5 minute read

Interview Karl Sevelda

Next Article
FLV-listing

FLV-listing

„Arbeit ist zu hoch belastet“

In Zeiten wie diesen regiert weiterhin das Prinzip Hoffnung, wobei die Politik angesichts von Corona nicht auf wichtige Strukturreformen vergessen darf: Zum Beispiel auf die Senkung der Lohnkosten, meint Karl Sevelda.

Advertisement

HARALD KOLERUS

Die Wirtschaft wird sich erholen, im Unterschied zu 2020 werden wir heuer wieder Wachstum sehen.

ZUR PERSON

Dr. Karl Sevelda (Jahrgang 1950) studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien, im Jahr 1980 promovierte er zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Sevelda blickt auf eine 40-jährige Bankkarriere zurück und war von 2013 bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International. Heute ist er Präsident von EcoAustria und auch weiterhin in vielen Gremien und Aufsichtsräten aktiv. A ls ehemaliger Chef der Raiffeisenbank International weiß Karl Sevelda, wo in der heimischen Wirtschaft der Schuh drückt. Heute spricht er sich als Präsident des Forschungsinstituts EcoAustria für strukturelle Reformen aus.

Was sind die Aufgaben und Forschungsschwerpunkte von EcoAustria?

EcoAustria ist ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut, das ich als marktwirtschaftlich-liberal bezeichnen würde. Unser Fokus liegt auf der Analyse der öffentlichen Finanzen und der Effizienz des öffentlichen Sektors. Themen sind dabei etwa unser Pensionssystem, der Wirtschaftsstandort Österreich oder die Digitalisierung. EcoAustria leistet fundierte, unabhängige, evidenzbasierte Wirtschaftsforschung und liefert so einen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Diskussion im Land. Mit diesem Ansatz ist es EcoAustria gelungen, sich auf nationaler wie auch internationaler Ebene zu etablieren.

Wie groß ist das Team, und wie erfolgt die Finanzierung?

Wir sind ein gemeinnütziger Verein mit der Aufgabe, die wissenschaftliche Wirtschaftsforschung voranzutreiben. Die Finanzierung erfolgt einerseits aus Mitgliedsbeiträgen, andererseits finanzieren wir uns durch Aufträge für Analyse- und Forschungsprojekte; zu den Auftraggebern zählen unter anderen Bundesministerien, Landesregierungen, die Europäische Kommission oder auch private Unternehmen. Ich bin stolz darauf, dass die Auftragsforschung bereits den größeren Teil der Einnahmen aufbringt. Das Team besteht aus neun Personen, acht Forschern und einer Assistenzkraft.

Auch Ihr Institut verfolgt natürlich die wirtschaftlichen Folgen der CoronaKrise, wie wird es 2021 weitergehen?

Was die Konjunktur betrifft, schließen wir uns alles in allem den Einschätzungen von IHS und Wifo an. Ich halte es in der gegenwärtigen Situation zwar für mutig, konkrete Zahlen zu nennen, ich glaube aber, dass sich die Wirtschaft im Laufe des heurigen Jahres erholen wird und dass wir im Unterschied zu 2020 wieder Wachstum sehen werden. Leider sind Rückschläge nicht auszuschließen, wie uns die Mutation des Virus in einigen Ländern schmerzhaft vor Augen führt. Auch gilt es abzuwarten, wie sich verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auswirken werden, Stichwort Eintrittstests. Prinzipiell sehe ich aber trotz des verlängerten Lock Downs einen Silberstreif am Horizont, vor allem wegen der nun anlaufenden Impfungen.

Wie sind Sie in Österreich mit den Maßnahmen gegen die Krise zufrieden?

Grundsätzlich positiv – wenngleich man mitunter den Überblick verliert. Bei einigen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Abgeltung des Umsatzausfalls, könnte ich mir vorstellen, dass die Treffsicherheit nicht immer gegeben ist bzw. war. Ich begrüße außerdem, dass es beim Insolvenzrecht vorübergehende Änderungen und nunmehr eine Verlängerung dieser Maßnahmen gibt. Arm ist allerdings die Start-up-Szene und schwierig ist es in einigen Branchen auch für Großbetriebe wegen der relativ niedrigen Betragsobergrenzen für Förderungen.

Was könnte man noch besser machen?

Um einer Zombifizierung von Unternehmen entgegen zu wirken, meine ich, dass man

staatliche Kreditgarantien stärker forcieren sollte. Ein Unternehmer wird nur dann – garantierte aber rückzahlbare – Kredite in Anspruch nehmen, wenn er an ein Wiedererstarken seines Betriebes glaubt – im Unterschied zu Barzuschüssen. Ein Unternehmen stirbt zumeist an fehlender Liquidität – staatliche Kreditgarantien stellen daher auch weiterhin eine sinnvolle Hilfsmaßnahme dar. Außerdem macht es für den Staat durchaus einen monetären Unterschied, ob Garantien oder direkte Zuschüsse eingesetzt werden. Was allerdings für die Unternehmen besonders wichtig wäre, ist Planungssicherheit. Das heißt, Maßnahmen der Bundesregierung sollten angekündigt, umgesetzt und dann möglichst nicht umgestoßen werden. Verbesserungspotenziale sehe ich auch in der Bürokratie, insbesondere in den Bereichen der Bildung und der Gesundheit. Dort wo sich durch die Pandemie ausgelöste bzw. beschleunigte strukturelle Veränderungen ergeben, sollte man gezielt Förderungen einsetzen, um den Unternehmen diesen Anpassungsprozess zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.

Besonders hart wird der Tourismus von der Pandemie getroffen, wie könnte man hier helfen?

Für diesen in Österreich ganz besonders wichtigen Sektor wäre ein eigenes „Tourismus-Recovery-Programm“ nach dem Vorbild des seinerzeitigen Marshallplans sinnvoll. Auch hier geht es um staatliche Garantien und Kredite: Es müsste – neben den Soforthilfen – sehr langfristiges, billiges Geld zur Verfügung gestellt werden, wobei ich der Meinung bin, dass sich der heimische Tourismus nach Überwindung der Pandemie mit den genannten Maßnahmen rasch wieder erholen wird, da sich strukturell nicht viel ändern sollte.

Besteht die Gefahr, dass Corona andere wichtige Themen überschattet?

Das ist natürlich richtig. Die gegenwärtige Krise darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine langfristige Entlastung der heimischen Wirtschaft unbedingt notwendig ist. Keinesfalls dürfen zur Sanierung des Staatshaushalts Steuererhöhungen erfolgen, das hielte ich für kontraproduktiv. Stattdessen wäre ein wichtiger Punkt die Senkung der Lohnnebenkosten, leider hat sich in dieser Beziehung in der Vergangenheit nicht viel getan. Es gilt in Österreich noch immer der Satz: Arbeitnehmer kosten zu viel und verdienen zu wenig. Arbeit ist also zu hoch mit Abgaben und Steuern belastet! Bei der Höhe der Abgabenquote liegt Österreich im EUVergleich nach wie vor im Spitzenfeld. Handlungsbedarf besteht natürlich auch weiterhin in den Bereichen der Sozialversicherung und des Pensionssystems. Es kann ja wohl nicht sein, dass hierzulande auf Dauer ein Viertel der Pensionen aus dem Staatsbudget finanziert werden.

Heißt das einfach ausgedrückt: Wir müssen länger arbeiten?

Das alleine wäre zu kurz gegriffen. Die Lebenserwartung steigt, auch die Ausbildungszeiten werden länger. Somit wird es langfristig gesehen unumgänglich sein, dass Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben; das muss aber in direktem Zusammenhang mit neuen Arbeitszeitmodellen stehen. Es geht um die Flexibilisierung von Tages -, Jahres- und Lebensarbeitszeiten.

Bereitet Ihnen das ausufernde Budgetdefizit im Zuge der Bekämpfung von Corona Kopfzerbrechen?

Hier mache ich mir weniger Sorgen: Die derzeit sehr billigen Kredite werden langfristig zurückgezahlt und nach der Krise werden die Wirtschaft und damit die Steuereinnahmen wieder anspringen. Wir sollten aber nach der Rückkehr zur Normalität wieder an die Konsolidierung des Budgets denken! Potenzial gäbe es genug, etwa in der Verwaltung, in der Bürokratie oder aber, wie gesagt, durch eine Pensionsreform.

www.ecoaustria.at

This article is from: