AM LAND
Dokumentation der Lehrveranstaltung Projektübung „Magdas am Land“ im Sommersemester 2016 herausgegeben im September 2016 Institut für Gebäudelehre | TU Graz, 2016 Institut für Gebäudelehre Lessingstraße 25/IV 8010 Graz Leitung: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Architekt Hans Gangoly www.gl.tugraz.at www.facebook.com/Gebaeudelehre Lehrveranstaltungsleitung: Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Architektin Uli Tischler Wahlfächer: TransformationUmnutzungNeuinterpretation | Leitung: Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Uli Tischler Kulturelles Erbe | Leitung: Antje Senarclens de Grancy StudienassistentInnen: Manuel Draschl Rebekka Hirschberg Jakob Zöbl Grafik & redaktionelle Gestaltung: Angelika Hinterbrandner
Einleitung 05 Ausgewählte Entwßrfe 27 Lehrveranstaltung in Bildern 79 Impressum 81
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„Am Land kann man nicht übernachten!“ meint Friedrich Torbergs Tante Jolesch1 in den 1920ern und denkt dabei nicht an die renommierten Hotels ihrer Zeit, die (wie das Hotel Panhans am Semmering) städtische Enklaven im ländlichen Raum bilden. Wir werden den Gegenbeweis antreten und die hinter dem Wiener Stadthotel Magdas2 stehenden Ideen, die unter anderem Flüchtlingen eine besondere Rolle im touristischen Konzept geben, auf das Land und genauer auf einen Bauplatz am Hauptplatz der Marktgemeinde Arnfels übertragen. Welche spezifischen
Qualitäten aus dieser Übertragung eines Konzepts entstehen können, ist eine der im Entwicklungsprozess zu beantwortenden Fragen. Auf dem zentral gelegenen Grundstück stehen zwei Gebäude in zum Teil desolatem Zustand, die schon jetzt auch als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden. Beide sollen vollständig erneuert, oder wesentlich überformt und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem daneben liegenden, intakten Ensemble eines Gasthofes bearbeitet werden. Uli Tischler
1 Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes in Anekdoten. Dtv, München 2004 2 Ein Hotel als Sozial-Unternehmen, entwickelt von Caritas und AllesWirdGut Architekten. www.magdas-hotel.at
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Schwarzplan Arnfels 1:5000
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Die Bestandsgebäude mit Blick auf die Kirche
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Hauptplatz mit Gemeindeamt
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Ehemalige Schank Gasthaus Sommer
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Schank Gasthaus „Zum Rebstock“
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Frau Sommer im Innenhof
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Im Hofgebäude
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Frau Sommers Innenhof
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Uferpromenade
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Ausgewählte Entwürfe
Stefanie Bachleitner 28 Guislain Baudelet 36 Thomas Graßl 46 Klaus Posch 54 Saara Savolainen 62 Gabriel Schintarelli 70
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Modellfoto Draufsicht
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Stefanie Bachleitner
im Erdgeschoss die Rezeption, in den Obergeschossen ein Teil der Bibliothek und ein Seminarraum befinden, ist der einzige, der sich von den anderen durch seine Form und Materialität unterscheidet. Somit werden die öffentlichen Funktionen, die sich darin befinden, bereits von außen gut ersichtlich. Die übrigen Baukörper wurden in ihrer Form belassen. Im ehemaligen Stall im südlichen Teil entsteht ein Wellnessbereich mit einem privaten, uneinsehbaren Freibereich mit Nähe zum Fluss.
Am Fuße des Arnfels gelegen, bietet Magdas am Land Platz für Hotelgäste, Flüchtlinge und WirtshausbesucherInnen. Basis des Entwurfs ist eine Durchmischung der Funktionen im gesamten Komplex. Keine Trennung von Flüchtlingen und Hotelgästen: Jeder und jede soll sich willkommen fühlen. Magdas am Land wird zu einem Ort des Miteinanders. Durch den Bezug zur älteren Baustruktur und durch die Freistellung des Grundrisses entstehen klare, individuelle Volumina. Im Südwesten entwickelt sich ein großer, neuer Dorfplatz, der durch Schilf und Gräser von der relativ stark befahrenen Straße geschützt ist. Hier kann man in Ruhe einen Kaffee trinken und dem Rauschen des Flusses zuhören.
Im nördlichen Bauteil befindet sich im Erdgeschoss – wie schon früher – ein Wirtshaus und in den Obergeschossen darüber sowie über dem Eckhaus 14 unterschiedliche Hotelzimmer. Diese sind in mehrere Kategorien unterteilt, damit sie sowohl den Anforderungen der Hotelgäste, als auch jenen der Flüchtlinge entsprechen können. So gibt es Zimmer mit mehreren Betten und mit einem Sanitärbereich pro Stockwerk, Standard-Doppelzimmer sowie eine Suite. Weiters sind in diesen Bereichen Teile der Bibliothek untergebracht, die auch zum Deutschlernen, Zusammensitzen und Austauschen genutzt werden kann. Die BewohnerInnen von Arnfels können ihre Bücher hier in dieser Leihbibliothek zur Verfügung stellen und somit den MigrantInnen helfen, Deutsch zu lernen.
Am nordwestlichen, stark befahrenen Kreuzungspunkt wird der Gehweg verbreitert. Im Erdgeschoss findet ein Internationaler Markt Platz, in dem Flüchtlinge Speisen aus ihren Ländern zubereiten und verkaufen können. Hier können die MigrantInnen Arbeitserfahrung sammeln und mit den BewohnerInnen von Arnfels und mit den Gästen des Hotels in Kontakt treten. Der Eingang in das Hotel wird von Westen her durch einen Rahmen ersichtlich. Dieser Baukörper, in dem sich
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Grundriss 1. Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
Bestand bis ca. 1900
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Schnitte
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An der Brücke
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Eingangsbereich
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Modellfoto
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Modellfoto Draufsicht
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Guislain Baudelet
“Heterotopias are places absolutely other. They are located utopias, real places out of all others.”1
diverse functions (restaurant, wellness, bar, garden, plaza, reading and hotel rooms), diverse atmospheres and room typologies. A way to accommodate single travellers, couples or families and to adapt to the duration of their stay.
“If an anthropological place can be defined as relational, historical, and concerned with identity, then a space which cannot be defined as relational, historical, or concerned with identity, will be a non-place.”2
It should also “have a particular opening and closing system which isolates it from other places while still being linked to them”. The project includes the renewal of Arnfels Hauptplatz to integrate Magdas am Land in it with a sheltered urban plaza. The functions of the ground floor, such as the restaurant and the bar are public as well as the underground wellness center and can thus also benefit the inhabitants of Arnfels.
Magdas am Land combines both housing for refugees and hotel rooms for visitors. Two places absolutely other. Two places of transit. The project should be a heterotopia but avoid being a non-place. Magdas am Land should be an „anthropological heterotopia“. To be anthropological2 the designed place should be first historical which is achieved by working with two existing buildings. It should also be relational and concerned with identity. The functions encircle a large common garden, which is a flexible support for activities. The choice of not separating refugees and visitors but to design private rooms and common rooms aims at not differentiating the occupants of Magdas am Land. Who are the hosts? Who are the guests? Who am I?
Through the plaza and the public functions, the project is open to Arnfels. But it is also closed in a way. Through a slit one can access the inner garden which is linked to the more rural atmosphere of the south. It is enclosed on three side and open to the river. The seventeen rooms are on the two upper floors and overlook the more peaceful and enclosed part of the project. This is how the project is not closed nor open, not refugee camp nor hotel, not one but many. This is how it transforms a place of transit in a place of sharing. This is how Magdas am Land tries to be an „anthropological heterotopia“.
To be a Heterotopia1, the designed place should first juxtapose in one space different smaller spaces. Magdas am Land should thus offer a diversity of places for the diversity of people who live in it. A diversity of places through
1 cf. Michel Foucault, 1967 2 cf. Marc Augé, 1995
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Grundriss 1.Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
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Ansicht und Schnitt
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Blick zum Kirchturm
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Im Café
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Am Pool
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GSEducationalVersion
Axonometrie
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Modellfoto
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Modellfoto Draufsicht
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Thomas Graßl
Plätze im Bereich der Fußgängerbrücke/Promenade sowie gegenüber vom Rathaus. Der neu gestaltete Innenhof erhält ein komplett neues Gesicht mit halböffentlichem Charakter.
Magdas am Land ist ein innovatives Hotelprojekt, welches sich mit der Integration von Flüchtlingen in einem ländlichen Ort auseinandersetzt. Bei diesem Konzept kommen Menschen aus aller Welt zusammen – als Gäste, MitarbeiterInnen oder FreundInnen. Wie auch im Magdas Hotel in Wien wohnen die Flüchtlinge und Gäste Seite an Seite, wobei erstere auch die Möglichkeit haben, einen Arbeitsplatz zu erhalten.
Im Erdgeschoss der beiden Bestandsgebäude befinden sich Rezeption, Lobby, Seminarraum und Restaurant. Diese Bereiche sind öffentlich zugänglich, jedoch vorwiegend für die Hotelnutzung ausgerichtet. Die Bäckerei im westlichen Neubau ist hingegen für alle BewohnerInnen von Arnfels gedacht, um so auch eine Durchmischung von Hotelgästen, Einheimischen und Flüchtlingen zu ermöglichen. Zwischen diesen drei Gebäudekomplexen ergibt sich ein zentraler eingeschossiger Verbindungsraum, welcher die gesamte Erschließung koordiniert. In den Obergeschossen befinden sich ein großer, gemeinschaftlicher Lesesaal und die Zimmer des Hotels, welche unterschiedliche räumliche Qualitäten aufweisen.
Auf dem Grundstück in der Nähe des Arnfelser Hauptplatzes werden die beiden Gebäude nördlich zur Straße hin erhalten, da das Gasthaus Rebstock sowie auch das Gasthaus Sommer eine prägende Struktur im Ortscharakter bilden. Der spätere Zubau des Gasthaus Sommer und auch der Elektroshop werden entfernt und durch eine neue architektonische Komposition ersetzt. Der Neubau auf dem Grundstück des ehemaligen Elektroshops greift die traditionelle regionale Zeilenstruktur auf und schließt an den Bestand an. Der ehemalige Zubau des Gasthaus Sommer wird durch zwei flache Neubauten ersetzt, welche die Linien der alten Freifläche aufnehmen und vorwiegend zur Belichtung des Untergeschosses dienen. Durch die neue Struktur entstehen zwei öffentliche
Als Zeichen der Integration soll auch das Türkische Bad im Untergeschoss wahrgenommen werden, welches die Traditionen einer anderen Kultur in einer neuen zeitgenössischen Architektur widerspiegelt.
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Grundriss 1.Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
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Ansicht und Schnitt
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Im Bad
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Blick in den Hof
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Modellfoto
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Modellfoto Draufsicht
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Klaus Posch
Flusspromenade. Dieser Hof kann als Erlebnisraum des Areals verstanden werden, der für die BewohnerInnen von Arnfels offen zugänglich ist und von Bistro und Café bespielt wird. Die Fassade des öffentlich zugänglichen Wellnessgebäudes kann bei Veranstaltungen als Bühne genutzt werden. Die den Fluss begleitende Promenade geht in die Platzgestaltung über und lädt ein, den Hof zu betreten. Der Hof wird zum Theater und kann zum zweiten Ortszentrum von Arnfels werden.
Der Entwurf nimmt die bestehende Bebauung auf und ergänzt diese durch zwei schräg gestellte Baukörper. Der neue Hauptbaukörper wird vom Bestandsgebäude abgesetzt, um den Zwischenraum als sichtbare Fuge von Alt und Neu hervorzuheben und die bestehende Blickachse der Straße zum Kirchturm frei zu halten. Das erste und zweite Obergeschoss dieses Gebäudes sind als sich über die Länge veränderndes Dach konzipiert, das sich von der zur Gänze in Glas aufgelösten Sockelzone abhebt. Ein monolithischer Baukörper entsteht, wobei die Obergeschosse in ihrer Ausformung auf die umgebenden Dachformen reagieren. Durch die L-förmige Positionierung des neuen Gebäudes zum Bestandsbaukörper entsteht ein lichtdurchfluteter Hof, der den Bezug zum angrenzenden Fluss erhält. Der repräsentative, überdeckte Hoteleingang des Hauptbaukörpers führt weiter zum Empfangsbereich mit Lobby und Rezeption. Diese Zone geht in den Gastronomiebereich mit Bistro und Café über.
Im Bestandsbaukörper des ehemaligen Gasthofs Sommer liegen Seminarräume und Funktionsflächen der Hotelanlagen. Im 1.Obergeschoss befinden sich 24 Hotelzimmer, wobei drei Einheiten als Studios für Flüchtlingsfamilien konzipiert werden. Wenn man das Dach des Baukörpers auch als Metapher für Schutz sieht, wird eine Botschaft formuliert: Dieses Haus bietet unter seinem Dach nicht nur Schutz vor Witterung sondern auch vor Krieg und Verfolgung. Damit wird das Haus in die gewachsene Ortsstruktur integriert und bietet einen geschützten Platz der Begegnung und Kommunikation.
Der Hof wird zum Gastgarten mit Liegeflächen für Picknicks und festen Sitzmöglichkeiten für PassantInnen der
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Grundriss 1.Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
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Ansichten
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StraĂ&#x;enraum
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Uferpromenade und Hof
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Modellfoto
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Modellfoto Draufsicht
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Saara Savolainen
The open levels between the main building masses act as a meeting point and social centre of the building. Dining people, the strolling tourists, and the hosting refugees are all brought together in a relaxed atmosphere.
The most important aspect of the development of the design proposal „Magda‘s Mountain“ was the composition of existing building mass, the old guest house of Mrs Sommer, and the newly created building masses that are referencing on the surrounding roofscape.
The two masses interconnect on the first floor. The sauna area is located in a smaller volume, to create peace and silence for an atmospheric wellness retreat inside or depending on the guests taste as well outside on the terrace.
The new part of the building ensemble accentuates on one had the special position at the corner of the street that is opening to the main square of Arnfels, and on the other hand the connection of the walkway at the small river and the connected pedestrian bridge.
The rooms open up to the inner courtyard with ample windows to create brightness but still shelter from the noise of the street. Further, the apartments open up to the sky with openings in the roof to invite the sunlight until the ground floor level of the hotel. Hence even the people from the public street level can see the sky from above.
The entrance area that is located between the two higher building blocks formulates a transparent but still visible separation between the main square and street in contrast to the calm inner courtyard of the existing building. To open the views and to value the light, the whole street level is designed in a transparent manner with flowing access around the new part. The public spaces - the restaurant, the lobby and the reception are visible to the street, and serve as an attraction as well as a new focus point to the people passing by.
The social concept of Magda‘s hotel is to connect people, in this case, the design proposal offers an idea to link refugees, as employees, and hotel guests to allow them both a pleasuring stay in the new hotel in Arnfels.
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Grundriss 1.Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
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Schnitte
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Am Hauptplatz
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Ansichten
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Modellfoto
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Modellfoto Draufsicht
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Gabriel Schintarelli
Der Entwurf besteht aus Gegensätzen. Man bewegt sich zwischen hell und dunkel, ruhig und belebt, offen und geschlossen, eng und weit, alt und neu, oben und unten, drinnen und draußen usw. Es ist gewissermaßen der Atem des Gebäudes. Die Wegeführung geht durch enge Durchgänge und weite großzügige Plätze, die Erschließung erfolgt über Innen- und Außenraum, oben und unten sind wie Tag und Nacht, der Bestand kontrastiert mit den neuen Bauteilen, die Plätze sind weit und öffentlich oder zurückgezogen und privat.
Das Gasthaus bildet die Grenze zwischen öffentlich und halböffentlich und verbindet diese Bereiche, indem es sich im Westen zum Platz und im Osten zum Innenhof öffnet und beide Außenräume als Gastgarten nutzt. Der Innenhof wird außerdem ebenerdig im Süden vom Wellness- und im Norden vom Gemeinschaftsbereich, der als Wohnküche ausschließlich von Bewohnern und Hotelgästen genutzt wird, umschlossen. Die Rezeption mit Café befindet sich im nördlich gelegenen Gebäude. Von dieser gelangt man über eine Treppe auf einen geschlossenen Außenraum, der eine Schwelle zum privaten Obergeschoss bildet. Von diesem introvertierten Platz wird der Laubengang zur Erschließung der Hotel- bzw. Schlafzimmer betreten. Der Laubengang und das Lese-Wohnzimmer können von den Bewohnern und von den Gästen gemeinschaftlich genutzt werden.
Das Entfernen einiger Gebäudeteile bewirkt die Freistellung der Baukörper und schafft Wege zwischen diesen. Anstelle der im Westen liegenden Gebäude wurde ein Platz angelegt, der den Komplex zum Stadtraum und zum Bach hin öffnet. Gasthaus und Hotel definieren den Platz von zwei Seiten und werden von diesem aus erschlossen.
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Grundriss 1.Obergeschoss
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Grundriss Erdgeschoss
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Schnitte
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Collage Uferbereich
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Schnitt
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Modellfoto
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Schlusspräsentation und Ausstellung
Impressum Broschüre zur Lehrveranstaltung „Magdas am Land“ SS 2016 Institut für Gebäudelehre Fakultät für Architektur / Technische Universität Graz Lessingstraße 25 / IV 8010 Graz www.gl.tugraz.at https://www.facebook.com/Gebaeudelehre Leitung Uli Tischler Antje Senarclens de Grancy
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