mit mehr Umsicht und einer gewissen Demut. Mit einem neuen Verständnis unserer Gastgeberrolle. Mit einer größeren Wertschätzung regionaler Produkte, mit mehr Nachhaltigkeit.
Dafür hat das Berlin Food Kollektiv dann auch eine erste Aktion gestartet – #facesbehindplaces – wenn ich richtig gelesen habe?
Genau, mit dieser digitalen Aktion sind wir am 6. Mai online gegangen. Wir haben deutschlandweit Gastronomen eingeladen, auf ihren Instagram-Kanälen Porträts all der Menschen zu zeigen, die an einem x-beliebigen Gericht direkt und indirekt beteiligt waren – Köche, deren Helfer und Lieferanten, Bauern, Gärtner, Fischer, natürlich auch die Servicemitarbeiter, Spüler usw., eben alle, die im Ökosystem Gastronomie beschäftigt sind und hinter dem Erlebnis stehen, das wir unseren Gästen jeden Tag bieten.
Mit welchem Ergebnis?
Es war großartig. Wir konnten mit dieser Aktion zeigen, wer die Gastronomie zu dem macht, was sie ist.