Stellungnahme der alpe 23 09 13

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Stellungnahme der A.L.P.E. Die Zeit ist reif für einen überkonfessionellen Werteunterricht Wieder hat ein neues Schuljahr angefangen und es hat sich in Sachen Werteunterricht an den öffentlichen luxemburgischen Schulen nicht viel getan. So werden auch diese „Rentrée” die Schüler aufgrund ihrer religiösen Einstellungen und Kultur getrennt, wenn es darum geht, sich mit Themen wie Demokratie, Menschenrechte, Moral, Freiheit und letztlich Glaube und den Religionen zu beschäftigen. Die CSV hat in ihrem Wahlprogramm angekündigt den Religionsunterricht in der Sekundarschule abschaffen zu wollen und durch einen Werte- und Zivilisationsunterricht zu ersetzen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die CSV, noch im Mai, in der von Claude Adam angestoßenen Chamber-Debatte über den Werteunterricht für den Status Quo plädierte. Einen Status Quo, der bedeutet, dass das Bistum nach wie vor Einfluss auf Konzeption und Umsetzung des Religionsunterrichts ausüben kann, das den Fächer „Instruction religieuse et morale“ und „Formation morale et sociale / Praktische Philosophie“ kaum Bedeutung im Schulcurriculum zukommen lässt und der es mit sich bringt, dass Schülerinnen und Schüler aufgeteilt werden, wenn es darum geht über zentrale Themen des täglichen Zusammenlebens zu reflektieren. Der längst überfällige Vorstoß der CSV wird demnach von der ALPE mehr als begrüßt. Gleichzeitig wirft dies eine Reihe offener Fragen auf. Zunächst stellt sich die Frage wie dieser einheitliche Werteunterricht auszusehen hat, denn bekanntlich liegt der Teufel im Detail. Man könnte meinen, dass es beim Werte- oder Moralunterricht in erster Linie darum geht den Kindern richtiges Verhalten beizubringen, zum Beispiel in Form von Geboten: „Man darf nicht“ oder „Du sollst“. Die einsichtigen Schüler lernen diese Regeln und setzen sie dann brav im Alltag um. Diese Einstellung beruht allerdings auf einer Fehlinterpretation von Werteunterricht: Werte oder Moral können nicht auf diese Art vermittelt oder gelernt werden. Hier handelt es sich vielmehr um den allgemeinen Erziehungsauftrag, der sowohl Eltern als auch allen anderen Lehrern bzw. Erziehungspersonal obliegt. Was ein Werteunterricht kann, (der nur eine Stunde in der Woche stattfindet,) ist es zentrale Fragen der Schüler und Schülerinnen, z.B. zum Thema Tod, Religion, Freiheit, Natur, Sexualität aufzunehmen, didaktisch aufzubereiten und zu reflektieren. Beispielhafte Antworten aus der Philosophie, Soziologie oder der Religion sollen den Schülern und Schülerinnen helfen sich eine Orientierung zu verschaffen, die ihnen schließlich auch bei moralischen Fragen helfen sollen.


Es wird auch verschwiegen, dass es an luxemburgischen Schulen bereits seit Jahren einen “Praktische Philosophie1” Unterricht gibt, der allen Anforderungen die sich die luxemburger Schule des 21. Jahrhundert setzt, gerecht wird und an dem Schülerinnen und Schüler aller konventionierten und nicht konventionierten Religionen genauso wie diejenigen die keiner Religion zugehören, teilnehmen können. Im Praktische Philosophie / Formation morale et sociale Unterricht sind bereits heute, in Beachtung eines absoluten Überwältigungsverbotes 2, die christliche Religion aber auch andere Religionen Gegenstand des Unterrichts. Auch dürfte es kein Geheimnis sein, dass das Fach Praktische Philosophie durch seine ideengeschichtliche Perspektive Standpunkte aller Religionen zu den unterschiedlichsten Unterrichtsthemen zulässt. Man muss beachten, dass der gegenwärtige Religionsunterricht in der Sekundarschule durchaus weltoffen ist und nicht mehr dem katechetisch ausgerichteten Religionsunterricht in der Grundschule gleicht. Eine Vielzahl der behandelten Themen überschneiden sich mit den Themen des oben genannten FOMOS/PPh-Unterrichts. Da es sich hier nur noch bedingt um einen katholischen Religionsunterricht handelt, der den „rechten Glauben lehrt“, stellt sich umso mehr die Frage, was eine Trennung der Schüler und die damit verbundenen Kosten heute noch rechtfertigt. Aus Sicht der ALPE wäre damit die einfachste, aber leider auch mutigste Methode, den genannten Praktische Philosophie Unterricht, der sich bereits in Luxemburg, aber auch in Deutschland (bsp. Nord-Rhein Westfalen) bewährt hat, zu einem allgemeinen Werteunterricht zu erklären. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, so sei die Frage erlaubt, wer dieses Fach aufstellen soll? Hier wünscht sich die ALPE einen offenen Dialog zwischen Religionslehrern, Erziehungsministerium und Ethiklehrern. Da es sich bei diesem allgemeinem Werteunterricht um ein Fach handeln wird, das von Schülern aller Religionen und auch nicht religiösen Schülern besucht werden wird, scheint es uns logisch und auch zwingend notwendig, dass die Ausarbeitung des Kernlehrplans ohne Einmischung des Erzbistums oder jeglichen anderen religiösen Institution stattfinden muss. Bei der Ausarbeitung des gemeinsamen Werteunterrichts müssen die Bedürfnisse einer pluralistischen Gesellschaft und deren Schüler in den Mittelpunkt gerückt werden. Eine zweite Frage die sich zwangsläufig bei der Ankündigung der CSV stellt, ist die nach dem Ethik- oder Werteunterricht in der Grundschule. Wenn Erzbischof Jean-Claude Hollerich im Luxemburger Wort Artikel vom 10.7.2013 „Wie Jesus Lehrer für die Kinder sein“ nocheinmal klarstellt, „dass er alles tun werde, damit der Religiounsunterricht an den Grundschulen erhalten bleibe,“ dann wird deutlich, dass man es in der Grundschule mit einer anderen Polemik zu tun hat als in der Sekundarschule. Hier bildet die katholische Kirche im hauseigenen „Institut de Pédagogie Religieuse“ Religionslehrer aus, wofür auch regelmäßig im Luxemburger Wort inseriert wird: „Gefragt sind: Menschen, die Heranwachsenden helfen, Maßstäbe für ihren Lebensstil von der Mitte des Glaubens her zu finden.“ 3 Aber gerade bei Grundschulkindern wird deutlich, dass von Wahlfreiheit zwischen 2 Fächern keine Rede sein kann. In der Realität werden hier diejenigen Kinder, die nicht 1

Dies ist der offizielle Name des Faches, der irrtümlich im Volksmund immer noch „Morale laïque“ genannt wird, allerdings seit 2007 vollständig „Formation morale et sociale / Praktische Philosophie“ lautet. 2

Gemäß dem Überwältigungsverbot (auch: Indoktrinationsverbot) dürfen Lehrende Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen, sondern sollen Schüler in die Lage versetzen, sich mit Hilfe des Unterrichts eine eigene Meinung bilden zu können. 3

LW vom 22.6.2013 S.17


katholisch sind von ihren Klassenkameraden getrennt, ohne dass ihnen die Gründe dafür bewusst sein können. Hier von Wahlfreiheit zu sprechen und die daraus hervorgehenden Zahlen, auch noch kontinuierlich als Argument dafür zu benutzen4, dass diese Trennung bestehen bleibt ist schlichtweg absurd. Welche Gründe die Eltern schließlich zu ihrer „Wahl“ bewegen, geht aus den Zahlen nicht hervor. Es bleibt allerdings zweifelhaft, ob es sich um pragmatische Erwägungen, wie beispielsweise die Vorbereitung auf das Sakrament der Kommunion, für die der Religionsunterricht in der öffentlichen Schule eine notwendige Bedingung ist oder ob es sich in der Tat um religiöse bzw. moralische Beweggründe handelt, die den erlesenen Schülern einen Einstieg in den Glauben erlauben. Auch in der Grundschule gibt es ein ausgearbeitetes und praktiziertes Curriculum „Praktische Philosophie“, das die Kinder zum eigenständigen Nachdenken einlädt ohne dabei Spiritualität oder religiöses Grundwissen außen vor zu lassen. Hier spricht sich die ALPE auch ganz klar für einen einheitlichen Werteunterricht aus, der den gesellschaftlichen Realitäten Rechnung trägt, ohne dabei die traditionellen Werte zu vernachlässigen. Die vom Erzbischof meist medienwirksam erteilte „Missio, mit der sie beauftragt werden, den Religionsunterricht in der Schule mit persönlichem Bekenntnis in Übereinstimmung mit den Lehren der Kirche zu gestalten,“ 5 scheint unserer Ansicht nach allerdings in der öffentlichen Schule nicht mehr angebracht. Es stellt sich demnach die berechtigte Frage, ob ein von der öffentlichen Schule unabhängiger Religionsunterricht, der beispielsweise auf die heiligen Sakramente vorbereitet und den die Schüler freiwillig besuchen können, nicht wesentlich besser geeignet wäre, diesem von der katholischen Kirche erteilten Missio -Auftrag zu entsprechen. Bei den Argumenten, die demnach immer wieder den Status Quo befürworten, handelt es sich demzufolge um Scheinargumente. Demzufolge möchte die ALPE auch hier alle politischen Parteien dazu einladen über eine grundsätzliche Reform des Religionsunterrichts bzw. Werteunterrichts, sowohl in der Grundschule als auch im Sekundarunterricht nachzudenken und die Realität hinter den Statistiken etwas genauer zu betrachten.

4

Bsp. Carte blanche von Georges Hellinghausen bei RTL: “D’Wäerterzéiung ass net direkt Aufgab vum Staat, wuel awer d’Respektéiere vu Wäerter an d’Fërdere vu Wäerterzéiung, an dat am Respekt virun de Bierger an hirer Iwwerzeegung – spréch Meenungs- a Reliounsfräiheet. 81% wielen ëmmerhin Reliounsunterricht an der Grondschoul a 64% am Secondaire. “ http://news.rtl.lu/commentaire/carteblanche/110709.html 5

LW vom 10.7.2013 S.18


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