Himmelsschreiber Hagenauer 0 9 / 2 0 2 3 6 4 4 1 9 • € 5 , 5 0 Schweiz CHF 9,– | Österreich € 6,–TERMINHEFT als Beilage Europas Sammlermagazin 4196441905502 09 2 Monate Termine
Gemi Ver lags GmbH Rober t-Bosch-Str. 2 85296 Rohrbach E-Mail
n Keramikteller
Anbei schicke ich Ihnen Fotos von einem Teller, der schon lange in meinem Besitz ist Der Rand ist ziemlich uneben modelliert Ich bitte Sie um Beurteilung
Helga, Zolar, Freilassing
Es handelt sich um einen alten KeramikObstteller der Zeit um 1920 Die Fahne zeigt einen Reliefdekor von Festons und Vögeln Der Spiegel zeigt einen schabloniert gesprühten Dekor von Birnen Die Fahne wurde ebenfalls mit grüner Farbe besprüht, jedoch ohne das Relief durch Sprühen von der Seite besser zu akzentuieren Es scheint eine stilistische Diskrepanz zwischen dem Relief im Stil des Louis-seize um 1880 und dem modernen schablonierten Spritzdekor zu bestehen
Die Bodenmarke ist nur schwach zu erkennen Schemenhaft erkennbar sind jedoch die Buchstaben „K“ und „G“ Die Marke lässt sich der Firma Keller & Guerin in Lunéville zuordnen
Der Standort in Lunéville hat eine Keramiktradition, die bis in die Anfänge des 18 Jahrhunderts zurückreicht Die Fabrik war ab 1786 im Besitz der Familie Keller, bzw
später Keller & Guerin Vermutlich wurde hier ein alter Restbestand unbemalter Keramik dem neuen Zeitgeschmack angepasst Möglicherweise ist dies geschehen, als Édouard Fenal im Jahre 1922 die Fabriken in Lunéville und Saint-Clément erwarb Die unmittelbare Nachkriegszeit war schwierig Viele Arbeiter waren nicht aus dem Krieg zurückgekehrt Es herrschte Mangel an Kohle und an Arbeitskräften
Eine innovative und zeitsparende Dekorationstechnik war quasi eine Notwendigkeit in jener Zeit Innerhalb der künstlerischen Möglichkeiten des Spritzdekor ist dieser Teller eher konservativ gestaltet und daher von Sammlern weniger begehrt Der Teller weist ein paar Haarrisse auf Ein Schätzpreis von unter 10 Euro scheint angemessen Klaus-Dieter Müller, Kunstexperte Lüneburg
n Figur
Diese schöne Figurine steht schon einige Jahre in unserer Vitrine Stammt sie aus der Zeit des Art déco? Das Material wäre auch interessant Die Marke konnte ich leider nicht entschlüsseln Woher stammt diese unbekannte Schönheit?
Peter Wiesner Waldkraiburg
Bei der Figur handelt es sich um einen Guss aus Kunststoffpolymer mit einer Schlagmetall-Lackbemalung, welche vergoldete Bronze imitieren soll Hergestellt wurde die Figur in Asien für eine seit 1989 in Illinois, USA ansässige Firma Noch bis vor wenigen Jahren war ein Set von zwei Figuren für unter 50 Euro im Online-Versandhandel verfügbar Als Grundlage für
n In dieser Rubrik beantworten unsere Experten Ihre Fragen zu dem ein oder anderen guten Stück Doch leider sehen wir uns außerstande, ganze Nachlässe oder sämtliche sich in Ihrem Haushalt befindlichen Trouvaillen bewerten und schätzen zu lassen Auch bitten wir um Verständnis, wenn es mit der Bearbeitung länger dauert Senden Sie uns also Ihre Anfrage nur zu einem zu bestimmenden Objekt – mit detaillierter Beschreibung und gutem Foto, auf dem das Objekt ganz abgebildet ist
Noch ein Hinweis zu den Preisen, die von Fall zu Fall von unseren Experten genannt werden: Hierbei handelt es sich um Richtwerte, die anhand von Fotos allein getroffen werden und je nach Zustand des Objekts nach oben oder unten korrigiert werden können
Ihre Anfrage schicken Sie bitte an:
Gemi Verlags GmbH
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LESERFORUM 4
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EXPERTISEN
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diesen Entwurf diente wohl eine Art décoRevivalfigur von Alexander Davel (19402001) Diesen dritten Aufguss des offensichtlich langlebigen Art déco-Stils bewerte ich mit unter 20 Euro
Klaus-Dieter Müller, Kunstexperte Lüneburg
n Gemälde
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Ich würde mich freuen, wenn Sie uns eine Einschätzung zu diesem Bild geben könnten Ich habe es vor vielen Jahren von privat in Ungarn gekauft, ohne etwas
über den Maler zu wissen Im Internet habe ich später den Künstler gefunden: Mikos Mihalovits, Ungarn, 1888-1960 Datiert ist das Bild mit 1942 Maße: Bild 77 x 55 cm / Rahmen 108 x 83 Keine sichtbaren Beschädigungen Meine Frage neben der Werteinschätzung ist auch das Alter des prächtigen Rahmens, der vermutlich älter als das Bild ist und aus geschnitztem, vergoldetem Holz ist Wurde das Gemälde in der Größe dem vorhandenen Rahmen angepasst?
Klaus U Nitsche, Kürten
!Diese Aktdarstellung von Miklos Mihalovits (1888-1960) (bez ungarisch: Mihalovits Miklos) ist eine recht typische innerhalb seines Oeuvres Neben seiner sehr produktiven Herstellung von weiblichen
Akten junger wohlproportionierter Frauen malte er auch Fresken und lieferte Entwürfe für Glasfenster Bilder des Künstlers werden zahlreich in Auktionen angeboten Hin und wieder werden Beträge über 1 000 Euro geboten Die meisten Bilder bleiben jedoch unter dieser Preisschwelle Der zeitgleich mit dem Gemälde geschnitzte und vergoldete florentiner Rahmen ist wirklich sehr opulent und stellt einen Wert an sich dar Sowohl Rahmen als auch Gemälde würde ich mit jeweils 1 000 Euro bewerten
n Früchtestilleben
Ich hätte gerne Näheres über dieses Bild erfahren und eine ungefähre Schätzung Anja Mitter, o O
Bei dem reichen Blumen- und Früchtestillleben handelt es sich um einen Heliochromedruck bzw Farbenlichtdruck der Zeit um 1920 Die ovale Rahmung ist typisch für Produkte der Kunstanstalten May AG in Dresden Vergleichbare Druckvorlagen für Stillleben dieser Art wurden von Netler, G Falchetti oder Thoma-Höfele für den Verlag geliefert Die Kunstanstalten May waren besonders erfolgreich bei der Vermarktung von sogenannten Schlafzimmerbildern im Handtuchformat Der bekannteste Druck ist wohl das Bild „Christus am Ölberg“ von Giovanni (d i Josef Untersberger)
Stillleben dieser Art haben sich in großer Zahl erhalten und treffen auf eine geringe Nachfrage Ein Betrag zwischen 20 und 40 Euro scheint angemessen
Klaus-Dieter Müller Kunstexperte Lüneburg
LESERFORUM 5 09 / 23
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Klaus-Dieter Müller Kunstexperte Lüneburg
AUSSTELLUNGEN
n Ja, was denn?!
Der Künstler Volker Kriegel konnte sich nur schwer entscheiden, ob er Zeichner, Autor oder Musiker werden wollte So wurde er einfach alles, und diese neue FamilienAusstellung im Museum Wilhelm Busch porträtiert ihn in allen seinen Talenten Kriegel (1943-2003) hätte in diesem Jahr seinen 80 Geburtstag gefeiert, und zudem jährt sich sein Todestag zum zwanzigsten Mal
Volker Kriegel war ein künstlerisches Multitalent Er prägte als Berufsmusiker und Jazzgitarrist eine neue Generation von Musikern und wirkte stilbildend als Zeichner, Cartoonist, Illustrator und Autor Daher stellt die neue Ausstellung im Museum
Wilhelm Busch „Ja, was denn?!” Volker Kriegel erstmals als umfassende mehrfachbegabte Künstlerpersönlichkeit vor Neben Kriegels Zeichnungen und Illustrationen auf Papier sind Skizzen- und Notizbücher zu sehen sowie Fotos, Künstlerkorrespondenz (u a mit F W Bernstein), Konzertplakate, Notenblätter von Kompositionen, Tonaufzeichnungen von Auftritten usw
Kriegel analysierte die Welt mit listigem Blick und brachte alltägliche Situationen aufs Papier, denen er durch kleine Verschiebungen einen subtilen und oft skurrilen Bildwitz gab Seine Zeichnungen und Illustrationen sind anschaulich, zeigen viele Tiere, vor allem Hunde, und Menschen in teils witzigen, teils absurd-komischen Alltagssituationen Sie kommen zumeist ohne Text aus, so dass selbst die Kleinsten
sie verstehen und drüber lachen können Dabei sind Kriegels Bilder so hintergründig und scharf beobachtet, dass auch die Großen voll auf ihre Kosten kommen Gleiches gilt für seine musikalischen Werke, in denen er Jazz mit Rock verbindet Volker Kriegel gilt als einer der Pioniere des Jazzrock Als Autodidakt an der Gitarre war Kriegel in den 1970er- und 1980erJahren Deutschlands Jazzgitarrist Nummer Eins Sein eigenwilliger Spielstil unterscheidet ihn bis heute von anderen Jazzgitarristen Er vertrat einen versierten, teilweise experimentellen und oft genug ironisch-hintergründigen Stil, der sich in den Tonaufnahmen ebenso wie in seinen Kompositionen zeigt Das Museum Wilhelm Busch macht Kriegels Tonkunst durch Hörstationen erfahrbar und zeichnet nach, wie sich der unverwechselbare Stil Krie-
gels über die Genres hinweg aufspüren lässt Ergänzend zeigen die ausgestellten Illustrationen z B zu Roger Willemsens Karneval der Tiere, wie sich Musik, Zeichnung und Illustration in Kriegels Gesamtwerk perfekt ergänzen
Kriegels bekannteste (Kinder-)Buchprojekte Erwin mit der Tröte, Olaf der Elch oder Der Rock’n’Roll-König werden in mehreren Entwicklungsstadien von frühen Skizzen bis zum gedruckten Buch nachvollzogen Das erfolgreiche Büchlein Hallo und andere wahre Geschichten, das als Vorlage für die spätere gleichnamige Publikation 1982 gedient hatte, liegt im originalen Miniaturformat vor Aus diesem Band leitet sich auch der Titel der Ausstellung „Ja, was denn?!” ab
Dr Eva Jandl-Jörg resümiert: „Kriegels Cartoons und Illustrationen sorgen dafür, dass sich unsere Besucherinnen und Besucher bestens unterhalten fühlen, und
zwar über die Generationen hinweg Tiere, Menschen in Alltagssituationen, Fußball, Essen und Trinken, Reisen, Kunst Es ist selten, dass Kinder und Erwachsene vor demselben Bild stehen und gleichzeitig lachen Aber Kriegel macht das möglich!“
Das Museum Wilhelm Busch verwaltet bereits seit längerem einen Bestand von rund 700 Zeichnungen aus Kriegels Nachlass Der Großteil der Zeichnungen, Skizzen und Archivalien im Umfang von rund fünf laufenden Metern sind bisher noch nicht in der Öffentlichkeit gezeigt worden und werden nun in einer Auswahl erstmals vorgestellt Dazu gehört auch die vier Meter lange Rolle in Größe einer Filmrolle mit einer fortlaufenden Zeichnung im typischen fein-humorvollen Stil Kriegels (Bis 31 Oktober)
Die Ausstellung ist von der Museumdirektorin Dr Eva Jandl-Jörg und der Sammlungsleiterin Dr Elisabeth Reich kuratiert worden Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband (80 Seiten) mit vielen, teilweise bislang unveröffentlichten Abbildungen
Telefon: 0511 16999917
Webseite: www.karikatur-museum.de
n Gestickte Symbolik
Das Heimatmuseum Brunsbüttel zeigt in seiner neuen Sonderausstellung historische Stickmustertücher von 1798 bis heute Die Ausstellung umfasst über 100 Mustertücher, vor allem historische Stickmustertücher aus einer privaten Sammlung Es werden alle Arten von Mustertüchern präsentiert, wie Biedermeierstickmustertücher, Weißstickerei- und Kreuzstichmustertücher, schöne gestrickte und gehäkelte Musterbänder, Nähprobentücher, Stopfmustertücher und Flickenmustertücher
Es ist eine umfassende Ausstellung, in der auch einige neuere nachgearbeitete Mu-
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Illustration zu Roger Willemsens Karneval der Tiere, 2003; Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Hannover © Volker Kriegel
Erwin mit der Tröte; Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Hannover © Volker Kriegel
Ausgerechnet Benjamin, o.J.; Wilhelm Busch –Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Hannover © Volker Kriegel
stertücher und selbst entworfene Stickmustertücher gezeigt werden Die Motive wurden hauptsächlich auf Leinen, Baumwolle und später auf Stramin und heute gern auf Aidastoffen gestickt, aber auch auf feinem Batist Stickgarne waren und sind Baumwolle, Wolle und Seide Stickmustertücher dokumentieren zum einen die Alltagskultur vergangener Zeiten und zum anderen dienten sie zum Sammeln, Merken, Aufbewahren und Überliefern von Mustern und Alphabeten sowie von unterschiedlichen Motiven, wie z B Blumen, Hund, Hirsch, Lebensbaum, Schiff, Windmühle etc Die Symbolik der einzelnen gestickten Motive wird erklärt, wie z B Kreuz, Herz und Anker für Glaube, Liebe und Hoffnung und viele weitere Symbole (Bis 17 September)
Telefon: 04852 7212
MÄRKTE UND VERMISCHTES
Cosplayer und Fans von Star Wars, Star Trek, Superhelden oder Videospielen stehen schon längst in den Startlöchern und bereiten sich auf das große Science Fiction Treffen am 23 und 24 September vor Mit dabei sind zahlreiche Kostüm- und Fangruppen, Infostände zu den Themen Cosplay oder Modellbau sowie Händler, bei denen es alles für große und kleine Nerds gibt Als offizieller Partner unterstützen Mitglieder der Star-Wars-Kostümgruppe „501st Legion-German Garrison“ das Treffen Die Kostümträger der „dunklen Seite der Macht“ sind ganz zahm und begrüßen die Besucher schon bei der Einfahrt auf den Museumsparkplatz Neben einem großen Infostand unterstützt die German Garrison das Museum auch mit der Planung verschiedener Programmpunkte wie z B der Cosplay-Parade
Webseite: www.technik-museum.de
n Fest und Flohmarkt
Das jährliche Eppendorfer Weg Fest, zwischen Löwenstraße und Falkenried, steht nach drei Jahren Pause endlich wieder vor der Tür! Die Geschäftsleute und Institutionen ermöglichen durch ihr Engagement und ihre kulturellen Beiträge in Zusammenarbeit mit der m&k markt & kultur Veranstaltungsgesellschaft mbH ein Fest, das von Jahr zu Jahr mehr Attraktivität gewinnt Im Jugendstilviertel von Eppendorf treffen Jung und Alt am Samstag, dem 26 August aus der Nachbarschaft zusammen, um bereits zum 20 Mal ein rauschendes Fest zu feiern Auf den Fußwegen erstreckt sich ein bunter Flohmarkt von der Hoheluftchaussee bis zur Lenhartzstraße, mit zahlreichen Ständen, die zum Bummeln und Stöbern einladen Im Straßenfestbereich können die jüngeren Besucher im Kinderkarussell ihre Runden drehen, oder sich beim Kinderschminken in wenigen Minuten in Schmetterlinge, Superhelden, Prinzessinnen oder wilde Raubkatzen verwandeln In Müller’s Beachclub laden Cocktails und Musik zum Verweilen ein, und wer einen guten Kaffee probieren möchte, ist bei Burgs Kaffeerösterei genau richtig Für das leibliche Wohl sorgt, neben ausgewählten gastronomischen Ständen, auch die Hellas Stube für griechische Stimmung Und zum Abschluss gegen 22 Uhr können alle Besucher die extravagante Feuer-Show bestaunen
Adresse: Eppendorfer Weg 245, 20251 Hamburg-Eppendorf, Samstag, 26 August 2023, Fest Falkenried bis Löwenstr von 10 bis 22 Uhr; Flohmarkt Hoheluftchaussee bis Lenhartzstraße von 10 bis 18 Uhr
Telefon: 040 2702766
Webseite: www.marktundkultur.de
n Zahme dunkle Seite
Einmal im Jahr verwandelt sich das Technik Museum Speyer in ein Mekka für Anhänger der verschiedensten Fandoms
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Stickmustertuch; Heimatmuseum Brunsbüttel
Cosplay-Parade; Scifi-Treffen im Technik Museum Speyer
Eppendorfer Wegfest; Hamburg
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DIRK ScHInDeLBecK
Mit Beginn der 1920er-Jahre explodierte in Deutschland die Reklame. Lichtreklamen, beleuchtete Litfaßsäulen und Verkehrsmittelwerbungen, regelmäßige Radiospots und Kinofilme eröffneten den Werbetreibenden neue Kanäle zum Publikum. Das mit Abstand spektakulärste Reklame-ereignis waren jedoch die Himmelsschrift-Flugnummern, die ab Juni 1927 über vielen deutschen Städten Waschmittelwerbung betrieben.
Der Werbeleiter der Firma Henkel, Paul Mundhenke, zeigte sich von der neuen Reklamemethode begeistert: „Der Potsdamer Platz bot für einige Minuten ein Bild absoluter Ruhe, und straßauf und straßab hielten Autos und Straßenbahnen, gestikulierten aufgeregte Menschen Dolle Gerüchte entstanden: Weltuntergang, Kriegsgefahr, Pestankündigung “ Wie von Geisterhand geschrieben standen nämlich die Worte „Hallo Berlin!“, von zwei mit Rauchgeneratoren bestückten Flugzeugen produziert, deutlich lesbar im blauen Himmel über der Hauptstadt: „Kurz nach ½ 7 Uhr endlich erreichte die Spannung die höchste Steigerung, als wiederum hoch droben ein silberner Vogel seine
Kreise zog und des Rätsels Lösung brachte Mit dem Erscheinen des Wortes Persil war der Bann gebrochen, und der Strom fröhlicher Spaziergänger zog weiter –sprach von Persil und zerbrach sich den Kopf über das Wesen dieses Wunders “ Mit dem zirkusreifen Spektakel schien eine
Links: Passanten am Berliner Alexanderplatz verfolgen gebannt den Aufbau einer HimmelsschriftFlugnummer
QU: Harald Kimpel (Hg.): Himmelsschreiber. Dimensionen eines flüchtigen Mediums. Marburg 1986, S 58
Oben: Himmelsschrift über Berlin im Vorfeld einer Persil-Werbung mit Rauchbuchstaben
QU: Berliner Illustrierte, 17. Juni 1927
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Hallo Berlin
Oben links und rechts: Henkel-Massenfaltblatt mit erklärungen der Himmelsschreiber-Werbeaktion
QU: Kultur- und werbegeschichtliches Archiv Freiburg kwaf
Der erfinder der Himmelsschrift Fliegermajor Jack clifford Savage
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7. Jg. Jan.-Dez. 1927, S 121
Mitte: Savages Himmelsschreiber-Luftflotte in den USA
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez 1927; S. 149
Rechts: Die Mannschaft der HimmelsschreiberPiloten
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez 1927, S. 127
neue Reklame-Epoche angebrochen: Von diesem 2 Mai 1927 an war auch der Himmel zur Plakatfläche geworden Schon im Vorfeld der Kampagne hatte Henkel Medien, Handel und Privathaushalte gezielt bearbeitet, durch Pressemeldungen, Wurfsendungen oder Vertreter: „In Hamburg, Köln, Frankfurt und Leipzig standen Maschinen startbereit, um nach erhaltener telegraphischer Mitteilung über die erfolgreiche Abwicklung des ersten Berliner Fluges gleichfalls mit den Operationen zu beginnen “
Es war die Mannschaft von Jack Clifford Savage, einem nach dem Ersten Weltkrieg arbeitslosen Major der Royal Air Force, die fortan den Himmel über Deutschland mit Waschmittel-Botschaften aus dem Hause Henkel beschrieb Schon 1909 hatte Savage Versuche mit Rauchspuren aus Flugzeugen gemacht; nach dem Ersten Weltkrieg war es ihm erstmals gelungen, Worte an den Himmel zu malen, in einer Höhe von 3000 bis 5000 m bei etwa 150 km/h Geschwindigkeit: Dabei wurde Paraffin-Öl unter Druck in die Atmosphäre und unter Ausnutzung der Motorwärme geblasen Die Schriftzeichen hatten eine Ausdehnung von 1,5 Kilometern, wurden spiegelbildlich in den Himmel gesetzt, sodass sich für die Beobachter am Boden orthographisch korrekte Wörter bildeten Bereits 1922 hatte Savage den Namen der englischen Tageszeitung „Daily Mail“ während eines Pferderennens, bei dem Hunderttausende von Zuschauern anwesend waren, schlagartig bekannt gemacht Ein Jahr später war schon der Himmel über New York zu seiner Schreibtafel geworden: „Hello USA Call Vanderbilt 7200“ In kluger Voraussicht hatte Savage in dem gleichnamigen Hotel dem Tabakzaren George W Hill eine Suite reservieren
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Der fliegende Major
lassen Ergebnis: innerhalb von drei Stunden 47 000 Anrufe Hill war von der Wirkung der neuen Reklamemethode überwältigt – und Savage erhielt einen Auftrag über eine Million Dollar, gründete die „American Skywriting Corporation“, heuerte Piloten an, kaufte 25 Flugzeuge Schon 1923 stand über 300 amerikanischen Städten der „Geheimcode“ der Zigarettenmarke „Lucky Strike“: LSMFT (= „Lucky Strike means fine tobacco“) zu lesen Über seine Erfindung, die er sich durch 72 Patente hatte absichern lassen, berichtete Savage nicht ohne Stolz: „Die Vervollkommnung dieser Idee hat lange auf sich warten lassen; manchen Schweißtropfen und manche vergebliche Arbeit, auch manches zunächst uneinbringliche Stück Geld gekostet Meine Freunde, die es als Kriegslieferanten zu großem Wohlstand brachten, lachten über mich, den ‚Phanta-
sten’, der die gewaltigen Fortschritte der Flugtechnik den hohen Zielen friedlichen Wettkampfes der Nationen dienstbar machen wollte Flugzeugkonstrukteure, die Millionen-Vermögen besaßen, weigerten sich, mir, dem Idealisten, als ich nach dem Kriege meine Versuchsarbeiten mit recht geringem Betriebskapital wieder aufnahm, auch nur die bescheidensten Summen für meine ‚unsinnigen’ Pläne zu leihen “ Natürlich sollte auch der selbsternannte ‚Idealist’ am Ende materiell nicht zu kurz kommen
Persil über Deutschland
Deutschland war das erste Land auf dem europäischen Kontinent, in dessen Himmel die Werbe-Kunstpiloten kreisten –ausschließlich für Produkte der Firma Henkel wie Persil oder IMI Diese ließ nichts unversucht, das Interesse an dieser Sensation auszuschlachten, in Handzetteln etwa: „Lange Monate beständiger Übung sind nötig, um einen Himmelsschreiber auszubilden Bei dieser Ausbildung wird der Pilot zuerst auf Fahrrädern trainiert, damit er sich an das Gefühl, Worte in Spiegelschrift zu schreiben, gewöhnt “ In der Tat sprengte der hinter diesen Aktionen stehende Aufwand alles, was es in Deutschland auf dem Reklamesektor bis dahin gegeben hatte So schickte Henkel seine Piloten eigens nach Hendon bei London in eine
Schule zu Kursen und Seminaren für Himmelsschrift, wo sie, von einfachen Rückwärtsschreibübungen am Boden angefangen, später in der „FortgeschrittenenKlasse“ lernten, sich beim fliegenden Schreiben imaginärer Linien unter Zuhilfenahme hoher Gebäude oder Türme zu bedienen, um die Buchstaben korrekt und gerade in die Luft zu setzen Zu ihren besten Zeiten verfügte die Henkel-Luftflotte über sieben einsatzbereite Piloten samt Maschinen Am 17 April 1929 wurde unter Savages Ägide sogar eine Tochterfirma „Gesellschaft für Himmelsschriften und Wolkenprojektionen mbH“ gegründet: Neben den nur tagsüber aktiven Himmelsschreibern verfügte Henkel inzwischen nämlich auch über LKWs und Schiffe, die mithilfe von Projektionsapparaten nachts in der Lage waren, die Persil-Botschaft an den Himmel zu werfen Freilich fehlte es auch nicht an Bedenkenträgern: die Henkel-Hausjuristen warnten vor möglichen Unfällen und Regressansprüchen infolge der durch das Spektakel verursachten Verkehrsstörungen und Unfälle Und in der deutschen Juristenzeitung wurde noch Jahre später über die Nutzung von Himmelsparzellen zu werblichen Zwecken debattiert
Publikumsresonanz
Bis heute dürfte es keine Werbeaktion gegeben haben, die eine so emotional auf-
Oben: Flugplan für Himmelsschreiber-Piloten
QU: Kultur- und werbegeschichtliches Archiv Freiburg kwaf
Mitte: Sich aufbauende Persil-Himmelsschrift
QU: Jörg Steber: Der Himmelsschreiber Geschichte und Technik der Luftwerbung, S 86
Links: Henkel-Werbeleiter Paul Mundhenke (Mitte) mit einigen der Himmelsschreiber-Piloten
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez 1927
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geladene Reaktion bei großen Teilen des Publikums hervorgerufen hätte Schon in der Juli-Nummer der Werkzeitschrift „Blätter vom Hause Henkel“ des Jahres 1927 wurde auf 26 Seiten (!) eine kleine Auswahl an Zeitungsberichten, Leserzuschriften etc wiedergegeben Vor allem in ländlichen Gebieten dominierte das ehrfürchtige Staunen, wie beim Redakteur der Lo-
Von oben nach unten: Vollendete Persil-Himmelsschrift über Leipzig (Juni 1927)
QU: Harald Kimpel (Hg.): Himmelsschreiber. Dimensionen eines flüchtigen Mediums. Marburg 1986, S 53
Zu besten Zeiten verfügte die Firma Henkel über 10 Austin-Flugzeuge
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7. Jg. Jan.-Dez. 1927
ein Farbplakat der Henkel-AG visualisiert das „Stadtgespräch“ einer Himmelsschreiber-Aktion
QU: Plakativ Produktwerbung im Plakat 18851965, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Germ. nationalmuseums, nürnberg 2009, S. 247
Himmelsschreiber-Pilot Freiherr von Feilitz
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez 1927; S. 123
kalzeitung im eichsfeldischen Helmsdorf, der über die ‚weißen Wolkengebilde’ ausführte: „Augenzeugen berichten, daß das Flugzeug über der Marienkirche in Mühlhausen in einer Höhe von ca 2000 m hinschwebte und das Wort Persil in rasendem Fluge in den Aether schrieb Manche Leute haben in weiter Entfernung das Wort ‚Pest’ am Himmel gelesen ohne den Flieger zu sehen und sind von einem panischen Schrecken befallen worden – Nun
ist alles wieder gut!“ Eine unverhoffte Aufwertung ihres Berufsstandes durch die Himmelsschreiber empfand das Alleinmädchen (d i Haushaltshilfe) Pauline Puttfarken aus Hamburg Sie schrieb: „‚Pauline’, schrein sie alle, ‚das mußt du sehn ’ Ich denke, es brennt und renne raus und da seh ich das Wunder Es schreibt sich mit weißen Wolken das Wort ‚Persil’ auf den blauen Himmel Und alle reden nur von Persil, auch die eleganten Herren und Damen, die nichts vom Waschen wissen Ich krieg Tränen in die Augen, daß mit einmal das Waschen so wichtig ist, wo es doch mit meine niedrige Arbeit zu tun hat Es freut mich aber so Denn ist das Waschen wohl ebenso wichtig wie das Studieren, denn wo kommen sonst die saubern Hemden her und darum bedank ich mich bei die Persilfabrik und bleibe Ihre Pauline P “ So viel Ehrfurcht mochten sich die Betrachter der Himmelsschrift andernorts nicht abringen: „An der Grenze Bottrop Horst hörte ich aus einer Gruppe die Himmelsschrift bewundernder Polen folgenden offenherzigen Stoßseufzer: Mensch, Persill, alles Persill Man wird
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noch Persill fressen, Mensch, warum schreiben die noch an Himmel, man kriegt doch nichts anders wie Persill “ Immer wieder entstanden, noch während sich die Buchstaben aufbauten, komische, ja absurde Dialoge, je nach Herkunft oder sozialem Status der Diskutierenden, so in Berlin: „‚Jorge!’ sagte ich mir, da stand ein P am Himmel – ‚Polizei!’ meinte ein Schlauer, ‚vaduften wa!’
Nun kam ein E – Pe? – ‚Petrus!’ jauchzte die Menge, ‚der will sich verabschieden, jetzt gibt’s endlich gutes Wetter!’
Nun kam ein R
Per? – ‚Gar kein Zweifel!’ meinte ein gebobbtes Neutrum und stellte das linke Bein lasterhaft frei in die Gegend, wobei es die Mundwinkel verächtlich nach unten zog: ‚Pervers soll das heißen! Es lebe die junge Kunst!’“
Selbst der päpstliche Nuntius und spätere Papst Pius XII Paccelli kam um einen Kommentar zu den Himmelsschreibern nicht herum, als ihn die örtlichen Honoratioren
bei seinem Besuch in Heidelberg vom Bahnhof abholten: „‚Ein herrlicher Tag’, offenbarte der Gast Plötzlich aber erschien am Himmel ein Zeichen Klar und deutlich strahlte vom blauen Himmel ein ‚P’ Die Heidelberger erschraken und stammelten ehrfurchtsvoll: ‚Eminenz, ein Wunder! P wie Paccelli! Wie Pius!’ – ‚P – wie Persil’, sprach Paccelli, denn er kam aus Berlin “
Besteuerung der Himmelsfläche
Eine ebenso wortreiche wie scharfsinnige Zukunftsvision entwickelten die Redakteure der „Kölnischen Zeitung“: „Zunächst: schnellstens Kontingentierung des Himmels Da könnte ja jeder kommen und seine Krähenfüße ans Firmament malen! Binnen kurzem ist die Zeitungsanzeige des
Oben links und rechts: „250 qkm Anzeigenfläche“ Anzeige der Gesellschaft für Himmelsschrift 1928
QU: Kultur- und werbegeschichtliches Archiv Freiburg kwaf
„Ich kann Dir sagen: Mieze wird platzen Peter lässt unsere Verlobungsanzeige in rosafarbener Wolkenschrift von nem Flieger an den Himmel puffen.“
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7. Jg. Jan.-Dez. 1927, S 275
Mitte: Satire auf die Himmelsschreiber-Aktionen in der Kölnischen Zeitung.
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7. Jg. Jan.-Dez. 1927, S 159
Links: Selbst Reichspräsident Hindenburg (weißes Kreuz) bestaunt die HimmelsschreiberFlugnummer
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7. Jg. Jan.-Dez. 1927, S. 136
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Oben links und rechts: Petrus und die engel verfolgen den Himmelsschreiber bei der Arbeit
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez
1927, S. 154
Persil-Lob als Posaunenchor der himmlischen Heerscharen…
QU: Blätter vom Hause Henkel, 7 Jg Jan -Dez
1927, S. 140
Mitte: Das Lenbach-Motiv als HimmelsschreiberSatire
QU: Harald Kimpel (Hg ): Himmelsschreiber
Dimensionen eines flüchtigen Mediums. Marburg
1986, S 96
Rechts: Franz von Lenbachs berühmter Hirtenknabe (1860)
QU: wikipedia (gemeinfrei)
großen Spekulanten zu erwarten: ‚Vorteilhafte Himmelsecke für Reklamezwecke hat noch abzugeben ’ Dann aber vor allem vollkommen paritätische Aufteilung des Himmels unter alle Parteien für den Fall von Neuwahlen An die Besteuerung der Himmelsfläche zu erinnern ist wohl überflüssig; ein neues Ressort hierfür dürfte fieberhaft tätig sein Den Radierflieger bereithalten, der beim Verschreiben das Gas aufsaugt "
Der Pegasus schnaubt
Aus dem Publikum wurden Henkel Unmengen lyrischer Produkte zugesandt Ihre Spannweite reichte von Umdichtungen bekannter Kinderlieder wie: „Wenig Zeit wird noch vergehen / Bis aus Kinderkehlen gellt: / Weißt Du, wieviel Lettern stehen / An dem blauen Himmelszelt?“ über Adaption
klassischer Texte wie Schillers „Lied von der Glocke“: „Zur Wäsche, die wir oft verfluchen, / Geziemt sich wohl ein ernster Rat / Wenn gute Mittel wir versuchen, / Ist’s halbe Arbeit in der Tat / So laßt das Mittel uns betrachten, / Das reinigt Wäsche, die beschmutzt, / Die Wäscherin wird man verachten, / Die nicht ‚Persil’ dazu benutzt “ bis hin zu selbstverfassten Hymnen, die zuweilen nicht ohne unfreiwillige Komik daherkamen: „Ach Gott, ach Gott, jetzt kommt’s“, / ruft schmerzlich Lieselotte, / „seht dort die Zeichen hoch / vom guten Christengotte!“ / Sie sinkt verzückt in’s Knie, / sie faltet stumm die Hände: / „Fahr wohl, du schnöde Welt, / mit Dir geht’s nun zu Ende “ / Doch als die Zeichen formten / sich zum Reklamespiel, / sang gleich zu Lob und Preise / das Lied sie vom ‚Persil’ “ Wirklich witzige Verse blieben allerdings rar, am gelungensten wohl noch im Epigramm eines unbekannten Meisters: „Hoch im blauen Himmelsäther / Steht das Riesenwort Persil, / hingeschmissen mit der Feder / eines fliegenden Vergil “
ReKLAMe 13 09 / 23
Natürlich ließ der Sensations-Effekt der Himmelsreklame schon im folgenden Jahr merklich nach Und je häufiger die Henkel-
Kunstflieger ihre Botschaften an den Himmel malten, desto seltener brachen fromme Landwirte noch betend ins Knie (was angesichts einer IMI-Himmelsschrift, die, als Jesus/Maria/Joseph fehlinterpretiert, in der Tat vorgekommen war) oder wurden Schulklassen zu Bildern und Gedichten auf Persil inspiriert Spätestens 1932 begannen sich auch die politischen Verhältnisse zu Ungunsten der Firma Henkel zu verschieben, als die Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten in der Kampagne „Hitler über Deutschland“ ihren Führer zum Herrn des Himmels und der Lüfte stilisierte Nun war die Konkurrenz der kommerziellen Himmelsschreiber endgültig unerwünscht Nach der Machtergreifung am 30 Januar 1933 wurden der Firma Henkel denn auch immer häufiger keine Genehmigungen für ihre Propagandaflüge mehr erteilt Als im Zuge des Aufbaus der Deutschen Luftwaffe immer mehr Henkel-Piloten zum Militärdienst wechselten, kam ein massives Personalproblem hinzu Am 29 Februar 1936 schied der letzte von ihnen aus der Firma aus Die Bilanz freilich konnte sich gleichwohl sehen lassen: 4919 mal hatten sie bis dahin das Wort „Persil“ mit Rauchbuchstaben in den Himmel geschrieben Und außergewöhnliche Resonanz selbst in Grundschulklassen erzielt: „Lieber Herr Flieger Wir mögen so gerne sehen, wenn Sie am Himmel schreiben Bitte schreiben Sie doch mal Ursel, aber in einem Zug So heiße ich Viele Grüße, U “
Abgesang
Als nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs die militärische Okkupation des Luftraums in Deutschland ihr Ende gefunden hatte, versuchte man bei Henkel an die hauseigene Tradition der Himmelsschreiberei anzuknüpfen, auf bescheidenem Niveau, mit nur zwei Flugzeugen und trotz der von den Alliierten angeordneten Flugbeschränkungen (die man durch die
Links von oben nach unten: Frühlingserwachen Zeichentrickfilm für Henkel von Hans Fischerkösen (ca. 1950)
QU: Alte Werbefilme aus dem Henkel-Archiv (1996)
Jörg Steber vor seinem Flugzeug (1988)
QU: Jörg Steber: Der Himmelsschreiber. Geschichte und Technik der Luftwerbung, S. 8
Die letzten Henkel-Himmelsschreiber vor dem Zweiten Weltkrieg
QU: QU: Harald Kimpel (Hg.): Himmelsschreiber. Dimensionen eines flüchtigen Mediums Marburg 1986, S. 50
Oben: „Mein Markenzeichen. ein Herz nach jeder gelungenen Himmelsschrift“ (Jörg Steber)
QU: Jörg Steber: Der Himmelsschreiber Geschichte und Technik der Luftwerbung, S. 88
ReKLAMe 14 09 / 23
Die Zeiten ändern sich
nach dem Krieg
Einstellung englischer Piloten unterlief) Doch im Gegensatz zu den USA, wo sich seit den zwanziger Jahren eine kontinuierliche Himmelsschreiber-Tradition entwickelt hatte – vor allem Pepsi hatte seit den frühen dreißiger Jahren immer wieder Himmelsschreiber unter Vertrag –, blieben die Aktionen in der Bundesrepublik letztlich eine Randerscheinung in einem auf zunehmend auf elektronische Medien ausweichenden Werbemarkt
Werbe-Luftnummern
Heute gehört die Himmelsschrift zu den kuriosen, aber abgeschlossenen Kapiteln der Werbegeschichte Ihr letzter Nachfah-
Oben von links nach rechts: noch immer häufig anzutreffende Produktwerbung mittels Heißluftballon
QU: Jörg Steber: Der Himmelsschreiber. Geschichte und Technik der Luftwerbung, S 116
1982 visualisiert ein Plakat der DKP das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit mithilfe des Himmelsschreiber-Motivs
QU: Reiner Diederich / Richard Grübling: Stark für die Freiheit. Die Bundesrepublik im Plakat, S. 128
Werbeballon in Form eines Zeppelins (1987)
QU: Jörg Steber: Der Himmelsschreiber Geschichte und Technik der Luftwerbung, S. 115
Rechts: Himmelsschreiber-Ringe über dem Fujiyama als Werbung für die olympischen Spiele in Tokio 1964
QU: Harald Kimpel (Hg.): Himmelsschreiber. Dimensionen eines flüchtigen Mediums Marburg 1986, S. 96
re im deutschen Luftraum war Jörg Steber, dem es noch in den frühen achtziger Jahren gelang, mit seinen akrobatischen Werbe-Luftnummern ein Auskommen zu finden, etwa indem er die vier Buchstaben eines schwedischen Möbelhauses an den Himmel malte Doch als immer weniger Aufträge hereinkamen, verlegte sich Steber schließlich auf Touristen-Rundflüge über den Hamburger Hafen Es ist eine Ironie der Geschichte, dass er bei diesen im Verhältnis zur waghalsigen Himmelsschreiberei harmlosen Flügen im Juli 2006 abstürzte und, erst 51-jährig, tödlich verunglückte Im Gegensatz zu Savage war Steber ein echter Idealist, der immer auch mal eine Liebesbotschaft oder einen Smiley an den Himmel malte oder per Him-
melsschrift sehr deutlich politisch Stellung auch gegen Neonazis bezog – aus eigenem Antrieb, ohne Auftraggeber Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist in der werbenden Wirtschaft hingegen unbestritten: Der Aufwand, der dazu nötig ist, mit Sportflugzeugen Rauchbuchstaben zu malen, die sich maximal eine halbe Stunde am Himmel halten, steht in keinem Verhältnis zu den damit einhergehenden Kosten und dem Werbeeffekt Sofern heute Luft und Himmel als Werbefläche dienen, so geschieht dies heutzutage in der Regel mithilfe von Ballons oder Luftschiffen Kommen Flugzeuge zum Einsatz, so ausschließlich im Bannerschleppflug Einen blassen Abglanz einstiger Himmelsschreiberkünste vermitteln allenfalls noch die militärischen Kunstflugstaffeln mit ihren bunten Rauchfahnen Woher diese Tradition kommt, dürfte allerdings den wenigstens Zuschauern solcher Ereignisse klar sein Das erste Patent, per Flugzeug farbigen Rauch zu versprühen, war schon 1924 erteilt worden: Inhaber ein gewisser Jack Clifford Savage
Fotos: wie angegeben
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