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Vom Schulhaus zum Boutique Hotel
Die Schule ist aus. Schon seit vielen Jahren. Die Kinder aus Scheffau oberhalb von Bregenz drücken die Schulbank im Nachbardorf. Doch das alte Schulhaus aus den 30er-Jahren hat noch lange nicht ausgedient. Ein kreatives Paar aus Hamburg erkannte das Potenzial der Liegenschaft und baute sie zu einem stilvollen Kleinod um.
Vom Schulhaus zum BoutiqueHotel
Text Livia Baettig Fotos Michael Schott
Jedes Zimmer ist individuell gestaltet und einzigartig.
«In unseren SchrammBetten schläft man einfach traumhaft.» Anja Engelke
Liebe auf den ersten Blick Das Haus steht an sonnigster Lage direkt an der Landwirtschaftszone. Von hier aus hat man einen traum haften Rundblick zum Bregenzerwald und den österreichischen Alpen. Irgendwie magisch. Und so ist auch das Hotel. Die Handschrift des Gast geberpaares ist durch und durch spürbar. Alles ist durchdacht. Nichts dem Zufall überlassen. Sanfte Far ben an den Wänden setzen beruhigende Akzente. Eine Rezeption sucht man vergeblich. Wenn das Haus aus gebucht ist, dann logieren höchstens 24 Gäste unter demselben Dach. Anja Engelke und Michael Schott haben vor drei Jahren ihren Traum ermöglicht. In Hamburg führten die beiden ein durchgetaktetes Le ben unter Strom. Sie Soziologin und Unternehmensberaterin. Er Fotograf und Filmproduzent für die Automo bilindustrie. Zusammen waren sie auf der Suche nach einer neuen Her ausforderung. Ein individuelles Gästehaus sollte es sein, ein Ort der inneren Ruhe, schnörkellos aber voller Esprit. Dass sie gerade in Scheffau, das zum Landkreis Lindau gehört, fündig wurden, hat wohl damit zu tun, dass Michael Schott als Kind am Bodensee aufgewachsen ist und in dieser Umgebung seine Ferien ver bracht hatte. Innert zwei Jahren erwachte das alte Schulhaus aus seinem Dornröschenschlaf und wurde zu einem strahlenden Boutique-Ho tel. «Wir haben das Haus fast komplett ausgehöhlt. Leider gab es wenig alte Bausubstanz, die es sich lohnte zu erhalten», erzählen die frischge backenen Hoteliers. «Dafür konnten wir uns ausleben, was die Einteilung der Räume und den Komfort angeht. So gibt es viel Raum für wenig Gäste.»
Logieren, nicht nur übernachten Alle Zimmer werden liebevoll Logen genannt und sind grosszügig einge richtet. Jedes Gemach ist anders, farblich individuell abgestimmt, je doch immer mit einem grossen Bad und einer herrlichen Sicht in die Na tur. Grosses Augenmerk haben die Gastgeber auf die Betten gelegt. «Wir haben uns für das Schlafsystem von Schramm entschieden, weil diese handgefertigten Matratzen jeden Körperbereich form- und druckfest ab stützen. So kann jede Person unabhängig von ihrem Gewicht herrlich schlafen.» Vom Feinsten ist auch die Bettwäsche, und die luxuriösen Tex
Penthouse-Feeling auf dem Land! Die Kombination aus Holz und Naturtönen strahlen Gemütlichkeit aus.
tilien fallen ebenfalls auf. Nichts kommt ab der Stange. Weder Vor hänge noch Polstermöbel. Alles wurde beim Deutschen Traditionsunterneh men JAB fein säuberlich ausgewählt. Gäste mit einem stilsicheren Gefühl für Haptik und Ästhetik befinden sich hier in einem Eldorado. Man fragt sich, woher all die schönen Sa chen kommen und weshalb die Wandfarben, ob dezent oder farbig, so eine Ausdruckskraft haben. Anja Engelke hätte sich auch eine Lauf bahn als Interior-Designerin vorstellen können: «Mein Grossvater war Malermeister, so habe ich mich schon früh mit den Themen Farbe und Ge staltung beschäftigt.» Zum Glück kann die begabte Hotelière ihr Flair nun im eigenen Hotel anwenden. Sie kennt jede Farbe beim Namen. «Das Treppenhaus erstrahlt elegant in einem warmen Grau namens «ele phants breath» der Marke Farrow and Ball, und das satte Blattgrün etwa im Wintergarten stand auf der Farbkar te von «Little Greene», einem englischen Anbieter, welcher offenbar 40 Prozent mehr Pigmente in seinen Kreationen unterbringt als andere Hersteller. Jedenfalls beeindruckt das Farbkonzept von unten bis oben. «Gäste, die umbauen möchten, ho len mich oft an den Tisch und diskutieren mit mir über ihre Projekte», so Engelke.
Kraftquelle Alpenloge Wann sind Sie das letzte Mal in der Wiese gelegen und haben den Wol ken zugeschaut? «Scheffau sei einer der sonnigsten Orte Deutschlands» erzählt Michael Schott stolz. «Wir haben Gäste, die möchten bei uns komplett offline sein und einmal nichts tun müssen. Andere wiede rum lockt die Natur aus dem Haus. Da empfehlen wir einen Ausflug zum
In der kleinen WellnessOase hat man das Gefühl, mitten in der Natur zu sein.
In der Umgebung lässt es sich wunderbar wandern oder biken.
Hirschberg.» Dieser kleine Voralpengipfel bietet nicht nur eine kurze, ein fache Bergwanderung, sondern auch eine prächtige Aussicht. Neben der Allgäuer Gipfelprominenz kann man hier auch die Schweizer Berge, da runter auch den imposanten Säntis und sogar den Bodensee bewundern. Auf der Tour darf natürlich der hoteleigene Rucksack nicht feh len, den der Küchenchef auf Wunsch mit köstlichen Spezialitäten aus der Region füllt. Abends heisst es dann entspannen im kleinen, feinen Well ness-Bereich. Dieser Teil des Hotels ist komplett neu und topmodern. Auch hier wieder eine perfekte Sym biose von Farbe, Form und Materialien. Altholz trifft auf Naturstein, grüne Akzente holen die Natur in die Räumlichkeiten. Ein Sole-Dampfbad und eine Sauna mit Panoramafens ter gehören zur Relax-Oase sowie ein Behandlungsraum. Hier kneten Masseurinnen mit ihren magischen Händen die gestresste Schulterpartie durch oder entführten mit einer ÖlMassage ins Reich der Sinne.
Aufgetischt ist «Unseren Koch haben wir gleich aus Hamburg mitgenommen», schwärmt Anja Engelke. Vieles, was in der Alpenloge auf den Tisch kommt, wird in der Region geerntet oder her gestellt. Auf dem Teller treffen sich Heimat und Fernweh. Aber immer im Saisonrhythmus. «Kässpatzen» haben jedoch das ganze Jahr hin
Das Gastgeberpaar: Michael Schott und Anja Engelke
durch ihre Berechtigung. «Wer sie liebt, darf gerne einen Kurs bei unse rem Küchenchef buchen», lachen Anja Engelke und Michael Schott. Besonders stolz sind sie auf ihr Früh stück. Ein Buffet wie in anderen Hotels gibt es hier nicht. Stattdessen darf man gemütlich sitzen bleiben und warten, bis die dreistöckigen Etageren mit Butter, Käse, würzigem Speck von der Alp und feinen Früch ten daherkommen. Die Marmelade ist selbstverständlich hausgemacht und das Brot von der Dorfbäckerei. Neugierig machen die Foodkomposi tionen mit orientalischer, asiatischer oder mediterraner Note.
Einfach anders Inhabergeführte Hotels gibt es nicht mehr viele. In der Alpenloge achtet das Besitzerpaar auf jedes Detail. Anja Engelke wirbelt einen Leinen tischläufer durch die Luft und deckt einen Tisch auf. «Ich wünschte, er wäre nicht so steif. Meine Grossmut ter stärkte die Tischwäsche früher auch so fest. Lieber hätte ich es ein bisschen legerer, aber das kriegen wir auch noch hin mit unserer Wä scherei.» Mit ihrem Konzept sprechen sie Städter, Individualisten, Querdenker, Ruhesuchende und na türlich Schüler und Lehrer an. «Einfach Menschen, die das Besondere und eine Atmosphäre wie bei Freun den schätzen.» Inzwischen ist der Tisch gedeckt. Perfekt mit textiler Serviette versteht sich und kostba rem Tafelsilber mit Hammerschlag. Unglaublich, was sich aus einer alten Schule alles machen lässt! Nach unse rem Besuch stellen wir der Alpenloge ein grandioses Zeugnis aus! ●