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Doris Salcedo: Palimpsest
09.10.2022 – 29.01.2023
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Parallel zur Sammlungsausstellung zeigt die Fondation Beyeler im grössten Saal des Museums die raumgreifende Installation Palimpsest der international renommierten kolumbianischen Künstlerin Doris Salcedo.
In Palimpsest widmet sich Salcedo den unzähligen Geflüchteten, die in den letzten zwanzig Jahren auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa bei der gefährlichen Überquerung des Mittelmeers oder im Atlantik ertrunken sind. Fast fünf Jahre lang verfolgte die Künstlerin die internationale Berichterstattung und sprach mit Überlebenden und Hinterbliebenen der Opfer. Die erschütternden Geschichten und Schicksale sowie die tiefgreifenden Folgen jedes einzelnen Todesfalls für die Angehörigen und Freunde veranlassten sie, die Namen von über 300 zu Tode gekommenen Geflüchteten in einer Arbeit festzuhalten, welche dieser abstrakten Tragödie Ausdruck verleiht. Der Titel des Ausstellungsprojekts geht auf das altgriechische Wort «Palimpsest» zurück, welches Manuskriptseiten bezeichnet, die im Verlauf der Antike und des Mittelalters mehrmals beschriftet wurden. Die Spuren der ursprünglichen Zeilen blieben dabei zum Teil unter der neuen Schrift sichtbar, was die Überlieferung der alten Texte erst ermöglichte.
Doris Salcedos Palimpsest ist eine begehbare Installation aus sandfarbenen, porösen Bodenplatten. Das Werk besteht aus zwei sich überlagernden Namenszyklen verstorbener Geflüchteter: Zum einen sind die Namen in die Steinplatten eingelassen; zum andern quellen aus ihnen Wassertropfen hervor, die sich zu Buchstaben und weiteren Namen verbinden und anschliessend wieder versickern – dies in einem ständigen Kreislauf von Einschreibung und Auslöschung. Mit diesem Bild einer «weinenden Erde» thematisiert Salcedo universelle Empfindungen wie Empathie, Trauer und Verlust als eine ebenso zeitlose wie kulturübergreifende Erfahrung.
Salcedos Arbeit ist gleichermassen poetisch wie zerbrechlich. Palimpsest beschwört die Erinnerung an die Menschen herauf, die mit ihrem Tod dem Vergessen anheimzufallen drohen, und ist gleichzeitig eine Hommage an die Trauer der Lebenden.
Doris Salcedo zählt zu den wichtigsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie wurde 1958 in Bogotá, Kolumbien, geboren, wo sie auch heute noch lebt und arbeitet. Palimpsest wird in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin und der Galerie White Cube, London, realisiert. ◀