ENTWERFEN 2 SS 2013
BETREUUNG Thomas Heil Eva Sollgruber Anke Strittmatter STUDIENASSISTENTIN Christina Mellacher GASTKRITIKERINNEN Karin Derler Sonja Fr端hwirth
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THEMENSTELLUNG
Die Gestaltung einer Friedhofsanlage, mit ihrer Landschaft, den Grabmälern und Bauten, zählt zu den ältesten Bauaufgaben menschlicher Zivilisation und ist Ausdruck der Kultur einer Gemeinschaft. Seit jeher bestimmen der Umgang mit dem Tod sowie das Verhältnis zu Spiritualität und Religion einer Gesellschaft die Topographie ihrer Begräbnisstätten. Gegenwärtige Tendenzen der Bestattungskultur, beeinflusst durch erhöhte Mobilität sowie die Wandlung von familiären und sozialen Beziehungen, erweitern die althergebrachten Vorstellungen von Tod und Begräbnis, und geben Anlass über eine zeitgemäße Gestalt von Friedhofanlagen nachzudenken. Der Friedhof wandelt sich von einem abgeschlossenen, religiösen Ort zu einem, für alle Menschen offenen, Ort der Kontemplation und Erinnerung. Wie verändern sich in Folge die Anforderungen an den Ort der Bestattung? Wie reflektiert der architektonische und landschaftliche Entwurf diese Entwicklung? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigte sich eine Gruppe von Studierenden der Architektur im Sommersemester 2013 im Rahmen des Seminars „Entwerfen 2“ am Institut für Gebäudelehre der Technischen Universität Graz. Ausgewählte Entwürfe dieses Semesters werden in der vorliegenden Broschüre präsentiert.
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STÄDTEBAULICHER KONTEXT Eva Sollgruber
Im Zentrum der Entwurfsaufgabe stand eine Erweiterung des bestehenden Friedhofs, inklusive neuer Aufbahrungshalle, der oststeirischen Gemeinde St. Johann bei Herberstein. Die Ortschaft liegt ca. 45 km nordöstlich von Graz, am Ausgang des Feistritztales im oststeirischen Hügelland und zählt 371 Bewohner (Stand 1.1.2012). Der ursprüngliche Ortsfriedhof lag auf dem Hügel der Pfarrkirche, die erstmals 1170 urkundlich erwähnt wurde. Im Zuge der Josephinischen Reform wurde der Friedhof 1830 außerhalb des Siedlungsgebiets, angeschlossen an die Dorfmauer, verlegt, wodurch seine jetzige Lage begründet liegt. Der heutige bestehende Dorfriedhof liegt nordwestlich des Siedlungszentrums, im Übergangsbereich zum höhergelegenen Dorfbereich mit mittelalterlicher Bausubstanz und Pfarrkirche. Er ist für etwa 360 Grabstätten ausgerichtet. In Hinblick auf zukünftige Gemeindezusammenlegungen in der Steiermark und dem steigenden Bedarf an alternativen Bestattungsmöglichkeiten soll die Möglichkeit einer Friedhofserweiterung an Hand der örtlichen Gegebenheiten von St. Johann untersucht werden. Das Erweiterungsgebiet, der ehemalige Klostergarten der Pfarre, schließt nördlich an die bestehende Friedhofsanlage an und zieht sich als leicht ansteigendes Gelände bis zum alten Dorfzentrum hinauf.
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Kirche St. Johann bei Herberstein
Friedhof Bestand
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Friedhof BESTAND Volksschule St. Johann bei Herberstein
GRUNDSTĂœCK (ehemaliger Klostergarten)
Klostergartenmauer mit Torbogen BESTAND Haus der Frauen (ehemaliges Kloster)
Kirche St. Johann bei Herberstein
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Grundst端ck 16.686m2
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Das Grundstück umfasst rund 16.686m2 und schließt den nördlichen Bereich des bestehenden Friedhofs, inklusive Aufbahrungshalle, ein. Diese bestehende Aufbahrungshalle soll durch ein neukonzipiertes Friedhofsgebäude ersetzt werden, das den Bedürfnissen einer zeitgemäßen Bestattung gerecht wird. Ein Friedhof im ländlichen Kontext ist mit den dörflichen Strukturen eng verbunden und fungiert als gemeinschaftlicher Ort der Erinnerung. Diese Aufgabenstellung verlangt von den Entwerfenden einen hohen Grad an Sensibilität und eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik ab. Im Zentrum der Entwurfsüberlegungen lag einerseits die Entwicklung eines zeitgemäßen Friedhofs, der auch alternativen Bestattungsritualen und Vorstellungen von Tod in der heutigen Gesellschaft gerecht werden soll. Schlagwörter wie Interkonfessionalität, anonyme Bestattungen, Naturbestattungen etc. standen im Fokus des Diskussionen. Andererseits wurden Möglichkeiten der Multifunktionalität eines Friedhofs in Hinblick auf Kontemplation und Aufenthalt angedacht. In Anbetracht erhöhter Mobilität und schwächer werdender Bindung von Familienangehörigen an ihren Heimatort werden somit Überlegungen angestellt den Ort der Bestattung neu zu definieren. Die vorliegenden Arbeiten illustrieren die mögliche Bandbreite unterschiedlichster Friedhofgestaltungen und führen vor Augen welche Potentiale in der landschaftlichen wie architektonischen Ausformulierung eines Friedhofs liegen.
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ŠAlexandra Duschek
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AUSGEWÄHLTE ARBEITEN
Alžbeta Barancíková ˇ Juraj Cervený ˇ Maximilian Ebner
13 27
Daniel Froschauer
33
Martin Gaggl
39
Moritz Gaiser
45
Jacquelin Griesser
51
Matthias Holzner
57
Bianca Hütter
63
Leonard Klaus
69
Patrick Schitter
73
Kathrin Steiner
79
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CEMETERY PASSING Alžbeta Barancíková ˇ
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Bestattungskonzept
Lageplan
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Der zentrale Entwurfsgedanke basiert auf dem entwickelten Konzept der Bestattung: am gesamten Friedhofsgelände werden vorab die einzelnen möglichen Grabstellen durch quadratisch behauene Steine markiert. Sobald das Grab belegt wird, also der Körper in die Erde wandert, werden die Steine, Symbol für die Seele des/der Verstorbenen, auf dem Areal an einer bestimmten Stelle gesammelt und zu einem Art Pfad formiert. Je mehr Körper unter der Erde liegen, desto länger wird der Pfad, der vom Friedhofsgebäude zur höchsten Stelle des Grundstücks führt. Das Gelände wird nicht in einzelne Gräberfelder unterteilt, sondern eine natürliche Wegeführung in Form von Trampelpfaden gliedert den Friedhof. Die einzelnen Gräber bleiben ebenfalls naturbelassen und erscheinen lediglich als hügelige Erhebungen im Boden. Das Friedhofsgebäude ist ebenfalls größtenteils von einer Erdschicht bedeckt, sodass die gesamte Nekropole die Anmutung eines Naturraums ausstrahlt, der zum Verweilen und Schlendern einlädt. Ausschließlich die quadratische Kubatur der Aussegnungshalle, die aus dem Boden ragt, setzt einen Akzent in der Landschaft. Sie wird in Naturstein ausgeführt und gibt einzig über eine raumhohe vertikale Öffnung den Blick auf das Friedhofsgelände frei.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
Schnitt b
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Ansicht Nord
Ansicht West
Ansicht S端d
Ansicht Ost
Schnitt a
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AGE OF CONCRETE ˇ Juraj Cervený
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Bestattungskonzept
Lageplan
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Ausgangsbasis des Entwurfes ist eine dünne Betonschicht, die über das gesamte Grundstück gegossen wird. Die einzelnen Grabstellen werden durch ein punktuelles Aufbrechen des Betons gewonnen. Somit erobert sich die Natur Stück für Stück das Gelände zurück; je mehr Bestattungen, desto mehr Grünraum befindet sich am Friedhof. Des Weiteren werden auf dem Grundstück fünf skulpturenartige Pavillons in Sichtbeton positioniert, in denen durch spezielle Lichtstimmungen und Ausblicke eigentümliche räumliche Atmosphären kreieren werden. Jedes dieser Strukturen steht für eine Phase in der Bewältigung des Todes eines Angehörigen: Verleugnung, Depression, Wut, Konfrontation und Akzeptanz. Der Entwurf des Friedhofsgebäudes ist ebenfalls von archaischen Raumqualitäten und der Materialität des Sichtbetons geprägt. Ein dunkler Korridor führt in die Aussegnungshalle, deren indirekte Lichtquelle über das Dach erfolgt. Angeschlossen daran befinden sich in einem niedrigen Gebäudeteil die Nebenräume, die für den reibungslosen Ablauf eines Begräbnisses sorgen. Von der Aussegnungshalle führt ein nach oben offener Korridor, vorbei an den Aufbahrungsräumen, in die Betonlandschaft des Friedhofs.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
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Ansicht Ost
Schnitt b
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Konfrontation
Wut
Verleugnung
Akzeptanz
Depression
Pavilllon-Konzept
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Gel채ndeschnitt b
Gel채ndeschnitt a
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ENDLICHKEIT | UNENDLICHKEIT Maximilian Ebner
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gesamtes Grundstück
Zäsur
Park | Ufer | Grab
Konzept
derPARK
dasUFER
dieGRÄBER
Lageplan
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Die Herausforderung der Aufgabenstellung bestand darin, ein stimmiges Konzept zu entwerfen, das sowohl Erdbestattungen, Naturbestattungen, Urnenbestattungen und einen Gebäudekomplex für Zeremonie, Aufbahrung und Wirtschaftsräumlichkeiten beinhaltet. Da das geforderte Raumprofil sehr kompakt ausfiel, war die Positionierung und Form des Gebäudes ein entscheidender Aspekt im Entwurfsprozess. Die Grundidee des Entwurfs liegt in der Teilung des Grundstücks durch einen Gebäuderiegel. Die massive, in Beton ausgeführte, Struktur, die sich über die komplette Breite des Geländes erstreckt, gliedert das Areal in drei unterschiedliche Bereiche, mit jeweils differenzierten Atmosphären: Parklandschaft, Wasserbecken, Gräberfeld. Der Gebäudekomplex dient als Ort der Bestattung und schafft gleichzeitig einen Schwellenraum zwischen Park- und Gräberlandschaft.
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1 Säulengarten 2 Zeremonienhalle 3 Erschließung 4 Technik 5 Garberobe 6 WC intern 7 Ruhehof 8 Verabschiedungsraum 9 Kühlraum 10 Abstellraum 11 WC Damen 12 WC Herren 13 WC barrierefrei 14 Haustechnik 15 Abstellraum 16 Pflanzen 17 Wirtschaftshof 18 Werkstatt 19 Lager 20 Säulenhof 21 Vorplatz
Grundriss Friedhofsgebäude
Ansicht Ost
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Ansicht S端d
Schnitt c
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ZWISCHEN LEBEN UND TOT Daniel Froschauer
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Konzept Gr채berfelder
Lageplan
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Der zentrale Entwurfsgedanke besteht in der Ausformulierung eines Prozessionsweges, der vom Haupteingang des Friedhofs im nördlichen Bereich des Grundstücks zum Friedhofsgebäude im südlichen Bereich führt. Dieser Zwischenbereich, der durch eine Verdoppelung der Friedhofsmauer geschaffen wird, ist durch keinerlei Öffnungen gestört und soll als Raum für Kontemplation wahrgenommen werden. Nach dem Passieren der Engstelle des Weges befindet sich der Besucher am Vorplatz des Friedhofsgebäudes von dem aus der zuvor noch verborgene Friedhof überblickt werden kann. Das Gelände ist in 7 Gräberfelder unterteilt, die in den Hang eingeschnitten sind, um Ruhe, Privatheit und geringe Einsichtigkeit zu den einzelnen Grabstellen zu gewähren. Die einzelnen Gräberfelder werden durch Urnenwände oder Sarkophag-ähnliche, hochgezogene Erdgräber gegliedert. Das Friedhofsgebäude besteht aus drei, in Beton ausgeführten, Kuben, die sich auf den ersten Blick als vollkommen geschlossene Volumina darstellen und die Gestalt des Gebäudes maßgeblich prägen. In deren Innenräumen befinden sich die Aussegnungshalle und die Aufbahrungsräume. Zwischen den Kuben werden private Höfe geschaffen, die zum Verweilen und Ausruhen einladen.
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36
Ansicht Nord
Schnitt
Ansicht S체d
Grundriss Friedhofsgeb채ude
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NEKROPOLE Martin Gaggl
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Gel채ndeschnitt a
Gel채ndeschnitt b
Lageplan
40
Der Hauptentwurfsgedanke besteht in der Terrassierung des gesamten Geländes, die durch Stützwände ausformuliert wird, in denen sich Nischen für die Aufbewahrung von Urnen befinden. Der Friedhof ist somit ausschließlich für Urnenbestattungen ausgerichtet und wird damit dem tendenziell vermehrten Aufkommen von Feuerbestattungen gerecht. Die einzelnen Terrassen sind durch verschiedenartige Wegeführungen miteinander verbunden. Die parkähnliche Anlage dieser Friedhofsgestaltung soll zum Spazierengehen und Nachdenken einladen. Dieser Ort soll zum Verweilen dienen, jedoch nicht nur Hinterbliebenen von Verstorbenen, sondern auch der Allgemeinheit der Dorfgemeinschaft. Am höchsten Punkt des Geländes ist das Friedhofsgebäude situiert, das eine wunderschöne Aussicht auf das oststeirische Hügelland frei gibt und einen angemessenen Ort für eine Bestattung schafft.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
42
Schnitt a
Schnitt b
Ansicht Nord
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NEKROPOLE Moritz Gaiser
45
Positionierung
Lageplan
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Im Zentrum der Entwurfsüberlegung steht die Entwicklung eines zeitgemäßen Friedhofs, der den gegenwärtigen Tendenzen der Bestattungsrituale und Vorstellungen von Tod in der heutigen Gesellschaft gerecht werden soll. Aufgrund der vorherrschenden Sensibilität mit den Themen ‚Tod‘ und ‚Trauer‘ wurde eine klare und ruhige Form des Friedhofsgebäude gewählt, welche auch auf dem gesamten Friedhofsareal anzutreffen ist. Sichtbeton und Eichenholz, Materialien mit sichtbaren Alterungsprozessen, wurden für den Entwurf gewählt, um den Kreislauf und die Vergänglichkeit des Lebens zu symbolisieren. Der grundlegende Entwurfsgedanke des Friedhofgebäudes basiert auf der Ausformulierung eines überhöhten Bereiches, der einerseits durch eine offene Arkadenhalle, andererseits durch die Aussegnungshalle, gebildet wird. Besonders erwähnenswert ist hierbei der Zugang zum Gebäude, der von einer Allee gesäumt ist und in die Arkaden des Vorbereichs mündet; somit wird ein gradueller Übergang von außen nach innen, von Natur zur Architektur, geschaffen.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
48
Gel채ndeschnitt b
Gel채ndeschnitt a
Schnitt a
Schnitt b
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DER WEG
Jacquelin Griesser
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südlicher Bereich: Waldfriedhof
Friedhofsgebäude Weg Hauptzugang
nördlicher Bereich: Urnenbestattung Kolumbarium
Modellfoto
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Der Hauptzugang des Friedhofes befindet sich im Osten des Grundstücks. Von diesem Eingang aus erstreckt sich ein leicht ansteigender Weg über das gesamte Gelände, das zum Friedhofsgebäude führt und das Areal in zwei Bereiche gliedert: den Waldfriedhof und den Urnenfriedhof. Südlich des Weges liegt der Waldfriedhof, der mit verschiedenartigen Laubbäumen gestaltet ist. Nördlich des Weges ist der Bereiche für Urnenbestattungen situiert. Inmitten dieser Parklandschaft befinden sich zwei, im rechten Winkel zueinander laufende Wände, die sich nach außen hin verjüngen und als Kolumbarium fungieren. Ein weiterer Aspekt des Entwurfs liegt in der Integration des Bestandes: das angrenzende Gebiet zum Bestandsfriedhof wird für Erdbestattungen fortgeführt, ebenso wird das Tor im Norden des Grundstücks als Nebeneingang erhalten. Das Friedhofsgebäude besteht aus drei Kuben, die sich in Größe und Materialität, je nach Funktion, unterscheiden. (siehe Diagramm) Müllsammel- und Wasserentnahmestellen folgen in ihrer Gestalt dem Entwurfsgedanken des Friedhofsgebäudes und sind als kubische Volumina ausformuliert.
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niedriger Baukörper mittelhoher Baukörper hoher Baukörper
Grundriss Friedhofsgebäude
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niedriger Baukörper Material: Lehm Funktion: Wirtschaftsräumlichkeiten + Anlieferung
hoher Baukörper Material: heller Sichtbeton Funktion: Aussegnungshalle
mittelhoher Baukörper Material: dunkler Sichtbeton Funktion: Aufbahrung
Konzept Gebäude
Schnitt b
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DIE TERRASSEN DER EWIGEN RUHE Matthias Holzner
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Gel채ndeschnitt b Detail Urnenwand
Gel채ndeschnitt a
Lageplan
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Der Entwurf nimmt Rücksicht auf den Bestand: die teils zerfallenen Natursteinmauern werden wiedererrichtet, die bestehenden Obstbäume, Relikte des alten Klostergartens, bleiben erhalten und der historische Torbogen im Norden wird als Haupteingang in das Konzept integriert. Von dort führt der zentrale Weg durch das gesamte Grundstück, an dessen Ende sich das Friedhofsgebäude befindet. Das abfallende Gelände wird durch massive Lehmstützwände zu Ebenen terrassiert, die sich auf beiden Seiten des Hauptweges den sanften Hügel hinabtreppen. Die Lehmwände beinhalten talseitig Urnennischen und können von der oberen Terrasse aus als Sitzgelegenheit genutzt werden. Im Nordwestlichen Eck der Erweiterung befindet sich ein anonymes Gräberfeld mit Möglichkeit zur Blumenniederlegung. Im Süden befindet sich das Friedhofsgebäude mit Aussegnungshalle, Aufbahrungskapellen und Nebenräumen. Der Gebäudeentwurf besteht aus mehreren zueinander versetzten, vollkommen geschlossenen, Lehmwänden, zwischen denen die einzelnen Räumlichkeiten eingeschoben sind. Ein für Freiluftaussegnungen vorgesehener Platz spannt sich zwischen zwei Lehmwänden neben dem Gebäude auf und integriert sich somit in das Gebäudekonzept.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
60
Ansicht West
Gel채ndeschnitt c
61
NEKROPOLE Bianca H端tter
63
Lageplan
Grundriss Friedhofsgeb채ude
64
Unterschiedlich hohe Mauerelemente, die sich gegenseitig durchsstoßen, werden am Grundstück situiert und bilden dadurch Räume mit differenzierten Qualitäten. Es kann in mehreren Bauphasen gearbeitet werden; je mehr Bestattungen, desto dichter wird das Grundstück mit Mauern organisiert. Diese Elemente dienen mit ihren Nischen der Aufbewahrung von Urnen und sollen in weißen Sichtbeton ausgeführt werden, um einen Kontrast zu der bestehenden Friedhofsmauer aus Naturstein herstellen zu können. Die gezielt eingesetzten Wege, die zu den Grabmauern führen, werden in Naturstein ausgeführt; die restlichen Bodenflächen des Friedhofs werden weitestgehend natürlich belassen. Das Konzept der Mauer zieht sich in den Entwurf des Gebäudes weiter. Durch die Positionierung von Wandscheiben werden unterschiedliche Außenraumqualitäten geschaffen, die als kontemplativer Hof oder auch Zulieferungszone ausformuliert sind.
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NEKROPOLE Leonhard Klaus
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Gel채ndeschnitt
Lageplan
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Die gesamte Anlage ist einer klaren und ruhigen Formensprache verhaftet. Die einzelnen Gräberfelder, Urnenstelen und das Friedhofsgebäude ergeben ein einheitliches Bild, indem ihre Form stets der Gestalt des Quaders entnommen ist. Das Friedhofsgebäude, bestehend aus einzelnen Volumen, integriert sich somit nahtlos in das Feld der Urnenbestattungen. Für jede Funktion des Raumprogramms wurde ein einzelnes Gebäudevolumen geschaffen. Diese einzelnen Funktions-Volumina sind über einen Wirtschaftsgang miteinander verbunden, der in die Topographie eingelassen ist und unterirdisch verläuft.
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FAREWELLWAY Patrick Schitter
71
Gel채ndeschnitt
Lageplan
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Das Hauptaugenmerk bei diesem Entwurf liegt auf dem Thema des Weges. Er ist als zentraIer ErschIießungsbereich ausgeführt, der, abgesehen von seiner Funktionalität (die Verbindung vom Haupteingang zum Friedhofsgebäude) auch eine spiritueIIe Komponente erfüIIt. Er dient den Trauernden aIs meditativer Gang, um die sterbIichen Überreste ihrer geIiebten Menschen auf deren Ietzten Weg zu begIeiten. Die leichte Erhöhung des Weges, der räumlich als Baumarkade ausgeführt ist, soll seine Wirkung noch verstärken. Durch die mittige Situierung des Weges am Grundstück wird dieses in zwei Bereiche geteilt: Der westliche Teil ist für konventionelle Erdbestattungen vorgesehen; östlich des Weges befinden sich die Bereiche für Urnenbestattungen und der Baumbestand des alten Klostergartens. Das Friedhofsgebäude ist reIativ schIicht gehaIten um nicht in Konkurrenz mit dem markanten Kirchenbau der Gemeinde zu treten. Der zentrale Weg läuft durch das Gebäude hindurch bis zum Bestandsfriedhof wodurch ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen erzeugt wird und das Gebäude in zwei Bereiche geteilt wird. Einerseits der Wirtschaftstrakt mit Zulieferung und Vorbereitung. Andererseits der öffentliche Bereich mit Aussegnungshalle, die sich nach außen hin öffnet wodurch Freiluftbestattungen ermöglicht werden.
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Grundriss Friedhofsgeb채ude
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Ansicht Ost
Ansicht Nord
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ZWISCHEN WALD UND WIESE Kathrin Steiner
77
Nordansicht
Lageplan
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Die Grundidee dieser Friedhofsgestaltung besteht in einer natürlichen Parklandschaft, die zum Verweilen einlädt. Romantische Wege zwischen den Bäumen und Wiesen sind umrahmt von der alten historischen Steinmauer. Die Gräber sind vereinzelt zwischen den Bäumen angeordnet und betten sich natürlich in die Landschaft ein. Hier herrscht keine unangenehme Friedhofsstimmung. Der zur Verfügung gestellte Freiraum soll von den Bewohnern der Region unbekümmert genutzt werden können. Die historische Trockensteinmauer wird in den Entwurf integriert und ist einerseits wichtiger Teil der Außenraumgestaltung und andererseits maßgeblich gestaltungsgebend für das Friedhofgebäude. Nicht nur wird die Fassade des Gebäudes in derselben Materialität wie die umgebende Mauer ausgeführt, sondern das gesamte Gebäude wird als integrativer Teil der Mauer wahrgenommen. Es verschmilzt geradezu mit der Kontur des Grundstücks. Im Inneren des Friedhofsgebäudes ergänzen Sichtbetonwände die Textur der Steinfassade. Die geduckte Haltung des Gebäudes lässt das Objekt im Hang verschwinden. Es öffnet sich zum Tal hin und gibt damit eine uneingeschränkte Aussicht in die schöne Natur frei.
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SCHLUSSWORT Eva Sollgruber
Die Entwurfsarbeiten, die in dieser Broschüre zusammengetragen wurde, veranschaulichen unterschiedlichste Herangehensweisen und Konzeptionen zu dem Thema ‚Friedhofsgestaltung‘. Innerhalb dieses Themenkreises muss sich der/die EntwerferIn einer Vielzahl an Problematiken stellen. Es müssen nicht nur Überlegungen zur Landschaftsarchitektur und qualitätsvollen Außenräumen angestellt werden, sondern auch Aspekte wie Konfessionalität, Angemessenheit der räumlichen Qualität eines Friedhofsgebäudes sowie die Wahl der Materialität beeinflussen den Entwurf. Größtenteils fanden die Studierende sehr persönliche und poetische Zugänge zu der Aufgabenstellung und der Frage wie eine zeitgemäße Nekropole aussehen kann. Es wurden Themen wie individuelle Trauerbewältigung, Gleichheit der Grabgestaltung, der Weg als wichtiger Bestandteil der Begräbniszeremonie etc. angesprochen und behandelt. Bei einem Gestaltungsthema, das beinahe keiner öffentlichen Diskussion im Kontext der Architektur ausgesetzt ist und vorwiegend von individuellen Distinguierungsversuchen beherrscht wird, die sich in Form der unterschiedlichsten Grabgestaltungen manifestieren, sind die vorliegenden Arbeiten eine mögliche zukunftsweisende Inspiration. Zumindest können sie als Diskussionsgrundlage über eine zeitgenössisch angemessene Gestalt von Friedhofsanlagen fungieren sowie einen Diskurs über diese eher vernachlässigte Thematik provozieren und begleiten.
81
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IMPRESSUM
NEKROPOLE - Die andere Stadt Studierendenarbeiten zum Thema Friedhofsgestaltung Institut für Gebäudelehre Fakultät Architektur / Technische Universität Graz Lessingstraße 25/IV 8010 Graz www.gl.tugraz.at www.facebook.com/Gebäudelehre Alle Fotos: Institut für Gebäudelehre (IGL) 2013