Die Masche 02

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Ausgabe 2/2010 Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie e. V.

Länderreport Wachstumsmarkt Indien Interview Dr. Ulrich Zwissler Von Sorgen umgarnt Techniker erörtern aktuelle Herausforderungen Geschäftsklimaindex Masche im Aufwind


Länderreport 08

Im Blickpunkt 04

Inhalt

Titelbild: Muster-Stanzteil eines Abstandsgewirks von Gertex – wird in Automobilen verwendet z. B. im Smart

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Im Blickpunkt l 5 elements.berlin

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Kurz berichtet

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Länderreport l Wachstumsmarkt Indien

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Interview l Dr. Ulrich Zwissler

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Textile Visionen l Albstadt treibt Pionierarbeit auf die Nadelspitze

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Von Sorgen umgarnt l Techniker erörtern aktuelle Herausforderungen

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Das weiße Gold l Baumwolle zwischen Knappheit und Bio-Boom

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Geschäftsklimaindex l Masche im Aufwind

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Außenwirtschaft

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Wissenswertes

www.gesamtmasche.de 2 masche


Impressum © Alle Rechte vorbehalten. Keine Vervielfältigung ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers. Herausgeber Gesamtmasche – Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie e. V. Präsident: Heinz Horn Hauptgeschäftsführer: Dr. Markus H. Ostrop Redaktion: Simone Diebold Gestaltung: www.die-wegmeister.com Druck: Gress-Druck GmbH, Fellbach Auflage: 500 Fotos: Soweit ohne Vermerk von Fotolia oder Gesamtmasche Kontakt Kernerstraße 59, 70182 Stuttgart Telefon +49 711 21050 - 0 Telefax +49 711 233718 E-Mail info@gesamtmasche.de

Interview 11

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Editorial Liebe Freunde der Masche, wieder einmal ist eine Strickware zum Glücksbringer aufgestiegen: ein weich fallender kornblumenblauer Pullover aus Babykaschmir mit V-Ausschnitt. Weil Jogi Löw das Teil während der Fußballweltmeisterschaft bei drei Vier-Tore-Siegen anhatte, wurde es zum „Glückspulli der Nation“. Schon die blaue Strickjacke von Helmut Kohl, die dieser im Juli 1990 trug, als er im Kaukasus mit Gorbatschow um die deutsche Einheit rang, erwarb Talisman-Charakter. Heute hängt sie im Haus der Geschichte, weil sie Kohl offensichtlich Glück gebracht hatte. Glück durch Kleidung – die Masche als Glücksbringer? Wenn Kleidung ihrem Träger Zuverlässigkeit, Kompetenz und Ausstrahlung verleihen kann, dann schafft sie Attribute, die oft den Erfolg ebnen helfen und so die Güte des Geschicks beeinflussen können. Die Industrie selbst verlässt sich dabei weniger auf Glück als vielmehr auf ihr strategisches und planmäßiges Vorgehen, um einmal ins Auge gefasste Ziele auch erreichen zu können (Interview Seite 11). Auch beim Nadelhersteller Groz-Beckert in Albstadt überlässt man die Zukunftsgestaltung nicht den Glücksrittern, wie die Einweihung eines Technologie- und Entwicklungszentrums eindrucksvoll beweist (Seite 15). Wer dagegen sein Glück auf neuen Wachstumsmärkten sucht, sollte einen Blick in unseren Länderreport werfen, der die Chancen in Indien beleuchtet (Seite 8). Aber auch zuhause mangelt es nicht an Herausforderungen (Seite 16), für deren Bewältigung ein Quäntchen Glück nicht schaden könnte. Ihr

Markus H. Ostrop, Hauptgeschäftsführer masche 3


Body- und Beachwear in Berlin

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Die 5 elements.berlin ist auf Wachstumskurs Mit einem satten Aussteller- und Besucherplus hat die 5 elements ihre Sommerausgabe vom 7. bis 9. Juli abgeschlossen. Mit 91 ausstellenden Firmen und 184 Marken kamen beinahe doppelt so viele Hersteller nach Berlin wie im Juli 2009. Bei den über 3 000 Messebesuchern ergab sich ein Zuwachs von 40 Prozent. Das Gros der Aussteller zeigte sich zufrieden mit Frequenz und Qualität der Besucher. Auf positive Resonanz stieß auch das historische Messegelände unter dem Funkturm mit seinen hohen und lichten Hallen. Das sich an die Hallen anschließende Palais mit Sommerterrasse bot den geeigneten Rahmen nicht nur für die Opening Party am Abend des ersten Messetages, sondern auch für die Fashion Shows Lingerie und Beach. Die 5 elements.berlin will weiter wachsen und ist bemüht, für die nächste Winter-Veranstaltung eine Reihe noch fehlender prominenter Marken für einen Auftritt zu begeistern. Außerdem wollen sich die Veranstalter stärker mit dem Thema TrendInformation befassen. Auch sollen Organisation und Service, etwa in den Bereichen Catering oder Besucher- und Presseinformation, verbessert werden. Gesamtmasche war als Kooperationspartner auf der 5 elements vertreten. Aus den Gesprächen mit den Ausstellern auf dem Gesamtmasche-Messefrühstück ergaben sich wichtige Anregungen für die künftige Messeplanung. Mit der „masche mini“, einem Special anlässlich der 5 elements, präsentierte der Verband sein Serviceangebot und bot ausstellenden Mitgliedern die Möglichkeit, ihre Kollektions-Highlights mit prägnanten Kernbotschaften zu platzieren. Die entsprechenden Botschaften wurden von Gesamtmasche während der drei Messetage getwittert. masche 5


Kurz berichtet //////////////////////////// Apolda – das Sprungbrett für talentierte Modedesigner Im April 2011 findet zum siebten Mal in Apolda die Verleihung des „Apolda European Design Award“ statt. Seit dem Start ist diese Initiative der Region Apolda im Weimarer Land/Thüringen zu einem Sprungbrett für talentierte Modedesigner geworden und zählt heute zu einem der meist geschätzten Wettbewerbe für Modedesign. Ziel dieses mit 25 000 Euro dotierten Preises ist die Unter­­‑ stützung und Förderung des europäischen Mode-Nachwuchses. Die Region Apolda ist als ein Zentrum der deutschen Strick­ warenindustrie noch immer im Bewusstsein der europäischen Mode­wirtschaft verankert. Die seit Jahrhunderten geprägte Tradition dieser Branche soll auch in Zukunft erfolgreich fort­ gesetzt werden. Seit 2002 werden ausschließlich renommierte europäische Hochschulen mit ihren Modedesign-Diplomanden für den Wettbewerb ausgewählt. Die Professoren vom Fachbereich Modedesign dieser Hochschulen schlagen jeweils zwei der besten Modedesign-Diplomanden vor, die dann ihre Diplom‑

///////////////// gesamtmasche.de Zugriffszahlen seit Online-Start:

2 952 Besuche 28,38 Besucher pro Tag

arbeiten zur Bewertung einreichen. Durch diese klare Aus‑ richtung hat sich der Apolda European Design Award zu einer Talentschmiede für den europäischen Mode-Nachwuchs entwickelt. Einsendeschluss der Nominierung der Diplomanden für den Wettbewerb 2011 ist der 30. September. Ein wesentlicher neuer Bestandteil des Wettbewerbs ist das Kommunikations- und Präsentationsforum „Apolda Designer Network“. Es soll den Austausch der jungen Modedesigner mit namhaften Firmen der Modebranche nachhaltig fördern: von der projektbezogenen Kommunikation bis hin zu Kontakten für die Jobvermittlung. Dazu produzieren Studierende der BauhausUniversität Weimar über jeden Wettbewerbsteilnehmer „Fashion Collection Clips“, die in einem im Internet und Web.tv zugänglichen „Digital Showroom“ veröffentlicht werden.

20 550 Seitenzugriffe

////////////////// Neues vom Datenportal

Seit Mai gibt es die Masche nun auch mit eigenem YouTube-Kanal!

Das Datenportal – die neue statistische Web 2.0.-Mitgliederdienstleistung von Gesamtmasche und Südwesttextil – hat sich weiter entwickelt und bietet dem Nutzer neue Auswertungsmöglichkeiten: Ab sofort wird die Import- und Exportbilanz um die Darstellung der Mengenangaben erweitert. Darüber hinaus gibt es die Option, die Daten der Ländergruppen zusammenzufassen. Neu hinzugekommen ist der Download-Bereich. Hier werden den Mitgliedern Berichte unterschiedlichster Couleur zur Verfügung gestellt: statistische Berichte von anderen Verbänden, Berichte zur Textil- und Bekleidungsindustrie, Länderberichte sowie Berichte zu sozialpolitischen Aspekten. Mitglieder erhalten ihre Zugangsdaten per E-Mail unter schneider@gesamtmasche.de. Der Zugang erfolgt über den Mitgliederbereich der Homepage von Gesamtmasche – www.gesamtmasche.de. Hier befindet sich ein Link, der automatisch auf die Seite des Daten­ portals führt.

////// Plus-size Fashion Show Der US-amerikanische Online-Modehändler OneStopPlus.com veranstaltet die erste „Plus-size-only“-Modenschau auf der New York Fashion Week. Im Atrium der Frederick P. Rose Hall im Lincoln Center werden am 15. Sep­tember Kollektionen in großen Größen für die Saison Frühjahr 2011 gezeigt. „Top-Models für Übergrößen wie Crystal Renn und Lizzie Miller in der italienischen Vogue, der französischen Elle, in Glamour oder Marie Claire beweisen, dass der richtige Moment für Plus-size gekommen ist“, meint Stephanie Sobel, Chefin von OneStopPlus.com.

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////////////////////// Präsident in Personalunion /////////// Sonderausstellung im Maschenmuseum Vom 6. August bis zum 21. November gibt es im Tailfinger Maschenmuseum Wissenswertes über technische Textilien zu besichtigen. Lokale und überregionale Firmen stellten dazu ein breites Spektrum an außergewöhnlichen Ausstellungsstücken zur Verfügung, wie z. B. Leuchtwaschtische aus Lichtbeton und Teile eines Rotorflügels einer Windkraftanlage. Maschenmuseum Albstadt, Wasenstr. 10, 72461 Albstadt Öffnungszeiten: Mi., Sa., So., Feiertage 14-17 Uhr

Es ist die Zeit für Präsidentenwechsel – auch bei textil+mode: Seit 1. Juli hat Heinz Horn die Leitung des Spitzenverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie in Berlin übernommen. Der 65-Jährige löst damit Peter Schwartze ab, der nach viereinhalb Jahren sein Amt niedergelegt hat. Horn war bereits im November 2009 von der Mitgliederversammlung im ersten Wahlgang einstimmig gewählt worden und hat sich in den vergangenen Monaten intensiv in seine zusätzlichen Aufgaben eingearbeitet. Das ist ihm nicht schwergefallen, da er auf dem Gebiet der Verbandspolitik kein Neuling mehr ist: Seit Oktober 2006 führt er den Gesamtverband der deutschen Maschenindustrie als Präsident, nachdem er bereits zuvor einige Jahre in verschiedenen Verbandsgremien mitgewirkt hatte. Das Amt bei Gesamtmasche behält er auf ausdrücklichen Wunsch der Mitglieder bei. Schon in seinem ersten Interview mit der Textilwirtschaft zum Amtsantritt bei textil+mode am 22. Juli zeigte sich Horn voller Tatendrang, um „das Bewusstsein für diese kreative und innovative Branche zu schärfen“. Außerdem möchte er die internationale Zusammenarbeit innerhalb Europas stärken und die gemeinsamen Ziele intensiver beim Dachverband Euratex einbringen.

///////////////////////////////////////////////////////////////////////////// Nachwuchs ist gefragt Go Textile! – das ist die bundesweite Nachwuchskampagne der Textil- und Bekleidungsindustrie, initiiert vom Gesamtverband textil+mode unter der Schirmherrschaft von Bildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan. Ziel der Kampagne ist es, die Attrak­ tivität der Branche nach außen zu tragen und sie so für Schulabgänger interessant zu machen – ein lohnenswertes Engagement vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des drohenden Fachkräftemangels. Seit ihrem Start im September 2009 haben zahlreiche Aktionen stattgefunden, um die Jugendlichen auf die Internetseite www.go-textile.de aufmerksam zu machen: Im Oktober 2009 präsentierten Promoter die Nachwuchskampagne auf der Jugendmesse You in Berlin und verlosten attraktive iPods. Im Mai dieses Jahres erschien eine 2-seitige Go Textile!-Anzeige in der bundesweiten Schülerzeitung Yaez und im Juni stellten Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums Berlin in einer Flashmob-Aktion am Alexanderplatz ein textiles Labyrinth. Hierüber berichtete der regionale Fernsehsender rbb sowie der

Jugendradiosender JAM FM. Die jüngste Werbemaßnahme war die Beteiligung von Go Textile! als Haupt­ sponsor des SlacklineWettbewerbs bei der Outdoor-Messe in Friedrichshafen im Juli. Zum Contest kamen Teilnehmer aus der ganzen Welt, darunter der zweifache Weltmeister im Slacklinen, Andy Lewis aus den USA. Die Trendsportart Slacklinen (engl. „slack“ = schlapp und „line“ = Leine) findet immer mehr Begeisterung. Der Sport ist dem Seiltanz ähnlich: Man balanciert auf einem textilen Gurtband, das zwischen zwei Befestigungspunkten gespannt ist. Ob zur Steigerung von Koordination und Gleichgewicht, für das pure Freizeitvergnügen oder um seine eigenen Grenzen auszutesten – Slacklining ist in. Den Wettbewerb gibt es als Film unter YouTube und auf den Internetseiten von Go Textile! und Gesamtverband t+m.

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Wachstumsmarkt Indien Bekleidungskultur orientiert sich zunehmend an westlichen Maßstäben ////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer Der indische Textil- und Bekleidungsmarkt gehört zu den Top-Wachstumsmärkten der Welt. Mit durchschnittlichen Steigerungsraten von 13 Prozent in den letzten Jahren hat er 2009 bereits ein Volumen von 40 Milliarden US-Dollar erreicht. Das weitere Potenzial ist angesichts der stetig steigenden Pro-Kopf- und Haushaltseinkommen der bereits fast 1,2 Milliarden zählenden Bevölkerung unverkennbar. Bis 2050 soll sich Indien zum größten Konsummarkt der Welt entwickelt haben. Bis 2014 prognostizieren Experten eine weitere Zunahme von 9 Prozent pro Jahr.

Die Bekleidungskultur in Indien wandelt sich und orientiert sich zunehmend an westlichen Maßstäben. Der Anteil der urbanen Bevölkerung wächst, und Frauen sind häufiger berufstätig als früher. Ein neues Körperbewusstsein steigert den Bedarf an modischer Unterbekleidung und an Bekleidung mit Tragekomfort. Jedes Jahr kommen in Indien rund 20 Millionen Kinder zur Welt. Mit steigenden Einkommen möchten immer mehr Eltern ihren Nachwuchs nach westlichem Vorbild ausstatten. Der zunehmende Wohlstand geht außerdem mit einem wachsenden Bedürfnis nach aktiver Freizeitgestaltung einher und eröffnet neue Möglichkeiten im Bereich Active Wear. Die jugendliche Zielgruppe im Alter zwischen 15 und 24 Jahren umfasst in Indien heute bereits 234 Millionen Menschen, und ihre Zahl wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Marktanalysen gehen daher davon aus, dass aus den sich verändernden Konsummustern vor allem Chancen in den Bereichen Damen- und Kinderbekleidung, Wäsche, Freizeit- und Sportbekleidung erwachsen. Gute Aussichten gibt es auch im Markt für große Größen. Bedarf besteht bei schätzungsweise 8 Prozent der Inder, aber nur 0,15 Prozent des aktuellen Marktangebotes entfällt auf entsprechende Produkte.

Indien ist jung: 72 Prozent der Inder sind jünger als 39 Jahre. Ein Drittel der Bevölkerung fällt dabei in die Altersgruppe zwischen 20 und 39 mit relativ hohem Konsumpotenzial. Bis 2013 will das Land eine Alphabetisierungsquote von 90 Prozent erreicht haben. Aufgrund seiner Alterspyramide ist Indien eines der wenigen Länder, in denen der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung auch 2050 noch weiter wachsen wird.

Demografischer Vergleich (in Millionen Einwohnern)

Gute Wachstumsaussichten gibt es nicht nur für Markenmode. Auch technische Textilien haben immer bessere Absatzchancen. Bis 2013 soll die indische Nachfrage nach technischen Textilien um 60 Prozent auf knapp 14 Milliarden

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400 24 200

0 Indien 2008

China 2025

USA 2050

Japan

Russland

Altersmedian (in Jahren)

Quelle: Technopak

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Der indische Textil- und Bekleidungsmarkt (in Mrd. US-Dollar)

120 100 80 60 40 20 0 2010

2015

2020

2025

Steigende Haushaltseinkommen – die kaufkräftige Schicht wächst Jährl. Einkommen (US-Dollar)

% der Haushalte (2008)

% der Haushalte (2013)

Veränderungen p.a. (in %)

>20 000 1 2

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10 000 – 20 000 2 4

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4 000 – 10 000 9

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1 800 – 4 000

38 7

<1 800 Haushalte insg.

31 57 213 017 000

43 -3 243 821 000

US-Dollar ansteigen. Dafür sorgen unter anderem der steigende Bedarf im indischen Autobau sowie der Ausbau des Gesundheitswesens, des Gastgewerbes und der Transport­ infrastruktur. Heute wird der indische Markt noch überwiegend durch heimische Hersteller bedient. Die indische Textil- und Bekleidungsindustrie gehört traditionell zu den wichtigsten Sektoren des Landes. Sie zählt, was ihre Größe und Verarbeitungstiefe angeht, neben China zur Weltspitze. Mit der Quotenliberalisierung 2005 konnte Indien seine Vorteile als Beschaffungsquelle voll ausspielen. Die Textil- und Bekleidungsausfuhren von ca. 22 Milliarden US-Dollar pro Jahr betragen 15 Prozent der gesamten indischen Exportleistung. Bis 2020 sollen sich die Textilexporte verdoppeln. 2009 hat Indien Textilprodukte im Wert von ca. 1,4 Milliarden Euro nach Deutschland geliefert, ein Plus von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit belegt der Subkontinent Rang 5 auf der Liste Deutschlands wichtigster Lieferanten für Textilien und Bekleidung, die von China, der Türkei, Bangladesch und Italien angeführt wird. Gemessen an der Größe des indischen Markts ist der

Quellen: Technopak

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deutsche Branchenexport nach Indien mit aktuell ca. 60 Millionen Euro pro Jahr noch auf einem bescheidenen Niveau. Hohe Handelshürden nehmen dem Geschäft am Ganges die Attraktivität. Nur wer vor Ort produziert, kann derzeit das Marktpotenzial wirklich nutzen – auch wenn im Retail noch enge Restriktionen herrschen. Bisher ist die ausländische Beteiligung von bis zu 51 Prozent nur für Mono-Marken-Stores erlaubt. Die indische Regierung will, dass die wachsenden Konsumausgaben vor allem der eigenen Produktion zugutekommen. Doch die heimische Industrie alleine kann den wachsenden Bedarf nicht decken. Zum Teil fehlt es an Know-how, zum Teil sind die Fertigungsanlagen veraltet. So lockt Indien mit Investitionsanreizen - der aktuelle Fünfjahresplan der indischen Regierung sieht ein Investitionsvolumen von 43 Milliarden US-Dollar vor. Indien importierte 2009 Textilmaschinen im Wert von 1 Milliarde US-Dollar. Die Herstellung vor Ort sei schließlich viel günstiger, gab auch Textilminister Dayanidhi Maran auf seiner Europatour im Frühjahr zu bedenken. Die Strategie „Made in Europe – Sold in India“ ist seiner Ansicht nach nur etwas für den Premiumbereich, „schon wegen der Zoll- und Steuerbarrieren“. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien soll Abhilfe schaffen. Seit drei Jahren schon verhandeln Brüssel und Delhi über den Handelspakt, der bis zum Jahresende unter Dach und Fach sein soll. Teil des Abkommens wird die Liberalisierung des bilateralen Textilund Bekleidungshandels sein.

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Steckbrief Indien Bevölkerung 1,2 Milliarden Bevölkerungswachstum 1,4 Prozent Korrespondenzsprache Hindi, Englisch BIP 1 299,6 Milliarden US-Dollar BIP pro Kopf 1 052 US-Dollar BIP-Wachstum 2010 8,7 Prozent Nettoauslandsverschuldung 251,4 Milliarden US-Dollar Währungsreserven 252,8 Milliarden US-Dollar Textil-/Bekleidungsausfuhr 22 Milliarden US-Dollar Textil-/Bekleidungseinfuhr 2,6 Milliarden US-Dollar

Quelle: gtai


Gertex Textil GmbH Gertex bietet als innovativer Maschenstoffhersteller textile Lösungen für die Automobil-, Wäsche- und Schuhindustrie. Das mittelständische Unternehmen in Gerstetten auf der Ostalb mit ca. 50 Millionen Euro Umsatz setzt auf kreative Entwicklungen und hohe Qualität.

Interview /////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////////// masche im Gespräch mit Dr. Ulrich Zwissler Herr Dr. Zwissler, die Firma Gertex blickt auf eine fast 140-jährige Tradition zurück. Wie ist das heutige Unternehmen entstanden? Mein Urgroßvater hat das Unternehmen 1872 als Hand­ weberei Gebrüder Schmid gegründet und damit die Nebenerwerbsaktivitäten der Gerstetter Bauern gebündelt. Der Hauptartikel waren Hängematten für Überseeschiffe. 1899 hat mein Großvater die Firma gekauft und in die Mechanische Weberei Gerstetten umgewandelt. Produziert wurden vor allem Bettwäsche, Schuhfutter und Besatzstoffe. Unter meinem Vater lief das Unternehmen in dieser Form über die Jahrzehnte weiter. Nach meinem Einstieg ins Unternehmen habe ich 1965 die Gertex Wirkerei gegründet. Die Weberei haben wir schließlich stillgelegt und uns ab Anfang der 70er Jahre auf die Kettenwirkerei konzentriert. Begonnen haben wir mit 30 Mitarbeitern und 12 Maschinen. Schon damals haben wir uns auf die Bereiche Automobil, Wäsche und Mode ausgerichtet. Nach kurzer Zeit haben wir die Kaschierabteilung der Zoeppritz AG erworben und konnten technische Verbundstoffe anbieten. In den

darauffolgenden zwanzig Jahren haben wir den Betrieb durch Zukäufe in Wörnitz bei Rothenburg erweitert. Heute sind wir ein hochmoderner Anbieter von High-TechStoffen, der Kunden aus dem automobilen Zulieferbereich sowie der Schuh- und Wäscheindustrie individuelle Lösungen bieten kann. Der Technologiewechsel von der Weberei zur Wirkerei hat die Firmenzukunft gesichert. Wie kamen Sie darauf? In der Weberei habe ich nach meinem Einstieg in die Firma Maschinen aus dem Jahr 1906 vorgefunden. Hier gab es also einen gewaltigen Investitionsstau. Auch im Marketing und bei der Produktentwicklung war zu wenig gemacht worden. Für mich war schnell klar – mit der Baumwollweberei haben wir auf der Alb keine Chance mehr. Vertikalisieren konnten wir auch nicht, denn in Gerstetten fehlt es an Wasser. Unsere Zukunft sah ich daher eher im Bereich der Maschenware und technischen Textilien. Wir sind sofort bei den technischen Gewirken eingestiegen, denn schon masche 11


Anfang der 70er Jahre setzte der Niedergang der Kettenwir­ kerei im Hemdenbereich ein. Das war die richtige Entscheidung, aber wir mussten noch einiges lernen. Anfangs konnten wir für die Firma Ogus in Oberndorf als Lohnwirker arbeiten. Dann ging Ogus in Insolvenz, und unser einziger großer Kunde war weg. So haben wir schmerzhaft erfahren, dass wir uns auf keine Abhängigkeiten einlassen dürfen und stärker diversifizieren müssen. Auch bei den Schuhstoffen war der Markt damals sehr eng. In den 80er Jahren haben wir uns verstärkt dem Automobilbereich zugewandt und die Produktion im benachbarten Heldenfingen für technische Kaschierungen ausgebaut.

Heute produziert Gertex vorwiegend für Abnehmer im Automobilbereich. Etwa 60 Prozent unserer Produktion sind Autotextilien. Unsere Hauptkunden sind deutsche Premiumhersteller, die wir hauptsächlich mit Materialien für die Mittel- und Oberklasse beliefern. Produktschwerpunkte sind Textilien für Autohimmel, Hutablagen, Säulen, Sonnenschutz und Cabrio-Dächer. Unsere Spezialität sind Abstandsgewirke, die immer stärker, z. B. für Autodächer, verwendet werden. Abstandsgewirke brauchen keine Unterfütterung durch Schaumstoff- oder Vlieskaschierung. Hier legen wir besonderen Wert auf die Entwicklung, um den Klimatisierungseffekt und die Schallabsorbierung zu optimieren. Die restlichen 40 Prozent verteilen sich auf Wäsche, Mieder, Schuhe, Klettverschlussware, außerdem Stoffe für Motorrad- und Skihelme und den Outdoorbereich. Sie arbeiten auch mit chinesischen Partnern zusammen … Im chinesischen Ningbo haben wir vor fünf Jahren gemeinsam mit der rökona Textilwerk GmbH aus Tübingen und einem chinesischen Automobilzulieferer ein Joint Venture aufgebaut, das sehr gut läuft. Bisher beliefern wir große deutsche Automobilhersteller, bald sollen auch chinesische Marken dazukommen. Unsere Kunden verlangen verstärkt, dass wir vor Ort produzieren. Wir haben viele Chinesen in Gerstetten ausgebildet, und das funktioniert gut. Einer unserer ehemaligen Betriebsleiter, der bereits im Rentenal12 masche

ter ist, fungiert als technischer Berater vor Ort. So können wir weiter seine 40-jährige Erfahrung nutzen. Ohnehin bli­cken Chinesen mentalitätsbedingt zu älteren Menschen auf. Gertex ist Teil der Dr. Zwissler Holding AG. Wie sieht der Firmenverbund aus? Die Holding gliedert sich in drei Bereiche: Dazu gehört erstens der zentrale Bereich der textilen Fläche, mit Gertex, der Tochterfirma Fischer textil in Kemnath mit der Spezialität Miederstoffe und Zoeppritex für technische Kaschierungen. Ein zweiter Bereich ist der Sonnenschutz, mit dem sich vier Betriebe befassen, davon einer in der Schweiz. Drittens der Bereich Fashion, in dem u. a. der Markenhersteller Zoeppritz Deckenmode integriert ist. Zoeppritz ist ein aufstrebender Betrieb mit 60 Prozent Exportanteil, der von meinem Neffen neben seinen Aufgaben in der Holding betreut wird. Zum internationalen Kundenkreis gehören z. B. KaDeWe und Galeries Lafayette. Zudem sind in diesen Bereich die italienischen Töchter Freetime SARL und Trendintex SARL eingebunden, die für Premiumkunden wie Louis Vuitton, Salvatore Ferragamo und Dolce & Gabbana hochwertige Accessoires, Schuh- und Taschenstoffe produzieren. Insgesamt hat die Holding heute ca. 550 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von ca. 120 Millionen Euro. Knapp 50 Millionen entfallen dabei auf Gertex. Produktion in Deutschland ist teuer. Wo sehen Sie speziell für Gertex die Standortvorteile? Textile Innenausstattungen sind Sichtteile. Es ist also extrem wichtig, in der Entwicklung eng mit dem Hersteller zusammenzuarbeiten. Neben dem Design gehören dazu technische Erfordernisse wie Lichtechtheit oder Schmutz­ abweisung. Qualitätssicherung und Reklamationsabwehr spielen eine riesige Rolle. Bevor die Serienfertigung anläuft, muss alles hundertprozentig abgesichert sein. Wir setzen auf Top-Qualität und hohe Entwicklungsleistung. Am Standort Deutschland müssen wir entweder höchsten modischen oder höchsten technischen Ansprüchen genügen. Im Bereich Automobil kommt uns natürlich der Facelift-Gedanke zugute, der in den 90er Jahren entstand. Die normale Lebensdauer eines Modells betrug bis dahin um die acht Jahre. Heute setzt man auf kleinere Veränderungen in kürzeren Abständen, vor allem bei der Innenausstattung. Textilien sind dabei ein wichtiges Designelement. Für uns kommt es also auf schnelle Reaktionszeiten und Flexibilität an.


Probleme bei der Garnbeschaffung sind für die Branche derzeit ein großes Thema. Wie beurteilen Sie die Lage? Die Angebotsverknappung bekommt auch Gertex zu spüren. Die aktuellen Insolvenzfälle in Europa bereiten uns große Sorgen. Trevira gehört zu unseren wichtigsten Polyesterlieferanten. Spezialitäten, von denen nur kleine Mengen benötigt werden, will man nicht mehr bereitstellen. Genauso sieht es bei Standardartikeln aus, deren Herstellung man nicht mehr als lohnend betrachtet. In unserem Bereich können wir aber nicht einfach auf ein anderes Garn umsteigen. Das würde das Produkt komplett verändern – und wir sind verpflichtet, genau das zu liefern, was vereinbart war. Der Kreis der Garnlieferanten ist ohnehin eng, und unsere Flexibilität wird dadurch gehemmt. Die Beschaffungsproblematik hat sich auch durch den starken Nachfrageanstieg aus Ostasien verschärft. Mit unseren Kunden im Bereich der Systemlieferanten sind keine Nach­verhandlungen im Preis möglich. Da ist man sehr festgelegt und wir haben kaum eine Chance, Preiserhöhungen im Garn weiterzugeben. Eher das Gegenteil ist der Fall: Alle Jahre wieder verlangen die OEMs weitere Savings und stellen hypothetische Preisvergleiche mit Ländern an, aus denen mit gutem Grund überhaupt nichts bezogen wird. Im vergangenen Jahr hat das restriktive Verhalten der Kreditversicherer die Branche belastet. Dann kam der staatliche Schutzschirm. Hat sich die Lage für Gertex inzwischen entspannt? Unser Kreditversicherer hat für mehrere große Kunden die Limits komplett gestrichen. Das ist bis heute so geblieben, obwohl sich die Situation in der Autoindustrie deutlich verbessert hat. Und Gertex muss mit den üblichen Lieferkonditionen im Automobilbereich leben, das bedeutet:

Zahlungsziel ist der 25. Tag des Folgemonats. Im Durchschnitt müssen wir vierzig Tage auf unser Geld warten und sind nicht abgesichert. Vorkasse haben die Kunden natürlich abgelehnt, und die Automobilhersteller weigern sich ganz einfach, Patronatserklärungen abzugeben. Ausfälle gab es bisher aber zum Glück nur zwei. Mit oder ohne Krise und unwillige Kreditversicherer: Die Konditionen in der automobilen Zulieferkette galten schon immer als besonders hart. Wir würden natürlich am liebsten überall die Einheitsbedingungen der Textilindustrie anwenden. Gegenüber den OEMs ist das aber auf keinen Fall durchsetzbar. Wir arbeiten daher meistens auf gesetzlicher Basis und fühlen uns alles andere als wohl dabei. Das ist ein wichtiges Thema, auch für den Verband. Die Wirtschaftskrise hat die Automobilindustrie hart getroffen, und mit ihr die Zulieferer. Heute freut man sich wieder über steigende Absatzzahlen. Wie hat sich das Krisenjahr 2009 auf Gertex ausgewirkt, und was erwarten Sie für die nahe Zukunft? Das 1. Quartal 2009 war schlimm für uns, denn die Systemlieferanten haben ihre Läger massiv abgebaut. Das bedeutete in den ersten drei Monaten des Jahres ein Umsatzminus von 30 bis 40 Prozent. Allerdings begann Ende 2009 ein – wenn auch noch zögerlicher – Lagerwiederaufbau. Das erste Halbjahr 2010 ist für uns sehr gut gelaufen. Zu den Lagerauffüllungen kamen ein leichtes Nachfrageplus und eine höhere Investitionsbereitschaft seitens der Verbraucher. Die Autoexporte entwickeln sich sehr gut, während der Inlandsmarkt rückläufig ist. Da die Läger wieder auf dem alten Stand sind, rechnen wir für das 2. Halbjahr mit einem etwas masche 13


flacheren Anstieg. Fest steht: Die Geschäftskunden kaufen wieder Autos. Deswegen bin ich zuversichtlich. Wir werden unsere Entwicklungsanstrengungen weiter verstärken, das ist für den Automobilbereich das A und O. Wir produzieren im hochpreisigen Segment und wollen Spitzenqualität anbieten. Dafür ist ein hoher Entwicklungsaufwand einfach unabdingbar. Worin sehen Sie besondere Chancen für Ihr Unternehmen? Wir fühlen uns mit unserer seit langem gepflegten Firmenstrategie gut für die Zukunft aufgestellt. In den 80er Jahren haben wir stark daran gearbeitet, unsere Abhängigkeit zu verringern. Die verschiedenen Teile der Firmengruppe agieren eigenverantwortlich, und die Gruppe verfügt über ganz unterschiedliche Betriebe, ist also entsprechend diversifiziert. So können wir eine „core business“-Strategie fahren, ohne uns zu einseitig auszurichten. Eigene Geschäftsführungen der Betriebe berichten an die Holding, und die Verantwortung wird auf die Ebene nach unten verteilt. Wir setzen auf flache Hierarchien. Für uns ist es schon immer wichtig gewesen, nahe am Markt zu sein und Bedürfnisse schneller auszumachen als andere. Unser Ziel sind erstklassige Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen, bei denen die Rendite aber nicht ins Hintertreffen gerät. Wie wir das erreichen? Wir setzen auf ein gutes Betriebsklima mit motivierten und engagierten Mitarbeitern. Schließlich leben wir von kreativen Entwicklungsideen.

Erzählen Sie uns bitte noch etwas über sich. Die letzten Kriegsjahre haben mich als Kind sehr geprägt. Robert Scholl, Vater der Geschwister Scholl und späterer Oberbürgermeister von Ulm, war damals unser Steuerberater. Da mein Vater nicht willens war in die Partei einzutreten, standen wir unter Gestapo-Beobachtung. Die Firma hat unter dem 2. Weltkrieg kaum gelitten, in Gerstetten gab es ja praktisch keine Zerstörungen. In den ersten Nachkriegsjahren lief alles gut für uns, aber schon vor Mitte der 50er Jahre spürten wir den Einfluss von Importtextilien aus Ostasien. In den 60er Jahren wurde das ein großes Problem, so dass wir uns bereits damals auf Bettwäsche und Matratzen-Schonbezüge als „core business“ konzentrierten. Nach meinem Abitur in Ulm habe ich in München Betriebswirtschaftslehre studiert, danach in Mannheim promoviert. In den Familienbetrieb bin ich 1964 eingestiegen. Das geschah unter großem Zeitdruck, denn mein Vater hatte bereits zwei Herzinfarkte erlitten und brauchte mich dringend. Für ein halbes Jahr habe ich mich in Reutlingen einer Schnellbleiche unterzogen, um mir die wichtigsten Kenntnisse der Textiltechnik in Weberei und Wirkerei anzueignen. Ab 1967 war ich bereits Alleinverantwortlicher für die Weberei und Näherei. Zu dieser Zeit haben wir dann in kleinem Umfang mit Maschenware begonnen. Die erste Bilanz, die ich gesehen habe, habe ich selbst gemacht. Bei meinem Vater gab es darum immer ein großes Geheimnis. Geschwister habe ich keine, aber mein Vetter Jörg Alt hat eng mit mir zusammengearbeitet und das Unternehmen seit den 60er Jahren bis heute mit begleitet. Nach über 45 Jahren will ich mich Schritt für Schritt aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Eine Nachfolgeregelung ist getroffen, mein 41-jähriger Neffe Jan Alt arbeitet schon seit zehn Jahren im Unternehmen und wird das Ruder übernehmen. Dann habe ich mehr Zeit für Dinge, die bisher oft zu kurz gekommen sind wie Golf und Wandern. Außerdem reise ich gerne, und ich besuche, wo es geht, Konzerte. Die ernste Musik hat es mir angetan, vor allem Mozart und Schubert.

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Textile Visionen Albstadt treibt Pionierarbeit auf die Nadelspitze ///////////////////////////////////////////////// Markus H. Ostrop Wenn wir eines Tages in einer fernen Welt neuen Lebensraum erschließen, dann am besten mit Hilfe von Textilien. Und mit Groz-Beckert. Denn der Albstädter Weltmarkt­ führer für Industrienadeln will in seinem neuen Technologieund Entwicklungszentrum (TEZ) textile Visionen wahr werden lassen. Gemeinsam mit Maschinenbauern, Textilern und institutionellen Partnern sollen die Poten­ziale technischer Textilien systematisch genutzt und ausgeweitet werden. 70 Millionen Euro haben die Nadel-Pioniere (Manager Magazin) dafür in die Hand genommen. Fünf Technika für verschiedenste Textilfertigungsverfahren bilden die Schwerpunkte. Produktionsnahe Maschinen und Anlagen auf 20 000 Quadratmetern Grundfläche ermöglichen anwendungstechnische Versuche, die Produktion von Klein- und Sonderserien als Dienstleistung für Partner sowie die Erprobung von Groz-Beckert-Produkten unter realen Fertigungsbedingungen. Ein Ort, an dem das Neue nicht per Zufall, sondern systematisch gefördert entstehen soll. Dazu Labors, ein Ausbildungszentrum, Entwicklerbüros, Seminarräume. Und das ausgerechnet auf der schwäbischen Alb? „Die Seele ist von entscheidender Bedeutung“, sagt Dr. Thomas Lindner, seit 23 Jahren Chef des über 7 000-Mannstarken Familienbetriebs. Und die sitzt in Albstadt-Ebingen. Hier wird der Standard gesetzt, der das Unternehmen auch

im Ausland erfolgreich macht. Ob in den Werken in Indien, China oder in Europa – trotz unterschiedlicher Mentalitäten und Kulturen verfolgt Groz-Beckert überall den gleichen Qualitätsbegriff. Deshalb ist die Bündelung der Innovationskraft am Heimatort des 158 Jahre alten Unternehmens konsequent. Der Stammsitz und vor allem das TEZ sollen verstärkt als globale Schnittstelle fungieren, wo sich alle Kernkompetenzen wie Entwicklung, Konstruktion, Prozesstechnik und Labor bündeln. Dabei lebt das Technologie- und Entwicklungszentrum auch vom vitalen Wissenstransfer zur Albstädter Produktion und der Abrufbarkeit aller Leistungen. Zudem existiert vor Ort eine qualifizierte AusbildungsInfrastruktur und nach wie vor ein erhebliches Wissen zum Thema „Textil“ – weitere gute Argumente für die Standortwahl.

Fotos: Groz-Beckert

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Von Sorgen umgarnt

Der Vorsitzen de Dieter Brau n führte durc Programm. h das

el r Technik: Ax usten Stand de ne m de e. f Ci au & Immer ler von Mayer Wolfgang Mül Brünner und

Techniker erörtern aktuelle Herausforderungen /////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer Die Vormaterialbeschaffung ist in den letzten Monaten zum Politikum avanciert: Viele Garne und Fasern sind erheblich teurer geworden; bestimmte Garntypen sind auf dem Markt kaum mehr zu bekommen. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an Qualität und Funktionalität von Maschenware. Die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Beschaffung textiler Rohstoffe und technische Problemstellungen bei der Garnverarbeitung waren daher die zentralen Themen des Technischen Ausschuss von Gesamtmasche am 29. Juni. Dieter Braun, Geschäftsführender Gesellschafter der Triumph International Spiesshofer & Braun KG, führte als Vorsitzender des Ausschusses durch das Programm. 60 Unternehmensvertreter kamen an dem heißen Sommertag zum ITV Denkendorf, in dessen Räumen das Gremium tagte. Auch Südwesttextilmitglieder – von der Spinnerei bis zur Konfektion – waren zugegen. Die rege Teilnahme spiegelt das große Interesse wider, das in allen Stufen der textilen Kette an den aktuellen Entwicklungen bei der Garn- und Faserversorgung besteht. Die erste Vortragsrunde war dem Thema „Feine Garne für Maschenwaren“ gewidmet. Der Trend zu ultrafeinen Maschenwaren nimmt stetig zu. Durch die extrem feinen Maschenkonstruktionen haben die Stoffe Funktionalität, sind dabei extrem weich, leicht und bleiben immer perfekt in Form. Wolfgang Müller und Axel Brünner von Mayer & Cie. erläuterten den Stand der Technik bei Rundstrickmaschinen 16 masche

in sehr feinen Teilungen. Für einen harmonischen Strickprozess, sowie ein gleichmäßiges Maschenbild auf Rundstrickmaschinen mit feinsten Teilungen ist höchste Präzision gefragt, sowohl bei der Zylinderfertigung als auch bei den Strickelementen und der Maschenbildung. Seit 2001 hat Mayer & Cie. ca. 300 Maschinen in feinen Teilungen verkauft, die meisten nach Ostasien. Am weitaus gefragtesten ist dabei die 44er Teilung (44 Maschen pro Inch). Die passend feinen Stricknadeln und Voraussetzungen für die materialgerechte Konfektion von feinsten Maschenwaren stellte Eric Jürgens von Groz-Beckert vor. Präzisionsnadeln für Feinheit E 60-66 sind gerade einmal 0,2 mm dick. Feinste Garne sind die Voraussetzung für die Arbeit mit Feingauge-Maschinen. Egon Dünser von der Firma Lenzing rundete den Themenkomplex durch seine Präsentation zu Viskosefasern und Garne für Rundstrickmaschinen in sehr feinen Teilungen ab. Der zweite Teil der Veranstaltung befasste sich mit den aktuellen Problemen bei der Garnversorgung. Preissteiger­ungen und die mangelnde Verfügbarkeit bestimmter Faser- und Garnqualitäten treiben derzeit viele Unternehmen um. Das gilt gleichermaßen für die Bereiche Naturund Chemiefasern. Andrea Stark und Michael Bandel von der TVU Garnvertrieb in Leutershausen beleuchteten die aktuellen Trends am Weltbaumwollmarkt und zogen das Fazit, dass sich das Preisniveau aufgrund knapper Flächen und steigender Nachfrage auch auf lange Sicht nach oben


rierte über uch, IVC refe Dr. Wilhelm Ra roduktion. Chemiefaserp

die

Feinste Maschentechnik Der Trend zu feinster Maschenware ergibt sich aus den vielfältigen Vorteilen und Einsatzmöglichkeiten. Durch feine Teilungen können extrem glatte und homogene Stoffoberflächen erzeugt werden, die weich und leicht sind und trotz ihres geringen Gewichts über eine blickdichte Warenoptik verfügen. Die Stoffe sind hochelastisch und passen sich optimal dem Körper an. Die Einsatzmöglichkeiten feinster Maschenware reichen von Wäsche über Oberbekleidung bis zu technischen und biomedizinischen Anwendungen. Aktuell sind Maschinen mit Feinheiten bis zu E 60 (60 Maschen pro Inch) im Einsatz. Allerdings ist die Entwicklung schon bei Teilungen bis E 70 angekommen. Die superfeinen Stoffe muten wie gewebte Seide an. Als tech­nischer Einsatz sind beispielsweise Superfilter für die Kosmetik und Medizinprodukte denkbar.

verschoben hat. Dr. Wilhelm Rauch von der Industrievereinigung Chemiefaser (IVC) gab einen Überblick zur künftigen Chemiefaserbeschaffung. Silvia Jungbauer von Gesamtmasche zeigte auf, welche Folgen die Rohstoffverknappung auch auf die Nutzung von Präferenzen im Rahmen von Freihandelsbeziehungen haben kann. In der nachfolgenden Podiumsdiskussion setzten sich Albert Schatz von TWD Fibres, Dr. Wilhelm Rauch, IVC, Dietmar Heck von der Zwirnerei Untereggingen und Darius Naroska von Invista und unter reger Beteiligung des Plenums mit den Verschiebungen im Weltfasermarkt auseinander: Steigende Rohmaterialpreise gefährden bei steigender Nachfrage die Versorgungssicherheit. Selbst Standard-Titer sind derzeit nur mit langen Fristen lieferbar, und im Zuge von Produktionsverlagerungen und Insolvenzen verschwinden bestimmte Garntypen gänzlich aus den Hersteller-Portfolios. Knappe Ressourcen, da waren sich alle Teilnehmer einig, müssen auch für den Endverbraucher ihren Preis haben. Über die schmal kalkulierten Margen der Branche können die Preissteigerungen jeden­falls nicht mehr aufgefangen werden. Mitglieder von Gesamtmasche können die Veranstaltungsunterlagen bei Angelika Kläger (klaeger@gesamtmasche.de, Tel. +49 711 21050-14) abrufen.

Teilnehmer der Podiumsdiskussion: Albert Schatz, TWD Fibres.

Andrea Stark und Michael Bandel, TVU, die aktuellen präsentierten Trends am W eltbaumwollm arkt.

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Das weiße Gold Baumwolle zwischen Knappheit und Bio-Boom ///////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer Die Preise für Baumwolle sind in den letzten Monaten steil nach oben gegangen. Während der Weltfaserverbrauch steigt, werden die Anbauflächen für Baumwolle kleiner. Für die kommenden Jahre droht eine gewaltige Versorgungslücke. Dafür verantwortlich sind konkurrierende „Cash Crops“, Klimaveränderungen oder Industrialisierungsprozesse, vor allem aber das Wachstum in den Schwellenländern. Als Rohstoff für Bekleidung erfreut sich die Faser ungebrochener Beliebtheit: Baumwollstoffe gelten als hautfreundlich und robust. Gleichzeitig boomt der Markt für Produkte aus Bio-Baumwolle. Green Fashion ist längst mehr als nur ein Trend. Konsumenten entscheiden sich immer häufiger für Ware aus Baumwolle, die aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) stammt. Die ersten kontrolliert biologischen Anbauvorhaben gab es Ende der 80er Jahre in der Türkei. Mittlerweile wird in 22 Ländern Baumwolle kontrolliert biologisch angebaut. 2008 hat der Bio-Baumwollmarkt gegenüber dem Vorjahr um über 70 Prozent zugelegt: Waren es 2007 noch 1,9 Milliarden US-Dollar Umsatz, stieg die Zahl im Jahr 2008 auf

3,3 Milliarden US-Dollar. Dennoch bewegt sich der Anteil von kbA-Baumwolle an der Weltbaumwollproduktion mit ca. 140 000 Tonnen nach wie vor im Promille-Bereich. Baumwolle ist eine anspruchsvolle Nutzpflanze. Ihre lange Wachstumszeit erfordert nach der Ernte eine rasche Feldbestellung und Neuaussaat. Daher ist der Anbau von Zwischenfrüchten zur Verbesserung der Bodenqualität und zur Unterdrückung von Unkräutern kaum möglich. Infolge dieser Monokulturen ist die großflächige Baumwollproduktion stark von Pflanzenschutzmitteln abhängig. Bio-Baumwolle hingegen wird ohne den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden und unter Einhaltung von Fruchtfolgen angebaut. Im Durchschnitt sind die Erträge im Biolandbau daher um 30 oder 40 Prozent geringer, entsprechend höher ist der Flächenbedarf. Weniger Chemie, dafür höhere Erträge versprechen BiotechSaaten: Bei der so genannten Bt-Baumwolle wird ein Gen eingefügt, das ein Gift gegen Fraßschädlinge produziert. Den transgenen Saaten haftet insbesondere in Europa ein zweifelhaftes Image an, auch wenn es aus ökologischer Sicht Gründe gibt, die für die Bt-Baumwolle sprechen. Ihre geringere Schädlingsanfälligkeit verringert den Pestizideinsatz, und robustere Sorten mit geringerem Wasserbedarf können dabei helfen, bisher für den Baumwollanbau un­geeignete Flächen nutzbar zu machen. Für kleinbäuerliche Haushalte in Indien oder Afrika bieten sie so verbesserte Einkommenschancen. Aber auch der Anbau von Bio-Baumwolle kann für die Kleinbauern finanziell attraktiv sein. Der Mehraufwand für ökologischen Landbau muss sich allerdings in den Preisen für kbA-Baumwolle widerspiegeln. Bio-Kleidung muss deshalb kein kostspieliger Luxus sein. Was allerdings stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden muss: Umweltschutz und Armutsbekämpfung gibt es nicht zum Nulltarif. Eine ökologische Produktionsweise, Ressourcenschonung, die Einhaltung sozialer Mindesstandards und auskömmliche Margen der Zulieferer haben ihren Preis. Dazu kommt, dass die wachsende Weltbevölkerung mit ihrem steigenden Bedarf Baumwolle langfristig teurer macht.

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Geschäftsklimaindex Masche im Aufwind Gesamtmasche-Geschäftsklimaindex Der Gesamtmasche-Geschäftsklimaindex wurde zum ersten Mal im dritten Quartal 2006 erhoben. 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 I/08

II/08

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I/09

Gesamtmasche-Geschäftsklimaindex – Insgesamt

/////////////////////////////////////////////////// Silvia Jungbauer Die deutsche Maschenindustrie gewinnt nach den krisenbedingten Einbrüchen des letzten Jahres weiter an Fahrt. Das geht aus der jüngsten Geschäftsklima-Umfrage von Gesamtmasche hervor, die der Verband viermal pro Jahr unter seinen Mitgliedern durchführt. Im Bereich Wäsche liegen die Erwartungen dabei über dem Branchen­ durchschnitt. Nach der noch zaghaften Trendwende zum Jahresanfang haben sich die wichtigen Indikatoren in den ersten beiden Quartalen des Jahres deutlich positiv entwickelt. Der Geschäftsklimaindex hat sich mit einem Wert von 11,33 um 3,29 Punkte gegenüber dem letzten Quartal ver­‑ bessert. Für Bodywear ergab sich gegenüber der bereits guten Stimmung des 1. Quartals nochmals ein leichter Anstieg auf aktuell 17,85 Punkte. Noch im 4. Quartal 2009 hatte der Wäsche-Index bei minus 16,19 gelegen, der Index für die Maschenindustrie insgesamt bei minus 6,91. Damit ist die Branche mit Zuversicht in die zweite Jahreshälfte gestartet: Über 90 Prozent der Befragten sind mit der aktuellen Kapazitätsauslastung zufrieden. Jedes fünfte Unternehmen rechnet mit einem weiteren Anstieg, im Bereich Bodywear glaubt das sogar ein Drittel der Hersteller.

II/09

III/09

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I/10

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Gesamtmasche-Geschäftsklimaindex – Wäsche

Ebenfalls mehr als 90 Prozent der Firmen benoten ihre aktuell erzielten Inlandsumsätze mit gut oder befriedigend. Auch hier liegen die Wäschehersteller über dem Durchschnitt der gesamten Maschenindustrie. Immerhin 88 Prozent zeigen sich mit ihrem Auslandsgeschäft zufrieden. Für die kommenden Monate erwartet über ein Viertel der Unternehmen weiter anziehende Exporte und insgesamt steigende Auftragseingänge. Im Segment Bodywear geht sogar jeder dritte Hersteller von verbesserten Geschäften im In- und Ausland aus. In wichtigen Exportdestinationen wie der Schweiz, in Italien oder Polen war die Erholung bereits in den ersten Monaten des Jahres zu spüren. Inzwischen nehmen auch die Ausfuhren in angestammte westeuropäische Absatzmärkte wie Frankreich, Großbritannien und Spanien wieder zu. Die Ertragserwartungen der Branche sind jedoch trotz der guten Stimmung verhalten. Zwar bezeichnen neun von zehn Unternehmen ihre Ertragslage als gut oder befriedigend, mit einem steigenden Ertragsniveau rechnen allerdings die wenigsten. Textile Rohstoffe haben sich in den letzten Monaten erheblich verteuert. Ob Baumwolle oder Synthetik – gestiegene Garnpreise und schlechtere Verfügbarkeiten belasten die Margen und erschweren die Planung.

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Außenwirtschaft  China wird teuer Das Lohnniveau steigt Der Anstieg der Arbeitskosten in China, steigende Frachtraten und logistische Herausforderungen machen den weltgrößten Textilund Bekleidungsexporteur als Produktionsstandort immer teurer. Seit 2009 ist der durchschnittliche Stundenlohn in der chinesischen Bekleidungsindustrie um 14 Prozent auf 1,84 US-Dollar gestiegen. Die Konfektion in China ist damit beinahe viermal teurer als beispielsweise in Vietnam, wo die Stundenlöhne nur um 2 Prozent zulegten und sich bei 49 Cents bewegen. Viele Hersteller verlagern ihre Aktivitäten daher in Nachbarländer mit niedrigeren Lohnkosten. Weiter gen Westen ins chinesische Landesinnere vorzudringen, erscheint vielen zu gewagt. Die Annahme, dort auf ein unerschöpfliches Reservoir von billigen Arbeitskräften zu stoßen, hält der Praxis offenbar nicht Stand. Möglicherweise erreichen die Westprovinzen in wenigen Jahren ein ähnliches Lohnniveau wie die reicheren Regionen an der Ostküste heute. Tatsächlich haben sich die regionalen Disparitäten in den letzten zehn Jahren ver­ringert. Dazu kommen steigende Kosten für Grundstücke und Einschränkungen beim Transport. Andererseits bieten Regionen wie das Perlflussdelta trotz des Kostenanstiegs immer noch

Vorteile. Dazu gehört die Nähe zu Seehäfen genauso wie ein gut funktionierendes Dienstleistungsumfeld, qualifiziertes Personal und die Möglichkeit, vielfältigste Vormaterialien und Zutaten vor Ort beschaffen zu können. Anstieg der jährlichen Durchschnittslöhne im verarbeitenden Gewerbe (Renmimbi Yuan) 1998 2008 Guangdong

Veränderung (%)

10 337

25 249

144,2

Guangxi 6 153

21 181

244,2

Hunan 6 108

22 188

263,2

Guizhou 6 193

22 224

258,8

Beijing

11 370

39 076

246,4

Shanghai

12 944

42 311

226,8

Zhejiang 8 321

23 816

186,2

Jiangsu 7 398

25 688

247,2

Chongqing 6 392

24 131

277,5

Sichuan 6 488

22 046

239,7

Innere Mongolei 5 127

22 352

335,9

Tibet 5 612

19 486

247,2

Quelle: Economist Intelligence Unit

Polen: Markt für Kinderbekleidung wächst Kindersegen ist gut für die Wirtschaft Eine steigende Geburtenrate verbunden mit steigenden Einkommen kurbeln in Polen die Nachfrage nach Kinderprodukten an. Kamen 2003 noch 351 Geburten auf 1 000 Einwohner, so waren es 2009 bereits 418. Von diesem Wachstumstrend profitieren auch die Anbieter von Markenkinderbekleidung, denn bei steigenden Einkommen achten polnische Eltern immer stärker

auf Qualität. Sie kaufen die Ausstattung für ihren Nachwuchs im Einzelhandel und nicht mehr auf Straßenmärkten oder in Billigläden. Gesättigt ist der Markt noch lange nicht. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Euromonitor International liegt das Volumen des polnischen Marktes für Kinderartikel bei insgesamt 2,5 Mrd. Euro. Rund die Hälfte davon entfällt auf Bekleidung und Schuhe. Von der schwächeren Konjunktur im Vorjahr hat der Markt für Kinderartikel nichts zu spüren bekommen. Dieses Jahr soll der Absatz von Kinderbekleidung nochmals um knapp 5 Prozent zulegen. Auch in Polen werden Paare, die sich zur Gründung einer Familie entschließen, immer älter: Ihr Durchschnittsalter liegt aktuell bei etwa 30 Jahren. Sie sind beruflich bereits etabliert und können sich häufiger hochwertige Artikel für ihre Kinder leisten. Auch die Zahl der Einzelkinder, um die sich Eltern und zwei Großelternpaare gleichzeitig bemühen, nimmt zu. Die polnischen Messegesellschaften stellen sich bereits auf diese Entwicklung ein. Der Veranstalter Targi Kielce organisierte im April 2010 erstmals die „Kids‘ Time“, auf der rund 150 internationale Aussteller Bekleidung und Accessoires für Mutter und Kind präsentierten. Im Mai ging außerdem die „Swiat Dziecka“ („Die Welt des Kindes“) der Maxpol in Warschau an den Start.

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Hongkong bleibt Drehscheibe im Asien-Geschäft Wettbewerbsfähige Infrastruktur schafft Standortvorteile Hongkong, einst wichtiger Standort für die Bekleidungsproduktion in Asien, hat den Großteil seiner Produktion längst ins angrenzende Perlflussdelta oder nach Südostasien verlagert. Die meisten Hersteller haben aber nach wie vor ihren Sitz in Hongkong. Auch die Bedeutung Hongkongs als Messeplatz für die Branche zeigt, dass die ehemalige Kronkolonie noch immer eine Drehscheibe für den internationalen Textil- und Bekleidungshandel ist. Honkong wird häufig als eine der freiesten Marktwirtschaften weltweit bezeichnet. Die Steuerlast ist niedrig, die Wirtschaftspolitik nicht-interventionistisch und die Verwaltung effizient. Für Hongkongs Wirtschaft spielt der Dienstleistungssektor eine große Rolle, das verarbeitende Gewerbe trägt hingegen nur noch 6 Prozent zur Wirtschaft bei. Die Wirtschaft in Hongkong besitzt eine wettbewerbsstarke Infrastruktur für den Güterumschlag und als Firmenstandort: Die IT-Einrichtungen sind modern, das Rechtssystem verlässlich und der Finanzsektor hoch entwickelt. Hinzu kommt, dass Hongkong gemessen am Umschlag den weltweit größten Frachtflughafen und den drittgrößten Containerhafen besitzt. Weit über 6 000 ausländische Firmen sitzen in der asiatischen Metropole. Hongkong liegt weltweit an dreizehnter Stelle bei den Exporten und an zwölfter Stelle bei den Importen. Somit ist der Außenhandel der bei weitem bedeutendste Faktor der Wirtschaft des Landes. Im internationalen Bekleidungsgeschäft vertrauen viele Firmen weiterhin auf die gute Vernetzung und die Marktkenntnis ihrer Partner in Hongkong. Unternehmen wie die VF Corporation haben ihre strategische Planung nach Hongkong verlagert. Dort fühlt man sich am Puls des Geschehens, und wichtige Verhandlungspartner sitzen vor Ort. Auch als Exportmarkt ist Hongkong nicht zu vernachlässigen. Nächstes Jahr soll die Wirtschaft nach Prognosen des IWF wieder um 4 Prozent wachsen. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 30 800 US-Dollar pro Kopf rangiert Hongkong nach Japan auf Platz 2 in Asien. Die Hongkonger sind markenbewusst und sind gut über internationale Modetrends informiert. Vor allem aber sorgen viele Festlandchinesen in der Sonderverwaltungszone für ein florierendes Einzelhandelsgeschäft. Sie haben es vor allem auf High-end-Produkte abgesehen: 48 Prozent der chinesischen Luxuskäufe werden in Hongkong getätigt. Hongkong kennt weder Einfuhrzölle noch Verkaufssteuern. Es gibt keine verpflichtende Kennzeichnung für Textilien, aber strenge Regeln zum Schutz geistigen Eigentums.

Chinesischer Luxus-Hunger China gilt als Luxusmarkt par excellence. Bereits 2009 wuchs der Luxuskonsum der Chinesen um 12 Prozent auf 9,6 Mrd. US-Dollar. Damit kaufen sie nach einer Studie von Bain & Company mehr als ein Viertel aller Luxusgüter weltweit. In den nächsten fünf Jahren soll der chinesische Luxusmarkt um weitere 5 Mrd. US-Dollar zunehmen. In China können europäische Anbieter aufgrund des steigenden Wohlstands und der hohen Affinität zu westlichen Marken punkten. Die Expansions­ chancen sind noch groß und gelten dabei nicht nur für Luxusmarken. Neben den bekannten Metropolen gibt es eine Reihe weiterer Großstädte, deren Einzelhandelslandschaft eine bemerkenswerte Entwicklung durchläuft und die sich anbieten, die Markenpräsenz in China weiter auszubauen. Acht der Top-10-Einzelhandelsstandorte liegen mittlerweile in Asien. Den Spitzenplatz nimmt dabei Hongkong ein: Rund 91 Prozent aller Luxusmarken weltweit haben dort eine Dependance – mehr als in London (87 Prozent) oder Dubai (85 Prozent).

Währungslabor Hongkong Weil China sich vom US-Dollar unabhängiger machen will, muss es Schritte in Richtung Konvertibilität der eigenen Währung machen. In Hongkong wird die neue Rolle schon geprobt: China erlaubt Hongkong, dem einzigen internationalen Finanzplatz auf chinesischem Boden, bereits seit dem letzten Herbst den Handel mit dem Yuan. Die Ex-Kronkolonie gehört zu den größten Finanzplätzen der Welt und verfügt mit dem Hongkong-Dollar über eine eigene, an den US-Dollar gekoppelte konvertierbare Währung. Durch den Pakt mit der Volksrepublik hat sich Hongkong vom Westen fast unbemerkt eine Position aufgebaut, die dortigen Banken extreme Vorteile verschafft. Sie können den Yuan nun fast wie eine normale Währung handhaben: Hongkonger Bankkunden, die Geschäfte auf dem chinesischen Festland machen, können die Währung auf ihrem Konto problemlos wechseln. Kreditinstitute können Termingeschäfte in Yuan abschließen und sich so gegen Wechselkursrisiken absichern, Yuan-Konten führen und sogar Anleihen in Yuan ausgeben. Das stärkt Hongkongs Drehscheiben-Funktion zwischen China und dem Westen.

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Außenwirtschaft  Briten brauchen große Größen Fast ein Viertel aller britischen Frauen trägt Konfektionsgröße 46 (UK-Größe 18) und darüber. Wie das Marktforschungsinstitut Mintel berichtet, ist der UK-Markt für große Damengrößen damit in den letzten fünf Jahren um 45 Prozent auf 3,8 Mrd. Pfund (4,6 Mrd. Euro) gewachsen. Der Markt für Damenkleidung insgesamt hat um 15 Prozent zugenommen. Auch die männliche Bevölkerung tendiert stärker als bisher zu großen Größen, bei denen der Markt für Herrenbekleidung zwischen 2005 und 2010 immerhin um 6 Prozent auf jetzt 1,9 Mrd. Pfund (2,3 Mrd. Euro) zugelegt hat. Ein Drittel der britischen Männer kauft Kleidung ab XL.

Meinung, bei größeren Größen käme die Mode oft zu kurz. Über das so genannte „Vanity Sizing“ beschweren sich 44 Prozent der Kundinnen, die sich durch Variationen der angegebenen Größen weniger geschmeichelt als verwirrt fühlen. Das führt dazu, dass 40 Prozent der Befragten sich immer an dieselben Läden halten, wenn sie erst einmal wissen, dass die dort angebotenen Größen und Marken passen. Probleme mit inkonsistenten Größenangaben gibt es offenbar vor allem im mittleren Marktsegment: Hier klagen 48 Prozent der Kunden über mangelnde Vergleichbarkeit. Bei den Discount-Kunden sind es 42 und im oberen Segment immerhin noch 38 Prozent.

Die meistgekaufte Damengröße in Großbritannien ist derzeit mit einem Anteil von 31 Prozent die Größe 12, was einer deutschen Größe 40 entspricht, gefolgt von der 14 (42). Fast 40 Prozent aller britischen Frauen tragen Kleidung ab Größe 16 (44). Das sind immerhin 10,1 Millionen Kundinnen. Durch das rasche Wachstum der Zielgruppe ist ihr Nischendasein längst passé. Dennoch haben sich Hersteller und Händler laut Mintel aber noch nicht genügend auf die neuen Körpermaße eingestellt. Die Hälfte der Frauen mit Größe 46 und darüber findet, dass es nicht genügend Auswahl gibt, und 40 Prozent sind der

Korea setzt auf Wertschöpfung und Marken Die Textil- und Bekleidungsindustrie in Südkorea ist seit längerem eine schrumpfende Branche. Die Billigkonkurrenz der umliegenden Länder hat zu Produktionsverlagerungen in großem Stil geführt. Dennoch ist das Land nach wie vor ein wichtiger Hersteller, der zunehmend auf Erzeugnisse mit hoher Wertschöpfung setzt. Zwar wurde die Branche von der weltweiten Wirtschaftskrise getroffen, doch schon im September 2009 setzte die Erholung ein. Für 2010 erwartet der Internationale Währungsfont ein Wirtschaftswachstum von 5,7 Prozent. Der Export soll um 10 Prozent zunehmen, vor allem durch die steigende Nachfrage aus China und Südostasien. Die wichtigsten textilen Exportgüter Südkoreas sind Gewirke und Gestricke sowie synthetische und künstliche Filamente. Bei beiden Positionen war das Land 2009 der weltweit zweitgrößte Exporteur nach China. Die Regierung unterstützt die Restrukturierung der Branche durch Förderprogramme für textile Innovationen. Schwerpunkte sind Karbontextilien, Ökotextilien und Nanotextilien sowie „smart textiles“, z. B. mit integrierten IT-Funktionen.

in Südkorea, im Gegensatz zu vielen Märkten weltweit, nie eingebrochen – 2009 lief es sogar so gut wie nie. Daneben boomt der Markt für Sportswear, Accessoires und Wellness-Artikel. Insgesamt kaufen die Koreaner marken- und qualitätsbewusst. Der koreanische Bekleidungsmarkt 2009 (Mrd. US-Dollar)

Damenbekleidung

5,08

Accessoires

3,17

Casual

3,08 2,92

Herrenbekleidung 2,50

Sportbekleidung 1,67

Luxus Outdoor

1,42

Kinderbekleidung

Parallel dazu entwickelt sich der koreanische Modemarkt vielversprechend. Seit Sommer 2009 wächst das Verbrauchervertrauen wieder. Im vergangenen Jahr wurden in Korea Textil- und Bekleidungsprodukte im Wert von 24,2 Mrd. US-Dollar abgesetzt. Interessanterweise ist das 1,7 Mrd. US-Dollar schwere Luxussegment

22 masche

1,33

Wäsche

1,08

Golf

1,08

Instyle

0,83

Quelle: Fashionbiz Magazine


Baumwollpreise weiter auf hohem Niveau Weltweiter Bedarf an Textilfasern (in Mrd. lbs, 1 lb = 0,454 kg) 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

1965

1970

1975

1980

1985

1090

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Quelle: Cotton Incorporated

Wegen einer deutlichen Verknappung der internationalen Lagerbestände erreichten die Baumwollpreise in der Saison 2009/2010 ein so hohes Niveau wie seit zehn Jahren nicht mehr. Für die Saison 2010/2011 schätzt das International Cotton Advisory Committee (ICAC) einen Anstieg der weltweiten Baumwollanbaufläche um 10 Prozent auf 32,9 Mio. Hektar. Verbunden mit einem höheren Durchschnittsertrag könnte die Erzeugung damit auf 25,2 Mio. Tonnen ansteigen – gegenüber 22,1 Mio. Tonnen in der vorangegangenen Saison. Vor allem die USA haben ihre Flächen wieder stark ausgeweitet.

Weitere Flächenausweitungen sind nur möglich, wenn Baum­wolle sich gegen konkurrierende Saaten durchsetzen kann. Das ist schon deswegen schwierig, weil nicht nur der Weltfaser-, sondern auch der Weltnahrungsmittelbedarf steigt. China und Indien sind mit insgesamt 2,5 Milliarden Konsumenten bestimmend für den wachsenden Bedarf. Beide Länder stehen erst am Anfang ihrer industriellen Entwicklung. Um den heutigen Baumwollanteil an der Weltfasernachfrage aufrechtzuerhalten, müsste die Produktion bis 2020 um ca. 13 Mio. Tonnen gesteigert werden.

Allerdings steigt auch die weltweite Nachfrage weiter und soll nach Schätzungen 25,9 Mio. Tonnen erreichen. Die bestehende Angebotslücke wird also trotz Ausweitung der Anbauflächen und unter Annahme gewisser Ertragssteigerungen bei guten Wachstums- und Wetterbedingungen nicht geschlossen. Hinzu kommt, dass die Lagerbestände und auch die in vielen Ländern üblichen Staatsreserven dezimiert wurden. Die Flutkatastrophe in Pakistan, dem weltweit viertgrößten Baumwollerzeuger, hat dort ein Viertel der Ernte zerstört. Das hat bereits zu einer deutlich höheren Nachfrage nach indischer Baumwolle geführt. Allerdings wird Indien als zweitgrößtes Erzeugerland in den nächsten beiden Saisons aufgrund eines geringeren exportfähigen Überhangs weniger Rohbaumwolle ins Ausland verkaufen als bisher. Gleichzeitig wächst der chinesische Rohstoffhunger: Die chinesischen Baumwollimporte sollen in der nächsten Saison um nochmals 22 Prozent auf 2,9 Mio. Tonnen zulegen. Bereits damit wird der voraussichtliche Anstieg der US-Exporte überkompensiert.

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Aktuelle Außenwirtschaftsnachrichten gibt es regelmäßig unter www.gesamtmasche.de Silvia Jungbauer, Tel. +49 711 21050 - 13, jungbauer@gesamtmasche.de

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Wissenswertes  Optimierte Eigenschaften funktionell gewirkter Flächen Innovative Gewirkekonstruktionen für Leasingtextilien Eine Innovation im Bereich gewirkter Arbeitsbekleidung ist das Ergebnis eines Forschungs­ projekts an den Hohenstein Instituten in Bönnigheim (PRO INNO KF0125504UL7), das in Zusammenarbeit mit der Firma Eschler Textil durchgeführt wurde. Erstmals wurden dabei Gewirke für die Kleidung von Pflegepersonal und Ärzten entwickelt, die nach der industriellen Wäsche ihre funktionelle Eigenschaften, insbesondere den hohen Tragekomfort und das Warenbild, beibehalten. Dadurch ist der Einsatz der hoch funktionellen Maschenware auch im Leasingbereich möglich. Zur Herstellung von Medizinbekleidung wurden bislang nur Gewebe aus Polyester/Baum­wolle eingesetzt, die sich durch geringes Krumpfverhalten und gute industrielle Waschbarkeit auszeichnen und deshalb leasingtauglich sind. Der Vorteil von Gewirken gegenüber Geweben liegt in einem besseren Schweißmanagement, das sich durch einen höheren Tragkomfort auszeichnet, sowie besseres Knitterverhalten. Die neu entwickelten Gewirke halten erstmals einer praxisgerechten Anzahl von industriellen Waschzyklen stand und garantieren somit die Leasingtauglichkeit bei gleichzeitig hohem Tragekomfort. Die an den Mustervarianten durchgeführten Untersuchungen beschäftigten sich unter anderem mit thermophysiologischen und hautsensorischen Kenngrößen, Festigkeitseigenschaften, Scheuerbeständigkeit, Selbstglättungsverhalten, Maßbeständigkeit nach dem Waschen sowie Opazität und Zieherneigung. Unter Berücksichtigung bestmöglicher tragephysiologischer Eigenschaften und optimaler industrieller Waschbarkeit wurden so Konstruktionsleitlinien für verschiedene Varianten von funktionellen Gewirken entwickelt. Foto: Eschler Textil

Die zweite Haut Als Powerweb bezeichnet man eine Reihe von Kraftbändern aus thermoplastischem Urethan (TPU-Bänder), die auf die Grundschicht der TechFit-Kleidung aufgepresst sind. Die Bänder führen entlang wichtiger Muskelbündel und wirken wie Federn: Sie expandieren mit den Muskelpartien und speichern dadurch elastische Energie. Sobald die gedehnten Muskeln kontrahieren, schnappt das Band auf die kürzere Länge zurück und gibt die gespeicherte Energie wieder ab. Dass das wirklich funktioniert, hat die Universität Calgary untersucht: Messungen ergaben 1,1 Prozent verbesserte Sprintzeiten, einen 1,3 Prozent verringerten Sauerstoffverbrauch und einen um 5,3 Prozent gesteigerten Kraft-Output.

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Der Waschbrettbauch von Poldi So eng ging es bei einer Fußball-WM noch nie zu: Auch wenn die deutsche Nationalelf nicht das Endspiel bestritten hat – optisch sorgten die körperbetont geschnittenen Trikots vieler Fußball-Stars allemal für ein attraktives Turnier, auch ohne Meistertitel. Bei den neuen Leibchen lässt der straff gespannte Stoff schon lange vor dem Trikottausch die durchtrainierten Waschbrettbäuche erahnen. Ein bisschen sehen die knapp sitzenden Jerseys wie Unterwäsche aus – und waren es ursprünglich auch. Doch woher kommt der Trend zur zweiten Haut? Der hauteng geschnittene Stoff sorgt für eine bessere Durchblutung der Muskulatur. WM-Ausstatter adidas setzt dabei auf die „TechFit Powerweb“-Technologie zur leistungsfördernden Muskelkompression. Kompression zur Ver­ besserung der sportlichen Performance ist an sich nichts Neues. Die Technik wurde 1998 von adidas im Bereich Performance-Swimwear eingeführt und setzte im Profischwimmsport neue Maßstäbe. Seither hat sich Kompressions­ kleidung in verschiedenen Sportarten durchgesetzt. Der Trend zu den körperbetonten Trikots hat aber nicht nur funktionale Gründe: Die jungen Spieler sind generell modebewusst und greifen gerne zu den engen Leibchen, um ihre Astralkörper zur Schau zu stellen. Auch den weiblichen Zuschauern gefällt dieser Trend. Vielleicht ein Grund warum auch Puma und Nike mit muskelbetonten Schnitten die durchtrainierten Athletenkörper in den Mittelpunkt stellen. Wer den Look mitmachen möchte, braucht allerdings Idealmaße, denn die engen Trikots machen auch die kleinste Schwachstelle sichtbar.


Aus der Forschung Thermostabile Präperationen in der Maschenindustrie In einer Forschungsarbeit des Instituts für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf wurde der Einfluss von thermostabilen Präparationen und Maschinenölen auf das Verschleißverhalten von Maschenbildungselementen untersucht. Neue Materialien und verbesserte Verfahrenstechniken in der Strick- und Wirkwarenproduktion ermöglichen heute hohe Produktionsgeschwindigkeiten der Maschinen. Mit zunehmender Prozessgeschwindigkeit steigen jedoch die Belastungen für das zu verarbeitende Garn und die bewegten Maschenbildungselemente exponentiell. Um verfahrens- und qualitätssichere Produktionsprozesse sowie hohe Wirkungsgrade zu erreichen, sind die Glättung der Garne und eine optimal auf den Belastungsfall abgestimmte Schmierung

Die optimal funktionelle Sportbekleidung Die deutschen Hersteller von Sporttextilien gehören zu den innovativsten Unternehmen der Textilbranche. Die Forscher der Hohenstein Institute in Bönnigheim unterstützen diese Firmen in der Verbesserung der funktionellen Textileigenschaften durch Entwicklung praxisnaher Konstruktionsleitlinien. In einem jüngst abgeschlossenen Forschungsprojekt zum Thema funktionelle Sportbekleidung, konnten spezifische Aussagen über den physiologischen Tragekomfort von verschieden ausgestalteter Maschenware erarbeitet werden. Insgesamt wurden 34 verschiedene Maschenwaren hinsichtlich ihrer thermophysiologischen Eigenschaften untersucht. Diese Muster unterschieden sich hinsichtlich Fasermaterial (PES, PP, PA, WO und

der Maschenbildungselemente grundlegende Voraussetzung. Die dafür eingesetzten Stoffe tragen wesentlich zur Abluftverunreinigung und Abwasserbelastung der Branche bei. In anderen Bereichen der Textilindustrie kommen deshalb vermehrt die sogenannten thermostabilen Präparationen zum Einsatz. In Strickereien und Wirkereien kommt es in Verbindung mit diesen Präparationen immer wieder zu Problemen. Die Folgen sind überhöhter Verschleiß, Korrosion und schlechtere Warenqualität. Die Forschungsergebnisse bieten erste Daten für den Einsatz thermostabiler Präparationen und Maschinenöle in der Maschenindustrie. Damit wurden Grundlagen für eine Weiterentwicklung geschaffen. (Forschungsbericht AiF-Nr. 15116 N/1)

CO sowie Fasermischungen), Flächengewicht (100 bis 329g), Ausrüstung (hydrophil, bioaktiv) sowie Maschenbildung (z. B. SingleJersey oder Piquet). Repräsentativ ausgewählte Muster wurden in kontrollierten Trageversuchen mit Testpersonen in einer Klimakammer untersucht. Mit dem Hautmodell wurden die thermophysiologischen Eigenschaften, d.h. der Wärme- und Feuchtetransport durch das Textil, gemessen. Zusammen mit den Ergebnissen der hautsensorischen Untersuchungen konnten die jeweiligen Tragekomfortnoten berechnet werden. Analog zum Schulnotensystem können diese Textilien von 1 gleich „sehr gut“ bis 6 gleich „ungenügend“ beurteilt werden. Im Durchschnitt lag der physiologische Tragekomfort für Sporttextilien TK(S) aller untersuchten Sportmaschenwaren bei befriedigenden Werten und besser. Tragekomfortnoten von 1,0 bis 1,5 (gleich „sehr gut“) wurden von neun Mustern erreicht. Beim flüssigen Schweißtransport sowie dem Trocknungsverhalten zeigten die Chemiefasern einen klaren Vorteil. Dagegen verfügten die Naturfasermuster aus Wolle und Baumwolle über Vorteile bei der Pufferung von Schweiß. Der paarweise Vergleich von Mustern mit einem Hauptfaseranteil aus Polyamid mit und ohne hydrophile Ausrüstung zeigte, dass die hydrophile Ausrüstung durch eine verlängerte Trocknungszeit einen negativen Einfluss auf die Tragekomfortnote hat. Dagegen konnte durch die hydrophile Ausrüstung bei den Mustern aus Propylen bzw. einer Fasermischung Baumwolle-Polypropylen die Tragekomfortnote aufgrund eines optimierten Klebeindex verbessert werden. Die aus den Forschungsarbeiten abgeleiteten Konstruktionsleitlinien können von der Textilindustrie zur Optimierung und Weiterentwicklung von Funktionskleidung für verschiedenste Sportarten genutzt werden. (Forschungsbericht AiF-Nr. 15481 N)

Testet den Tragekomfort: die thermische Gliederpuppe Charlie.

Die Forschungsberichte können als Printversion bei Gesamtmasche abgerufen werden. Walter Holthaus, Tel. +49 711 201050-12, holthaus@gesamtmasche.de

Foto: Hohenstein Institute

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Wissenswertes  Nachhaltigkeit ist in Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit im Vergleich zu anderen kaufrelevanten Aspekten

5 Frage:

Das Thema Nachhaltigkeit spielt für viele Konsumenten in Deutschland eine wichtige Rolle beim Einkauf. Einer Studie des Instituts für Handelsforschung zufolge rangiert bei der Kaufentscheidung die Nachhaltigkeit nach der Produktqualität auf Rang 2, noch vor Preis und Marke. Auch die Preissensibilität hält sich dabei scheinbar in Grenzen: Ein Drittel der Befragten empfindet die Preise nachhaltiger Güter als angemessen und nicht zu teuer. Knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer ist bereit, für nachhaltig produzierte Waren einen höheren Preis zu zahlen. Die höchste Zahlungsbereitschaft liegt bei nachhaltig hergestellten Textil‑ produkten und Lebensmitteln. Die Hälfte der Befragten plant, beim Einkauf künftig stärker auf die Nachhaltigkeit zu achten. Eine informative Warenbeschriftung ist offenbar der effektivste Weg, um Kunden beim Einkaufen zu informieren. Viele Konsumenten informieren sich außerdem in Print-Medien und dem Internet über die Nachhaltigkeit von Waren und Dienstleistungen. Mit dem aktuellen Informationsangebot der Hersteller und Händler zum Thema Nachhaltigkeit sind die Befragten jedoch nicht zufrieden. Während Bio- und Fairtrade-Produkte schon länger im Markt präsent sind, rückt die „ganzheitliche Nachhaltigkeit“ zunehmend in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Doch das Thema ist vielschichtig, und das Nachhaltigkeitsverständnis der Konsumenten geht weit über die bekannten Zertifikate und Siegel hinaus. Rund ein Drittel der Befragten assoziiert mehr als zehn Aspekte mit dem Begriff Nachhaltigkeit. Ökologische Verantwortung, Verantwortung für zukünftige Generationen und vorausschauendes ökonomisches Handeln stehen dabei auf der Rangliste ganz oben. Ausgewählte Ergebnisse der Studie „Informationsverhalten und Informationsbedürfnis der Konsumenten zum Thema Nachhaltig­ keit“ können unter www.gesamtmasche.de heruntergeladen werden.

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Wie wichtig ist Ihnen das Thema Nachhaltigkeit im Vergleich zu anderen kaufrelevanten Aspekten?

7 Marke (5,41)

Preis (2,99)

3

Kauf (4,96)

Siegel (5,00)

6

Nutzung (3,76)

4

Nachhaltigkeit (2,93)

2

Qualität (2,04)

1

Lesebeispiel: Qualität erreicht die höchste Platzierung mit einem Wert von 2,04. Auf dem zweiten Platz liegt die Nachhaltigkeit mit einem Wert von 2,93. Basis:

n = 593 | Durchschnittlich vergebene Platzierung.

Quelle: Institut für Handelsforschung GmbH

Unten drunter umwelt- und modebewusst Als erstes deutsches Unternehmen wurde jüngst der Wäschehersteller comazo mit dem „Fairtrade“-Zertifikat ausgezeichnet und darf seine Unterwäsche mit dem bekannten Qualitätssiegel für Fairtrade-Baumwolle vertreiben. Das Resultat ist die neue Wäschelinie „comazo earth“. Hauptelemente der Tag- und Nachtwäsche-Kollektionen für Damen und Herren sind Rio-Slips, Hot-Pants, Shirts und Trunks. Eine Kinder-Serie folgt in den nächsten Monaten. An jedem Wäschestück ist ein Hangtag mit einem „Fairtrade Code“ angebracht. Durch Eingabe des Codes auf der Website www.fairtrade-code.de können die Kunden den gesamten Produktionsweg bis in die Mahima Baumwollkooperative in Indien nachverfolgen. „Wenn es um Fairtrade geht, ist der kontrollierte Anbau von biologischer Baumwolle ein wichtiger Aspekt“, erläutert comazo Geschäftsleiter Dr. Christoph Maier, „aber es geht uns auch um soziale Verantwortung. Wir wollen aktiv mithelfen, die Arbeitsund Lebensbedingungen der Bauern und ihrer Familien zu verbessern. Die Baumwolle für unsere earth-Produkte wird deswegen von speziell ausgewählten Unternehmen angepflanzt. Die Menschen arbeiten dort nachweislich unter humanen Bedingungen, erhalten faire Löhne und werden auch in ihrem täglichen Alltag unterstützt.“

Alle Artikel dieser Ausgabe finden Sie, zum Teil mit weiterführenden Informationen, auf www.gesamtmasche.de


„Made in“ auf italienische Art Seit 2004 wird in der EU um eine verpflichtende „Made in“-Kennzeichnung von Textilien gerungen. Neben dem Labelling-Zwang für importierte Waren geht es um einheitliche Kriterien zur Bestimmung des „Made in“-Landes. Dafür sind aktuell die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln im Gespräch, mit denen die Zollbehörden den Warenursprung bestimmen. Nachdem ein entsprechender Verordnungsvorschlag der EU-Kommission für Jahre in der Schublade verschwunden war, ist er nun durch die Beharrlichkeit einiger italienischer Europaabgeordneter wieder ins Brüsseler Rampenlicht gerückt. Befürworter des Vorschlags argumentieren mit angeblichen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken impor­tierter Waren und fragwürdigen Produktionsbedingungen im Ausland. Gegner erkennen darin eine protektionistische Initiative, bei der Verbraucher durch unzulässige Vereinfachungen und Klischees getäuscht werden sollen. Tatsächlich sagt eine „Made in“-Kennzeichnung nach Maßgabe der nicht-präferenziellen Ursprungsregeln wenig über den Entstehungsprozess und den Ort der Hauptwertschöpfung eines Produkts aus. Im Frühjahr wurde ein neues italienisches Gesetz zur Ursprungskennzeichnung von Textilien bekanntgegeben: Künftig dürfen

Produkte in Italien „Made in Italy“ heißen, wenn zwei substanzielle Verarbeitungsschritte – z. B. Weben und Färben – im Land erfolgt sind. Für alle Waren, die nicht „Made in Italy“ sind, gelten andere Regeln. Hier verweist der Gesetzestext auf „die Rechtsvorschriften der EU“. Eine einheitliche europäische Regelung zur Bestimmung des „Made in“ existiert bislang aber nicht. Im Zweifelsfall sind die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln gemeint, die sich zumeist am Land der Konfektion orientieren. Das bedeutet: Spinnen, Weben, Stricken und Färben in Deutschland fällt nicht ins Gewicht, wenn die Konfektion in einem anderen Land stattfindet. Neben der diskriminierenden Ursprungsbestimmung hält das italienische Gesetz weitere Forderungen parat: spezifische Informationen zur Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung, zur Sicherstellung der ILO-Kernarbeitsnormen entlang der Lieferkette, zur Produkt­ sicherheit und zur Einhaltung internationaler Umweltabkommen. Durchführungsvorschriften dazu gibt es bis heute nicht. Klar geregelt sind hingegen die Sanktionen – Verstöße werden mit Bußgeldern zwischen 30 000 und 70 000 Euro geahndet. Das Gesetz wird zum 1. Oktober 2010 wirksam.

Die richtige Pflegekennzeichnung Pflegesymbole – von Normen, Marken- und Nutzungsrechten Zur richtigen Pflegekennzeichnung von Textilien gibt es immer wieder Fragen, aber auch Missverständnisse. Anders als die Textilkennzeichnung ist die Pflegekennzeichnung in Deutschland nicht verpflichtend. Es ist allerdings eine übliche Praxis, mit Pflegesymbolen auszudrücken, welche Art der Behandlung von Textilien empfohlen wird. Dabei findet man Angaben zum Waschen, Bleichen, Trocknen, Bügeln und Reinigen. Schon Ende der 50er Jahre wurden die Pflegsymbole von der Internationalen Organisation für Textilpflegekennzeichen Ginetex (Groupement International d‘Etiquetage pour l‘Entretien des Textiles) erstmals eingeführt. Anfang der 90er Jahre wurden sie dann in Deutschland und Europa standardisiert. Seit 1994 regelt die europäische Norm EN ISO 3758 die standardisierte Kennzeichnung in Deutschland und in Europa, einschließlich Israels und der Schweiz. Die derzeit gültige internationale Norm zur Pflege­ kennzeichnung ist die ISO 3758:2005-04.

die einem Verband der Textilwirtschaft angeschlossen sind, können aufgrund einer Vereinbarung der deutschen Textilverbände mit der internationalen Ginetex-Organisation die Pflegesymbole in der ganzen Welt kostenlos verwenden. Dabei ist auf die korrekte Wiedergabe der Zeichen und ihrer Reihenfolge zu achten. In Deutschland unterliegt die Nutzung keinen Einschränkungen. Im Rahmen der Diskussion zu einer neuen europäischen Textil­ kennzeichnungsverordnung hat das EU-Parlament vorgeschlagen zu untersuchen, ob die Pflegekennzeichnung in die Verordnung integriert werden sollte. Ziel ist eine EU-weit einheitliche Regelung zur Textil- und unter Umständen auch zur Pflegekennzeichnung, die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. In jedem dritten EU-Land, darunter Österreich, Rumänien, Tschechien, Ungarn und die Slowakei, ist die Pflegekennzeichnung bereits Pflicht. International besteht in vielen weiteren Staaten Pflegekennzeichnungszwang. Oft sind dabei nationale Standards zu berücksichtigen.

Die Pflegesymbole sind eine international eingetragene Marke, mit Ginetex als Rechteinhaberin. Das ist zunächst ohne Wirkung, denn die freie Nutzung wird erst durch die Eintragung der Marke im jeweiligen Land eingeschränkt. National bestehen Markenrechte bisher in Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Slowenien, der Schweiz, Tschechien, Vietnam sowie in den BeneluxStaaten. Teilweise werden in diesen Ländern Lizenzgebühren für die Nutzung der Markenrechte erhoben. Deutsche Unternehmen,

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