06 thüringer zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW
Inhalt
2011
Seite
Und täglich grüßt...
G EW Aktuell Der Wert der Arbeit
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Investition in Bildung
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Ein gewerkschaftliches Märchenbuch Land blockiert Floating-Verhandlung
5 f. 6
S chule Einer für Alle? Alle für Eine!
7 f.
Bildungssponsoring – Werbung auf Umwegen
9 f.
Leserbrief Pflichtstundenzahl
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Bildung braucht Persönlichkeit
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R echtsstelle Erwerbsminderung 11 Urteil zur Verwendungszulage
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A us den Kreisen 12 S ozialpädagogik Erzieherin – ein Beruf mit Zukunft 13 f.
T ipps und Termine Lesepeter 2 Kleine Künstler am Werk
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
www.gew-thueringen.de
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Der Wert der Arbeit
Seite 3
Erzieherin – ein Beruf mit Zukunft Seite 13 f.
Aus den Kreisen
Seite 12
Kurznachrichten
Vorwort
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Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Juni - unsere
in den letzten Wochen beherrschte vor allem ein Thema die Diskussion in den Schulen: Der Entwurf der Thüringer Schulordnung. Das TMBWK hat angekündigt, vor allem nach den öffentlich geführten Diskussionen auf der GEW-Bildungskonferenz und der Lehrerkonferenz, den Entwurf zu überarbeiten.
Titel, Vorname, Nachname Ort, Alter Dietrich Reiche Weimar 88 Hildegard Abendroth Schleiz 86 Prof. Dr. Werner Mögling Erfurt 85 Rosemarie Schmidt Niedertrebra 81 Ursula Hemmerling Weimar 80 Inge Fischer Leinefelde / OT Beuren 75 Elisabeth Lajn Schwarza 75 Gottfried Thilo Waltershausen 75 Ortrud John Erfurt 75 Hella Denner Dermbach 75 Peter Paschold Windischholzhausen 70 Regina Wille Sondershausen 70 Günter Zorn Frankenhain 70 Ute Hartmann Klings 70 Renate Albrecht Weimar-Gaberndorf 70 Brigitte Mörs Schleusingen 70 Peter Ludwig Unterschöbling 70 Erna Purrotat Suhl 70 Hannelore Stein Gotha 70 Erwin Wollenhaupt Eisenach 70 Erika Bergholz Meuselwitz 70 Hildegard Landgraf Meiningen 70 Anni Pohl Gera 65 Gerhard Schmaltz Sömmerda 65 Ute Veit Ilmenau 65 Heidelore Matthes Apolda 65 Monika Kahlmann Hochstedt 65 Karl Mogk Mittelstille 65 Anni Hartmann Bibra 65 Friedel Peine Steinach 65 Eckardt Rösler Breitenworbis 65 Bärbel Sonntag Artern 65 Isolde Jucht Behrungen 65 Bernhard Hupe Tiefthal 65
Die Debatte rückte ein anderes, für die 2.900 betroffenen Lehrerinnen und Lehrer ebenso wichtiges Thema ein wenig in den Hintergrund: Floating. Wie die tz 05/2011 berichtete, hatte die GEW einen Offenen Brief an die Ministerpräsidentin und den Bildungsminister veröffentlicht. Über den Stand der Dinge informiert der Landesvorsitzende Torsten Wolf auf Seite 6. Im Zusammenhang mit den laufenden Diskussionen hört man immer wieder, dass Thüringen sparen müsse. Perspektiven zum Thema sind nachzulesen auf den Seiten 3 und 4. Weitere Themen in dieser Ausgabe sind Berufsorientierung (Seite 7 f.), der mögliche Beginn einer Debatte um die Frage des Bildungssponsorings (Seite 9 f.) sowie eine kritische Betrachtung der Broschüre „120 Jahre internationaler Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse in Erfurt“ auf Seite 5 f. Informationen zu aktuellen Rechtsfragen sind auf der Seite 11 zu finden. Last but not least sei an dieser Stelle nochmals an das GEWSommertreffen erinnert. Vom 9. bis 11. Juni findet das mittlerweile 15. Sommertreffen mit zahlreichen Workshops statt. Informationen dazu gibt es auf der GEW-Homepage unter gew-thueringen.de/sommertreffen.html. Die kurzfristige Anmeldung ist noch möglich. Herzlichst, Kathrin Vitzthum
Jubilare!
IMPRESSUM
LesePeter
Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Thüringen im DGB Heinrich-Mann-Straße 22 • 99096 Erfurt Telefon: (03 61) 5 90 95 - 22 • Fax: (03 61) 5 90 95 - 60 E-Mail: info@gew-thueringen.de • Internet: www.gew-thueringen.de E-Mail an die Redaktion: tz@gew-thueringen.de Verantwortliche Redakteurin: Kathrin Vitzthum
Im Juni 2011 erhält den LesePeter das Jugendbuch Franz Kafka (Texte), Stefanie Harjes (Illustrationen)
Kafka
Redaktionsschluss: 10.05.2011 Herstellung: PROOF Maik Stock „Druckproduktion“ Charlottenstraße 3 • 99096 Erfurt Telefon: 03 61/5 41 87-58 E-Mail: info@proof-ef.de • Internet: www.proof-ef.de Layout / Gestaltung: awosDesign. Nadine Sowa Telefon: 03 62 03/9 40 33 E-Mail: info@awosdesign.de • Internet: www.awosdesign.de Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 02 vom 01.04.2011
Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH Ravensburg, 2010 128 Seiten, geb. 14,95 € ab 13 Jahre ISBN: 978-347-335308-8
Ein Querschnitt aus Franz Kafkas Textproduktionen: Schnipsel, Erzählungen und (gekürzte) längere Texte und Romane. Völlig gleichwertig sind dabei die Illustrationen, Bilder und Skizzen von Stefanie Harjes. Sie setzen – in Schwarz-Weiß oder Farbe – die Texte zum Teil buchstäblich, zum Teil assoziativ um. Zudem bebildern sie spektakulär die Gedanken Kafkas, indem sie sie aufnehmen, weiterentwickeln, interpretieren und – vor allen Dingen – in die Bildvorstellungen des 21. Jahrhunderts transponieren.
Manuskripte und Beiträge: Die in den einzelnen Beiträgen wiedergegebenen Gedanken entsprechen nicht in jedem Falle der Ansicht des GEW-Vorstandes oder der Redakteure. Die Beschlüsse des Vorstandes sind verbindliche GEW-Meinungen. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. In den Textbeiträgen gilt die männliche Anredeform für beide Geschlechter, wenn nichts anderes ausgewiesen ist. Bei allen Veröffentlichungen behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Manuskripte und sonstige Zuschriften für die Redaktion der thüringer zeitschrift (tz) werden an die Adresse der Geschäftsstelle erbeten. Einsendeschluss für Beiträge ist immer der 10. des Vormonats. Bezugspreis: Der Bezugspreis für die tz beträgt ab 01. Januar 2002 für Nichtmitglieder 1,80 Euro pro Einzelexemplar zuzüglich Porto, das Jahresabo (11 Hefte) – davon eine Doppelausgabe – 18,50 Euro zuzüglich Porto. Das Jahresabonnement kann drei Monate vor Ablauf des Kalenderjahres gekündigt werden. Erfolgt bis zu diesem Zeitpunkt keine Kündigung, wird das Abo um ein Jahr verlängert. Die Lieferung erfolgt gegen Vorkasse an die GEWWirtschaftsdienst GmbH, DKB Bank Berlin, Kto.-Nr.: 1005400559, BLZ: 12030000. Die Abo-Gebühr für Mitglieder der GEW Thüringen ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
www.gew-thueringen.de/LesePeter.html thüringer zeitschrift 06/2011
GEW Aktuell
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Der Wert der Arbeit Nachbetrachtung einer Konferenz des Thüringer Wirtschaftsministeriums Das Volksbad in Jena beherbergte am 05.05.2011 eine Betriebs- und Personalrätekonferenz des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, auf der ein Gutachten der Universität Duisburg/Essen unter dem Titel „Vorschläge zur künftigen Arbeitsmarktpolitik“ vorgestellt wurde. Dieses Volksbad stellte auch den richtigen Rahmen für diese Präsentation, denn es ist selbst Ergebnis des fürsorglichen Wirkens der Jenaer Wirtschaftsgrößen Zeiss, Schott und vor allem Abbe, die nicht nur den Profit ihres Unternehmens sahen! Mit seiner aktiven Arbeitsmarktpolitik, z. B. durch ein Landesarbeitsprogramm, Mindestlöhnen, Initiativen wie dem 0. Ausbildungsjahr will Minister Machnig daran anknüpfen. Und er muss dies auch! Neuzeitliches Profitstreben sorgt dafür, dass in Thüringen die geringsten Löhne gezahlt werden. Anteil derjenigen, die unter 8,50 € brutto Stundenlohn arbeiten müssen: Bundesdurchschnitt 16 % Hamburg 6% Sachsen-Anhalt 25 % Thüringen 34 % In Thüringen sind insbesondere junge Menschen in diesem Lohnsegment beschäftigt. 52 % der 20- bis 29-Jährigen verdienen weniger als 8,50 € die Stunde, dabei sind 80 % der Niedriglöhner Facharbeiter/innen. Die Frage, die der Gutachter Professor Bosch in den Raum stellte „Wie attraktiv wird Thüringen für die eigene Bevölkerung?“ ist eine gesamtgesellschaftliche. Bis 2020 werden in Thüringen 200.000 zusätzliche Fachkräfte gebraucht. Die Prognose zur Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials, ausgehend von den jetzigen Verhältnissen, sieht einen Rückgang von 30 % bis 2030 im Vergleich zu 2005. Dem müssen wir auch als Bildungsgewerkschafter entgegenwirken. thüringer zeitschrift 06/2011
Gut ausgebildete junge Facharbeiter/innen verlassen das Land. Ältere, gebundene verdingen sich in Leiharbeit, wobei ein Leiharbeiter bei Opel Eisenach mehr verdient als ein Festangestellter in Altenburg. Aber Thüringen liegt mit der prekären Leiharbeit mit 3,7 % der Beschäftigten bundesweit vorn – traurigerweise. Denn dadurch werden Kolleg/innen erpressbar, Löhne geraten unter Druck, Gewerkschaften werden verdrängt, Betriebsräte verhindert. Und der Staat, nein, wir Steuerzahler, subventionieren die Niedriglöhne durch Aufstockung. Seit Einführung der Hartz-Regelungen wurden bundesweit 50 Mrd. Euro an Aufstockungsleistungen gezahlt. Der Profit wird subventioniert! Der Bildungsbereich ist nicht frei von Niedriglohn und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Auch unsere Gewerkschaft organisiert betroffene Mitglieder – Erzieher/innen in Teilzeit oder wissenschaftliche Mitarbeiter/innen. Laut Landtags-Drucksache Nr. 5/1886 arbeiten 93,4 % der männlichen und 94,3 % der weiblichen wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiter an den Hochschulen (ohne Universitätsklinikum) in befristeten Arbeitsverhält-
nissen! Sichere Zukunft in Thüringen? Das Gutachten liefert Hinweise, wie wir in Thüringen die Spaltung der Gesellschaft und die Landflucht verhindern können. Thüringen hat durchaus Potenzial. 50.000 Jobs können in der Hochtechnologie-Branche geschaffen werden, so Machnig, aber eben nicht auf Niedriglohnbasis. Die Basis für den ausbildungs- und studierfähigen Nachwuchs legen wir in den Kitas und Schulen, trotz verschlechterter Rahmenbedingungen. Daraus werden Fachkräfte an den Berufsbildenden Schulen und den Hochschulen. Die Thüringer Landesregierung und die „Wirtschaft“ muss die Bedingungen schaffen, dass sie im Lande bleiben! Eine Zusammenfassung des Gutachtens findet sich auf der Webseite des TMWAT unter „Spaltung des Arbeitsmarktes überwinden“.
Andreas Stötzer, AG Personalrat
Volksbad Jena Foto: Stadtmuseum Jena
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GEW Aktuell
Investition in Bildung – woher das Geld kommen kann „Wir müssen mehr in die Bildung investieren“ ist ein Satz, der den totalen Konsens über alle Bevölkerungsschichten und Parteien hinweg ausdrückt. Dann kommt die Frage nach dem Geld und das war’s dann mit dem Konsens. Wer das Gezerre um den Personaleinsatz im Gemeinsamen Unterricht, Verbesserungen für Floatingbeschäftigte oder die Festanstellung wissenschaftlicher Mitarbeiter an Hochschulen sieht, möchte am Unvermögen der Regierenden im Land, aber auch im Bund, schier verzweifeln. Bundesregierung tastet sich langsam an das Problem heran – neue Studie Im Bundes-Koalitionsvertrag vom 26.10.2009 ist u. a. vorgesehen, „die Angemessenheit der Besteuerung des geldwerten Vorteils aus der Privatnutzung betrieblicher Fahrzeuge (zu) überprüfen“.
Schatztruhe Dienstwagen – 5,5 Milliarden Mehreinnahmen sind drin
Die gemeinsame Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln, des FÖS e.V. und des Berliner Jura-Professors Stefan Klinski bietet eine umfassende Analyse der größten (inoffiziellen) deutschen Steuervergünstigung und skizziert ein Alternativmodell, das effizienter und gerechter wäre und zudem umweltschädliche Subventionen im Volumen bis zu 5,5 Mrd. Euro abbauen würde. (aus: FiFo Köln, Pressemitteilung vom 03.05.2011)
Die untenstehenden Anzeigen aus dem Internet erhellen das Problem – Dicke Firmenwagen fahren und Steuern damit sparen, selbst wenn die CO2-Werte erstickend sind. Auch die Thüringer Ministerien und die Landtagsflotte operieren mit Audi A6 und mindestens 5er BMW, von den Oberbürgermeistern und Landräten ganz zu schweigen.
Natürlich ist der Aufschrei unter den „Premiumherstellern“ deutscher Autos reflexartig laut im Kanzleramt angekommen. Dazu muss man wissen, dass von den 2,037 Millionen in 2010 in Deutschland zugelassenen Autos von BMW, Daimler und VW 722.000 Firmenwagen waren (s. SZ vom 04.05.2011, S. 5).
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Nun ist die Bundesregierung am Zuge, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die so gewonnenen Finanzen auch in Bildung umzuleiten! Als Bildungsgewerkschaft sollten wir diesen „Dienstwageneffekt“ nicht aus den Augen verlieren, wenn die Bundeskanzlerin wieder vom Sparzwang schwadroniert. Andreas Stötzer AG Personalrat
# Firmenwagen Besteuerung Für Unternehmer: So geht der Fiskus bei privat genutztem Pkw leer aus! unternehmenssteuern.de/Gratisreport
thüringer zeitschrift 06/2011
GEW Aktuell
Ein gewerkschaftliches Märchenbuch Eine Kritik Den Gewerkschaften steht es gut an, ihre eigene Geschichte kritisch zu reflektieren und Fragen danach zu stellen, was Bedingungen für Erfolg und Niederlage in der Geschichte ihrer Organisationen gewesen sind und was daraus zu lernen ist. Das ist nicht immer ganz einfach, wie die Diskussionen um die Geschichte der Gewerkschaften in Deutschland belegen. Nun – mit einem Jahr Verspätung – erscheint eine vom DGB Thüringen mitverantwortete Broschüre „120 Jahre internationaler Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse in Erfurt“. Um es vorweg zu nehmen: ein völlig missratenes Beispiel einseitiger Geschichtsbetrachtung, die weit hinter das zurückfällt, was Diskussionsstand selbst in der DDR zur Geschichte der Arbeiter/innenbewegung war. Dabei ist es beileibe keine Lobhudelei auf Organisationserfolge und sozialen Fortschritt. Eher eine ausgesprochen schematische Ereignisgeschichte – mit vielen absichtsvollen Lücken und einem Hang zur Selbstmythologisierung einer bestimmten Sicht auf den Lauf der Welt. Auffallend ist vor allem, dass die Gewerkschaften selbst kaum als Organisation – geschweige denn die Mitglieder – in Erscheinung treten. Dafür umso mehr Parteien – v. a. die KPD, die SED und die PDS. Zu spüren ist beim Lesen, wie schön der 1. Mai doch – zumindest für den Autor – in der DDR war. Dass die DDR alles andere als ein Arbeiter/innenparadies war, belegt nicht nur der 17. Juni 1953, der in der Broschüre keine Erwähnung findet – wohl weil er nicht am 1. Mai stattfand. Dafür aber, dass 1970 der „Ertrag von 92 % der Blumensamen und rund 22,5 % der Blumenkohlproduktion der DDR von Erfurter Feldern“ stammte, was Gegenstand der Maidemonstrationen war. Wer die jährlich zum 1. Mai vom ND veröffentlichten Mailosungen (noch) kennt,
thüringer zeitschrift 06/2011
weiß wovon hier die Rede ist. Da wird an Sowjetgenerälen vorbeiparadiert und nicht mal im Ansatz die Instrumentalisierung des 1. Mai durch die SED erwähnt. Geschweige denn die Frage gestellt, wie „frei“ die Gewerkschaften unter der Diktatur des Ulbricht- und Honecker-Regimes haben arbeiten können. Erkenntnisse über die Funktion des FDGB in der DDR? Fehlanzeige. Über das Jahr 1989 – eigentlich ganz schön einschneidend – erfahren wir immerhin: „dass es zu krisenhaften Erscheinungen in Politik und Wirtschaft“ kam, die aber am 1. Mai „noch nicht erkennbar“ waren (!) (23). Als wären ökonomischer Niedergang und gefälschte Kommunalwahlergebnisse niemandem aufgefallen. Wenn das die Stories sind, die heutige Gewerkschaften als Teil ihrer Geschichte zu verbreiten gedenken, dann gute Nacht. Nicht umsonst weinte die angeblich „herrschende Klasse“ der Auflösung des FDGB keine Träne nach. Und es kam nicht von ungefähr, dass nachdem 1990 das „Demonstrationsgebot“ für die Arbeiterklasse aufgehoben wurde, diese sich am 1. Mai befreit fühlte und erst mal zuhause blieb. Aber es ist nicht nur die hochnotpeinlich verklärende, an Realsatire erinnernde Darstellung der DDR-Zeit, die skandalös ist. Auch die Darstellung der Weimarer Republik, in der nach Meinung des Autors alle außer der KPD doch Illusionen hegten und nur diese Partei und insbesondere der unsägliche Ernst Thälmann im Besitz der richtigen Strategie gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus war, ist voller Geschichtsklitterungen und durch Unkenntnis historischer Sachverhalte oder mutwillige Interpretation derselben gekennzeichnet. Spaltung der Gewerkschaften durch die RGOPolitik, Sozialfaschismusthesen usw., wir erfahren es nicht.
Erfurt ist immer im Blickfeld – wenn manchmal der 1. Mai ist. Ansonsten spielt die Musik in Berlin. Gewerkschaften und erst recht Arbeiter_innen spielen keine wirkliche Rolle, außer wenn sie Losungen vor sich her tragen oder wenn Ereignisse – etwa der „Blutmai“ 1929 in Berlin – „große Empörung unter den Erfurter Arbeitern aus(lösen)“ (11). Gerade an solchen Beispielen werden Ereignisse und Rezeption nicht wirklich dargestellt, sondern darauf vertraut, dass noch was hängen geblieben ist – von früher, eben das SED-Geschichtsbild. Darauf setzt die Broschüre, dass das alles schon mal gehört wurde. Ob es der Realität entspricht, ob es von anderen anders gesehen wurde – dazu finden sich bestenfalls relativierende Kuriosa à la Duplo: für die einen war’s ´ne Revolution, für die anderen … halt nur `ne Wende.
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GEW Aktuell
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Natürlich interessiert im preußischen Erfurt auch nicht der Preußenschlag 1932 oder die „Arbeiterregierung“ Thüringens und die Reichsexekution 1923, dafür aber das damalige Mailiedchen von Erich Weinert, das als Interpretationsfolie des Verhältnisses von SPD und KPD herhalten muss. Novemberrevolution in Erfurt – war auch nicht am 1. Mai, Arbeiter/innenund Soldatenräte? Und wie verhielten sich die Gewerkschaften dazu? Nichts erfahren wir über den ADGB und die anderen „Richtungsgewerkschaften“, nichts über die RGO. So bleibt offen,
weshalb „die Arbeiterklasse“ sich unterschiedlich organisierte, ob sich darin auch unterschiedliche soziale Realitäten artikulierten und wie das in den Maifeiern zum Ausdruck kam – oder auch nicht. Auf diese Art interesseloser Geschichtsschreibung – interesselos am Gegenstand, absichtsvoll in der verklärenden Gestaltung – kann verzichten, wer sich für die Geschichte der Gewerkschaften in Erfurt wirklich interessiert. Noch am ehesten interessant sind Hinweise des Autors (4/5) wo sich die Gewerkschafter/innen vor dem ersten Weltkrieg versammelten.
Das bisschen Lokalkolorit, das da und dort aufscheint, reicht aber für eine solch prominente Veröffentlichung nicht aus. Es hätte dem Pamphlet gut getan, wenn sie nicht das Signum der Herausgeberschaft des DGB erhalten hätte. Denn als Erfurter Freidenkerheft Nr. 2 ist es akzeptabel, eben als Glaubens- und Bekenntnisschrift. Als Geschichtswerk ist sie dagegen untauglich und als DGB-Publikation sogar schädlich und rufschädigend. Uwe Roßbach
Land blockiert Lösung bei Floating-Verhandlungen: Schlichtung als letzter Ausweg „Offensichtlich ist der schwarz-roten Regierung in Erfurt ihr Koalitionsvertrag nicht mehr allzu viel Wert.“ Obwohl die Arbeitnehmerseite in den Verhandlungen am 6. Mai 2011 drei Angebote vorlegte, ging die Arbeitgeberseite, aus Vertretern des Kultus- und Finanzministeriums bestehend, in keiner Phase der Verhandlung darauf ein. Auch ein eigener Vorschlag zur Lösung des Konflikts und damit Erfüllung des im Koalitionsvertrages gegebenen Versprechens, ernsthafte Verhandlungen zur Verbesserung der Situation der in Zwangsteilzeit befindlichen 2.900 Leh-
rerinnen und Lehrer zu führen, wurde von Arbeitgeberseite nicht gemacht. Damit, so stellte die Verhandlungskommission der Arbeitnehmervertreter unter Führung der GEW fest, war ein weiterer Verhandlungsgegenstand nicht mehr gegeben, woraufhin die Gespräche am 6. Mai 2011 unterbrochen wurden. Dies ist umso bedauerlicher, als die Arbeitnehmerseite Angebote vorlegte, bei dem die Forderung des Landes, keine zusätzlichen Kosten zu verursachen, weitestgehend erfüllt wurde. Am Ende
ging es um die zeitweise Finanzierung von 17 Stellen, also gemessen an allen Floatern um 0,6 % zusätzlich zu finanzierende Stellen. Dazu war das Land nicht bereit und stellt lieber den eigenen Koalitionsvertrag zur Disposition. Nach eingehender Beratung kam die Tarifkommission der GEW zu dem Ergebnis, dass weitere direkte Gespräche mit der Thüringer Landesregierung derzeit keinen Sinn machen. Sie schlägt stattdessen ein Schlichtungsverfahren zur zügigen Lösung des Konflikts vor. Notwendig wäre eine schnelle Einsetzung von Schlichtern, da ein Ergebnis bis spätestens Ende Juni erreicht werden müsste, soll das Verfahren überhaupt noch Sinn machen. Falls die Landesregierung auf diesen Vorschlag nicht eingehen sollte, trägt sie allein die Verantwortung am Scheitern der Floatingverhandlungen und beweist ihr Unvermögen und Unwillen, den teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrern eine echte Anerkennung für ihren jahrelang geübten Verzicht zu geben. Torsten Wolf, Landesvorsitzender
Foto: R. Schaefer
thüringer zeitschrift 06/2011
Schule
„Einer für Alle? Alle für Eine!“ Zur Bedeutung des Kollegiums in der Berufsorientierung In den letzten beiden Ausgaben der tz wurde die schulische Berufsorientierung vor dem Hintergrund des Einflusses von Geschlechteraspekten und den damit verbundenen Rollenzuschreibungen in Gesellschaft, Beruf und Arbeit sowie deren Folgen für die Berufswahlen Jugendlicher in den Blick genommen. Aktuelle politische Debatten um Frauenquoten für Führungspositionen in Unternehmen und der drohende Fachkräftemangel machen deutlich, dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema derzeit wieder einen starken Aufwind erhält. Dass Lehrpersonen und deren professionelles Handeln nicht zu unterschätzende Einflussmöglichkeiten auf die Verstärkung bzw. Abschwächung geschlechtertypischer Berufswahlen beigemessen werden, wurde herausgestellt. Welche Bedeutung Lehrerinnen und Lehrern insgesamt bei der Gestaltung von Berufsorientierung in Unterricht und Schule zukommt, soll im vorliegenden Artikel skizziert werden. Da es Gegenstand schulischer Berufsorientierung sein sollte, Kompetenzen von Heranwachsenden zu fördern, eigene Berufsbiografien zu entwerfen, vorzubereiten und zu gestalten, wird Lehrpersonen als den „Machern“ von Schule stets eine besondere Bedeutung für die berufliche Entwicklung Jugendlicher beigemessen. Dabei geht es jedoch nicht allein darum, Schülerinnen und Schülern zu möglichst erfolgreichen Schulabschlüssen zu verhelfen, sondern sie auch darin zu unterstützen, sich das Rüstzeug zur Gestaltung der eigenen Laufbahn anzueignen. Dies verändert die Sicht auf das, was jahrzehntelang unter der „Vorbereitung Jugendlicher auf das Berufsleben“ (Berufswahlvorbereitung) verstanden wurde und gipfelt in einem Umbruch dessen, was als Aufgaben auf schulische Akteure in der Berufsorientierung zukommt. Im wissenschaftlichen Diskurs zu den Akteuren der Berufsorientierung steht deshalb aktuell nicht mehr die Frage im Vordergrund, wer die Aufgaben der schulischen Berufsorientierung in einem Kollegium übernehmen sollte, sondern wie diese bestmöglich über das gesamte Kollegium verteilt werden können und welche Qualifikationen von Lehrerinnen und Lehrer dafür zukünftig notwendig sein werden. Fächer- und jahrgangsübergreifende Berufsorientierung Berufsorientierung ist als Querschnittsaufgabe an Thüringer Schulen seit vielen Jahren fest verankert. Trotzdem zeigt sich an vielen Schulen nach wie vor das Bild des „Einzelkämpfers“ der Berufsorientierung. Wirtschaft-Recht, WirtschaftArbeit-Technik, Wirtschaft-Technik, Wirtschaft-RechtTechnik und Deutsch heißen die Fächer, die in Thüringen
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gewöhnlich als „Heimat“ für berufsorientierende Inhalte gelten. Die Lehrkräfte, die diese Fächer unterrichten, sind neben der Planung und Durchführung von berufsorientierenden Lerngelegenheiten oft auch verantwortlich, wenn es um Schulkooperationen, Projekte und Weiterbildung im Kontext der Berufsorientierung geht. Es zeigt sich jedoch, wenn sich nur einige wenige Personen einer Schule dieser Aufgabe aktiv und verantwortungsvoll annehmen, führt dies in der Regel dazu, dass das Thema in der Schule lediglich als Zusatzaufgabe verstanden und von der Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen als Ballast wahrgenommen wird. Zudem wird Schülerinnen und Schülern die Bedeutung der Aktivitäten rund um ihre Berufswahl im Kontext Schule nur bedingt deutlich. Das Wählen eines Berufs jedoch stellt eine zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter dar und es gibt Belege dafür, dass Jugendliche, die den Übergang in einen ersten Ausbildungsberuf bzw. ein Studium erfolgreich meistern, auch im späteren Berufsleben erfolgreicher und zufriedener sind. Die Schule zum Hauptverantwortlichen für die gelungene Berufswahl Jugendlicher zu erklären, wäre indes unangemessen. Unter der Vielzahl möglicher Akteure und Einflussfaktoren (z.B. Eltern, Freunde und Gleichaltrige, Medien, Berufsberatung etc.) nimmt sie aber eine Sonderstellung ein: Als zentraler Sozialisationskontext im Jugendalter verfügt nur sie mit ihren professionellen pädagogischen Akteuren über die Expertise, Jugendliche umfassend in Lern- und Entwicklungsprozessen zu begleiten und zu fördern sowie Unterricht und Lernumgebungen entsprechend zu gestalten. Die Schule kann die Verknüpfung formellen und informellen Lernens leisten und den Lernenden eine pädagogisch fundierte, an Lernzielen ausgerichtete und methodisch-didaktisch aufgearbeitete Auswahl an Lerninhalten in einem für Jugendliche schlüssigen Gesamtkonzept zur Verfügung stellen. Tut sie dies nicht bzw. wird der „rote Faden“ der Berufsorientierung nicht sichtbar, bleiben Berufsorientierungsmaßnahmen wie das Schülerpraktikum oder der Besuch von Berufsmessen in den Augen junger
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Schule Berufswähler oftmals zusammenhangslose Einzelaktivitäten ohne persönlichen Bezug und damit wirkungslos. Vergleicht man nun die Aufwendungen, die die „Einzelkämpfer“ oft auf sich nehmen, mit der Wirkung berufsorientierender Angebote in der Schule, so lässt sich Folgendes feststellen: Eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben der Berufsorientierung über die einzelnen Fächer und innerhalb des Kollegiums ist nicht nur ressourcenschonender, sondern auch wirksamer – im Sinne der Wahrnehmung durch die Lernenden. Die zwischen einzelnen Bildungseinrichtungen variierende Anzahl der Lehrkräfte, Sozialpädagogen/innen und Erzieher/innen, sowie die Präsenz und Ausprägung verschiedener Fachschaften und pädagogischer Schwerpunkte bzw. regionale Gegebenheiten der Einzelschule machen individuelle Konzepte erforderlich, die jeweils unterschiedliche Akteure für verschiedene Aufgaben der Berufsorientierung vorsehen können. So ist beispielsweise die Einrichtung themenbezogener Arbeits- und Steuergruppen denkbar. Kompetenzen für die Berufsorientierung Die vorgestellten Überlegungen zur Verteilung der Aufgaben der Berufsorientierung im Kollegium ziehen nach sich, dass auch die Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern in den Blick genommen werden müssen. Dabei muss es zunächst um eine Grundqualifizierung gehen, die alle Lehrpersonen in die gleiche Ausgangslage versetzt und somit eine flexible Beteiligung an der Gestaltung qualitätsvoller Berufsorientierung in Unterricht und Schule grundsätzlich ermöglicht. Das Berufsorientierungsangebot kann durch eine abgestimmte Mitarbeit um die zahlreichen fachlichen Perspektiven bereichert und die Lernenden so in die Lage versetzt werden, berufsorientierende Maßnahmen als ein stets präsentes sowie aufeinander aufbauendes Schulthema
wahrzunehmen. Die Notwendigkeit zur Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit den eigenen beruflichen Zielen und möglichen Wegen dorthin wird mit der Sichtbarkeit des Themas verstärkt deutlich gemacht. Eigene Forschungsergebnisse zeigen, dass Kompetenzen von Lehrkräften in der Berufsorientierung Kenntnisse, Fähigkeiten und Bereitschaften auf unterrichtlicher, organisationaler und personaler Ebene sowie zur inner- und außerschulischen Kooperation umfassen. Ob und inwieweit diese Kompetenzen bei Lehrerinnen und Lehrern heute bereits ausgebildet sind und in welcher Form diese zukünftig Niederschlag in der Lehrerbildung finden können, ist noch offen und wird Gegenstand weiterer Forschung sein. Pflichtstudienanteil und Berufsorientierungskoordinator in Thüringen Schon heute spielt die Berufsorientierung in Thüringen eine gesteigerte Rolle in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen. Studierende des Regelschullehramts absolvieren an der Universität Erfurt bereits seit 2007 ein Pflichtseminar zur Berufsorientierung, in welchem sie erstmalig für das Thema sensibilisiert werden. Durch die Studierenden werden hier entwicklungspsychologische Grundlagen erworben, aber auch unterrichtspraktische Umsetzungsvarianten und Methoden erprobt. Des Weiteren nimmt das Land Thüringen eine Vorreiterrolle im Hinblick auf Fortbildungen zum Thema Berufsorientierung ein: Derzeit stehen 135 Thüringer Regelschullehrkräfte kurz vor dem Abschluss ihrer Fortbildung zum Berufsorientierungskoordinator. Die sieben Module sowie ein Praktikum umfassende Fortbildung richtete sich an Lehrerinnen und Lehrer, die Berufsorientierung an ihren Schulen zukünftig noch intensiver koordinieren, Kooperationsnetzwerke weiterentwickeln und Prozesse der Schulentwicklung in der Berufsorientierung voranbringen wollen. Dies ist im Ländervergleich ein innovativer Schritt. Nur einige wenige Bundesländer bieten überhaupt Qualifizierungsmaßnahmen der Berufsorientierung für Lehrpersonen an und mit Ausnahme von Thüringen wurden bisher nur in Nordrhein-Westfalen Koordinatoren der Berufsorientierung ausgebildet. Die Thüringer Koordinatorenfortbildung richtete sich vorerst allein an Lehrpersonen der Regelschulen. Von Seiten des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien ist geplant, Koordinatoren zukünftig auch für Gemeinschaftsschulen und Gymnasien fortzubilden. Für weitere Informationen hierzu kontaktieren Sie bitte Jana.Holstein@tmbwk.thueringen.de oder Rainer.Rupprecht@ thillm.de Benjamin Dreer, Katja Driesel-Lange & Nicola Schindler
Foto: R. Schaefer
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Schule
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Der Sender SWR strahlte in seiner Sendung „Report Mainz“ am 9. Mai 2011 einen Beitrag zum Bildungssponsoring aus. Unter dem Titel „Zielgruppe Schüler“ machte der Beitrag deutlich, wie es Unternehmen und Verbänden gelingt, das Werbeverbot zu umgehen und durch Bildungssponsoring ihre Produkte und Positionen in Schulen und Kindertageseinrichtungen zu bringen. In einem Mailwechsel zwischen GEW-Mitgliedern deutet sich eine Debatte an. tz greift das Thema auf und versucht einen Einstieg in die Kontroverse. Eines steht fest, in den Kindertagesstätten und Schulen, in Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen ist eines Mangelware: Geld. Geld für Materialien, für Projekte, für Exkursionen, für, so könnte man es auch nennen: spannende Lernarrangements. Nachvollziehbar also, dass Erzieher_innen und Lehrer_innen ungern auf die kostenfrei zugesandten, optisch aufgehübschten Broschüren verzichten wollen oder können. Nachvollziehbar auch, dass angesichts leerer Kassen Arbeitspapiere von zahlreichen Anbietern kostenlos aus dem Internet geladen und eingesetzt werden. Doch, wie so vieles, hat Bildungssponsoring zwei Seiten. „Werbung und Lobbyarbeit schon bei den Kleinsten. Propaganda im Klassenzimmer unter dem Deckmäntelchen des Sponsorings. Mit gemeinnütziger Bildungsförderung hat das nichts zu tun.“, so kommentiert Monika Anthes, die Autorin des Beitrags „Zielgruppe Schüler“ am Ende ihren Bericht. Bildung ist eine öffentliche Aufgabe. Sie muss daher zuallererst auch aus der öffentlichen Hand finanziert werden. In ausreichendem, Qualität und Professionalität sichernden Maße. Dass dies schon lange nicht mehr der Fall ist, das an Bildung landauf, landab gespart wird, ist offensichtlich. Unternehmen und Interessenverbände nützen das aus, es wirkt fast wie ein Ergebnis dieser Sparpolitik.
sie aber nicht vermutet, wie zum Beispiel in der Bildung, wirkt sie unterschwellig gerade wegen ihrer Intransparenz. Wer möchte denn einer Bank, die ein Rechenheft an die Schulen verschickt, den bösen Willen unterstellen, dies nur aus Werbezwecken zu tun. Das Werbung bei jüngeren Kindern schneller und prägender wirkt als bei älteren und Erwachsenen ist hinlänglich bekannt. Und so bekommen die bunten, nicht immer schlecht aufbereiteten Materialien doch ein gewisses G’schmäckle. Ähnliches passiert bei Broschüren von Interessenverbänden. Objektivität gegenüber gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Aufzeigen politischer Alternativen sind häufig nicht zu finden. Dafür dann aber, gut verpackt und oft nicht auf den ersten Blick ersichtlich, klare Positionierungen für die Verbandsmeinung. Aber jenseits der Werbefalle, jenseits von Propaganda gibt es ein weiteres Problem. Je mehr Bildungseinrichtungen mit Hilfe des Sponsoring die sich auftuenden finanziellen Löcher stopfen, je weniger sie daher Mindestausstattungen einfordern und einklagen, desto mehr kann sich die öffentliche Hand aus der Finanzierung und damit aus ihrer Verantwortung ziehen. Am Ende tun sich die Einrichtungen und mit ihnen die Beschäftigten keinen Gefallen, machen sie doch so deutlich, dass es auch mit abnehmender öffentlicher Finanzierung gelingt, Bildungsziele umzusetzen. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich auch in Thüringen: Im Jahr 2005 wurden die Mittel für die anerkannte Erwachsenenbildung um die Hälfte gekürzt. Die Einrichtungen reagierten mit Personaleinsparungen und/oder Lohnminderung, Erhöhung der Teilnehmergebühren und massiver Einwerbung von Projektmitteln. Die Zahl der Unterrichtsstunden sank,
Bildungssponsoring ist eine Form des Sponsorings. Der Sponsor verbindet mit seiner Investition der Sache nach nicht nur die Unterstützung eines spezifischen Projektes oder die Veröffentlichung von Unterrichtsmaterial. Vielmehr ist sein Ziel, den Absatz für seine Produkte und Dienstleistungen zu erhöhen bzw. bei Interessenverbänden, politische Positionen dauerhaft zu vermitteln. Sponsoring ist anders als die Spende keine uneigennützige Unterstützung fremder Ziele, sondern zielt auf eine Win-Win-Situation. Das Unternehmen oder der Interessenverband vermittelt ein positives Image, bewirbt seine Produkte und Positionen und die Bildungseinrichtungen sparen Geld für neues, zusätzliches Material, können auf Elternbeiträge für Ausflüge verzichten und brauchen nicht das Gefühl zu haben, um Selbstverständliches zu betteln. Aus Unternehmersicht eine lukrative Situation. Vom Standpunkt der unmittelbar Betroffenen, nämlich der Bildungsbeteiligten, betrachtet, ist dies schon nicht mehr so lukrativ. Werbung findet sich allerorten. Wo man Foto: Royalty-Free/CORBIS thüringer zeitschrift 06/2011
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Bildungssponsoring – Werbung auf Umwegen
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Schule aber im Bezug zu den Kürzungen keineswegs im gleichen Maße. Im damaligen Kultusministerium hat man diesen Effekt wohl händereibend zur Kenntnis genommen: Augenscheinlich braucht die Erwachsenenbildung keine öffentliche Förderung. Dass dem nicht so ist, dass Bildung als öffentliches Gut auch weiterhin öffentliche Finanzierung braucht, müssen die Erwachsenenbildungseinrichtungen nun unter erschwerten Bedingungen unter Beweis stellen. Das Dilemma, in dem Erzieher/innen, Lehrer/innen und Weiterbildner/innen stecken ist offensichtlich: Gute Bildung
braucht gute Ausstattung, braucht eine angemessene finanzielle Förderung. Es ist daher dringend geboten, die Landesregierung daran zu erinnern, dass Bildungsausgaben immer Investitionen sind: in die Menschen und in die Zukunft. Wenn die Finanzierung aus öffentlicher Hand endlich wieder stimmt, brauchen Bildungseinrichtungen keine Sponsoringverträge mehr, um Selbstverständliches zu leisten. Kathrin Vitzthum Referentin für Erwachsenenbildung, berufliche Fort- und Weiterbildung
Leserbrief
Unter Sponsoring versteht man die Förderung von Einzelpersonen, einer Gruppe von Menschen, Organisationen oder Veranstaltungen, durch eine Einzelperson, eine Organisation oder ein kommerziell orientiertes Unternehmen, in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen mit der Erwartung, eine die eigenen Kommunikations- und Marketingziele unterstützende Gegenleistung zu erhalten. Sponsoring wird von Unternehmen (dem Sponsor) zum Zweck der Kommunikationspolitik des Marketings betrieben. Ziel ist, durch die Förderung des Empfängers auf das eigene Unternehmen, vornehmlich im Zusammenhang mit einem medienwirksamen Ereignis, aufmerksam zu machen. Sponsoring ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, mit dem Ziel der Absatzförderung für Produkte und Dienstleistungen, für die dem Produktnutzen ein "Erlebnisnutzen" hinzugefügt werden soll. Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Sponsoring#cite_note-0
Warum hat die Grundschule die höchste Pflichtstundenzahl? Als wir 1991 das dreigliedrige Schulsystem übernahmen, wurden auch die unterschiedlichen Pflichtstunden der einzelnen Schularten Tagesgeschäft, weil es in den alten Bundesländern halt diese Ungerechtigkeit schon immer gab! Es gab mal Erklärungen, dass die „höheren“ Schularten mehr Korrigieren und Bewerten müssen, aber dies ist in der heutigen Zeit doch längst Schnee von gestern. Gerade in den Grundschulen ist in den letzten Jahren viel Neues auf die Kollegien zugekommen und dass in diesem Bereich mit Abstand die meiste Erziehungsarbeit (sehr zeitintensiv!) neben dem Bildungsauftrag realisiert wird, dürfte für alle anderen Schularten auch unstrittig sein! Die Akzeptanz bei den Eltern ist ja wohl die höchste aller Schularten im Freistatt Thüringen, wenn man manchen Statistiken trauen kann. Außerdem kommt auch noch die tiefere Eingruppierung zur höchsten Pflichtstundenzahl dazu, und da ist auch für
unsere GEW Handlungsbedarf gegeben! Denn lange Jahre wurde dieses Thema totgeschwiegen, obwohl alle es wussten und es einfach als „gottgegeben“ hinnahmen. Es sollte das Ziel sein, etwas Gerechtigkeit hineinzubekommen und die GrundschullehrerInnen nicht nur als Spaß- und Spiellehrer (wie manche an anderen Schularten denken), sondern als Diejenigen betrachten, welche neben den Kitas die wichtigen Grundlagen für die weiterführenden Schulen legen. In den immer viel gepriesenen skandinavischen Bildungsländern ist der Status auch entsprechend gewürdigt und wir wollen uns in dieser Hinsicht doch immer mit den Besten messen! Also liebe Grundschulleute, schreibt eure Meinung und auch, was ihr für die Gerechtigkeit tun würdet. Uwe Chour Schulleiter einer Grundschule
Klassenfahrt nach Berlin (incl. Transfer, Unterbringung, Programm nach Absprache) Broschüre anfordern bei: biss, Fichtestraße 30, 10967 Berlin Telefon (0 30) 6 93 65 30, www.berlin-mit-biss.de
thüringer zeitschrift 06/2011
Erwerbsminderung Ich habe einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt. Ist es richtig, dass bei positiver Entscheidung mein Arbeitsverhältnis endet?
Urteil zur Verwendungszulage Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 28. April 2011 darüber zu befinden, ob eine Verwendungszulage auch bei auf Dauer angelegter Wahrnehmung der Aufgaben eines höherwertigen Amtes beansprucht werden kann.
thüringer zeitschrift 06/2011
§§§
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Aus der Rechtsstelle
Aus der Rechtsstelle
Kreisnachrichten
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Aus den Kreisen Altenburger Land
Kyffhäuserkreis
Das Joch der Jungfrau
tz-Redakteurin Kathrin Vitzthum bittet um Entschuldigung für die späte Veröffentlichung:
Der KV Altenburger Land hatte auch in diesem Jahr zum Frühjahrstreffen die Senioren in den Landgasthof der Familie Kertscher nach Gleina eingeladen. „Ihr kommt ja bloß, um zu erfahren, wo und wie wir unseren Urlaub verbracht haben.“, so wurden wir von der Chefin begrüßt. Das stimmt nicht ganz, denn der selbstgebackene Kuchen ist auch nicht zu verachten. Da wir im Vorfeld mit Frau Kertscher abgesprochen hatten, die Ausführungen zum Reisevortrag zeitlich zu beschränken, konnten wir im Anschluss ausgiebig alter Zeiten gedenken. Zum Dia-Vortrag sei noch angefügt, dass es ins Berner Oberland ging, dass Frau Kertscher große Probleme hatte, die Zeitvorgabe einzuhalten – weil sie über jedes Dia Interessantes zu berichten wusste – und dass er allen Anwesenden sehr gut gefallen hat. Wolfram Boide
Veranstaltung zur Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Nordhausen Studienreise Der KV Nordhausen führt auch im neuen Schuljahr wieder eine der beliebten Studienreisen durch. Geplant sind zwei Busse nach Braunschweig und Kloster Wöltingerode für den 3. September 2011. Interessierte können sich ab sofort beim KV anmelden. Die Abfahrt der Busse jeweils in Nordhausen und Bleicherode 8.00 Uhr, voraussichtliche Ankunft 19.00 Uhr. Für die Bereiche Sollstedt, Wipperdorf, Gebra und Bleicherode nimmt Brigitte Klein die Anmeldungen entgegen. Alle anderen melden sich bitte über das Büro des KV (c/o Jörg Lorenz, Neue Straße 12, 99752 Bleicherode) möglichst noch im alten Schuljahr an. Partner/innen von GEW-Mitgliedern sind willkommen. Karin Greiner Weimar Kaffee & Bienen Zu einer Kaffeerunde im Weimarer Bienenmuseum lädt der KV Weimar seine Mitglieder am 23. Juni 2011 um 15:00 Uhr ein. Ort: Deutsches Bienenmuseum, Ilmstraße 3, 99425 Weimar
Mit einer Vorsorgevollmacht wird eine Person bevollmächtigt, im Falle einer Notsituation alle oder bestimmte Aufgaben für den Vollmachtgeber zu erledigen. Eine Vorsorgevollmacht setzt unbedingtes und uneingeschränktes persönliches Vertrauen zum Bevollmächtigten voraus und sollte nicht leichtfertig erteilt werden. Was man beachten sollte und was eine Betreuungsverfügung ist, dass erfahrt Ihr auf der Informationsveranstaltung am 08.06.2011 um16:30 Uhr im Gymnasium „Geschwister Scholl“ in Sondershausen. Jubilarfeiern Bisher gestalteten wir im Dezember eine Weihnachtsfeier mit unseren Jubilaren für die 25-, 40-, 50- und 60-jährige Mitgliedschaft, mit den Vertrauensleuten und den Senioren. Aus verschiedenen Gründen z. B. dem Wetter (das die Veranstaltungen immer ins Drinnen zwang), die Häufung von vorweihnachtlichen Feiern und vieles mehr, wollen wir die Jubilare, Vertrauensleute und Senioren im Juni einladen. In diesem Jahr finden die Jubilarfeiern • am 22.06.2011 um 17 Uhr im Ratskeller in Artern und • am 23.06.2011 um 17 Uhr in der Gaststätte „Klause“ in Sondershausen statt. Ihr seid herzlich eingeladen. Karl-Eike Walter Suhl Erlebnisreise nach Quedlinburg: Es sind noch einige Plätze frei! Unsere diesjährige Erlebnisreise mit dem Bus vom Samstag, den 15.10.2011 bis Montag, den 17.10.2011 führt uns über Nebra (Fundort der Himmelsscheibe) in die schöne Stadt Quedlinburg. Auf vielfältige Weies erobern wir die historische Altstadt. Kost und Logis sind im Hotel „Warnstädter Krug“ gebucht. Die Rückreise führt uns über Bad Frankenhausen mit seinem berühmten schiefen Kirchturm. Nach einer Tasse Kaffee mit süßer Überraschung in gemeinsamer Runde treten wir den letzten Teil der Heimreise an. Die Fahrt wird ca. 200 Euro kosten, wobei wir um 50 Euro Vorkasse nach individueller Absprache bitten. Bei Interesse erhaltet ihr genauere Informationen von uns. Also meldet euch! Natürlich sind auch Anmeldungen aus anderen Kreisen willkommen. Ihr erreicht uns unter den Telefonnummern: 03681/761588 und 03681/302324 Margit Fremde, Ilse Maurer
Fotos: Foto: http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/324501 thüringer zeitschrift 06/2011
Sozialpädagogik
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Erzieherin – ein Beruf mit Zukunft Mit einer bundesweiten Initiative „Profis für die Kita“ beteiligt sich die GEW gemeinsam mit den am „Runden Tisch“ engagierten Gewerkschaften und Berufsverbänden an einer Werbekampagne für den Erzieherberuf1. Eine heikle Aufgabe, hat die GEW doch erst kürzlich mit der Veröffentlichung einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie die schlechten Arbeitsbedingungen in Kindertagesstätten angeprangert. Dennoch: Wenn der qualitative Standard in den Einrichtungen gehalten und der Ausbau an Plätzen für unter dreijährigen Kinder weitergehen soll, brauchen wir mehr Erzieherinnen und Erzieher. So stellt sich der Beruf der Erzieherin in doppeltem Sinne als Mangelberuf dar: mit erheblichen Mängeln und zu wenig Nachwuchs, insgesamt aber ein Traumjob mit Zukunftspotential. Mehr Plätze und Personal in Kitas – Bundesweite Trends Der Ausbau der Plätze für unter dreijährige Kinder in Kindertagesstätten hat einen erheblichen Fachkräftebedarf ausgelöst. Damit einher geht eine Debatte darüber, wie auf einem Arbeitsmarkt, in dem besonders attraktive Branchen um den besten Nachwuchs werben, die Qualität der Profession gesichert werden kann. Alle Beteiligten – Politik, Träger, Eltern, Berufsverbände – sind sich darin einig, dass an der erreichten Qualität der pädagogischen Angebote keine Abstriche gemacht werden dürfen. Im Gegenteil: Es muss alles unternommen werden, das Fachkraftniveau durch Ausbildung, Studium und Weiterbildung weiter zu steigern. Die Personalakquise führt in regional unterschiedlicher Ausprägung zu Problem auf dem Arbeitsmarkt. Dabei sind verschiedene Problemkonstellationen festzustellen: Im Osten gibt es – bei höherem Durchschnittsalter der beschäftigten Erzieher/innen – einen hohen Ersatzbedarf für aus dem Dienst Ausscheidende. In einigen Regionen steigen die Geburtenzahlen wieder an und lösen neuen Bedarf aus. Zugleich gibt es kaum Nachwuchs, weil die Kapazitäten der Fachschulen bei Weitem nicht ausreichen. Im Westen gibt es hohen Bedarf an neuen Plätzen für unter dreijährige Kinder. Ebenso gibt es eine steigende Nachfrage nach Ganztagsplätzen und nach Erzieher/innen in Grundschulen. Außerdem entsteht zusätzlicher Personalbedarf durch, wenn auch geringe, Verbesserungen beim Personalschlüssel. Insgesamt werden bundesweit in den nächsten fünf Jahren mehr als 120.000 neue Erzieherinnen und Erzieher gesucht. Es ist zu befürchten, dass bis zu 40.000 Stellen unbesetzt bleiben, weil es nicht genügend Nachwuchs gibt. […] Berufliche Realität ernüchternd Für einen Beruf kann man nur dann überzeugend werben, wenn ihn mit all seinen Facetten, mit Licht und Schatten darstellt und die Probleme klar benennt. Von einem attraktiven Beruf, für den man nur genug werben muss, um den enormen Arbeitskräftebedarf zu decken, kann keine Rede sein. Der Nachwuchs findet überwiegend nur noch zeitlich befristete Stellen, mit der weitverbreiteten Teilzeitbeschäftigung landet man auf Hartz-IV-Niveau und mit 54 Jahren
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ist man so ausgepowert, dass man frühzeitig in Rente geht. Und das mit einer Rente, die häufig Altersarmut bedeutet. Dies ist das Ergebnis einer von der Max-Traeger-Stiftung der GEW in Auftrag gegebenen Studie zur beruflichen, familiären und ökonomischen Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund hat die aktuellen Daten des Mikrozensus 2008 ausgewertet und in einem 60-seitigen Bericht zusammengefasst.2 Mit Burnout in die Rente und dann ein Leben in Armut
Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen gehen insgesamt im Durchschnitt mit 59 Jahren in den Ruhestand. Ein Viertel davon gibt als Grund für den vorzeitigen Ruhestand gesundheitliche Gründe an. Diejenigen, die wegen Krankheit den Beruf aufgeben, gehen bereits mit 54 Jahren in Rente. Nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vom April 2011 liegen Erzieherinnen unter den zehn Berufen mit dem höchsten Burnout-Risiko an siebenter Stelle. Auf 1.000 AOK-Versicherte kommen 149 Krankheitstage, d. h. eine Erzieherin ist im Durchschnitt 15 Tage im Jahr wegen Burnout arbeitsunfähig.3 […] ››
Auszüge aus einem Artikel von Bernhard Eibeck
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Sozialpädagogik Kein Auskommen mit dem Einkommen Das Nettoeinkommen von Erzieherinnen liegt 224 Euro unter dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Bei den Kinderpflegerinnen beträgt der Abstand 392 Euro. Von den Beschäftigten mit frühpädagogischer Ausbildung schaffen es knapp 90 Prozent, mit dem Verdienst ihren Lebensunterhalt zu sichern. Erzieherinnen liegen mit 92 Prozent etwas darüber, Kinderpflegerinnen jedoch erheblich unter dieser Quote. Nur 71 Prozent der in diesem Beruf Beschäftigten verdienen so viel, dass sie damit ihren Lebensunterhalt decken können. 8 Prozent der Kinderpflegerinnen erhalten zusätzlich zu ihrem geringen Verdienst Transfergeldleistungen nach Hartz IV. Viele Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, die nur eine Teilzeitbeschäftigung haben, erzielen ein so geringes Einkommen, dass sie ihren Lebensunterhalt damit nicht bestreiten können. Nur 65 Prozent derer, die weniger als 21 Stunden arbeiten, reicht das Einkommen zur Existenzsicherung. Bei denjenigen, die bis zu 34 Stunden arbeiten, sind es 82 Prozent. Besonders betroffen sind alleinerziehende Erzieherinnen. Insbesondere Kinderpflegerinnen haben eine hohes Armutsrisiko. Bei einem Einpersonen-Haushalt gilt als armutsgefährdet, wer weniger als 786 Euro im Monat verdient. 12 Prozent der Kinderpflegerinnen sind armutsgefährdet. Bei den Berufsanfänger/innen sind es 18 Prozent, d.h. fast jede fünfte frühpädagogische Fachkraft hat zu Beginn ihres Berufslebens ein Nettoeinkommen von unter 786 Euro.
eine Vollzeitstelle. Im Westen geht die Vollzeitquote bei beiden Berufsgruppen kontinuierlich zurück: Von 65 Prozent in den 1990er-Jahren über 56 Prozent im Jahr 2000 auf 50 Prozent im Jahr 2008. Im Osten liegt die Zahl der Vollzeitstellen weit darunter, erholt sich aber langsam. So ist dort die Vollzeitquote von 37 Prozent im Jahr 2000 auf 44 Prozent im Jahr 2008 gestiegen. Die wenigen Männer, die in diesem Arbeitsfeld tätig sind, haben zu 62 Prozent eine Vollzeitstelle. Vier Forderungen der GEW Die GEW hat ein Vier-Punkte-Programm vorgeschlagen, um die Situation der Fachkräfte zu verbessern und den Bereich der sozialpädagogischen Berufe aufzuwerten. 1. Unbefristete Vollzeitstellen, insbesondere für Berufsanfänger. Diese sind mit zusätzlichen Finanzzuweisungen der Länder an die Kommunen und Kitaträger abzusichern. 2. Eine Ausbildung, die den Beruf der Erzieherin auch für Abiturienten attraktiv macht. Dazu ist der weitere Ausbau grundständiger Studienangebote an den Hochschulen für Soziale Arbeit notwendig. 3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Verminderung der Krankheitsquote und Erhöhung der Verbleibsdauer im Beruf, insbesondere durch Anrechnung eines Drittels der Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung sowie ein Personalschlüssel für Gruppen mit Kindern, die jünger als drei Jahre sind, von 1:4 und bei den drei- bis sechsjährigen von 1:10. 4. Anhebung der Bezahlung, damit jede Erzieherin und jeder Erzieher von dem Gehalt leben kann.
Pädagogik befristet und in Teilzeit Materialien zur Berufsinformation Ein das Arbeitsfeld seit Langem prägendes Strukturmerkmal ist die hohe Teilzeitbeschäftigung. Die Hälfte der Erzieherinnen und nur 30 Prozent der Kinderpflegerinnen haben
Die GEW hat gemeinsam mit dem „Runden Tisch Gewerkschaften und Berufsverbände“ im Februar 2011 mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Reihe von Broschüren, Flyern und Plakaten herausgegeben, mit denen vor allem in den Abgangsklassen der Schulen und in der Berufsorientierung über den Beruf informiert werden kann. Die Materialien können – gerne auch für die ganze Klasse – kostenlos bestellt werden unter: http://www.gew.de/ Initiative_gegen_Erziehermangel_Profis_fuer_die_Kita.html Bernhard Eibeck Referent für Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand
Nähere Informationen: www.runder-tisch.eu Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin: Die berufliche, familiäre und ökonomische Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen, zum Preis von 5 Euro (inkl. Versandkosten) erhältlich bei: broschueren@gew.de. 3 Wissenschaftliches Institut der AOK: „Burnout auf dem Vormarsch“ – Pressemeldung vom 19. April 2011: http://www.wido.de/fileadmin/ wido/downloads/pdf_pressemitteilungen/wido_pra_pm_krstd_0411.pdf 1 2
Foto: K. Vitzthum thüringer zeitschrift 06/2011
Schule
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„Bildung braucht Persönlichkeit“ Herr Roth, können Sie sich noch an Ihre Schulzeit erinnern? Was haben Sie als größtes Manko erlebt? Was waren die wichtigsten Einflüsse? Oh, sehr gut. Es war eine sehr gute Schule. Das Friedrichsgymnasium in Kassel. Eine Art Eliteschule. Mein Unterricht war überwiegend sehr gut. Insofern sind meine Eindrücke positiv. Aber: Wir hatten keinen guten naturwissenschaftlichen Unterricht. Darunter habe ich später im Studium (Biologie) gelitten. Und ich erinnere mich an meinen Musiklehrer, der mich einfach nicht mochte, und ich ihn nicht. […]
Nein. Aber die Ausbildung an der Universität und in den Lehrerseminaren muss solche Grundkenntnisse vermitteln. Dieses Wissen gehört zum Beruf und muss in die Didaktik und Pädagogik der Schule einfließen. Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass die Erkenntnisse der Hirnforschung direkt in den Klassenraum übertragbar sind, vielmehr müssen sie pädagogisch-didaktisch aufbereitet werden. Schließlich muss das alles an den Problemen in der Schulpraxis selbst ansetzen. Wir müssen deshalb die Lehrerausbildung völlig neu konzipieren. […]
Ihre Kernthese ist: Bildung braucht Persönlichkeit. Woraus schlussfolgert sich das aus Sicht der Hirnphysiologie? Die Einsicht lautet, dass alles Kognitive, alles Wahrnehmen, Denken, Interpretieren zutiefst eingebettet ist in emotionalen Strukturen. Wir haben es dort mit bewussten und unbewussten Motiven zu tun. Sie steuern unsere Interessen und unser Tun. Und sie prägen die Eigenheiten der Lehrenden und Lernenden. Die Grundeinsicht heißt: Etwas, was mir nichts sagt, kann ich nur schwer aufnehmen. Wir müssen uns beim Lernen mehr um diese emotionalen und motivationalen Voraussetzungen der Person kümmern – übrigens auch bei den Lehrern.
Können uns die Hirnforscher auch sagen, was die Inhalte von Bildung sein sollten? Nein. Das wäre zu viel verlangt. Aber wir können Didaktikern und Pädagogen sagen: Wenn ihr das und das vermitteln und erreichen wollt, empfiehlt es sich, es so und so zu machen. Aber das betrifft die Rahmenbedingungen von Lehren und Lernen, nicht die Inhalte.
Ihr Untertitel ist: Wie Lernen gelingt. Gute Frage: Wie gelingt es denn? Wichtig ist mir: Es gibt eine tiefe Krise in der Lehrerschaft, die sich oft fragt: Was spiele ich noch für eine Rolle? Sie kommt sich unwichtig vor. Ich habe Unterricht nach dem Prinzip des selbstgesteuerten Lernens beobachtet, wo sich die Lehrer völlig überflüssig vorkamen. Aber genau das ist falsch: Die Lehrer sind extrem wichtig, gleichgültig welche Unterrichtsform, was ihnen jedoch systematisch ausgeredet wird – bis hin dazu, dass sie es selbst tun. Dagegen argumentiere ich vehement. Bemerkenswert ist Ihr Persönlichkeitsmodell. Was sind die Grundlagen? Was ist die wichtigste Botschaft? Es gibt viele Modelle der Persönlichkeit in der Psychologie. Aber sie sind meist rein typologisch orientiert und nicht gut wissenschaftlich validiert. Es gibt aber eine Fülle abgesicherter Erkenntnisse in der Neurobiologie, mit denen sich diese Typologien besser begründen lassen. Ich habe sie zusammengetragen und in ein Modell gefasst. Es ging darum, die Person neurophysiologisch, psychologisch und psychiatrisch zu erfassen. Heißt das, dass Lehrer nun Begriffe wie limbisches System, Amygdala, orbitofrontaler Cortex und Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin und Oxytocin in ihren Wortschatz aufnehmen müssen?
thüringer zeitschrift 06/2011
Ihr Buch fordert radikale Änderungen in der Schule. Welches sind die wichtigsten? Der Kernsatz ist: Weniger ist mehr. Die Behörden und Ministerien agieren leider in dem Wahn, dass unsere Schüler zu wenig wissen. Erkenntnisse zum Arbeitsgedächtnis zeigen aber, dass wir es hier mit einem Engpass zu tun haben. Der Straßenverkehr lehrt uns, dass nur geringere Geschwindigkeiten Staus vermeiden. So muss auch der Unterricht radikal entschlackt werden, damit die Schüler vertieft lernen. Wir müssen zudem professionell herleiten, was ein junger Deutscher am Ende der Schule können und wissen sollte. Weitere wichtige Faktoren sind die Lehrerpersönlichkeit, ein guter Mix der Unterrichtsformen, häufige Wiederholungen, ganztägige Schulen und hochprofessionell vermittelter Stoff. Die Schule sähe danach ganz anders aus. Heinfried Tacke
Interview
Ein Gespräch mit dem renommierten deutschen Hirn- und Verhaltensforscher Gerhard Roth.
In Auszügen mit freundlicher Genehmigung des Klett-Themendienst
Gerhard Roth: Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt 1. Aufl. 2011, Klett-Cotta ISBN: 978-3-608-94655-0 Preis: 19,95 € Weitere Informationen unter www.klett-cotta.de
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Termine, Tipps
Kleine Künstler am Werk:
Änderungsmeldung
Gemeinschaftliche Kunstprojekte für die Kita
GEW Thüringen Mitgliederverwaltung Heinrich-Mann-Straße 22 99096 Erfurt
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Knopfkollagen basteln, Sandskulpturen bauen oder tanzende Endloslinien zeichnen: Gemeinsame Kunst-Aktionen in der Kita bieten Kindern die Möglichkeit, sich kreativ mit ihrer Umwelt, mit den anderen und sich selbst auseinanderzusetzen. 17 erprobte Gemeinschaftsprojkete für die Arbeit mit 3- bis 7-Jährigen finden Erzieher/innen nun im neuen Band „Viele Kinder – ein Kunstwerk“. Der Band lädt zum Nachahmen ein und bietet zahlreiche Möglichkeiten, Kreativität und Gemeinschaft zu erleben. Alle Kunstprojekte sind gleich aufgebaut: Die Erzieher/innen erfahren zunächst etwas zum gruppendynamischen Hintergrund und erhalten Tipps zum Einstieg. Eine übersichtliche Materialliste und eine detaillierte Anleitung erleichtern die Durchführung (aus der Pressemitteilung des Verlag an der Ruhr vom 4. Mai 2011). Ein Rezensionsexemplar ist in der Landesgeschäftsstelle einsehbar. Viele Kinder – ein Kunstwerk GroßARTige Gemeinschafts-Kunst-Akionen mit 3- bis 7-Jährigen von Gaby Müller, 80 Seiten Verlag an der Ruhr 20,80 € ISBN: 978-3-8346-0828-4 Hinweis: Verschiedene Verlage schicken einzelne Rezensionsexemplare zu ganz unterschiedlichen Themen (Kita und alle Schularten, Methodik und Didaktik, Materialsammlungen,…) an die Redaktion der tz. Wer Interesse hat, das eine oder andere Werk zu rezensieren und damit Kolleginnen und Kollegen anzuregen, auch weiterhin über den Tellerrand hinaus zu schauen, wendet sich bitte an: Kathrin Vitzthum, Tel. 03 61 / 5909522 oder vitzthum@gew-thueringen.de
Schulart: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bruttorente: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Euro
Ich arbeite in Altersteilzeit: RL-ATZ-02 RL-ATZ-07 TV-ATZ nach 05.05.98 Beschäftigungsumfang vor der Altersteilzeit: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freistellungsphase ATZ ab: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich habe 55 Plus: ja Entgeltgruppe: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bank: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . BLZ: . . . . . . . . . . . . . . . . . Konto-Nr.: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unterschrift: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Foto: K. Vitzthum
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