Hansi Schmidt - Weltklasse auf der Königsposition - Biographie eines Handballers

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1974: Meistermacher Hansi Schmidt hält zum vierten Mal den Europa-Pokal in Händen, im Schlepptau Joachim Deckarm und Reiner Brand.


Johann Steiner

Hansi Schmidt Weltklasse auf der Königsposition Biographie eines Handballers



Johann Steiner

Hansi Schmidt Weltklasse auf der Königsposition Biographie eines Handballers

Verlag Gilde & Köster Troisdorf 2005

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Johann Steiner Hansi Schrnidt Weltklasse auf der Königsposition Biographie eines Handballers

ISBN:

3-00-0 16717-X

Copyright:

Verlag Gilde & Köster 2005

Bildemachweis:

Dieter Baumann (Titelfoto), Agentur Horst Müller/Düsseldorf, Archiv Willy Pries, Archiv Edwin Sauer, Archiv Hansi Schrnidt, Archiv Johann Steiner, Heinz Engels, Ronald Friese, Horst Müller/Bonn, Helmut Steickmann

Graphik/Landkarte:

Michael Güls

Lektorat:

Waltraud Steiner

Layout:

Gesamtherstellung: Druckerei Schobert, Nümberg Inhaber Gerhard Adam Bulmannstraße 32, 90459 Nümberg, Telefon +49-(0)911-440669 E-Mail: druckerei_schobert@web.de

Vertrieb:

Verlag Gilde & Köster GbR Am Wassergraben 2, 53842 Troisdorf, Telefon: 0175/6094431 oder 02246/2166 E-Mail: verlaggilde@web.de

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Inhalt Hans-Dietrich Genscher: Zum Geleit ............. ...................................

II

Vorwort 1:

II:

111:

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Kindheit und Jugend Sonne über Marienfeld Lothringer Wurzeln ............................................................... . Die Eltern ......... .................................................................... .. Flucht I .......................... .......... ............................................ .. Erste Opfer ............................................................................ . Sterne über der Pußta ............................................................ . Heimkehr ..................................... ........ .................................. . Enteignet ................................ .............................................. . Deportation und Terror ........................ ... ............................. ... Anfang einer großen Karriere Der Prophet ................................................. ..... .................... . Adam Fischer ......................... ... ............. .............................. . Juniorenlandesmeister ... .. .. .. .. .. .. ........... .. .. .. .. ..... .. .. ..... .. ..... .. .. Eine neue Wurftechnik .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. Student ...................................... ........ ..................................... Ein "Spion" in Berlin .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .................... ................. Die Wegbereiter einer einmaligen Erfolgsserie .. .. .. .. .. ........ ... WM-Überraschung in Dortmund .................. ........................ Zeitzeugen Hedwig Merle-Schmidt: Die Karriere in Zeitungsausschnitten miterlebt .... .. .. .. . Tor zur Freiheit Rumänischer Nationalspieler .................... ...... ...................... Flucht II ... .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. ......... .. .. .. .. ....... .. .. ..... .. .. .. ... .. .. ..... .. Wieland Lassotta ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. ... .. .. .. ... .. .. .. ... .. .. . Die Rache der Rumänen .. .. .. .... .. ...................... .............. .... .... Zeitzeugen Helga Pries: Die Nachricht aus dem Radio .............. ..

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35 37 39 44 46 55 56 59 62 65 69 72 74

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IV:

V:

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Als Hoffnungsträger im Oberbergischen Land Silvesterfeier in Wildbergerhütte ...................................... .... .. Wegen Fahnenflucht verurteilt ................. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Westdeutscher Meister auf dem Großfeld .............................. Zeitzeugen Dr. Hjalmar Sauer: Unverwechselbar und einmalig .... Karin ............................... .......... .................. ........................... Zum zweiten Mal Abiturient ........... ............ ........................... Flucht 111 ....................................................... ......................... Zeitzeugen Gerd Demann: Dem Ziehvater stets dankbar ............... Triumphzug ohne gleichen Deutscher Nationalspieler ...................................................... Westdeutscher Hallenmeister .... .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Mit Hansi zur deutschen Meisterschaft .................................. Böller im Oberbergischen .......................... .... ........................ Zeitzeugen Bernd Beißel: Nicht nur als Spitzensportler prägend . Erster Doppelerfolg ................................................................ Bundesligarekord: 13 Tore ................................ .................... Zum ersten Mal Torschützenkönig .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Geburtsstunde einer Weltklassemannschaft .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Zeitzeugen Josef Jakob: Der geborene Vollstrecker ....................... Vom Sockel gestoßen .. .. ... .. .. .. .. .. .. .. .......................... .............. Neuer Bundesligarekord: 16 Tore .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. .. ... Der beste Vfl, ......................................................................... Zeitzeugen Klaus Kater: Unbedingter Durchsetzungswille ........... Zurück in Marienfeld ...... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ........................... Rauhe Sitten ...... .. .. .. ..... .. .. .. ......... .. .. .. .. .. .. .. .. .. ........ ..... .. ....... ... WM-Schlagerspiel gegen die DDR ........................................ Zeitzeugen Bernd Munck: Als Spieler einmalig .... .. ...... .. .. .. .... .. ...

99 104 108 117 120 123 129 135 139 144 147 150 154 157 160 161 167 175 178 185 189 192 195 201 203 206


VI:

VII:

VIII:

Auf dem Gipfel Wiedersehen in Bukarest Mit Hüftwürfen Dynamo "erschossen" ................. .. ..... .. ..... .. . Zweiter EC-Triumph .. ...... .. .... .... .. ........ ................................ .. Zeitzeugen Herbert Kranz: ........... ...................... ............. .. ........... . Das Nonplusultra des deutschen Handballs Erste und letzte Heimniederlage .................. ........ .......... ...... .. Streit ..................................................................................... . Zeitzeugen Vlado Stenzel: Weltbester gleichauf mit Hans Moser . Mit Hansi von Titel zu Titel Wiedergeburt einer Mannschaft .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . Kampf der Giganten ...... .................... ..................................... Als Regisseur immer besser .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .............. ........ ......... Galavorstellung in Galatz .............................. ............ ...... .. ..... Zeitzeugen Hans-Günther Schmidt junior: Beständiges Glanzprodukt einer Sporthochkultur .. ..... In der Form seines Lebens .. .. .. .. .. .............. .... .. .. .. .. ................. Die Nationalmannschaft in der Krise .................. .. ................. Olympia-Verzicht ................. .......................... ...................... .. Das Debakel ..... ...................................................................... Der Zug ist abgefahren .. .. .. .. .. .. .. .. .. ........................ ........ .. .... ... Zeitzeugen Roland Gunnesch: Ein Glücksfall für Gummersbach . Knapp am Skandal vorbei ...................... ...... .................... ...... Krim-Sekt für die frischen Wunden .. .. .. .................... ............. "König der Westfalenhalle" .................................. .................. Der VfL macht das WM-Desaster vergessen Abschied von der Nationalmannschaft ...... ................ ............ Der zweite Doppelschlag ...................................................... . Vierter und letzter EC-Triumph .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. . Absolute Weltklasse ... .. .. .. .. .. .. .. .. ....... .. .. .. ... .. .. .. ....... .. .. ..... .. ... .

209 215 216 224 227 230 234 23 7 239 242 245

248 250 253 255 258 262 266 268 270 274 277 278 284 287 7


IX:

X:

Ohne Niederlage durch die Saison ............... .......... .............. .

291

Der sechste Streich ..... ............... .............. .. ............................ .

294

Zum siebten und letzten Mal deutscher Meister

298

Abschied im Zorn

Spielertrainer .. ....... .. .. .. ..... .... .. .. .. .. .. .... .. .. .... .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. ..

303

Vom Handball zum Tennis .....................................................

310

Der Sohn tritt aus dem Schatten des Vaters .. .......... .. .. .. .. ...... ..

317

Sportinvalide ............. .. .. .. .......................................................

323

Anhang:

Die besten Bundesliga-Torschützen 1966-1976 ... ..................

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Alle VfL-Spiele zu Hansi Schmidts Zeiten ... ...... ...................

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Hansi Schmidts Endspiele um die deutsche Meisterschaft ....

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Hansi Schmidts Endspiele um den Europa-Pokal der Landesmeister ..................................................................

346

Literatur-Verzeichnis ..... ...... ............... .. .... ...........................................

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Quellennachweis .. ....... .. .. ..... .... .. .. ...... ................. .. .. ........ .... .. ...... .. .......

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Zum Geleit Man muss nicht in Gummersbach geboren sein, und man muss auch nicht von Kind aufHandbaU gespielt haben- Hansi Schmidt ist ein Begriff. Der hoch aufgeschossene, kräftige, ideenreiche und strategische Handballspieler hat viel zur Popularisierung des Hallenhandballs in Deutschland und darüber hinaus beigetragen. Er gehört für mich zu den großen Figuren des deutschen Sports. Hansi Schmidt wurde in Rumänien geboren. Er gehört zur großen Gruppe der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben, die über Jahrhunderte in Rumänien eine Heimat gefunden hatten und deren Wunsch es in der Zeit der kommunistischen Ceausescu-Diktatur war, in Freiheit und Demokratie leben zu können, selbst um den Preis der Aufgabe der Heimat. Als Innen- und als Außenminister war ich mit dem Schicksal der beiden deutschen Volksgruppen befasst. Das Interesse für sie gab es auch vorher schon, weil eine langjährige freundschaftliche Verbindung zu einer siebenbürgen-deutschen Familie in Kronstadt bestand. Unvergesslich für mich ist ein Handballspiel in der Westfalenhalle in Dortmund, wo Deutsche und Rumänen sich gegenüberstanden. Hansi Schmidt kam in die Loge zusammen mit dem damaligen rumänischen Botschafter, der dem Spiel zuschauen wollte. Hansi Schmidt sagte dem Botschafter ohne jeden Umschweif, mit großem Ernst, aber keinesfalls provozierend, seine Meinung über das kommunistische Regime in Rumänien. Seitdem gelten mein Respekt und meine Verbundenheit nicht nur dem großen Sportler Hansi Schmidt, sondern auch dem Bürger und Demokraten, der die Freiheit liebt und der von der Freiheit des Wortes Gebrauch zu machen weiß.

Hans-Dietrich Genscher 9


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Vorwort Hansi Schmidt hat Sportgeschichte geschrieben. Und Geschichte schreibend ist er zur Legende geworden. Für viele ist der Erfinder des verzögerten Sprungwurfs ein Idol, für andere wieder ein rotes Tuch. Doch wie immer man zu diesem Ausnahmesportler stehen mag, an einem kommt man nicht vorbei: Mit seinem Namen ist der steile Aufstieg einer Provinzmannschaft zum weltbesten Hallenhandballteam verbunden. Der VfL Gummersbach ist mit zwölf gewonnenen Titeln deutscher Rekordmeister. Auf Platz zwei folgt THW Kiel mit elf gewonnen Meisterschaften vor Frisch Auf Göppingen mit neun. Zu sieben der zwölf VfL-Erfolge in der Bundesliga hat Hansi Schmidt als Torschütze vom Dienst und Spielmacher entscheidend beigetragen. Für den Gewinn dieser sieben Titel brauchte er elf Anläufe. Zehnmal hat er im Finale um die deutsche Meisterschaft gestanden. Zu den sieben deutschen Meistertiteln kommen drei Vizemeistertitel hinzu. Als sich Hansi nach dem 12:11-Sieg über Grün-Weiß Dankersen im Endspiel um die deutsche Meisterschaft am 16. Mai 1976 als Titelträger aus dem Handballoberhaus verabschiedet, sagt der junge Jimmy Waltke: "Wenn du aufhörst, werden wir im nächsten Jahr Meister." Und tatsächlich: Der deutsche Meister 1977 heißt Dankersen. Den darauffolgenden Titel eines deutschen Meisters wird der VfL erst 1982 gewinnen. Hansi hinterlässt eine Lücke, die nicht nahtlos geschlossen werden kann. Sein wahrer Nachfolger ist seiner Einschätzung nach Erhard Wunderlich. Diejenigen, die ihn beim VfL hinausdrängen wollen, aber in seinem Schatten von 1973 bis 1976 vier Meistertitel in Folge gewonnen haben, können ihn nicht vollwertig ersetzen. Die Bilanz nach Hansi spricht eine eindeutige Sprache. Von 1967 bis 1971 wird Hansi fünfmal hintereinander Bundesliga-Torschützenkönig. Fünfmal steht Gummersbach in der Liste der Gewinner des Europapokals der Landesmeister. Bei vier Erfolgen ist Hansi Schmidt dabei. In einem EC-Endspiel unterliegt Hansi Schmidt mit dem VfL. Noch höher als den Europapokalsieg mit dem VfL schätzt er den Gewinn des Pokals der Armeeklubs der sozialistischen Länder mit Steaua Bukarest 1963 ein. Gegner der Bukarester Mannschaft in diesem in der rumänischen Hauptstadt ausgetragenen Hallenturnier sind unter anderen Dukla Prag, ZSKA Moskau und Honved Budapest. Das Finale gewinnt Steaua gegen die starke Truppe aus Prag. In diesen Mannschaften war die Weltelite des Handballs versammelt. Die Spiele mit dem VfL in der ausverkauften Westfalenhalle in Dortmund vor fast 15 000 Zuschauern sind manchem alten Handballliebhaber noch in guter 11


Erinnerung. Es sind Erfolge, die für sich sprechen. Hansis Leistungen haben ihn zu einem der erfolgreichsten deutschen Sportler werden lassen. Er hat im Handball das geleistet, wozu ein Beckenbauer im Fußball fähig war. Hansi Schmidt, der als 21-Jähriger den Bukarester Armeesportklub verlässt, wo er als Spitzensportler verhätschelt wird, geht ab Herbst 1963 seinen eigenen Weg, der teilweise recht steinig ist. Der Banater Schwabe bleibt in Deutschland, der Sport erleichtert es ihm, Fuß zu fassen, er beißt sich durch. Aus dem Flüchtling wird ein Superstar, dem die Handballwelt und die Handballanhänger zu Füßen liegen. Der Erfinder des verzögerten Sprungwurfs ist mehr als ein Jahrzehnt lang der Schütze vom Dienst beim VfL und in der deutschen Nationalmannschaft. Er gehört zusammen mit dem Rückraumspieler Hans Moser, dem Torsteher Michael Red!, dem Flügelflitzer Josef Jakob und dem Kreisläufer Werner Stöckl, die alle zu Weltmeisterehren gekommen sind, zum Besten, was der Banater und der rumänische Hallenhandball hervorgebracht hat. Für den ehemaligen Bundestrainer Vlado Stenze! sind Hansi Schmidt und Hans Moser die weltbesten Hallenhandballspieler der 60er und 70er Jahre. Zu ihnen gesellt sich ferner der aus Siebenbürgen stammende Rückraumspieler Roland Gunnesch, der als Handballer in Hansi Schmidts und Hans Mosers Heimat, dem Banat, groß geworden ist. Hansi Schmidt erlebt im Unterschied zu diesen Weltklasseleuten seine große Zeit in Deutschland. Er ist nicht nur der Superstar der 60er und 70er Jahre, sondern auch ein Unbequemer, der seine Meinung sagt und sich mit Trainern und Funktionären anlegt. Der inzwischen zur Legende gewordene Weltklassespieler hat seinen Wert gekannt und auch das eine oder andere Mal seinen Willen durchgesetzt. Deshalb ist er auch noch heute für manch einen eine Reizfigur. Dass sich andere seinem Spiel anpassen mussten, liegt auf der Hand. Das wäre auch in Bukarest nicht anders gewesen. Manche behaupten, sie hätten für ihn spielen müssen. Hansi Schmidt war nicht nur Schütze vom Dienst, sondern hat auch das Spiel des VfL gemacht, wovon andere Spieler wieder profitiert haben. Hansi Schmidt ist im Besitz einer Autogrammkarte seines ehemaligen Mannschaftskollegen Gheorghe Gruia von Steaua Bukarest. Der Halbrechte, der mit Rumänien Weltmeister und mit seinem Klub Buropapokal-Sieger geworden ist, schreibt darauf in typisch südländischer Art: "Damit Du es weißt. Sie hätten Dich gebraucht. Ich küsse Dich." Diese beiden Klasseleute hätte der Präsident des Rumänischen Handball-Verbandes, Johnny KunstGhermanescu, gerne über das Jahr 1963 hinaus in der Mannschaft des Buka12


rester Armeesportklubs Steaua spielen sehen. Mit Hansi und Gruia wäre diese fast unschlagbar gewesen. Doch weil es anders kommt, ist aus BuropapokalSpielen einmal der eine, das andere Mal der zweite als Sieger vom Platz gegangen. Und deshalb hat keiner Hansis Flucht mehr bereut als Kunst. Am Rande eines Interviews im Sommer 1974, gefuhrt vom Autor dieser Zeilen, sagt Kunst: "Wenn dieser Schmidt nicht durchgebrannt wäre, hätten wir die Weltmeisterschaft 1967 in Schweden nie verloren." Die Flucht 1963 verzeiht Johnny Kunst seinem Schüler nie. Der Gummersbacher Handball-Obmann Eugen Haas, Hansi Schmidt und seine Mannschaftskollegen stellen mit Unterstützung von Sponsoren und vielen Helfern, getragen von einer treuen Anhängerschaft, eine einmalige Erfolgsserie auf. Sie machen Gummersbach über die Grenzen Europas hinaus bekannt, der VfL wird bester Werbeträger der Stadt. Es ist reine Spekulation, zu behaupten, derVfL Gummersbach wäre auch ohne Hansi Schmidt in die Weltklasse vorgestoßen. Tatsache ist, dass der VfL mit Hansi Schmidt in der Handballwelt und ein wenig darüber hinaus bekannt geworden ist. Das untermauert auch Johnny Kunst, wenn er 1978 als Präsident der Trainer- und Methodikkommission der Internationalen Handball-Föderation in einem Grußwort zu Hans Werheids Band "VfL Gummersbach. Eine Spitzenmannschaft des Welthandballs" schreibt: "Der internationale Handball kann von dem Namen VfL Gummersbach nicht getrennt werden ... Der deutsche Handball hat von der Existenz des VfL Gummersbach viel Nutzen gezogen. Der europäische Handball wäre nicht so fortgeschritten, hätte es keinen VfL Gummersbach gegeben." Johnny Kunst weiter: "Die internationalen Erfolge dieser Mannschaft können nicht vom NamenEugen Haas getrennt werden ... " Seinen ehemaligen Schüler Hansi Schmidt erwähnt er allerdings nicht. Das darfund will er auch nicht. Hansi Schmidt hat ihm mit seiner Flucht geschadet, aber dem VfL zu Ruhm verholfen. Von diesem Ruhm, aber auch von Niederlagen eines Superstars handelt die vorliegende Biographie. Sie will dem Leser vor Augen fuhren, welchen Preis ein Spitzensportler fur den Erfolg zahlen muss, was er nach gewonnenem Abstand denkt, wie seine Familie empfindet. Aber das Buch ist nicht nur die Geschichte des Hansi Schmidt und seiner Familie. Es ist ein guter Teil der Gummersbacher Handball-Geschichte. Aber es ist auch ein Teil europäischer und deutscher Geschichte. Sie beginnt mit der Niederlage der Türken 1683 vor Wien, ihrem Rückzug bis Belgrad, der Besiedlung der zurückeroberten Gebiete mit deutschen Siedlern. Es handelt von ihrem Kommen und Gehen, ihren Leiden, ihrer Flucht aus der Unfreiheit, ihrer Suche nach Geborgenheit in einer neuen Heimat. Hansi Schmidt ist Teil 13


dieser Geschichte. Seine Geschichte ist in diese deutsch-habsburgisch-europäische Geschichte eingebettet. Heute sagt Hansi Schmidt: "Ich habe stets gerne Handball gespielt, doch ein begeisterter Zuschauer ist aus mir nicht geworden. Niemandem habe ich je geraten, Handballer zu werden, auch meinen Söhnen nicht, weil der Handball eine verletzungsträchtige Sportart ist." Er selbst würde es noch einmal so oder ähnlich machen, an seiner sportlichen Vergangenheit wollte er nichts ändern. Für ihn war der Handball der Weg in die Freiheit. Hansi Schmidt hat im Sport etwas bewegt, hat es genossen, bekannt zu sein, er hat Akzente gesetzt. Für den absoluten Weltklassemann war stets wichtig, was auf dem Spielfeld geschieht, er wollte stets mannschaftsdienlich spielen. "Mit meiner Laufbahn bin ich sehr zufrieden." Wer es im Sport weit bringen will, muss auf einiges verzichten, sagt Hansi heute. Jahrzehnte lang war Hansi Schmidt auf der Suche nach einerneuen Heimat. Heute hat er sie gefunden im Lande der Grafen von Berg. Johann Steiner August 2005

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Kindheit und Jugend

Sonne über Marienfeld Es war ein wunderschöner Herbsttag, der 24. September 1942. Viktoria Junker erinnert sich noch genau. Über dem Südosten der Pannonischen Tiefebene steht die Sonne. Ihre Strahlen wärmen die Banater Heide aber nochgenauso gut wie im Spätsommer. Rund um Marienfeld ernten die Bauern den ersten Mais und die ersten Zuckerrüben. Der Hanfund die Kartoffeln sind eingebracht. Mit der Weinlese warten sie noch ein wenig. Die Trauben sollen noch etwas reifen. Doch in diesem Herbst sind weniger Männer als in den Vorjahren zu sehen auf den Feldern hart an der serbischen Grenze. Noch weniger als im Herbst 1941. Seit am Sonntag, dem 22. Juni 1941, um 5.30 Uhr Joseph Goebbels' Stimme aus den Lautsprechern erklungen ist, steht Rumänien an der Seite Deutschlands an der Ostfront im Krieg gegen die Sowjetunion. Mehr als ein Jahr kämpft die rumänische Armee nun schon in den Weiten Russlands, auch Dr. Hans Schmidt ist seit Anfang 1942 als Offizier in der Nachhut dabei. Seine Truppe liegt vor Odessa. Im Haus Nummer 741 in der Hintergasse in Marienfeld hat sich ein freudiges Ereignis angekündigt: Rosa, die Frau des Arztes Hans Schmidt, erwartet ihr zweites Kind. Es hat sich angesagt. Was es wohl wird, wieder ein Mädchen? Im vergangeneo Jahr, am 16. August 1941, hat sich das Ehepaar schon einmal gefreut, über Helga, sein erstes Kind. Damals war Dr. Hans Schmidt noch zu Hause. Kurz nachdem die Wehen eingesetzt haben, eilt Viktoria Junker, die Cousine Rosa Schmidts, in die Hintergasse, wo der Dorfarzt Peter Zimmer (1886-1958) schon anwesend ist. Der 24. September 1942 wird im Hause Schmidt ein langer Tag. Rosa muss sich gedulden. Zur Seite steht ihr lediglich ihre Cousine Viktoria Junker (geboren am 17. April 1920). Die Geburt ist nicht lustig, so Helga Pries, die ein Jahr ältere Schwester. Sie weiß es von der Mutter. Erst um 23.30 Uhr ist der Stammhalter Hans-Günther da, den alle Hansi rufen werden. Mit Verspätung ist er gekommen. Verspätung soll noch so etwas wie ein Markenzeichen des Neugeborenen werden. Fünf bis zehn Minuten werden Hansi Schmidt ein ganzes Leben lang zur Pünktlichkeit fehlen. Hansi ist schon als Neugeborener ein Mordskerl. Neun Pfund schwer ist er und schon größer, als Neugeborene üblicherweise sind. In den ersten Wochen und Monaten hat Mutter Rosa Mühe, den Jungen satt zu kriegen, erinnert sich Viktoria Junker, die heute in Oberreichenbach zu Hause ist. Bis jemand auf die Idee gekommen ist, den Hungrigen mit Maisbrei zu füttern. Als Baby ist Hansis Körper sehr behaart. Mutter Rosa deckt ihn stets gut zu, damit das nicht auffällt. 15


In der Hintergasse 741 ist es wie so oft gekommen: Die Alten müssen den Jungen den Platz räumen. Erst vor einem guten Monat hat die Familie im benachbarten Lenauheim, dem Geburtsort des großen Österreichischen Dichters Nikolaus Lenau ( 1802-1850), seinen am 4. August gestorbenen Großvater Johann Schmidt zu Grabe getragen. Am 14. Februar 1943 wird ihm seine Frau Elisabeth geborene Wilhelm in die Ewigkeit folgen. Ein Jahr vorher, am 15. September 1941, ist Großvater Ernest Günther gestorben. Die in der Banater Hauptstadt erscheinende gleichgeschaltete "Südostdeutsche Tageszeitung", die kurz vorher die fast hundert Jahre alte liberale "Temesvarer Zeitung" abgelöst hat, macht an diesem 24. September die Titelseite auf mit dem Bericht "Angriffe im Kaukasus-Gebiet fortgesetzt". In der Unterzeile heißt es: "Trotz hartnäckiger Gegenwehr weiterer Raumgewinn im Zentrum von Stalingrad". Der Leser erfährt in "Kameradschaft der Waffen und Spaten" vom Besuch des Reichsarbeitsftihrers Konstantin Hier! (18751955) in Bukarest. Aus Amsterdam kommt die Nachricht, der gewesene Ministerpräsident der Südafrikanischen Union, General Herzog, sei operiert worden, US-Präsident Franklin Delano Roosevelt habe schon 10 000 Deutsche und Italiener verhaften lassen. In dem von Unruhen geplagten Indien verhaften die Briten Mahatma Gandhi (18691948) und Jawaharlal Nehru (18891964), in Kairo aber setzen sie König Faruk ( 1920-1965) und seine Regierung fest, weil sie den Königs- und Regie16

Hansis Großeltern: Katharina und Ernest Günther. ..

... und Elisabeth und Johann Schmidt


rungssitz aus Ägypten in den Sudan verlegen wollten, heißt es in weiteren Meldungen. Professor Ferdinand Sauerbruch ( 1875-1951) ist als bekannter Arzt nach Ankara berufen worden, um den türkischen Außenminister Menemencoglu zu openeren. In der Rubrik "Vom Tage" heißt es, das Bukarester Zentralzensuramt habe die Sportzeitung "Gazeta Sporturilor" mit einem siebentägigen Erscheinungsverbot belegt, "weil das Blatt die Sportgesetze nicht achtet und weil etliche Redakteure des Blattes weder den Wert des Sportes noch die Regeln der Höflichkeit im internationalen Sportverkehr kennen". In der Nähe der Spiritusfabrik in derTemesvarer Josefstadt wird die Leiche eines Mannes aus dem Bega-Kanal geborgen. Der Krieg hat schon nach gut einem Jahr Auswirkungen auf den rumänischen Binnenmarkt: Das Staatssekretariat für Industrie und Handel fordert alle auf, Papier zu sparen. Eingaben an Ämter sollten "in gedrängter Kürze verfasst, in engen, die ganze Breite des Papiers ausfüllenden Reihen und auf halbem Bogen geschrieben werden". Auf Seite sieben ist ein langer Zweispalter überschrieben: "Tabakwaren von heute an teurer. Die Preise durchschnittlich um 23 v. H. erhöht". An der Front sollen die Häute verendeter Tiere gesammelt werden, weil die Armee mehr Leder braucht. Im Thalia-Kino in Temesvar wird der Film "Hitlerjunge Quex" mit Heinrich George gezeigt. Das Capitol-Kino hat "das äußerst gelungene" Lustspiel "Der Florentiner Hut" mit Heinz Rühmann und Herti Kirchner auf dem Programm stehen. In Marienfeld muss sich die glückliche Mutter Rosa mit derTaufe des kräftigen, gesunden Jungen Zeit lassen. Die Ernte hat Vorrang. Hansis Vater ist seit Anfang 1942 im Krieg. Ende November ist schließlich alles eingebracht. Der Most in dem riesigen Weinkeller, den Opa Ernest Günther gebaut hat, ist in voller Gärung. Der Vater bekommt Heimaturlaub. Jetzt ist Zeit für ein kleines Fest. Danach muss Dr. Schmidt zurück in den Krieg nach Russland. Am 22 . November 1942 tauft Pfarrer Josef Springer ( 1885-1948) den Jungen in der der JungfrauMariageweihten Marienfelder Kirche. Der 22. November wird so etwas wie ein Schicksalstag in Hansis Leben. 21 Jahre später fällt nach dem Attentat auf den amerikanischen Präsidenten

Die Kirche in Marienfeld

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John F. Kennedy (1917-1963), nach einigem Hin und Her, die Entscheidung der Behörden in Bukarest, dass die rumänische Studentenmannschaft mit Hansi trotz der Ereignisse von Dallas nach Deutschland fliegen darf. Doch zurück zum Tag der Taufe: Taufpaten sind Dr. Josef "Sepp" Schmidt ( 19131970), der Bruder des Vaters und Viktoria Junker geborene Müller, die Cousine der Mutter. Den Weg zur Kirche legen Paten und Eltern zu Fuß zurück. So will es die Tradition in den Barrater Dörfern. Die Patin muss das Kind tragen, während der Messe in den Armen halten und danach wieder nach Hause bringen. Bei dem kräftigen, zwei Monate alten Hansi nicht leicht. Nach der Taufe legt Viktoria Junker den Täufling ins Bett und sagt ihrer Cousine Rosa: Wenn du noch ein weiteres Kind bekommen solltest, musst du dir eine andere Patin suchen. Das wird mir zu viel. Denn schon im Vorjahr hatte sie Mühe mit Helga, Hansis Schwester, die sie ebenfalls als Patin zur Taufe in die Kirche getragen hat. Auch sie war ein gut entwickeltes Kind. In der Taufurkunde trägt der Pfarrer die Namen Johann Günther Schmidt ein. Im Laufe der Jahre wird noch so mancher Beamter die Vornamen des Täuflings verbiegen oder rumänisieren. In Hansi Schmidts Abiturzeugnis steht Ioan Günther, in einer anderen Unterlage ist Ion Günther zu finden. Sowohl Ion als auch Ioan stehen im Rumänischen für Johann. In seinem letzten Reisepass, den ihm die rumänischen Behörden ausgestellt haben, steht Hans Gurrther Schmidt. Der Vorname Hans ist in der Familie Tradition. Großvater Johann Schmidt ist so gerufen worden, und Vater Schmidt heißt so. Günther kommt als zweiter Vorname hinzu, weil so auch der Mädchenname der Mutter fortlebt. Die Taufe ist noch nicht vergessen, da muss Dr. Hans Schmidt schon wieder zurück nach Russland. Hansis Großvater, der Vater der Brüder Hans und Sepp Schmidt, wird am 16. Mai 1884 in Tschatad geboren, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu ÖsterreichUngarn gehört und 1920 zu Ehren des Dichters Nikolaus Lenau in Lenauheim umbenannt wird. Der Metzgermeister Johann Schmidt und seine Frau Elisabeth geborene Wilhelm, die im ebenfalls in der Barrater Heide gelegenen Klein-Jetscha zur Welt kommt, bringen es zu beachtlichem Wohlstand. Sie mästen jährlich an die 1500 Schweine. Was nicht in der eigenen Fleischerei verarbeitet werden kann, wird verkauft. Die Lieferungen gehen bis nach Wien. Elisabeth und Johann Schmidt können es sich leisten, ihre Söhne in Österreich studieren zu lassen: Hans Medizin, Sepp Tiermedizin. Johann Schmidt ist der Jüngste von sieben Geschwistern, und zwar der Sohn des ebenfalls Johann Schmidt heißenden Urgroßvaters Hansis. Er ist ein groß gewachsener, kräftiger Mann. Hansi meint, das Sporttalent habe er vom Großvater geerbt. Als Angehöriger der Gothia, einer schlagenden Verbindung in Graz, ist Hansis Vater ein guter Fechter, Onkel Sepp aber ist ein guter Fußballer. Doch noch kräftiger als Opa Schmidt ist Hansis Großonkel Joschi, der Bruder seines Urgroßvaters, ein Zwei-Meter-Mann, der keine Nachkommen hat. Groß18


onkel Joschi bricht sein Medizinstudium ab und kehrt aus dem Ersten Weltkrieg als österreichischer Reserveoffizier heim. Über ihn berichtet der Lenauheimer Schriftsteller Hans Wolfram Hock!: Joschi ist "ein junger Mann, der an Körpergröße und Kraft alle Männer überragte. Dass er zwei Meter maß, davon konnte sichjeder überzeugen, der unter seinen Schultern vorbeiging, und was flir Riesenkräfte er hatte, davon ging die Sage. Aus reichem Hause, hatte er die älteste Tochter unseres Nachbarn gegenüber geheiratet, und es hieß, er sei imstande, sie auf einer ausgestreckten Hand in der Luft zu halten. Andere wussten zu berichten, er habe einmal zwei rumänischen Grenzjägern übel mitgespielt." Joschi besitzt einen der wenigen Meierhöfe in der Nähe der Grenze. Eines Tages gerät er mit zwei Grenzjägern in Streit. Joschi soll die beiden Soldaten ein bisschen gebeutelt, an Füßen gebunden und kopfunter in den Brunnen gehängt haben. Diese Selbstjustiz muss Joschi teuer bezahlen. Geld soll ihm aber wenig bedeutet haben. Hock! erlebt, wie Joschi Schmidt sein vor Angst zitterndes Pferd antreibt, über den Zaun in den Park zu springen, wo die Statue des Dichters Nikolaus Lenau steht. "Er ritt ohne Sattel, die Füße hingen ihm bis auf die Erde herunter." Als die Serben nach dem Ersten Weltkrieg das Banat und damit auch Lenauheim besetzen, tauchen bei Joschi Schmidt Soldaten auf, um ihm seine Pistole wegzunehmen. Doch in Joschi Schmidt haben sie sich den Richtigen ausgesucht. Sie bekommen seine Fäuste zu spüren und suchen das Weite. Wie Hock! berichtet, hat Joschi an guten Tagen auch fUnfLiter Wein trinken können.

Lothringer Wurzeln Die Vorfahren der Lenauheimer Schrnidts stammen aus Lothringen. Zu den Neusiedlern, die sich 1767 im neu gegründeten Tschatad niederlassen, gehört auch Christian Schrnidt aus dem Iothringischen Wirmingen, das zum Kreis ChateauSalins und dem Kanton Albesdorf gehört. Er ist Hansis Ururururgroßvater. Einen im Dezember 1777 schon in der neuen Heimat geborenen Sohn wird er ebenfalls Christian taufen. Christi an, der erste im Banat geborene Schmidt aus Hansis Ahnenreihe, stirbt am 30. Juli 1853. Sein SohnAndreas, geboren am 12. März 1809, ist Hansis Ururgroßvater. Andreas, der am 10. Januar 1881 stirbt, hat einen Sohn namens Johann, Hansis Urgroßvater, geboren am 6. Mai 1844. Dieser hat sieben Kinder, sechs Töchter und einen Sohn, den er auch auf den Namen Johann tauft. Wirmingen liegt inmitten einer Landschaft, die als Salz land, französisch Saulnois, bekannt ist. Der Name stammt aus der Antike. Wirmingen liegt am Fluss Seille, sein Reichtum sind das Salz und der fruchtbare Boden. Alle Wasserläufe, die das Tal durchziehen, sind salzhaltig. Weil das Salz nahe an der Oberfläche liegt, ist es leicht zu fOrdern. Die Salzforderung ist im Mittelalter Privileg des Bischofs von Metz. Um das Salz zu gewinnen, werden Brunnen gegraben, aus denen das Salz19


wassermit Eimern geschöpft wird. Durch Erhitzen des Wasser werden Salzbriketts gewonnen, die auf der Seille nach Metz geschifft und auf dem Markt verkauft werden. In Wirruingen gibt es eine als Salicorne bekannte Kräuterpflanze, die sonst nirgendwo gedeiht. Die meisten Siedler Tschatads sind Trierer, Luxemburger, Lothringer, Saarländer und Pfälzer. Der Großteil fahrt von Ulm aus mit als Ulmer Schachteln bekannten Schiffen die Donau abwärts bis Titel. Dort steigen sie um auf Schleppschiffe und setzen die Fahrt auf derTheiß und der Marosch oder mit Fuhrwerken fort. Ein Teil der zukünftigen Tschatader kommt schon Ende 1766 im Banat an. Weil die Häuser aber noch nicht fertig sind, werden sie in schon vorher angelegten Nachbardörfern untergebracht. Die meisten Siedler verlassen jedoch erst im Februar 1967 ihre Heimat. Die ersten von ihnen kommen am 15 . April 1767 in Tschatad an. Doch noch immer sind nur wenige Häuser gebaut. Nach einem Gottesdienst ohne Seelsorger macht der erste Bürgermeister, Mathias Pieher (Bücher) aus Lothringen, den ersten Spatenstich. Die Kolonisten beginnen zu bauen. Im Frühjahr 1767 werden unter Anleitung des Landes-Administrationsrates Johann Wilhelm (Edler) von Bildebrand ( 1709-1773) errichtet: ein Pfarrhaus, ein Schulhaus, 202 Wohnhäuser ftir eben so viele Kolonistenfamilien und ein Gasthaus mit Schuppen und Lagerräumen. Alle deutschen Dorfneugründungen im Banat sind Straßendörfer. Diese geplanten Dörfer sind fast ausschließlich schachbrettformig angelegt, sie haben gerade, parallel verlaufende Straßen, die von Querstraßen senkrecht geschnitten werden. Die gleich- langen Längs- und Querstraßen ergeben quadratische Viertel. Und diese Viertel reihen sich zur Schachbrettform aneinander. Mit Ausnahme von älteren, enger gebauten Siedlungen erreichen die Straßen eine Breite von 40 Metern und sind beidseitig von Maulbeer- oder Akazienbäumen gesäumt. Die Schachbrettform ist das Ergebnis der von rationalen Erwägungen geleiteten planvollen Ingenieurkolonisation des 18. Jahrhunderts, die Dörfer auf dem Reißbrett entworfen hat. Sie erweist sich als eine im Verlauf der Südostkolonisation allmählich entwickelte konstruktive Fortbildung des in Westungarn vorherrschenden Straßendorfes zum Großdorf. Nach damaligen Vorstellungen ist es die geeigneteste Form zur Erschließung der Ebenen des südungarischen Ansiedlungsgebietes. Auch Tschatad ist ein Reißbrettdorf mit einer Hauptgasse, die von ftinf Straßen senkrecht geschnitten wird. Das Dorf ist rechteckig angelegt. Ende 1767 hat Tschatad 870 Einwohner. In dem fast ausschließlich deutschen Dorf sind 1869 rund 3100 Einwohner und 1910 etwa 2600 zu Hause. Zwei Jahrzehnte später leben in dem 1920 in Lenauheim um benannten Dorf neben 2500 Deutschen 43 Rumänen. Heute können die Deutschen in dem Geburtsort Lenaus an den Fingern einer Hand abgezählt werden.

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In Marienfeld, dem Geburtsort Hansi Schmidts, ist es nicht viel anders. Auch Marienfeld wird als rechteckiges Dorf geplant und gebaut. Zum Unterschied von Lenauheim hat es einen freien Platz und einen Dorfanger mit Kirche, pfarrhaus und Schule. Er ist entstanden durch Aussparen des mittleren Blocks des Straßenschachbretts. Später verliert das Dorfjedoch seine rechteckige Form, weil im Westen und Nordwesten weitere Straßen hinzukommen. Hansis Großvater mütterlicherseits, Ernest Günther, erblickt das Licht der Welt am 4. September 1893 in Marienfeld, seine Frau Katharina geborene Knab wird am 18. Februar 1900 ebenfalls in dem Heidedorf geboren. Ernest Günther gehört zu den reichsten Landwirten in dem Winzerdorf Er und seine Frau sind Das Geburtshaus in der Hintergasse Eigentümer von 50 Hektar sehr ertragreichem Boden, etwas mehr als die Hälfte mit Weinreben bepflanzt. Er keltert wie die meisten Marienfelder Weißwein, der in ganz Europa wegen seiner Neutralität als Verschnitt gesucht ist. Kein Winzer im Dorfhat einen größeren Weinkeller als Ernest Günther: Seine Fässer reichen aus, um 14 Waggon Wein (ein Waggon sind 10 000 Liter) zu lagern. Einen ebenso großen hat lediglich Irene Hinterseer. Marienfeld ist die stärkste Weinbaugemeinde des Banats. Sie produziert vor dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr rund 200000 Hektoliter (20 Millionen Liter) Wein. Von den Großeltern lernt Hansi Schmidt lediglich Oma Katharina kennen. Sie wird in der frühen Kindheit eine seiner wichtigsten Bezugspersonen sein. 1951 werden die Kommunisten sie in die Donautiefebene, unweit des Schwarzen Meeres, verbannen. Mit ihr werden Hansis 81-jähriger Urgroßvater Hans Günther und Onkel Friede I Günther verschleppt. Der Urgroßvater wird in der unwirtlichen Steppe im Winter erfrieren. Es sind die ersten schmerzlichen Erfahrungen des neunjährigen Hansi mit dem neuen Regime. All das wird er nie vergessen, und es wird ihn veranlassen, jenem Land ftir immer den Rücken zu kehren. Doch zurück zur Geschichte: Marienfeld und Lenauheim, das frühere Tschatad, liegen im Banat. Es ist das 28 523 Quadratkilometer große Gebiet zwischen mitt21


lerer Donau im Süden, unterer Theiß im Westen, Marosch und Kreisch im Norden und den Ausläufern der Südkarpaten im Osten. Diesen Landstrich schlagen die Magyaren in der ersten Hälfte des 11 . Jahrhunderts dem Königreich Ungarn zu. Mit der Niederlage der Ungarn 1526 bei Mohacs (lies Mohatsch) zerfällt das Reich König Stephans des Heiligen. Das Banat gehört seit 1552, seit dem Fall Temesvars, wie der größte Teil Ungarns dem Osmanischen Reich . Restungarn verlegt seine Hauptstadt nach Preßburg (Bratislava), heute die slowakische Hauptstadt. 1683 stoppen die Habsburger den Vormarsch der Türken nach Westen auf dem Kahlenberg vor Wien. Nach einer Reihe von weiteren Siegen erobern die Habsburger 1716 Temesvar, die Hauptstadt des Banats, und 1717 Belgrad. Der Friede von Karlowitz 1699 und der von Passarawitz 1718 regeln den Grenzverlauf im wesentlichen ftir die nächsten 150 Jahre: Ungarn, Siebenbürgen, das Banat und die Gebiete bis zur DonauSave-Linie gehören jetzt Österreich. Zwar lässt der Gebietszuwachs Österreich zur Großmacht aufsteigen, aber das türkische Erbe ist eine große Belastung. Die Habsburger übernehmen die Herrschaft in einem weitgehend entvölkerten Land. Die Einwohnerzahl Ungarns ist von 1500 bis 1720 von 4,5 auf etwa 2,5 Millionen gesunken. Aus dem verödeten, versandeten und versumpften Land kann Österreich nur dann Gewinn ziehen, wenn es den pannonischen Raum besiedelt, urbar macht und wirtschaftlich aufbaut. Erste Aufgabe: Das Land muss militärisch gesichert werden. Deshalb erweitern die Habsburger die seit dem 16. Jahrhundert bestehende Militärgrenze (aus demjüngsten Balkankrieg zwischen Serben und Kroaten auch in Westeuropa als Krajna zu Deutsch Grenzland - bekannt). Als Grenzer siedeln sie hauptsächlich Serben und Kroaten aus den türkisch besetzen Gebieten an, die dem Wiener Hotkriegsrat direkt unterstellt werden. Die militärische Führung und die Verwaltung sind mit Beamten deutscher Herkunft besetzt. Als Ergänzung zur Militärgrenze entsteht ein Netz befestigter Städte als Verteidigungsstützpunkte. Holländische Ingenieure bauen Kanäle und legen die Sümpfe trocken. Es ist die Zeit, als viele Menschen aus den deutschen Landen den Weg über den Atlantik nach Amerika wagen. Mitte des 18. Jahrhunderts bekommen die Amerika-Werber Konkurrenz. Ein Teil der Ausreisewilligen wird jetzt den Weg auf der Donau südostwärts einschlagen . Die Habsburger wiederbeleben verfallene und entvölkerte mittelalterliche Zentren wie Raab, Komorn, Gran, Erlau, Ofen (Buda), Pest, Fünfkirchen oder Großwardein. Nicht das nationale, sondern das merkantile Element steht im Vordergrund. Gebraucht werden Kaufleute und Handwerker. Mit dem fortschreitenden Wiederaufbau wandern Bürger vor allem aus den Österreichischen Erblanden ein, stammesmäßig dominiert das bayerisch-österreichische Element, standesgemäß die Handwerkerschaft Die kaiserlichen Behörden legen Wert darauf, die Stadt22


kerne innerhalb der Mauern als deutsche Gemeinwesen unter deutsch-österreichischen Magistraten zu beleben. Doch das Land muss auch rekultiviert werden. Viele adelige Grundbesitzer kehren nach dem Abzug der Türken auf ihre Besitzungen zurück, herrenloses Gebiet wird als kaiserliches Gut neu vergeben, häufig an bewehrte Heerführer der Türkenkriege. Zur Bewirtschaftung strömen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die in die Randgebiete Ungarns Geflüchteten zurück: Ungarn ins Theißtiefland, Slowaken und Ukrainer rücken nach Süden, Rumänen nach Westen, Kroaten und Serben nach Norden vor. Zuwandernde deutsche Bauern aus den Österreichischen Erbländern und Bayern bevölkern Teile des Bakonywaldes nördlich des Plattensees und des Ofener Berglandes. Doch diese spontane Wanderung reicht nicht aus, um Ungarns Menschenbedarf zu decken. Die privaten Grundherren müssen selbst für die Ansiedlung werben. Das kaiserliche Ansiedlungspatent verspricht günstige Grundstückspreise, Steuerfreiheit in den ersten Jahren, Mautfreiheit für den Import von Baumaterialien, Förderung von Handwerk und Industrie. In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts kommen die ersten privaten Kolonisten nach Ungarn und besiedeln vor allem die nördlichen Gebiete Binnenungarns, allen voran das Ofen er Bergland, nach dem Kuruzzenkrieg ( 1703-1711) die Schwäbische Türkei (Südungarn) und das Sathmarer Land (der heutige Nordwesten Rumäniens). Während zunächst das bayerisch-österreichische Element überwiegt, dominieren zuletzt die Schwaben, Franken und Lothringer. Die Bauern sind Erbpächter. Sie haben eine Abgabepflicht auf alle "Erdgewächse", sie müssen den neunten Teil der Ernte an Körnerfrüchten abgeben. Ferner müssen sie, abgestuft nach Feldgröße, Zug- oder Handfron leisten und den Zinsgulden (Steuer) auf das Haus entrichten. Die Herrschaft hat ferner Einkünfte aus der Verpachtung der Fleischbänke (Metzgereien), des Weinausschanks, der Mühlen und Läden. Der größte Grundbesitzer in Ungarn ist der Staat, der sich nach der Wiederherstellung geordneter Verhältnisse im Donauraum am großen Siedlungswerk beteiligt. Dreimal rufen die Habsburger zu umfassenden Ansiedlungsbewegungen auf: Sie werden nach den Kaisern Karl VI. (1685-1740, Thronbesteigung 1711 ), Maria Theresia ( 1717-1780, Thronbesteigung 1740) und Joseph II. (1741-1790, Thronbesteigung 1765) als karolinische, theresianische und josephinische bezeichnet. Ziele der Neusiedler sind bis 1779 das unter kaiserlicher Verwaltung stehende Banat und die Batschka. Kaiserliche Werber machen in den westlichen Österreichischen Erblanden und in benachbarten Gebieten - oft in Konkurrenz zu Preußen, Russland, Frankreich und Amerika - die Ansiedlungsbedingungen bekannt. Die Kolonisten müssen ihre persönliche Freiheit und den Besitz von mindestens 200 Gulden nachweisen. Sie haben häufig wesentlich mehr Geld. Es ist ein Hinweis darauf, dass nicht in erster Linie existentielle Not die Menschen zur Auswanderung treibt. In der Regel si23


chert ihnen die Österreichische Hofkammer zu: die kostenfreie Reise, ftinf (Maria Theresia) und zehn (Joseph li.) abgabenfreie Jahre sowie Haus, Hof, Acker und Wiese als kostenfreies Eigentum. In der karolinischen Ansiedlungsperiode ( 1722-1726) ziehen 15 000 Kolonisten vornehmlich aus Schwaben, Franken, Hessen und der Pfalz südostwärts. Im Banat lassen sich in geringer Zahl auch Spanier, Franzosen und Bulgaren nieder. In der frühtheresianischen Zeit ( 1749-1762) gerät die Ansiedlung wegen des Siebenjährigen Krieges ins Stocken. Bis 1771 erreicht sie in der hochtheresianischen Phase den Höhepunkt. Die Ansiedlung dauert mehr als 100 Jahre. Sie bedeutet ftir etwa 150000 deutsche Kolonisten eine neue Existenz, ftir Ungarn aber den Wiederaufbau des Städtewesens und die Rekultivierung des verödeten Landes. Das Banat und die Batschka sind die bevorzugten Zielregionen der staatlichen Kolonisation, sie nehmen hauptsächlich die Siedlerströme auf, die als die drei großen Schwabenzüge bekannt werden, so dass in diesen beiden Gebieten, die etwa Südungarn entsprechen, die Deutschen in der Folgezeit etwa die Zahl der Serben und Rumänen erreichen. Den Vorteilen des größeren und freien Besitzes sowie der gewonnenen Freiheit stehen ftir die Kolonisten ein verödetes Land, ein ungewohntes Klima, fremde Lebensverhältnisse und Seuchen (Sumpffieber, Pest und Cholera) als Nachteile gegenüber. Dazu kommt ein fast 100 Jahre dauernder ständiger Kleinkrieg mit den Türken, der nicht selten - vor allem im Banat - die Erfolge der Aufbauarbeit zunichte macht. Nicht alle Einwanderer sind den Widrigkeiten gewachsen. Nur die lebenskräftigsten, fortschrittlich denkenden und anpassungsfähigen Neubürger können sich behaupten. Diese Erfahrung ist in folgendem Kolonistenspruch überliefert: "Die ersten fanden den Tod, die zweiten die Not und die dritten erst das Brot". Nach dem Passarowitzer Frieden 1718 wird das Banat als kaiserliche Kron- und Kammerdomäne der Wiener Reichsregierung unterstellt. Die deutschen Freibauern im Banat bringen es als mustergültige Landwirte zu erheblichem Wohlstand. Nach der Revolution von 1848 entsteht das Kronland "Wojwodschaft Serbien und Ternescher Banat" mit deutscher Amtssprache, das unmittelbar der Reichsregierung unterstellt ist. Dazu gehören ferner die Batschka und Teile Syrmiens in Kroatien. Das künstliche politische Gebilde ist nicht lebensfähig und wird deshalb 1861 aufgelöst. Nach dem sogenannten Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn, durch den 1867 die beiden Länder gleichgestellt werden, wird das Banat erneut dem ungarischen Teil der Doppelmonarchie einverleibt. Alle Nationalitäten sind von nun an massiven staatlichen Magyarisierungsbestrebungen in Schule, Kirche, Verwaltung und in der Gesellschaft ausgesetzt. Um 1900 bildet sich ein nationales 24


Identitätsbewusstsein heraus, das 1905 zum politisch-organisatorischen Zusammenschluss der deutschen Bewegung in Ungarn führt. Die neu geschaffene staatliche Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg nimmt keine Rücksicht auf die Einheit der Siedlungsgebiete der zwei Millionen Deutschen Ungarns. Das Banat mit einer Fläche von 28 523 Quadratkilometern wird durch den Friedensvertrag von Trianon 1920 dreigeteilt: Der östliche Teil mit Temesvar fällt an Rumänien, der westliche Teil kommt zu Jugoslawien, und nur einige Dörfer südlich von Szegedin (Szeged) bleiben bei Ungarn. Mit der Zerschlagung Österreich-Ungarns werden die Heimatgebiete der Donauschwaben ohne Beachtung des von US-Präsident Woodrow Wilson ( 1856-1924) für die europäische Neuordnung proklamierten Selbstbestimmungsrechtes der Völker zerrissen. Als ein "Volk in drei Vaterländern" tun sich die zwei Millionen Deutschen Ungarns schwer, eine gemeinsame Identität zu finden . Sie müssen sich mit den neuen politischen Verhältnissen abfinden und in den jeweiligen Staaten ihre eigenen Wege gehen und unterschiedliche kulturelle, politische und wirtschaftliche Organisationen gründen. Die Banater Schwaben in Rumänien müssen sich neu orientieren. Sie schließen sich politisch 1919 mit den Siebenbürger Sachsen, Bukowinadeutschen, Sathmarschwaben und Dobrudschadeutschen im Verband der Deutschen in Rumänien und 1940 in der Deutschen Volksgruppe in Rumänien zusammen. Weil sie eine eigene handlungsfähige politische Organisation brauchen, gründen die Banater Schwaben die Deutsch-Schwäbische Volksgemeinschaft (1921 ), die hervorragende wirtschaftliche und kulturelle Leistungen in den beiden nächsten Jahrzehnten ermöglicht. Für Marienfeld, Hansi Schmidts Geburtsort, bedeutet das Ende des Ersten Weltkriegs anfangs viel Unsicherheit. Serbische Truppen besetzen das Banat, einschließlich der Hauptstadt Temesvar. Serbien beansprucht das Gebiet genauso für sich wie Rumänien. Doch in Trianon folgen die Siegermächte unter dem massiven Einfluss der Franzosen weder dem Wunsch der Rumänen noch dem der Serben: Das Banat wird geteilt. Die neue Grenze verläuft durch die Felder der Marienfelder Bauern. Manch einer ist von seinem Grund abgeschnitten. Die Bauern zahlen anfangs noch Steuern für Land, das inzwischen in Serbien liegt und das andere bestellen. Sie geben die Hoffnung nicht auf. Alles nützt nichts: Serbien enteignet sie schließlich. Doch schon vorher werden sie geschädigt. Als die Serben auf Beschluss der Siegermächte den Rumänien zugesagten Teil des Banats räumen müssen, leisten sie ganze Arbeit: Sie lassen alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Auch das Vieh treiben sie nach Serbien. Marienfeld bleibt nicht verschont. Der Gebietsgewinn bringt Rumänien eine Verdoppelung seines Staatsgebietes. Es erhält schon allein mit dem Banat ein Juwel: enorme natürliche Reichtümer und eine entwickelte Wirtschaft. Das Land verfügt jetzt über die "kleinen Krupp-Werke" 25


im Banater Bergland und die "kleine Kornkammer Europas" am Rande der Ungarischen Tiefebene. Städte und Dörfer sind verbunden mit einem dichten Eisenbahnnetz, angeschlossen ans mitteleuropäische Schienennetz. 1919 führt das Agrarland Rumänien Landwirtschaftserzeugnisse im Wert von 2,3 Millionen Lei (rumänische Währung) aus; 1920, nach dem Gebietszugewinnen, für 2,4 Milliarden Lei. Den Löwenanteil dieses enormen Zuwachses stellt das Banat. Hinzu kommt der gesamte Export der Banater Montanunion. Altrumänien besitzt vor dem Ersten Weltkrieg keine Exportindustrie.

Die Eltern Hansi Schmidts Vater erlebt diesen Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg schon bewusst. Er wird Zeuge des ungeahnten Aufschwungs der Wirtschaft und des Gemeinwesens der Deutschen im Banat, aber auch des Ruins nach dem Zweiten Weltkrieg. Hans Rosa Schmidt als junge Frau H ans sch mid t a1s Goth ianer Schmidt wird am 2. September 1909 in Tschatad (ungarisch Csatad), später Lenauheim, geboren. Von 1915 bis 1919 besucht er die deutsch-ungarische Volksschule in seinem Heimatort, von 1920 bis 1929 das deutsche Realgymnasium in Temesvar. Nach dem Abitur stellt sich Hans Schmidt zur Aufnahmeprüfung an der Medizinhochschule in Graz. Der Vater glänzt, kann zum Schluss aber eine Intelligenzfrage seines zukünftigen Professors - es ist der Österreichische Chemie-Nobelpreisträger von 1923, Professor Fritz Pregl (1869-1930)- nicht beantworten. Ein Leben lang wird ihn verfolgen, dass er nicht mit dem Prädikat "ausgezeichnet" an die Hochschule zugelassen wurde. Aus der Steiermark kehrt er 1935 mit dem erworbenen Doktortitel heim. Ab Juni 1935 besucht er Vorlesungen in Bukarest zur Vorbereitung auf die Prüfungen zur Gleichstellung des Österreichischen Diploms mit dem rumänischen. Die Prüfungen legt er im Herbst 1935 ab. Von Dezember 1935 bis Februar 1936 ist er vom rumänischen Militär zum Sanitätsdienst eingezogen. Im Spätsommer 1936 geht er nach Würzburg, wo er bis Februar 1938 an verschiedenen Kliniken praktiziert: darunter an der Frauenklinik bei Professor Gauß, an der Kinderklinik bei Professor Rietschel, ferner in der medizinischen

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Poliklinik. Im Februar 1938 ist Dr. Hans Schmidt wieder in Lenauheim, das er im Sommer in Richtung Graz verlässt, wo er bis zum Jahresende in der Zahnklinik praktiziert. Es sind die Vorkriegsjahre, in denen sich die politischen Verhältnisse im Dritten Reich bis ins entfernte Banat bemerkbar machen. Zunehmende nationale Spannungen begünstigten Anfang der 30er Jahre das Erstarken der nationalsozialistischen "Erneuerungsbewegung", mit deren gemäßigtem Teil die konservative Fraktion der Deutschen Volksgemeinschaft 1935 eine Koalition eingeht. Widerstand gegen diese Bewegung leistet vor allem die Kirche. Hansis Vater hält sich aus der Politik heraus. "Unser Vater war ein bescheidener Mensch, dem Großspurigkeit, auch in nationalen Fragen, zuwider waren", sagt Hansis Schwester Helga. Im Januar 1939 eröffnet er in Lenauheim, das 2800 Einwohner zählt, seine Arztpraxis. Sie ist im Geburtshaus des Dichters Nikolaus Lenau untergebracht. Am 28. April 1940 heiratet er in Lenauheim Rosa Günther aus dem nahegelegenen Marienfeld. Weil er in Lenauheim in seinem Vetter Dr. Konrad Sauer einen Konkurrenten hat, geht Dr. Hans Schmidt Das Geburtshaus Nikolaus Lenaus nach Groß-Sankt-Nikolaus. Dort bleibt er nur kurz, um sich anschließend in Marienfeld niederzulassen. Der Schwiegervater ist kurz vorher, am 14. September 1941, gestorben. Tochter Rosa Günther, geboren am 10. Juli 1920 in Marienfeld, erbt Haus und Hof. Knapp einen Monat vorher, am 16. August, wird Helga Schmidt geboren. Eine Beschreibung des jungen Ehepaares hat uns der Marienfelder Hans Götz (1910-1989) hinterlassen. Sie stammt aus dem Jahr 1977. Rosa Schmidt "ist etwas größer als der Herr pfarrer, nahezu 180 Zentimeter. Diese Körpergröße bot ihr den nicht zu bezahlenden Vorteil, ihre 10 bis 20 Kilogramm Übergewicht, gleichmäßig auf die verschiedenen Körperteile verteilt, verschwinden zu lassen und als wohlproportionierte Vollschlanke aufzutreten. Sie hat braunes, dichtes, feinfadiges Haar, eine leicht gewölbte Stirn, keine kleinen, aber ftir diese große Frau etwas klein scheinende Augen, eine im Ansatz normale, aber aufwärtsstehende, fast spitz werdende Nase, kräftige rote Wangen, einen normalen Mund mit vollen roten Lippen. Sie war immer zum Scherzen aufgelegt, übertrieb gerne." Götz schil27


dert Rosa Schmidt als sehr intelligent, belesen, als eine Frau, die sich zu unterhalten versteht, gute Laune in eine Gesellschaft bringt und auch aufrechterhalten kann. "Sie ist eine ausgezeichnete Köchin, und die Gesellschaftsabende bei ihr waren Abende der Entspannung vom kommunistischen Alltag. Unvergesslich sind mir die delikaten Speisen, die an solchen Abenden aufgetragen wurden." Wertvoll werden diesen Stunden, wenn der Dorfpfarrer die Flora und Fauna der Karpaten beschreibt. Wenn Hansi von seiner Mutter spricht, kommt es schon einmal vor, dass er beim Sprechen inne halten muss, sein Kinn zu beben beginnt, weil er versucht, Tränen zurückzuhalten. Er beschreibt seine Eltern folgendermaßen : den Vater als sehr nachdenklich, ernst, das Mütterchen aber als humorvolle Frohnatur, die es stets verstanden hat, dem Leben die schönen Seiten abzugewinnen. Einen Teil des Rüstzeugs fürs Leben holt sie sich in der Klosterschule in der Temesvarer Josefstadt. Mutter Rosas Vater war ein reicher Bauer, der das Haus in der Hintergasse ftir viel Geld und mit Geschmack umgebaut hat. Marmorsockel auf der Straße, lichte Fenster, Parkettböden, ausgelegt mit Perserteppichen, sündhaft teuer, aber dezent möbliert, glich das Haus eher einer Großgrundbesitzervilla. So elegant gekleidet Rosa Schmidt sanntags im Gottesdienst war, so unmöglich sah sie bei der Gartenarbeit aus, schreibt Hans Götz weiter. "Ich bin nicht überzeugt, glaube aber, dass das Wort gerüstet der entsprechende Ausdruck ftir die Aufmachung ist, in der sie den großen Garten betrat. "Ja, der Garten war zu groß. Etwa 40 Obstbäume, Erdbeeren, Himbeeren, Gemüsebeete, Klee , Feigen, Weintrauben und in der Mitte das Bienenhaus. Es war viel , sehr viel Arbeit." Weil Rosa Schmidt Wind und Luft nicht verträgt, umwickelt sie ihren Kopf mit einem von der Großmutter geerbten Kopftuch. Der Knoten am Hin- Dr. Hans Schmidt terkopf mit dem wie die Löffel eines Kaninchens wegstehenden Tuchzipfel ist der Größe der Frau angemessen. Bluse, Jacke und Rock sind zeitlos. Gegen Rheuma trägt sie im Frühjahr und Herbst Knieschoner, die ihr Handball spielender Sohn Hansi ihr besorgt. Wollstrümpfe schützen Füße und Beine. In breiten Latschen ihres Mannes betritt sie den Garten. Dies ist oft das Zeichen ftir einen kleinen Disput mit ihrem Mann Hans, der immer etwas anderes tun will, als sie befiehlt. Schenkt man Hans Götz Glauben, wirft Rosa Schmidt ihrem Hans eines Tages einen irdenen Wasserkrug an den Kopf, um ihn von einem in seinem Dickschädel gefassten Plan abzubringen. Der Krug bricht, der Kopf bleibt heil. Einen Moment lang ist Dr. Hans Schmidt überrascht, dann geht er seines Weges. 28


Dr. Hans Schmidt ist 186 Zentimeter groß und wiegt mehr als I 00 Kilogramm. Sein Übergewicht ist nicht so gleichmäßig verteilt wie bei seiner Frau. Die zusätzlichen Pfunde haben sich zum Großteil an Po und Bauch angesetzt. Das bewirkt, dass ihm sein eleganter, leichter Gang aus der Jugend abhanden gekommen ist und sich in ein entenähnliches Watscheln verwandelt hat. Schon 1946 ist sein leicht gewelltes Haar weiß. Seine Gesichtszüge sind markant, und doch ausgesprochen schön. Seine blauen Augen strahlen Güte und Wärme aus, aber auch zornige Blitze, wenn ein Patient zu ungelegener Zeit kommt. Viele kommen ungelegen, weil sich Dr. Hans Schmidt mehr in dem großen Garten aufhalten muss als in der Praxis . Garten und Bienevölker wollen gepflegt werden. Jung Verliebte sind oft blind, wenn es um den Verehrten geht. Bei Rosa Günther muss es wohl auch der Fall gewesen sein. An dem Sonntagvormittag 1939, als Dr. Hans Schmidt in der Hintergasse in Marienfeld mit seinem ziemlich strapazierten Auto vorfährt, um um die Hand Rosa Günthers anzuhalten, hätte die auf der Treppe sehnsüchtig wartende Braut eigentlich erkennen müssen, dass sie auf dem besten Weg ist, einen Pedanten zu heiraten. Aber vielleicht wollte sie das auch nicht sehen. Auf dem Hof der Günthers soll sich nun folgendes zugetragen haben: Die Braut steht erwartungsvoll auf der Treppe vor der Eingangstür. An statt mit Schwung die Wagentür zu öffnen, auszusteigen und der Braut federnden Schrittes und strahlend den Blumenstrauß zu überreichen, tut der junge Arzt etwas ganz Ungewöhnliches: Er öffnet die Wagentür behutsam, um das Schloss zu schonen, streckt das eine Bein ins Freie und beginnt in aller Ruhe einen um den Fuß gewundenen Lappen zu lösen. Zum Vorschein kommt ein eleganter schwarzweißer Lackschuh. Dr. Schmidt faltet den Lappen genau und verstaut ihn auf dem Rücksitz. Jetzt wiederholt er die Prozedur mit dem anderen Bein. Staunend und schweigend betrachten die Braut und ihre herbeigeeilten Eltern den Vorgang. Dann ist er endlich ausgestiegen, bläst den Staub von den Fingern, nimmt den Blumenstrauß und nähert sich der ungeduldig gewordenen Braut. Spätestens jetzt hätte Rosa Günther bemerken müssen, dass Dr. Hans Schmidt nicht nur ein Pedant, sondern auch schwerfällig ist. Anstatt die Braut mit netten Worten zu begrüßen, sagt der Bräutigam: "Ich habe meine neuen Schuhe mit Lappen umwickelt, weil man sie im Auto leicht zerkratzt. Es wäre doch schade um die schönen Schuhe". Dann erst begrüßt er die Braut, die allerdings versäumt, den richtigen Schluss daraus zu ziehen. Das wird sie noch bereuen, schreibt Hans Götz. Dr. Hans Schmidt wird ein guter Arzt, ein ausgezeichneter Diagnostiker, dessen Therapien auch meistens erfolgreich sind. Nicht immer erfolgreich verlaufen die Gespräche mit seinen Patienten. Ein Kranker möchte in der Regel ausgiebig mit seinem Arzt über die Krankheit plaudern, er will getröstet und beruhigt werden. Doch Dr. Hans Schmidt spricht am liebsten über Motorräder, Bienen, Fußball und seine Schwiegermutter.

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Eines Tages bringt Hans Götz einen Patienten mit Zahnschmerzen in Dr. Schmidts Praxis. Ein richtiger Zahnarzt hat ihm den falschen Zahn gezogen. Dr. Schmidt sieht sich den hohlen Zahn an, fragt, wie der Zahnarzt den falschen erwischt hat, und meint: "Hoffentlich bricht er mir nicht ab. Wenn das eintreffen sollte, ist das nicht weiter schlimm." Dr. Schmidt holt sein Instrumentenkästchen aus dem Schrank, zeigt dem Patienten Zangen und Keile und beginnt zu erklären: "Mit dieser Zange versuche ich, ihn zu holen. Bricht er ab, was möglich ist, nehme ich diesen Keil, schiebe ihn unter die Wurzel, drücke kräftig und hebe ihn heraus. Vorher nehme ich aber dieses schöne kleine Messer, schneide das Zahnfleisch auf, um den Keil ansetzen zu können. Sollte der schon ziemlich schwache Oberteil des Backenzahns den Druck nicht aushalten und sich spalten, bleiben die selbstständig gewordenen Wurzeln stecken. Aber auch das ist nicht schlimm. Dann nehme ihn diese feine , ganz spitze Zange und ziehe jede Wurzel separat." Das Gesicht des Patienten wird fahl. Als der Doktor das Zimmer verlässt, um eine spezielle Spritze zu holen, ist der Patient schon an der Tür. Hans Götz, der ihn überredet hat, Dr. Schmidt aufzusuchen, hält ihn fest und drückt ihn zurück in den Stuhl. Hans Schmidt impft den Patienten, die Spritze wirkt, dann setzt der Arzt die große Zange an, ein Ruck, und der Zahn ist gezogen . Hans Götz nimmt den Patienten zu sich nach Hause. Als der wieder richtig munter ist, fragt er ihn, ob er etwas gespürt hat. Der Patient hat nichts gespürt, doch er sagt: "Weißt du, als er mir das Instrumentenkästchen gezeigt hat, habe ich die Zange im Magen und die Messer in der Brust gespürt, und die Keile haben in meinem Hirn gebohrt. Nie mehr gehe ich mit dir zu deinem alten Freund." Dabei will Dr. Schmidt seinem Patienten einfach nur zeigen, wie gut er bei ihm aufgehoben ist. Die Aufklärung ist zu direkt, vielleicht zu brutal ftir einen Patienten mit schwachen Nerven . Als sich Rosa Günther und Dr. Hans Schmidt finden, hat die Wirtschaft im rumänischen Teil des Banats längst zum Höhenflug angesetzt. Es ist die Zeit, in der die schwäbische Wirtschaft im Banat ihre volle Blüte erreicht. 1940 gibt es im rumänischen Teil des Banats 45 685 deutsche Bauernhöfe, die im Durchschnitt über etwas mehr als neun Hektar verfUgen. Die rumänischen Bauern bearbeiten im Durchschnitt knapp zweieinhalb Hektar Land. Hansi Schmidts Großvater Ernest Günther gehört zu den 8,3 Prozent deutschen Bauern im Banat, die mehr als 50 Hektar Land besitzen. 1941 verfUgen die Banater schwäbischen Bauernbetriebe über folgenden Maschinen- und Gerätebestand: 22 000 Pflüge, etwa 30 000 Eggen, rund 6000 Sämaschinen, 3 700 Garbenbinder, 760 Grasmäher, 1000 Pferderechen, 54 Saatreinigungsanlagen, 500 Großdreschmaschinen, 456 Schlepper. Noch ist das Pferd die wichtigste Zugkraft in der Feldwirtschaft Wie prompt aber die deutschen Landwirte mit der technischen Entwicklung Schritt halten, zeigt ein Beispiel: 1941 setzt ein Landwirt in Groß-Jetschaden ersten selbstfahrenden Mäh30


drescher ein. Kaum ein Jahr zuvor ist erstmals in den USA solch eine Maschine getestet worden. Noch im selben Sommer werden weitere zwölf Mähdrescher bestellt, aber wegen des Krieges nicht mehr geliefert. 1938 führt Großrumänien 12 000 Hektoliter Wein aus; 1940 exportiert allein die deutsche Agraria Temesvar 13 700 Hektoliter. 1940 stellt die Banater deutsche Bauernschaft 51 Prozent der gesamtrumänischen Schweineausfuhr. Der rumänische Generalkonsul Vlad Vasiliu sagt 2001 in München über die Deutschen in Rumänien: "Eine ethnische Minderheit von vier Prozent hat früher 16 bis 20 Prozent der Wirtschaftserträge Rumäniens eingebracht." Von den restlichen 80 Prozent entfällt noch ein großer Teil auf die Banater Montanindustrie, die die Rumänen für diese Zeit schon als ihre eigene ansehen.

Flucht I Als Dr. Hans Schmidt Anfang 1942 zur rumänischen Wehrmacht eingezogen wird, muss er seine Arztpraxis in Marienfeld ruhen lassen. Der Krieg endet für ihn am 9. Mai 1945 in Brünn . Die Armee entlässt ihn aber erst im August 1945. Seine Familie ist geflüchtet. Ende September 1945 wird sie aus Deutschland zurück sein: Rosa Schmidt mit ihren Kindern Helga und Hansi, ihrem Bruder Friede! Günther und ihrer Mutter Katharina. Doch vor der Heimkehr steht die Flucht.

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1944 holt der Krieg die Banater Schwaben am Südostrand der Pannonischen oder Ungarischen Tiefebene ein. Vor 200 Jahren hat das Kaiser- Hansi 1944 haus in Wien ihre Vorfahren hier angesiedelt. Jetzt stehen sie am Anfang vom Ende. Nur viele wissen noch nichts vom Ende dieser erfolgreichen Siedlungsgeschichte. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verstärkt sich der Einfluss Deutschlands auf die Banater Schwaben, vor allem, als diese nach einem Abkommen zwischen Deutschland und der Regierung Antonescu 1940 eine gewisse gruppenrechtliche Autonomie erhalten. Weitgehende Folgen hat das 1943 geschlossene Abkommen zwischen Deutschland und Rumänien, wonach rumänische Staatsbürger deutscher Volkszugehörigkeit in die deutsche Armee rekrutiert werden. DiesesAbkommen holt auch die Familie Schmidt ein. Während Dr. Hans Schmidt in der rumänischen Armee bleibt, schließt sich sein Bruder Sepp, der Tierarzt, der Waffen-SS an. Beide überleben, haben aber das Glück, sich nie als Gegner gegen31


überzustehen, nachdem Rumänien am 23 . August 1944 die Fronten gewechselt hat. Dr. Hans Schmidt erfährt vom Frontwechsel Rumäniens in den Ostkarpaten. Die rumänische Armee befindet sich in Auflösung. Fanatisierte rumänische Soldaten nehmen kleinere deutsche Einheiten gefangen und liefern sie den Sowjets aus, die sofort jeden Mann erschießen. Dr. Hans Schmidt ist derart erschüttert, dass er sich einer im Rückzug begriffenen deutschen Einheit anschließen will. Ein älterer rumänischer Major nimmt sein Gepäck von dem deutschen Lastwagen herunter und überzeugte ihn, nicht mitzufahren. "Es war ein weiser Rat, der später unser Leben noch stark beeinflussen sollte", berichtet seine Tochter Helga. Dr. Hans Schmidt kommt mit der rumänischen Armee, diesmal im Schlepptau der Sowjets, bis nach Brünn, wo er im Sommer 1945 regulär entlassen und nach Hause geschickt wird. Helga Pries, Hansis Schwester, berichtet weiter: "Mein Vater hatte viel Glück in diesem Krieg. Wegen seines Arztberufs musste er nie auf andere Menschen schießen. Vielmehr konnte er vielen helfen. Seine Dienstpistole benutzt er nur einmal, um Ratten aus seinem Quartier zu vertreiben. Der sinnlose Endkampf mit noch mehr Opfern und Leid bleiben ihm erspart. Dem rumänischen Major, der ihn davor bewahrt, ist er auch nach dem Krieg verbunden." Mit dem Rückzug der deutschen Truppen wird in den schwäbischen Gemeinden östlich Temesvars zur Evakuierung aufgerufen. Erste Wagenkolonnen mit volksdeutschenFlüchtlingensetzen sich schon am 15. September in Marsch. Diese Trecks machen zumeist unmittelbar jenseits der serbischen Grenze, in Kikinda, Zerne oder Stefansfeld halt. Zahlreiche Flüchtlinge kehren in den nächsten Tagen, als sich die Lage vorübergehend zu festigen scheint, in ihre Heimatgemeinden zurück, um dann unter Umständen erneut zu fliehen. Andere werden in den serbischen Aufnahmeorten vom sowjetischen Vormarsch überrollt und später nach Rumänien zurückgeführt. Die Lage ist völlig unklar. Die Parolen wechseln. Das Durcheinander der Befehle, die unklare Kompetenzverteilung und bis zu einem gewissen Grad das Versagen der zur Organisation herangezogenen Vertreter der Volksdeutschen Mittelstelle machten eine systematische Evakuierung in vielen Dörfern unmöglich. Einige Gemeinden in der Temesvarer Heide brechen dennoch in geschlossenen Trecks auf, mit Pferdegespannen, zum Teil sogar mit Traktoren, und ziehen durch das serbische Banat über Kikinda und Rudolfsgnad nach Ungarn. Im Nordwest-Banat, das länger gehalten und zum Teil von den nach Norden durchstoßenden Griechenland-Truppen und Einheiten der 7. SS-Gebirgsdivision "Prinz Eugen" nach mehrtägiger sowjetischer Besetzung zurückerobert wird, können die deutschen Gemeinden der Bezirke Groß-Sankt-Nikolaus und Perjamosch noch in den ersten Oktobertagen evakuiert werden. Die Trecks geraten verschiedentlich in die Schusslinie der nachdrängenden Front. Die meisten erreichenjedoch die Straße nach Szegedin (Szeged) und können fast ungestört nach Westen weiterfahren. Flücht-

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Iinge und Pferde sind ungeheuren Strapazen ausgesetzt, weil sie oft Tag und Nacht durchfahren. Sie legen Strecken von bis zu I 00 Kilometer ohne Rast zurück. Bei Dunaföldvar überqueren die Flüchtlinge die Donau. Sie lassen den Plattensee links liegen. Durch den Bakonywald (Veszprem) ziehen die Fuhrwerke der Barrater Schwaben aufverstopften und überlasteten Straßen der damaligen deutschen Ostgrenze zu. Zumeist erreichten sie diese in der zweiten Oktoberhälfte, um von dort ohne Aufenthalt in ihre Aufnahmegebiete, in erster Linie die niederösterreichischen Kreise nördlich der Donau, weitergeleitet zu werden. Zu Kriegsende befinden sich rund 100000 volksdeutsehe Flüchtlinge aus Rumänien auf dem Boden des damaligen Deutschen Reiches. Der Großteil der Siebenbürger Sachsen und Barrater Schwaben bleibt jedoch in Rumänien. Doch bis zur Donau ist es noch ein Stück Weges. Auch Rosa Schmidt und ihre Mutter Katharina Günther packen die wichtigsten Sachen auf einen Pferdewagen und begeben sich im Schutz des deutschen Militärs nach Westen. Dabei sind Hansis Urgroßmutter Regina Knab, der behinderte Bruder der Mutter, Friede! Günther, der im Alter von ftinf Jahren an Hirnhautentzündung erkrankt ist, und Hansis Taufpatin Viktoria Junker mit ihrem 1940 geborenen Sohn Helmut, mit ihrer Mutter Dorothea Müller, Tante Rosina Reinlein ( 1904-1996) und deren Mann Kar! Reinlein. Rosa Schmidts und Viktoria Junkers Flucht wird zu einem reinen Frauenunternehmen. Jede hat einen Wagen, vor den je zwei Pferde gespannt sind. Kar! Rein! ein, der die ersten Kilometer bei ihnen ist, verschwindet in Jugoslawien aufNimmerwiedersehen. Ob er in die Hände von Partisanen gefallen oder zum Volkssturm genommen worden ist, keiner weiß es, berichtet Viktoria Junker. Jetzt müssen die Frauen sehen, wie sie allein zurechtkommen. Und so sind sie beim Start auf die beiden Wagen verteilt: Auf dem einen Rosa Schmidt mit den Kindern Helga und Hansi, ihr Bruder Friede! Günther, Oma Katharina Günther, Uroma Regina Knab, auf dem zweiten Viktoria Junker mit Sohn Helmut, ihrer kranken Mutter Dorothea Müller, Onkel Kar!, der in Serbien spurlos verschwindet wie viele andere, und Tante Rosina Reinlein. Dorothea Müller, Rosina Reinlein und Katharina Günther sind die Töchter von Regina Knab, Hansis Urgroßmutter. Die Entscheidung, die Flucht in solch einer Besatzung anzutreten, fallt Rosa Schmidt und Viktoria Junker nicht leicht. Besonders Viktoria hat Probleme, denn ihr Vater ist gegen die Flucht. Und der Schwiegervater will kein Pferd daftir bereitstellen. Schließlich rückt er doch noch eines heraus. Zu dem Pferd kommt als zweites Zugtier Norma aus dem Stall von Onkel Kar! Rein Iein. Viktoria Junkers Vater und ihr Schwiegervater weigern sich zu flüchten. Sie bleiben in Marienfeld. In der im Deutschen Taschenbuch-Verlag erschienenen "Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Das Schicksal der Deutschen in 33


Rumänien" berichtet eine Frau mit den Kürzeln G. N. über die nahende Front und die Flucht eines Teils der Deutschen aus Marienfeld, dem Geburtsort Hansi Schmidts. Die Flucht von Rosa Schmidt und Viktoria Junker verläuft im wesentlichen, wie in diesem Bericht beschrieben. Unter den Saisonarbeitern, die die Winzer in Marienfeld beschäftigen, sind viele Rumänen aus den Nachbargemeinden. Als die Russen die Karpaten überschreiten, werden diese Burschen immer dreister. Sie rotten sich zusammen und unterhalten sich offen darüber, welche Häuser sie im Ort in Besitz nehmen wollen, wenn einmal der Kommunismus hier Einzug hält. Als G. N. eines Tages durchs Dorf geht, ruft ihr einer aus einer Gruppe umherstehender "Bengel" nach, nicht laut, aber dass sie es gut verstehen kann: Heil Stalin. Zu solchen und ähnlichen Zwischenf<illen kommt es nun immer häufiger, "so dass man sich in der Heimat immer weniger sicher fühlen" kann. In dieser Zeit kommen schon fast täglich Siebenbürger Sachsen durch Marienfeld, die über Serbien in Richtung Deutschland flüchten . Die Marienfelder helfen ihnen, "aber dass wir selbst auch flüchten sollten, daran wollte noch niemand denken. Wir warteten noch immer auf das Wunder, dass sich noch alles zum Bessern wenden sollte, die Russen zurückgedrängt würden und dass wir unsere geliebte Heimat nicht verlassen müssen. Aber es kam nicht so . Anfang September gingen die ersten Leute aus Marienfeld fort. Zum Teil mit Pferd und Wagen, zum Teil mit der He/ga, Gerda und Hansi Bahn .. ." Der Kanonendonner nähert sich. Die Feldarbeit ruht, in Haus und Hofverrichten die Marienfelder nur noch das Notwendigste. G. N. berichtet weiter: Am Abend des 4. Oktober kommt ihr Mann von der Bürgerwache mit der Nachricht, dass alle Marienfelder am nächsten Morgen weg müssen. "Wir bekamen unsere Evakuierscheine und mussten uns auf den schweren Weg machen. Am 5. Oktober 44 nachmittags um 4.30 Uhr, meine Angehörigen saßen schon auf dem Wagen, und ich ging noch einmal, zum letzten Mal durch das Haus, um Abschied zu nehmen von allem, was einem lieb und teuer war. Es war furchtbar, und mich überkam das sichere Gefühl, dass wir nie mehr hierher zurückkommen. Bis zum Dorfende waren wir etwa 20 Fuhrwerke beisammen." In diesem Treck sind auch Rosa Schrnidt und ihre Angehörigen. Erst vor wenigen Tagen haben sie Hansis zweiten Geburtstag gefeiert, Schwester Helga ist im August drei Jahre alt geworden.

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Der Treck setzt sich in Richtung Großkikinda in Serbien in Bewegung. Einige deutsche Soldaten begleiteten den Zug. Als er die elf Kilometer entfernte Stadt erreicht, ist es schon Nacht. Die Wagen werden in einer Straße vor den Häusern aufgestellt. Der Kriegslärm kommt immer näher, so G. N. weiter. In der Nacht fahrt deutsches Militär vorbei, mit einem Traktor, an dem Pflug und Egge angehängt sind. Auf dem Straßenpflaster verursachen die Soldaten damit einen Riesenlärm. Das soll die fehlenden Panzer vortäuschen, vermutet G. N. in ihrem Bericht. Um 3 Uhr schießen Russen aus der Nähe. Die Kugeln kommen über die gegenüberliegenden Häuser geflogen und schlagen an den Wänden über den Flüchtlingswagen ein. Alle verlassen die Wagen und suchen Schutz. In den Häusern schleichen Serben umher und sprechen gedämpft. "Wir waren in eine Falle geraten. Plötzlich hörte man die Russen hurreh, hurreh schreien, und wir wussten nun, dass sie bald hier sein werden. Auf einmal schossen die Deutschen aus entgegengesetzter Richtung mit Granatwerfern über uns hinweg, man hörte das Aufschlagen und die Schreie der Verwundeten. Da kam ein deutscher Soldat, in einer Hand die Pistole, in der andern eine Taschenlampe, leuchtete uns an und sagte: 'Leute, aufsitzen und so schnell wie möglich raus von da.' So fuhren wir nun zur Stadt hinaus, die Kugeln pfiffen nur so über uns. Einige haben auch etwas abbekommen davon, aber zum Glück gab es noch keine Toten." Über vom Regen aufgeweichte Feldwege geht es weiter. Die Räder versinken bis zu den Achsen. Die Pferde schaffen immer nur etwa 50 Schritt, müssen rasten. Die Tiere leisten Unvorstellbares. Die Leute werfen alles Mögliche von den Wagen, um die Last zu verringern. Sackweise liegen Lebensmittel umher, ferner Koffer mit Wäsche und Kleidern, ein neues Fahrrad, es bleibt liegen. Es gilt nur, vorne weg zu kommen, denn kaum sind die Flüchtlinge aus der Stadt, schlagen schon die Flammen aus den Häusern in Kikinda.

Erste Opfer "Einem Nachbarn von uns ist der Wagen zusammengebrochen, er musste zurückbleiben, dann wurden ihm die Pferde erschossen. Er und seine Frau ließen dann alles liegen und trachteten nur noch, die Kolonne zu erreichen. Sie fuhren dann ganz ohne Gepäck mit jemand anderem mit. An einem anderen Wagen ist auch eine Achse gebrochen, er gehörte dem Landsmann K. Dieser machte sich auf, ins nächste Dorf zu gehn in eine Schmiede. Man hat nie mehr etwas von ihm gehört. Seine Angehörigen konnten die Kolonnen nicht mehr erreichen und gingen dann, wie man später hörte, zu Fuß in die Heimat zurück", heißt es in dem Erlebnisbericht weiter. Das Schicksal anderer, die auf der Flucht in die Hände serbischer Partisanen fallen, ist bekannt. Partisanen ergreifen beispielsweise Margarethe Hochstrasser, die 35


älteste Schwester Johann Schmidts, Hansis Großvater, zusammen mit ihrer Familie in Siegmundfeld und bringen sie in ein Vernichtungslager in Großbetschkerek (Zrenjanin). Die Lagerleitung entlässt im Februar 1945 Margarethe Hochstrasser und ihre Tochter Irene Groß. Die beiden Frauen erreichen mit Mühe die rumänische Grenze und kehren nach Lenauheim zurück. Peter Groß, der Mann von Irene, kehrt nicht mehr heim. Partisanen bringen ihn um. Er ist 49 Jahre alt. Russen holen seinen 18-jährigen Sohn Karl-Hans ( 1926-2005) und seine Tochter Gabriela am 26. Dezember 1944 aus dem Internierungslager. Sie stecken sie mit Landsleuten und Deutschen aus Serbien in Viehwaggons. Ihr Ziel sind Arbeitslager in Russland. Nach fünf Jahren Lager kehren Gabriela und Kari-Hans Gross 1949 heim ins Banat. Karl-Hans Groß erlebt, wie Partisaninnen seinen Vater umbringen. Diesen Mord hält er in folgendem Gedicht fest:

Meinem Vater Mein Vater! Mein Vater!/ Sie haben 's genommen ./ Dein Leben./ Hergeben!/ Sie haben 's vollbracht./ Die Häscher! Die Häscher!/ Sie waren gekommen./ Zu morden ./ Die Horden ./ In blutschwarzer Nacht./ Finstere Nacht./ Um - ge - bracht. Mein Vater! Mein Vater!/ Jetzt bin ich in Not./ Sie schießen./ Wir büßen./ Sie quälen zu Tod./ Die Weiber! Die Weiber!/ Im Männergewand./ Sie töten./ Sie röten./ Mit eigener Hand. /Hirnverbrannt./ Blindverrannt. Mein Vater! Mein Vater!/ Die Hölle ist los./ Verderben ./ Und Sterben./ Pistolengeschoss./ Revolver. Revolver. / Das Eisen ist kalt. Die Stirne./ Im Hirne./ Der Schuss ist verhallt./ Gewalt. Geballt./ Furiengestalt. Hansis Onkel gehört zu den 80 000 deutschen Opfern des Tito-Terrors. Die serbischen Partisanen erschießen und erschlagen schätzungsweise 15 000 bis 20 000 Deutsche. In 49 der größeren Lager kommen die meisten Deutschen um. Mehr als zehn Prozent der Lagerinsassen sterben durch Gewalt. Die übrigen werden Opfer der unmenschlichen Verhältnisse in den Lagern: Sie verhungern, sterben an Seuchen und Misshandlungen. Auf dem Transport in die Sowjetunion und in den dortigen Lagern sterben etwa 4 500 Menschen von rund 30 000 Verschleppten aus Jugoslawien. Hansi und seine Familienangehörigen aus Marienfeld haben Glück. Sie entkommen den Partisanen. Gegen Mittag erreichen sie Mokrin. Seit dem Aufbruch in Marienfeld hat noch niemand etwas gegessen. Aus der geplanten Mittagsrast wird nichts. Kaum ist das Essen ausgepackt, kommen berittene Kosaken, es sind Rus36


sen, die an der Seite der Wehrmacht gegen die Sowjetarmee kämpfen. Sie heißen die Flüchtlinge, rasch zu packen und weiterzufahren, denn aus jedem Fenster könnten Schüsse fallen. Sie fahren noch diesen Tag und die folgende Nacht durch, meist nur der Fuhrmann auf dem Wagen, die anderen marschieren neben den Wagen. "Zum Essen war keine Zeit, und immer hatten wir Angst, nicht mehr rechtzeitig weg zu kommen." Deutsche Soldaten, die in Marienfeld einquartiert waren, holen den Treck ein. Drei Nächte und zwei Tage fast ohne Unterbrechung geht es weiter. Das Gefecht verfolgt die Flüchtenden. In Szegedin müssen die Marienfelder einen halben Tag warten, bis sie mit der Fähre über die Theiß setzen können. Von beiden Seiten stoßen Trecks zu den Wartenden. Ein berittener Soldat, der den Treck begleitet, berichtet der G. N. , dass sich etwa 600 Wagen gesammelt hätten. Am Abend rasten die Flüchtlinge im Freien. Doch kaum ist die Kartoffelsuppe auf offenem Feuer zum Kochen aufgestellt, gibt es Fliegeralarm. In der Nacht wieder Gewehrfeuer, Kanonendonner und der Schein der Leuchtraketen.

Sterne über der Pußta Bei Dunafcildvar passieren die Marienfelder die Donau. Der Kanonendonner ist nicht mehr so laut, schließlich ist er gar nicht mehr zu hören. Jetzt können die Flüchtlinge nachts rasten. Die Sterne über der nächtlichen Pußta bleiben manchen für immer in Erinnerung. Auch dem kleinen Hansi. Die Flüchtlinge erreichen Veszprem nördlich des Plattensees, die Sonne scheint. Die Mittagsrast wird von Fliegern gestört. Die Flüchtlinge suchen im Friedhof unter den Bäumen Schutz. Deutsche, ungarische und russische Flieger jagen einander. "Man musste Angst haben, sie verfangen sich in den Bäumen. Ein deutsches und ein russisches Flugzeug sind auch unweit von uns abgestürzt. Unsere Kolonne kam heil davon", heißt es in dem Bericht weiter. "Wir fuhren nun immer weiter und fragten uns oft: Wohin? Es gab aber nichts anderes mehr für uns, als mit den andern immer weiter zu fahren . Kurz vor der deutschen Grenze erreicht die Flüchtlinge die Nachricht, Ungarn habe kapituliert. Alle fragen sich, ob sie weiterfahren dürfen." Rosa Schmidt und Viktoria Junker samt Begleitung fahren im großen Treck mit den Marienfeldern mit und erreichen nach vierwöchiger Flucht Deutschkreuz. Sie gelangen nach Siegbartskirchen bei Wien, wo sie bis im Frühjahr 1945 bleiben. Als sich die Sowjetarmee Wien nähert, begeben sie sich wieder auf die Flucht. Doch sie haben keinen Wagen mehr, und von den vier Pferden ist nur noch Tante Reinleins Norma übrig. Viktorias Mutter gelingt es mit viel Geschick, einen Kälbertransportwagen zu kaufen. Darauf finden die drei Kinder Helga, Hansi und Helmut und der behinderte Onkel Friede! Platz. Sie spannen Norma davor. Viktoria Junker lenkt das Pferd und bremst, Rosa Schmidt schiebt den Wagen. Die anderen 37


müssen gehen. Donauaufwärts geht es bis nach Eggenfelden in Bayern. Es ist Ende April. Die zehn Flüchtlinge werden auf drei Höfe verteilt. Am 3. Mai sind Amerikaner im Dorf. Schon auf dem Weg nach Eggenfelden macht Viktoria Junker ihren Mann ausfindig. Sie findet den verwundeten Otto im Krankenhaus in Linz. Er wird am Tag des Wiedersehens entlassen, doch er hat noch keine Papiere. Deshalb wird er den vorausfahrenden Frauen und Kindern folgen müssen. Doch kaum ist er in Eggenfelden, kommt er in amerikanische Gefangenschaft. Auf der Flucht im Frühjahr 1945 gerät Hansi in einer Serpentine unter die Räder eines amerikanischen Geländewagens, der ihn zehn Meter mitschleift. Doch er hat Glück und kommt sogar ohne Schramme davon. Es ist das zweite Mal, dass er in Lebensgefahr ist. Als kleiner Junge ist er noch vor der Flucht auf der Straße in Marienfeld in einen mit Regenwasser gefüllten Graben gefallen. Er liegt mit dem Gesicht im Schlamm. Ein Mann aus dem Nachbarort holt in heraus und bringt den röchelnden Jungen zu seinem Vater, der ihn wiederbelebt. Glück oder Zufall? Der Vater hat eben Heimaturlaub von der in Russland stehenden rumänischen Armee. Hansi wird noch einige Male im Leben Glück haben. 1947 will der Marienfelder Dorfpolizist Hansi zusammen mit vier Spielkameraden an den Dorfrand treiben. Sei erklärtes Ziel ist, die fünf zu erschießen. Ein Mann bringt ihn schließlich von seinem aberwitzigen Vorhaben ab mit der Bemerkung, er soll die Jungen in Ruhe lassen. Am 14. September 1959 hat Hansi Blutvergiftung, Sepsis, ausgelöst durch einen entzündeten Zahn. An diesem Tag will Hansi nach Temesvar fahren, denn am nächsten Tag soll der Unterricht am Gymnasium in der Josefstadt beginnen. Doch daraus wird nichts, Hansi fällt in Agonie. Die Mutter denkt schon nach, wie er beerdigt werden soll. Aufbahren will sie ihn auf dem Klavier. Doch Hansi schafft es, besiegt die Krankheit. Als er mit Verspätung am 24. September, seinem Geburtstag, in Temesvar ankommt, grüßt Gita May, seine Freundin, in nicht. Sie glaubt dem Gerücht, er wolle nach Hermannstadt auf die Sportschule wechseln und habe ihr nichts davon gesagt. Von der Erkrankung weiß sie nichts. 1979 wird Hansi an der Bandscheibe operiert. Das Krankenhauspersonal vergisst ihn einfach und lässt ihn auf dem Flur stehen. Zufällig kommt ein Arzt vorbei und fragt , was mit dem Mann los ist. Er ist sein Retter. Für Rosa Schmidt und ihre Familie endet die Flucht im Mai im bayerischen Tann bei Eggenfelden. Johann Maierhofer (1904-1993) und seine Familie nehmen die Schmidts und Günthers gut auf. Hansi Schmidt ist den Maierhofers noch heute dankbar. Auf die Karte mit der Nachricht vom Tod Johann Maierhofers hat Rosa Schmidt geschrieben: "1945 waren Mama, ich, Helga und Hans-Günther und mein Bruder Friede! von Mai bis September gut aufgehoben." Vor den Flüchtlingen waren 1945 im Frühjahr die Amerikaner bei uns, sagt Sepp Maierhofer, Johann Maierhofers Sohn. Als sein Vater hört, jeder müsse Flüchtlinge aufnehmen, will er 38


nichts dem Zufall überlassen und geht ins Dorf, um sich selbst welche auszusuchen. In der Kirche fallt ihm eine sehr bedrückt wirkende Frau auf: Es ist Rosa Schmidt, Hansis Mutter. Johann Maierhofer nimmt Rosa Schmidt mit Helga, Hansi und Onkel Friede! mit nach Hause und bringt sie im Wohnzimmer unter. Mehr Platz war nicht, sagt Sepp Maierhofer. Es klingt wie eine Entschuldigung. Im Sommer 1945 kommt es zu einem kleinen Missgeschick auf dem Bauerhof in Tann. Sepp, der ein halbes Jahr älter ist als Hansi, spielt mit den beiden Flüchtlingskindern wie üblich auf dem Hof. Helga, Sepp und Hansi lassen Holzklötzchen in einem Bottich schwimmen. Das Spiel wird unterbrochen, weil Helga in den Bottich kippt. Doch große Gefahr bestand nicht, sagt Sepp Maierhofer, denn seine Großtante Viktoria Masberger ist in der Nähe und hebt die Vierjährige aus dem Wasser. Nach dem Sommer 1945 verlieren sich die Maierhofers und die Schmidts aus den Augen. Mitte der 70er Jahre trifft zur Überraschung der Maierhofers ein Briefvon Hans uns Rosa Schmidt ein. Sie wollen wissen, wie es den ehemaligen Gastgebern geht und ob sie vorbeisehen können. Hans und Rosa Schmidt werden die Maierhofers einige Male besuchen. Heute, wo Hans und Rosa Schmidt und auch Johann Maierhofer schon gestorben sind, pflegen Sepp und Hansi und ihre Familien den Kontakt weiter. Das soll auch so bleiben. 2002 ist Hansi zusammen mit seiner Frau Karin erstmals bei Sepp Maierhofer zu Besuch. An einiges von und nach der Flucht kann sich Hansi noch erinnern. Bei Dunaföldvar liegen sie lange an der Donau und zählen nachts die Sterne. Auf dem Hof in Tann erlebt Hansi eine Schweineschlacht Er rennt die Treppen hinauf auf den Dachboden und sieht sich das Spektakel von oben zusammen mit seiner Schwester Helga an. In der Nachbarschaft der Maierhofers lebt eine Familie, die 24 Kinder hat. 1945 leben noch 22. Bei den Maierhofers in Tann bleiben die vier Flüchtlinge bis zum 2. September 1945. Es ist Dr. Hans Schmidts Geburtstag. Er ist 36 Jahre alt geworden. An diesem Tag treten sie die Heimreise an.

Heimkehr Rund um Eggenfelden kommen weitere Manenfelder Flüchtlinge unter. Dazu gehört auch Hans Götz. Er gerät nicht in Gefangenschaft, weil er in letzter Minute in den Besitz eines Volkssturmausweises kommt und Invalide ist. Götz holt seine nach Sachsen geflüchtete Familie nach Rogglfing. Mit dem Fahrrad legt er die 500 Kilometer nach Sachsen zurück, mit einem Pferdewagen bringt er Anfang Juli die Familie nach Bayern. Hier trifft er seinen Bruder mit Familie. Das berichtet Hans Götz im Heimatbuch "Marienfeld".

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Götz ist vier Wochen in Rogglfing, als er von zwei Männern erfährt, dass ein Transport nach Rumänien zusammengestellt wird, Interessenten sollen sich in Eggenfelden melden. Ungewisse Tage folgen. Am leichtesten fällt die Entscheidung den gewesenen Ortsgruppenleitern und politischen Funktionären. Sie gehen nicht nach Hause und tun gut daran. Sie haben Angst vor den Russen. Ein großes Glück für viele Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen ist, dass nur wenige Flüchtlingstransporte zustande kommen . Sie haben keine Möglichkeit mehr, nach Rumänien zurückzukehren; dadurch bleibt ihnen vieles erspart. Und dann ist der Tag der Entscheidung gekommen. Rosa Schmidt zögert kaum. Sie entscheidet sich vielleichter für die Heimkehr, weil ihr Mann zu Hause ist. Viktoria Junker steht schon am Bahnhof und zögert immer noch. Letztendlich fährt auch sie mit nach Hause: Die Mutter will gerne heim, der Vater ist zu Hause geblieben, aber der Mann ist noch in Gefangenschaft. Er wird ihr nach etwa einem Jahr heim nach Marienfeld folgen. Nach langem Hin und Her machen sich auch die Götz-Brüder mit ihren Familien auf den Heimweg. Alle sitzen in demselben Zug: Uroma Knab , Katharina Günther, Friede! Günther und Rosa Schmidt mit Helga und Hansi, ferner Viktoria Junker mit Sohn Helmut, ihrer Mutter und den Tanten. Die Fahrt ostwärts beginnt am 2. September 1945 und wird aufregend, berichtet Hans Götz weiter. Schon bald wird allen klar, dass der Zug nicht über München, Salzburg und Wien fahren wird, sondern über Regensburg durch die Tschechoslowakei. Eine gewisse Unruhe macht sich breit. Doch in der nächsten Minute sagen sich die Heimkehrwilligen, sie stehen unter amerikanischem Schutz, es kann ihnen nichts passieren. "Wenn wir vor allem in größeren Bahnhöfen auf eine freie Linie warten mussten, war es aufschlussreich, die vorbeifahrenden Lastzüge zu beobachten. Daraufwaren die Maschinen ganzer Fabriken geladen. Wie gründlich so eine Fabrik abmontiert wurde, konnte man daran erkennen, dass sogar Besen und Schaufel ftir den Kehricht in einer Waggonecke standen. Die Maschinen waren mit Planen abgedeckt, auf fast allen Waggons stand ein russischer Soldat. Solche Transporte sahen wir mehrere, und man kann sich heute die rasche Industrialisierung der UdSSR nach dem Kriege erklären", heißt es in dem Bericht von Hans Götz. In Eger ist noch alles in Ordnung. Die Amerikaner kümmern sich darum, dass der Zug in größeren Bahnhöfen nicht zu lange hält. In Karlsbad steigen Hans Götz und sein Bruder aus. "Junge Kerle guckten aus den Fenstern eines Personenwagens. Ihr Zug war abfahrtbereit Wir gingen an diesem Wagen vorbei und sprachen in unserem Dialekt. Die jungen Kerle hörten deutsche Worte, und schon ging die Flucherei los. Sie machten Fäuste, kamen bis auf das Trittbrett, drohten und 40


beschimpften uns immer stärker." Geistesgegenwärtig beginnen die Götz-Brüder rumänisch zu sprechen. Sie verunsichern die Tschechen so sehr, dass diese bei der Abfahrt sogar zum Abschied winken. In Pilsen übernehmen Russen den Zug. Die Amerikaner teilen den Heimkehrern mit, ihre Mission sei zwangsweise zu Ende, sie würden jedoch Familien, die den Russen nicht vertrauten, zurück nach Eggenfelden mitnehmen. Von Pilsen geht es nach Prag: ein Umweg. In Prag hält der Zug einen halben Tag. Tschechische Soldaten befehlen den Männern auszusteigen, anzutreten, den Oberkörper zu entblößen und den linken Arm hochzuheben. Sie suchen nach dem Blutgruppenzeichen, dem untrüglichen Beweis für die Zugehörigkeit zur SS. Hans Götz muss handeln. Er sieht, dass ungarische Jungen aus dem Nachbarwaggon ebenfalls angetreten sind. Einer von ihnen hat das Kommando übernommen. Hans Götz geht auf ihn zu und erklärt ihm in schlechtem Ungarisch seine Lage und bittet ihn, zur Kontrolle in ihrer Reihe antreten zu dürfen. Er stimmt zu und erklärt den Tschechen, dass hier nur von Deutschen verschleppte Ungarn angetreten wären. Die Tschechen glauben ihm. Nachdem alles vorüber ist, steht fest: Von den Marienfeldern haben die Tschechen lediglich Oskar Junker geschnappt. Dem gelingt es aber, nach Deutschland zu fliehen . In dem Waggon, in dem auch Rosa Schmidt und ihre Mutter Katharina Günther mit den Kindern Helga und Hansi untergebracht sind, macht sich große Sorge breit. Der Zug ist seit fünfTagen und Nächten unterwegs. Alle sitzen dicht gedrängt in den offenen Waggons, nur mit Planen und Decken gegen Wind und Regen geschützt. Es ist so eng, dass Rosa Schmidt gezwungen ist, Hansi und seine Schwester Helga aneinander zu binden, weil immer wieder eines der Kinder von dem schmalen Schlafplatz rutscht. In Pressburg sind die Lebensmittelvorräte fast zu Ende. Hans Götz schellt an Haustüren, um Stoff für Damenblusen und Schürzen gegen Lebensmittel einzutauschen. An der Grenze wollen die ungarischen Zollbeamten die Durchreise des Flüchtlingszuges verweigern. Daniel Zimmermann, Offizier in rumänischer Uniform, beherrscht die ungarische Sprache fast besser als Deutsch. Er spricht mit den ungarischen Zöllnern. Er schildert ihnen die Situation, spricht von der Lebensmittelknappheit, von den vielen kleinen Kindern, die nicht zur Ruhe kommen und schon krank sind. Er sagt das alles in schönstem Ungarisch. Er weiß: Wenn man bei Ungarn etwas erreichen will, dann muss man ihre Sprache sprechen. Nach langem Hin und Her hat der Zug grünes Licht.

Am meisten freuen sich die ungarischen Jungen, die Götz in Prag geholfen haben. Sie sind daheim und singen ein einfaches, aber schwermütiges Lied mit dem Titel "Wir fahren nach Hause". 41


Während der Fahrt durch Ungarn geht es ruhig zu: ohne Drohungen, Untersuchungen und Verhaftungen. Die meisten im Zug flihlen sich schon fast wie zu Hause. Die Heimkehrer hören aber eine mysteriöse Geschichte, die besagt, dass zwischen Budapest und Szolnok mehrere offene Viehwaggons in einem Bahnhof stünden, vollgestopft mit bis auf die Knochen abgemagerten deutschen Soldaten. Einheimische berichten von einem Zug, der mal westwärts, dann wieder ostwärts verschoben wird. Die Ungarn sind fest davon überzeugt, dass die Waggons so lange hin und her geschoben werden, bis alle den Hungertod gestorben sind. Kurz vor Großwardein ist die Fahrt zu Ende. Die Flüchtlinge sind in Rumänien. Noch im Zug die erste Kontrolle: Gesucht werden Radio- und Fotoapparate. Bewaffnete rumänische Soldaten umstellen den Zug. Die Freudenrufe bleiben den Heimkehrern in der Kehle stecken, so Hans Götz weiter. Aus den Reihen der Eingetroffnen sind Stimmen zu hören wie: "Was wollen denn die Soldaten hier, wir sind doch keine Verbrecher, wir haben doch nichts getan." Die Heimkehrer werden als Hitleristen beschimpft, sie hören Zurufe wie "Geht dorthin, wo ihr hergekommen seid". Sie müssen das Gepäck auf dem Bahnsteig stapeln. Als Bewacher dürfen der älteste Mann oder die älteste Frau aus der Familie und die Kinder bleiben. Alle anderen marschieren unter militärischer Bewachung in die Großwardeiner Festung. Pöbel bedroht und beschimpft sie auf dem Marsch. Doch die Meute hat Gott sei Dank nur wenig Interesse an den neu Angekommenen, sie hat sich schon an vorher Eingetroffenen ausgetobt: Steine werfend und spuckend. Ein Jahr zuvor ist hier noch der spätere Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll als deutscher Soldat auf dem Rückzug durchgekommen. Er wird die Kämpfe rund um Großwardein in seinem Roman "Wo warst du, Adam?" beschreiben. In der Festung angekommen, geschieht zunächst nichts. Die Heimkehrer übernachten auf Stroh in einem leeren Gebäude gegenüber der ehemaligen Folterkammer. In der Festung sind deutsche Soldaten eingesperrt. Die meisten jung, lustig und glücklich, den Krieg lebend überstanden zu haben. Sie lehnen in den Fenstern, sprechen mit den neu Angekommenen und bitten um Essen, sie sind ausgehungert. Doch auch die Heimkehrer haben kaum etwas zu essen . Sie können den Hungrigen lediglich Maisbrei, Tomaten und Paprika kaufen. Die Heimkehrer werden auch nur mit einer dünnen Bohnensuppe verpflegt. Schon hier in Großwardein hören die Heimkehrer den neuerdings gebrauchten Namen für ihre Heimatgemeinde. Sie heißt nicht mehr Marienfeld, sondern "America noua", aufDeutsch Neuamerika. Dieser Name stammt von den Plünderern, die meinen, Marienfeld stehe Amerika an Reichtum in nichts nach. Am anderen Tag sortiert eine Kommission unter den in der Festung Eingesperrten Arbeitstaugliche ftir die Kohlengruben aus. Nach einigen Tagen sind Kristof Junker und Dr. Hans Schmidt in Großwardein, um ihre Familien heimzuholen. Sie 42


bestechen die Lagerleiter. Nach insgesamt acht Tagen stehen den Marienfelder Heimkehrern dank der Bestechung Lastkraftwagen zur Verfügung. Damit gelangen sie heim. Diejenigen, die das Gepäck im Bahnhof bewachen, sehen die vielen Züge Richtung Russland durchfahren. Sie transportieren Möbel, Kachelöfen, landwirtschaftliche Maschinen, Traktoren, Autos und in geschlossenen Waggons auch Daunen. Die Russen schicken alles nach Hause, was ihnen mitnehmenswert erscheint. Auf der Fahrt nach Marienfeld sehen die Heimkehrer die Auswirkungen des Krieges im Banat. In den Dörfern weisen Häuser und Kirchtürme Spuren des Kampfes auf, große Schäden sind jedoch ausgeblieben . Auf den Äckern der deutschen Dörfer ist im Herbst 1944 und im Frühjahr 1945 nur wenig gesät worden. Deshalb ist im Herbst 1945 nicht viel zu ernten. Es stehen noch Maisstengel vom Vorjahr, die meisten Äcker liegen brach. Am 2. September sind Helga, Hansi und Rosa Schmidt mit Uroma, Oma, Onkel, Tante Reinlein, Tante Viktoria und Vetter Helmut Junker in Eggenfelden mit einem 80 Waggon langen Zug abgefahren, und am 16. September 1945 sind sie in Marienfeld. Hansi Schmidt ist auf der Heimreise erkrankt. Er hat sehr hohes Fieber. Doch jetzt sind alle daheim, auch der Vater, der sich um den Jungen kümmert. Den dritten Geburtstag wird der kleine Hansi genau wie den zweiten zu Hause in Marienfeld feiern. Marienfeld ist noch dasselbe Dorf. Die Menschen aber sind nicht mehr dieselben. Die noch übriggebliebenen Deutschen sind eingeschüchtert. In den Gassen sind viele Fremde zu sehen. Die Alteingesessenen nennen sie Kolonisten. Sie sind ins "neue Amerika" gekommen, um am sagenhaften Reichtum des Dorfes Teil zu haben. Im Herbst 1944 strömen mit dem Abzug der deutschen Truppen aus dem Banat aus den rumänischen Kernländern Tausende von Familien der Staatsnation in die deutschen Siedlungen, die meisten sind in Lumpen gehüllt. Diese Rumänen sind die neuen Herren in Marienfeld und in den anderen deutschen Dörfern. Analphabeten werden Bürgermeister. Die Deutschen sind vogelfrei. Es beginnt ein systematischer Raub- und Plünderungszug, der sich so lange hinzieht, bis bei den Deutschen nichts mehr zu holen ist. "Wir waren also daheim, und doch nicht daheim" , schreibt Hans Götz weiter. In vielen Häusern der 1944 Geflüchteten leben jetzt andere. "Warum waren wir zurückgekehrt? Welches war der Hauptgrund, der uns wieder nach Marienfeld zurücktrieb? Die Wahrheit ist, wir wollten es nicht wahrhaben, unsere Heimat, die wir liebten, ftir immer verloren zu haben. Wir wollten uns nicht fügen und mussten es schließlich doch! Wir machten uns nochmals auf die Reise, bewusst oder unbewusst, getrieben von einem starken Gefühl- dem Heimweh! Heimweh- für manche nur ein Wort, aber für viele ein Leiden, ähnlich einer schweren Krankheit", so endet Hans Götz ' Bericht. 43


Den heimgekehrten Flüchtlingen ist wenigstens eines erspart geblieben: die Verschleppung in russische Lager. Im Januar 1945 werden 40 000 Deutsche aus dem rumänischen Teil des Banats zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Sie gehören zu den rund 500 000 Deutschen, die von Ende 1944 bis Sommer 1945 in die Sowjetunion verschleppt werden. Rund 400 000 dieser Menschen stammen aus Ostdeutschland, etwa 115 000 sind Deutsche aus Rumänien, Jugoslawien und Ungarn. Nach den Erhebungen des Suchdienstes des Roten Kreuzes kommen etwa 45 Prozent dieser Deutschen auf dem Transport oder in den Lagern um. Von den Millionen deutscher Vertriebener leiden die nach Osten Verschleppten am meisten. Sie verlieren nicht nur ihre Heimat, sondern müssen jahrelang wie Sklaven arbeiten. Freilich müssen auch deutsche Kriegsgefangene schwer für die Sowjets schuften. Bei den Verschleppten handelt es sich aber zum großen Teil um Frauen und Jugendliche, selbst um Kinder und Greise. Auf der Konferenz von Jalta hat Stalin die Zustimmung der Amerikaner und Briten für Zwangsdeportationen von deutschen Arbeitskräften als Teil der deutschen Reparationen an die Sowjetunion erhalten. Die meisten, die das Lager überleben, werden nach der Entlassung nach Deutschland abgeschoben.

Enteignet Die einst blühenden und leistungsstarken Höfe der Banater Schwaben werden im Frühjahr 1945 enteignet, drei Jahre später auch die Industrie- und die Handwerksbetriebe. Nur die wenigen, die in der rumänischen Armee gedient haben, und Witwen, deren Männer in der rumänischen Armee gefallen sind, bleiben vorerst verschont. Ihr Grundbesitz und Wirtschaftsinventar werden einige Jahre später in Staatsbesitz überführt. Enteignet wird 1945 sämtlicher Haus- und Grundbesitz sowie das dazugehörige Wirtschaftsinventar, aber auch wertvolle Möbel, die den Herren aus der zur Verwaltung des "Feindvermögens" ernannten Kommission gefallen. Die Häuser und der dazugehörige Hofanteil werden den ehemaligen Eigentümern 1956 zurückgegeben, weil der Zerfall der 1945 enteigneten Häuser bedrohliche Ausmaße angenommen hat und die Renovierung kostspielig wäre. Auch Rosa und Dr. Hans Schmidt stehen im Herbst 1945 vor dem Nichts. Auch ihr Hab und Gut ist enteignet, das Haus leergeplündert Im Oktober 1945 eröffnet Hans Schmidt seine Arztpraxis im Haus in der Hintergasse wieder. Die meisten müssen, um überleben zu können, als Tagelöhner, Akkordarbeiter oder Angestellte der Staatsgüter, viele auch als Feldarbeiter in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften tätig sein. Sowohl die Gehälter als auch die Zuteilung in Naturalien sind gering und reichen kaum aus, damit die Familien über die Runden 44


kommen. Viele müssen ihr Einkommen durch Nebenverdienste aufbessern. Solche Gehaltsaufbesserungen werden auf verschiedene Art und Weise erzielt. Vom Staat so viel wie möglich stehlen, das wird im Kommunismus die bevorzugte Methode, um sich über Wasser zu halten. Schwarzarbeit bringt Handwerkern einiges ein . Viele Frauen fertigen kunstvolle Handarbeiten und versuchen diese in der Stadt zu verkaufen. Auch durch künstlich hergestellten Wein aus Marmelade und Zucker wird der spärliche Verdienst aufgebessert. Andere wieder versuchen es mit der Bienenzucht. Sie halten es mit dem Sprichwort: "Mit Bienen und Schaf wird man reich im Schlaf', heißt es in einer Geschichte von Hans Götz. Auch Hans Schmidt muss neben der Tätigkeit als praktizierender Arzt auf dem großen Grundstück, das zum Haus seiner Frau gehört, Gemüse und Obst züchten. Ein solch großer Garten reicht in dem leicht vom Mittelmeer beeinflussten Klima im Banat, um genügend Gemüse und Obst zu ernten und eine Familie das ganze Jahr über mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Dazu wächst darin noch genügend Mais, mit dem Dr. Hans Schmidt und seine Frau das nötige Geflügel züchten und zwei Schweine mästen. Sie sind Selbstversorger. Der Garten lässt die Schmidts die kommunistische Misere teilweise vergessen. Für den kleinen Hansi und seine Schwester ist der Restbauernhof ein kleines Paradies. Der große Garten macht es möglich, dass Dr. Schmidt mit der Bienenzucht beginnt. Die Bienenzucht wird eine Leidenschaft des Dorfarztes. Im Spätsommer des Jahres 1949 überzeugt der Dor:tpfarrer, der wie sein Freund Hans Schmidt ( 1909-1980) heißt, den Arzt, fünf Bienenvölker zu kaufen. Im folgenden Frühjahr entdeckt Rosa Schmidt in einem Baum im Garten schwärmende Bienen. Sie müssen eingefangen werden. Doch Dr. Schmidt istAnfangerund auf den Pfarrer angewiesen. Der herbeigerufene Geistliche hält einen Fangkorb an einer langen Stange unter den Bienenschwarm, und Dr. Schmidt steigt die an den großen Birnbaum angelehnte Leiter hinauf, um mit einer schweren Axt auf den dicken Ast zu schlagen, an dem die Bienen hängen. Diese Axt nennen der Arzt und der Geistliche die "Tito-Axt" . Sie ähnelt jener Axt, die die rumänische Propaganda auf einem riesigen Plakat an der serbischen Grenze Tito in die Hand gedrückt hat. Das Plakat zeigt denjugoslawischen Marschall als Schlächter mit blutverschmierter Schürze. Ähnliche Plakate und Sprüche, wie "Nieder mit Tito dem großen Henker", sind in jenen Jahren entlang der gesamten rumänisch-serbischen Grenze aufgestellt. Es ist die Zeit, als der Streit zwischen Stalin und Tito ihren Gipfel erreicht. Rumänien ist in jenen Jahren ein treuer Vasall der Sowjetunion. Jugoslawien geht seinen eigenen Weg. Dr. Schmidt holt mit der "Tito-Axt" so gewaltig aus, dass ein Teil der Bienen vom Ast neben den Korb fallt. Er flüchtet vor den ihn verfolgenden Bienen die Leiter hinab und durch den Garten. Die Bienen stechen auch den Geistlichen, doch der bleibt ruhig, schließlich will er den Bienenkorb nicht fallen lassen. Rosa Schmidt 45


freut sich aus sicherer Entfernung diebisch, dass die Bienen ihren Hans erwischt haben, sie bedauert aber gleichzeitig den pfarrer, der am nächsten Tag, es ist ein Sonntag, mit geschwollenem Gesicht zwei Messen lesen muss. Der Pfarrer hat Dr. Schmidt, noch bevor dieser in den Birnbaum gestiegen ist, versichert, dass schwärmende Bienen nicht stechen. Inzwischen ist Hansi Schmidt längst eingeschult. Er besucht seit dem Herbst 1949 die deutsche Allgemeinschule in Marienfeld. In der Freizeit darf er den behinderten Großonkel zum sogenannten Schulter Eckhaus begleiten. Er fahrt auf dem Trittbrett des Dreirades von Großonkel Hans Günther mit. Onkel Friede), der Bruder der Mutter, ist im Alter von ftinf Jahren an Hirnhautentzündung erkrankt, ein Leben lang leidet er darunter. Opa Ernest Günthers Bruder Hans ist ebenfalls als Fünfjähriger erkrankt, und zwar an Kinderlähmung. Sein Vater gibt ein Vermögen aus, um den Jungen zu heilen. Doch auch lange Wege nach Karlsbad und Wien nutzen nichts. Obwohl er im Rollstuhl sitzt, wird sich Großonkel Hans recht gut zurechtfinden. Er kann sogar am selbstgebauten Reck die Riesenwelle turnen, er wird Musikant, er spielt Geige. Auch Hansis Onkel Friede) ist wegen seiner Behinderung Anfang des vergangeneo Jahrhunderts oft zur Behandlung in Wien. Auch das kostet viel Geld und hilft ihm leider nicht. Der Großonkel trifft am Schulter Eckhaus Bauern aus der Hintergasse, um über die Weltlage und das Neueste im Dorf zu plaudern. Dort bekommt Hansi Schmidt viel mit, was ihn prägen wird. Doch wie das in jener Zeit in der Banater Heide noch üblich ist: Zuhören darf er, nur sagen nichts. Kinder müssen sich fUgen. Wenn Hansi das eine oder andere Missgeschick passiert, kann er sich stets auf den Großonkel verlassen. Als er zum Beispiel im Winter in die Rossschwemme einbricht, weil das Eis noch nicht richtig trägt, trocknet Onkel Hans seine nassen Kleider, damit zu Hause kein Donnerwetter losbricht.

Hansi und He/ga Schmidt .in den 50erlahren

Deportation und Terror 1951 , Hansi Schmidt ist noch keine neun Jahre alt, holt die Geschichte die Familie wieder ein. Hansis Großmutter Katharina und ihr Schwiegervater Hans Günther, Hansis Urgroßvater, ihr Sohn Friede) Günther und ihr Schwager, der ebenfalls Hans Günther heißt, er ist Hansis Großonkel , werden verbannt in die Donautiefebene, von den Rumänen Baragan genannt. Mit ihnen müssen auch Katharina

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Günthers beiden Schwestern und deren Familien den Weg in die Verbannung antreten. Diesen 17. Juni wird Hansi Schmidt nie vergessen. Er braucht nicht einmal den 17. Juni 1953, den Tag des Aufstands in der DDR, als Gedächtnisstütze. Das Ereignis prägt sich ihm so ein, es wird einer der Hauptgründe sein, dass er 1963 Rumänien den Rücken kehrt. Ausgerechnet seine Oma wird verschleppt, an der er und seine Schwester Helga so sehr hängen. Hansi und seine Eltern entgehen der Verschleppung nur knapp. Als Dr. Hans Schmidt dem Offizier vor der Tür entgegenhält, auch er sei Offizier der rumänischen Armee, zieht dieser unverrichteter Dinge ab. Marienfeld liegt in dem 40 Kilometer breiten Korridor entlang der serbischen Grenze, aus dem "alle möglichen Tito-Kollaborateure" evakuiert werden. Mit Hansis Großmutter und dem 81-jährigen Urgroßvater müssen auch andere Verwandte von Mutter Rosa Schmidt mit in die Einöde der Donautiefebene unweit des Schwarzen Meeres. Dazu gehören auch Viktoria Junker und ihr Sohn Helmut, die zusammen mit Rosa, Hansi und Helga Schmidt die Flucht nach Deutschland und die Heimkehr durchgestanden haben. Fünf Monate lang wissen die Schmidts nicht, wo ihre Verwandten sind. Zu den ersten Nachrichten aus dem 800 Kilometer entfernten Baragan gehört auch die vom Tod des Urgroßvaters. Er ist in der unwirtlichen Steppe erfroren. Für Hansi Schmidt ist jetzt die Zeit gekommen, in der er fast jeden Abend zur Post geht. In einem Bollerwagen, ein Weihnachtsgeschenk ftir seine Schwester und ihn, wird er unzählige Pakete von der Post zum Bahnhof fahren, die ftir die Verwandten und andere Verschleppte bestimmt sind. Er entdeckt zum ersten Mal seine soziale Ader. Hansi Schmidts Großmutter, Onkel, Großonkel und Urgroßvater gehören zu den 40 000 Banater Schwaben, die 1951 deportiert wurden. Die vier werden in den Ort Salcam unweit der Eisenbahnlinie Bukarest - Konstanza verbannt. Wie Hans Götz im Marienfelder Heimatbuch berichtet, werden am 18. Juni 20 alleinstehende Personen und 46 Familien (140 Personen) in Marienfeld in Viehwaggons verladen und verbannt. Zwischen ein und vier Uhr holen Geheimpolizei und Militär sie aus den Betten und teilen ihnen mit, dass sie als unzuverlässige Personen nicht mehr in Grenznähe wohnen dürfen. Die Polizei nimmt ihnen die Ausweise weg und verbietet jeden Kontakt zu Nachbarn. Bis 9 Uhr muss alles zur Abfahrt fertig sein. Am Morgen beherrschen voll bepackte Pferdewagen die Straßen in Marienfeld. An Fenstern und Türen erschrockene Gesichter: Alle denken, es geht schon wieder nach Russland. Am Abend beginnt die Fahrt ins Ungewisse. Drei Tage geht es kreuz und quer durch Rumänien. Am dritten Tag morgens teilen Rot-Kreuz-Schwestern den in Viehwaggons Eingesperrten das Ziel mit. Gegen Mittag erreicht der Zug Marculesti, das 18 km vor Fetesti an der Eisenbahnstrecke Bukarest - Konstanza liegt.

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Polizei empfangt sie wie Schwerverbrecher. Pferdewagen stehen für den Transport ihrer Habseligkeiten bereit. Durch knöcheltiefen Staub geht es bei 30 Grad Hitze über einen acht Kilometer langen Umweg zum Bestimmungsort. Hans Götz greift ein Bild heraus: Helene Bog!, die Frau des Michael Mayer, schiebt mit einer Hand den Kinderwagen, mit der anderen zieht sie die Ziege nach. Im Wagen liegt ein fünf Monate altes Mädchen. Der Mann kann ihr nicht helfen, denn er muss das Gepäck hüten, damit nichts gestohlen wird. Nach dreistündiger Fahrt sind sie in einem Hirsefeld, in dem Hausplätze abgesteckt sind. Bereit steht ein Zisternenwagen mit Wasser. Gegen die unbarmherzig brennende Sonne spannen die Ausgesetzen Decken. Die unwirtliche Donautiefebene beschreibt der rumänische Schriftsteller Panait Istrati in seinem Roman "Die Disteln des Baragan" folgendermaßen: "Kein Baum wächst aufseinem Rükken. Und von einem Brunnen zum anderen ist es so weit, dass man leicht halben Wegs verdursten kann. Der Bewohner des Baragan hofft immer, es werde einmal jemand kommen, der ihn lehrte, wie es sich auf seinem Baragan besser leben ließe, in dieser ungeheuren Weite, die nur in ihrem allertiefsten Schoße Wasser birgt und in der nichts wächst außer Disteln. In weniger als einer Woche bedecken sie das ganze Land. Das ist alles, was der Baragan auf seinem Rücken duldet, außer den Schafen, die lüstern nach diesen Disteln sind und sie gierig abweiden. Kommt der Winter, überlässt der Hirte diese gottverlassene Gegend Gott und kehrt heim. Der Baragan zieht aber seinen weißen Pelz über und legt sich sechs Monate lang schlafen. Nichts lebt da mehr. Das ist der Baragan." Am ersten Morgen machen sich Hans Streit, Karl Schinka und Hans Götz auf den Weg in die nächstliegende Gemeinde, um Werkzeug zu kaufen. Als sie am Ortseingang nach dem Geschäft fragen, verschwindet der angesprochene Mann im erstbesten Haus. Das wiederholt sich etwa ein Dutzend Mal. Schließlich treffen sie die Frau des Zahnarztes. Sie bittet die drei ins Haus und bewirtet sie. Von ihr erfahren sie, dass sie den Einheimischen als Hitleristen, Schmuggler und Ausbeuter geschildert werden. Die Einheimischen sollen sich von den Verschleppten fernhalten, so der Rat der Behörden. Als die drei das Geschäft betreten, wird es mucksmäuschenstill. Etwa 30 dem Alkohol zusprechende Männer verhalten sich, als kämen Aussätzige herein. Die drei kaufen Spaten, Hacken und Schaufeln. So schnell ist bis dahin sicher noch niemand bedient worden. Als die drei nach dem Preis fragen, winkt der Verkäufer ab und gibt ihnen zu verstehen, dass sie gehen sollen. Die unter freiem Himmel Ausgeladenen müssen sich aus Lehm Hütten stampfen. Der Boden ist pulvertrocken, das Wasser muss gekauft werden. Verschalung und Stampfer stellt die "Partei". In drei bis vier Tagen ist eine Hütte fertig. Das Dach besteht aus Stroh oder Schilf. Fenster und Türen gibt es auch unentgeltlich. 48


Die Postpakete, die Hansi und andere in Marienfeld ftir die Verschleppten aufgeben, kommen mit großer Verspätung an. Nur die, in denen Schnaps ist, "gehen oft verloren". Anders ist es mit Bahnpaketen. Der Stationsvorsteher reißt sich manches unter den Nagel, mit der Ausrede, die " Partei" hätte befohlen, dass keine ausgegeben werden dürften. Sie werden aber in einem anderen Dorfunter Alteingesessenen verteilt. Nach viereinhalbjähriger, entbehrungsreicher Verbannung werden als erste verschleppte Serben entlassen, weil der jugoslawische StaatschefTito droht, die diplomatischen Beziehungen zu Rumänien abzubrechen und sein Veto gegen die Aufnahme Rumäniens in die UNO einzulegen. Kurz darauf dürfen auch die Deutschen, Juden und Türken die Verbannungsorte verlassen. Die Fahrt in die Verbannung war frei , den Heimweg muss jeder aus eigener Tasche bezahlen. Unter den Heimkehrern sind Hansi Schmidts Oma, Großonkel Hans Günther und Onkel Friede) Günther. Sie lassen Hansis gestorbenen Urgroßvater Hans Günther zurück. Das Wiedersehen in Marienfeld bereitet allen große Freude. Wir schreiben das Jahr 1956. Die Leute dürfen einen Sommer lang aufatmen . Im Herbst beginnt im Banat wieder das große Bangen. Russische Panzer und Transportfahrzeuge rollen Tag und Nacht durch die Dörfer der Banater Heide Richtung Ungarn. Die Panzerketten wühlen die Straßen auf. Wer diese Straßen queren will, muss oft Minuten lang warten, um durch eine Lücke durchschlüpfen zu können. Der Ungarische Aufstand tobt. Die Menschen im Banat haben den Krieg und seine schlimmen Folgen noch nicht vergessen . Alle fragen sich, ob es schon wieder losgeht? Keiner weiß, dass sich die westlichen Verbündeten mit Stalin auf Einflusssphären geeinigt haben und deshalb nicht in Ungarn eingreifen werden. Oma Katharina Günther wird noch einige Jahre unter den Folgen der Verschleppung in die Donautiefebene leiden. Sie stirbt am 22. Dezember 1961. Zur Beerdigung kann Hansi nicht fahren , weil er das Telegramm mit der Todesnachricht erst mit zweiwöchiger Verspätung erhält. Er vermutet, dass sein damaliger Klub, Stiinta Bukarest, dabei die Hand im Spiel hatte. Am 17. November 1963, Hansi ist inzwischen längst beim Bukarester Armeeklub Steaua und Nationalspieler, lässt Steauaund Nationaltrainer Johnny Kunst ihn nicht zur Hochzeit seiner Schwester fahren. Ein Länderspiel der Nationalmannschaft steht an. Doch obwohl Hansi verletzt ist - sein rechter Zeigefinger ist umgeknickt - und nicht spielen kann, bleibt Johnny Kunst dabei: Hansi muss bei der Mannschaft bleiben. Doch bis zu jenem Tag im November 1963 fließt noch viel Wasser die Donau hinab. Nicht nur den Verschleppten, auch den Daheimgebliebenen geht es dreckig. Die Zeit ist sehr unsicher. Im Juli 1952 muss Dr. Hans Schmidt aufVeranlassung der Behörden wie alle privaten Ärzte in Rumänien die Praxis schließen. Ab Mitte 1953 erhält er eine Stelle beim Landwirtschaftlichen Staatsgut in Marienfeld, wo er bis 1956 arbeiten kann.

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Doch viele haben in jenen Jahren im Banat noch größere Sorgen als Dr. Schmidt. DerTerror der Kommunisten erreicht in den 50er Jahren seinen Höhepunkt. Schon am I 0. Juli 1950 verhaftet der Geheimdienst Securitate den Temesvarer Bischof Dr. Augustin Pacha. Kurz daraufi st die Reihe an seinen engsten Mitarbeitern. Am 18. August 1950 holen die Schergen die Priorin der Liobaschwestern OSB, Dr. Bildegardis Wulff, ab. Die von ihr geschaffenen und geleiteten Mädchen- und Frauenorganisationen sind schon seit 1945 nach der Verschleppung ihrer Mitglieder nach Russland lahmgelegt, das Kloster in der Temesvarer Josefstadt mit den dazu gehörenden Institutionen beschlagnahmt, sie selber und ihre Schwestern sind auf die Straße gesetzt worden. In der Nacht des I 0. März 1951 verhaftet der Geheimdienst die Domherren Dr. JosefWaltner, Dr. Johann Heber, Joseph Nischbach, Josef Pleß, die Priester Johann Kräuter, Josef Kilian, Eisner, Kilzer, Dr. Blasius Schütz, Georg Bittenbinder, Kleitsch, Matthias Bittenbinder, JosefFodor, Schwarz, Johann Herbert Laschober. Am I 0. Juli 1951 wird die Schwester Patricia OSB abgeholt, in der Nacht zum 22. Juli 1951 Dr. Pranz Kräuter, einige Wochen später Diözesananwalt Dr. Josef Gabriel, Rechtsanwalt Dr. Fritz Dutschak und die beiden Schreibkräfte des bischöflichen Ordinariates. Sie alle werden in Prozessen stalinistischen Musters zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. BischofPacha (geboren 1870) wird 1954 vorzeitig aus der Haft entlassen, weil er todkrank ist. Er stirbt im November 1954. Dr. Pranz Kräuter ( 1885-1969), erster Direktor der Katholischen Deutschen Lehrerbildungsanstalt in Temesvar und von 1920 bis 1938 Mitglied des Rumänischen Parlaments, schildert in einem unter dem Titel "Meine 'Schuld' und meine Sühne" erschienen Bericht die Leiden dieser unschuldig Verurteilten. Anfang 1952 trifft Kräuter den schon seit 1945 inhaftierten Marienfelder Landwirt Julius Schneider (1902-1978) im Gefangnis von Aiud in Siebenbürgen. Die kommunistischen Machthaber holen Schneider 1945 zu Hause ab. Er ist nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft mit seiner vor der nahenden Front nach Deutschland geflüchteten Frau und den beiden Töchtern nach Marienfeld zurückgekehrt. Kaum daheim angekommen, holen die Schergen ihn ab. Er wird nach 19 Jahren, die er in Zuchthäusern in ganz Rumänien verbringt, entlassen und mit seiner Familie in Deutschland eine neue Heimat finden. Am 31. Mai 1959 werden Kräuter, Schwester Wulff, Domherr Nischbach in einem Wagen zum Bukarester Flughafen gefahren. Dort begrüßen der 1951 als Gymnasiast eingekerkerte Herbert Winkler und Schwester Patricia die drei. Mit einem Sonderflugzeug landen die ftinf in Ostberlin. Am nächsten Morgen übergibt ein rumänischer Anwalt sie der Tempelhafer Polizei . "Jetzt waren wir endlich wirklich frei! Frei, nicht aus den Zuchthäusern unserer letzten 8 Jahre (bei der Priorin Bildegardis waren es sogar 9 Jahre), sondern auch aus dem größeren, mit Polizeihunden bewachten Arbeitslager, das rumänische Volksrepublik heißt, aus

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dem Hunderttausende unserer Volksgenossen und Millionen unserer gewesenen Mitbürger sehnsüchtig nach dem Westen blicken", schreibt Kräuter. Er kommt in Deutschland an mit einem schmutzigen Hemd und ein Paar Pantoffeln in einem Papierkoffer. Kräuter, Nischbach und Schwester Patricia finden im Mutterhaus der Priorin Bildegardis in Freiburg im Breisgau ein neues Zuhause. Die mit der Sondermaschine Ausgeflogenen sind im Austausch gegen rumänische Spione freigelassen worden. Ein Teil ihrer Leidensgenossen wird nach der Entlassung aus der Haft in die Verbannung geschickt. Sie werden in die Hütten gesteckt, die die 1951 aus dem Banat verschleppten Deutschen in der Donautiefebene, von den Rumänen Baragan genannt, gebaut haben und seit 1956 größtenteils leer stehen, weil die Deportierten heimgekehrt sind. Den Gefangnisalltag beschreibt Kräuter so: "Um 7 Uhr traten wir mit unseren rostigen, oft lecken und mit Fetzen dicht verstopften Essnäpfen zum Empfang je eines Schlages von etwa 250 Gramm dünnen Maisbreies (Tertsch) an. Mittags und abends gab es einen Schlag dünner Gersten- oder Kartoffelbrühe, etwa einmal wöchentlich schwammen darin Abfallprodukte der Schlachtbrücke herum. Unsere einzige kalorienhaltige Nahrung bestand aus den 250 g Brot, das einmal wöchentlich durch Turtoi, einem kugelförmigen Maiskuchen von etwa 100-300 g, ersetzt wurde. Das war zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel, auch wenn einer sich einen Reserve-Essnapf erschwindeln und damit zum zweiten Mal an dem Speisekübel vorbeidefilieren konnte. Damit riskierte man aber, wenn man dabei erwischt oder der überzählige Essnapf bei der Gepäckvisitation entdeckt wurde, die Verpflegung mehrerer Tage, die man bei Wasser und Brot im Karzer verbringen musste." Während die einen das Gefangnis hinter sich lassen, beginnt für andere der Leidensweg erst. 1959 und 1960 wird eine Gruppe von Banater Intellektuellen verhaftet und in einem Schauprozess zu langen Strafen verurteilt. Dazu gehört auch ein späterer Gymnasiallehrer Hansi Schmidts. Es ist Dr. Hans Weresch (19021986). Er wird 1961 zu 18 Jahren verurteilt, kommt 1964 frei und reist 1968 in die Bundesrepublik Deutschland aus. Zusammen mit Weresch verurteilt ein Militärgericht weiter 13 deutsche Akademiker aus dem Banat zu insgesamt 92 Jahren Haft und Zwangsarbeit wegen angeblichen Vaterlandsverrats: Dr. Hans Reb, dessen Söhne Hans und Gerhard, ferner Dipl-Ing. Robert Podratzky, Dr. Peter Geiß, Mathias Götz, Dr. Hans Mayer, Werner Hoffmann, Emmerich Ludwig, Josefund Nikolaus Schmidt und das Ehepaar Irmgard und JosefPilz. Mit solchen Urteilen schüchtern die kommunistischen Machthaber die Bevölkerung ein. Der Prozess ist möglicherweise eine Antwort aus Bukarest auf einen von der Bundesrepublik gegen Rumänien am I. Januar 1959 verhängten Handelsstopp, zu dem es gekommen ist, weil sich die rumänische Regierung nicht an Ausreiseabsprachen gehalten hat. 51


1949 oder 1950, Hansi ist noch in der ersten Klasse, stirbt in Marienfeld eine ganz junge Lehrerin an Tollwut. Beim Spaziergang mit der Klasse durch Marienfeld tritt sie einem tollwütigen Hund entgegen, der ihre Schüler anfallen will. Im Krankenhaus wird ihr ein infiziertes Serum gespritzt, sie ist nicht mehr zu retten. Am Begräbnis nimmt fast das ganze Dorf teil. In der Grundschule ist Hansi ein guter Schüler. In der ftinften Klasse lassen seine Leistungen nach, er entwickelt sich zum echten Raufbold. In der sechsten und siebten Klasse ändert sich das. Jetzt gehört er wieder zu den guten Schülern. Hansi ist oft auf dem Sportplatz am Dorfrand, wo auch immer wieder Soldaten auftauchen, die die Grenze zu dem feindlichen Jugoslawien bewachen müssen. Mit ihnen trägt er manches Spiel aus. Er darf sich deshalb auch frei in Grenznähe bewegen. Anfang der 50er Jahre will Mutter Rosa Schmidt im Geschäft in Marienfeld Kinderschuhe ftir Hansi kaufen. Auf die Frage nach der Größe antwortet sie Nummer 42, was allerdings Schmunzeln hervorruft. Als Kind ist Hansi in Tiere regelrecht vernarrt. Auf dem Restbauernhof in Marienfeld hat erTauben, eine Elster, einen Habicht, einen Storch und sogar einen Wiedehopf. Hunde und Katzen gehören zum Inventar des Hofs. Eines Tages ist Hansi schockiert: Ein Lehrer fordert ihn und einen Schulkollegen auf, den Hund bei seiner Frau abzuholen und mit der Axt zu erschlagen. Hansi und sein Kamerad weigern sich. Auch heute noch ist er empört über jenen Lehrer und dessen Haltung Tieren und seinen Schülern gegenüber. Hansi verdankt Schuldirektor Helmut Treis einiges. In der 6. Klasse erteilt er ihm Nachhilfeunterricht Gerne erinnert sich Hansi auch an seinen Deutschlehrer Franz Wolz, an Russischlehrer Hans Zank, Grundschullehrer Friedrich Reinlein und Schuldirektor Martin Schäfer. Als Hansi die vierte und seine Schwester die ftinfte Klasse in der Marienfelder Volksschule besuchen, lassen sich die Kommunisten wieder einmal etwas einfallen. Helga, die im Unterschied zu Hansi eine sehr gute Schülerin ist, wird wegen "ungesunder Herkunft", die Eltern sind "Ausbeuter", sagen die Kommunisten, der Schule verwiesen. Sie darf acht Monate lang nicht mehr zur Schule gehen. Für Helga bricht eine schlimme Zeit an. "Seither ist meine liebe Schwester Helga ein nervöses Hemd", sagt Hansi. In jener Zeit wacht sie gewöhnlich morgens um ftinf Uhr auf und weint. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie geht täglich nach dem Unterricht zur Nachbarin, macht freiwillig Hausaufgaben und lernt. Zum Schuljahresende wird der Beschluss, Kinder aus der Schule auszusperren, aufgehoben. Helga darf eine Prüfung ablegen, sie besteht sie und wird in die sechste Klasse versetzt. In der ftinften Klasse ist Hansi, wie er sagt, ein fürchterlicher Bursche, ein Raufbold, er klopft sich mit allen. Die Mutter verbietet ihm, andere zu schlagen. Doch seine Gegner erfahren von diesem Verbot und nutzen die Gelegenheit, um Hansi das eine oder andere Mal eins auszuwischen. Bis Großonkel Hans Günther ihm eines Tages beibringt, dass er sich wehren muss. Hansi hat stets

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gerne gerauft, erinnert sich seine Patin Viktoria Junker. "Einem viel kleineren Kameraden, dem Nachbarjungen Werner Schortje, der dann und wann auch sein Gegner war, hat er stets zur Seite gestanden. Wir hatten immer Angst, dass etwas Schlimmes passiert, doch die Sorgen waren umsonst." Der Vater sorgt, dass Hansi auch mit anderem vertraut wird als mit dem Sport. Dr. Hans Schmidt spielt Saxophon, Trompete und Geige. Er erteilt Hansi, der Schwester Helga und Nachbarskindern Musikunterricht Auch singen lernen sie bei ihm. Er bringt ihnen manches Volklied bei.

2. Juni 1948: nach der Beerdigung von Pfarrer Josef Springer

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Hansi und die Schwester in Tracht mit den Eltern

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Anfang einer großen Karriere Der Prophet Als Hansis Großmutter, Onkel, Großonkel und Urgroßvater den einen Teil des Doppelhauses in der Hintergasse in die Verbannung Richtung Donautiefebene verlassen haben, zieht ihre Schwester, Rosi Reinlein, bei den Schmidts in der Hintergasse ein. Rosi Reinlein war ein Stück Mutter Courage, sagt Hansi . Sie hat Geld mit schwerer Feldarbeit verdient, damit der Sohn Hans ( 1926-2002) in Wien Abitur machen kann . Gustav, Hans Reinleins Bruder, ist am 8. Mai 1945 als Angehöriger der deutschen Wehrmacht zum letzten Mal in Berlin gesehen worden. Dort verliert sich seine Spur. Rosi Reinlein wird 1962 Marienfeld verlassen und zu ihrem Sohn Hans ziehen, der inzwischen in Baden-Württemberg lebt. Die 50er Jahre sind eine schlechte Zeit. Hansi 1960 Hansi Schmidt und seine Kameraden müssen Holz und Kohle in die Schule bringen, um nicht zu frieren. Im Sommer werden die Schüler verpflichtet, durch die Gärten im Dorf zu gehen und in den Parzellen Kartoffelkäfer einzusammeln. Patriotischen Einsatz nennen die Kommunisten das. Mit elf Jahren, wir schreiben das Jahr 1954, steht der großgewachsene, kräftige Hansi schon in der zweiten Marienfelder Handballmannschaft Sein Entdecker und Fördererist Turn- und Klassenlehrer Nikolaus Schreyer. Schreyer und Schuldirektor Helmut Treis sind Handballer der ersten Marienfelder Mannschaft. Mit der zweiten Marienfelder Mannschaft tritt Hansi als Elfjähriger eines Tages im benachbarten Tschanad an und verliert 1:17. Das Spielläuft an Hansi vorbei, ein junger Mann namens Mischi, er ist 18, erzielt den Marienfelder Ehrentreffer. Und trotzder haushohen Niederlage hört er prophetische Worte. DerTschanader Dorfwirt sagt zu Hansi: "Aus dir wird einmal ein ganz Großer." An diesen Satz des unbekannten Mannes wird sich Hansi immer wieder erinnern. Ja, er wird ihn sogar zu besseren Leistungen anspornen. Mit zwölf rückt Hansi in die erste Marienfelder Mannschaft auf. Mannschaftskameraden wie die Brüder Sepp (ge-

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baren 1926) und Hans Berger (1924) sind schon fast 30. Die Marienfelder Dorfmannschaft wird im Laufe der Jahre eine Reihe von hervorragenden Handballern hervorbringen. Neben Hansi Schmidt werden vier weitere im rumänischen Handballoberhaus spielen: Hartwig Junker, Werner Schön, Ewald Fendler und Ewald Kolleth. Die Karriere Ewald Kolleths klingt in Nürnberg aus. Rosa Schmidt stellt Hansis erste Sportschuhe her. Es ist noch die Zeit des großen Mangels nach dem Krieg. Der Oberlederersatz ist aus Schafswolle handgestrickt. Das strumpfähnliche Gebilde sohlt sie mit einem zurechtgeschnittenen Leder. Seine ersten richtigen Stollenschuhe macht ihm der Marienfelder Dorfschuster. Mit 14 bekommt Hansi auch seine erste lange Hose. Sie ist aus dem Sonntagsanzug seines verstorbenen Großvaters geschneidert. Jungen tragen in jener Zeit im Banat auch im Winter noch kurze Hosen, dazu lange Strümpfe. Mit 14 ist Hansi schon 1,86 Meter groß und Schütze vom Dienst in der ersten Marienfelder Mannschaft. Sein jetzt noch hauptsächlich von der Kraft geprägtes Spiel wird sich erst in den kommenden Jahren zum technisch und taktisch perfekten entwickeln. Hans Muh! aus der Banater Heidegemeinde Billed, etwa 20 Kilometer von Marienfeld entfernt, bekommt am eigenen Leib zu spüren, wie schlimm es ausgehen kann, wenn Hansi ungehindert zum Wurf kommt. In den 50er Jahren wehrt Muh! in einem in Marienfeld ausgetragenen Pokalspiel eine " Schmidt-Bombe" ab. Der Wurf ist so wuchtig, dass der Ball an den Armen des Abwehrspielers blaue Flecken hervorruft. Alfred "Fredi" Tuth sieht Hansi Schmidt noch heute als Jugendlichen vor sich: radfahrend, auf der Schulter ein zweites Fahrrad. So folgt Hansi seinem mopedfahrenden Vater von Marienfeld in den Nachbarort Albrechtsflor. Dr. Hans Schrnidt lässt sein Moped bei Fredis Vater Adalbert "Bela" Tuth warten. Um gleich nach Hause fahren zu können, braucht er das Fahrrad, das ihm sein Sohn nachbringt. Doch bevor die beiden den Heimweg antreten, plaudert Dr. Schmidt noch mit dem Mechaniker, und Sohn Hansi testet eine Spielzeugpistole des kleinen Fredi. Eine Feder in der Pistole treibt ein Geschoss an, das aus einem gummibestückten Holz besteht. Schießt der Schütze auf die Wand, bleibt das gewölbte Gummi mit dem "Pfeil" haften. Hansi zielt auf Fliegen, die sich an der Hauswand sonnen. Die Folge: Rotschwarze Flecken aus zerdrückten Fliegenleibern verunstalten die weiß getünchte Wand. Es dauert eine Weile, bis die Hausfrau das sieht und zu einem Donnerwetter ansetzt. Hansi steigt rasch aufs Fahrrad und fährt nach Hause.

Adam Fischer 1956, im Jahr als seine Oma aus der Verbannung heimkehrt, kommt Hansi nach Temesvar aufs Gymnasium. Es ist im ehemaligen Kloster in der nach dem Österreichischen Kaiser Joseph II . benannten Josefstadt untergebracht, wo Mutter Rosa 56


21. Juli 1956: Abschied von der Volksschule in Marienfeld: Hansi (der Größte in der Mitte der hinteren Reihe)

vor dem Zweiten Weltkrieg die Klosterschule besucht hat. Nach dem Krieg enteignen die Kommunisten alle konfessionellen Schulen und lösen die Klöster auf, so auch das in der Josefstadt. An dem größten Gymnasium der Stadt wird in vier Sprachen unterrichtet: Rumänisch, Deutsch, Ungarisch und Serbisch. Hansi besucht die deutsche Abteilung des Gymnasiums. Im Banat sind rund ein Dutzend Nationen zu Hause: Neben Rumänen, Deutschen, Ungarn und Serben auch Kroaten, Ruthenen, Zigeuner, Juden, Tschechen, Slowaken, Bulgaren und Türken. Sie leben bis Ende des Zweiten Weltkriegs friedlich nebeneinander. Erst die rumänischen Kolonisten, die im Herbst 1945 in die deutschen Dörfer einfallen, säen Zwietracht. Es kommt zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Rumänen und zwischen Ungarn und Rumänen, aber auch zwischen Serben und Deutschen. Die in die deutschen Dörfer eingefallenen Rumänen plündern die Höfe der deutschen Restbevölkerung, die nur noch aus Alten, Kindern und Frauen mittleren Alters besteht. Denn die jungen Männer sind noch in Kriegsgefangenschaft. Die arbeitsfähigen Frauen und Männer sind in sowjetischen Arbeitslagern interniert und kommen erst 1949 frei, falls sie nicht verhungert sind. Doch selbst nach dem Krieg geht es wenigstens in Temesvar recht friedlich zu. 57


Adrian Brand!, ein Siebenbürger, der in Temesvar studiert und die Marienfelderin Waltraut Brand! zur Frau genommen hat, sagt, so viel Toleranz wie in Temesvar habe er in Siebenbürgen nicht erlebt. Die Toleranz im Banat bedeutet: Die Nationalitäten leben mehr neben- als miteinander. Untergebracht ist Hansi im Schulinternat ein paar Straßenzüge weiter neben der Josefstädter Synagoge. Es ist eines von dreijüdischen Gotteshäusern in Temesvar. In der Fröblgasse bekommt er einiges vom Leben der jüdischen Gemeinde mit, auch wie der Rabbiner koscher schlachtet. Dort erlebt er auch ein Erdbeben, das die Mauern des Internats reißen lässt. Noch heute spricht Hansi achtungsvoll von seinen Gymnasiallehrern Dr. Johann Wolf, Josef Beran, Dr. Otto Aczel, JosefZirenner, Hans Müller, Mathilde Pelger, Dr. Hans Weresch oder Herta Krall. Am wichtigsten ftir seine Zukunft ist Turnlehrer Adam Fischer aus Triebswetter. Bei Adam Fischer kommt Hansi mit dem Hallen- und Kleinfeldhandball in Berührung. Fischer kennt die Banater Verhältnisse, er ist ständig in Kontakt mit Hansis Eltern. Fischer, in vielerlei Hinsicht ein Vorbild, leidet, Adam Fischer wenn Hansi eine schlechte Note bekommt, denn dann hat sein Schüler Spielverbot. Vor Hansi ist schon der wieselflinke Rechtsaußen Josef Jakob, den alle Jacky nennen, Fischers Schüler. Mit ihm wird Hansi später beim Bukarester Armeeklub Steaua und in der rumänischen Nationalmannschaft spielen. Jakob wird der einzige sein, der weiß, dass Hansi in Deutschland bleiben will. Jakob wird 1964 mit Rumänien Weltmeister in Prag, gewinnt 1967 WM-Bronze in Schweden und 1968 den Europapokal der Meister mit Steaua Bukarest durch ein 13: 11 im Finale von Frankfurt am Main gegen Dukla Prag. In den schwersten WM-Spielen 1964, beim 16:15 über die Tschechoslowakei und beim 25:22 im Finale gegen Schweden, gehört Jakob mit seinen geftirchteten Tempogegenstößen, seinem Können und seinem vorbildlichen Einsatz zu den Garanten dieses Erfolgs. Er ist in dieser Zeit der weltbeste Rechtsaußen, sagt Hansi Schmidt. Doch Josef Jakob will davon nichts hören. Er gibt lieber ein Kompliment weiter: "Unser Torwart war eine Bank, man konnte blind zum Gegenangriff starten und wusste, dass der von Mischi Redl geworfene Ball einen bestimmt erreicht." 1968 wird Jakob zusammen mit dem Bukarester Rückraumspieler Gheorghe Gruia in die Weltauswahl berufen. Zu Jakobs Erfolgsbilanz gehören noch sechs Landesmeistertitel mit Steaua Bukarest. 1971 hört Jakob auf, kommt nach Deutschland und wird Trainer. Der in Mercydorf am 11. September 1939 geborene Jakob hat sich 45 Jahre lang dem Handball gewidmet, als Spieler und als Trainer. Heute ist der weltbeste Rechtsaußen der 60er Jahre im Ruhestand. Er sieht sich ab und an ein Handballspiel an, 58


Der erste nennenswerte Erfolg. 1959 wird der Temesvarer Schülersportklub Banatul Juniorenlandesmeister in der Halle mit fo lgender Mannschaft: (stehend von links) Hansi Schmidt, Cornel Brasoveanu, Michael Koppi, Peter Bettendorf, Walter Ersch, Günther Kreiling, (hockend) Dieter Christenau, Edwin und Hjalmar Sauer, Dieter Kapple1; Dieter Fuchs, (s itzend) Robert Ortmann, Eugen J.sj'an escu und Ion Forga.

hat Spaß daran , denn er hat inzwischen die nötige Distanz zum Sport gewonnen. Er genießt seine Freizeit und immer wieder die Sonne in der Türkei .

Juniorenlandesmeister Als Gymnasiast spielt Hansi Schmidt sowohl in der Mannschaft des Josefstädter Gymnasiums als auch im örtlichen Schülersportklub Banatul. 1959 erringt er seinen ersten nennenswerten Erfolg. Mit dem Temeswarer Schülersportklub Banatul gewinnt er den von der Bukarester Zeitung Sportul Popular veranstalteten Wettbewerb, eine inoffizielle Landesmeisterschaft ftir Juniorenmannschaften in der Halle. Das Finale in der ausverkauften Bukarester Floresca-Halle ist eines der schönsten Erlebnisse Hansis. Die Temesvarer Mannschaft um Hansi geht am 15 . März 1959 als krasser Außenseiter in die Begegnung. Auf der Bank sitzt mit Turnlehrer Sarbovan ein Ersatztrainer, denn der hauptamtliche, Constantin Lache, ist erkrankt. Doch die Mannschaft kämpft hervorragend und setzt sich gegen den Bukarester

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Schülersportklub durch. Die Bukarester deutsche Zeitung Neuer Weg schreibt: "Nach einem dramatischen Spiel, das die Zuschauer begeisterte, siegten die Temesvarer knapp mit 19:17 (1 0:9) ..." Der Erfolg wird in Temesvar zum Stadtgespräch. Das Foto der siegreichen Mannschaft hängt jahrelang in einem Schaufenster der alten Sporthalle, der ehemaligen Reithalle aus Kaisers Zeiten. Es wird 1963 entfernt, nachdem sich Hansi in der Bundesrepublik abgesetzt hat. Es landet auf dem Müll, doch Hansis Mannschaftskollege Edwin Sauer rettet es. Neben Hansi Schmidt stehen in dieser Mannschaft Cornel Brasoveanu, Michael Koppi , Peter Bettendorf, Walter Ersch, Günther Kreiling, Dieter Christenau, die Brüder Edwin und Hjalmar Sauer, Dieter Kappler, Dieter Fuchs, Robert Ortmann, Eugen Isfanescu und Ion Forga. Das ftir diesen Sieg vergebene Diplom ist noch in Hansis Ablagen zu finden. Auf dem Gymnasium im ehemaligen Kloster in der Temesvarer Josefstadt gibt Sportlehrer und Handballtrainer Adam Fischer Hansi neue Impulse. Fischer, geboren 1930 in Triebswetter in der Banater Heide, kommt mit dem Handball in seinem Heimatdorf in Kontakt und studiert von 1949 bis 1952 Sport. Als Student spielt er in der ersten Handball-Liga ftir Perjamosch und für Stiinta (später Politechnica) Temesvar. Nach dem Studium ist er Lehrer in derTemesvarer Fabrikstadt und am Annaheim in der Elisabethstadt, trainiert aber weiter Handballmannschaften. 1959 wechselt Fischer ans Gymnasium in der Josefstadt. Ab 1958 ist Fischer Trainer an der Sportschule in Temesvar. Fischer, durch seine ruhige, besonnene Art wohl all seinen Schülern in guter Erinnerung, verfolgt stets das Ziel, seine Schützlinge zu erziehen, sie sportlich zu begeistern und ihnen motorische Grundfertigkeiten zu vermitteln. Er fordert sportbegabte Jugendliche und fUhrt sie an den Hochleistungssport heran . Er formt manchen guten Handballer. Zwei davon sind in die absolute Weltklasse vorgestoßen: Hansi Schmidt wurde Torschütze vom Dienst beim VfL Gummersbach und in der deutschen Nationalmannschaft in den 60er und 70er Jahren, Josef Jakob weltbester Rechtsaußen der 60er Jahre und Weltmeister 1964. Fischer holt Gerlinde Reip aus Siebenbürgen nach Temesvar und fUhrt sie zusammen mit Spielerinnen wie Anni Nemetz zur Schülerlandesmeisterschaft auf dem Kleinfeld 1959. Gerlinde Reip, späterrumänische Nationalspielerin, Europapokalgewinnerin und mehrfache Landesmeisterin, wird mit Hansi Schmidt in einer Klasse sitzen. Sie wird 1962 Weltmeisterin auf dem Kleinfeld mit der rumänischen Nationalmannschaft und gewinnt mit Stiinta/Uni Temesvar vier LandesmeistertiteL 1965 gewinnt Fischer auch mit der Jungenmannschaft des Josefstädter Gymnasiums den SchülerlandesmeistertiteL 1975 ist Fischer in Deutschland. Der Anfang ist nicht einfach. Auch er macht diese Erfahrung wie viele andere, die aus dem Banat oder Siebenbürgen nach Deutschland kommen. Sie erhalten überhaupt oder sehr lange keine Chance, zu

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beweisen, was sie eigentlich können. Der Mann, der Hervorragendes auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung im Banater Handball geleistet und manchen Leistungsträger hervorgebracht hat, steht auch in Deutschland an seiner Wirkungsstätte seinen Mann. Und er erfahrt, dass er auf den einen oder anderen seiner Schüler aus dem Banat setzen kann. Auch auf Hansi Schmidt, die Handball-Legende aus Marienfeld. Als die Bild-Zeitung 1975 schreibt, der Lehrer des 98fachen deutschen Nationalspielers sei arbeitslos, kann sich Adam Fischer den Arbeitsplatz aussuchen. Auf seinem Tisch liegt ein Dutzend Angebote. Und später, als einige seiner Schüler und Kollegen nach Deutschland kommen, ist auch er sich nicht zu schade, ein Wort für sie einzulegen . Fischer entscheidet sich für das Maristenkolleg in Mindelheim im Allgäu. Zu Fischers 50. Geburtstag am 25 . August 1980 schreibt die Lokalzeitung: "Adam Fischer gilt als Vater des Mindelheimer Handballwunders. Als er vor ftinf Jahren in die Frundsbergstadt kam, war dieser Sport in weiten Kreisen noch unbekannt. Die Mindelheimer Handballabteilung bot nur eine Männermannschaft mit einem knappen Dutzend Aktiven auf. Mit dem Sportlehrer aus dem rumänischen Banat kam der Aufschwung. Adam Fischer richtete sein besonderes Augenmerk auf die Jugendarbeit und gründete eine Damenmannschaft. Er trainiert sowohl die Männer- als auch die Damenmannschaft des TSV Mindelheim. Heute sind acht Frundsbergstädter Teams im Spielbetrieb; die Abteilung hat ihre Mitgliederzahl verzehnfacht Adam Fischers Erfolgsliste ist lang. Auf ihr stehen Allgäuerund schwäbische Titel mit den Nachwuchsmannschaften, eine Serie von Aufstiegen und der Gewinn der Bezirksligameisterschaft mit den Damen sowie zahlreiche Siege mit Maristenteams in den Schulsportwettbewerben des Bayerischen Kultusministeriums." Adam Fischer stirbt am 12. Dezember 2002 in seiner Wahlheimat Dirlewang im Allgäu im Alter von 72 Jahren nach langer, schwerer Krankheit. Er wird am 19. Dezember unter großer Anteilnahme zu Grabe getragen. Hansi will eigentlich Leichtathlet werden. Professor Cornel Iovanescu prophezeit, Hansi werde der erste Mann sein, der den Speer über 80 Meter wirft. Anfangs versucht sich Hansi auch im Kugelstoßen. Am 6. September 1959 schafft er 13,0 I Meter mit einer 6 Kilogramm schweren Kanonenkugel in Klausenburg und wird rumänischer Schülerlandesmeister. Das daftir ausgestellte Diplom bewahrt Hansi heute noch auf. Den zweiten Platz belegt Kurt Soko!, später rumänischer Fünfkampfmeister und zeitweise erster der Weltrangliste. Im selben Jahr soll Hansi an einem Länderkampf in Bulgarien teilnehmen, er sagt jedoch wegen eines Handballspiels ab. Die Leichtathletikkarriere des Hansi Schmidt hat kaum begonnen, so ist sie auch schon zu Ende. 1958 kugelt sich Hansi die rechte Schulter beim Handballspiel aus. Zwei Gegenspieler hängen an seinem Arm. Einen 61


hätte er geschafft, der zweite ist zu viel. Er muss eine dreimonatige Trainingspause einlegen und wird mit Cortison behandelt. In jener Zeit trifft er Größen der Banater Leichtathletik wie Jolanda Balas und Hansi Söter. Jolanda Balas ist Weltrekordhalterin im Hochsprung. Trotz Verletzung wagt Hansi noch den einen oder anderen Versuch in der Leichtathletik. Die Pause eines Handball-Meisterschaftsspiels mit Stiinta in Temesvar nutzt er, um Diskus zu werfen. Er sichert sich mit seinem Wurf den Stadtmeistertitel der Studenten. Auch als SuperschwergewichtsboxeT tritt Hansi an der Sporthochschule in Bukarest an. Er erreicht das Finale des Turniers. Sein Gegner ist Mircea Traian, ein noch viel kräftigerer und größer gewachsener Mann als Hansi, der deshalb Schlimmes befürchtet. Doch Hansi hat Glück. Sein Gegner hat eine geschwollene Wange wegen eines entzündeten Zahns. Er macht Hansi klar, dass alles schlimm enden werde, falls er ihn ernsthaft an der Wange treffen sollte. Die Boxbegegnung der beiden endet, ohne dass sie sich wirklich prügeln. Hansi steigt als Hochschulvizemeister im Boxen aus dem Ring.

Eine neue Wurftechnik Die Schulterverletzung zwingt ihn, den linken Arm zu trainieren und anschließend mit Rechts eine neue Wurftechnik zu entwickeln: Es entsteht der verzögerte Sprungwurf, den ihm wenige Spieler in der Perfektion nachmachen können. Weil er mit beiden Händen werfen kann, ist er für Torsteher noch viel unberechenbarer als andere Spitzenhandballer. Hansi erinnert sich noch gern an ein Spiel gegen TuS Wellinghofen, in dem er mit 16 Toren seinen eigenen Bundesligarekord von 13 Treffern einstellt. Vier der 16 Tore wirft er mit Links. Im Training trifft Hansi einmal die Latte. Der Ball prallt zurück, trifft ihn auf der Brust. Hansi kippt um von der Wucht des Balls. JosefVogel, Ende der 50er Jahre auch Schüler am Gymnasium in der Temesvarer Josefstadt, weiß noch, wie seine Mitschüler ihren besten Handballer angefeuert haben: "Hansi, loss de Balle fluppe", aufHochdeutsch "Hansi, lass den Ball fluppen". Das Verb fluppen ist die Nachahmung des Lautes, der entsteht, wenn beispielsweise ein Ball gegen eine Hauswand geworfen wird. Mit 17 wechselt Hansi 1959 zum Erstligisten Stiinta Temesvar. Hansi ist noch Gymnasiast. Das erste Spiel im Trikot des Temesvarer Studentenklubs bestreitet Hansi gegen den Lokalrivalen Technometal, in dessen Reihen die ehemaligen Fischer-Zöglinge Ernst Pflanzer und Hans Neusatz stehen. Stiinta Temesvar spielt zum ersten Mal ohne den Weltklassemann Hans Moser, der eben zu Dinamo Bukarest gewechselt ist. Hansi soll die entstandene Lücke im Rückraum schließen. Das Spiel gegen Technometal entscheidet Hansis Stundententeam mit 19:18 für sich. Obwohl Pflanzer und Neusatz ihn in Manndeckung nehmen, erzielt Hansi 18 Tore. Ein Erstliga-Einsatz nach Maß, erinnert sich sein ehemaliger Mitspieler

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Hjalmar Sauer. "Das Spiel war ein reines Vergnügen", sagt Hansi heute, "ich habe getroffen wie selten zuvor." Die Handballanhänger in Temesvar sind begeistert. Mosers Nachfolger auf der Königsposition ist gefunden. Moser gehört wie Hansi Schmidt, Josef Jakob, Michael Red! und Dieter Jochmann zum Allerbesten, was der Banater Handball hervorgebracht hat. Bei der Weltmeisterschaft 1964 in Prag wird Moser Torschützenkönig. Das reicht, um im selben Jahr zum Welthandballer des Jahres gewählt zu werden. Sein erstes WM-Turnier bestreitet Moser 1958 in der DDR. Doch bei dieser drit- Hans Maser ten Hallen-WM hat Rumänien noch nichts zu bestellen. Die Mannschaft erreicht nicht einmal die Endrunde. Drei Jahre später, 1961, wird die rumänische Mannschaft zur Überraschung der Fachleute Weltmeister. 1964 kann Hans Moser diesen Erfolg mit einer rumänischen Mannschaft wiederholen, die wohl den elegantesten Handball aller Zeiten spielt. Der zukünftigen Weltmeister-Mannschaft gehört Hansi Schmidt bis zur Flucht im November 1963 auch an. Der dritte Titel in Folge wird Moser jedoch versagt bleiben. Bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden gewinnt die Mannschaft- Hans Moser spielt sein viertes WM-Turnier- Bronze. Johnny Kunst, der Bukarester Handball-Papst, ist sich sicher, dass die Weltmeisterschaft nur deshalb verloren gegangen ist, weil Hansi in Deutschland geblieben ist. Der Siebenbürger Sachse Roland Gunnesch, 1970 und 1974 Weltmeister mit Rumänien, spricht von Pech. Die rumänische Mannschaft vergibt im Endspiel vier von fiinf Siebenmetern. 1968 wechselt Moser von Dinamo Bukarest als Spielertrainer zum TV Milbertshofen. Nach Ablauf des Sechs-Monate-Vertrags "vergisst" Moser einfach, nach Rumänien zurück zu fahren. Moser fiihrt die Milbertshofener 1970 in die Handball-Bundesliga. Und in der darauffolgenden Saison belegt der 34-Jährige in der Bundesliga-Torschützenliste mit 69 Treffern Platz drei hinter Hansi Schmidt (96) und Josef Karrer (75). 1972 wechselt Moser zum VfL Günzburg. Schon 1974 ist er mit diesem Klub in der obersten Spielklasse. Im selben Jahr wechselt er nach Augsburg. Von dort geht er 1978 wieder nach Milbertshofen, wo er bis 1980 als Trainer in der Bundesliga tätig ist. Von 1984 bis 1986 trainiert Moser Frisch AufGöppingen und erlebt den Zwangsabstieg der Mannschaft, weil nachgewiesen wird, dass der polnische Nationalspieler Jerzy Klempel nicht Amateur, sondern Profi ist. Doch nach einem Jahr ist Göppingen wieder in der Bundesliga. 1986 wird Hans Moser Profitrainer in der Schweiz. Er wird Emmenbrücke bis 1988 betreuen. Mit der Jugendmannschaft des Klubs gewinnt er den Schweizer Meistertitel. Mit der ersten Mannschaft be63


legt er den vierten Platz in der Schweizer Meisterschaft. Nach Beendigung des Engagements in der Schweiz ist er wieder Trainer in Göppingen, wo er auch als Lehrer arbeitet. Inzwischen ist er Rentner. Der am 23. April 1936 ebenfalls im Banat geborene Weltklassetorwart Michael Redl nimmt in seiner Laufbahn an vier Handball-Weltmeisterschaften teil, wird zweimal Weltmeister, 1961 und 1964, und einmal Vizeweltmeister, und zwar 1959 bei der WM in Österreich auf dem Großfeld. Dazu kommt eine WM-Bronzemedaille 197 6 in Schweden. Bei den WM-Turnieren in Österreich, in Deutschland und in der TscheMichael Red! choslowakei wird er zum weltbesten Torhüter gekürt. 1965 gewinnt er mit Dinamo Hukarest den Buropapokal der Landesmeister in Paris durch ein 13: II über Medvescak Zagreb. Mischi Redl wird 1987 Trainer bei Schwahing in München, wo sein Sohn das Tor hütet. Doch nach einem Jahr ist alles vorbei, denn die Mannschaft hat keinen Geldgeber mehr, die Spieler zerstreuen sich in alle Winde. Heute ist Redl Rentner. Redl und sein Vorgänger im Tor der rumänischen Nationalmannschaft, RudolfHaberpursch, sind die einzigen Deutschen aus Rumänien, die 1959 an der Großfeld-Weltmeisterschaft teilnehmen dürfen. Johnny Kunst hat nicht nur einmal bedauert, dass er seine besten Spieler im WM-Endspiel gegen Deutschland nicht einsetzen konnte. Er hat stets behauptet, dass er mit Spielern wie Dieter Jochmann, Walter Lingner und Kurt Wagner gegen die deutsche Mannschaft Weltmeister geworden wäre. Die rumänische Reservistenmannschaft unterliegt Deutschland mit 11:14 (6:6). Seine Erfolge, sagt Hansi Schmidt, habe er in erster Linie seinen Trainern zu verdanken. Er nennt neben Fischer den Temesvarer Constantin Lache, die Bukarester Eugen Trofin, Oprea Vlase und Johnny Kunst, dessen Lieblingsschüler er war. Von Kunst, dem rumänischen Handball-Papst, sagt Hansi: "Er war sehr intelligent, ein guter Trainer, aber auch ein großer Selbstdarsteller, der allerdings etwas zu verkaufen hatte." Der 1925 im Banater Städtchen Lugosch geborene Kunst beendet 1948 die Bukarester Sporthochschule, wo er als Assistent einsteigt und bis zur Pensionierung 1989 zum Professor aufsteigt. Er wird Handballtrainer des Bukarester Armeeklubs und der rumänischen Nationalmannschaft, Präsident des Rumänischen Handball-Verbandes, Vorsitzender der Trainer- und Methodikkommission, ferner der Trainerkommission der Internationalen Handball-Föderation. Johnny Kunst stirbt 1997 auf einer Japan-Reise. Ein wichtiger Mann in Hansis Anfangszeit ist der als Obmann und Macher beim Schülersportklub Banatul tätige Tibi Sfercociu, ein Handballbesessener, der stets bescheiden im Hintergrund wirkt. In den 1960er und 1970er Jahren hätte das kleine Banat im Südwesten Ru-

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mäniens eine Hallenhandball-Nationalmannschaft stellen können, die mit den Leistungsträgern Mischi Redl , Hans Moser, Hansi Schmidt und Josef Jakob als Mannschaftsrückgrat jede Mannschaft hätte besiegen können.

Student Nach dem Abitur 1960 wird Hansi Student an der Sporthochschule in Temesvar. Bei der Aufnahmeprüfung hat Hansi es mit Anton Höckl zu tun. Der Sportpädagoge prüft ihn . Hansi muss sich mit dem Thema Pawlow'sche Reflexe befassen. Friedrich Prinz prüft ihn in Basketball. Mit Stiinta Temesvar erringt Hansiden Titel eines rumänischen Vizemeisters 1961. Meister wird der Bukarester Polizeiklub Dinamo. Es ist ein Riesenerfolg angesichtsder Übermacht der Bukarester Klubs. Platz drei belegt derTemesvarer Lokalrivale Technometal. Schon in den Anfängen in der ersten rumänischen Liga ist Hansi Torschütze vom Dienst ftir seinen Temesvarer Klub Stiinta. In einem am 15. Januar 1961 in der Temesvarer Halle ausgetragenen Spiel im Winterpokal gegen den Lokalrivalen Technometa I steuert Hansi zehn Treffer zum 24:19 seiner Stiinta bei. Die weiteren Tore ftir Stiinta werfen: Albert Hartweg (6), Adrian Otoiu (3), Constantin Jude (3) und Edwin Sauer (2). FürTechnometal sind erfolgreich: Matthias Federspiel (5), Michael Gimpel (4), Hans Neusatz (4), Ernst Pflanzer (2), Josef Jakob (2), Oskar Sipos und Hans Bettendorf. Ende der 50er Jahre fahren die Handballer zu Auswärtsspielen noch mit der Eisenbahn, oft eine zeitraubende Angelegenheit. Die 600 Kilometer lange Reise von Temesvar nach Bukarest dauert neun bis elf Stunden, berichtet Dr. Hjalmar Sauer. Auf diesen langen Fahrten lernen sich die Spieler gut kennen. Hansi hat damals die Gewohnheit, sich einen Spieler zu krallen und stundenlange Gespräche zu führen , wobei er dazu neigt, Hauptredner zu sein und den Partner in die Rolle des Zuhörers zu drängen. Um zu Wort zu kommen, muss man schon geschickt Hansis Pausen nutzen. Sauer weiter: "Er war ein charmanter Erzähler, und die Gespräche waren sehr kurzweilig. Eines Tages war ich sein Gesprächspartner. Nach einer gewissen Zeit musste ich das Gespräch beenden, da eine Gruppe Kartenspieler auf mich wartete. Ich konnte dies aber Hansi nicht sagen. Er wäre zu Tode beleidigt gewesen, dass ich ein schnödes Kartenspiel seinen philosophischen Ausführungen vorgezogen habe." Also muss Sauer versuchen, ein kleineres, erträglicheres Risiko einzugehen. Dabei will er eine Marotte Hansis zu seinem Vorteil nutzen. Hansi liebt es, bei den Gesprächen einen ständigen Augenkontakt zum Gesprächspartner herzustellen, um eben dabei feststellen zu können, ob dieser auch gebührend aufmerksam dem Gespräch folgt. "Wenn man ihn dabei auch noch durch Gesten bestätigte, auf

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Zwischenbemerkungen verzichtete, war Hansi in seinem Element. Er konnte es überhaupt nicht ausstehen, wenn jemand durch umherschweifende Blicke einen Deut von Unaufmerksamkeit aufkommen ließ oder jemand es wagte, ihn zu unterbrechen. Das brachte ihn aus dem Konzept." Und genau diese Taktik wählt Hjalmar Sauer aufjener Fahrt. Nach einigen Minuten ermahnt Hansi ihn streng, doch eine gewisse Gesprächskultur zu wahren, und nach weiteren Minuten entlässt er Hjalmar äußerst gereizt aus dem Gespräch mit der Bemerkung, solch ein Verhalten habe er

Hansi Schmidt mit der Nummer 2 in der Bukarester Floreasca-Halle im Dress von Steaua Bukarest

von ihm, der doch aus gutem Elternhaus stamme, überhaupt nicht erwartet. Sauer weiter: "Nach einer kleinen Pause konnte ich ungestört mit den schon sehnsüchtig wartenden Kollegen Karten spielen, und Hansi hatte schon einen dankbareren Gesprächspartner gefunden. Mein heutiges ·Geständnis · fällt sicher unter Amnestie, zumal Hansi meistens großzügig vergeben kann." Im Herbst 1961 wechselt Hansi an die Sporthochschule Bukarest, wo er ein paar Monate für die Studentenmannschaft Stiinta spielen wird. Kaum ist er in Bukarest, hat Johnny Kunst, der Trainer des Bukarester Armeeklubs Steaua, ihn schon im Visier. Nach einem Spiel am 17. Dezember 1961 in der Bukarester DinarnoRalle um den sogenannten Winterpokal, praktisch eine Hallenmeisterschaft, in der Hansi 14 Treffer gegen Steaua wirft, kommt Johnny Kunst aufihn zu mit den Worten: "Ich hätte nicht gedacht, dass du uns allein besiegst." Johnny Kunst macht

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Hansi auch gleich das Angebot, den Klub zu wechseln. Unter vier Augen rät Kunst dem 19-Jährigen, er solle einen Antrag ans Kriegsministerium stellen, dass er als ordentlicher Student fiir den Armeeklub spielen wolle. Allerdings darf keiner erfahren, dass der Vorschlag von Johnny Kunst stammt, denn sonst verliert der womöglich seine Anstellung an der Sporthochschule. Der Antrag wird genehmigt. Hansi wird zum fur den Armeeklub zuständigen stellvertretenden Kriegsminister, General Burca, gebeten, der ihm zu seiner Entscheidung gratuliert. Hansi zieht aus dem Studentenheim in die fiir die Armeesportler bestimmte Kaserne um. Er bleibt Student und wird gleichzeitig Soldat. Das hat es bis dahin nicht gegeben. Es ist die Idee des Schlitzohrs Johnny Kunst, der so wieder einmal dem Polizeiklub Dinamo einen Klassemann wegschnappt und damit ein Schnippchen schlägt. Darum ist es auch kein Zufall, dass ein Geheimdienst-Oberstleutnant Hansi ein paar Tage danach zu sich bestellt. Er möchte wissen, ob Hansi aus freien Stücken zum Armeeklub gewechselt ist oder ob jemand anderer die Hände im Spiel hat. Hansi teilt dem Oberstleutnant mit, was ihm Johnny Kunst eingebläut hat. Doch jetzt droht ihm der Studentenklub mit der Exmatrikulation von der Hochschule. Hansi ist verunsichert, denn er will nicht die Hochschule mit der Armee vertauschen. Er verlässt die Kaserne des Armeeklubs Steaua in einer Nacht- und Nebelaktion, geht zurück ins Studentenheim und versteckt sich. Seine Kommilitonen Michael Fabian und Papuc bringen nach drei Wochen Johnny Kunst ins Studentenheim. Er sagt Hansi, er brauche sich nicht mehr zu verstecken. Das Problem sei gelöst. Doch Hansi traut dem Braten nicht. Und nun ist der Augenblick gekommen, wo der Geheimdienst erneut auf den Plan tritt. Vier Mann in Zivil fahren um 4 Uhr mit einem russischen Wagen der Marke Pobeda (zu Deutsch Sieg) vor, zwei holen Hansi auf dem Zimmer ab. Die drei Zimmerkollegen Hansis ziehen die Decken über den Kopfund tun, als ob sie schliefen. Die Geheimdienstleute fahren Hansi zum Kommissariat und bieten ihm eine Tasse Tee an. Gegen 6 Uhr geht es zum Armeeklub. Hansi sitzt lange auf dem Flur und wartet, er traut sich nicht, jemanden anzusprechen. Dann bittet ihn ein Oberleutnant ins Zimmer zu Oberst Aurelian Budeanu, der ihm mitteilt: "Wenn du weiter beim Armeeklub bleibst, läuft es, wie du es dir vorgestellt hast, wenn nicht, wirst du irgendwo auf dem flachen Land in der Armee versauern. Du hast jetzt Zeit, dir das zu überlegen." Mit diesen Worten ist Hansi erst einmal entlassen. Der Oberst lässt ihn drei Stunden auf dem Gang warten, kommt dann auf ihn zu und gratuliert ihm zu seinem Entschluss, weiter Sportsoldat bleiben zu wollen, ohne auf eine Antwort zu warten. Hansi versteht. Er istjetzt Student und Sportsoldat, verdient monatlich nur ein Drittel weniger als sein Vater als Arzt im Staatsdienst, wenn er denn einen Arbeitsplatz hat. Er trainiert täglich und besucht die Vorlesungen und Seminare an der Sporthochschule, wo sein Trainer Johnny Kunst als Chef des Handball-Katheders ein gewichtiges Wort mitspricht.

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Sportsoldaten werden in Bukarest verhätschelt. Auch Hansi . Ein Beispiel: Oberst Budeanu teilt Hansi mit, General Burca wolle sie beide sprechen. Als der 1,96 Meter große Hansi dem stellvertretenden Kriegsminister gegenüber steht, der mit seinen 1,58 Metern Napoleon ähnelt, hat er den Eindruck, dessen Augen würden ihn wie Röntgenstrahlen durchdringen. Ohne Einleitung teilt ihm der General mit: "Ich kleide dich jetzt neu ein. Du darfst dir Zivilkleidung anmessen lassen: Anzug, Schuhe und Mantel. Wenn du etwas benötigst, ich bin für dich da." Hansi bedankt sich, ist entlassen und denkt: "Auf dem Weg zu Gott fressen dich die Heiligen." Oberst Budeanu ist beim Armeeklub der Mann, der sich um die Belange der Sportler kümmern muss. Er sagt Hansi eines Tages: "Wenn du heiraten willst, sag es mir drei Wochen vorher, dann richte ich dir eine Wohnung ein." Budeanu schützt auch "seine" Jungs. Eines Tages fragt er Hansi, ob er die Sportstudentin Lucretia Anca kennt. Hansi kennt die Frau flüchtig , hat aber mit ihr nichts im Sinn. Der Oberst sagt, sie erzähle, dass sie und Hansi Heiratspläne schmiedeten. Der Rat Budeanus: "Meide sie, denn sie ist die Tochter des höchsten Geheimdienst-Mannes in Bukarest, gegen den kann ich dich nicht schützen. Da musst du dir selbst helfen." Hansi denkt nicht ans Heiraten. Ihn beschäftigt längst der Gedanke, wie er sich auf einer Auslandsreise absetzen kann. Nachts träumt Hansi laut, wahrscheinlich auch von diesen Absichten. Sein Zimmerkollege Olimpiu Totansagt es ihm, spricht aber mit niemanden darüber. Lediglich seinem Mannschaftskameraden Josef Jakob vertraut sich Hansi an, denn von dem hat er nichts zu befllrchten. Und dann hätte er beinahe einen irreparablen Fehler begangen. Er will sich mit einem anderen Mannschaftskollegen aussprechen. Ein Zufall verhindert das Gespräch. Später erfährt Hansi, dass jener ein Spitzel ist. Mit 18 wird Hansi zum ersten Mal in die rumänische Nationalmannschaft berufen . Es ist ein Länderspiel auf dem Schlackekleinfeld gegen Dänemark. Neben Hansi laufen auf: Gheorghe Covaci, Mircea Costache I und Mircea Costache II, Hans Moser, Vigil Hnat, Puiu Nodea, Cornel Otelea, Gheorghe Coman, Petre lvanescu und im Tor Michael Red I. Im selben Jahr spielt die rumänische Nationalmannschaft in Moskau im Rahmen eines Hallenturniers gegen die Sowjetunion und gewinnt 12:9. Hansi steuert ftinfTore bei , und die russische Presse feiert ihn als besten Spieler des Weltmeisters. Eine falsche Einschätzung, sagt Hansi. In diesem Spiel ist er der effizienteste Spieler, die anderen rund um ihn aber Weltklasse. Hansi ist in jener Zeit mit 19 noch ein Rohdiamant, so schätzt auch Johnny Kunst ihn in jener Zeit ein. Die Bukarester Zeit ist für Hansi wunderschön, er ist jung, ist versorgt, er wird verhätschelt. Rein sportlich und rein menschlich ist alles in Ordnung. Mit seinem Trainer Johnny Kunst kommt er klar. Er ist sein Lieblingsschüler. Kunst, der wie der rumänische Nationaltorwart Michael Redl aus dem Banater

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Städtchen Lugosch stammt, ist der Sohn einer Rumänin und eines Deutschen. Kunst spricht gut deutsch, doch mit dem Schreiben hapert es. Er heiratet in Hukarest eine promovierte Chemikerin und nimmt ihren Namen an. Seit der Heirat nennt er sich KunstGhermanescu. Seine Frau ist die Tochter des Mathematik-Genies Professor Ghermanescu. Seine Handballabhandlungen schreibt Kunst in Rumänisch. Wenn er Vorträge im Ausland oder bei der Internationalen Handball-Föderation halten soll, lässt er sie übersetzen, meistens von Redakteuren der deutschen Zeitung in Bukarest. Von Johnny Kunst, aber auch von älteren Klubkameraden wie Puiu Nodea, Virgil Hnat, Josef Jakob, Cornel Otelea und Kollegen im Nationalteam wie Hans Moser, Michael Redl oder Petre Ivanescu lernt Johnny Kunst Hansi viel. Es sind unterschiedliche Charaktere, bei denen junge Spieler Augen und Ohren offen halten müssen, um etwas mitzubekommen. Das sei der Unterschied zu den heutigen Spielern. Die Jungen hätten damals gewusst, wie sie sich einzuschätzen haben. Keiner habe auf die Medien geachtet, jeder sei sachlich zu Werk gegangen und habe keinen Rummel um seine Person veranstaltet. Die Medien berichteten sachlich, richtig und selten überschwänglich.

Ein "Spion" in Berlin Hansis Trainer in Bukarest verstehen es stets, aus der Mannschaft eine Einheit zu schweißen. Das Training ist stets methodisch gut geleitet. Handballlehrer wie Johnny Kunst erkennen sofort die Fähigkeiten der jungen Leute und entwickeln sie gezielt weiter. Gheorghe Co man, ein 1, 73 Meter "kleiner" Handballer, läuft in jener Zeit als Manndeckerund Dribbler zur Höchstform auf. Pompiliu Stoian von Rapid Bukarest dreht sich beim Strafwurf um die eigene Achse und wirft ein. Er kann den Ball behandeln wie ein Zauberer, er spielt seine Gegner verrückt, doch sein Spiel ist ineffizient, die Mannschaft verliert. Die Zuschauer kommenjedoch seinetwegen immer wieder. Einfallsreichtum ist gefragt. Den gibt es in jenen Jahren, aber nicht nur als reine Schau, auch zum Nutzen der Mannschaften. Es sind die Jahre, in denen der rumänische Hallenhandball zum Höhenflug ansetzt. Der erste Weltmeistertitel ist eingefahren . Johnny Kunst nutzt die Erfahrungen seiner deutschen Landsleute, der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen, die dem von Carl Sehelenz erfundenen Spiel in ihren Städten und Dörfern längst zum Durchbruch verholfen haben.

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Sehelenz trägt seinen Teil zur Verbreitung des Spiels in Siebenbürgen bei. Erbereist vor dem Zweiten Weltkrieg mehrmals Siebenbürgen und wirbt ftir den Handball. Seine Kontakte nach Siebenbürgen reichen bis in die Nachkriegszeit. Zwei erhaltene Briefe zeugen davon. "Der grausame Winter hat uns in Berlin schwer zu schaffen gemacht, so dass man fast unfähig war, irgend einen anderen Gedanken zu fassen, der außerhalb der täglichen Nöte stand." Das steht in einem Brief, den Carl Sehelenz am 6. April 1947 an Marianne Wonner geschrieben hat. Die am 5. Dezember 1914 im siebenbürgischen Städtchen Agnetheln geborene Marianne Wonner hat den Brief zusammen mit einem Schreiben vom 7. Juli 1946 und zwei Fotos über Jahre und Grenzen hinweg gerettet. Die Briefe sind Hilferufe eines Hungernden im Nachkriegsdeutschland. Die Fotos stammen aus besseren Tagen vor und während des Kriegs. Die beiden Briefe enthalten die Gedanken eines Verzweifelten. "Jetzt ist der Frühling wieder da, und man erwacht zu neuer Kraft, um den schweren Kampf ums Leben fortzusetzen. Brutal ist nur der Hunger, der einen so apathisch macht. Ein Zustand, den nur der versteht, der ihn jahrelang erduldet hat. Ich denke oft an den Maisbrei, den bei Euch die armen Leute essen (Kukurutz?!), der ftir mich heute ein Festessen wäre in jeder Menge und Gestalt." Und Schelenz, der sich noch hervorragend der guten alten Zeiten vor dem Krieg in Siebenbürgen erinnert, schreibt weiter: "Ich weiß nicht, wie es jetzt bei Euch aussieht, hier in Berlin sterben besonders ältere Menschen täglich zu Hunderten an Unterernährung." Wie wenig der am 6. Februar 1890 geborene Sehelenz von dem weiß, was im von den Russen besetzten Europa geschehen ist, zeigt, wenn er die Hoffnung und die Bitte äußert: "Wenn Du die Möglichkeit hättest, Maismehl oder andere Nahrungsmittel zu schicken, vielleicht unterstützt durch Mädel oder Jungen, die sich meiner freudebringenden Arbeit noch erinnern können, wäre ich Dir von ganzem Herzen dankbar. Von der Ernährung hängen nun mal die Schaffenskraft und der Lebensmut ab." Weiter schreibt Schelenz, dass er auch gern wieder nach Siebenbürgen käme, "um das grausame Erleben der Nachkriegszeit zu vergessen ... " Aber den Handball hat er noch nicht abgeschrieben, obzwar der Aufdruck auf dem Umschlag des Briefes von 1947 geändert ist. Darauf steht jetzt unter dem Namen Carl Sehelenz nicht mehr Dipl.-Sportlehrer, sondern Juwelier, Berlin-Charlottenburg 5, Königsweg 66. "Schreibe mir doch einmal, wie sich bei Euch Handball entwickelt hat und ob Ihr noch Volkstänze pflegt", wendet er sich an Marianne Wonner. "Was macht der Kreis der mir bekannten Männer u. Frauen aus Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Kronstadt, Bistritz etc. Lebt Theo Seewald noch, und was macht seine Mühle." Der erste Brief nach dem Krieg an Marianne Wonner "soll ein Lebenszeichen sein", schreibt Schelenz. "Ein Ruf zurück an die Zeit, als wir noch unbedrängt

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von Krieg und Nachkriegsleiden die Jugend für Spiel und Tanz begeistern konnten. Wenn wir uns auch seit 1938 nicht mehr sehen und sprechen konnten, so waren doch meine Gedanken oft in Siebenbürgen, dem Land, das mir viel Kraft und Erbauung gegeben hat. Dem Land, in dem für mich Geben und Nehmen gleich stark in Erfüllung" gegangen sind. " Werde ich je diese Schönheiten noch einmal genießen können?", fragt Schelenz. Schon in diesem ersten Brief spricht Sehelenz von der traurigen Lage, dem Elend und der Not: "Ich sehne mich nach Ruhe und Ordnung, um wieder den Glauben an die Anständigkeit der Menschen zurück zu gewinnen. Wer immer geneigt war, nur Gutes zu tun, ist erschüttert von der nackten Hässlichkeit und Selbstsucht der lieben Mitmenschen. Es gibtjetzt viel Elend und Sorge im deutschen Land. In der Großstadt Berlin besonders. Die geringe (dieses Wort ist unterstrichen, Anmerkung des Autors) Ernährung nimmt einem die Kraft und den Schwung zum Lebenskampf. Eine Existenz muss auch neu aufgebaut werden. Trümmer und Lumpen ringsherum." Doch schon im nächsten Satz klingt Optimismus durch: "Und dennoch. Die Jugend und wer mit ihr lebt, lässt sich nicht erschüttern. Es ist erstaunlich, mit welcher Vitalität sie sich über vieles hinwegsetzt. Wir Älteren stehen viel stärker unter dem Einfluss der Zeit. Wenn man wenigstens etwas zu rauchen (unterstrichen, Anmerkung des Autors) oder Kaffee (unterstrichen, Anmerkung des Autors) zum Ankurbeln der Lebensgeister bekäme, dann würde man wieder froher und mutvoller in die Zukunft schauen. Wie wäre es denn mit einem Posten als Olympia-Handball-Trainer für Rumänien?" Und Sehelenz fügt sofort in Klammern hinzu: "Lache nicht!" Wie Sehelenz den Handball an den Harbach bringt, wo Agnetheln liegt, schildert die begeisterte Handballerin und Trainerin Marianne Wonner folgendermaßen: Eines Tages wird die Jugend Agnethelns zu einem Vortrag in den Traubesaal gerufen. Es muss 1932 oder 1933 gewesen sein. In der Mitte des Saales steht ein Mann an einem Tischehen und kündigt an , dass er etwas über das in Deutschland erfundene Handballspiel sagen wolle. Es ist Carl Sehe lenz. Er zeichnet mit Kreide ein Spielfeld auf den Tisch und legt elf weiße und elf schwarze Steine darauf. Handball sei ein sportliches Kampfspiel , sagt er. Handball müsse sportlich und fair ausgetragen werden. Anband der Zeichnung und der Steine erklärt er in aller Kürze einige Regeln und die Taktik des Spiels. Schließlich lädt er ftir den nächsten Tag auf den Sportplatz ein. Das ist der Auftakt des Handballspiels in Agnetheln. Carl Schelenz, der 1917 an der Sporthochschule Berlin-Charlottenburg das Handballspiel erfunden hat, reist unermüdlich durch Europa, um ftir den Sport zu werben. Nach seiner aktiven Zeit als Handballer ist Sehelenz von 1926 bis 1933 und von 1940 bis 1945 deutscher Nationaltrainer. In den alten Meisterlisten ist sein Name auch als Karl Sehelenz zu finden. Er ist

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1916 und 1917 deutscher Meister im Weitsprung mit 6,61 und 6,39 m, ein Jahr später mit 1,75 im Hochsprung. Das Nachkriegsschicksal verschlägt Sehelenz nach Flensburg, wo er mehrere Jahre lang an der Sportschule Mürwik lehrt. 1954 kehrt er heim nach Berlin. Zu diesem Zeitpunkt sind seine Verdienste schon längst Geschichte. Er bedarf keiner Anerkennung mehr. Sehelenz stirbt am 7. Februar 1956, einen Tag nach seinem 66. Geburtstag, an den Folgen eines Herzschlages. Sehelenz ist "in den Sielen" gestorben, heißt es in einem Zeitungsbericht Der Tod hat ihn mitten in seiner Lehrtätigkeit bei Sporttreibenden der britischen Garnison während einer kurzen Pause ereilt.

Die Wegbereiter einer einmaligen Erfolgsserie Kein Ballspiel hat Rumänien solche Erfolge beschert wie der Handball. Der Aufstieg des rumänischen Handballs ist eng verbunden mit den Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. Die Rumäniendeutschen sind die Wegbereiter des Siegeszuges, den der Handball in diesem Land erfahren hat. Der in Siebenbürger und Banater Städten und Dörfern eingeleitete Siegeszug des rumänischen Handballs gipfelt in dem Gewinn von vier Weltmeistertiteln in der Halle bei den Männern - das ist ein Weltrekord, den die Schweden erst 1999 einstellen, - und drei WM-Siegen bei den Frauen . Das sind sieben Weltmeistertitel, errungen in 18 Jahren- von 1956 bis 1974. Der Triumphzug des rumänischen Männer-Handballs vom Nobody zum Rekord-Weltmeisterdauert gar nur 13 Jahre: von 1961 bis 1974. Erfolgreicher als die Rumänen sind nur die Deutschen mit zwölfWM-Titeln. Ohne eine Reihe von deutschen Spielern und Spielerinnen wären die insgesamt sieben Weltmeistertitel und die Olympiamedaillen, die Rumänien für sich verbuchen kann, nie zu gewinnen gewesen. Der Handball in Siebenbürgen und im Banat entwickelt sich fast im Gleichschritt mit jenem im Mutterland. Das erste Handballspiel zwischen zwei Männermannschaften findet am 1. Februar 1920 in Berlin statt. Der Hermannstädter Turnlehrer Wilhelm Binder sitzt in Berlin als "Spion" auf der Tribüne und bringt das Regelwerk von der Studienreise aus Deutschland mit nach Siebenbürgen. Über das wohl erste Handballspiel in Rumänien berichtet das Hermannstädter Tageblatt im Frühsommer 1921. In dem Bericht vom traditionellen Schauturnen an der Brukenthalschule heißt es: " ... das Korbballspiel konnte das Gymnasium 2:1 für sich entscheiden, während im Handballspiel die Realschule 1:0 die Oberhand behielt." 1936 nimmt eine fast ausschließlich aus Siebenbürger Sachsen bestehende

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Handballmannschaft an den Olympischen Spielen in Berlin teil. Von den Spielern leben 2005 noch vier: Wilhelm Zacharias, Hans-Georg Herzog, Wilhelm Heide) und Hans Hermannstädter. Das siebenbürgische Hermannstadt bleibt mehr als zwei Jahrzehnte HandballHochburg. Der Hermannstädter Turn-Verein gewinnt von 1932 bis 1938 sämtliche Ladesmeistertitel - insgesamt sieben . Bis 1950 holen ausschließlich siebenbürgische Mannschaften den Meistertitel. 1939 trägt sich der BistritzerTurnverein als zweite Mannschaft in die Meisterliste ein. Der Handballbetrieb ist jedoch durch den Krieg unterbrochen. 1942 und 1943 wird die Mannschaft des Mediascher Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasiums die Titel holen. Die zehn Titel vor dem Zweiten Weltkrieg gehen an Mannschaften, in denen ausschließlich deutsche Spieler mitwirken. Die vier ersten Nachkriegsmeisterschaften machen Siebenbürger und Banater Mannschaften fast unter sich aus. In den Siebenbürger Mannschaften stehen weiterhin fast ausschließlich deutsche Spieler und Spielerinnen. Den ersten Nachkriegsmeister stellt Victoria Schäßburg. 1947 entscheidet Wilhelm Lapka mit Karres Mediasch die Meisterschaft für sich . 1948 ist die Reihe wieder an Schäßburg, und zwar an dem Arbeitersportklub, dem Nachfolger der Victoria. 1948 stellt Schäßburg nicht nur den Männer-, sondern auch den Frauenlandesmeister. Ein Jahr darauf geht der Titel wieder nach Hermannstadt 1950 wird Arsenal Hermannstadt durch einen 2: 1-Sieg im Finale gegen den Bukarester Armeesportklub CCA, später Steaua, Pokalsieger. Die Meisterschaft 1950 verliert die Mannschaft von Derubau Hermannstadt in einem von den Schiedsrichtern manipulierten Endspiel an den Armeesportklub CCA. Es ist die Zeit, in der der Handball-Verband in Bukarest sich anschickt, die Vormachtstellung der deutschen Vereine zu beenden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird jedes Mittel angewandt. Im Frauen-Handball ist das siebenbürgische Mediasch nach dem Krieg tonangebend. Dort leisten Olympiateilnehmer Bruno Holzträger und sein Schwager Wilhelm Lapka ganze Arbeit. Die Meistertitel in den Jahren 1949, 1950 und 1951 gehen an Mediascher Frauen-Teams. Auch die Herren-Mannschaft der Lederfabrik Karres in Mediasch wir mit Lakpa 194 7 Landesmeister. Der Bukarester Armee- und der Polizeiklub ziehen von da an die besten Spieler an Land. Jetzt spielt die Musik in Bukarest. Der Abzug der vielen Spieler nach Bukarest bedeutet einen gewaltigen Aderlass. Diesen Spielerverlust und die Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld und auf die Halle wird der Siebenbürger Handball nicht verkraften . Im Banat, der Heimat Hansis, hat es der Kleinfeldhandball einfacher, weil durch den Umbau der Reithalle aus Kaisers Zeiten in Temesvar eine Sporthalle zur Verfügung steht. Darin tragen zwei Schülermannschaften am 11. Februar 1951 das

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erste Hallenhandballspiel aus. Weil Temesvar zum Unterschied von Hermannstadt und Kronstadt in Siebenbürgen mehrere Hochschulen hat, wird es im Hallenhandball eine größere Rolle spielen. Die Universitätsstadt zieht den Nachwuchs an. Eine Reihe junger Sachsen wird hier zu Weltklassespielern: Edeltraut Pranz, Gerlinde Reip und Roland Gunnesch. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind bis 1960 etwa 50 Prozent der Handballer in der ersten rumänischen Liga Deutsche. In der Nationalmannschaft sind die Deutschen, obwohl nicht gerne gesehen, sogar zu 60 Prozent vertreten. In der ersten Hälfte der 50er Jahre stellen die siebenbürgischen Städte Mediasch, Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt die meisten Nationalspieler.

WM-Überraschung in Dortmund In en 50er Jahren tritt die rumänische Nationalmannschaft kaum mit deutschen Spielern in ihren Reihen im westlichen Ausland an. Mit dem politischen Tauwetter Anfang der 60er Jahre kommen auch mehr deutsche Handballer in den Reihen der rumänischen Nationalmannschaft im westlichen Ausland zum Einsatz. Beim ersten rumänischen WM-Sieg im Hallenhandball 1961 in Dormund, der damals noch als Sensation eingestuft wird, spielen mit dem Lugascher Michael Red! (Tor) und dem Temesvarer Hans Maser zwei Deutsche in der Weltmeistermannschaft Bei der WM 1964 in der Tschechoslowakei, als Rumänien mit seiner wohl stärksten und elegantesten Mannschaft aller Zeiten den WM-Titel erfolgreich verteidigt, stehen mit Josef Jakob, Red! und Maser drei Deutsche in der rumänischen Mannschaft. Und wenn sich Hansi Schmidt ein paar Monate vorher nicht in Deutschland abgesetzt hätte, wäre sogar ein vierter Deutscher dabei gewesen. Diese Deutschen sind nicht etwa Reservespiel er, sondern das Rückgrat der Mannschaft, die Leistungsträger. Bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden, wo Rumänien den dritten Platz belegt, hat neben Maser und Jakob der ftir Politechnica Temesvar spielende Siebenbürger Sachse Roland Gunnesch seine ersten WM-Einsätze. Er gewinnt bei den Weltmeisterschaften 1970 in Frankreich und 1974 in der DDR zwei WM-Titel und ist mit seinen bei den Olympischen Spielen in München 1972 und Montreal 1976 gewonnenen Bronze- und Silbermedaillen neben Hansi Schmidt, Hans Maser und Michael Redl der erfolgreichste rumäniendeutsche Handballer. Zusammen mit ihm steht auch der in Reschitza, der Banater Stahlfeste, geborene Werner Stöckl 1974 in der Weltmeistermannschaft Neben Gunnesch gehören zur rumänischen Olympiamannschaft 1972 Stöckl und der aus Siebenbürgen stammende spätere Bundestrainer Sirnon Schobel. Zu den Stützen der Olympiamannschaft, die 1976 in Montreal Silber gewinnt, gehört neben Gunnesch und Stöckl auch der aus dem Banater Donaustädtchen Orschowa stammende Alexander Fölker von Pali Temesvar, heute Manager im hessischen

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Melsungen. Doch erfolgreicher als alle Männerist die Siebenbürgerin Anna Stark. Die Honigbergerin ist mit drei gewonnenen WM-Medaillen- zwei auf dem Großfeld und eine in der Halle - sowie mehreren Landesmeistertiteln eine der erfolgreichsten Handballerinnen überhaupt. Ebenso viele WM-Titel gewinnt die aus dem siebenbürgischen Heldsdorf stammende Maria Scheip-Constantinescu. Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles erzielt der rumänische Handball mit dem Gewinn der Bronzemedaille seine letzten nennenswerten Erfolge . In dieser Mannschaft steht mitAlexander Fölker nur noch ein rumäniendeutscher Spieler. Der Niedergang des rumänischen Handballs hat längst eingesetzt. Die Deutschen verlassen das Land. Ob die Auswanderung zum Niedergang beigetragen hat? Diese Frage beantwortet der langjährige Generalsekretär des Rumänischen Handball-Verbandes, Lucian Grigorescu ( 1924-1990), kurz vor seinem Tod ausweichend: Er wolle die Leistungen der Rumäniendeutschen in den Auswahlen des Bukarester Handball-Verbandes nicht in Frage stellen. Der wichtige Beitrag der Sachsen und Schwaben zur Entwicklung des rumänischen Handballs sei in der Vorbildfunktion ihrer Sportlehrer, Trainer und Schiedsrichter, also in der Arbeit an der Basis, zu sehen. Doch den anderen Teil der Wahrheit will und darf Grigorescu wohl nicht sagen: Diese deutschen Lehrer und Trainer hätten bestimmt auch auf höherer Ebene etwas leisten können, hätte man ihnen nur die Chance gegeben. Einen Kunst und einen Grigorescu gibt es nicht mehr. Auch die Deutschen fehlen. Sie haben Rumänien verlassen. Mit der Herrlichkeit des seiner Wurzeln verlustig gewordenen rumänischen Handballs ist es vorerst vorbei. Vielleicht trauert der eine oder andere, der über den Tellerrand hinaus blicken kann, dem nach, was Deutsche an der Basis geleistet haben. Denn wo sind die Zeiten, als deutsche Dorfmannschaften in die erste Liga aufgestiegen sind? Lang ist es her, dass Perjamosch in der Banater Heide Anfang der 1950er Jahre die erste Dorfinannschaft in der ersten Großfeldhandball-Liga der Herren, das siebenbürgische Zeiden im Oberhaus der Frauen und Lowrin im Banat den ersten Hallenhandball-Dorfverein in der höchsten Spielklasse gestellt haben. Fast ebenfalls ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die Dorfelf von Bogarosch in der Banater Heide den Einzug ins Oberhaus geschafft hat. Mit Wehmut denkt vielleicht mancher an die Zeit zurück, als noch an Schulen im Banat und Siebenbürgen Handball gespielt wurde. Heute gibt es in Rumänien praktisch keine Kreismeisterschaft mehr. Eine Minimeisterschaft hat noch der Kreis Temesch im Banat mit drei Mannschaften. Uns fehlen die Gegner, so vor kurzem ein Trainer, einer der letzten Handballverrückten im Banat. In den 1960er und 1970er Jahren ist das noch anders. Spieler und Mannschaften werden gefordert, doch sie sind auch bereit, Leistung zu bringen. In jener Zeit gilt

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noch: Liegt eine Mannschaft mit ftinf Toren vorne, versucht die Mannschaft den Vorsprung auf zehn auszubauen. Solch eine Einstellung wird in jenen Jahren den Handballern im Banat und Siebenbürgen von klein auf vermittelt. Das bewahrt aber keine noch so gute Mannschaft vor Überraschungen. Hansi Schmidt und Steaua Bukarest gewinnen den Pokal der sozialistischen Armeen durch einen Sieg mit einem Tor Differenz im Finale in Bukarest. Kaum ist das Turnier beendet, nimmt Erzrivale Dinamo die Mannschaft des Armeeklubs mit 19:5 regelrecht auseinander. Inzwischen hat sich alles gewandelt, sagt Hansi Schmidt. Heute ist der Sieg Mittel zum Zweck, der beispielsweise Olympische Spiele heißen kann . In Wirklichkeit geht es den Sportlern gar nicht mehr um den olympischen Gedanken. Für Hansi bedeutet Sport Freude an der Bewegung. In Bukarest muss er sich viel bewegen. Johnny Kunst lässt seine Spieler beim Armeesportklub täglich trainieren. Und wenn die Nationalmannschaft für ein Großereignis vorbereitet werden muss, unterbricht der Verband die Meisterschaft und richtet bis zu ftinf Monate dauernde Trainingslager ein. Hansi macht die Vorbereitungen ftir die Weltmeisterschaft 1964 mit. Die Spieler sind bei Dinamo Bukarest kaserniert. Ihnen wird alles geboten. In einem speziellen Raum sind alle nur denkbaren Leckereien für die Spieler hergerichtet. Sie dürfen sich wann immer bedienen. Auch die ärztliche Betreuung beim Armeeklub und in der Nationalmannschaft ist hervorragend. Beim VfL Gummersbach ist sie schlicht nicht vorhanden, bei Stiinta in Temesvar ebenfalls nicht. Eines Tages stellt der Steaua-Arzt fest, dass Hansis Blutdruck erhöht ist. Er verordnet ihm Ruhe . Der General aber will, dass er spielt. Doch der Arzt setzt sich durch , der General muss sich fügen. Der Unterschied zwischen Steaua Bukarest und dem VfL Gummersbach ist so gravierend wie jener zwischen den Fußballmannschaften von Real Madrid und Borussia Mönchengladbach, um ein Beispiel Günter Netzers zu nennen, so Hansi Schmidt. In Bukarest verfolgt Hansi ein Ziel: Er will ein effizienter Spieler werden und das Beste aus sich herausholen. Hansi kann sich noch lebhaft an seine Kindheit in Marienfeld erinnern, doch die Temesvarer und Bukarester Zeit ist fast völlig aus seinem Gedächtnis gelöscht. Die habsburgisch geprägte Stadt Temesvar hat ihm etwas bedeutet, Bukarest erlebt er nicht richtig. Das Leben spielt sich zwischen Klubhaus, Hochschule und Sporthalle ab. Befindet sich die Klub- oder die Nationalmannschaft im Trainingslager, wird drei- bis viermal täglich trainiert. Nach dem letzten Training zwingt Trainer Johnny Kunst die jungen Spieler zu einem letzten Kraftakt. Der sieht so aus: In der Hallenmitte liegen 20 Bälle . Im Tor der Nationalmannschaft steht der Weltklassemann Michael Redl. Der Spieler muss zur Hallenmitte laufen, von dort starten, mit oder ohne Ball, um von der vom Trainer angegebenen Position aufs Tor zu werfen. Entweder muss der Spieler im Dribbling starten, oder aber wirft ihm ein Mitspieler im Lauf den Ball zu. Auf dem Rückweg vom Schusskreis zur Hallenmitte wird die Zeit gestoppt, in der das

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Jungtalent die Strecke zurücklegt. Alles wird auf Papier festgehalten und später analysiert. Nach 50 Sprints über das halbe Spielfeld, die mit Würfen aufs Tor abgeschlossen werden, fallt Hansi abends wie tot ins Bett. Seinen jungen Mitspielern ergeht es ebenso. Die Trainer holen mit allen Mitteln alles aus den Spielern heraus. Steaua und das Klubhaus in der Stefan-Furtuna-Straße in Bukarest sind Hansis zweites Zuhause. Er ist als 19-Jähriger auf sich allein gestellt, kann sich aber bei Steaua voll auf den Sport konzentrieren und dazu noch studieren. Der Armeeklub ist für ihn ein Riesengewinn und auch das Tor in die Freiheit. Die Freiheit ist etwas, was ihn nicht mehr los lässt. Auf das Glück muss man zugehen, sagt er sich. Deshalb ist er auch zum Armeeklub gewechselt. Für die Freiheit ist er bereit, alle Vorteile aufzugeben, die ihm der Sport beim Armeeklub in Bukarest bietet.

Zeitzeugen

Hedwig Merle-Schmidt: Die Karriere in Zeitungsausschnitten miterlebt Meine ersten Erinnerungen an Hansi und sein geliebtes Marienfeld reichen ins Jahr 1946 zurück. Nach der Heirat mit Josef Schmidt, dem Bruder seines Vaters, den Hansi und seine Schwester stets liebevoll Motorrad-Onkel nannten, führt mich der erste Besuch in die Hintergasse nach Marienfeld am Rande der Banater Heide. Das wunderschöne Elternhaus steht unweit des Dorfsportplatzes. Diese Anlage mit den beiden großen Fußballtoren war für den lebhaften, großgewachsenen Jungen eine größere Attraktion als Schule und Hausaufgabenmachen. Er fand damals jedenfalls mehr Gefallen an Bewegung als am Rechnen, Schreiben und Lesen. Das führte oft abends daheim in der Hintergasse zu einer geladenen Atmosphäre, wenn es Zeit zum Abendessen war, Hansi aber noch auf dem Sportplatz die Bälle warf. Ich sehe ihn noch heute vor mir, ein bisschen verängstigt, schweigend, den Blick auf den Teller gerichtet, auf dem dank der gütigen Mutter doch noch etwas lag.

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Ich glaube, dass schon damals der Grundstein ftir seine Handballkarriere gelegt wurde. In den Sommerferien war es ftir Hansi eine Abwechslung, wenn er mit dem Pferdewagen ins nicht weit gelegene Grabatz zu Hedi-Tante und MotorradOnkel fahren durfte. Es war eine Abwechslung und gleichzeitig ein Entfliehen aus dem "Strafkreis" der strengen Erziehung im Elternhaus. Bei meinem Mann und mir war alles zeitloser, freier und unbeschwerter, zumal die Besuche auch in die Ferien fielen . Die Jahre nach 1946 vergingen im steten Wechsel des wirtschaftlichen und politischen Umbruchs, mit dem jeder auf seine Weise zurechtkommen musste. Während der Schuljahre auf dem Gymnasium in Temesvar schickte Hansi immer wieder einmal eine Grußkarte. Hansi hat Onkel und Tante nie vergessen. Der letzte Gruß vor seiner Flucht kommt auf einer Postkarte aus Bukarest. Damals war er schon ein bekannter Handballer, der schon mit dem Gedanken spielte, den Schritt in die große Freiheit zu wagen. In den folgenden Jahren verfolgten wir mit Stolz und großem Interesse den Werdegang des Hansi Schmidt. Ein Onkel, der seit Kriegsende in Sindelfingen lebte, sammelte Bilder, Berichte und Zeitungsausschnitte und schickte sie uns laufend zu. Dabei waren Aufnahmen, die beschriftet waren: fliegender Kleiderschrank, der schwerelos im Raum steht und anschließend die Torsteher das Fürchten lehrt. Für uns, die wir hinter dem eisernen Vorhang lebten, lösten diese Nachrichten Sehnsucht, Freude aus, sie sagten uns, dass wir die Hoffnung auf eine andere Zukunft nicht aufgeben dürfen. Eines Tages ist ein Brief eingetroffen mit der frohen Botschaft: " ... wir beide möchten unseren Lebensweg gemeinsam gehen." Karin und Hansi sind noch heute ein Paar. Wie es der Lauf der Zeit so bringt, vergrößerte sich die Familie da wie dort, Söhne wurden geboren, die Leidenschaft ftir den Handball hat keinen ergriffen, wahrscheinlich, weil der Manenfelder Sportplatz fehlte . Und wieder vergingen die Jahre, und woran keiner glaubte, der eiserne Vorhang ist gefallen, die Hoffnung wurde zur Wirklichkeit. 1988 ist meine Mutter nach einem Unfall zur Operation nach Berlin gekommen, wo schon mein Sohn Herbert mit seiner Frau Anni lebten. Oma wurde am Hüftgelenk operiert und wieder gesund. Genau ein Jahr danach landete ich in BerlinTegel. Eine neue Welt voller Licht, Schönheit und voller Fallen tat sich auf, in der man erst zu leben lernen musste. Wir haben von vorn begonnen. Eines Tages läutet das Telefon . Meine Mutter hebt den Hörer auf. Am anderen Ende der Leitung Hansi . Die alte Frau ist erschrocken, nervös und völlig unvorbereitet, um die Telefonnummer eines Berliner Hotels zu notieren. Ich sollte ihn dort anrufen. Es war die erste Möglichkeit, uns nach Jahren wiederzusehen. Hansi war nach Berlin gekommen, um am "Länderspiel" der Seniorenauswahlen der Bun78


desrepublikund der DDR teilzunehmen. Zu Hause angekommen, sagt meine Mutter, Hansi ist in Berlin, ich soll im Hotel anrufen. In ihrer Aufgeregtheit hat sie jedoch die Ziffern kreuz und quer aufgeschrieben, sie waren nicht mehr zur richtigen Telefonnummer zu ordnen. Weil auch seine Frau Karin in Gummersbach nicht wusste, in welchem Hotel Hansi wohnt, konnte ich ihn nicht erreichen. Als ich enttäuscht und ein wenig verärgert das Zimmer meiner Mutter betrat, saß sie weinend mit einem Rosenkranz in der Hand. Sie betete, damit Hansi doch noch anrufen möge. Vergebens. Am nächsten Tag habe ich in der Zeitung einen Artikel über das Handballspiel gelesen. Dazugestellt war ein Foto, das Hansi im Sprungwurf zeigt. Diese Gelegenheit zum Wiedersehen haben wir also verpasst. Obwohl ich es nicht mag, im Mittelpunkt zu stehen, haben meine Kinder zu meinem 70. Geburtstag im Garten von Anni und Herbert ein Sommerfest veranstaltet. Eine Überraschung war auch eingebaut: Als ich an nichts dachte, kamen aus dem Wintergarten Karin und Hansi hervor. Nach Jahrzehnten der Trennung waren wir uns wieder ganz nah. Ein Wunsch ist in Erfüllung gegangen: Wir waren wieder beisammen. Weitere Begegnungen im größeren Familienkreis sollen folgen.

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Marienfeld 1944

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Tor zur Freiheit Rumänischer Nationalspieler Mit Steaua Bukarest wird Hansi rumänischer Vizemeister auf dem Großfeld. Die Mannschaft verliert das entscheidende Spiel gegen den Erzrivalen Dinamo Bukarest, weil unter anderen Spielmacher Olimpiu Totan einen schlechten Tag erwischt hat. In dieser Mannschaft ist Hansi neben Aurel Bulgaru Hauptvollstrecker. Die Begegnungen zwischen Steaua und Dinamo, zwischen Armee- und Polizeiklub, arten stets in furchterliche Kämpfe aus. Die Spiele werden hochstilisiert. Der Kampf um die Vorrangstellung des Innen- und des Kriegsministeriums hört während der kommunistischen Zeit nie auf. Er wird stellvertretend auf den Sportplätzen ausgetragen. Beim Bukarester Armeeklub kommt es vor, dass Trainer ab und an Spieler ftir ihre Sportart abwerben. Ein Beispiel ist der Weltklassemann auf der halbrechten Position Gheorghe Gruia. Als Steaua-Trainer Johnny Kunst sieht, mit welcher Sprungkraft Gruia Volleyball spielt, spricht er ihn an und holt ihn in die Handball-Abteilung des Klubs. Eine Erfolgsgeschichte beginnt. An Hansi Schmidt haben gleich mehrere Trainer Interesse. Der Basketball-Trainer, es ist der Bruder des HandballNationaltrainers Nicolae Nedef, hätte ihn gerne in seiner Mannschaft. Der Rugby-Trainer spricht ihn an, aber auch der Leichtathletik-Trainer, der aus ihm einen Hammerwerfer formen will. Hansi bleibt dem Handball treu, auch wegen der Schulterverletzung, die er sich in Temesvar zugezogen hat. Ab 1962 gehört Hansi Schmidt zum Stammkader der rumänischen Nationalmannschaft, mit der er 18 Spiele bestreitet. Im November 1962 unternimmt er mit der rumänischen Mannschaft eine Tournee durch die Sowjetunion und Finnland. In Moskau stehen drei Spiele auf dem Programm, in Tiflis zwei, weitere zwei in Leningrad und eins in Helsinki. Gegner sind die sowjetische Nationalmannschaft, die sowjetische Jugendauswahl und die Mannschaft der Russischen Republik. Die rumänische Mannschaft gewinnt sämtliche Spiele, jenes in Helsinki wird gegen einen drittklassigen Gegner zu einer wahren Handballdemonstration. In diesen Begegnungen spielen ftir Rumänien: Michael Red!, Ion Bogolea, Hansi Schmidt, Virgil Hnat, Cornel Otelea, Petre lvanescu, Hans Moser, Mircea Costache I, Gheorghe Badulescu, Olimpiu Nodea, Mircea Costache II, Gheorghe Covaci, Gheorghe Coman und Otto Tellmann.

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Zum 32:17 am 30. November 1962 in Helsinki steuert Hansi Schmidt ftinfTore bei, weil seine Nebenleute ihn in die glückliche Lage versetzen, dass er fünfmal werfen kann und eben so oft trifft. Zu mehr reicht es nicht, denn Hansi verletzt sich und muss wegen eines geschwollenen Knöchels aussetzen. Heim reist die Mannschaft mit dem Zug über Moskau. Hansi belegt im Schlafwagen das obere Bett. In der Nacht tritt er beim Aufstehen mit dem Schienbein gegen das Tischehen unter dem Fenster. Er verletzt sich so schwer, dass er vor Schmerzen ohnmächtig wird. Mit ein paar Ohrfeigen belebt sein Mannschaftskollege Otto Tellmann ihn. Der Bluterguss ist bald vergessen, doch die Fissur am rechten Schienbein ist heute noch zu sehen. Über Chisinau, die Hauptstadt der Republik Moldau, erreicht die Mannschaft Bukarest. Hansi steigt um in einen anderen Zug Richtung Banat. Sein Ziel ist Marienfeld im Südwesten des Landes, wo er die Eltern besuchen möchte. Schon vor der Abreise nach Helsinki hat er in Leningrad, heute wieder St. Petersburg, einen russischen Staubsauger und ein in der DDR gefertigtes Heizkissen für die Mutter gekauft. Russische Staubsauger sind besser als die rumänischen. Heizkissen werden in Rumänien nicht hergestellt. Als Hansi nachts in Marienfeld ankommt, ist alles zugeschneit. Er humpelt durch den frisch gefallenen Schnee den Kilometer nach Hause. Von Nachbars Hof aus klopft er ans Fenster und weckt seine schon schlafenden Eltern. Der Vater hat eben eine schwere Operation gut überstanden. Der Besuch ist nach einem Tag zu Ende, die Weihnachtsgeschenke sind schon vor der Bescherung überreicht. Mutter und Vater freuen sich über den Staubsauger und den Sohn . Schon deshalb hat sich die Hunderte von Kilometern lange Bahnreise gelohnt. Von Vater und Mutter angenommen zu werden ist ihm ganz wichtig. Hansi ist seit dem 14. Lebensjahr von zu Hause weg. Aber es zieht ihn immer wieder in seinen Geburtsort zurück. Er zehrt schon jetzt, als 20-Jähriger, von den schönen Erlebnissen der Kindheit. Hansi muss rasch zurück nach Bukarest. Der Handball und die Nationalmannschaft rufen. Am 10. Dezember steht in der Floreasca-Halle ein Länderspiel gegen die DDR an. Zwei Stunden vor Spielbeginn ist die Halle voll besetzt. Die Zuschauer wissen, hier stehen sich zwei Weltklassemannschaften gegenüber. In einem kampfbetonten, aber fairen Spiel, das an Klasse nichts zu wünschen übrig lässt, gewinnt die rumänische Mannschaft 17:14 (7:8). Die rumänischen Trainer Oprea Vlase und Eugen Trofin setzen bis aufGheorghe Coman dieselben Spieler ein wie auf der Russland-Tournee. Für Co man rückt Hansi Schmidts Banater Landsmann Josef Jakob in die Mannschaft. Bei der ersten Studenten-Weltmeisterschaft Anfang 1963 in Schweden belegt die rumänische Mannschaft den dritten Platz hinter Schweden und Deutschland. Hansi spielt, obwohl er krank ist, er hat 38,9 Grad Fieber. Die rumänische Mannschaft verliert in diesem Turnier gegen die bundesdeutsche. Das kreidet Trainer Eugen Trofin ihm an, er wird die Vermutung äußern, Hansi hätte als Deutscher die Nie-

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derJage gewollt und auch verursacht. Hansi erfährt von dieser Unterstellung erst 40 Jahre danach und sagt: "Quatsch. Ich wollte gewinnen." Neben Hansi Schmidt spielt in jener rumänischen Mannschaft zum ersten Mal in einem internationalen Wettbewerb Gheorghe Gruia. Es ist etwa ein halbes Jahr vergangen, seit Johnny Kunst ihn in einem Volleyball-Spiel einer Militärschulmannschaft entdeckt hat. Seit etwa sechs Monaten spielt Gruia Handball, er hat eben die Hinrunde der Meisterschaft hinter sich, und nun steht er zum ersten Mal vor einer Bewährungsprobe. Hansi Schmidt und Gruia teilen sich das Zimmer. In Schweden knüpft Hansi Schmidt erste Kontakte zu deutschen Handballern, die dazu beitragen werden, dass er nach Gummersbach kommt. 1963 ist ein erfolgreiches Jahr ftir Hansi. Er erringt mit Steaua Bukarest in der letzten rumänischen Meisterschaft auf dem Großfeld den Vizemeistertitel und in der Halle den Meistertitel. Hansi ist Stammspieler in der Nationalmannschaft geworden. Im März 1963 geht Hansi mit der rumänischen Nationalmannschaft auf Skandinavien-Tournee, die in Deutschland endet. Am 8. März unterliegt die rumänische Mannschaft Deutschland mit 12:18. Das letzte Tor ftir die rumänische Mannschaft wirft Hansi Schmidt in der 57. Minute in der mit 7000 Zuschauern voll besetzten Kieler Ostseehalle. Hansi fällt in der deutschen Mannschaft besonders Manfred Peters auf. Schon auf dieser Reise möchte sich Hansi absetzen, doch er weiß nicht, wie er es anstellen soll. Die Mannschaft wird von bewaffneten Geheimdienstmitarbeitern begleitet. Eine Fluchtmöglichkeit bietet sich nicht. Im Hotel in Kiel ist er mit Gheorghe Covaci auf dem Zimmer. Hansi weiß nicht, wie er unbemerkt wegkommen soll. Zu allem Überfluss muss Hansi auch noch auf dem Bankett in Kiel dolmetschen. Die anderen in der Mannschaft, wie Hans Moser, drücken sich davor. Der Kiel er Bürgermeister sagt, "mit dem Namen Hans-Günther Schmidt spielst du wohl in der falschen Mannschaft." Hansi tut so, als hätte er das nicht gehört und übersetzt den Satz nicht. Doch er ist sich sicher, dass auch andere außer Hans Moser das verstanden haben. Hansi kehrt mit der Mannschaft nach Bukarest zurück, ist traurig, dass er es nicht geschafft hat, sich abzusetzen. In Bukarest teilt sich Hansi ein Zimmer in der Sportlerkaserne mit Olimpiu Totan. Der fragt Hansi eines Morgens, ob er weiß, dass er nachts laut träumt. Hansi ist sich sicher, dass er auch von seinen Fluchtplänen etwas vor sich hingemurmelt hat. Doch der Zimmerkollege tut, als ob er nichts wüsste. Das ist das endgültige Signal für Hansi, es bei der nächsten Gelegenheit zu wagen, bevor er noch alle Fluchtpläne zunichte macht. Wann immer Hansi daheim in Marienfeld ist, fragt ihn immer wieder der eine oder andere - in jener Zeit gibt es viele Spitzel des Geheimdienstes -, warum er denn nicht in Deutschland bleibt. Hansis Antwort ist stets dieselbe: Ich habe die Familie hier, hier gefällt es mir, hier bin ich zu Hause. Er muss sich vorsichtig äußern, sonst darf er nie wieder mit einer rumänischen Mannschaft ins westliche

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Ausland fahren. Am 17. November 1963 heiratet Hansis Schwester daheim in Marienfeld. Trainer Johnny Kunst lässt ihn nicht zur Hochzeit fahren, obwohl er im bevorstehenden Spiel der Nationalmannschaft nicht eingesetzt werden kann. Hansi hat sich einen Finger verletzt. Das ist ein weiteres Erlebnis, das ihn in dem Vorhaben bestärkt, Rumänien den Rücken zu kehren.

Flucht II Einige Tage nach der Hochzeit der Schwester, am 23. November 1963, soll die rumänische Studentenauswahl unter dem Namen Stiinta Bukarest zu einer Deutschland-Tournee aufbrechen. Doch am 22. November beginnt das große Zittern. Die Tournee wird in Frage gestellt, als die Nachricht von der Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy (1917-1963) durchkommt. Hansi hat schon alles gepackt. In seinem Koffer ist auch ein Fläschchen mit Bukarester Wasser, das er auch heute noch ungeöffnet aufbewahrt. Den Rumänen muss die Weltlagetrotz des Mordes in Dallas nicht so gefahrlieh erscheinen, sie lassen die Mannschaft abfliegen. Hansi Schmidt, Valentin Samungi und Gheorghe Gruia sind als Verstärkung zur Studentenauswahl gestoßen. Die drei sind seit Monaten im Trainingslager mit der Nationalmannschaft, die sich für die HallenhandballWeltmeisterschaft 1964 in der Tschechoslowakei vorbereitet. Trainer der Studentenauswahl sind Johnny Kunst und Eugen Trofin. Die Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaften beginnen schon in der glühenden Hitze im Sommer 1963 außerhalb Bukarests. Die Spieler schwitzen wie Ackergäule. Eines Tages bittet Johnny Kunst wieder einmal zum Spiel. Hansi hat zu seiner Linken den Veteranen Aurel Bulgaru. Sie üben spiel taktische Züge. Zum dritten Mal hintereinander wird die Abwehr aufHansis Höhe ausgespielt. Johnny Kunst fahrt ihn an. Hansi antwortet ihm, der Fehler liege bei seinem Nebenmann, wenn Bulgaru nicht hinausrücke, könne die Abwehr nicht funktionieren. Weil es nach den damaligen Gepflogenheiten in Rumänien unmöglich ist, einem Trainer zu widersprechen, und schon gar nicht bei einem Armeeklub, ordnet Johnny Kunst für alle Spieler zehn Strafrunden ums Stadion an. Am nächsten Tag sieht sich der für den Handball beim Armeesportklub zuständige Oberst das Training an. Johnny Kunst führt ihm vor, was die Mannschaft eben übt, und berichtet, was am Vortag vorgefallen ist. Das wiederum kann Gheorghe Gruia nicht ertragen und ergreift Partei für Hansi. Er teilt dem Oberst mit, dass nicht Hansi, sondern Bulgaru gepatzt hat. Die Folge: Hansi und Gruia werden zu drei Tagen Arrest verdonnert. Sie sind beim Armeesportklub Soldaten und haben zu gehorchen. Die beiden haben Glück, sie dürfen in die Bibliothek. Weil sie das Kommunistische Manifest nicht lesen wollen, vertreiben sie sich die Zeit anders. Sie zielen mit Streichhölzern in ein Wasserglas. Die Bibliothek dürfen sie täglich nur einmal verlassen zu einem halbstündigen Spaziergang auf dem Hof. 84


Der 23. November 1963 ist ein trüber Samstag. Als Hansi und die rumänische Mannschaft in Harnburg landen, regnet es. Es ist der Tag, an dem der deutsche Fußballnationaltrainer Sepp Herberger nach dem 2:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland im Niedersachsenstadion in Hannover seinen Rücktritt zum Ende der Saison bekannt gibt. In schwarzem Anzug und silbergrauer Krawatte tritt er ans Mikrophon und sagt den 60 000 im Stadion noch einmal persönlich Lebewohl: "Ich trete jetzt zurück in eure Reihen, wo ich hergekommen bin. Aber auch in Zukunft werde ich dabei sein, wenn der Fußball seine Feste feiert." Der seit 1936 amtierende Reichsund Bundestrainer ist längst in die Kritik geraten. Er ist 67 Jahre alt bei seinem letzten Spiel am 7. Juni 1964, das die deutsche Nationalmannschaft mit 4:1 in Helsinki gewinnt.

Kurz vor der Flucht 1963: Hansi im Trikot von Stiinta Bukarest mit Valentin Samungi (links) und Gheorghe Gruia

Hansi macht die gesamte Deutschland-Tournee der rumänischen Mannschaft mit. Aus Verbundenheit zu Mannschaft, Trainer und Kameraden will er die Tournee nicht platzen lassen. Er will der Mannschaft den Spaß nicht verderben. Die Tournee wird ftir Hansi ein nervenzerreibendes Unterfangen. Er schläft keine Nacht. Gheorghe Gruia, der mit ihm das Zimmer teilt, merkt nichts. In Harnburg fällt Hansi Atom-Otto in der Stadtauswahl auf. Heute ist Hansi noch dankbar dafür, dass er gegen diesen Mann, "ein Riesentyp", spielen durfte. In Kiel trifft er auf Nationalspieler Hein Dahlinger (Jahrgang 1922), die Ikone des Kieler Handballs, der einige Monate später im Endspiel um die deutsche Meisterschaft in Köln mit dem TV Hassee-Winterheck (THW) Kiel dem Berliner SV mit 3:4 unterliegt. In Harnburg trennen sich der HSV und die rumänische Mannschaft 14:14 (8: 11) in der Halle an der Ritterstraße vor 800 Zuschauern. Dem Berichterstatter der Deutschen Handballwoche fällt das äußerst schnelle und athletische Spiel der Gäste auf, vor allem der beiden Nationalspieler Schmidt und Gruia. Zu den 14 Toren trägt Hansi Schmidt zwei bei. Hansi lernt in Harnburg Hermann Gajewski kennen. Es ist ein Handballbesessener, er ist der Mitorganisator des Spiels in Harnburg und der Begleiter der rumänischen Mannschaft. Gajewski setzt sich ftir den Hamburger Sportverein ein, der wieder eine Spitzenmannschaft formen möchte. Von Harnburg über Kiel, Essen und Rheinhausen geht es nach Köln. In jeder Stadt ist ein kleines Turnier angesetzt. Die rumänische Mannschaft geht in Essen und Köln als Sieger hervor und

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beendet die Deutschland-Tournee ungeschlagen. Am 29 . November setzt sich Stiinta in Essen mit 6:4 durch gegen Phönix, spielt 3:3 gegen THW Kiel und erreicht das Finale, in dem die rumänische Mannschaft auf den Sieger der zweiten Gruppe, Grün-Weiß Dankersen, trifft und 11 :6 gewinnt. Dankersen setzt sich in den Gruppenspielen gegen Grasshoppers Zürich und Solingen durch. Einen Tag darauf, es ist der 30. November, läuft Hansi zum letzten Mal im Dress einer rumänischen Mannschaft in Köln aufs Parkett. Hansi und Stiinta spielen 8:7 gegen den VfL Gummersbach und 9:3 gegen den Schweizer Meister Grasshoppers Zürich. In der zweiten Gruppe setzt sich Grün-Weiß Dankersen gegen Rapid Wien und den Polizei-Sportverein Köln durch. Im Endspiel stehen sich erneut Stiinta und Dankersen gegenüber. Hansis Mannschaft gewinnt mit 12:8. Am Nachmittag des 30. November packt Hansi seinen Koffer, legt alles bereit ftir die Flucht, auch einen in Bukarest maßgeschneiderten grauen Mantel mit schwarzen Karos. Sein Zimmerkollege Gruia hält ein Nachmittagsschläfchen und merkt nichts. Für den Weg in die Sporthalle zieht Hansi einen leichten Plastikmantel an, wie er in jener Zeit Mode ist. In der Halle spricht Hansi kurz Hermann Gajewski, den Hamburger. Hansi fragt ihn, ob er ihm nach dem Spiel helfen kann, er könnte ihn vielleicht brauchen. Gajewski sagt ja. Die rumänischen Studenten gewinnen das Endspiel gegen den VfL Gummersbach. Trotz schlafloser Nächte bringt Hansi das Turnier mit sehr guten Leistungen zu Ende. Nach dem Finale treffen sich die vier Mannschaften im Schlachthofrestaurant in Köln-Ehrenfeld an der Liebig-Straße. Um 2 Uhr sollen die drei Nationalspieler Schmidt, Samungi und Gruia mit Trainer Johnny Kunst Richtung Bukarest starten, um zur Nationalmannschaft zu stoßen, der Rest der Mannschaft soll noch bleiben.

Wieland Lassotta Nationaltrainer Johnny Kunst hat das Separee der L-fcirmigen Gaststätte ftir die rumänische Mannschaft ausgesucht. Die anderen Mannschaften sitzen draußen im großen Saal. Durch den Separee-Eingang hat der Bukarester Handball-Papst auch den Ausgang der Gaststätte im Blick. Hansi muss ständig den Raum verlassen, um Brotnachschub zu holen. In Rumänien wird fast zu allem Brot gegessen, wenn nicht Maisbrei serviert wird. An der Theke, die aus dem Separee nicht zu sehen ist, steht Wieland Lassotta, der Torwart des HSV Köln-Bocklemünd, gegen den Stiinta Bukarest angetreten ist. Hansi fragt ihn, ob er mit dem Auto gekommen ist und ihn wegfahren kann. Der nickt. Die Mannschaft braucht kein Brot mehr, aber Samungi ein Ersatzteil ftir ein Tonbandgerät. Hansi ist wieder gefragt und geht zum letzten Mal aus dem Separee. Samungi und Gruia bauen sich in der Tür des Separees auf, damit Johnny Kunst nicht sehen kann, wenn er die Gaststätte verlässt. Lassotta folgt Hansi und fahrt ihn

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ins Hotel der rumänischen Mannschaft. Hansi holt Koffer und Mantel , dann bittet er Lassotta, ihn in ein einfaches Hotel zu bringen. Es geht ins Hotel Vierbaum an der Stammstraße 8 in Köln-Ehrenfeld. In der Nacht plagen Hansi Zweifel, ob er das Richtige getan hat. Zum Glück hat er keine Visitenkarte mehr vom Mannschaftshotel. Gewöhnlich nimmt er bei der Ankunft zwei Visitenkarten an sich. In jenem Hotel macht er bei der Ankunft eine Ausnahme. Die Adresse des Mannschaftshotels kennt er nicht. Hansi hat wieder einmal Glück. Sonst wäre er wahrscheinlich reumütig zur Mannschaft zurückgekehrt. Am Morgen hat Hansi die unangenehmste Nacht seines Lebens hinter sich. Denn er weiß, wozu der Sozialismus im Stande ist. Die Rumänen, die angeb- Han sis Fluchthelfer: Wieland Lassalta (mit lieh auch Privatdetektive einschalten, dem Ball) finden ihn nicht. Etwa zehn Minuten nach seinem Verschwinden soll es in der Schlachthof-Gaststätte im Separee der Rumänen tumultartige Szenen gegeben haben . Johnny Kunst fliegt in der Nacht mit Samungi und Gruia zurück nach Bukarest. Er trifft am I. Dezember in Bukarest ein. Die Bukarester Zeitung Sportul Popular zitiert in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember 1963 Johnny Kunst: Stiinta habe sich auf der Deutschand-Tournee gut geschlagen und einen hervorragenden Eindruck hinterlassen durch technisch gutes und effizientes Spiel. Die rumänischen Spieler hätten sowohl am Kreis als auch im Rückraum sehr gut agiert. Besonders hervorgetan haben sich nach Kunsts Angaben Gheorghe Gruia, Cezar Nica, Mihail Marinescu, Valentin Samungi und Rosescu. Von Hansis Flucht steht in dem Artikel kein Wort. Diese Flucht wird in der rumänischen Presse nicht erwähnt, solange die Kommunisten herrschen. Der Rest der rumänischen Mannschaft trifft am 3. Dezember in Bukarest ein. Während Johnny Kunst und Hansis beide Mannschaftskollegen ins Flugzeug Richtung Bukarest steigen, richtet sich Hansi auf eine unangenehme Nacht im Hotel Vierbaum ein. Die Rechnung des Hotels Vierbaum bewahrt Hansi noch immer auf. Unter "Rechnung für Herrn Schmidt" steht: I Einzelzimmer 8,50. Mehr konnte

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und wollte er sich nicht leisten. Die Felder Bedienung, Frühstück, Bad und Telefongebühren sind frei gelassen. Fluchthelfer Wieland Lassotta ist am 27. Juli 1990 gestorben. Seine Frau Therese lebt noch in Köln. Um 10 Uhr kommt Gajewski ins Hotel mit der Nachricht, dass die Rumänen Detektive beauftragt hätten, Hansi zu finden. Gajewski bringt Hansi zu einemjungen Ehepaar, zu Marion und Hans Reiser in der Unteren Dorfstraße 60. Hermann Gajewski holt ihn dort um 16 Uhr ab. In einem Bus geht es nach Hamburg. Im Bus fiihrt ein Handballanhänger eine Kollekte durch und überreicht Hansi ein kleines Startgeld. Gajewski bringt Hansi in sein Haus in Hamburg-Bergstedt am Lottbekerweg 139. Es ist der 3. Dezember. Gajewski betreibt einen Getränkehandel. Dort macht sich Hansi bis Jahresende nützlich. Die ganze Zeit denkt er über seine Zukunft nach und fragt sich, welche Folgen dieser Schritt haben wird. Sein erster Plan: Er will arbeiten und mit dem verdienten Geld seine Eltern freikaufen, um dann sorgenlos studieren zu können. Den Handball will er vorerst beiseite schieben. Gajewski macht Hansi mit Uwe Seeler, dessen Bruder und Vater bekannt. Was Hansi noch nicht weiß: Gajewski will ihn an den Hamburger SV vermitteln. Hansi spricht bei der Polizei in Harnburg vor. Der Beamte fragt ihn, warum er nicht dorthin zurückkehrt, wo er herkommt. Hansi erfährt, dass er im Land seiner Vorfahren nicht willkommen ist. Der Empfang auf der Wache wirkt wie ein Tiefschlag auf den 21-Jährigen. Der Krieg ist noch keine 20 Jahre zu Ende, in Deutschland leben Flüchtlinge genug, wird sich der Polizist wohl gedacht haben. Jetzt steht schon wieder einer da. Hansi ist leicht schockiert. Er ist in Deutschland geblieben, weil er als Deutscher unter Deutschen leben will. Als Spitzensportler ist es ihm zum Unterschied von seinen Landsleuten in den vergangenen Jahren recht gut gegangen. Doch ihm ergeht es wie fast allen Barrater Schwaben: Sie können das Leid, das ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg zugefUgt wurde, nicht vergessen. Dazu gehören Kriegsgefangenschaft, Vernichtungslager, Arbeitslager in der Sowjetunion, Deportation in die Donautiefebene, Enteignung, Entrechtung, Verfolgung und Demütigung. Der Krieg und seien Folgen holen auch Hansis Familie ein. Das sind die Gründe, aus denen er Rumänien den Rücken kehrt. Die Heimat ist ihm fremd geworden. So empfindet auch der aus dem Banat stammende Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Düsseldorf, Dr. Walter Engel. "Fremd in der Heimat. Aussiedler aus Ost- und Südosteuropa unterwegs nach Deutschland" überschreibt er einen 1990 herausgegebenen Band und meint: "Der Demokratisierungsprozess kommt für die deutschen Minderheiten in Osteuropa viel zu spät. Ihre vorübergehende Entrechtung während des Krieges und nach 1945, die Zerstörung ihrer ökonomischen Basis und ihrer historisch gewachsenen Gemeinschaft ließ sie zu Fremden in der eigenen Heimat werden. Der drohende Verlust ihrer Identität als Deutsche, das tiefsitzende Misstrauen in die staatlichen Institutionen ihrer Heimatländer,

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vor allem jedoch die schmerzliche Erfahrung, dass sie so oft Spielball der Geschichte waren, ließ sie längst vor Gorbatschows grenzöffnender PolitikAbschied nehmen vom Land ihrer Herkunft und trotz existenzgefährdender Risiken unbeirrt auf die Ausreise hinarbeiten." Inzwischen ist die große Mehrheit der Banater Schwaben längst in Deutschland angekommen und integriert. Hansi Schmidt ist einer der ersten, die in den 1960er Jahren flüchten können. Von Harnburg fährt Hansi ins Aufnahmelager Friedland, um sich als Flüchtling registrieren zu lassen . Er trifft am 5. Dezember in Friedland ein und wird in Zimmer eins des Hauses 15 untergebracht. Hansi bekommt einen Laufzettel. Am nächsten Tag muss er zur ärztlichen Kontrolle und Röntgen-Aufnahme, in zwei sogenannte Sichtungsstellen, wo die Geheimdienste Fragen stellen, in die Friedlandhilfe, wo jene, die nichts haben, Kleider erhalten. Und in die Registrierstelle. Am 7. Dezember ist der Besuch in zwei weiteren Sichtungsstellen vorgeschrieben, ferner muss Hansi beim Bundes- und beim Länderbeauftragten vorsprechen und in die Registrierung, wo der am Vortag ausgestellte Registrierschein ergänzt wird. In der Zahlstelle bekommt er ein Begrüßungsgeld der Bundesregierung und Überbrückungsgeld. Am 8. Dezember um 5.45 Uhr hält Hansi seine Fahrkarte in Händen, anschließend geht es mit dem Zug zurück nach Harnburg zu Gajewski . In der Tasche hat Hansi neben dem Registrierschein einen Gesundheitspass, der das Datum 6. Dezember trägt.

Die Rache der Rumänen An diesem 6. Dezember soll das Handball-Länderspiel Rumänien gegen Deutschland in Bukarest ausgetragen werden. Die Rumänen lassen dieses Rückspiel wegen Hansis Flucht platzen. Das in Belgrad zwischengelandete Österreichische Flugzeug erhält keine Erlaubnis, in Bukarest zu landen. Die deutsche Mannschaft wird in Belgrad übernachten und zurück nach Frankfurt am Main fliegen. Im Hause Gajewski schläft Hansi im Wohnzimmer. Am letzten Sonntag im Dezember 1963 läutet das Telefon unaufhörlich bei Gajewski. Bis zu diesem Tag ist Hansi noch nie ans Telefon gegangen, aus Angst. An diesem Morgen hebt er den Telefonhörer im Wohnzimmer auf, weil keiner sonst in der Nähe ist, weder der Hausherr, noch sein Sohn Peter oder Gajewskis Frau. Der Anrufer stellt sich mit Schmidt vor und spricht rumänisch. Das hat Hansi noch gefehlt. Sein erster Gedanke : Jetzt haben sie mich. Der Mannamanderen Ende der Leitung meint, Hansi mit Rumänisch beeindrucken zu können. Der hat aber kaum Zeit, weiter zu sprechen, ihm wird der Hörer aus der Hand gerissen: Jetzt meldet sich Bubi Wolf, den Hansi von der Studenten-Weltmeisterschaft in Schweden her kennt. Neben Wolf kennt er aus dieser deutschen Mannschaft noch Klaus Brand, Heinz Lüninghöhner und Dieter Gerold. Schmidt am anderen Ende der Leitung ist Siebenbürger Sach89


se und arbeitet in der Gummersbacher Firma Steinmüller. Doch das kann Hansi nicht wissen. Schmidt und Bubi Wolf handeln im Auftrag von Eugen Haas. Der VfL-Obmann ist im Besitz eines Briefes, den Hansis Vetter Hans Reinlein und dessen Mutter Rosi am 15. Dezember 1963 an den Vorstand des VfL geschickt haben. Die Reinleins, die wie Hansi aus Marienfeld stammen und 1963 im württembergischen Uhingen zu Hause sind, haben aus der Zeitung erfahren, dass sich Hansi von der Mannschaft getrennt hat und möchten vom VfL den Aufenthaltsort ihres Verwandten erfragen. Sie wissen schon, dass sich Haas ftir Hansi interessiert. Die Reinleins wollen Hansi zu Weihnachten bei sich begrüßen. Daraus wird aber nichts. Der VfL gibt seinen Aufenthaltsort nicht preis. Denn er könnte am Ende als Verlierer dastehen. Ob die Reinleins Haas auf die Idee gebracht haben, nach Hansi zu fahnden? Möglich ist es. Aber vielleicht ist Haas unabhängig von ihnen auf die Idee gekommen. Am 10. Dezember berichtet die Deutsche Handballwoche, der VfL dementiere, mit Hansi Schmidt in Kontakt zu stehen. Die Zeitung zitiert Erwin Brand mit den Worten: "Wir würden uns zwar freuen, wenn Schmidt zu uns käme, aber bis jetzt wissen wir nicht einmal, wo er ist. .. " Bubi Wolfteilt Hansi mit, er will ihn in Harnburg abholen. Wolf kommt, Gajewski ist nicht begeistert. Er sieht seine Felle fortschwimmen. Der Winter hat Deutschland fest im Griff. Hansi und Bubi Wolf fahren auf der eisglatten Straße bis Hannover. Dort lässt Wolf den Wagen bei seinen Eltern stehen. Die beiden gelangen mit dem Zug nach Hagen, wo Eugen Haas sie schon erwartet und in seinem alten Mercedes Diesel mitnimmt. Im Auto sagt Hansi zu Haas: Fahren Sie bitte etwas weiter rechts. Haas will wissen, warum. Worauf Hansi antwortet, ein Radfahrer will uns überholen. Hansi weiß heute nicht mehr, ob er das tatsächlich gesagt hat, jedenfalls wird Eugen Haas diese Geschichte jahrelang immer wieder zum besten geben. Haas soll an dem Tag sehr langsam gefahren sein. Was Hansi beeindruckt, sind die vielen Lichter am Straßenrand. Er staunt, weil er nicht weiß, dass es auch Begrenzungspfähle mit Leuchten gibt. Später wird ihm ein Licht aufgehen. Den Glücksgriff, den Eugen Haas mit Hansis Verpflichtung macht, wird der Hamburger Handball-Nationaltorwart Hans-Jürgen Bode so ausdrücken: "Der Verein, in dem Hansi spielt, wird deutscher Meister." Eugen Haas ist der erste Sportmanager, den Hansi kennenlernt "So ein Mann wird alle hundert Jahre geboren", sagt Hansi. "Für den Oberbergischen Handball war Eugen Haas ein Glücksfall. Ich habe ihm den Namen Hasenvater gegeben, andere haben daraus Hasenpapa gemacht. Ohne Eugen Haas hätte es das Gummersbacher Handballwunder nicht gegeben." Haas hat sich nie mit großen Mäzenen eingelassen, er hat keine Götter neben sich geduldet. Seine Devise lautete: "Wir spielen das Geld selbst ein." Heute geht so etwas nicht mehr. Mit Eugen Haas überwirft sich Hansi ein einziges Mal: Auslöser Heiner Frohwein, der Co-Tainer, versteht viel vom Handball, ist spieltaktisch gut und wird

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Hansi später nach Wülfrath holen . Hansi beschreibt ihn als exzellenten Spieler, auch als recht brauchbaren Hallenhandballer. Eugen Haas will Frohwein loswerden, Hansi ist dagegen. Heute sagt er: Haas hat leider Recht gehabt. Denn Frohwein sei zu schwach gewesen, um eine Mannschaft dieses Formats zu führen. Eugen Haas, der "Vater" des VtL Gummersbach, geboren am 15. Juli 1916 in Gummersbach, spielt in der Jugend selbst FeldhandbalL 1948 stößt er als Spieler zum VfL. Ab 1956 betreut er die Handball-Abteilung des Klubs. Er baut sich in Gummersbach ein Unternehmen für Büroeinrichtungen und Computertechnik auf, beschäftigt 80 Mitarbeiter, erzielt 40 Millionen Mark Umsatz im Jahr. Seine gesamte Freizeit gehört dem VtL Gummersbach. Haas erlebt alle Tiefen und Höhen seines Vereins mit, bleibt aber stets Optimist. Für Hansi Schmidt ist er der ErsatzPapa, für Torwart Andreas Thiel Ersatz-Opa. Haas ist am 22. Juli 1995 im Alter von 79 Jahren nach jahrelangem Krebsleiden gestorben. Haas kennzeichnen Geradlinigkeit und Kampfeslust "Seine Macht, genährt aus Wissen und Können, nutzt Haas wie ein Patriarch zum Wohle seines Vereins. In diese Zeit, die auch im Sport von ertragsorientierten, kühlen Managern und Sponsoren bestimmt wird, ragt er wie ein Relikt aus den guten alten Tagen herüber. Zeitlos, aber nie altmodisch." Das schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu seinem 70. Geburtstag. "Der Spieler muss zufrieden sein", lautet eine der Maximen des Managers aus Berufung, die andere: "Ich mache etwas ganz oder gar nicht." Spielerpersönlichkeiten wie Hansi Schmidt, Erhard Wunderlich und Andreas Thiel kommen in seiner Amtszeit zu Weltruhm. Mit ihnen feiert der Manager von 1966 bis 1991 zwölf deutsche Meistertitel und fünf Pokalsiege. Den Höhepunkt bildet das Jahr 1983, als der VfL beide deutsche Trophäen und dazu den Europacup der Landesmeister gewinnt und Mannschaft des Jahres wird. Von 1967 bis 1983 holt der VfL fünfmal den Europapakai der Landesmeister, viermal ist Hansi Schmidt maßgeblich am Gewinn der Trophäe beteiligt. Dazu kommt zweimal der Europacup der Pokalsieger und 1982 der IHF-Pokal. 1979 und 1983 gewinnt Gummersbach auch den Supercup. Insgesamt gewinnt der VtL in Haas ' Zeit 27 Titel. Im Februar 1991 kündigt er seinen Rücktritt an. Der Tod seiner Frau Meta und die Bitten der Freunde machen ihn noch einmal rückfällig: Er hört erst im Dezember 1991 endgültig auf. Seine Verdienste würdigt die Bundesrepublik 1977 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und die Stadt Gummersbach 1991 mit dem Ehrenring, den er als erster Nichtpolitiker erhält. Haas wird nachgesagt, er habe seinem schlimmsten Feind die Hand gegeben, wenn das dem VfL genutzt hat. Hansi sagt "brutal und offen", sein ehemaliger Freund und Ziehvater sei ein "Opportunist in Vollendung" gewesen. Hansi behauptet, Eugen Haas besser gekannt zu haben als jeder andere in Gummersbach. Das Gespann Eugen Haas/Hansi Schmidt ist auch deshalb so erfolgreich, weil es ein Garant für permanente Publizität ist. Denn das geniale Handball91


Idol und der väterliche Vereinsmanager können sich streiten " wie Kesselflicker", was beim Aufprallzweier so starker Persönlichkeiten ganz natürlich ist, sagt Hansi heute. "Ohne Haas hätte es das Phänomen VfL Gummersbach nicht gegeben. Man kann seine Verdienste nicht hoch genug einstufen . Man kann vor seiner Leistung nur den Hut ziehen." Hansi erinnert sich: "Am Vorabend eines Spiels in Island ist ein Teil der Mannschaft am Abend vorher nicht rechtzeitig im Bett. Deshalb fordert Eugen Haas mich auf, die Jungs zur Ordnung zu rufen . Als ich die Kollegen dann kräftig zusammenstauche, funkt Eugen plötzlich dazwischen: »Hansi, so kannst du das nicht sagen«. Da hatte er, was er wollte . Die Jungs waren unheimlich sauer auf mich, und haben sich gesagt, dem Schmidt, dem zeigen wir's morgen. So war's dann auch, wir haben gut gespielt, und alle waren zufrieden . Das war der Eugen, ein richtiger Fuchs." Hat Eugen Haas einen Spieler verpflichtet, sucht er den Kontakt zur Familie des Neuen. Das ist bei Hansi nicht anders. Haas wird schon bald Hansis Eltern in Marienfeld besuchen. Hansis Schwester Helga lässt auch heute noch nichts auf Eugen Haas kommen. Der VfL und der Handball profitieren in den glorreichen 1960er und 1970er Jahren von einer Reihe oberbergischer Patrioten. Wie Hansi Schmidt sagt, gehören dazu in erster Linie Ruth und Hans " Hali" Liedhegener, AdolfKrebs und Tochter Karin , Adolfund Wolfgang Pack, das Schuhhaus Kreuzer, ferner der langjährige VfL-Präsident Hans Sehröder und Gerhard Kienbaum. Sie greifen dem VfL unter die Arme und gehören einer funktionierenden VfL-Familie an. Hansi nennt auch die Mannschaftsmasseure Günter Wrona, Kurt Fellenberg und Norbert Schmidt, die dem Verein selbstlos helfen, nicht des Geldes wegen. In jener Zeit ist Hansi noch der Fremde. Heute ist das nicht mehr jedem bewusst. Inzwischen passiert es schon mal, dass jemand zu ihm sagt: "Sie waren doch mit meiner Tochter in der Schule". Die Vergangenheit ist inzwischen schon etwas verschwommen. Mit den Erinnerungen an die Aufnahme des Handballbetriebs in Gummersbach nach dem Krieg ist es wohl ähnlich. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg machen sich die Blau-Weißen aus der Lochwiese einen guten Namen am Mittelrhein . Doch die große Zeit der V fL-Handballer kommt erst nach dem Zusammenbruch. 1946 gehören der VfL-Mannschaft folgende Spieler an: Heinz Schneevogt, Hans Hütter, Hans Brüninghaus, Kar! Dahlhaus, Kurt Dick, Sieghard Viebahn, Erwin Brand, Karl Heinz Mester, Gerhard Kienbaum, Gerhard Hayn, Hans Kaynig und Hans Liedt. Hans Lothar Hoestermann gründet gemeinsam mit seinem damaligen Mitarbeiter Erwin Brand die Handballabteilung neu. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielt der VfL nur in der unmittelbaren Nachbarschaft gegen den TV Strombach, TV Rodt-Müllenbach, TV Niedersessmar, TV

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Rospe und TV Becketal. Bald gewinnt der VfL den Kreismeistertitel und steigt in die Gauliga Mittelrhein auf, damals die höchste deutsche Spielklasse. Heinz Hermann, ehemaliger deutscher Elfkampfmeister, Kar! Sorre, Eugen Haas, Hans-Jaachirn Marx, Hans Schröder, Kurt Braunschweig, Armin von Schaeven, Walter Hagemann und Ernst Berndt verstärken die Mannschaft in den folgenden Jahren. Am 13. März 1949 greift der VfL gegen den HSV Bocklemünd zum ersten Mal nach dem MittelrheintiteL Das Ziel glückt, in der Aufstellung Heinz Schneevogt, Kurt Braunschweig, Eugen Haas, Kar! Heinz Mester, Kar! Sorre, Armin von Schaeven, Gerd Schmidt, Gerhard Kienbaum , Heinz Hermann, Erwin Brand und Walter Hagemann besiegt der VfL die Kölner Vorstädter mit 7:5. Gummersbach bereitet der siegreichen VfL-Mannschaft einen triumphalen Empfang. In den beiden folgenden Jahren - inzwischen ist der überragende Torjäger des HSV Bocklemünd, Hans Hentzsch , nach Gummersbach gewechselt, und Eugen Prinz und Reinhard Kühn in die Mannschaft "gewachsen"- verteidigt der VfL den Mittelrheintitel erfolgreich. Es wird aber noch geraume Zeit dauern, bis den VfLHandballern auf dem Großfeld auch in der westdeutschen Meisterschaft der Durchbruch gelingt. Sie scheitern 1951 und 1957 im Finale an RSV Mülheim 4:15 und Bayer 04 Leverkusen 14:18. Bis 1955 ergeben sich einige Veränderungen im Mannschaftsgeftige. Die relativ alten Spieler, die nach dem Kriegsdienst mit mehr als 30 Jahren noch einmal das VfL-Trikot überstreifen, hören auf. Junge Spieler wie Wolfgang "Hammer" Göbel, Klaus Neugebauer, Emil Rieger, Reinhardt Söder, Dieter Sinns, Reiner Frohwein, Bernhardt Hertzig, Friedhelm Voigt und Günter Raabe rücken in die Mannschaft auf. Mit Trainer Frank Wisbar wird diese Mannschaft unter der Leitung und Betreuung von Eugen Haas und Erwin Brand zum vierten Mal Mittelrheinmeister auf dem Großfeld. Bevor die erste westdeutsche Meisterschaft auf dem Großfeld gefeiert werden kann, vergehen noch neun Jahre . Im Juni 1964 wird in einer unvergleichlichen Hitzeschlacht im Hagener Ischelandstadion der TuS Wellinghofen nach zweimaliger Verlängerungmit 19:18(6:9, 14: 14:16:16,17:17, 18:17)indieKniegezwungen. Maßgeblichen Antei l an diesem Sieg hat Hansi Schmidt. Mit ihm beginnt der Stern des VfL gerade in der Halle zu leuchten . Von 1952 bis 1966 erringt der VtL Gummersbach neunmal den Mittelrheinmeistertitel in der Halle. 1963 gewinnt der VtL zum ersten Mal in der Dortmunder Westfalenhalle den Titel eines westdeutschen Hallenmeisters durch einen 7:5-Finalsieg über TuS Wellinghofen. Der Erfolg in der Mittelrheinmeisterschaft 1966 gipfelt im Gewinn der westdeutschen und der deutschen Hallenmeisterschaft . Hansi lernt einige dieser Spieler der 50er Jahre kennen. Für ihn sind Reiner Frohwein und Heinz Schneevogt im Tor dominierende Figuren. Der geniale Rechtsaußenläufer und Kapitän Klaus Kriesten ist ein Laufwunder wie Fußball93


nationalspieler Hacki Wimmer. Er ergänzt sich gut mit dem rechten Rückraurnspieler Günter Raabe und mit dem Rechtsaußen " Schlipo" Schröder. Hansi schätzt Kriesten nicht nur als exzellenten Handballer, sondern auch als Mensch. Beruflich bringt Klaus es auf der Karriereleiter bis zum zweiten Mann in der Kreisverwaltung Gummersbach. Wichtig für die Mannschaft ist ferner Wolfgang "Hammer" Göbel aus Nümbrecht mit seinem Wahnsinnswurf Er ist vor kurzem gestorben. Eugen Haas ist die graue Eminenz des Vereins, sagt Hansi. Ohne ihn und Leute wie Fritz Fößler, Horst Grüttner, Jochen Fanger, Dr. Alberts, Klaus Alberts Vater, Hans Höstermann, Toto Wiesenberg, Karl-Heinz Wiesenberg, NRW-Wirtschaftsund Verkehrsminister und VfL-Präsident und später VfL-Ehrenpräsident Gerhard Kienbaum, dessen Bruder Horst Kienbaum , Oberstudiendirektor am GratenbachGymnasium und später ebenfalls VfL-Präsident, wäre der Aufstieg des VfL nicht möglich gewesen. Vieles hat der Verein auch dem stillen Förderer Egon Stremme zu verdanken, ferner Marga und Albert Fuchs, die den Wiedenhof, die Stammkneipe des VfL, betrieben haben. Hansi wird auch vertraut gemacht mit manch anderen Ereignissen vor seiner Gummersbacher Zeit. Nach dem Krieg ist die Handballmannschaft des VfL auf einem Polterabend. Die Hausfrau schenkt das Schnapsglas voll. Das erste Glas ist für Kurt Braunschweig bestimmt. Doch dem fallt die Mütze zu Boden. Während er sich bückt, um sie aufzulesen, greift sich ein anderer die Schnapsflasche und nimmt einen kräftigen Schluck. Was keiner weiß, der Mann hat Säure getrunken. In drei Stunden ist er tot. Kurt Braunschweig muss einen Schutzengel gehabt haben, und der VfL auch, denn wäre die Mütze nicht heruntergefallen, hätte die Handballabteilung des Klubs möglicherweise einen Mann der ersten Stunde nach dem Krieg verloren.

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Zeitzeugen

Helga Pries: Die Nachricht aus dem Radio Die Flucht meine Bruders war tatsächlich ein Knüller in Rumänien. Der Radiosender "Freies Europa" hat die Nachricht gesendet. Und die vielen rumänischen Radiobesitzer haben die Meldung verbreitet. Schon am nächsten Tag hat mir ein Arbeitskollege von der Flucht meines Bruders berichtet. Selbstverständlich hat sich prompt der rumänische Geheimdienst Securitate vorgestellt und mich zum Verhör ins Hauptquartier in Temesvar mitgenommen. Nach der üblichen Einschüchterung und obligatorischer Beschimpfung meines Bruders als Vaterlandsverräter wollten die Geheimdienstler herausfinden, ob ich etwas von den Fluchtplänen wusste. Das war aber nicht der Fall. Daraufhin durfte ich nach etlichen Stunden nach Hause gehen und wurde nie mehr von einer staatlichen Stelle behelligt. Anfangs waren meine Gefühle recht widersprüchlich. Einerseits freute ich mich, dass mein Bruder in Deutschland ist, weil wir schon mit dem Traum aufgewachsen sind, dieses Land zu verlassen. Andererseits wusste ich nicht, wie meine Eltern auf die Nachricht reagieren. Natürlich wurde die Flucht meines Bruders nicht wie die von anderen behandelt. Als Handballspieler beim rumänischen Armeesportklub Steaua war er, zumindest auf dem Papier, Offizier. Somit wurde er in Abwesenheit wegen Vaterlandsverrats verurteilt. Ein baldiges Wiedersehen mussten wir zu jener Zeit ausschließen, worunter insbesondere unsere Mutter stark litt. Mein Bruder war sich dessen auch bewusst. Der Briefwechsel war alles, was uns damals verband. Doch bald haben Eugen Haas und seine Frau Meta meine Eltern besucht. Das war eine große Freude. Familie Haas war in ihrer Art so nett und lieb, dass meine Eltern mit Dankbarkeit ihre Rolle als eine Art Ersatzeltern ftir meinen Bruder, der damals doch recht jung war, von Herzen akzeptierten. Meta und Eugen Haas blieben ungefähr eine Woche in Marienfeld und erzählten meinen Eltern noch und noch über Gummersbach, den dortigen Sportverein, die sportlichen Leistungen und die sonstige Lebensplanung meines Bruders. Aus den vielen Auf95


merksamkeiten der Familie Haas möchte ich das Abonnement der Zeitschrift Deutsche Handballwoche erwähnen, die meinen Eltern bis zur Ausreise in die Bundesrepublik regelmäßig zugestellt wurde. Mein Vater studierte sie bis zur letzten Seite, meine Mutter interessierte sich nur für Berichte über den VfL Gummersbach und selbstverständlich den Sohn. Die Handballwoche war vielleicht das beste Mittel, die Sehnsucht erträglicher zu machen. Im Jahr darauf sind auch Karin Kohlmeier, damals noch meine Schwägerin in spe, und Gisela Haas, die Tochter von Eugen und Meta, mit ihrem VW Käfer nach Marienfeld gekommen. Auch da war die Freude meiner Eltern überwältigend. So sorgte damals mein Bruder dafür, dass bei den Eltern nicht das Gefühl aufkam, ihn verloren zu haben. Dann wurde 1967 eine umfangreiche Begnadigung in Rumänien verkündet. Zum Kreis der Begnadigten gehörte auch mein Bruder. Was für eine Freude für meine Eltern, als der VfL sie 1970 nach Bukarest zum Europapokal-Spiel gegen Steaua eingeladen hat. Und welche Angst, als beim Erscheinen meines Bruders auf dem Spielfeld die ersten Pfiffe Linientreuer zu hören waren. Diese kleine Minderheit meldete sich im Laufe des Spiels aber nicht mehr. Meine Eltern erzählten noch lange voller Freude und Zuversicht in die Zukunft über ihr Bukarest-Erlebnis. Später normalisierte sich die Lage. Mein Bruder, inzwischen schon verheiratet, kam im Sommer 1969 aufUrlaubnach Marienfeld. Es folgten weitere Besuche in jedem der nächsten Jahre. Jeder Besuch von ihm, seiner Frau und später auch seiner Kinder wurde von uns wie Weihnachten im Sommer herbeigesehnt. Die Freude des Wiedersehens, der Stolz auf seine Erfolge, seine Bekanntheit und seine hübsche, überaus freundliche junge Frau, und nicht zuletzt die vielen Mitbringsel machten uns euphorisch. Es waren immer wunderschöne Tage in Marienfeld. Obwohl mittlerweile eine internationale Größe im Handballsport, bewegte sich Hansi in jener Zeit nur im engsten Familienkreis. Und dann kam der Januar 1975, als uns die Bewilligung der Ausreise perPost zugestellt wurde. Am 27. März 1975 vormittags sind wir auf dem Frankfurter Flughafen gelandet. Dort wartete Eugen Haas auf uns. Die ersten Schritte in Deutschland, die erste Fahrt auf der Autobahn, das erste Mittagessen in einem gepflegten Gasthaus, und dann die für uns schon eingerichtete Wohnung in Gummersbach, am Hepel. Das war einer der schönsten Tage in unserem Leben. In Gummersbach blieb ich nur zwei Monate. Danach bin ich mit meiner Familie nach West-Berlin gezogen. Meine Eltern blieben zurück und lebten in dieser Wohnung bis 1979, als sie nach Oberbantenberg bei Wiehl in ihre neu erworbene Wohnung umgezogen sind. Die Ausreise nach Deutschland war ein großer Glücksfall in unseren Leben. Wir empfinden für alle, die meinem Bruder hier geholfen haben, tiefste Dankbarkeit.

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Zur Person: Helga Pries, Hansi Schmidts Schwester, geboren am 16. August 1941 in GroßSankt-Nikolaus, besucht nach dem Abitur die Ingenieurschule in Temesvar, arbeitet ab 1962 in Temesvar und ab 1970 in Reschitza, der Banater Stahlfeste. 1963 Heirat mit Wilhelm Pries. Kurz danach bleibt Hansi Schmidt in Deutschland. Am 24. Januar 1968 kommt Tochter Gunthara in Marienfeld zur Welt. Am 27. März 1975 siedelt die Familie mit den Eltern nach Deutschland um. Nach paar Monaten Aufenthalt bei den Eltern in Gummersbach Umzug nach West-Berlin, wo am 12. Februar 1976 Sohn Thorsten geboren wird. 1981 Umzug nach Weinheim, wo Familie Pries heute lebt. Am 12 . Januar 1999 wird Helga Pries Großmutter. Tochter Gunthara, seit 1993 mit Matthias Grünbacher verheiratet, bringt Enkelin Pauline zur Welt.


Kaum zu bremsen

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Als Hoffnungsträger im Oberbergischen Land

31 . Dezember 1963: Hansi ist in Gummersbach. Auf ihn und die Zukunft stoßen auf der Silvesterfeier in Wildbergerhütte an (von links): Meta und Eugen Haas, Käthe und Alfred Demant, Giinter Raabe, Roland und Dr. Horst Dreischang.

Silvesterfeier in Wildbergerhütte In Gummersbach angekommen, begrüßen Erwin und Rolf Jaeger den YfL-Obmann Eugen Haas und den Neuzugang. Ein Foto zeugt noch von dieser Begegnung vor der Firma des Eugen Haas in Niedersessmar. Es zeigt Hansi in dem karierten maßgeschneiderten Mantel aus Bukarest. Nach der Begrüßung geht es Schlag auf Schlag. Hansi lernt Käthe Demant, Eugen Haas' langjährige Mitarbeiterin und Sekretärin, kennen, dann ihren Mann Alfred. Käthe Demant ist die gute Seele des Haas'schen Geschäfts. Die aus Sachsen stammende Käthe Demant wird Hansis Vertrauensperson, eine exzellente Wegbegleiterin, der er alles anvertrauen kann. Hansi kommt mit Haas und Wolf am 30. Dezember 1963 in Gummersbach an. Es ist ein Montag. Das Oberbergische Land ist eingeschneit. Nach dem Besuch in der Firma geht es zu Eugen Haas ins Jägerhaus nach Wildbergerhütte, Heimat des

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Ankunji in Gummersbach: Eugen Haas, Ro/f Jaeger und Erwin Brand begrüßen Hansi Schmidt.

VtL-Bosses. Heute gibt es den Ort nicht mehr, weil dort eine Talsperre das Wasser der Wiehl zum See staut. Dabei ist auch VtL-Trainer Dr. Horst Dreischang (19211997). Familie Haas nimmt Hansi liebevoll auf: Mutter Meta, Tochter Gisela, sie war eine Art Halbschwester fl.ir Hansi, Eugen Haas' Geschwister Martha, Paula und Schwager Ludwig, seine Brüder Paul und Robert und Tante Irene. Martha ist die gute Seele des Hauses, zurückhaltend, tief empfindsam, wie Hansis Großmutter, einfach die Güte in Person. Hansi ftihlt sich aufgenommen wie in einer Familie. Er beschreibt Mutter Meta als eine liebenswerte Frau. Sohn Hartmut Haas, ein paar Jahre jünger als Hansi, teilt anfangs mit ihm sein Zimmer. Die Silvesterfeier findet am nächsten Tag im Hause Haas statt. Dabei sind Meta, Eugen, Gisela, Martha und Hartmut Haas, ferner Käte und Alfred Demant, Christa, Horst und Roland Dreischang, Günter Raabe, Dieter Gerold. Sie alle haben sich in Hansis Tagebuch eingetragen, auf der ersten Seite, die das Datum 1. Januar 1964 trägt. Das Jahr beginnt im Jägerhaus, hält Hansi fest. Doch Hansi ist es nicht so recht zum Feiern zumute. Er ist erst 21 Jahre alt, ist zwar liebevoll aufgenommen worden, er sieht aber kein vertrautes Gesicht, alles ist fremd, er weiß nicht, wie seine Zukunft aussehen wird . Die versammelte Gesellschaft versucht ihm über die schweren Momente hinwegzuhelfen. Am Neujahrstag macht Haas, der Hansi sofort das Du anbietet, Nägel mit Köpfen . Haas fahrt in seinem alten Mercedes 100


mit Hansi nach Harnburg zu Gajewski, um seine Sachen abzuholen. Dort angekommen, verwickelt Haas Gajewski in ein Gespräch, Hansi packt seine Sachen und ist in wenigen Minuten für die Rückfahrt bereit. Gajewski gefällt die überstürzte Abfahrt nicht. Haas lässt sich auf keine Diskussionen ein, er nimmt Hansi und fährt Richtung Gummersbach. Gajewski will Geld vom VfL, doch er geht leer aus. Hansi hat kein schlechtes Gewissen, denn er hat für Unterkunft und Essen bei Gajewski gearbeitet. Haas bringt Hansi in seinem Jägerhaus in Wildbergerhütte unter. Er quetscht in das Zimmer des 14-jährigen Hartmut Haas ein zweites Bett für Hansi. Das Zimmer unter dem Dach ist vorerst seine Bleibe. Mit der Flucht Hansis beginnt ftir die Banater Schwaben und die Siebenbürger Sachsen im Handball die Zeit des Gebens. Die Zeit des Nehmens ist vorbei . Der Hermannstädter Turnlehrer Wilhelm Binder hat 1921 genommen: Er trägt das Handballregelwerk des Carl Sehelenz nach Siebenbürgen. Der Berliner Sportlehrer setzt in den 30er und 40er Jahren das Geben mit seinen Reisen durch Siebenbürgen fort. In den 60er Jahren kommen die ersten Handballer als Flüchtlinge aus Siebenbürgen und dem Banat und befruchten den Handball in Deutschland. Ihre Zahl wird im Laufe der Jahre stetig steigen. Vor Hansi ist schon der Temesvarer Torwart Hansi Angel in der höchsten deutschen Spielklasse. Es folgen Dieter Jochmann, Sirnon Schobel, Hans Moser, Josef Jakob, Michael Red! und unzählige weniger berühmte Spieler. Eugen Haas hat gerufen, und Hansi ist gekommen . Hansi weiß als Flüchtling nicht so recht, wo er einen Neuanfang wagen soll. Er hätte auch nach Göppingen gehen können. Doch er wollte wegen der Sporthochschule in der Nähe von Köln bleiben. Er vertraut Eugen Haas und geht nach Gummersbach, um in einer unbekannten Mannschaft Handball zu spielen . Hätte ein einheimischer Spitzenspieler das getan? Als Haas mit Trainer Dr. Horst Dreischang und Hansi die ersten großen Erfolge eingefahren und Gummersbach weltbekannt gemacht haben, ist es ein leichtes, Leute wie Joachim Deckarm oder Erhat·d Wunderlich ftir den VfL zu begeistern. Und ohne Rückraumspieler wie Hansi ist in jenen Jahren nichts zu gewinnen, da konnten die anderen in der Mannschaft noch so gut sein. Ohne einen wurfgewaltigen Spieler kann eine Mannschaft in den 60er Jahren nicht einmal einen Blumentopf gewinnen. Der VfL und seine Spieler konnten nur mit Hansi erfolgreich werden, ohne ihn wären sie Mittelmaß, zum Teil Unbekannte geblieben. Ein Weltklassespieler kommt ohne Klassespieler nicht aus, um erfolgreich zu sein. Klassespieler allein können eine Mannschaft nicht zur erfolgreichsten der Welt machen. Und so gesehen, dürfte sich auch die Frage erübrigen, wer ftir wen in Gummersbach zu spielen hatte oder konnte. Sicher gehören zu einer Spitzenmannschaft auch eine gute Abwehr, gute Kreisläufer und Flügelstürmer, auch gute Torsteher. Aber erfolgreich sind im Handball der 60er und 70er Jahre nur die, die 101


einen Superstar in ihren Reihen haben. Gummersbach hat ihn in Hansi, ihm kann damals in Deutschland, wo der Feldhandball noch dominiert, keiner das Wasser reichen. Manch einer seiner Wegbegleiter wäre nie ohne ihn auf ein Siegerpodest gestiegen, er hätte nur vom Meistertitel träumen können. Hansis größte Widersacher, die in seinem langen Schatten Meister und Europapokalsieger geworden sind, dreschen auch heute noch auf ihn ein. Sie lassen dazu kaum eine Gelegenheit aus, obwohl oder weil sie wissen, dass er darauf nicht eingeht. Ihnen ist noch immer unerträglich, dass sie sich Hansis Spiel unterordnen mussten. Sie haben es noch immer nicht verdaut, dass der Mann, der fast bis zum Ende seiner Karriere beim VfL Gummersbach auf die Kapitänsbinde verzichtet hat, nicht nach ihrer Pfeife getanzt hat. Am 5. Januar 1964 gibt Hansi seinen Einstand beim VfL Gummersbach: mit Milch. Der Kölner Stadtanzeiger zitiert Hansi mit den Worten: "Herr Wirt, bitte eine Runde Milch!" Hansi berichtet von der harten Schule, aus der er hervorgegangen ist. Den Rumänen sei die Weltmeisterschaft 1961 wahrhaft nicht in den Schoß gefallen, sie sei hart und eisern erarbeitet worden. Vier Trainingsnachmittage in der Woche, das sei das Mindeste gewesen. Und darum werde die Bundesrepublik Deutschland bei der Weltmeisterschaft 1964 in Prag auch keine große Rolle spielen, prophezeit Hansi. "Sicher, hier gibt es gute Einzelkräfte. Ich denke an Herbert Lübking, ich denke aber auch an Rolf Jaeger. Doch hier ist eine derartige harte, intensive und zielstrebige Vorbereitung einfach nicht möglich", diktiert Hansi dem Reporter in den Notizblock. Hansi zeigt sich zufrieden mit der Aufnahme in Gummersbach: "Alle sind so nett, so freundlich und zuvorkommend zu mir. .. Spielen möchte ich in Gummersbach, ftir den YfL ... " Von der Mannschaft habe er schon vor dem KötnerTurnier einiges gehört. Stiinta Hukarest sei gewarnt gewesen vor den Gummersbachern. Das Turnier in der Kölner Messehalle habe dies bestätigt. Denn der VfL sei eigentlich Stiintas einziger gefährlicher Gegner gewesen. Hansi hält recht viel von der Gummersbacher Mannschaft 1964, meint aber auch, dass noch manches verbessert werden sollte: "Die Angriffe werden meist zu schnell, zu überhastet abgeschlossen. Die Kreisläufer konzentrieren sich nicht genug beim Wurf. Klaus Alberts zum Beispiel springt quer zum Tor und nutzt damit nicht seine Sprungkraft." Noch mehr müsse der VfL an der Abwehr feilen. In Rolf Jaeger sieht Hansi den einzigen, der konsequent und richtig deckt. "Auch die anderen kommen heraus, bleiben aber noch einen halben Meter vom Gegner. Und ein guter Stürmer schießt dann trotzdem. Die Spieler müssen in der Abwehr härter werden, aufTuchftihlung an den Gegner herangehen." In der Sporthalle zeigt sich gleich: "Der 21-Jährige ist ein wirklich Großer des Handballsports", heißt es in dem Bericht weiter. "Wir bekommen hier in Gum-

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mersbach eine prima Mannschaft." Eugen Haas nickt aufHansis Feststellung zustimmend. Hansis erste Adresse im Oberbergischen Land ist die Anschrift der Haas'schen Firma: Hückeswagener Straße 44 in Niedersessmar. Beim Einwohnermeldeamt wird Hansis neuer Wohnsitz am 6. Januar 1964 registriert. Der Besuch beim Einwohnermeldeamt verläuft ganz anders als vor dem Jahreswechsel das Gespräch bei der Polizei in Hamburg. Im Gummersbacher Einwohnermeldeamt sitzt ein Schlesier namens Rischka , " ein überaus hilfsbereiter und mitempfindender Mensch". Er stellt Hansi am 12. März 1964 einen Personalausweis aus. Damit hat Hansi aber die deutsche Staatsbürgerschaft noch nicht. Er muss noch auf Antrag eingebürgert werden . Hansi hat Niedersessmar lieb gewonnen. In Niedersessmar wohnen heute Hansis Freunde, hier spielt er nach der Handballkarriere Tennis. Dort ft.ihlt er sich noch immer wohl, vielleicht weil es sein erstes Zuhause in Deutschland war. Gummersbach, wo Hansi inzwischen nach langem Anflug gelandet ist, kann leider nicht mehr verglichen werden mit dem Oberbergischen Städtchen, das es einmal war. Das schöne Fachwerk ist verschwunden, die Stadt hat sich gewandelt, der Charme ist weg, alles ist Hansi zu unpersönlich geworden. Aber Hansi ist froh , viele Oberbergerund Rheinländer als Freunde oder gute Bekannte gewonnen zu haben . In erster Linie nennt er Claus und Susi Reuber, Dr. Rudi Baum und seine Frau Doris in Siegen, sie stammen aus dem Sudetenland, Brigitte und Gerd Demann in Rheinbach , ferner Moni und Wemer Reschner in Wiehl, Gitta und Manfred Frößler, Monika und Hans-Gerd Lütz und den "Aitösterreicher" Erich Kalsner, Tenniskamerad und Freund. Hansi ist lediglich mit seinem sportlichen Rüstzeug in Deutschland angekommen . Nicht viel mehr als das, was er am Leibe trägt, nennt er sein eigen. Sein Kapital ist sein Können, sein Handballtalent Es gibt keinen Wurf, den Hansi nicht beherrscht, er ist beidhändig, er hat ein Auge für den Mitspieler, er kann seine Nebenleute blind anspielen. Doch an seiner Taktik muss Hansi in den nächsten Jahren noch feilen . Für seine Größe (I ,96 Meter) und seinen Körperbau ist er flink. Und was noch wichtiger ist: Hansi ist jemand, der sich für seine Kollegen aus purer Loyalität, der Sache wegen einsetzt. Das sagt kein anderer als 1964 in Göppingen der Siebenbürger Sachse Roland Gunnesch, der mit Rumänien 1970 und 1974 Weltmeister wird, 1967 WM-Bronze und 1972 Olympia-Bronze in München und Olympia-Silber in Montreal gewinnt. Hansi meidet 103


Intrigen und lehnt vorgetäuschte Freundschaften ab, womit er sich nicht unbedingt beliebt macht. In der Interessengemeinschaft sucht er den Erfolg. Hansi beginnt sofort mit dem VfL zu trainieren. Das erste Training ist schon Anfang Januar in seinem Tagebuch verzeichnet. An Meisterschaftsspielen darf er sich vorerst nicht beteiligen. Die Internationale Handball-Föderation hat eine dreimonatige Sperre gegen ihn verhängt, weil Hansi seinen Stammklub ohne Erlaubnis verlassen hat. In der laufenden Saison kann er dem VfL nicht mehr viel nützen. In der darauffolgenden Spielzeit geht es mit ihm und dem VfL steil aufwärts, trotz privater Probleme. Die ersten Spielergebnisse sind in Hansis Tagebuch verzeichnet: 5:4 gegen Niederpleis und 13: I gegen Olympia Köln. Ferner eine Reihe von Zahnarztbesuchen und die erste Schwimmstunde. Hansi wird schon bald "der unbeliebteste Spieler" beim VfL. In jenen Tagen trainiert die Mannschaft zweimal in der Woche. Das genügt Hansi nicht. Er ist von Bukarest her mehr gewohnt. Er weiß: Wenn er etwas erreichen, wenn er erfolgreich sein will, muss er mehr tun. Seinen zusätzlichen Einsatz sehen seine Mannschaftskollegen nicht gern. Am 14. Januar ist er zum ersten Mal in der Firma Kienbaum. Am 18. Januar ist sein Mannschaftskollege Rolf Jaeger mit Familie Liedhegener bei Hansi zu Besuch. Die Liedhegeners werden Hansi finanziell unterstützen.

Wegen Fahnenflucht verurteilt Ein rumänisches Militärgericht verurteilt Hansi in Abwesenheit wegen Fahnenflucht. Das Urteil wird ihm nie zugestellt. Heute weiß er noch nicht, wie es lautet. Hansi lebt noch immer mit den Gerüchten: Die einen sagen, er sei zum Tod verurteilt worden, die anderen, das Militärgericht habe 15 Jahre Gefangnis gegen ihn verhängt. Sein Abiturzeugnis liegt im Safe der Bukarester Sporthochschule. Wer sich zur Aufnahmeprüfung an einer Hochschule in Rumänien stellt, muss sein Abiturzeugnis abgeben, damit er sich nicht an einer zweiten Hochschule um einen Studienplatz bewerben kann. Das Abiturzeugnis wird ihm erst nach Abschluss des Studiums mit dem Hochschulzeugnis zurückgegeben. Das ist die Regel. Mit einer kleinen Bestechung ist manch einer während des Studiums an sein Abiturzeugnis gekommen. Wer aber die Absicht zu fliehen hat, der reist nicht mit einem Zeugnis in den Westen. Denn er fallt sofort auf. Auch Hansi weiß das und versucht vor seinem Flug nach Deutschland alles zu vermeiden, was ihn verraten könnte. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Abitur in Deutschland ein zweites Mal abzulegen. Denn Hansi kann weder ein Abiturzeugnis noch eine Bescheinigung vorlegen, die beweist, dass er in Rumänien schon ftinf Semester studiert hat. In Marienfeld bekommt seine Familie Schwierigkeiten. Der Geheimdienst verhört seine Eltern und die Schwester. Hansi hat richtig entschieden, den Eltern nichts von seinen Fluchtabsichten zu sagen. Er schreibt ihnen sogar noch nach der

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Landung in Harnburg eine Ansichtskarte, in der er seine Ankunft in Marienfeld ankündigt. Die Geheimpolizei lässt die Eltern und die Schwester schließlich in Ruhe, doch der Vater verliert seinen Arbeitsplatz, weil der Sohn angeblich das Vaterland verraten hat. Auch das belastet den Sohn. Seine Eltern sind praktisch ohne Einkommen und leben von dem, was der große Garten abwirft. Tochter Helga und Schwiegersohn Willy Preis unterstützen sie nach Kräften. Schon vorher geht es Dr. Schmidt und der Familie in Marienfeld schlecht. Mitte 1956 wird seine Arztstelle in Marienfeld aufgelöst. Anschließend arbeitet er einige Monate in der Gemeinde Lowrin. Von Januar 1957 bis 1958 ist Dr. Schmidt wieder Arzt in Marienfeld. Von 1958 bis 31. Oktober 1961 ist er arbeitslos. Vom 1. November 1961 bis 1. November 1963 ist er als Kreis- und Kinderarzt in Altbeba, der westlichsten Ortschaft Rumäniens, tätig. Nach Hansis Flucht wird er arbeitslos und bis 31. März 1971 ohne Einkommen sein. Von April bis August 1971 darf er wieder in der Kreisarztstelle Marienfeld arbeiten. Ab 1. September ist er Rentner. Dr. Hans Schmidt ist 62 Jahre alt, will gern weiter arbeiten, um die kleine Rente aufzubessern, er darf aber nicht. Sein Antrag auf Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland wird 1965 abgelehnt. Am 16. August 1974 stellt die Familie erneut einen Antrag, der im Januar 1975 genehmigt wird. Am 27. März 1975 siedelt Dr. Hans Schmidt mit seiner Frau, der Tochter und ihrer Familie in die Bundesrepublik um. Die erste Wohnung beziehen alle ftinf in der Danziger Straße 3 in Gummersbach. Später ziehen Rosa und Hans Schmidt nach Oberbandenberg, wo sie sich sehr wohl fühlen. Hansis Eltern erhalten erst die Ausreisegenehmigung, als sich Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und das Auswärtige Amt einschalten. Im Namen Genschers interveniert der damalige Leiter des Leitungsstabs im Auswärtigen Amt und spätere Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel erfolgreich bei den rumänischen Behörden. In einem Briefvom 24. Juni 1974 schreibt Kinkel: "Lieber Herr Schmidt, auf meine Intervention hin teilt mir unser Kontaktmann mit, dass die rumänischen Partner anlässlich des letzten Treffens gebeten haben, Ihre Familienangehörigen zu veranlassen, bei den örtlichen Stellen Anträge auf Ausbürgerung einzureichen. Wenn Ihrer Familie diese Antragsformulare verweigert würden, stünde dies in krassem Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen und mehrfachen Zusicherungen, die unserem Kontaktmann persönlich durch Minister Dragan gegeben worden sind. Unser Kontaktmann hat deshalb mit Bezug auf mein letztes Schreiben vom 18. 6. 1974 nochmals fernschriftlich an die Erledigung der Angelegenheit in Bukarest erinnert und um sofortige Nachricht gebeten. Ich hoffe, dass dies hilft!" Die Intervention wirkt. Die Einreiseerlaubnis nach Deutschland hat der Oberbergische Kreis Hansis Eltern schon am 14. Januar 1966 erteilt. Hansi versucht in Gummersbach aus seiner Lage das Beste zu machen. Familie Haas kümmert sich rührend um ihn. Hansi, der schon als Schüler auf dem Gym-

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Zweikampfmit Fritz Spannuth/ Dankersen

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nasium mit dem Kleinfeld- und Hallenhandball in Berührung kommt, stellt bei der Ankunft in Gummersbach fest: In Deutschland wird Feldhandball in der Halle gespielt. Während im Ostblock der Feldhandball zu Grabe getragen wird, halten die meisten deutschen Klubsam Feldhandball fest. Noch vor seiner Flucht, schon beim Länderspiel Deutschland gegen Rumänien am 8. März 1963 , erfahrt Hansi von Auseinandersetzungen rund um das Thema Klein- oder Großfeld in Deutschland. Vor dem Spiel kommt es im Flensburger Hof in Kiel zum Gespräch zwischen Spielern und Journalisten. Als Dolmetscher tritt der rumänische Nationalspieler Hans Moser auf. Trainer Oprea Vlase erläutert den Journalisten, warum Rumänien auf den Kleinfeldhandball setzt: Auf Schulhöfen können Kleinfelder problemlos eingerichtet werden, die Jugend lässt sich ftir das Spiel im Freien begeistern. In Rumänien geht 1963 die letzte Großfeld-Meisterschaft zu Ende. Auch der rumänische Zampano Johnny Kunst trauert dem Großfeldhandball nach. Einem seiner Studenten, der seine Diplomarbeit an der Bukarester Sporthochschule zum Thema Entwicklung des Handballs vom Großfeld zur Halle schreibt, sagt er mit Tränen in den Augen, wie sehr er es bedauert, dass es mit dieser Spielvariante zu Ende geht. Doch Johnny Kunst ist Realist: Er weiß, das von Carl Sehelenz eingeführte Spiel wird nur noch in einer Handvoll Ländern gespielt und hat keine Zukunft. Erst mehr als zehn Jahre später wird in der Bundesrepublik Deutschland der Meisterschaftsbetrieb auf dem Großfeld eingestellt. Die DDR hört früher als der Deutsche Handball-Bund mit dem Großfeldhandball auf. Während die Rumänen auf dem Kleinfeld spielen lassen, wird in Deutschland eine große Attacke gegen das Spiel auf dem Kleinfeld unter freiem Himmel geritten. Es kommt sogar zum Verbot dieses Spiels, weil die Verantwortlichen das Großfeldspiel retten wollen, obwohl ein Land nach dem anderen die Großfeldmeisterschaft aus dem Terminkalender streicht. Als Hansi in Gummersbach ankommt, hat der bundesdeutsche Handball den schon mit Volldampf in Richtung Halle fahrenden Zug verpasst. In Gummersbach erkennt Eugen Haas jedoch die Zeichen der Zeit. Dr. Horst Dreischang, der 1956 aus Greifswald in den Westen gekommen ist, betrachtet die Großfeldsaison als gute Vorbereitung auf die Hallenmeisterschaft Auf dem Großfeld wird der VfL keine Bäume ausreißen. Hansi Schmidt beschreibt Dreischang als einen defensiven, klugen Mann. Er unterrichtet in den 60er Jahren Biologie und Sport am Moltke-Gymnasium in Gummersbach. Als Studienrat ist er am Gymnasium eingestiegen, als Studiendirektor wird Dreischang in den Ruhestand gehen. Dreischang ist ein guter Beobachter, er kann seinen Schützligen die unter die Lupe genommenen Spielertypen der gegnerischen Mannschaft vor Augen fUhren wie kein Zweiter. Doch in seinen taktischen Entscheidungen am Spielfeldrand ist er nicht immer glücklich, manchmal auch unentschlossen, so Hansi. Dreischang ist stets ein getreuer Gefolgsmann von Eugen Haas. Wenn Dreischang die Mannschaft aufstellt, fordert er stets Hansi auf, etwas dazu zu sagen. Das macht Hansi bei einigen Spie107


lern nicht unbedingt beliebter. Dreischang hat einen sehr großen Anteil am kometenhaften Aufstieg des VfL. Zusammen mit ihm fuhrt Hansi das ein, was schon längst im Ostblock die Regel ist, was er von seinen Lehrern in Temesvar und Bukarest gelernt hat. Hansi pfropft dem VfL-Spiel einen Teil der rumänischen Handballschule auf. Der deutschen, tschechischen und der skandinavischen folgt die rumänische Handballschule. Die tschechische ist technisch brillant, von Improvisation und Risikobereitschaft geprägt. Die Skandinavier sind technisch nicht so gut, doch sie haben mehr Hallenerfahrung. Beide sind der deutschen Schule überlegen, sagt Hansi. Den deutschen Spielern fehlen Kreativität und Ideenreichtum. Sie sind zu hölzern, um ideenreich zu spielen . Dadurch unterscheiden sie sich von den Südländern und Skandinaviern. Der Deutsche kämpft, er arbeitet den Handball, die anderen tanzen, spielen ihn wie die Brasilianer den Fußball. Doch es gibt auch Ausnahmen wie Rolf Jaeger und Manfred Peters. Aus den drei Schulen, der deutschen, tschechischen und der skandinavischen, vollzieht Johnny Kunst eine Synthese, er formt aus dem Besten daraus die rumänische Handballschule. Von den Deutschen übernimmt er die Athletik und die Kampfbereitschaft, das, was mit Arbeit zu erreichen ist. Die rumänische Schule brilliert beispielsweise in der Person eines Spielmachers wie Cristian Gatu, der balltechnisch kaum zu überbieten ist. Doch Tore solcher Leute aus der Halbdistanz reichen nicht aus . Sie müssen nach Johnny Kunsts Konzept eine Symbiose mit Rückraumspielern vom Kaliber eines Hans Maser, Gheorghe Gruia und Hansi Schmidt eingehen, um Erfolg zu haben. Im Zusammenspiel werden solche Spieler überragend. Jeder ftir sich allein ist in die Mannschaft kaum zu integrieren. Eine richtige Symbiose Gatu/Schmidt wird es nicht geben, weil Hansi in Deutschland bleibt. Doch die Symbiose Gatu/ Gruia wird funktionieren. Dem VfL wird es in EC-Spielen gelingen, diese Achse zu neutralisieren. Einen Gatu kann auch der VfL durch Manndeckung nicht immer in Schach halten. Das wird Hansi später in den Europapokal-Spielen des VfL Gummersbach gegen Steaua Bukarest erfahren.

Westdeutscher Meister auf dem Großfeld Vor dem ersten Erfolg steht das Training. Schon zum ersten Training, an dem Hansi teilnimmt, kommen die Zuschauer, um den Neuen, den Exoten, zu sehen. Hansi versucht allmählich Tritt zu fassen: Sein Tagebuch zeugt davon. Er verzeichnet die ersten Kinobesuche und am 15. Februar 1964 die Fahrt nach Köln in Willi Millowitschs Hänneschen-Theater. Hansi bestreitet mit dem VfL die ersten Freundschaftsspiele. Am 23. Februar steuert er acht Treffer zum 20: 12-Sieg über Solingen bei. Dreimal trifft er beim 10:10 gegen TuS Wellinghofen. Vor den Spielen überreicht ein Kind Hansi Blumen mit den Worten: "Herzlich willkommen in

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Erster großer Erfolg mit dem VJL: Hansi führt Gummersbach auf dem Großfeld in einer zur Legende gewordenen Hitzeschlacht von Hagen zum westdeutschen Meistertitel. Die Handballfreunde feiern ihn.

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Gummersbach." Zwischendurch trifft Hansiden Temesvarer Handballtorwart Hansi Angel, der seit ein paar Jahren in Deutschland ist. Unter dem I. April ist zu lesen: "Bisher elfSpiele bestritten und 62 Tore erzielt, im Schnitt 5,636 ." Diesen Durchschnitt wir er als Bundesligaspieler noch verbessern . Hansi ist schon ein halbes Jahr lang in Deutschland, doch von den Eltern hat er noch keine Post erhalten: Am 15. Mai ist im Tagebuch "der erste Briefvon Mutti und Vati" verzeichnet mit dem Zusatz: "Sehr gefreut." Der eiserne Vorhang macht die Verständigung zwischen West und Ost äußerst schwierig. Im Juli 1964, ein halbes Jahr nach Hansis Flucht, stellt sich der erste Erfolg ein. Hansi wird mit dem VfL auf dem Großfeld westdeutscher Meister. "VfL Gummersbach glücklicher in der Hitzeschlacht" titelt die Deutsche Handballwoche in ihrer Ausgabe vom 28. Juli 1964. Die Gummersbacher werden westdeutscher Meister nach zwei Verlängerungen . "Wurfmaschine" Hansi Schmidt erzielt in diesem Spiel zwölf Tore- elf aus Freiwürfen und eines aus einem 14-Meter-Strafwurf. 12000 begeisterte Zuschauer verfolgen das Spiel im Hagener Ischelandstadion. Sie sehen, wie Wellinghofen sechsmal in Führung geht, zweimal für längere Zeit und einmal sogar mit drei Toren, achtmal ist Gummersbach vorn. Beim Stand von 17 : 17 vor der letzten Verlängerung sagt Fritz Hattig, Wellinghofens Schütze vom Dienst: "Es kommt jetzt nicht mehr darauf an, wer gewinnt." So hat ein Spieler während eines Spiels um die westdeutsche Meisterschaft wohl noch nie gesprochen, mutmaßt die Deutsche Handballwoche . Noch nie hat es bis dahin zwei Verlängerungen in einem Meisterschaftsfinale im Westen gegeben. Gegen Ende der 100 Spielminuten können die meisten Spieler nicht mehr recht laufen, bleiben liegen, wenn sie fallen, Wadenkrämpfe plagen sie. Als Sieger geht schließlich der glücklichere der beiden West-Asse vom Platz mit dem Ergebnis von 19:18 (6:9, 14:14, 16:16, 17:17, 18: 17). Hansi agiert in diesem Spiel von der Linksaußenposition. Den Sieg flir Gummersbach erringen: Dieter Gerold, Rolf Jaeger, Kari-Heinz Brinkmann, Manfred "Männlein" Rothstein, Klaus Brand, Klaus Kriesten (4 Tore), Heiner Frohwein, Günter Raabe, Hansi Schmidt (12), Jochen Brand (2) und Klaus Alberts (1 ). Vor dem ersten der drei Schlusspfiffe wollen die Wellinghofer ihren Zwei-ToreVorsprung sichern, aber der "furchtbare Schießer" Schmidt und Kriesten machen alles zunichte, berichtet die Deutsche Handballwoche. Gegen Ende der ersten Verlängerung dagegen haben die Gummersbacher mit 17:16 die Nase vorn. Nun wollen sie es besser machen. Ausgerechnet der erfahrene Rolf Jaeger jagt drei Minuten vor Ende einen unnötigen Wurfübers Tor. Heinz-Friedrich Hue erzielt im Gegenzug den Ausgleich. Gleich darauf wirft Kriesten scharf daneben . Beim zweiten Schlusspfiff steht es immer noch unentschieden. Die Gummersbacher gießen eimerweise Wasser über sich, die Wellinghofer werfen sich auf den Rasen, die Masseure arbeiten. Der letzte zweigeteilte Akt beginnt. 110


Auch auf dem Großfe ld eine Wucht: Im Spiel gegen TV Oppum erzielt Hansi sieben Tore.

III


Jochen Brand stürzt beim ersten Angriff und bleibt eine Weile liegen. Wendel hat einen Schuh in der Kabine gelassen, weil er ihn drückt; er muss ihn anziehen, sagt der Schiedsrichter. Hansi Schmidt tritt bei einem Tor über, Fritz Hattig wirft in die Maschen, doch der Treffer zählt nicht. Frohwein wird beim Wurfhingestreckt-er bleibt liegen. Dann gelingtAlberts das 18 :17. Ein Hattig-Lattenwurfbeendet diese zehn Minuten. Dann wieder Hattig. Er gleicht aus. Nun ist wieder die Reihe an "Superkanonier" Hansi Schmidt. Elfmal hat er schon getroffen . Jetzt tritt er wieder zum Freiwurf an. "Die drei Vordermänner mit Ball stehen bereit, der Pfiff kommt, der Ball fliegt zurück, und hoch auf steigt der Hüne, von oben mit teuflischer Wucht abermals in das Tor des sich verzweifelt streckenden und im übrigen guten Golembusch schießend", heißt es in der Deutschen Handballwoche . Die letzten ftinfMinuten gehören den Gummersbachern. Sie halten den Ball. Der Schiedsrichter unterbindet das Getändel. Er pfeift ab. Wellinghofen greift an, aber zum Torwurf kommt es nicht mehr. Der Schiedsrichter beendet das Spiel. Die Gummersbacher Anhänger stimmen das Vereinslied an und tragentrotzdes Verbots, den Rasen zu betreten, ihre Lieblinge zur Siegerehrung. Als erste gratulieren die Wellinghofener den glücklichen Gummersbachern, dann ist es der Vorsitzende des Westdeutschen Handball-Verbandes, Heinz Schmerfeld, der den Mannschaften ftir das faire Spiel dankt. Von Hansi Schmidt ist nach diesem Spiel auch DHB-Präsident Ernst Feick begeistert. Hermann Thien in der Handballwoche zu seiner Leistung: "Es gibt kaum einen zweiten Torschützen wie diesen Zweizentnermann ... Man darf unbedingt sagen, dass ohne ihn Gummersbach schwerlich westdeutscher Meister geworden wäre." Hansischreibt in seinem Tagebuch : "Der Torwart hat mir nach dem Spiel dreimal gratuliert." Wie wichtig Hansi Schmidt ftir Gummersbach ist, beweist er aber schon vor dem Finale. Mit seinen Toren ebnet er dem VfL den Einzug ins Endspiel. Im Meisterschaftsspiel bei der TG Witten 48 im Juni 1964 erweist sich der Gummersbacher Sturm als der weitaus gefahrlichere. Er harmoniert bei den variiert vorgetragenen Angriffen. Den Ausschlag gibt der ebenso große wie starke Hansi Schmidt. Die Deutsche Handballwoche dazu: "Dieser Mann hat ein derart großes Schussrepertoire, dass man Gegenspieler und gegnerischen Torwart nur bedauern kann. Von seinen sechs Toren glich keines dem anderen." Der YfL gewinnt in Witten mit 14:10 (8:4). Am vorletzten Spieltag steht nach einem 10:9 (6:5)-Sieg der Gummersbacher über TuS Lintfort der Einzug des VfL ins westdeutsche Meisterschaftsfinale fest." Wurfmaschine Schmidt entscheidet das Treffen" heißt die Überschrift des Berichts der Deutschen Handballwoche über das VfL-Spiel auf eigenem Platz. "Der Blick auf die Torjägerliste besagt sofort: sechs Tore durch

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Hansi Schmidt, da hat die Wurfmaschine also wieder den Kampf entschieden ... das Glück der Gummersbacher aber ist in der wuchtigen Gestalt und den Schießkünsten Hansi Schmidts verkörpert." Hansi steuert in diesem Spiel drei Glanztore aus dem Feld heraus bei, verwandelt einen 14-Meter-Strafwurf und erzielt zwei Treffer aus Freiwürfen. Wie Hansi das macht, beschreibt wieder Hermann Thien: "im Hintergrund Ball annehmen, hochspringen und schießen. Bevor er schießt, rennen drei Stürmerkameraden den gegnerischen Verteidigern vor den Bug, was zu Situationen fUhrt, die man als Schiedsrichter nicht immer astrein bezeichnen kann." Im Mannschaftsspiel Handball ist Mitte der 60er Jahre die Zeit angebrochen, in der auch ein Einzelner ein Spiel entscheiden kann. Ein solcher ist Hansi Schmidt, der in hohem Maße am Gewinn der westdeutschen Meisterschaft durch den VfL Gummersbach beteiligt ist. Hansi nennt eine ungeheure Wurfkraft sein eigen. ln jenen Jahren gibt es kaum ein Mittel gegen solche "Super-Bomber". Die Gummersbacher werden verdient westdeutscher Meister, weil sie an Rolf Jaeger Erfahrung haben sammeln können, wie eine ganze Mannschaft ftir eine "Wurfkanone" spielt. "Und sie wären ja auch schön dumm, wenn sie weder ihre Erfahrung, noch ihre Wurfmaschine auswerten würden. Jeder andere Verein tät es doch genauso. Wir aber warten auf den, dem es nun bei der deutschen Meisterschaft gelingen möge, Sand ins Getriebe von Hansi Schmidt zu streuen", heißt es in einem "Scharfschützen" betitelten Kommentar in der Deutschen Handballwoche. Lange wird es nicht dauern. Schon Ende September 1964 ist es soweit. Der VfL verliert am Rotbenbaum in Harnburg gegen den HSV 7: II (3:7), weil Hansi Schmidt diesmal "an der Leine" bleibt. Doch im Rückspiel eine Woche später verlieren die Hamburger mit 8:13 (4:9). Der VfL qualifiziert sich zusammen mit Grün-Weiß Dankersen, TuS Wellinghofen und Titelverteidiger VfL Wolfsburg ftir die Vorschlussrunde der deutsehen Meisterschaft.

September 1964: Eugen Haas gratuliert Hansi nach einem Turnier.

6000 begeisterte Zuschauer erleben in der Lochwiese einen furiosen Auftakt der Gummersbacher. Schon nach einer Viertelstunde führen die Blau-Weißen aus

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Gummersbach 6:0. Aber die Hamburger kämpfen und bringen den VfL Gummersbach noch in Verlegenheit. Eine Halbzeit lang spielt der VfL schulmäßigen Handball. Dabei gibt nicht allein Hansi Schmidts ungewöhnliche Wurfkraft den Ausschlag, auch die verwirrenden Kombinationen führen zu dem klaren Vorsprung. Außer dem siebenfachen Torschützen Hansi Schmidt hat vor allem der ausgezeichnete Torwart Gerold entscheidenden Anteil am Erfolg. Im Mindener Weserstadion zeigt Grün-Weiß Dankersen dem VfL in der Vorschlussrunde der deutschen Meisterschaft die Grenzen auf. 7: 12 (4:7) unterliegt der VfL. Modellathlet Schmidt fehlen die "Zuträger", urteilt der Berichterstatter der Deutschen Handballwoche. Viele Zuschauer wollen den neuen Stern am deutschen Handballhimmel in Aktion sehen. Der Gummersbacher Hansi Schmidt im Angriffszentrum des VfL erfüllt schon wenige Monate nach seinem ersten Einsatz im blau-weißen Trikot alle Voraussetzungen eines überdurchschnittlichen Spielers. Aber nicht immer kann er ein Spiel entscheiden, so die Deutsche Handballwoche. Von den sieben Treffern gehen sechs auf sein Konto, davon wiederum sind fünf aus Freiwürfen entstanden. Nur ein Feldtor glückt Hansi, eines steuert der Läufer Kriesten bei. Im Rückspiel gelingt Herbert Lübking nur ein Tor, es kommt zu turbulenten Szenen, und Hansi Schmidt wird des Platzes verwiesen. Dennoch gewinnt der VfL das Spiel II : I 0 (6:5) gegen eine wenig überzeugende Mannschaft aus Dankersen. Die 6000 Besucher in der Gummersbacher Lochwiese, die ab Mitte der zweiten Halbzeit dem strömenden Regen ebenso ausgeliefert sind wie die Spieler, erleben mit der 4:2-Führung des Westmeisters gegen Dankersen einen turbulenten Auftakt. Der Lübecker Schiedsrichter Horst-Günter Schneider verweist innerhalb von drei Minuten die Gummersbacher Klaus Brand, Göbel und Jaeger auf Zeit des Feldes. Der Gegner nutzt diese Schwächung zum Ausgleich. Beim 4:4 (20. Minute) schickt der Schiedsrichter Hansi Schmidt wegen Schiedsrichterbeleidigung für den Rest der Spielzeit in die Kabine. Dennoch führt Gummersbach zur Pause 6:5 und kommt zur ll: 10-Revanche für Minden. Nach der Pause steigert sich Gummersbach gegen die wenig überzeugende Grün-Weiß-Elf. Nach dem Spiel muss die Polizei den Schiedsrichter vor Fanatikern schützen . Mit der Vergabe des deutschen Meistertitels hat der VfL nach der Niederlage in Minden und dem knappen Sieg in Gummersbach nichts zu tun. Den Titel auf dem Großfeld holt sich 1964 TuS Wellinghofen. 1964 und 1965 stellt der VfL die Weichen für die ersten Erfolge in der Halle. Mitte Dezember ist der Auftakt zur Hallenoberliga Mittelrhein. Bayer Leverkusen und VfL Gummersbach bleiben wie erwartet ohne Punktverlust Auch der ESV Olympia Köln hat die vier Pluspunkte in eigener Halle einkalkuliert. Er muss aber ein hartes StückArbeit leisten, bis er sie endlich im Besitz hat. Die Ergebnisse: Olympia Köln - TuS Niederpleis 14:5 (7:4), TV Kuchenheim - TuS Niederpleis 11:9 114


(3 :5), Olympia Köln - TV Kuchenheim 17: II (9:6), VfL Gummersbach- DJK Burtscheid 15:6 (8:4), VfL Gummersbach - SSV Marienheide 18:12 (7:5), SSV Marienheide - DJK Burtscheid 13: I 0 (6:3), Bayer Leverkusen - Polizei Linnich 11:7 (4:5), Bayer Leverkusen- Düren 14:5 (7:1), Polizei Linnich- Düren 18:10 (8:4). In der Gummersbacher Halle sind die Aufgaben fiir den einheimischen VfL zu leicht. Es sind Routinesiege, die zahlreichen Tore von Hansi Schmidt genügen zum Erfolg. Inzwischen macht sich die Trainingsarbeit von Heiner Frohwein beim SSV Marienheide allmählich bezahlt. Schlüsselfigur des Teams ist Jochen Feldhoff, der demnächst nach Gummersbach wechseln wird. Im neuen Jahr liefert Gummersbach gegen Bayer Leverkusen sein Meisterstück ab und gewinnt 11 :7 (7:4). Herausragender Spieler an diesem Tag ist Hansi Schmidt, der ftinfTreffer erzielt. Durch weitere Siege über den TV Krefeld-Oppum (9 :3), Polizei Koblenz (8 :3) und Wellinghofen (11 :7) erreicht der VfL zusammen mit Wellinghofen vorzeitig die Endrunde in der Dortmunder Westfalenhalle. Die Gummersbacher kämpfen um den westdeutschen Meistertitel. Gegner sind die Mannschaften von TuS Wellinghofen, Solingen 98 und Grün-Weiß Dankersen. Die Gummersbacher Mannschaft fahrt mit dem Zug nach Dortmund, die Zuschauer sitzen im selben Zug und trinken Bier, die Stimmung ist gut, keineswegs angeheizt. Dabei ist auch der spätere Schwiegervater Hansis, Peter Kohlmeier. Das Turnier wird in verkürzten Spielzeiten ausgetragen. Die Mannschaften beharken sich, doch die Spieler respektieren einander, das Turnier geht fair über die Bühne. In dieser Meistermannschaft stehen Wolfgang Becker, Hans-Gerd Bölter und Wolfgang Heil, die 1964 aus Kotthausen zum VfL gekommen sind. Etwas später dazugestoßen ist Jochen Feldhoff aus Marienheide, ein absolut guter Handballer, sagt Hansi . Er kann auch einmal mit jemandem zerstritten sein, wenn er auf dem Feld steht, ist alles vergessen. Das gilt nicht nur fiir ihn, sondern ftir die ganze Mannschaft, sie will stets etwas bewegen . Dabei ist auch Rolf Jaeger, der erste richtige Hallenspieler der Gummersbacher, so Hansi. Er beherrscht den Sprungund den Seitfallknickwurf, ist ftir Hansis Geschmack aber sehr egozentrisch. Im Kampf um den Titel des westdeutschen Meisters muss Hansi mit dem VfL diesmal noch Grün-Weiß Dankersen den Vortritt lassen. Denn Hansi ist von Herbst 1964 bis Juli 1965 hauptsächlich in Göttingen, um sich aufs Abitur vorzubereiten, er muss die Prüfungen noch einmal ablegen, weil er sein Zeugnis aus Rumänien nicht erhält. Er muss nach Göttingen, weil es dort ein Gymnasium gibt, dass sich spezialisiert hat und Ostblockflüchtlinge zum deutschen Abitur fUhrt. Die Stahlrohrtribünen in der Westfalenhalle sind mit 13000 Zuschauern voll besetzt. Den Titel gewinnt verdient TSV Grün-Weiß Dankersen. Herbert Lübking dirigiert seine Mannschaft überlegen. Sie spielt an diesem Tag den besten Hallenhandball.

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Im entscheidenden Spiel gewinnt Dankersen gegen den VtL Gummersbach mit 8:4 (5:3). Bis 3:3 halten die Gummersbacher mit, ihre drei Tore wirft der überragende Hansi Schmidt, obwohl er manngedeckt wird. Lübkings überragende Regie und die Paraden des neuen Torwarts Tillack, der einen von Hansi Schmidt ausgeführten Siebenmeter hält, ergeben einen klaren Vorsprung von 8:3 für Dankersen. Nach der Pause gelingt den Gummersbachern nur noch ein Tor. Etwa drei Minuten lang spielt Rolf Jaeger mit, dann ist er verschwunden. Die Endrundenergebnisse: TuS Wellinghofen- Solingen I: 1 (I :0), GW Dankersen -VtL Gummersbach 8:4 (5:3), VtL Gummersbach -TuS Wellinghofen 15:4 (8:2), GW Dankersen- Solingen 7:4 (4: 1), GW Dankersen- TuS Wellinghofen 5:5 (3:3), VfL Gummersbach -Solingen 8:7 (3:5). In der Tabelle belegt GW Dankersen mit 5:1 Punkten den ersten Platz vor dem VtL Gummersbach mit 4:2 Punkten. Was der VtL in der Westfalenhalle spielt, ist noch teilweise Feldhandball auf den Parkett, aber die Meisterschaft vor den vielen Zuschauern ist ein Erlebnis. Die Mannschaft spielt mit hohem Einsatz. Die Zuschauer sitzen in Blocks, die Stimmung ist gut.

Aufdem Platz haben sie stets an einem Strang gezogen: (von links) Hansi Schmidt, Günter Raabe, Klaus Brand, Jochen Brand, Klaus Kriesen, Ralf Jaeger, Siegfried Koss, HansPeter Müller, Manfred "Männlein" Rothstein, Karl-Heinz Brinkmann, Klaus Alberts, Dieter Gerold, "Schipo" Schröder, Heiner Frohwein und Emil Rieger im Jahre 1965 in der Lochwiese in Gummersbach.

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Zeitzeugen

Dr. Hjalmar Sauer:

Unverwechselbar und einmalig

Diesen Beitrag schreibe ich mit viel Vergnügen, weil er von einem Freund aus Jugendjahren handelt und weil ich den Anfang des unglaublichen Werdeganges Hansis in der Handballweltgeschichte hautnah miterlebt habe. Hansi war nicht nur einungewöhnlicher Handballspieler, sondern war und ist auch ein außergewöhnlicher Mensch. Er ist, was man auf den ersten Blick und Kontakt gar nicht vermutet: wissensdurstig. Mit großem Eifer ist es ihm gelungen, sich mannigfaltiges Wissen auf den verschiedensten Gebieten anzueignen. Seine vielseitigen sportlichen Talente, aber auch der Wissensdurst und seine beinahe zur Übertreibung neigende Höflichkeit sind mir schon früh aufgefallen . Schon im Alter von 16 Jahren waren seine unwahrscheinliche urwüchsige Kraft, seine Sprunggewalt und seine außergewöhnliche Bewegungskoordination voll erkennbar. Später sind eine ausgefeilte Technik und viel Spielwitz hinzugekommen. Doch schon immer hat Hansi zu überraschenden, nicht vorhersehbaren Aktionen geneigt. Sie deuteten schon in jungen Jahren auf eine ungewöhnliche Karriere hin. Eine angeborene Entscheidungsfreude, eine wie selbstverständlich erscheinende schnelle Auffassungsgabe ließen Hansi in außergewöhnlich kurzer Zeit zum besten und kamplettesten Handballer der 60er und der ersten Hälfte der 70er Jahre reifen. Doch kehren wir zurück zu den Anfangen. Als wir mit dem Schülersportklub Temesvar 1959 rumänischer Juniorenhallenmeister wurden, war Hansi schon unser absoluter Star in einer sehr guten Mannschaft, aus der später viele gute Handballer und ein zweiter Star, Dieter Christenau, hervorgingen. Hansi warf, wenn auch noch etwas ungelenkig, dafür aber mit unbändiger Kraft und Spielfreude Tore fast nach Belieben. Die Floreasca-Halle in der rumänischen Hauptstadt, wo das Endspiel um die Juniorenlandesmeisterschaft gegen den Schülersportklub Bukarest ausgetragen wurde, hatte solch ein Spiel, ausgetragen von Junioren, bis 117


dahin nicht erlebt. Dass Hansi der Torjäger Nummer I des Turniers mit weitem Abstand wurde, war eine Selbstverständlichkeit. Nach dem Finale in Bukarest ging es Schlag auf Schlag: In unglaublich kurzer Zeit wurde aus Hansi ein eleganter, technisch ausgereifter Spieler. Viele erinnern sich nur oder überwiegend an die wirklich grandiosen Sprungwürfe Hansis und vergessen seine sensationellen Anspiele, vor allem der Kreisläufer. 1960, nach dem Abitur, ist Hansi beim Studentenklub Politechnica Temesvar. Schon das erste Spiel mit der neuen Mannschaft in der ersten rumänischen Liga wurde zur Sensation. Wir mussten im Sommer gegen unseren sehr guten Lokalrivalen Technometal antreten, der damals eine bessere und homogenere Mannschaft aufbieten konnte als wir. Spielertrainer Constantin Jude gab uns die Anweisung, gegen die sehr robust und wenig zimperlich vorgehenden Technometal-Kraftpakete nicht zu riskant zu spielen. Wir sollten Fouls provozieren . Bei diesen Regelverstößen war die Ausführung der Freiwürfe ein sich wiederholender Vorgang. FünfSpieler formten eine Mauer, und Hansi war zum Sprungwurf bereit. Mit der Präzision eines Uhrwerks warf Hansi unter nicht einfachen Bedingungen ein Tor nach dem anderen und brachte unsere Gegner, deren teilweises unfaires Vorgehen den Ärger und die Pfiffe der zahlreichen Zuschauer hervorrief, zur schieren Verzweiflung. Das Spiel war nur durch diese Dramaturgie sehenswert. Als sich ein Technometal-Spieler am rechten Arm Hansis festkrallte, warf er einfach mit Links ein Tor. Das Spiel endete 19:18. Wir verließen den Platz als Sieger. 18 der 19 Tore für Politechnica hatte Hansi Schmidt erzielt. Wir alle, auch die in der Mauer Stehenden, hatten genügend blaue Flecken, was unsere Freude nicht trübte. Ich kann mich nicht erinnern, dass sonst ein Spieler in einer ausgeglichenen Partie so viele Tore erzielt hat. Nicht enden wollender Applaus, vor allem ftir unseren neuen Star war der verdiente Lohn. Politechnica hatte den Ersatzmann ftir den vor kurzem zu Dinamo Bukarest gewechselten Weltklassemann Hans Moser gefunden. Schon in diesem ersten Spiel Hansis im Oberhaus zeigten sich die herausragenden Eigenschaften, die Weltklasse von Durchschnitt trennt. In jener Saison belegte die Temesvarer Mannschaft mit Hansi Schmidt in den Reihen den zweiten Platz in der Meisterschaft hinter dem alles beherrschenden Team von Dinamo Hukarest. Für jene Zeit eine Sensation. Durchsetzungsvermögen, Willen, Kampfgeist, Integration ins Team, striktes Befolgen von taktischen Anweisungen, all das kennzeichnete Hansi Schmidt. Seine körperlichen Fähigkeiten waren enorm. In vielen Sportarten hätte Hansi überdurchschnittliche Chancen gehabt. Er hat sich zum Glück für den Handball entschieden. Die unvergesslichen und erfolgreichen Zeiten in einem sensationellen Gummersbacher Team sollen nur erwähnt werden, weil sie an anderer Stelle aus-

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fuhrlieh gewürdigt werden. Mit Hansi war der VfL eine der besten Mannschaften, die Handballkunst in Vollendung zelebrierte. Was Hansi aber noch von anderen großen Handballspielern unterscheidet, ist aus meiner Sicht die außergewöhnliche Charakterstärke. In sicher schwierigen Zeiten redete er nicht anderen nach dem Mund. Er biederte sich nicht an, um kurzfristig Vorteile zu ergattern. Andere haben ihre Zugehörigkeit zu den Banater Schwaben verleugnet, Hansi aber steht unbeirrt zu seiner Herkunft. Er war immer ein Marienfelder und stolzer Banater Schwabe. Trotz Weltkarriere hat er die Bodenhaftung nicht verloren und ist ein bescheidener, ehrlicher und liebenswerter Mensch, einer zum Anfassen geblieben. Geradlinigkeit, Charakterstärke und eine gute Portion Humor zeichnen ihn noch immer aus. Eine kleine Neigung zur Sturheit, die ihm sicher auch geschadet hat, ist nicht wegzudiskutieren. Schwächen, auch liebenswerter Art, runden aber außergewöhnliche Persönlichkeiten ab und lassen sie erst einmalig erscheinen. Unser Hansi ist unverwechselbar und einmalig.

Zur Person Hjalmar Sauer gehört der ersten Generation an, die im Banat mit dem Kleinfeldhandball aufwächst. Über das Nikolaus-Lenau-Gymnasium und den Schülersportklub Banatul kommt er 1959 zu Stiinta, später Politechnica Temesvar in die erste rumänische Liga. Der am 30. Januar 1942 in Temesvar geborene Hjalmar wechselt 1959 nach dem Abitur zur Temesvarer Studentenmannschaft und studiert Chemie. 1969 nimmt er mit Politechnica am traditionellen Neujahrsturnier in Berlin teil. Danach setzt sich der Chemie-Ingenieur in Baden-Württemberg von der Mannschaft ab, arbeitet anfangs bei Hoechst in Frankfurt am Main, absolviert anschließend ein Zusatzstudium in technischer Chemie an der Uni in Erlangen und promoviert mit einer Arbeit über Umkehrosmose. Das Studium und Verletzungen verbieten die Fortsetzung der Sportkarriere. Seit 1981 arbeitet er in der Erdölraffinerie in Lingen an der Ems, zuletzt als Produktionsleiter. Zum Jahresende 2003 ist er aus der Raffinerie ausgeschieden. Seine langjährige Erfahrung nutzt er als Berater und arbeitet zurzeit in Rumänien.

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Kar in Der 20. August 1964 ist einer der wichtigsten Tage in Hansis Leben. Es ist 16 Uhr, das ist in seinem Tagebuch verzeichnet, Hansi steht auf der Kaiserstraße vor dem "Hexenhaus" in Gummersbach und wartet vor dem ehemaligen Kino in der Nähe des Bergischen Hofes auf ein hübsches, blondes, zierliches Mädchen. Hansi hat es vor zwei Tagen zum ersten Mal gesehen. Er geht ihm entgegen . Sie treffen sich auf der Straßenmitte. Hansi spricht Karin an, und das erste, was sie beim Anblick des jungen Mannes sagen kann, ist: " Sooo groß." Karin sieht Hansi zum ersten Mal, so hat sie sich den jungen Mann nicht vorgestellt. Doch drehen wird die Uhr zwei Tage zurück. Es ist der 18. August. Hansi ist eben auf dem Heim- Karin Schmidt weg nach getaner Arbeit bei dem Unternehmensberater Gerhard Kienbaum (1919-200 I), wo er unter der Leitung von Hans Hiob die Post macht, dazu gehört auch die Wahlkampfpost des FDP-Politikers. Prokurist der Firma ist in jener Zeit Jochen Fanger, dessen Sohn Jochen später Spieler in der ersten Mannschaft des VtL wird. Für diesen Ferienjob erhält Hansi wöchentlich 100 Mark. Hansi will noch zum Schuster, um seine alten Schuhe reparieren zu lassen. Hansi muss sparen, weil er noch ein armer Schlucker ist. Auf der Kaiserstraße holt Klaus, ein Bekannter, Hansi mit dem Auto ein und nimmt ihn mit. Sie fahren die 500 Meter bis zum Schuster. Hansi gibt die Schuhe ab und steigt wieder ein. Kaum sitzt er wieder bei Klaus im Wagen, sieht Hansi das blonde Mädchen im Dirndlkleid, das einen Kinderwagen vor sich her schiebt. Für ihn sind damals blaue Augen und blondes Haar wichtig. Hansi will wissen, wer das ist, doch Klaus sagt, er wisse nur eins: Das Kind gehört nicht zur Frau. Auf Hansis Bemerkung hin, das sei ja ein bildhübsches Mädchen, sagt Klaus, das Mädchen heißt Karin . Hansi steigt aus und trifft Erika und Theo Rösler vor dem Schuhhaus Schmitzer. Und auf einmal sieht Hansi wieder die kleine, zierliche Person. Hansi fragt die Röslers, ob sie die kennen, und erfahrt, dass Karin zu der alteingesessenen Gummersbacher Familie Kohlmeier gehört. Er fährt mit dem Bus in die Firma Eugen Haas und bespricht alles mit Käthe Demant, der Sekretärin des Chefs. Hansi will Karin unbedingt kennen lernen. Er ruft an. Doch am anderen Ende der Leitung in der Feldstraße 4 ist Claire Kohlmeier, die Mutter der blonden Hübschen. Mutter Claire ist unglaublich freundlich, sie sagt Hansi, dass Karin nicht zu Hause ist. Hansi soll am nächsten Tag wieder anrufen . Das tut er. Die beiden verabreden sich. Es kommt zum Treffen auf der Kaiserstraße. Karins Vater weiß, wer der 120


junge Mann ist, der angerufen hat, er ist ein genauer Beobachter der Oberbergischen Sportszene. "Für mich war diese Art, jemanden einzuladen, ungewöhnlich, aber sehr reizvoll", sagt Karin Schmidt rückblickend. Karin sieht Hansi beim ersten Treffen mit unschuldigen Augen an, ein bleibender Eindruck. Die beiden gehen in eine Konditorei und bestellen etwas. "Um 21 Uhr habe ich telefonisch mit ihr gesprochen. Für morgen Abend Treff", notiert Hansi nach der ersten Begegnung im Tagebuch . "Ich vergesse es nie, es war schon ungewöhnlich, so einem Riesenkerl gegenüber zu stehen", sagt Karin . An diesem ersten Tag sprechen Karin und Hansi über alles, nur nicht über Sport. Diese erste Begegnung bezeichnet Karin als "eine rein menschliche Angelegenheit", sie ist unbeeinflusst von Hansis Namen und seinem Ruf. Erst, als Karin die gesamte Gummersbacher Mannschaft am Tag daraufbei Krebs kennen lernt, wird ihr bewusst, in welchem Kreis sie gelandet ist. Das erste Treffen mit Hansi nennt Karin eine schöne Geschichte, an die sie immer wieder gerne zurückdenkt. Am 21 . August sieht Hansi Karin nach dem Training wieder. "Nettes Mädchen", schreibt er ins Tagebuch, "habe sie zu Krebs eingeladen ft.ir morgen Abend." Karin nimmt Hansis Einladung an, sie gehen zum ersten Mal gemeinsam aus, auf AdolfKrebs' Fest. "War sehr schön. Karin und ich haben uns gern", notiert Hansi unter dem 22. August 1964. " Karin sagte bei Krebs , dass sie mich gerne hätte (wollen mal sehen). Es wäre ja sc hön." Karin und Hansi nähern sich allmählich, vorsichtig, wie es sich heutejunge Leute kaum vorstellen können. Am 3. September hält Hansi fest: "Sie war wirklich an diesem Abend ausgesprochen nett. Am Sonntag will sie zum Spiel kommen ." Am Sonntag, 6. September, ist es soweit: Karin und ihr Vater sehen sich das Spiel VfL gegen Weiden an. Zum ll :6-Sieg des VfL steuert Hansi vier Tore bei . Am 14. September ist Hansi zum ersten Mal im Hause Kohlmeier. Er lernt die Familie kennen : Karins Eltern Claire und Peter, die Geschwister Giseta und Jürgen. Familie Kohlmeier nimmt Hansi mit offenen Armen auf. Aber Karin ist bei Familie Haas ebenso herzlich willkommen. Karin Schmidt erinnert sich: "Hansi hatte ein gutes Verhältnis zu Eugen Haas, das väterli che Züge trug . Ich habe sofort festgestellt, dass er hundertprozentig Familienanschluss gefunden hatte." Karin Kohlmeier, geboren am 16. Oktober 1944 in Gummersbach, ist die Tochter eines waschechten Oberhergers und einer Ostpreußin. Peter Kohlmeier ( 1900-1982) ist Geschäftsft.ihrer der Grauwacke-Union in Gummersbach, die zwei Steinbrüche ausbeutet. Einer der beiden Steinbrüche war Eigentum von Carl Kohlmeier, Karins Großvater. Mutter Claire Kohlmeier geborene Behrendt ( 1906-1994) stammt aus Allenstein. Karins Schwester Giseta und Bruder Jürgen ( 1942-1975) sind alle sportlich. Jürgen , der bei einem Unfall ums Leben kommt, ist der vielseitigste: Er spielt als Jugendlicher Handball, wird deutscher Judo-Jugendmeister, ist ein guter 121


Turner, Schwimmer und Segelflieger. Karin ist in ihrer Jugend Mitglied des Gummersbacher Schwimmvereins. Im Tennisverein Niedersessmar ist sie heute noch aktiv. Seit 28 Jahren spielt sie Tennis mit Annelie Schlagheck, Anni Messerer, lrmi Wagner und Petra Draeger.

Karin und Hansi Schmidt in jungen Jahren

VfL-Obmann Eugen Haas sagt Mitte der 60er Jahre: Ein Gummersbacher Mädel ist ganz wichtig und richtig für seinen Handballstar. Aus seiner Sicht ist das Zusammentreffen von Karin und Hansi das beste, was dem VfL hätte passieren können. Ein Gummersbacher Mädchen bindet seinen wichtigsten Spieler ans Oberbergische.

Haas will aus Hansi einen Kaufmann machen. Doch Hansi winkt ab und ist im Sommer 1964 als Studienbewerber an der Sporthochschule in Köln zu finden. Hansi will das fortsetzen, was er nach dem Abitur 1960 in Rumänien begonnen hat. Er hat vier Semester Sport an der Hochschule in Temesvar studiert und ist im fünften Semester an die Sporthochschule in Bukarest gewechselt. Jetzt hofft Hansi auf eine Ausnahmeregelung. Dr. Hans-Jürgen Schemenzky, der Stellvertreter von Eugen Haas beim VfL und Betriebswirt bei der Firma Kienbaum in Gummersbach, meint, das Programmheft der Studenten-Weltmeisterschaft von Schweden 1963 könnte ausreichen, um zu beweisen, dass Hansi schon in Rumänien studiert hat und deshalb das Abitur abgelegt haben muss. Vor der Aufnahme an der Kölner Sporthochschule steht unter anderem eine Prüfung bei Turnolympiasieger Professor Helmut Bantz an. Er testet den 106 Kilogramm schweren Hansi am Reck. Bantz lässt ihn zehn Klimmzüge machen, dann hat Hansi die Turnaufnahmeprüfung bestanden. Bei einem Treffen der WDR-Prominenten-Fußballmannschaft mit Ernst Huberty, Dietmar Schott, Gerd Harpers, Rudi Kisters und Heinz Schütz in der Gaststätte Bacchus von Jean Löring in Köln fragt Hansi seinen früheren Lehrer Bantz Jahre später, ob er sich noch an die Prüfung mit den zehn Klimmzügen erinnert. Bantz sagt, ihm habe das gereicht, denn er habe gewusst, dass aus Hansi nie ein Turner werden kann. Sein Fußballlehrer ist Hennes Weisweiler (1919-1983). Er ist der unbequemste Lehrer an der Sporthochschule. Hansi bekommt bei ihm eine Drei, ohne je einen Fußball berührt zu haben. Der Unterricht bei Weisweiler verläuft so: Der Fußballlehrer steht mit dem Rücken zu den Studenten, ruft einen Namen und dazu den Befehl: Beweg dich. Was die Studenten tun, interessiert den Fußballtrainer nicht. 122


Hansi erlebt auch Professor Wilke. Er ist der Schwarm aller Mädchen, er sieht aus wie ein Adonis. Er hat seinen Doktor in Germanistik gemacht und verfügt über vorzügliche Umgangsformen. Bei Professor Kirschbaum müssen die Spürtstudenten im kleinen Hörsaal die Trommeltechnik erlernen. Auch ein Student namens Laskovic ist dabei. Er ist ein fast genialer Fußballspieler, doch trommeln kann er nicht, ihm fehlt das RhythmusgefühL Der Professor hat kein Verständnis dafür und ist maßlos enttäuscht. "Heute muss ich noch lachen, wenn ich daran denke, wie der Serbe, ein netter Kerl, getrommelt hat", erinnert sich Hansi. Schwimmunterricht hat Hansi bei Diplom-Sportlehrer Sommer, der Weltrekordhalter im Weittauchen ist. Ihn beschreibt Hansi als leicht rücksichtslos. Im Schwimmbecken muss Hansi hart trainieren, weil er viel zu kraftvoll schwimmt.

Zum zweiten Mal Abiturient Eigentlich könnte Hansi weiter Sport studieren, er ist an der Sporthochschule zugelassen aufgrund des Programmheftes der Studenten-Weltmeisterschaft in Schweden, das ihn als rumänischen Studenten ausweist. Doch Schementzky, Eugens Haas ' Stellvertreter beim VfL, meint, das sei alles zu riskant. Es könnte eines Tages passieren, dass Hansi wegen des fehlenden Abiturzeugnisses Probleme bekommt. Schementzky drängt Hansi , das Abitur noch einmal abzulegen. Deshalb verlässt er die Hochschule in Köln, um sich in Göttingen darauf vorzubereiten. Schementzky fahrt Hansi in seinem VW Käfer nach Göttingen. Nach einem Gespräch mit Schulleiter Dr. Brettschneider schreibt sich Hansi am Gymnasium ein. Am I. Oktober 1964 ist er erneut in Göttingen. Das stressigste Jahr seines Lebens bricht an. Hansi belegt einen Sonderlehrgang für Spätaussiedler an einem Institut für Erziehung und Unterricht. Zweimal in der Woche besucht Hansi außerdem das Abendgymnasium, an dem er Unterricht in Chemie und Physik hat. An sechs Tagen in der Woche muss er um 7.15 Uhr im Max-Planck-Gymnasium sein. Dr. Gerhard Schinke ärgert sichjeden Samstag, wenn Hansiden Deutschunterricht eine Viertelstunde vor der Zeit verlässt, um den Zug in Richtung Siegen zu erreichen. Der VfL und die Meisterschaftsspiele rufen. In Siegen holen Giseta Haas, die Tochter des VfL-Obmanns, und Karin Kohlmeier Hansi mit dem Auto am Bahnhof ab und bringen ihn ins Jägerhaus. Sonntags muss Hansi wieder zurück nach Göttingen. Der Zug fährt um 19 Uhr in Siegen ab. Nach mehrmaligem Umsteigen ist das neue Gummersbacher Handballidol um 2 Uhr in Göttingen. Um 6 muss Hansi schon aufstehen, um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Er hat keine Sekunde Freizeit und besteht das Abitur mit Hängen und Würgen. Seine Kollegen aus dem Ostblock, die ein Abiturzeugnis vorlegen können, haben weniger Fächer zu belegen und nur eine Zusatzprüfung zu bestehen. Einmal in der Woche trainiert er in der Göttinger Uni-Sporthalle für die Samstagsspiele im Handball. 123


Hansi wohnt in Göttingen in der Speckstraße 8 und trifft den Gummersbacher Bernd Gabel, später Doktor der Physik. Im Sommer 1965 steht das Abitur an. Es wird eine aufregende Woche. Auch Günter Bloser, der auf dem Gymnasium in Temesvar mit ihm in derselben Klasse war, stellt sich zur Prüfung. Doch zum Unterschied von Hansi wird Bloser nur in Karin und Hansi Schmidt auf einer Feier drei Fächern geprüft. Bloser muss lediglich die drei Fächer als Zusatzprüfungen ablegen, weil er sein Abiturzeugnis aus Temesvar vorlegen kann. Hansi hingegen wird in allen Abiturfachern geprüft. In der Prüfungszeit bezieht Karin ein Hotelzimmer in Göttingen, zittert mit Hansi und unterstützt ihn nach Kräften. Nach dem Abitur fährt Hansi nach Köln, zahlt überstürzt 80 Mark Einschreibegebühr an der Uni-Kasse, um anschließend zu erfahren, dass sein Notendurchschnitt nicht ausreicht, um ein Zahnmedizinstudium beginnen zu können. Hansi schreibt sich als Geschichtsstudent an der Uni Köln ein und spielt im UniTeam Handball. Sein Trainer ist der Diplomsportlehrer Mecky Rosen, später Reporter beim WDR. Weil das Studium in Köln zu zeitaufwendig ist und mit dem Kalender des VfL kollidiert, wechselt er 1965 an die Pädagogische Hochschule nach Bonn, wo er schwerpunktmäßig Geschichte, Mathematik und Sport studiert. Gute Erinnerungen hat Hansi an Professor Annette Kuhn, die in Bonn Geschichte liest, an den Mathematikprofessor Bernhard Bierbaum, an Professor Heinz Denk, der die Sportvorlesungen hält. An der Hochschule in Bonn spielt Hansi neben Handball auch Basketball in den Studentenmannschaften. Als junger Student betreut er die Handball-Arbeitsgemeinschaft als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Er wohnt anfangs im Bonner Ortsteil Endenich bei dem Landwirt Albert Müller am Steinweg 64 zusammen mit Helmut Bechheim. Hansi trainiert nebenbei die Endenieher Handballmannschaft Bechheim studiert Jura, macht seinen Doktor und wird später eine Anwaltspraxis in Wildbergerhütte eröffnen. Die beiden fahren montags bei Wind und Wetter zusammen mit Manfred Haas aus Wiehl, es ist kein Verwandter des VfL-Obmanns Eugen Haas, mit dem Auto nach Bonn. Wenn sie mit der hässlichen "Ente" ankommen, sind die ersten Vorlesungen schon vorbei. Auf dem Zimmer in Endenich liest Bechheim seinem Kollegen seine juristischen Hausarbeiten vor, und Hansi muss sich dazu äußern.

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Karin Kohlmeier, inzwischen Hansis Freundin, die die Lehre als Apothekerhelferin in Dieringhausen abgeschlossen und anschließend ein halbes Jahr lang bei der Deutschen Bank gearbeitet hat, findet in einer Apotheke in Bad Godesberg Arbeit. Hansi zieht jetzt um. Er und Karin wohnen in zwei Häusern, aber Wand an Wand: er bei Gretchen Zyrus, die inzwischen gestorben ist, sie bei Malermeister Herbert Reinemann in der Kronprinzenstraße. Für das Zimmer muss Hansi I 00 Mark Monatsmiete bezahlen, Karin für ihres ebensovieL Für beide ist das viel Geld. Als der Banner Sportamtsleiter ihm und einem Schwimmer ein Zimmer in der Nähe der Hochschule zuteilt, zieht er erneut um. Jetzt braucht er nur noch 30 Mark Miete zu bezahlen und erspart sich die katastrophalen Busfahrten von Bad Godesberg zur PH. Karin wohnt weiter in Bad Zu Besuch in Marienfeld: Meta und EuGodesberg, unweit ihrer Arbeitsstelle. gen Haas bei Rosa und Hans Schmidt 1967 bekommt Karin ihr erstes Auto: einen Fiat Jagst 2. Er kostet 2 500 Mark. Viel Geld, sagt Hansi. Es ist eine gemeinsame Anschaffung. Karins Führerschein ist ein Geschenk von Hansi. Die Fahrprüfung besteht Karin schon zwei Jahre vorher, am 26. Juli 1965, verzeichnet Hansi in seinem Tagebuch. Er hat noch keinen Führerschein, wegen Geld- und Zeitmangels. Mit dem Wagen fahren die beiden jetzt jedes Wochenende nach Gummersbach. Der VtL und der Handball warten. Karin holt Hansi stets an der Rheinbrücke in Bonn ab. Nicht nur einmal wird sie zu ihm sagen: "Ich wünschte, es gäbe einen Knall, und wir wären zu Hause." Samstags sind sie zu Hause: Karin bei den Eltern, Hansi in Wildbergerhütte bei Familie Haas oder in Niedersessmar. Obwohl Hansi allein wohnt, fühlt er sich schon zur Familie Kohlmeier zugehörig. Karins Eltern habe ich sehr viel zu verdanken, sagt Hansi noch heute. Hansis Studium in Bonn dauert sieben Semester, eins mehr als geplant. Hansi wartet vergebens auf Unterlagen aus Bukarest, die ihm sein ehemaliger Lehrer und Trainer Johnny Kunst versprochen hat. Er will eine Diplomarbeit schreiben mit dem Thema "Vergleich der Richtlinien und Bildungspläne im Sport in Deutschland und Rumänien". Weil Johnny Kunst sein Versprechen nicht einlöst, lässt Hansi das Thema fallen. Aber ein Semester ist verloren. 1969 ist die Diplomarbeit fertig, 125


und Hansi legt sein Erstes Staatsexamen ab. Sein Abiturzeugnis samt Hochschulunterlagen aus Bukarest und Temesvar wird Hansi erst 1972 erhalten. Seit 1968 sind Karin und Hansi mit Brigitte und Gerd Demann und später mit deren Sohn Dirk befreundet. Gerd Demann ist Hansis Studienkollege an der Pädagogischen Hochschule in Bonn. Mit Demanns, die ein Haus in Pinsdorf bei Gmunden am Traunsee besitzen, werden Karin, Hansi und die Söhne Hans-Günther und Christoph Eric manchen Urlaub verbringen. Zu seinen Freunden aus Hochschulzeiten zählt Hansi auch Bernd Beiße! , der heute Rektor der Hauptschule in Rheinbach bei Bonn ist. Der Vorzeigestudent Bernd Beiße) spricht alle nachgeschriebenen Vorlesungen auf Band. Hansi , der wegen des Handballs oft Vorlesungen nicht besuchen kann , profitiert voll davon. Dochgenauso viel hilft ihm Gerd Demann, der heute Manager des Bonner SC ist. "Beiden bin ich zu Dank verpflichtet", so Hansi . "Ohne die beiden hätte ich das Studium so einfach nicht geschafft. Sie haben mir viel Zeit erspart." Beiße) und Demann sind Fußballer. Nach einem Sportwettbewerb zwischen deutschen und holländischen Studenten in Breda, an dem Handballer, Basketballer und Fußballer teilnehmen, wird es zeitlich eng. In Gerd Demanns Kadett, ein Viersitzer, zwängen sich auf der Fahrt nach Gummersbach fl.inf Mann: Einer nimmt Platz auf dem Beifahrersitz, zwei auf der Rückbank , und der ft.infte legt sich quer auf die Beine der beiden hinten Sitzenden. Hansi muss rasch nach Gummersbach, wo der VfL ein Spiel gegen Bildesheim bestreitet. Gerd Demann fährt, was das Auto hergibt, doch sie treffen fl.inf Minuten nach Spielbeginn in der Halle ein. Trainer Horst Dreischang setzt Hansi zur Strafe in der ersten Halbzeit nicht ein. In der zweiten darf er mitspielen und wirft acht Tore. Zwischen Karin Kohlmeier und Gisela Haas, der Tochter des VfL-Obmanns, entwickelt sich eine echte Freundschaft. Die beiden jungen Frauen und Hansi unternehmen einiges gemeinsam. Karin und Gisela fahren im Sommer 1966 zusammen zu Besuch zu Hansis Eltern nach Marienfeld. Hansi, wegen Fahnenflucht in Rumänien in Abwesenheit verurteilt, darf sich dorthin vorerst nicht wagen. Am 15 . Juni starten Karin und Gisela. Am 17. Juni kommen die beiden in Marienfeld an. Es wird eine abenteuerliche Fahrt hinter den eisernen Vorhang. Karin und Gisela haben den Volkswagen voll bepackt mit Mitbringseln . Für die Leute in Jugoslawien, das sie auf dem Weg nach Südwestrumänien durchfahren , ist es eine Sensation: zwei junge Ausländerinnen allein mit dem Auto unterwegs. Sie erscheinen den Leuten wie ein Weltwunder. Karin und Gisela übernachten in Agram (Zagreb ), der kroatischen Hauptstadt, bei Ivo Petroci , einem Bekannten des VfL-Trainers Djordje Vucinic. Bis Belgrad sind die Straßen gut, die Fahrt verläuft reibungslos. Doch hinter der serbischen Hauptstadt werden die Straßen schlecht. Die beiden Frauen kommen nur langsam vorwärts. Sie müssen an man-

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eher geschlossenen Bahnschranke halten, die sich schon eine Stunde vor der Durchfahrt des Zuges schließt, und werden bestaunt wie Menschen von einem anderen Planeten. Sie erreichen die serbisch-rumänische Grenze bei Stamora-Morawitza, dürfen ohne Schikane passieren und kommen schließlich in Marienfeld an. Rosa und Dr. Hans Schmidt begrüßen die beiden jungen Frauen äußerst herzlich. Hansis Eltern freuen sich sehr. Sie sind gespannt auf die Braut ihres Sohnes, sie wollen sehen und erfahren, was sich Hansi ausgesucht hat. Alles verläuft unproblematisch. Zwischen Karin und den zukünftigen Schwiegereltern, aber auch zu Schwägerin Helga und Schwager Willy Pries entwickelt sich direkt ein nettes Verhältnis. Karin und Gisela verbringen ein paar sehr schöne Tage in Marienfeld. Karin und Gisela werden in der Schmidt'schen Verwandtschaft herumgereicht. "Ich war sehr beeindruckt, wie die Leute mit wenig recht zufrieden waren", erinnert sich Karin Schrnidt, "uns hat erstaunt, dass die Leute als Selbstversorger alles hatten, was sie zum Leben brauchten. Beeindruckt hat mich der Riesengarten meiner zukünftigen Schwiegereltern, in dem alles war, was man sich nur vorstellen kann . In !n Marienfeld: Helga, Rosa und Dr. Hans Schmidt mit Hund Adonis die Küche kam alles frisch aus dem Garten. Lediglich eins hat sich meine Schwiegermutter gewünscht: Brühwürfel ftir die Suppe, wegen des Geschmacks" . Eins fallt den beiden jungen Frauen auf: Die Häuser sind zerfallen. Alles ist vernachlässigt, weil kein Geld unter dem Volk ist. Die kommunistische Misswirtschaft ist unübersehbar. "Wir sind schrecklich gerne nach Marienfeld gefahren", sagt Karin , "Hansis Eltern waren sehr tolerant. Wir konnten uns frei bewegen und alle Köstlichkeiten aus dem Riesengarten genießen. Auch Sohn Hans-Günther erinnert sich immer wieder an Marienfeld und sagt, 'weißt du noch, wie es da war '." Vor Karin war schon Eugen Haas mit seiner Frau Meta im Sommer 1964 zu Besuch in Marienfeld. Am 8. Juli 1966 sind Karin und Gisela zurück in Gummersbach. Karin bringt unter anderem ein Fünf-Liter-Glas Aprikosenmarmelade mit, die Hansis Mutter nach altem Rezept gekocht hat. Doch essen werden sie die Köstlichkeit nicht. Hansi lässt das Glas auf dem Balkon der Kohlmeiers fallen , es zerbricht, alles ist weg. Am 6. August feiern Karin und Hansi Verlobung.

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19. Juli 1968: Kar in und Han si nach der n-auung aufdem Standesamt mit den Trauzeugen Eugen Haas (links) und Herber! Kran z

Zwei Jahre später, am 19. Juli 1968, heiraten Karin und Hansi. Günther Weber traut sie auf dem Standesamt. Pfarrer Kari-Kurt Heering ( 1908-1978) erteilt dem Paar Gottes Segen in der evangelischen Kirche in Gummersbach. Daraufhin exkommuniziert die katholische Kirche Hansi. fhre Trauzeugen sind VfL-Obmann Eugen Haas und Herbert Kranz, von 1968 bis 1972 Vorsitzender der Technischen Kommission des Deutschen Handball-Bundes. Es wird eine Hochzeitsfeier, zu der Familienangehörige, Freunde und die Handballmannschaft des VfL eingeladen sind. Einziger Wermutstropfen: Hansis Eltem und se ine Schwester mit Schwager können wegen des eisernen Vorhangs nicht zur Hochzeit kommen . Als einzige Verwandte Hansis sind Tante Rosa Reinlein mit ihrem Sohn Hans dabei , die in Württemberg zu Hause sind. Rosa Reinlein ist jene Tante, deren Mann Karl auf der Flucht 1944 in Jugoslawien spurlos verschwindet. Vetter Hans Reinlein ist nach dem Krieg in Wien, wo er mit finanzieller Unterstützung der Mutter Abitur macht. Er wird sich später in Baden-Württemberg niederlassen, wohin auch die 1945 nach Marienfeld heimgekehrte Mutter Rosa nach dem Verlassen Rumäniens zieht. Vor der evangelischen Kirche in Gummersbach steht die Jugendmannschaft des VfL Spalier. Auf dem sehr schönen Polterabend, so Karin , lassen Hansis Mannschaftskameraden Fässer anfahren. Mit Knüppeln hauen sie drauf und erzeugen 128


einen ohrenbetäubenden Lärm. Hansi bedankt sich bei ihnen mit einem Umtrunk. Die Hochzeitsreise nach Scheweningen muss allerdings verschoben werden, wegen eines wichtigen Spiels. Sie dauert allerdings auch nur drei Tage. Auf dem Rückweg aus Holland spielt Hansi schon wieder Handball. 1968 ist das Jahr der Studentenproteste. Hansi erlebt die Revolte mit Unbehagen. Er ist kaum vier Jahre der Unfreiheit entronnen und betrachtet "das Treiben der Berufsrevoluzzer" skeptisch. Parolen, wie " hört nicht auf die Eltern" sind für Hansi falsch verstandener Liberalismus. "Die 68er hatten keinen besonderen Bezug zur Leistung, sie waren einfach nicht bereit, Leistung zu bringen. Die jungen Leute hatten damals das Bedürfnis, sozialkritisch zu sein. Was die uns damals eingebrockt haben, müssen wir heute auslöffeln. Deshalb gibt es auch heute keine Achtung mehr vor den Alten. Ich unterrichte heute die Kinder derer, die auf die 68er gehört haben. Die hatten keinen Bezug zur Leistung, die wollten nichts besser, sondern alles schlechter machen. Ich habe viel für Querköpfe übrig, doch ich möchte, dass unsere Jugend kritischer denkt, sie ist mir zu unpolitisch." Die Kinder sollten lernen, richtig mit der Leistung anderer umzugehen. Dazu gehöre Achtung. Im September 1968, Karin arbeitet noch in Bad Godesberg, richten die beiden ihre erste Wohnung in Gummersbach ein. Es ist eine Drei-Zimmer-Mansardenwohnung amBerlinerPlatz 2 in der Wohnanlage mit dem Namen Auf dem Hepel. Anfangs haben sie einen Wohnzimmerschrank, ein Schlafzimmer und die Kücheneinrichtung, alles geschenkt von Karins Eltern. Karin sieht Mutterfreuden entgegen. Karin und Hansi sind wie die meisten in jenen Jahren noch anspruchslos. Nach drei Jahren mieten sie eine größere Wohnung, 1974 beziehen sie ihre Eigentumswohnung in der Klosterstraße in Derschlag, wo sie auch heute noch zu Hause sind. Am 19. Januar 1969 wird Hans-Güntherjunior geboren. Nach dem Staatsexamen 1969 wird Hansi Referendar in Bergneustadt Sein Wunsch, die Referendarzeit zusammen mit Gerd Demann in Bonn zu absolvieren, wird nicht erfüllt. Der zuständige Schulrat Nentwich hält Hansi in Derschlag fest. Hansi ist als junger Lehrer an den Schulen in Bergneustadt, Becketal, Rebbelroth, Derschlag und Resseibach zu finden. Seine Referendarzeit beginnt am 12. März 1969. Nach bestandenem Staatsexamen gratuliert der Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner Hansi am 26. Februar 1969 zum erfolgreichen Abschluss des theologischen Studiums.

Flucht 111 1967 wird in Rumänien ein Amnestiegesetz erlassen. Auch Hansi gehört zu den Begnadigten. Davon erfahrt Hansis Vater aus einer Mitteilung des Militärgerichts in Bukarest vom 11. März 1968. Das Urteil ist am 16. April 1964 gesprochen worden. In einem Brief vom 12. Mai 1969 teilt die rumänische Botschaft in Köln 129


Zu Besuch in der Banaler Stahlfeste Reschitza: Karin und Hansi Schmidt mit He/ga und Willy Pries und Hans-Günther

Hansi mit, dass er seit 29. Januar 1969 kein rumänischer Staatsbürger mehr ist. Sein entsprechendes Entlassungsgesuch ist genehmigt. Jetzt trägt sich Hansi mit dem Gedanken, seine Eltern in Marienfeld zu besuchen. Am 12. Juni 1969 wendet sich Hansi an die rumänische Botschaft: " Im Sommer diesen Jahres beabsichtigen meine Frau und ich nach Rumänien zu verreisen. Dazu darf ich Sie hötlichst um ein Visum bitten. Wir möchten etwa vom 12.07 . 1969 bis 30.8.1969 in Banat/ Rumänien verweilen. Unter Umständen würden wir auch unser Kind mitnehmen; müssen wir in dem Falle auch ein besonderes Visum beantragen? Wenn ja, so lassen Sie mich das bitte rechtzeitig wissen." Hansi erhält die angeforderten Visa. Nach fünfeinhalb Jahren wird er wieder rumänischen Boden betreten. Das Wiedersehen im geliebten Marienfeld löst viel Freude aus bei den glücklichen Großeltern, die Klein-Hans-Günther zum ersten Mal sehen, bei Hansis Schwester Helga und Schwager Willy Pries und deren Tochter Gunthara. Er selbst freut sich auf die Familie und auf Verwandte, auf das, was der große Hausgarten an köstlichen Früchten und Gemüse hergibt. Es werden ein paar schöne, heiße Banater Sommerwochen. Karin und Hansi feiern ihren ersten Hochzeitstag in Temesvar bei Schwester Helga und Schwager Willy. Die Schwester bereitet Hansi eine besondere Freude. Sie serviert ihm sein Lieblingsgebäck: Magnatenkrapfen.

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Hansis Mutter ist sehr stolz, als sie den Sohn nachallden Jahren der Abwesenheit 1969 wiedersieht. Der erste gemeinsame Weg fUhrt sie nach Groß-Sankt-Nikolaus, die Kleinstadt nahe Marienfeld. Hansi fahrt ihr nicht rasch genug. Bis zur Ausreise der Eltern und der Schwester mit ihrer Familie im März 1975 werden Karin und Hansi noch einige Male zu Besuch in Marienfeld weilen. Die Urlaubstage in Marienfeld sind erholsam. Hans-Güntherjunior lernt in Marienfeld Rad fahren. Christoph Eric, der jüngste Sohn, ist fast ein waschechter Marienfelder, sagt Hansi, er wurde dort gezeugt. Anfang der 70er Jahre, Christoph Eric ist noch nicht geboren, es ist die Zeit, als Djordje Vucinic VfL-Trainer ist, ergreifen Karin und Hansi in einer Nacht- und Nebelaktion die Flucht aus Marienfeld. Eigentlich unbegründet, wie sich später herausstellt. Das können sie aber nicht wissen. Sie sind erst einen Tag in Marienfeld. Hansi wird zur Post ans Telefon gerufen. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Bukarest: "Verlassen Sie sofort das Land, fragen Sie nichts". Die Aufforderung, das Land zu verlasen, verdankt Hansi einem übereifrigen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes in Bonn, der die ganzen Zusammenhänge seiner Geschichte nicht kennt. Das stellt sich erst später heraus. Als Hansi losfahrt, sieht er im Rückspiegel, wie seine Mutter zusammensackt. Es ist ein Schock ft.irs Leben. Hansi fahrt nach Belgrad, wo er VfL-Trainer Vucinic trifft. Erst in der serbischen Hauptstadt kann er richtig Luft holen. Die Gummersbacher Mannschaft ist im kroatischen Adriabad Makarska im Trainingslager. Die Fahrt von Belgrad ins Trainingslager in Dalmatien bleibt Karin und Hansi wohl immer im Gedächtnis. Vucinic fahrt auf den Gebirgsstraßen sehr riskant. Hansi folgt ihm in seinem Wagen. Es ist furchtbar heiß. Wer den Sommer auf dem Balkan erlebt, leidet. In Makarska angekommen, erkrankt Klein-Hans-Günther. Weil Ärzte den Verdacht auf Ruhr äußern, steigt Karin mit dem Sohn in ein Flugzeug und fliegt nach Deutschland. Karin wächst allmählich in die Gummersbacher "Handballgeschichte" hinein. Sie ist bei Heimspielen des VfL und in der näheren Umgebung fast immer unter den Zuschauern, auch in der Westfalenhalle. "Ich bin ein richtiger VfL-Fan geworden", sagt sie, "es war eine schöne Zeit, materielle Dinge haben keine Rolle gespielt. Handball war damals noch ein echter Amateursport, der mich begeistert hat. Ich war Fan, aber keineswegs verbohrt." An Hansis erstes Spiel mit dem VfL 1970 in Bukarest kann sich Karin noch gut erinnern. Vor allem an den Flug mit einer Iljuschin. Die Mannschaft kommt nach dem turbulenten Flug wie gerädert in Bukarest an und bezieht Quartier im Hotel Intercontinental. Karin und ihre von Marienfeld nach Bukarest gereisten Schwiegereltern beziehen Quartier in einem anderen Hotel. "Die Zuschauer empfangen Hansi so positiv, als ob er nie weg gewesen wäre", sagt Karin. Diejenigen, die

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pfeifen, sind in der Minderzahl und schweigen bald. Auf dieser Reise lernt Karin den ehemaligen Handballweltstar Hans Moser und Hansis ehemaligen Mannschaftskollegen Gheorghe Gruia kennen. Die Schwiegereltern und sie werden sehr nett aufgenommen. Spieler und Betreuer des Klubs Steaua behandeln Hansi und seine Angehörigen, als ob er sie nie verlassen hätte. "Es sind bewegende Momente", die sie in der Floreasca-Halle erleben. Der VfL unterliegt im ECHalbfinal-Hinspiel dem Pokalverteidiger Steaua mit 13:16 (9:9). Karin erlebt Hansi als einen "herausragenden, souveränen und absoluten Spielmacher und Vollstrecker". Die Zahl der geworfenen Tore beeindruckt sie immer wieder. Doch sie weiß auch: "Ohne seine Mitspieler hätte er das, was er erreicht hat, nie leisten können. Wir haben die Nase nie hoch getragen", sagt Karin . "Wir haben stets versucht, normal zu bleiben . Hansi hat aufmich gehört, er konnte abschalten, er hat sich manches angezogen, was ich ihm gesagt habe." Mit Karin wird Hansi alle Höhen und Tiefen gemeinsam meistern . Sie werden eine glückliche Ehe führen , obwohl nicht immer alles eitel Sonnenschein ist. "Ich habe aber immer versucht, ehrlich zu sein, mit allen Dingen konnte ich nicht einverstanden sein."

Claire und Peter Kohlmeier mit Rosa und Dr. Hans Schmidt auf einer Familienfeier

Eines hat sie jedenfalls nicht ändern können: Karin ist diejenige, die am längsten nach Spielen vor der Kabine warten muss. Denn Hansi braucht "von allen Spielern am längsten, bis er fertig ist." Pünktlichkeit ist nie seine Stärke gewesen, sagt Karin. Doch sie macht ihn auch auf andere Fehler aufmerksam: Sie sagt ihm das eine oder andere Mal, dass er einen Mitspieler hätte anspielen sollen, statt zu versuchen mit aller Gewalt ein Tor zu machen .

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Schwierigkeiten bereitet Karin die immer wieder zum Vorschein tretende große Dominanz Hansis : "Wenn er spricht, darf keiner etwas sagen, er versucht immer wieder das Wort an sich zu reißen und nicht mehr herzugeben. Aber Hansi hat auch seine positiven Seiten. Er ist unglaublich zuverlässig, er steht hundertprozentig zu seiner Familie. Das hat mich immer wieder aufgerichtet", sagt Karin. "In der Familie und im Sport war er stets die Zuverlässigkeit in Person. Diese Tugenden hat er auch seinen Kindern weitergegeben. Sie haben gelernt, wie sie ihren Angehörigen eine Freude bereiten können, auch wenn sie fern von ihnen sind." Wer hat schon einmal darüber nachgedacht oder gar erfahren, unter welchen Bedingungen der VfL Gummersbach manchen Sieg eingefahren hat? Als der VfL Anfang Oktober 1973 in der Westfalenhalle das Handball-Europapokal-Rückspiel gegen Val ur Reykjavik 16:8 gewinnt, weiß keiner, in welcher Verfassung die BlauWeißen dem Meister Islands gegenübergetreten sind. Sechs der Gummersbacher Handballamateure, die alle einer geregelten Beschäftigung nachgehen, sind eben vom internationalen Wettbewerb um den Ostsee-Pokal von der Nationalmannschaft zurück, um im Buropapokal ihren Mann zu stehen. Klaus Kater, der mit seinen glänzenden Paraden im Spiel gegen die DDR eine höhere Niederlage der bundesdeutschen Nationalmannschaft verhindert hat, Hansi Schmidt und Klaus Westebbe haben fünf Spiele in sieben Tagen bestritten. Helmut Kosmehl , Joachim Deckarm und Werner Lettgen sind von der B-Mannschaft zurückgekehrt. Hansi Schmidt und Helmut Kosmehl klagen nach der anstrengenden Woche über die schlechte Organisation bei der Nationalmannschaft, die mehr geschlaucht habe als die Spiele. Ganze vier Stunden hat Hansi in den zehn Tagen vor dem Pokalspiel Karin und die Söhne gesehen. Karin ist inzwischen Kummer gewohnt. Aber an diesem Abend meldet sich der kleine Hans-Günther zu Wort, weil er zum ersten Mal richtig wahrnimmt, dass sein Vater so oft und so lange von zu Hause fort ist: "Wie, du willst schon wieder weg? Das ist aber schade." Doch Hansi graust es schon vor dem, was im September 1973 kommt. Denn vor ihm liegt eine fast neunmonatige Saison, in der er mit dem VfL Gummersbach den deutschen Meistertitel verteidigen, den dreifachen Europapokalgewinner zum vierten Triumph fUhren und mit der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in der DDR besser als je zuvor abschneiden soll. Ein Mammutprogramm. Der Spart-Informationsdienst rechnet vor der Saison 197311974: Alle Spiel- und Trainingszeiten zusammengezählt ergeben ftir die Gummersbacher Nationalspieler die Fron, insgesamt 15 Tage lang ununterbrochen auf dem Parkett wirken zu müssen . Das sind 380 Stunden Handball. "Durch diese Zahlen wird mehr als durch irgendetwas anderes bewiesen, dass Hochleistungssport harte, harte

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Arbeit ist. Irgendwie müssen alle, die da mitmachen, leichte Kopfschäden haben", sagt Hansi 1973 der Agentur. Aber der 31-jährige Schmidt weiß, wie er die Belastungen kompensieren kann. In jeder freien Minute will er sich mit seinen Söhnen beschäftigen, obwohl auch da das Thema Handball nicht mehr tabu ist, "denn der viereinhalbjährige Hans-Günther schimpft immer mit mir, weil ich so viel zum Training muss", heißt es in einem Zeitungsbericht Und um seine strapazierten Nerven zu beruhigen, wird Hansi dann wieder zu Unmengen von Süßigkeiten greifen, "weil nichts für mich besser ist als Schokolade". Gewichtssorgen braucht er sich in jenen Tagen nicht zu machen, denn je Spiel verliert er sechs bis acht Pfund. Doch das ist alles längst vergangen. Mittlerweile sind Karin und Hansi längst in der Phase angelangt, wo sie wissen, dass sie auch den Rest des Lebens zusammen bestehen wollen. "Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, würde ich noch einmal so entscheiden wie vor 40 Jahren", sagt Karin Schmidt. Denn Hansi hat trotz einiger Schwächen seine Vorzüge: "Er steht zu mir, und das macht mich stark. Er versucht mir stets zu helfen, mich zu unterstützen und mich aufzubauen." Heute weiß Karin noch etwas: Es war richtig, in Gummersbach zu bleiben und Angebote wie jenes des HSV, TuS Nettelstedt oder aus Kuwait auszuschlagen. "Gemessen an dem Aufwand hätte sich ein Transfer nicht gelohnt. Hansi wollte nicht viel riskieren", sagt Karin. "Er war sehr bodenständig. Hansi war es stets wichtig, wenigstens einen väterlichen Freund an seiner Seite zu haben." Hansi hat sich in den vielen Jahren im Bergischen Land ein Umfeld geschaffen, in dem er sich wohl fühlt. Er hat mit Handball nicht mehr so viel zu tun, er ist noch im Gespräch mit Jochen Kienbaum , Klaus Westebbe oder Klaus Schlagheck. Auch zu Bernd Podak und Klaus Kater hat er ein gutes Verhältnis. Und er ist dem Sport treu geblieben: Er spielt mit Freunden Tischtennis, Tennis und Schach. "In der Bewegung und in Begegnungen mit Sportfreunden findet er seine Zufriedenheit und ist glücklich", sagt Karin. Hansi beschreibt Karin als sehr selbstbewusste Frau und Mutter. "Sie ist Mittelpunkt der Familie und hat manches Mal den besseren Überblick. Nach außen erscheint sie kompromissbereit. In gewissen Dingen ist sie entschlossen und resolut, im Umgang mit den Söhnen konsequenter als ich. Karin ist ein liebenswerter Mensch, weiß, was sie will, das ist gut so. Ich freue mich immer wieder, dass sie einen guten Draht zu meiner Familie hat, früher zu den Eltern und heute noch zu meiner Schwester Helga und Schwager Willy." Doch dieser gute Umgang wäre nicht möglich, wenn sich Hansi selbst nicht mit seinen nächsten Verwandten gut verstehen würde. "Einen besseren Schwager als Willy könnte ich mir nicht vorstellen. Er ist loyal. Und Helga ist die beste Schwester der Welt. Ich bin froh, dass wir füreinander da sind." Heute ist Hansi froh, den Kontakt zur väterlichen Verwandtschaft in den letzten Jahren gefunden zu haben. 134


Zeitzeugen

Gerd Demann: Dem Ziehvater stets dankbar Hansis Einstellung zum Sport wünscht sich jeder Vereinsvorstand. Wenn wir im Fußball beim Bonner SC solche pflichtbewussten Typen hätten, wären wir schon viel weiter. Wenn ich überlege, mit welchen Verletzungen er noch gespielt hat, das ist fast unvorstellbar. Auch mit gebrochenem Finger. Wehleidig war Hansi nie. Er war seinem Ziehvater Eugen Haas stets dankbar. Die Dankbarkeit war fast eine Nibelungentreue. Er hat den Verein trotz einer Reihe von Angeboten nie verlassen. Seines "Haasenvaters" wegen. Die bei den , Hansi und Eugen Haas, das war damals der VfL Gummersbach. Hansi hat den VfL vorwärtsgebracht, an ihm hat sich die Mannschaft aufgerichtet. Auslösender Punkt für den kometenhaften Aufstieg in die Weltspitze war Hansi. Als Mensch ist Hansi sehr pedantisch und diskussionsfreudig. Wenn er glaubt, dass etwas Wahrheit ist, von dem geht er nicht mehr ab. Das war immer so. Er hätte etwas verbindlicher sein müssen . Er war zu unbequem, er wollte nie aufgeben. In ihm sind immer wieder Erinnerungen an Rumänien aufgekommen, der Hass auf das kommunistische Regime ließ ihn nie los. Er hasste es, weil seine Familie enteignet, zum Tei I verbannt, entrechtet und gedemütigt wurde. Erst 197 5 sind seine Eltern in die Freiheit entlassen worden, mit Hilfe des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher. Die Eltern habe ich auch kennen gelernt. Auch sie haben mich und meine Frau in unserem Haus in Pinsdorf-Gmunden am Traunsee in Österreich besucht. Hansi liebte seine Mutter abgöttisch, den Vater bewunderte er. Bevor sie hier waren, hat er immer wieder aufunseren zahllosen Treffen in Pinsdorf-Gmunden erzählt von den Knödeln und alt den anderen Köstlichkeiten, die seine Mutter auf den Tisch zaubern konnte. Die Erinnerungen an Knödel mussten in Österreich hoch kommen, denn dort sind sie schließlich zu Hause. Und dort, wo Hansi und seine Eltern herkommen, das war auch einmal Teil des Habsburgerreiches. Der Vater ist sogar noch in Österreich-Ungarn geboren. 135


Hansi ist, wie der Vater war: pedantisch. Alles, was ihm am Vater nicht gefiel, hat er in sich. Es ist ihm wohl in die Wiege gelegt worden. Auch er ist pedantisch, und sein ältester Sohn ist auch so geworden. Hansi kann man als Freund nicht verlieren. Seine Freundschaft ist ein Teil seiner Treue. Hansi habe ich als Student der Pädagogischen Hochschule in Bonn kennen gelernt, und zwar beim Flippern im "Hörsaal 5", der Kneipe von Män Bottchen. Dort war ab I 0 Uhr geöffnet, und die ersten fleißigen Studenten standen schon vor der Öffnungszeit vor der Tür. Skat war allerdings nicht Hansis Ding. Hansi hat uns immer kostenlose Karten besorgt für V tL-Spiele. Bei den Europapokal-Spielen waren wir fast immer dabei . Auch unser Mathematiklehrer, Professor Bernhard Bierbaum, war oft dabei . Nach den Spielen stand Hansi noch lange auf dem Parkett und schrieb Autogramme, während seine Mannschaftskameraden schon längst duschten. Dann standen sie da fertig angezogen, warteten auf ihn und ärgerten sich. Weil Hansi viel unterwegs war, mussten wir, die Kollegen, ihn immer mit dem Fortschritt im Studium auf dem Laufenden halten. Als er in Moskau war, habe ich gesagt, dieses undjenes Kapitel musst du durchnehmen . Die unangenehmste Zeit ftir Hansi war der frühe Freitagmorgen. Von 7 bis 8 Uhr stand im Bonner Frankenbad stets Schwimmen auf dem Stundenplan. Für Hansi eine Qual, denn er ist ein schlechter Schwimmer. Oft haben wir uns gedrückt und sind, ohne nass geworden zu sein, wieder gegangen. Wir haben gemeinsam gelernt, um die Scheine in Mathematik und Deutsch zu machen . Die schwerste Prüfung hatten wir in Religion bei Professor Jansen. Hansi lässt sich in der Prüfung im Bonner Albertinum in ein Gespräch über die von Tezel eingeführten Ablasszettel ein, ferner über die Reformation und Martin Luther. Die Diskussion verläuft nicht zu seinem Nutzen. Hansi, Günter Schwab vom Fußballzweitligisten SV Weisenau und ich bestehen die Prüfung, doch wir haben versprechen müssen, dass wir die Missio canonica nicht anstreben und nie Religion unterrichten werden. Hansi hat sich daran gehalten. Die gesamte Pädagogik und Didaktik, die wir durchzunehmen hatten, war auf Tonband aufgezeichnet. Abends und sonntagshaben wir stundenlang zusammengesessen, gehört und alles in uns hineingesaugt In Pindsdorf-Gmunden kennt fast jeder Hansi, weil er sich am dortigen Leben beteiligt hat. Auch Tennis hat er mit der dortigen Mannschaft gespielt. Hansi hat sich in Österreich stets wohl gefühlt. Wer Hansis Freund ist, der kann stets auf seine Hilfe bauen . Nach meinem Referendarjahr bin ich an eine Schule in Mutscheid in der Eifel gekommen. Mit Hansis Hilfe, der bei der Bezirksregierung in Köln vorgesprochen hat, war ich bald an der Gemeinschaftshauptschule in Rheinbach, wo ich auch heute noch als Lehrer tätig bin. Zusammen mit Hansi habe ich Fußball-Bundesligisten zum VfL 136


Rheinbach geholt, wo ich mehr als 25 Jahre lang stellvertretender Vorsitzender war. Zusammen haben wir manches Trainingslager mit der Mannschaft organisiert und die Jungen gemeinsam betreut. In Österreich und Ungarn haben wir über den Sport viele Freunde gewonnen. Zusammen sind wir mit unseren Schülern auf manche Klassenfahrt gegangen.

Zur Person: Gerd Demann, geboren am 7. Februar 1941 in Rheinbach bei Bonn, als Jugendlicher ein begnadeter Fußballer, ist Lehrer an der Gemeinschaftshauptschule in Rheinbach; seit sechs Jahren ist er Sportlicher Leiter mit Managementfunktion beim Banner SC.

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Durchbruch: Szene aus einem Länderspiel Deutschland gegen Jugoslawien

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Triumphzug ohnegleichen Deutscher Nationalspieler Ende 1964 haben sich die Gemüter in Bukarest längst beruhigt. Rumänien ist in Prag auch ohne Hansi Weltmeister geworden. Die rumänische Nationalmannschaft tritt wieder gegen Deutschland an. Allerdings spielt Hansi noch nicht in der deutschen Mannschaft. Die Begegnung zwischen dem Weltmeister und der deutschen Mannschaft in der Westfalenhalle vor 8000 Zuschauern ist jedoch sehr aufschlussreich. Sie offenbart: Den deutschen und den rumänischen Hallenhandball trennen Welten. Selbst in der Fachpresse staunen Berichterstatter, was die Rumänen auf dem Parkett vollbringen. Und wenn Hansi inzwischen nicht beim VfL wäre, hätte er auch in dieser rumänischen Klassemannschaft gestanden. Diese Truppe spielt den elegantesten Handball, den je eine rumänische Nationalmannschaft zelebriert hat. Und mit Hansi wäre sie fast unschlagbar gewesen.

Wern er Vick

Hermann Thien berichtet in der Deutschen Handballwoche über die "Lehrstunde in der Westfalenhalle" und titelt: "Das war der echte Weltmeister". Die deutsche Mannschaft unterliegt vor 8000 Zuschauern in Dortmund mit 14:22 (7 : 14), ohne dabei völlig enttäuscht zu haben. "Ist Rumäniens Leistung unter deutschen Voraussetzungen zu kopieren", fragt der Reporter und antwortet: "Nun wissen wir es ganz genau, wie weit wir von der absoluten Weltspitze im Hallenhandball entfernt sind." Der rumänische Trainer Johnny Kunst und seine Schützlinge zeigen den 8000 Zuschauern, was dazu gehört, Weltmeister zu werden und Weltmeister zu bleiben. 1961 noch gewinnt die rumänische Mannschaft in der Westfalenhalle als harte Mauermannschaft in der Verlängerung den Titel gegen die Tschechoslowakei. Inzwischen sind die rumänischen Spieler vom "Eisenbeton" weg und bevorzugen das explosive Offensivsystem. Bundestrainer Werner Vicks ( 1920-2000) Spieler können die vollendeten Meisterspieler nicht in Verlegenheit bringen. Diese rumänischen Handballer stellen sich in einer Vollkommenheit vor, die mit den in

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Deutschland praktizierten Trainingsmethoden nicht zu erreichen ist. Spielwitz und Intelligenz verblüffen immer wieder. Blitzartig schalten die Spieler um. Besonders f<illt Josef Jakob auf, der von seinen acht Toren vier im Durchbruch und drei nach Gewaltspurts wirft. Um als Sieger die Halle zu verlassen, lässt Johnny Kunst Deutschlands Schützen vom Dienst, Herbert Lübking, manndecken. "Mit solchen Maßnahmen musste man in Dortmund rechnen, Werner Vick hat sie auch erwartet. Aber der Kunst-Kniff, einen Mann einfach aus der Mannschaft herauszuklammern und ihn zum ewigen Begleiter des armen Herbert zu machen, nicht links, nicht rechts zu schauen, höchstens einmal mit einer Abwehrbewegung den Stacheldrahtverhau zu verstärken, diese totale Sonderrolle, die ebenfalls in höchster Vollkommenheit gespielt wurde, die hatte man nicht voraussehen können" , heißt es in der Deutschen Handballwoche weiter. Goran, Costache II und Gatu spielen nur die Rolle des "Polizisten" mit dem Erfolg: Lübking trifft kein einziges Mal, er kommt nur zu drei Torwürfen. Und so beschreibt der Reporter das Spiel der Rumänen : Zuerst fliegt nur der Ball, dann laufen die sechs, ihre Plätze flugs tauschend, so dass Josef Jakob oft links auftaucht, um gleich darauf wieder rechts Unruhe zu stiften. Der kleine Jakob ist der Wachsamste von allen. Er schlüpft in die Löcher der deutschen Deckung, und er sprintet stets als erster zum Gegenstoß. "Würden doch auch wir solche Gelegenheiten so gedankenschnell nutzen!" Dieser Mann ist eine der Hauptfi'guren in Kunsts Schachspiel. Hans Moser, den Besten, lässt Kunst lange auf der Auswechselbank sitzen, er hat ihn nicht nötig. In der ersten Halbzeit tritt er nur bei zwei Siebenmeterwürfen an, und die sitzen. Erst als die deutsche Mannschaft mit frischem Wind in die zweite Halbzeit startet, beginnt die Ära Moser. Er übernimmt das Kommando, und schon ist es vorbei mit der deutschen Aufholjagd. Moser wirft selbst zwei Tore, die in einen Lehrfilm gehören: das eine aus einem Seitfallwurf, wobei er fast waagerecht in der Luft liegt, das andere kommt wie ein Pistolenschuss aus der Hüfte. Was das deutsche Publikum nicht weiß: Es erlebt Handball in Perfektion, zelebriert von Banater Schwaben, von Hansis Landsleuten und ehemaligen Kollegen . Beim Stand von 21: 14 werden die Handballer aus Rumänien übermütig. Das Länderspiel wird zur Schau. Nun packen sie innerhalb zwei er Minuten sämtliche Tricks aus, beginnen zu wirbeln. Die Zuschauer vergessen die Deklassierung und spenden Beifall. Der Wirbel kurz vor Ablauf der vollen Stunde spricht ft.ir eine Kondition, wie sie nur bei Vollprofis zu finden ist. "Einen solchen Kehraus nach 56 Spielminuten wird keine deutsche Mannschaft schaffen. Unsere Spieler, die ausnahmslos durch ihren Beruf oder ihr Studium ausgefüllt sind, werden auch bei größtem Trainingsfleiß kaum diese Form erreichen können; darüber müssen wir uns ganz klar sein. Wer das Dortmunder Spiel gesehen hat, kann schwerlich einer anderen Meinung huldigen", so die Deutsche Handballwoche weiter. 140


Zu Weihnachten 1964 äußert Siegfried Perrey (1915-1984) seine Gedanken zur Lage des Handballs in Deutschland. "Wir sollten uns ... klar darüber werden, dass die Nachteile des Systems im Hallenhandball nur durch das Übermaß an technischen Fertigkeiten weitgehend ausgeglichen worden sind. Die Angriffsspieler sind im Hallenhandball nur noch Artisten, da die landläufige Geradlinigkeit früherer Zeiten doch bei weitem nicht mehr ausreicht, die perfektionierten Verteidigungssysteme zu knacken. Man muss also fliegen , springen, fallen, sich verrenken und Zauberkünstler des eigenen Ichs werden, um erfolgreich zu sein. Das ist ein Zwiespalt, in dem sich das Spiel befindet, weil eben die Vollendung nur Prädestinierten und den ewig daran Arbeitenden möglich ist." Auch zur Abwehr äußert sich Perrey: "Das bei uns in der Halle so jämmerlich geschmähte Manndeckungssystem wird in den russischen Sportschulen auf dem kleinen Feld und in der Halle erprobt... Auch wir in Deutschland sollten den Mut haben, zu erproben, was uns besser liegt, nachdem wir zwanzig Jahre, in der Halle nur hinterhertrabend, immer das spielten, was die anderen gern von uns sahen." Das ist der Zustand des Handballs, als Hansi Schmidt in Gummersbach Fuß zu fassen versucht. Hansi ist es gewohnt, professionell zu trainieren, wie seine ehemaligen Kollegen in der rumänischen Nationalmannschaft. Er gibt stets alles. Wenn der Trainer oder Eugen Haas noch eine Trainingseinheit hinzulegen wollen, stimmt er stets zu. In der Gummersbacher Anfangszeit ist er recht sensibel, kompliziert, auch stur, vielleicht typisch schwäbisch. Jedenfalls ist er nicht anpassungsfähig, er will sich nicht selbst aufgeben. Von Vorbildern hat er seine eigene Ansicht. "Jeder kann für mich als Mensch Vorbild sein, aber in seiner Ganzheit kann ich keinen Menschen als Vorbild haben, weil jeder Schwächen hat." Er erfährt, wie schwierig es ist, wenn man als Fremder die erste Geige spielt. Es führt zum Futterneid. Hansi hat mehr Neider als Freunde. Als 22-Jähriger erkennt er, dass er der Unbeliebteste in der VfL-Mannschaft ist, nicht weil er ein Fiesling ist, sondern weil er mehr kann als andere, aber auch mehr erreichen will. Im Frühjahr 1965 geht der Handballbetrieb auf dem Großfeld weiter. Gummersbach spielt weiter in der Oberliga Mittelrhein. Hansi beherrscht die Schlagzeilen: " Nur Schmidt und Alberts schossen Tore" oder "Alberts und Schmidt in Schusslaune". Der VfL marschiert unaufhaltsam und wird Herbstmeister 1965. Im Dezember 1965 spielt die deutsche Nationalmannschaft noch ohne Hansi Schmidt in Prag 16:28 (I 0: 15) gegen die Tschechoslowakei. Es ist eine Lehrstunde in Sachen Hallenhandball. Von Prag geht es nach Bukarest, wo die Mannschaft mit 17 :22 (8: 13) Rumänien unterliegt. Hansi kann nicht mitfahren, weil er nicht riskieren will, verhaftet zu werden. 1965 kommt er zu seinen beiden ersten Länderspieleinsätzen für Deutschland. 18 Länderspiele hat er für Rumänien absolviert. Im Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 1967 in Schweden be-

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siegt die deutsche Mannschaft am 27. November 1965 in Mecheln Belgien mit 26:6 (4:11 ). Hansi steuert drei Tore zum Sieg bei . Ferner ist Hansi zum Jahresende 1965 im Spiel gegen Frankreich in Augsburg dabei . Das Länderspiel findet anlässtich der Einweihung der Augsburger Sporthalle statt. Die deutsche Mannschaft entscheidet das Spiel mit 22: 14 für sich. Hansi ist wieder mit drei Toren am Erfolg beteiligt. Auch im nächsten Länderspiel, beim 14: 13-Sieg über die Schweiz am 14. Januar in Basel in der WM-Qualifikation, ist Hansi dabei. Er fehltjedoch beim 20:26 gegen die Tschechoslowakei am 29. Januar 1966 in Essen und beim 17:8 in Den Haag in der WM-Qualifikation gegen Holland. Die deutsche Nationalmannschaft schafft die WM-Qualifikation gegen schwache Gegner weitgehend ohne Hansi Schmidt. Außer einem 13: 12-Sieg über Jugoslawien am 19. Dezember 1965 in Belgrad hat sie keinen nennenswerten Erfolg gegen ernstzunehmende Gegner zu verzeichnen . Sie unterliegt haushoch in Prag und in Bukarest. Die Hallen-Nationalmannschaft krankt: Sie zeigt schwankende Leistungen, die Torhüter bereiten dem Bundestrainer Kummer. Am 4. September 1965 beschließt der Erweiterte Vorstand des Deutschen Handball-Bundes einstimmig, eine oberste Spielklasse für die Meisterschaft in der Halle und auf dem Feld unter der Bezeichnung Bundesliga einzuführen . Der DHBBundestag bestätigt im April 1966 im westfälischen Hagen die weittragende Neuerung im Spielsystem. Mit der Schaffung der Elite-Division sollen Termine für Länderspiele und Lehrgänge frei werden. Im Gegensatz zur Fußball-Bundesliga soll das Aufeinandertreffen der beiden Gruppensieger um den deutschen Titel am Ende der Saison als "echtes" Meisterschaftsendspiel "mit all seinem wertvollen Gehalt und seiner Publikumswirksamkeit erhalten bleiben". Der Spielbetrieb im Gebiet des Deutschen Handball-Bundes wird in der Spitze des Männer-Handballs in einer zweigeteilten obersten Spielklasse mit je acht Vereinen in Vor- und Rückrunde sowohl im Feld- als auch im Hallenhandball abgewickelt. Die Gruppenersten tragen jeweils ein gesondertes Endspiel um die deutsche Meisterschaft aus. Bundesliga heißt also das große Zauberwort im Januar 1966. Im Kampf derbesten Mannschaften um den Aufstieg in die höchste Klasse kommt der westdeutschen Meisterschaft eine besondere Bedeutung zu . In ihr werden diesmal nicht nur der Teilnehmer an der deutschen Meisterschaft ermittelt, sondern auch die vier Vereine, die in der folgenden Saison zusammen mit vier Klubs des Nordens die Gruppe Nord der Hallenhandball-Bundesliga bilden werden . Die restlichen Klubs bewerben sich für die Gruppe Süd der Bundesliga. Schon die Vorrunde findet eine große Resonanz. Der Handball-Verein Mittelrhein lässt die eine Gruppe in der viel zu kleinen Leverkusener Fritz-Jacobi-Halle spielen, die nur 1000 Zuschauer fasst. Am 22. Januar 1966 stehen sich hier so

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bekannte Vereine wie der VfL Gummersbach, Grün-Weiß Dankersen, RSV Mülheim und Polizei Koblenz gegenüber. Aber das stört die Spieler des VfL kaum. Sie haben das Ziel Bundesliga vor Augen. Sie sind bereit, dafLir alles zu geben. Das bekommen schon die Rot-Weißen des RSV Mülheim zu spüren, die mit 8:3 vom Platz gefegt werden. Aber diesen Sieg bezahlen die Weiß-Blauen aus Gummersbach teuer. Sie führen schon mit 5:0 gegen den RSV Mülheim, da rammt sich die Schulter eines rotweißen Abwehrspielers in Hansis Unterleib, der darauf den Platz sofort verlässt. Freude im Lager des VfL, als er in der zweiten Halbzeit gegen Polizei Koblenz wiederkommt. Die Gummersbacher führen schon 4: 1. Am Ende steht es 10:4. 1966 im Kampf um denAufstieg in die BunDoch was Fans und Gegner nicht wis- desliga in der Leverkusener Fritz-Jacobisen: Hansis Unterleib ist stark geschwol- Halle im Bundesliga-Aufstiegsspiel gegen len. Dennoch steht er das anschließende RSV Mülheim: EinAbwehrspieler rammt die Schulter in Hansis Unterleib. Er erleidet die nerven- und kräftezehrende Treffen geschlimmste Verletzung seiner Laufbahn: gen Grün-Weiß Dankersen bis zum sieg- Hodenquetschung und kommt ins Krankenreichen Ende durch. Die Gummersba- haus. cher Anhänger jubeln nach dem 6:5 über den Erzrivalen Grün- Weiß Dankersen. Ihre Mannschaft ist in die Bundesliga aufgestiegen. Dann fahrt ein Krankenwagen Hansi mit Blaulicht ins nächste Krankenhaus. Ergebnis der Untersuchung: starke Hodenquetschung. Hansi wird das Krankenhaus erst am 3 I. Januar verlassen. Einziger Trost: am 26. Januar bringt Karindem Patienten fünf rote Tulpen mit. So festgehalten im Tagebuch. Ein Blatt von den Blumen liegt noch heute im Tagebuch. Einen einfachen Sieg fährt der VtL an diesem 22. Januar 1966 nicht ein: Zuerst zieht Dankersen über 0: I und I :2 auf 2:3 und 2:4 davon. Aber die Blau-Weißen geben nicht auf. Sie verlieren in keinem Augenblick ihr Ziel aus den Augen. Klaus Alberts verkürzt. Kurz nach dem Seitenwechsel erzielt Hansi mit einem Freiwurf den Gleichstand. Die Halle in Leverkusen steht kopf. Bernd Podak wehrt mit einer großartigen Parade den Wurf des allein vorstürmenden Schutt ab, und Klaus Alberts erzielt mit einem harten und unerwarteten Wurf das 5:4.

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Ein verwandelter Freiwurf des Dankersers Lübking lässt den VfL Gummersbach wieder zittern. Ein Unentschieden reicht dem VfL nicht. Zwar wirft Ralf Jaeger ein, doch der Schiedsrichter anerkennt das Tor nicht. Die Gummersbacher sind nervös. Trainer Dreischang ordnet offene Manndeckung an. Die Blau-Weißen kommen in Ballbesitz. Der emsige Eberhard Kienbaum, der Sohn des Ehrenspielfiihrers und Landesministers, durchbricht mit letztem Einsatz die WestfalenAbwehr und wirft an Torwart Tillack vorbei ein. Es ist der sechste Gummersbacher Treffer, der Sieg und der Aufstieg in die Bundesliga. Der VfL Gummersbach ist am Ziel seiner Träume. Folgende Mannschaften bestreiten die erste Bundesligasaison: VfL Gummersbach, St. Georg Hamburg, TuS Wellinghoven, VfL Bad Schwartau, Polizei-SV Hannover, Grün-Weiß Dankersen, RSV Mühtheim und Hamburger SV (Staffel Nord); SG Leutershausen, TSV Zirndorf, TuS Neunkirchen, SV Möhringen, TV Hochdorf, Reinickendorfer Füchse, TV Hochelheim und TSV Birkenau (Staffel Süd).

Westdeutscher Hallenmeister Aber die Blau-Weißen wollen mehr. Hansi nimmt am 3. Februar 1966 das Training wieder auf. Noch hat er Schmerzen, die Verletzung ist noch nicht ganz auskuriert. Aber er lässt sich nichts anmerken und beißt sich durch. Anfang Februar 1966, nur zwei Wochen nach dem Aufstieg in die Bundesliga, der erste Titelgewinn mit Hansi in der Halle: Vor 12 000 Zuschauern in der Westfalenhalle wird der VfL Gummersbach westdeutscher Meister. Im Turnier 1966 wird die letzte Begegnung zwischen dem VfL Gummersbach und Wellinghofen zum alles entscheidenden Spiel. Der vermeintliche Rivale Grün-Weiß Dankersen hat in diesem Turnier nichts zu bestellen. Von den 22 Gummersbacher Toren in dieser Endrunde erzielt Hansi Schmidt 17, einige Siebenmeter, der Großteil aber aus der zweiten Reihe hochaufspringend, über die Köpfe der Gegner hinweg haargenau in die Torecken zielend. Die Deutsche Handballwoche schreibt: " ... in ihm vereinen sich Körpergröße und Muskelkraft zu einem kaum zu bremsenden Meisterschützen. Wen man ihm auch entgegenstellte - er schoss, bevor man ihn erreichte." In diesem Spiel kommt es zum Duell Schmidt gegen Schmidt. Die Wellinghofener stellen Herbert Schmidt, genau so groß, aber weniger stabil als Hansi, als Bewacher des Gummersbachers ab. Herbert kann Hansi am Torewerfen nicht hindern. Entscheidender Spieler neben Hansi ist in dem Turnier in der Westfalenhalle Torwart Bernd Podak. Vor dem Erfolg gegen Wellinghofen steht der Sieg über Dankersen. Als Hansi im Spiel gegen Grün-Weiß Dankersen schon neun Tore geworfen hat, wird Podak zum Stürmer. Vor dem Kreis wird er in freier Position angespielt und erzielt den zehnten Treffer. Ein Tor eines Torwarts. Das hat es noch nie gegeben in einer westdeutschen Meisterschaft. Handbali-Gummersbach jubelt. Dankersen, ein Jahr 144


vorher noch vor Gummersbach westdeutscher Meister, verbucht in diesem Turnier keinen einzigen Punkt. Hansi Schmidt und Eugen Haas haben Bernd Podak vor der Saison nach Gummersbach geholt. Hansi und Haas gelingt es, den Berliner Polizisten zum Wechsel ins Oberbergische zu überreden. Ein guter Griff, wichtig für spätere VfL-Erfolge. Nach dem Sieg über Dankersen feiert das Gummersbacher Publikum seinen Torwart: "Podak, Podak, Podak ... ",tönt es durch das weite Rund. Es ist der verdiente Lohn für eine Klasse Ieistung. Am Reaktionsvermögen und Stellungsspiel Podaks sind die gegnerischen Stürmer in diesem Turnier verzweifelt. Herbert Lübking oder der wieselflinke Dankersener Glombeck, die Wellinghofener Hue und Sturm, der Altinternationale Heinz Lüninghöner vom RSV Mülheim, sie alle haben resigniert vor diesem Torwart in Superform. Die 12 000 Zuschauer in der Westfalenhalle, darunter sind auch Karin Kohlmeier und ihr Vater, erleben an diesem Tag einen wie entfesselt aufspielenden VfL Gummersbach. Die Mannschaft ist auf die Minute fit und wird ein würdiger westdeutscher Meister. Der VfL hat damit nicht nur zum zweiten Mal nach 1963 den Titel eines westdeutschen Meisters gewonnen, sondern auch zum dritten Mal die Teilnahme an der deutschen Meisterschaft erreicht. Am 10. Februar werden die Meisterspieler in Gummersbach im Rathaus empfangen. Die Gummersbacher müssen ihr erstes Endrundenspiel um die deutsche Meisterschaft am 5. März in der Bochumer Ruhrlandhalle gegen den Südzweiten TSV Birkenau austragen. Das schmeckt ihnen nicht recht. Nach dem Gewinn der westdeutschen Meisterschaft und der Niederlage Dankersens klagt die Westfalenpresse die Gummersbacher an. In westfalischen Zeitungen ist von Rowdys zu lesen, aber auch von brutalen Schlägen. Trotz allem: DerVfL um Hansi Schmidt schlägt sich gut. Der TSV Birkenau tritt in Bochum gegen den VfL an mit dem Vorsatz, dem allmählich ins Sagenhafte rückenden Athleten Hansi Schmidt die Flügel zu stutzen. Erich Kolb ist als BeschaUer ernannt. Abertrotz aufopfernder Hingabe muss Kolb zusehen, wie Hansi Schmidt auch dieses Spiel entscheidet. Er trifft zehnmal, dabei sind vier verwandelte Siebenmeter. Unter den Beifall klatschenden Zuschauern ist auch die begeisterte Karin Kohlmeier. Hansi kommt noch weit öfter zum Wurf: siebenmal pariert Rathjen im Birkenauer Tor phantastisch, einmal sogar bei einem Strafwurf, einige weitere Würfe Hansis gehen daneben oder gegen Pfosten und Latte. Der VfL gewinnt 19: 11. Hansis Sonderrolle ist damit weiter erhärtet. Wenn ein so großer und starker Mann hochsteigt, dann nützen keine hochgereckten Hände, er feuert darüber hinweg. Seine Würfe erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer in der Stunde. Er verbindet mit der Kraft genaues Zielen und wartet mit den verschiedensten Variationen auf. "Also: wer in diesem Jahre den VfL Gummersbach schlagen will, dem muss etwas einfallen, Hansi Schmidt lahm zu legen. Und das dürfte verdammt schwer fallen", prophezeit die Deutsche Handballwoche. "Im übrigen ist 145


die gesamte Gummersbacher Mannschaft fit. Ihr Spiel wird von Rolf Jaeger, Hansi Schmidt und Jochen Brand getragen. Sie organisieren die Deckung und aus der zweiten Reihe heraus auch die Angriffe. Die anderen müssen versuchen, ins feindliche Bollwerk vorzustoßen, um dort ihr Glück zu finden . Das gelingt ihnen schon, aber nicht so oft, dass sie der erfolgreichere Teil der Mannschaft seien . Die Tore erzielen die genannten Organisatoren ... " Inzwischen ist der Gummersbacher Siegeswille allbekannt. Eine starke Anhängerschar begleitet den VfL. Der vielleicht größte VfL-Fan ist Berti Bitzer (19402002). Der Inhaber eines Sanitärgeschäfts in Gummersbach ist der Einpeitscher der VfL-Anhängerschar. Bei jedem Erfolg der Gummersbacher kommt er mit Champagner zu den Spielern unter die Dusche. Für Hansi war er der Prototyp des angenehmen, selbstlosen Sportanhängers. Die VfL-MannschaftjenerTage ist nicht zimperlich in der Abwehr, hält sich dabei aber durchaus im Rahmen des Erlaubten. lm Tor steht ein Podak in Glanzform. Mit dieser Truppe aus dem Oberbergischen ist in diesem Jahr zu rechnen. Tausendstimmig erschallt der Ruf: VfL- VfL- VfL, als der VfL Schwartau und der VfL Gummersbach im März 1966 in die Lübecker Hansehalle einlaufen, um das Halbfinale um die deutsche Hallen-Meisterschaft auszutragen. Die Zuschauer schwenken Fahnen und Fähnchen, die Buchstaben VfL leuchten weiß aufblauem Grund, keiner weiß, wem die Anfeuerungsrufe gelten, VfL Gummersbach oder VfL Bad Schwartau? Eine stattliche Zahl westdeutscher Schlachtenbummler ist in die Hansestadt gefahren und feuert den Westmeister ebenso unüberhörbar an wie Schwartaus Anhänger den Nordmeister. Doch schnell klären sich die "Fronten", die Gastgeber entschließen sich zum Ruf "Heja, Heja" , und fortan wissen alle, wem die Rufe gelten. Der Westmeister VfL Gummersbach wird seiner Favoritenrolle in der Vorschlussrunde um die deutsche Hallenmeisterschaft gerecht und besiegt vor 2500 Zuschauern in der Hansehalle Schwartau nach erbittertem Kampf mit 14: 10 (9:8). Die Gummersbacher müssen ein hartes Stück Arbeit leisten, ehe der Sieg errungen ist. In der ersten Halbzeit spielen die Schwartauer prächtig mit. Der VfL braucht lange, um seine Form zu finden. Doch dann spielt die Mannschaft einen Sieg heraus, an dem es nichts zu deuteln gibt. In diesem Halbfinale bietet der Westmeister die reifere Leistung in Angriff und Abwehr. Wohl selten muss der VfL Bad Schwartau von Anfang an so sehr auf Tempo spielen wie in diesem Halbfinale. So kommt es, dass Schwartau gegen Spielende Schwierigkeiten mit der Kondition bekommt. Die Mannschaft findet nicht die Mittel, die ausgezeichnet organisierte Abwehr der Westdeutschen zu durchbrechen , weiß nicht schnell genug zu kontern und rennt sich immer wieder in der Gummersbacher Abwehr fest. Das kostet Kraft, die am Ende fehlt.

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Der VfL Gurnmersbach ist anfangs überrascht von der Kampfstärke der Schwartauer, die über ein 1:0, 3:1 mit 5:3 führen, zwar fünfmal den Ausgleich hinnehmen müssen, aber mit 8:7 erneut die Nase vorn haben, bevor Hansi Schmidt für das 8:8 sorgt. Als die Schlusssirene das Ende der ersten Halbzeit verkündet, führt Hansi einen Freiwurf aus, hebt den Ball über sechs Schwartauer hinweg zum 9:8 ins gegnerische Tor. Ein psychologisch wichtiger Treffer für den weiteren Spielverlauf Drei Faktoren entscheiden aber endgültig gegen den norddeutschen Meister: die schnelle 12:9-Führung der Gummersbacher nach dem Wiederanpfiff, die Tatsache, dass Penderak zwar einen Siebenmeter zum 10: 12 einwirft, aber einen weiteren Strafwurf, der zum 11 : 12 geführt hätte, nicht verwandeln kann, und dass Podak großartig pariert. Hansi Schmidt lässt in der Hansestadt sein großes Können aufblitzen, läuft zwar nicht zu der gewohnten Form auf, ist aber mit fünfTorennoch immer erfolgreichster Werfer. Spielerisch besser ist nur der dreifache Torschütze Rolf Jaeger. Auch Müller bietet mehr als nur seine vier Treffer. Der VtL Gummersbach bringt damit in dieser Saison Schwartau die erste Niederlage in Lübeck bei. Das stempelt die Männer um Podak und Schmidt zu Favoriten. Im Endspiel treffen sie auf die SG Leutershausen, die den TuS Neunkirchen 23:17 besiegt hat.

Mit Hansi zur deutschen Meisterschaft Der 26. März 1966 ist der große Tag des VtL. Tausende treten an diesem Samstag mit dem Zug die Reise nach Essen an. Hansi und der VfL kommen zum ersten Mal ganz groß heraus. Hansi führt die Mannschaft zum ersten deutschen Meistertitel. Im Endspiel gegen Leutershausen läuft es anfangs nicht meisterhaft. Rolf Jaeger ist ein totaler Ausfall. Der VtL geht mit einem 5:8-Rückstand in die Pause. Rolf Jaeger ist kurz vor dem Anpfiff des Finales braun gebrannt aus dem Skiurlaub in die Halle gekommen . Er verletzt sich gegen Ende der ersten Halbzeit am Knöchel und verliert zeitweise die Übersicht, doch Horst Dreischang setzt ihn ein. Die ganze Mannschaft findet diese Entscheidung falsch. In der ersten Halbzeit ist Jaeger der beste Leutershauser Spieler, so Hansi. In der zweiten Halbzeit bleibt der verletzte Jaeger auf der Bank, und Hansi und Co. reißen das Ruder herum gegen eine Leutershauser Mannschaft, in der mit "Sir" Rüdiger Felix Schmacke und Herbert Hönnige Klasseleute stehen. "Jaeger, ein hochbegabter Handballer, war nicht immer bereit, im Sinne der Mannschaft zu arbeiten. Rolf Jaeger war ein begnadeter Handballer, doch ihm hat die professionelle Einstellung gefehlt", sagt Hansi . "Wäre beides bei ihm zusammengetroffen, hätten wir in meinen Anfängen beim VtL noch besser auftrumpfen können. Jaeger war sehr ortsverbunden, er war aber keiner, der gesagt hat, es lohnt sich, für den Handball zu leben. Er ist der erste Gummersbacher Hallennationalspieler. Auf dem Spiel147


Gruga-Halle in Essen 1966: Der VJL Gummersbach ist zum ersten Mal deutscher Meister. Das Meisterteam: (stehend von links) Burkhart Mülle1~ Klaus Alberts, Hansi Schmidt, Klaus Brand, Jiirgen Brand, Giinter Raabe, Dr. Horst Dreischang, (hockend) Bubi Wolf und Bernd Podak

feld hat er lediglich von seiner Begabung und seiner Spielübersicht gelebt. Bei seinem Turnlehrer Heinz Hermann hat er eine gute körperliche Ausbildung erfahren. Er beherrschte vorzüglich den Seitfallknickwurf und den Sprungwurf, war als Geräteturner ausgesprochen akrobatisch", so Hansi. Bis zur Pause sind die Zuschauer noch vom Wirbel und dem Basketball ähnelnden Spieleinlagen der Leutershausener sichtlich beeindruckt. Soll auch in diesem 17. Endspiel kein Verein des Westens den deutschen Meistertitel in der Halle gewinnen? Siebzehnmal sind bis dahin westdeutsche Mannschaften im Endspiel auf dem großen Feld erfolgreich gewesen . Aber erst 1959 ist mit dem SV Westerholt zum ersten Mal ein Verein aus dem Westen im Hallenfinale und unterliegt in der Gruga-Halle Frisch Auf Göppingen mit 5:8. Und nun liegt der VfL in der Pause 5:8 zurück. In der Pause: nachdenkliche Mienen, lange Gesichter in der Riesenkolonie der Oberbergischen Schlachtenbummler. Diese Leutershausener packen wir nie, so die vorherrschende Meinung. Nur einer gibt den Glauben nicht auf, Gummersbachs Abteilungsleiter Eugen Haas. "Auf, auf, ihr Männer", entlässt er sie aus der Kabine, "in 30 Minuten seid ihr deutscher Meister."

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Die Süddeutschen, mehr als eine Halbzeit lang auf dem Weg zum Triumph, scheitern an der falschen Taktik. Mit 8:5 und voll verdient gehen sie in die zweite Halbzeit. Aber sie marschieren nicht mehr. Sie stellen sich mit dem Rücken zur Wand, um den Vorsprung zu halten. Gegen eine Mannschaft wie die Gummersbacher. Dieser Frevel geht eine Viertelstunde lang gut. In dieser ersten Viertelstunde der zweiten Halbzeit fällt nur ein Tor, und zwar durch Hansi Schmidt, der zum 6:8 aufholt. Aber auch die Gummersbacher Spieler glauben noch an den Sieg. Das zeigt sich schon bald. Nach dem 6:8 trifft Hansi besser. Sein nächster Sprungwurf jedoch klatscht gegen die Latte. Aber das kann den Riesen im blau-weißen Trikot mit der Nummer 9 nicht beeindrucken. Er kämpft weiter, wirft das siebte Tor, und auch das achte . Die Uhr zeigt die 47. Minute. Zum ersten Mal ist Gleichstand: 8:8. Die Riesenschar der Gummersbacher Fans ist hellwach, das ohrenbetäubende VfL treibt die Spieler nach vorn. Zwei Siebenmeter ändern nichts. Denn Hönnige und Hansi Schmidt verwandeln eiskalt: Es steht 9:9. Als Hansi zehn Minuten vor Schluss das I 0:9 gelingt, sind die Gummersbacher nicht mehr zu halten. Sie steigern sich in einen wahren Rausch und kämpfen die mehr und mehr nachlassenden Süddeutschen regelrecht nieder. Klaus Alberts erhöht auf 11:9. Damit ist das Spiel entschieden, aber noch keineswegs zu Ende. Noch einmal eine Sondereinlage des Gummersbacher Torwarts Bernd Podak. "Alles oder nichts", sagt sich Leutershausens Bernd Kuchenhecker in der Schlussphase, versucht mit der offenen Manndeckung noch eine Wende zu erzwingen. Das ist Podaks Stunde. Er stürmt aus dem Tor durch und steht mit dem Ball frei am gegnerischen Wurtkreis. Mit sicherem Wurfüberlistet er seinen Kollegen auf der anderen Seite. Noch ein Kraftwurf von Hansi Schmidt, noch ein glänzendes Durchspiel des jungen Burkhardt Müller, und der Schlusspfiff des Osnabrücker Schiedsrichters Schroeder geht im Begeisterungstaumel der Handballfans fast unter. 14:9 ftir Gummersbach zum Schluss. Sieben Tore hat Hansi Schmidt zu diesem Erfolg beigesteuert. Diese zwei Zentner Kraft und Moral haben auch dieses Finale entschieden. Die Gummersbacher sind verdient Meister geworden, der unbestrittene Höhepunkt in der bisherigen Vereinsgeschichte. Hansi Schmidt und seine Mannschaftskameraden haben die SG Leutershausen auf die Verliererstraße geschickt. Von den dichtbesetzten Rängen strömen die Zuschauer in den Innenraum, auf jedem Quadratmeter mehrere freudentrunkene, fahnenschwingende Gummersbacher. Sie singen, jauchzen, tanzen, hüpfen und schreien. Die Siegerehrung ist nicht möglich. Sie ist wohlweislich nicht in der Halle vorgesehen. Zuschauer tragen die Spieler auf den Schultern durch die Halle, auch Obmann Eugen Haas ist dabei. Die Gummersbacher Spieler halten Blumen in den Händen undjubeln mit. Wäh-

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rend dieser Orgie in Blau und Weiß gehen die Spieler im roten Dress vom Parkett, ebenfalls Blumen in den Händen. Die Leutershausener lächeln resigniert. Sie sind die Geschlagenen. Wenn vielleicht auch seine besten Freunde eine Halbzeit lang an dem Mann mit der Nummer 9 im blau-weißen Trikot gezweifelt haben, Heiner Frohweins Prognose ist bestätigt: "Es gibt nur einen Stürmer in Deutschland, der auch in der zweiten Hälfte so kraftvoll springt, so wuchtig wirft, und das ist Hansi Schmidt." Einem Tor aus der ersten Halbzeit lässt der Scharfschütze sechs weitere im zweiten Durchgang folgen. Die Gummersbacher zählen inzwischen zu den knallharten Kampfmannschaften. Plambeck, Jens Schmitt und Heindei versagen, sie können Hansi Schmidt nicht stoppen. Neumann, Ossi Roth und Heindei sind Basketballnationalspieler. Ihre virtuose Ballbehandlung verrät es. Das kommt der Mannschaft vielfach zugute. Ebenso oft aber stört es. Das Erstaunliche aber: Eben die Basketballer, die als höchste Verfechter des körperlosen Spiels gelten, gehen in diesem Finale besonders hart vor. Sie versuchen, den Supergegner Schmidt mit allen Mitteln niederzukämpfen. Mit dem Finale in der Gruga-Halle in Essen ist bestimmt nicht das beste Endspiel in der deutschen Hallenhandball-Geschichte zu Ende gegangen, aber an Dramatik, an Turbulenz lässt sich das 17. mit den vorangegangenen messen. Wer nach einem 5:8-Rückstand noch mit 14:9 gewinnt, wer den Gegner in der zweiten Hälfte mit sage und schreibe 9: I überrollt, der darf sich mit Fug und Recht deutscher Meister nennen . Das ist die erfolgreiche Meistermannschaft des VfL Gummersbach: Bernd Podak ( 1), Edwin Seiler (nicht eingesetzt): Günther Raabe, Klaus Brand, Burkhardt Müller (2), Rolf Jaeger, Jochen Brand (I), Gerhard Leiste, Hansi Schmidt (7, davon 1 Siebenmeter), Eberhard Kienbaum, Klaus Alberts (3).

Böller im Oberbergischen Die Freude schäumt über. Die ersten Gratulanten bringen vor Rührung kaum ihre Glückwünsche an den Mann. Schlachtenbummler liegen sich freudentrunken in den Armen. Derweil knallen im Oberbergischen die ersten Böller. Die beiden Feuerwerker vom Schützenverein sind mit dem Unimog in den Kehrberg gefahren. Die Böllerschüsse bringen Kunde von der gewonnenen deutschen Meisterschaft weit ins Oberbergische Land. Gummersbach rüstet sich zu einer langen Nacht, zum Empfang seines ersten deutschen Handballmeisters. Die Begeisterung über den großen Erfolg der Handballer des VfL schlägt hohe Wellen. Dr. Jürgen Wüllenweber inspiriert das dramatische Geschehen in der Essener Gruga-Halle sogar zu einem Lied, zum Gummersbacher Handballlied: "Der

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VfL wird siegen". Es kann gesungen werden nach der Melodie "Stimmt an mit hellem hohen Klang": "Wenn Handballer aus Gummersbach/ frei stürmen, wirbeln, fliegen , I ertönt der Schlachtruf tausendfach:/ "Der VfL wird siegen"./ Jetzt endlich haben sie's geschafft,/ nun freuen wir uns alle./ Gewonnen ist die Meisterschaft/ in Essens Gruga-Halle./ Stimmt fröhlich ein in den Gesang, I er wird zum Sturmesbrausen,/ da Gummersbach den Sieg errang/ ob Leutershausen ./ Der Sieg ist unter Dach und Fach,/ hinweg ihr bösen Geister! / Der VfL aus Gummersbach/ ist deutscher Handballmeister./ Wir haben uns dem Handballsporti mit Herz und Hand ergeben,/ er hält gesund und frisch und jung/ ftir unser ganzes Leben." Die Gummersbacher Mannschaft bleibt nach dem Sieg in Essen, in einem gutbürgerlichen Hotel. Als Offizielle sind dabei : Heinz und Heiner Rösler, Heinz Passerath, Eugen Haas und "Hali" Liedhegener. Es folgt eine feuchtfröhliche Nacht, in der sich Hansiden ersten Schwips seines Lebens einhandelt. Die meisten Spieler gehen erst gegen 4 Uhr schlafen. Hansi, Klaus Brand und weitere Spieler setzen auf Heinz Röslers Zimmer noch einen drauf. Der Kasten Bier ist um 6 Uhr leer. Hansi schreibt unter dem 26. März in seinem Tagebuch: "Um 6.30 Uhr ins Bett, ganz nett voll." Um 7 Uhr versucht Eugen Haas vergebens, Hansi zu wecken. Er zerrt ihn in die Badewanne, duscht ihn kalt. Hansi kommt zu sich und allmählich in die Gänge. Schließlich fahrt die Meistermannschaft in Richtung Gaststätte Kotthausener Höhe, die es heute nicht mehr gibt, das Gebäude steht noch. Dort angekommen, rasiert sich Hansi, wirft sich in Schale, es ist Sonntag, der 27. März. Die deutschen Handballmeister rüsten sich ftir den Autokorso in Gummersbach. Auf der Kotthausener Höhe werden sie abgeholt. In Gummersbach warten schon Tausende von Menschen . Die Bürgersteige sind weiß-blau gestrichen. Es herrscht Feststimmung. Die Mannschaft nimmt Platz in einem blau-weiß geschmückten Wagen . Als erster darf Hansi Schmidt ihn besteigen, gefolgt von Eugen Haas. Tausende jubeln den Siegern entgegen, sie stehen auch auf Mauern . Die Menge auf dem Marktplatz in Gummersbach jubelt den Meisterhandballern zu. Bürgermeister Heinz Billig ( 1908-1982) begrüßt die Mannschaft und überreicht Eugen Haas Blumen. Gerhard Kienbaum ruft ein dreifaches Hoch aus, nicht als Minister, sondern als ehemaliger Handballer, wie er sagt. Landrat Dr. Heinrich Schild sagt: Gummersbach ist durch den VfL berühmt geworden. Der Vater des Kripo-Chefs Gerhard Eschmann begrüßt den Landrat des Oberbergischen Kreises mit den Worten : "So schön besoffen wie gestern waren wir schon lange nicht mehr." Vom Marktplatz macht sich ein Zug auf in Richtung Wiedenhof, die VfL-Stammkneipe. Vorneweg geht die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr, es folgt eine VfL-Abordnung mit der alten blau-weißen Fahne, dann Vertreter des Schützenvereins, des Verbands deutscher Soldaten und der Marinekameradschaft

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Der Sieg löst in Gummersbach eine nie da gewesene Euphorie aus. Die Handballerfamilie wächst. Gummersbach ist in aller Munde. Die Kölnische Rundschau titelt in ihrer Montagsausgabe (28. März): "Einen Glückwunsch dem VfL Gummersbach zu seiner ersten Deutschen Meisterschaft! 4000 Oberherger in der GrugaHalle. Die Vaterstadt brachte den Meistern erste Grüße am Samstag daheim dar" . Die Mannschaft, die diesen Titel gewonnen hat, ist mit jungen Talenten gespickt. Außer Hansi Schmidt und Torwart Klaus Podak sind es Spieler aus dem Oberbergischen. Horst Dreiseilang hat um die erfahrenen Rolf Jaeger, Klaus Alberts und Kapitän Klaus Kriesten junge, lernwillige Nachwuchskräfte geschart: Hans Peter Müller, Gerhard und Ernst Leiste, Werner Lettgen. Am Erfolg dieser Mannschaft ist der Trainer maßgeblich beteiligt. Er hat die menschlich herausragende Eigenschaft, die Spieler zu nehmen, wie sie sind, er bricht nie einen von ihnen. Bestes "Training" aber ist das regelmäßige Treffen im Wiedenhof, sagt Hansi. Wer von der Mannschaft nach dem Training dort einkehrt, kann kostenlos essen und trinken. Die Spieler tauschen sich dort aus. Marga und Albert Fuchs umsorgen die Spieler, ftir manchen sind sie mütterliche und väterliche Begleiter. Mit Hilfe unauffälliger Sponsoren ist die Vereinskasse stets gut gefüllt, um die Spieler im Wiedenhoffrei zu halten. Ansonsten bekommen die Spieler wenig finanzielle Zuwendungen. Sie wissen den Pfennig noch zu schätzen . Auch nach all den Jahren ist Hansi den treuen Handballanhängern und Unter-stützern im Oberhergiseben dankbar. Im Gummersbach der 1960er und 1970er Jahre gibt es noch die gewachsene VfL-Familie. Auch die Mannschaft ist "organisch gewachsen", ein weiteres Geheimnis ihrer Durchschlagskraft. Die Symbiose aus Anhängern und Mannschaft kann auch beim Training beobachtet werden. In der Meisterschaft treiben die Zuschauer die Spieler regelrecht zum Erfolg. Sie helfen der Mannschaft über Schwächephasen hinweg, sowohl bei Spielen in Gummersbach als auch in der Westfalenhalle. Die 14 000 Zuschauer in der Westfalenhalle sind alle am Handball interessiert. " Wenn heute 17 000 in der Die Autogramme der Spieler in der Köln-Arena V tL-Spielen beiwohnen, Gummersbacher Meistermannschaji 1966

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ist ein sehr großer Teil desinteressiert. Die große Halle ist ein Erlebnis, ein Treffpunkt für Leute, die unterhalten werden wollen." Davon ist Hansi überzeugt. "Für sie ist Handball heute eine Begleiterscheinung. Denn heute wird der Sport vermarktet, Sport ist die Nebensache, Cheerleaders stehen im Vordergrund." Für Hansi hat guter Sport ausreichend Unterhaltungswert "Die ständig auftauchenden Werbeeinblendungen und die Musik im Hintergrund machen den Sport zum Sklaven von Menschen, die sich nicht mehr anders zu unterhalten wissen. Sie sind nicht mehr in der Lage, sich lesend oder bei einem guten Film zu unterhalten. Gespräche finden immer weniger statt. Auch der Sport kommt heute zu kurz, der olympische Gedanke zählt kaum noch. Heute sagen Reporter: Hauptsache gesiegt, hier gibt es keinen Schönheitspreis zu gewinnen. Dabei kann Sport auch Freude bereiten, er kann animieren. Der Zweite heißt heute erster Verlierer. Alle reden von Fairness, doch das ist Augenwischerei . Ein echtes Wir-Gefühl gibt es nicht mehr. Schlimm ist: Man predigt Wasser, und trinkt Wein. Allen geht es nur noch darum, zu gewinnen, um die Medaillen vermarkten zu können. Soziale Kälte, Egoismus in allen gesellschaftlichen Bereichen, so auch im Sport, so sieht das Spiegelbild unserer Gesellschaft aus", sagt Hansi. In Gummersbach der 1960er und 1970er Jahre kann der VfL auf einen Trumpf setzen: Wer sich ihm als Spieler einmal verschrieben hat, der kommt einfach nicht mehr von ihm los. Und wenn er das blau-weiße Trikot endgültig ausgezogen hat, dann findet sich in der Führung, in der Organisation eine Möglichkeit, dass er sich für den Verein und den Handball nützlich macht. Inzwischen ist das nicht mehr so. Eugen Haas ist ein Beispiel dafür. Lange Jahre zählt er zu den Stützen der Mannschaft. Und mit demselben Elan setzt er sich nach der Spielerlaufbahn in der Vereinsarbeit ein. Er steht aber nicht allein da. Nicht von ungefahr werden Kurt Braunschweig und Gerhard Kienbaum zu Ehrenspielführern gewählt. Selbst in den Jahren, als Gerhard Kienbaum als Minister des Landes Nordrhein-Westfalen von Konferenz zu Konferenz eilt, findet er Zeit, sich ein Spiel seiner Mannschaft anzusehen, ein Stündchen im Kreis seiner jungen Freunde zu verbringen. Trainer Dr. Horst Dreischang

Hinzu kommen die Unterstützung von Stadt und Kreis, das Zusammenwirken mit den Schulen. Gerade darin zeigt sich die systematische Arbeit der beiden Trainer Dr. Horst Dreischang und Günter Riemer. In ihren Schulen entdecken die beiden Pädagogen Talente, die sie im Verein zur internationalen Reife formen.

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Zeitzeugen

Bernd Beißel:

Nicht nur als Spitzensportler prägend

Ich habe Hansi als Student an der Pädagogischen Hochschule in Bonn, ich denke 1966, zum ersten Mal gesehen. Beeindruckt hat mich damals zunächst seine imposante Erscheinung als Modellathlet, und natürlich auch der Ruf als Spitzenhandballer, der ihm vorauseilte. Ich studierte unter anderem auch Sport, und so ergaben sich in Vorlesungen und so genannten sportpraktischen Übungen, zum Beispiel Basketball, eine Reihe von Kontakten. Dabei konnte ich seine athletischen Fähigkeiten bewundern und seine unglaublichen Fertigkeiten, mit dem Ball umzugehen. So war er ein Meister des trickreichen bisweilen verdeckten Zuspiels. Hansi halfauch einige Male in der Studenten-Fußballauswahl der Pädagogischen Hochschule aus, in der auch ich spielte und die damals sehr erfolgreich war. Prominentester Fußballer war damals Günter Schwab von der Spielvereinigung Weisenau aus der Zweiten Liga Südwest. Im Fußball waren Hansis Möglichkeiten eher durchschnittlich, das Wasser (Schwimmen) ist bis heute nicht sein Element. Nach Vorlesungen trafen wir uns häufig in unserer Stammkneipe, dem "Hörsaal 5". In dieser Kneipe hatten vor allem wir Sportler eine "zweite Heimat" und erfreuten uns "mütterlicher" Betreuung durch die Gastwirtin, Frau Bottchen, aber auch durch Vater Bottehen und den Sohn Toni, der ein Fußballfan war und unsere Spiele meist verfolgt hat. Im "Hörsaal 5" wurde von uns manchmal bis in die frühen Morgenstunden hinein Doppelkopf gespielt oder geflippert. Hansi beteiligte sich bestenfalls am Flipper. Für Kartenspiele, bei denen um relativ geringe Geldbeträge gespielt wurde, war er zu vorsichtig. Sein Auftreten erschien mir damals ohnehin eher ruhig, bescheiden und zurückhaltend. Das mag sich im Laufe der Zeit hier und da geändert haben. Hansi rauchte nicht und trank keinen Alkohol. Nachdem ich 1968 die Hochschule verlassen hatte, kam es regelmäßig, aber bisweilen in größeren Zeitabständen zu Kontakten. 154


Ich habe zusammen mit Hansi eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema Friedenspolitik besucht . Während heftig geführter Diskussionen zeigte er sich diskussionsfreudig, engagiert und meinungsstark. Dabei wurden sein historisches Interesse, sein Wissen und seine persönlichen Erfahrungen als ehemaliger Bürger eines kommunistisch geführten Staates deutlich. Hansi suchte auch mit sichtlichem Vergnügen das Konfliktgespräch. Später haben wir jeweils mit unseren Schülern gemeinsam unseren kulturellen Interessen folgend Studienfahrten nach Ungarn und nach Italien durchgeführt, die uns menschlich noch einmal näher gebracht und unsere Freundschaft vertieft haben. Wer Hansi kennt, weiß, dass Pünktlichkeit nicht unbedingt zu seinen vorzeigbaren Tugenden gehört. Seine zeitraubende morgendliche Körperpflege gab häufig Anlass zum Schmunzeln. In der Folgezeit habe ich Hansi als liebenswerten, stets hilfsbereiten, einfühlsamen und zuverlässigen Freund schätzen gelernt, eine Persönlichkeit, die über die erfolgreiche Zeit als Spitzensportler hinaus vorbildlich - im wahrsten Sinne des Wortes - prägend auf junge Menschen wirkt.

Zur Person: Bernd Beiße! wurde am 16. November 1944 in Waldalgesheim bei Bingen geboren. Nach dem Studium an der Pädagogischen Hochschule in Bonn wird er Lehrer an der Gemeinschaftshauptschule in Rheinbach bei Bonn. In den vergangenen 25 Jahren hat er dort als Konrektor und Rektor gewirkt. Nebenberuflich unterrichtet er von 1973 bis 1983 Sport und Mathematik am Vinzenz-Pallotti-Gymnasium in Rheinbach. Während dieser Zeit betreut er die Fußballmannschaften dieser Schule, mit denen er zahlreiche Kreismeister- und internationale Internatsmeistertitel gewinnt. Eine Reihe seiner Schüler fuhrt er Vereinen zu, wo sie fortan zu den Leistungsträgern gehören. 1972 tritt er in die CDU ein und wird Vorsitzender der Jungen Union. Seit 1975 ist er Mitglied des Rates der Stadt Rheinbach und 15 Jahre lang Vorsitzender des Jugend- und Sportausschusses. Seit zehn Jahren ist er Vorsitzender der CDU-Fraktion im Rheinbacher Stadtrat.

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Hansi Schmidt im Nationaldress

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Erster Doppelerfolg Mit der neuen Saison 1966/ 1967 bricht fLir den VfL auch das Europapokal-Zeitalter an. Für diese Saison hat sich der VfL Gummersbach erheblich verstärkt mit Jochen Feldhoff, Klaus Kater, Egon Manz, Helmut Kosmehl und Hans-Gerd Bölter. Nach dem ersten EC-Spiel in Hälsingborg hadert der Gummersbacher Nationalspieler Jochen Feldhoff ob des großen Pechs nach der knappen 19:20 (9:11)-Niederlage des deutschen Hallenhandball-Meisters. Beim schwedischen Meister Göta Hälsingborg treffen die Gummersbacher vierzehnmal Pfosten und Latte. Feldhoff mit fünfund Hansi Schmidt mit vier Holztreffern sinddaranführend beteiligt. Aber das enorme WurfPech der Gummersbacher ist nicht der einzige Grund für die Niederlage. Sie finden nicht die nötige Einstellung zum typisch schwedischen Spiel. Die Kreisläufer spielen dabei eine wichtige Rolle. Immer wieder huschen die wieselflinken Rosengren, Nilsson und Persson um den Wurfkreis, und immer wieder fangen sie den Ball mit traumwandlerischer Sicherheit. Fast immer spielt Regisseur Sven Pettersson sie an. Schier verzweifelt hingegen Jan Brändström, Schwedens Alt-Internationaler zwischen den Hälsingborger Pfosten: "EifTore von Hansi Schmidt, das ist nicht zu fassen . Der Hansi konnte sich aber immer wieder die Ecke aussuchen." Nach einem unsicheren Start steigert sich Hansi zu glänzender Form. Er verhindert einen hoffnungslosen Rückstand. Und der ist nach der Pause durchaus möglich. Die Rot-Weißen ziehen von 11:9 auf 14:10 und 17:13 davon . Aber sieben SchmidtTore hintereinander lassen den Vorsprung dahinschmelzen. Am Ende ist Göta froh, wenigstens den knappen Erfolg gerettet zu haben. Die Gummersbacher Aufstellung: Bernd Podak, Edwin Seiler (nicht eingesetzt), Klaus Brand, Hansi Schmidt ( II , davon ein Siebenmeter), Jochen Brand (1), Feldhoff (2), Müller (I), Alberts, Kriesten (2), Kosmehl (2), Bölter. 23 . November 1966. Es sind drei Jahre vergangen, seit Hansi Schmidt mit der rumänischen Mannschaft die Deutschland-Tournee in Harnburg begonnen hat, von der er nicht mehr heimgekehrt ist. Heute bestreitet er sein zweites EuropokalSpiel in der Kölner Messehalle. "Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder", schwärmt Siegfried Perrey nach dem sensationellen 39: 15 ( 18:7)-Erfolg des VfL Gummersbach über den schwedischen Meister Göta Hälsingborg, womit der deutsche Titelträger nach dem 19:20 im Hinspiel die erste EC-Hauptrunde erreicht. Die meisten der 6000 Zuschauer in der Sporthalle feiern die VfL-Spieler enthusiastisch nach diesem einzigartigen Wirbel. Für Bundestrainer Werner Vick ( 1920-2000) ist unbegreiflich, warum sich die Schweden so schnell und so klanglos geschlagen gegeben haben. Nur in den ersten Minuten halten die Schweden mit, nur zweimal können sie ausgleichen. Dann spielen die Blau-Weißen wie entfesselt, ziehen davon : Über 4:2 kommen sie zum

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8:6. Dann geht es Schlag aufSchlag: Neunmal hintereinander wuchten die Gummersbacher den Ball ins Tor, ehe die Rot-Weißen aus Hälsingborg einmal zum Zug kommen. 17:6, damit ist das Spiel schon vor der Pause entschieden. Was nachher folgt, gleicht mehr einem Katz- und MausspieL Die Gummersbacher narren den Gegner. Im Rückspiel kennen die Gummersbacher das Rezept, um den 33-jährigen GötaSpielmacher Pettersson auszuschalten. Burkhardt Müller weicht ihm nicht von der Seite. Zuerst zieht sich Pettersson zurück, dann versucht er sein Glück auf dem Flügel, anschließend verlässt er kurz das Spielfeld, und nach der Pause überlässt er resigniert seinen Platz Thomas Persson. Pettersson nach dem Spiel: "Im Hinspiel hatte Schmidt elfTore geschossen, elf von neunzehn. Wir glaubten, wenn wir ihn neutralisierten, dann hat Gummersbach nicht mehr viel zu bieten. Hier in Köln aber hat sich gezeigt, dass alle BlauWeißen ein Tor machen können. Daran und dass Schmidt eben doch nicht gehalten werden konnte, sind wir vor allem gescheitert." Alle VfL-Spieler sind an dem Torsegen beteiligt. Hansi Schmidt fUhrt mit elfTrefferndie Schützenliste an. Es folgen Kriesten (7), Feldhoff (6), Jochen Brand (4), Bölter, Alberts (je 3), Kosmehl , Müller (je 2) und Klaus Brand. Das Jahr 1966 klingt mit einigen Länderspielen aus. Die deutsche Mannschaft bereitet sich auf die Weltmeisterschaft 1967 in Schweden vor. In Kiel unterliegt sie am 9. November ohne Hansi Schmidt Weltmeister Rumänien 14:16 (8:10). Die Rumänen, ohne ihren Halblinken Hansi Moser angetreten, haben in ihrem Halbrechten Gheorghe Gruia ihren Schützen vom Dienst. Sie sind in der Vorbereitung viel weiter als die deutsche Mannschaft. In Bukarest sind alle finanziellen Dinge geregelt, die Meisterschaft wird wegen des Programms der Nationalmannschaft unterbrochen, die Spieler des Bukarester Polizei- und des Armeeklubs haben Profibedingungen. Für die deutschen Nationalspieler ist es eineteure Liebhaberei, in der Nationalmannschaft zu spielen. Die Opfer sind nicht unerheblich. Davon kann Hansi Schmidt auch heute noch ein Lied singen. Ein hoher Beamter der Bezirksregierung in Köln bestellt ihn eines Tages ins Amt, um ihm mitzuteilen, dass er seine Beamtenbezüge beschneiden wird, falls er weiter wegen des Handballs fehlen sollte. Auch von der Deutschen Sporthilfe ist Hansi enttäuscht. Sie schuldet ihm noch heute Geld. Ende November geht die deutsche Mannschaft auf Skandinavientournee. In zwei Testspielen in Reykjavik kommt sie zu zwei Siegen über Island: am 29. November 23:20 und am Tag darauf26: 19. Mit Hansi Schmidt besiegt Deutschland am 2. Dezember in Karlskrona Schweden mit 20:18 (9 : 10). Die Schweden lassen Hansi nicht aus den Augen, weil er im Europapakai gegen Göta Hälsingborg im Hin- und Rückspiel 22 Tore erzielt hat. Doch das reicht nicht aus, um die deutsche Mannschaft zu besiegen. Aus taktischen Gründen setzt Nationaltrainer Werner Vick mehrere Spieler, darunter Hansi, am 4. De-

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zember gegen Norwegen in Oslo nicht ein. Die Mannschaft gewinnt trotzdem 20:19 (13:8). Am Ende der Nordland-Reise setzt die deutsche Hallenhandball-Nationalmannschaft im zwölften Länderspiel gegen die Schweiz in Basel einen besonders effektvollen Schlusspunkt. Es ist der deutlichste Sieg mit dem größten Trefferunterschied nach dem 24:8 vom 25. Januar 1958 in Berlin. Das deutsche Team gewinnt 31 : 12 (15:8). Hansi Schmidt glänzt in diesem Spiel erneut mit seinen " Verzögerungszündern". Sie gehören der Extraklasse an und lassen auf die Dauer schließlich jeden Torhüter resignieren. Der deutsche Nationaltorhüter Hans-Jürgen Bode vom Hamburger SV sagt von den verzögerten Sprungwürfen: "Bis Hansi wieder den Boden berührt, ist sein Kopfschneebedeckt." Kein Wunder, dass in Basel einmal wieder der GummersbacherTorjäger als "Bomber vom Dienst" mit acht Erfolgen als Schützenkönig in Erscheinung tritt. Herbert Lübking erzielt vier Treffer. Vick sagt nach dem Spiel: "Wir dürfen uns ehrlich freuen, ein solches Zweigespann in der Nationalmannschaft zu besitzen." Die Rivalität zwischen den beiden Torjägern will er ausschalten mit entsprechenden "Belehrungen". Das Erfolgsjahr 1966 klingt für den VfL mit einer Handballdemonstration in einem Freundschaftsspiel aus. "Wie die spielen, und wie die werfen, das ist ja Traumhandball." Das sind die Worte des Alt-Internationalen Ralf Jaeger nach einem 22: 10-Sieg des VfL vor 800 Zuschauern in der ausverkauften Gummersbacher Sporthalle gegen RSV Mülheim . Die Gummersbacher tun sich anfangs schwer mit dem energischen und konsequenten Abwehrspiel der Rot-Weißen. Eine ZweiMinuten-Strafe für Hansi Schmidt und vor allem eine Serie von Pfostenwürfen von Helmut Kosmehl machen den Meister nervös, bringen ihn jedoch nicht aus der Fassung. Dank der Wurfkraft Hansis und der Entschlossenheit des Gummersbacher Seniors Klaus Kriesten zieht der VfL auf 6:1 davon. Hansi Schmidt zeigt sich in diesem Spiel wieder als großer Vollstrecker. Er sorgt trotz Sonderbewachung schon in der ersten Hälfte für den nötigen Vorsprung. Im Gefühl des sicheren Sieges steigern sich die Gummersbacher in einen wahren Spiel rausch. Hansi Schmidt und seine Mannschaftskameraden knüpfen in der neuen Saison an die Erfolge des Jahres 1966 an. Sie bereiten sich darauf gewissenhaft vor, denn sie wissen: Ruhm verwelkt schnell , Erfolg muss immer wieder aufs neue errungen werden . Sie starten in die Saison 1966/67 als Meister, und Meister haben es stets schwer, sie werden ständig gejagt. Die Blau-Weißen legen einen Start nach Maß vor: Mit einem imponierenden 23: 12-Erfolg über den VfL Schwartau- im Vorjahr ein noch ebenbürtiger Gegner in der Lübecker Hanseatenhalle - stürmt der VfL an die Spitze der neugeschaffenen Bundesliga-Gruppe Nord. Diese Führung geben die Blau-Weißen bis ins Ziel nicht mehr ab. 159


Bundesligarekord: 13 Tore Hansi und seine Mannschaft eilen in der Saison 1966/67 von Sieg zu Sieg dem zweiten Endspiel entgegen. Einmal stolpern die Blau-Weißen allerdings. Den VfL erwischt es im zehnten Spiel beim alten Rivalen TuS Wellinghofen ausgerechnet am Karnevalssonntag. Und gerade weil so manches nach Karneval aussieht, was sich vor den 3500 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle abspielt, tun die Blau-Weißen nach dem II: 14 das einzig Richtige: Sie vergessen das Spiel so schnell wie möglich. In der Hallen-Bundesliga läuft ft.ir Hansi und den VfL in der Saison 1966/67 alles nach Plan. Die Meisterschaft wird lediglich wegen der Weltmeisterschaft in Schweden unterbrochen. Der erste Spieltag nach der sechswöchigen WM-Pause bringt im Nordwesten nichts Neues . Der Stil, in dem der VfL Gummersbach in Richtung Staffelsieg marschiert, wird von Spieltag zu Spieltag imponierender. Zwei Tage nach dem hohen 30: 10-(14:6)-Europapokalsieg über den holländischen Meister Sittardia Sittard ist der deutsche Meister stark genug, um den alten Rivalen GrünWeiß Dankersen mit 23:13 (9:7) "abblitzen" zu lassen. Nach einem 5:7-Rückstand wacht der VfL auf und spielt die Gäste an die Wand. Hansi ist in beiden Spielen torgefahrlich. Gleich 13mal überwindet er den Torwart der Grün- Weißen und stellt einen Bundesligarekord auf. Hansi hat in diesem Spiel aber seinen stärkeren Auftritt in der Abwehr. Kaum zu zählen, wie viele Lübking-Bälle er abfangt, heißt es in der Deutschen Handballwoche. Hansi setzt in der ersten Bundesliga-Saison gleich Maßstäbe. Diesen Bundesligarekord verbessert Hansi in der Saison 196811969: Der VfL deklassiert den TuS Wellinghofen mit 25:11 (1 0:6). Hansi Schmidt erzielt 16 Treffer, vier mit der Linken. In der Saison 1972/ 1973 beim 17:14 (6:6)-Sieg des VfL gegen THW in Kiel wird Hansi 14 Treffer erzielen. In der zweiten Februarhälfte besiegt der VfL mit einem glänzend aufgelegten Hansi Angstgegner Hamburger SV mit II : I 0 (8:5) und steht vor dem Gruppensieg. In diesem Spiel zeigt sich erneut, dass Hansi zu Recht die Bundesliga-Torschützenliste anfUhrt. Er ist mit normalen Mitteln kaum zu bremsen . Siebenmal überwindet er in dieser Begegnung Nationaltorwart Hans-Jürgen Bode. "Schmidts enorme Wurfkraft hat letzten Endes das Spiel entschieden", schreibt HansWerheidin der Deutschen Handballwoche. Ende Februar ist es soweit: Der VfL Gummersbach hat schon am 12. Spieltag den ersten Platz in der Nordstaffel sicher. Glanzvoll das Meisterstück des VfL, der den SV St. Georg mit 37:13 überrollt. In großer Spiellaune erneut Hansi Schmidt, der 11 Tore erzielt. Mit sieben Punkten Vorsprung erreichen die Gummersbacher das Ziel der ersten Bundesliga-Saison des deutschen Hallenhandballs, sie qualifizieren sich eindeutig ft.ir ihr zweites Endspiel. Sie geben lediglich zwei Punkte ab. Doch nicht allein der VfL, auch der Deutsche Handball-Bund kann mit der ersten Runde seiner neuen Bundesliga zufrieden sein. In der deutschen Spitzenklasse ge-

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winnt der rasante Wirbel auf dem kleinen Hallenparkett erheblich an Zugkraft und Wirkung. Trotzdem: Der Handball ist weiter der arme Bruder des großen und mächtigen Fußballs. Die Hallen sind zu klein. Auch die des deutschen Meisters. "Unsere Halle ist ftir alle Bundesligaspiele praktisch ausverkauft", klagt VfL-Schatzmeister Heiner Rösler. "Das Interesse ist doppelt und dreifach so groß wie die karge Zahl unserer Plätze." Und daran ändert sich auch in den folgenden Jahren in Gummersbach nichts. Die neue Saison mit der ersten Bundesligaserie und den Europapokalspielen stellt hohe Anforderungen an die Akteure des Meisters. Sie spielen wie die Profis, werden beansprucht wie Profis, bleiben aber trotzdem Amateure. Das ist auch im Sinne von Eugen Haas: " ... solange ich noch ein Wörtchen mitzureden habe, wird es auch so bleiben." Trotz des großen Geldes, das der Verein im Europapakai verdient. In der Bundesliga sind die Einnahmen gering. Kaum 800 Zuschauer fasst die Gummersbacher Halle. Alle sieben Heimspiele sind ausverkauft. Aber die Einnahmen decken gerade die Kosten der Auswärtsspiele. Das kann der VfL-Abteilungsleiter in jenen Tagen seinen Amateuren bieten : Sie reisen zu den Treffen angenehm, sie wohnen und essen gut, sie sollen im Beruf vorankommen und sich Existenzen aufbauen. Das ist wichtiger und besser als übertriebene Prämien oder leere Versprechungen, so der Obmann. In jenen Tagen gibt es ein Tauziehen um denjugoslawischen Nationalspieler Zlatko Zagmestar. Statt nach Göppingen zu fahren, wo er erwartet wird, steigt Zagmestar nach einem Turnier in Rheinhausen in den Mercedes des Gummersbacher Handballchefs und fährt ins Oberbergische Land. "Mit Hansi Schmidt und Zlatko Zagmestar in der zweiten Reihe sind wir in Deutschland kaum mehr zu schlagen", wird VfLTrainer Horst Dreischang schon zitiert. Doch die Freude dauert nur kurz. Ohne das blau-weiße Trikot angezogen zu haben, reist der lang aufgeschossene jugoslawische Nationalspieler zum zweifachen Europapokalsieger Frisch Auf Göppingen. Haas trennt sich aus prinzipiellen Gründen von Zagmestar. Haas will Zlatko eine gute Arbeitsstätte vermitteln, doch der will Handball spielen, nicht arbeiten. Zagmestar bleibt auch nicht in Göppingen, sondern landet in Solingen und schießt den BV 98 in die Bundesliga. Der Fall Zagmestar zeigt: Nichtjeder Star beißt in Gummersbach an. Mancher schaut auch aufs Geld.

Zum ersten Mal Torschützenkönig Die Leistungen der Mannschaft, ihr verwirrender Wirbel, die Festigkeit der Abwehr, die Wurfkraft des Angriffs sind konstanter, finden überall Beifall und Aner-

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kennung. Vor allem Hansi Schmidt spielt sich schnell in die Herzen der Handballfans. Denn Tore sind das Salz in der Suppe. Hansi ist im blau-weißen Trikot mit der Nummer 9 der Mann ftir die Tore. Er wirft sie am laufenden Band. Er ist erfolgreichster Schütze der vorherigen Endrunde und Schützenkönig der ersten Bundesliga-Saison. 91 Treffer stehen auf seinem Konto, aufPlatz zwei folgt der Dankersener Rekordnationalspieler Herbert Lübking mit 77 Treffern. In der VfL-Torschützenliste folgen auf Hansi: Jochen Feldhoff (39), Hans-Gert Bölter (33), Klaus Alberts (28), Jochen Brand und Burkhardt Müller (je 25). Doch nicht allein die Zahl der geworfenen Tore beeindruckt Zuschauer und Gegner, sondern die Art, wie er sie erzielt. Keiner seiner Konkurrenten springt so hoch, keiner wirft so wuchtig. Hansi scheint in der Luft zu stehen, bevor er zum Wurf ausholt. Seine verzögerten Sprungwürfe sind inzwischen der Alptraum eines jeden Gegners. Hansi bringt im linken Rückraum erstklassige Leistungen. Er ist weltbester Spieler auf der Königsposition geworden . Bei der Weltmeisterschaft in Schweden belegt die deutsche Mannschaft den sechsten Platz. Hansi und die deutsche Mannschaft reißen keine Bäume aus. Das einzig Positive : Lübking wird mit 38 Treffern Torschützenkönig vor Hansi und Milkovic (Jugoslawien) mit je 37 Treffern. Die deutsche Bukarester Tageszeitung Neuer Weg, die einen Berichterstatter nach Schweden entsandt hat, nennt lediglich Herbert Lübking und Josip Milkovic als beste Torwerfer. Hansi Schmidt kommt in der Statistik nicht vor. Im Viertelfinale unterliegt Deutschland der Sowjetunion 16:19 (7: 10). Im B-Halbfinale besiegen dieMännerum Hansi Schmidt Jugoslawien nach Verlängerung mit 31 :30 (12 : 14, 24:24, 27 :27). Das Spiel um Platz ftinf verlieren die Deutschen 22 :24 (1 0: 12) gegen Schweden. Deutschland, "das dem Angriff mehr Aufmerksamkeit als der Verteidigung widmete, mischte auch gut mit" in diesem Spiel , berichtet der Neue Weg. "Das Treffen war das weitaus schönste der 6. WM", schreibt Gerhard Simonis weiter. Die bundesdeutsche Mannschaft gewinnt mit ihrem zahmen Spiel den Fair-Play-Pokal , weil sie nur sechs Strafminuten aufihrem Konto hat. Sie stellt die besten Schützen, verteidigt aber offensichtlich nicht energisch genug, was nicht ausreicht, um in die Medaillenränge vorzustoßen. Den zweiten Rang belegt Schweden mit acht Strafminuten. Nach der WM ist die Enttäuschung groß. Für einen sechsten Platz haben sich die Strapazen nicht gelohnt, heißt es in jenen Tagen. Wie kann das Hallenspiel einschneidender betrieben werden? Die Weltspitze ist bei der Nachbetrachtung der WM dichter zusammengerückt. Bundestrainer Werner Yick meint nach der WM: "Dem deutschen Handball fehlen echte Hallentypen, Männer mit einem Gardemaß. Dann käme auch das Kreisläuferspiel besser zum Tragen. Schon ein Gruia allein hätte zur Weltmeisterschaft genügt." Und Hansi fUgt hinzu: "Und bessere Trainingsmöglichkeiten waren nicht in Sicht."

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Viel Ärger und böse Worte um Hansi Schmidt gibt es in den Monaten nach der WM 1967. Vick berücksichtigt ihn für das bevorstehende Länderspiel Ende November in Köln nicht. Das Hamburger Morgenblatt macht Ende November 1967 einen Handball-Krieg aus, der schon seit einem halben Jahr tobt. "Ich glaube nicht, dass ich noch einmal in der Nationalmannschaft spielen werde." Das ist der Kernsatz eines Interviews, das der wurfgewaltige Hansi Schmidt Ende Oktober 1967 im Zweiten Deutschen Fernsehen gibt. Die schwelende Kontroverse zwischen Handballbundestrainer Werner Vick und Hansi Schmidt hat damit einen Höhepunkt erreicht. Hansi Schmidt weiter: "Meine Worte, der VfL Gummersbach als Europapokalsieger sei stärker als die Nationalmannschaft, hat mir der Bundestrainer wohl übel genommen." Im November 1967 kündigt Bundestrainer Wener Vick den Umbau der Hallenhandball-Nationalmannschaft an, und zwar vor den beiden Länderspielen in der Kölner Messesporthalle gegen Schweden. Es soll ein radikaler Schnitt sein. Vick hat schon das Ziel Olympische Spiele 1972 vor Augen. Dazu ist er bereit, auf Augenblickserfolge zu verzichten. "Ich möchte in dieser Saison eine so junge Mannschaft in das Fegefeuer von Spielen gegen Weltmeister Tschechoslowakei, Exweltmeister Rumänien, die Dänen und vielleicht auch gegen die Russen schicken, dass ich sicher sein kann, 50 bis 60 Prozent der eingesetzten Kräfte stehen mir auch noch 1972 als Mannschaftsgerippe zur Verfügung", so Vick im November 1967 gegenüber der Zeitschrift Hör zu. Vick lässt durchblicken, dass er auf Hansi Schmidt verzichtet, der als tragende Figur mit dem VfL Gummersbach den ersten Europapokal gewonnen hat, aber "mit unzureichender Entschuldigung" nicht zu den ersten Lehrgängen der Nationalmannschaft gekommen ist. Es kommt zu einem Zerwürfnis zwischen Hansi und dem Bundestrainer, zwischen dem Deutschen Handball-Bund und dem VfL Gummersbach. "Der künftige Lehrer Schmidt ist vielleicht der größte Handballspieler, den wir zur Zeit besitzen. Ein Bulle, der mit dem Ball umgeht, als wäre er klein wie eine Zitrone", heißt es in dem Bericht weiter. Er ist ein Spieler, "der seinen massigen, aber durchtrainierten Körper wie einen Hubschrauber über die Abwehrspieler emporschrauben kann, aus der Höhe dann seine unheimlich scharfen, schlecht zu berechnenden Schüsse ablässt. Aber Hansi ist auch etwas schwierig." Hör zu zitiert Vick weiter: "Ich laufe ihm doch nicht hinterher. Wenn ich jedem seine eigenen Brötchen backte, würde die Mannschaft ganz durcheinandergeraten. Mir ist eine harmonische Mannschaft, in der sich die Spieler untereinander gut verstehen, doch viellieber als ein eigenwilliger Star. Gute Kameradschaft, ein guter Geist sind die Grundlage für Erfolge." Rückblickend sagt Hansi, Vick sei

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ein Opfer seiner eigenen Strategie geworden. Denn Kameradschaft allein genüge nicht, genau so wichtig wäre gewesen, wenn er mit der Mannschaft im TrainingsJager effizient gearbeitet hätte. Das erste Länderspiel gegen Schweden gewinnt die deutsche Mannschaft mit 13:12 vor 2600 Zuschauern. Als einziger Gummersbacher Spieler ist Jochen Feldhoff dabei. Jochen Brand ist wegen Foulspiels gesperrt, Torwart Podak und Hansi Schmidt werden einfach nicht berücksichtigt. "Da haben wir ja den Beweis für meine Behauptung: Seitdem ich im Überschwang der Begeisterung einmal gesagt habe, dass unser VfL stärker gespielt hätte als die Nationalmannschaft, werde ich von Bundestrainer Werner Vick geschnitten", zitiert die Frankfurter Rundschau Hansi Schmidt. Für den Berichterstatter der Zeitung ist "seit mindestens zwei Jahren Bernd Podak der stärkste deutscher Torhüter. .. Doch in dieser Zeit erschien er nicht einmal in der Nationalmannschaft, auch nicht zur Weltmeisterschaft." Der Gummersbacher Schütze vom Dienst ist zu jenem Zeitpunkt seit fast einem Jahr, seit der WM in Schweden, nicht mehr mit der Nationalmannschaft aufgelaufen. Doch traurig ist er darüber nicht. Der Kölner Express zitiert ihn mit den Worten: "Europa-Pokalspiele sind auch schön. Werner Vick sollte einsehen, dass ich nicht erst durch die Nationalmannschaft berühmt geworden bin. Meinen Namen hatte ich schon vorher. Bei meinen Spielen für den VfL Gummersbach habe ich genügend meine Qualitäten bewiesen." Im Dezember dann die Nachricht, auf die die Handballfreunde in Gummersbach gewartet haben: Bundestrainer Werner Vick und der V fL Gummersbach haben die Streitaxt begraben. Aufinitiative des Handballobmanns des Europapokalsiegers, Eugen Haas, sprechen sich Hansi , Haas und der Bundestrainer aus. Beide Seiten geben zu, Fehler gemacht zu haben . Der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem "Aushängeschild" des deutschen Hallenhandballs und dem Bundestrainer soll nichts mehr im Weg stehen. Werner Vicks Fazit: "Wir brauchen uns schließlich beide. Ich brauche die Gummersbacher für die Nationalmannschaft." Ende Februar 1967 wird auch bekannt, dass ab 1968 kein Feldhandball mehr in der DDR gespielt wird. Jetzt wird die Diskussion ft.ir und gegen den Hallenhandball oder Feldhandball in der Bundesrepublik erneut entfacht. Das Viertelfinal-Hinspiel im Europapokal in Belgrad gegen Medvescak Agram (Zagreb) verlieren die Gummersbacher ohne Hansi Schmidt 9: 13. Doch im Rückspiel in der KölnerMessehalle nehmen die Blau-Weißen Revanche. In einer Begegnung, in der Hansi Schmidt und seine Kollegen an die vorherigen Erfolge anknüpfen, überrennt der VfL die Zagreber Mannschaft mit 19: I 0 (9:6). Nach dem Spiel ist Medvescak-Star Josip Milkovic voll des Lobes über Hansi Schmidt. Er kennt den Gummersbacher schon aus dessen Bukarester Zeit. Dort hat er nur von der Kraft gelebt. Heute spielt er mit Kopf. Das war für uns viel gefährlicher, so

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Milkovic. Das Bemerkenswerte an diesem turbulenten Ringen: Nicht, wie allseits erwartet, die Bomben des Bundesliga-Schützenkönigs entscheiden dieses Viertelfinalrückspiel , sondern die kaum mehr zu überbietende Mannschaftsleistung des VfL Gummersbach, in der Hansi wie jeder spielt, kämpft und das Letzte gibt. Mit dieser Mannschaft erringt der VfL Gummersbach den Sieg in Köln: Podak (Kater nicht eingesetzt), Klaus Brand ( 1), Bölter (2), Jochen Brand (3), Schrnidt (5, davon ein Siebenmeter), Feldhoff (1 ), Alberts (1 ), Kriesten (2), Burkhard Müller (3) und Kosmehl ( 1). Das erste Finale der neuen, zweigeteilten Bundesliga wird zu einer einseitigen Sache. In der mit 8000 Besuchern besetzten Dortmunder Westfalenhalle besiegt der amtierende deutsche MeisterVfL Gummersbach den Ersten der Südstaffel, den TV Hochdorf, mit 23:7. Nach sieben Minuten steht es 4:0. Das Spiel ist entschieden. 3000 Gummersbacher Schlachtenbummler genießen den neuen Triumph des VfL in vollen Zügen. Nur ein Mann hat bei den Süddeutschen Format: Klaus Becker im Tor. Mit dem Mut der Verzweiflung wirft er sich den urplötzlich und völlig frei am Kreis auftauchenden Gummersbachern entgegen. Er lässt von der 16. bis zur 29 . Minute kein Tor des Meisters zu. Trotzdem : Der neue und alte Meister kann 1967 eine Mannschaft präsentieren, der kein westeuropäisches Team das Wasser reichen kann. Im Angriff ist Hansi ein As. Mit seinen nicht zu überbietenden Sprungwürfen entfacht er Begeisterungsstürme auf den Rängen. Hansi steht in diesem Finale wiederholt förmlich in der Luft, hält den zu großer Form auflaufenden Torwart Becker zum Narren und wirft mit geradezu unwahrscheinlicher Präzision ins Tor. Doch hohes Lob gilt auch den anderen Akteuren. Feldhoff erntet viel Beifall für seine unwiderstehlichen, blitzschnell vorgetragenen Gegenstöße, Müller für geschicktes Freistellen, Bölter für kraftvolle Würfe aus der zweiten Reihe und Kosmehl ftir äußerst mannschaftsdienliches Spiel. Im Finale 1967 ist ein Ergebnis zustande gekommen, das Können, Spielkultur, Kondition und taktischen Witz widerspiegelt. "Die Gummersbacher sind ein deutscher Hallenhandball-Meister, wie es ihn würdiger wohl noch nie gegeben hat", urteilt Hermann Thien in der Deutschen Handballwoche. Innerhalb des ersten Bundesliga-Jahres sind sie zu einer Mannschaft internationalen Formats zusammengewachsen. Schon vor einem Jahr waren sie die Besten. Nun sind sie die Allerbesten. "Zur längst vorhandenen Ballbeherrschung, zur athletischen Mitgift durch die Natur, in der aus Trainingsfleiß resultierenden Kondition, zum Schussvermögen aller ist nun die große Routine hinzugekommen." Die Kölnische Rundschau berichtet in mehreren Artikeln ausführlich über das Finale: "Der VfL war eine Klasse besser als derTV Hochdorf Hans Schmidt war mit acht Toren Schützenkönig" oder "VfL um Jahre voraus." Weiter heißt es: "Der VfL setzt neue Maßstäbe" und "12 Spieler- ein großartiges Team . Saison der stolzen Erfolge."

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Hansi erinnert sich gerne an die beiden Hutter-Brüder, Josefund Klaus, in der Mannschaft des pfälzischen Dorfvereins: "Die Burschen waren gute Handballer, von denen ich sehr begeistert war. Wir waren eine Nuance stärker, haben uns aber nicht überheblich aufgeführt. Die Hochdorfer waren faire Verlierer. Wir wussten, dass wir Favorit sind, doch das war keine Belastung für uns. Wir wussten auch , dass wir das Ding nach Hause fahren müssen. Favorit zu sein war für mich nie belastend. Zu wissen, dass ich der Bessere bin, war für mich stets ein Ansporn, mehr zu tun." Der Empfang nach diesem Erfolg ist in Gummersbach nicht so überschwenglich wie nach dem ersten Titelgewinn. Hansi : "Es ist wie bei allem im Leben, die Leute beginnen sich an alles zu gewöhnen. Auch daran , dass wir mehr als einmal erfolgreich waren." Mit dieser Mannschaft ist der VfL Gummersbach 1967 deutscher Meister geworden: Bernd Podak, Klaus Kater; Klaus Brand, Jochen Feldhoff (3), Klaus Alberts, Hans-Gerd Bölter, Burkhardt Müller, Jochen Brand, Klaus Kriesten (je 2), Hansi Schmidt (8), Helmut Kosmehl ( 1). Anfang April ist das Halbfinal-Hinspiel im Europapokal der Meister anberaumt. Der VfL Gummersbach bleibt ein As in diesem Wettbewerb. Im ersten Halbfinalspiel übertreffen die Blau-Weißen die russischen Meisterhandballer von Trud Moskau mit 15:11 (1 0:6) Toren und unterstreichen ihre hervorragende Form . In Köln spielt und kämpft der VfL Gummersbach eine Dreiviertelstunde lang wie noch nie zuvor in seiner langen Vereinsgeschichte. Der VfL holt einen 1:4-Rückstand auf und zieht davon, nachdem er auf das gewohnte 5:1-Deckungssystern umgeschaltet hat: Sechs Tore in sieben Minuten erzielen die Mannen um Hansi Schmidt. Das ist mehr, als sich die größten Optimisten erhoffen können. Aus dem 1:4 ist ein 7:4 geworden, eine kaum mehr ft.ir möglich gehaltene Steigerung ist vollbracht. In dieser Phase zeigt sich einmal mehr, wie sehr sich die Blau-Weißen mit ihrem Gegner, mit ihrer Aufgabe zu steigern vermögen. Und es geht weiter: Hansi Schrnidt verwandelt seinen dritten Siebenmeter zum 13:7, wenig später wirft Jochen Feldhoff nach einem einzigartigen Alleingang zum 14:8 ein. Aber die Blau-Weißen können diesen Sechs-Tore-Vorsprung in diesem turbulenten Spiel nicht halten. Trud Moskau wankt, fallt aber nicht. In diesen kritischen Momenten zeigt sich: Der russische Meister ist ein Weltklasseteam, eine Einheit, die nicht durch Einzelkönner, sondern durch ihr Zusammenspiel besticht. Mannschaftskapitän Lebedew setzt immer wieder seine Nebenleute ein und öffnet Lücken ft.ir die Kreisläufer. Hansi Schrnidt nach dem Spiel über seinen Bewacher Lebedew: "Nie hatte ich einen schnelleren, einen konsequenteren, einen besseren, aber auch einen faireren Gegenspieler." Trotzdem gelingen Hansi neben den drei Siebenmetern vier Tore aus Spielphasen. Lebedew spricht nach dem Spiel ebenfalls ein Kompliment aus: "Schmidt war sehr gut, viel besser als bei der Weltmeisterschaft."

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Doch so bravourös sie auch kämpfen, so erstaunlich sie sich steigern, so sehr sie der Anfeuerungsorkan der 7000 in der ausverkauften Kötner Messesporthalle auch beflügelt, am Ende bleibt die bange Frage: Wird dieser Vier-Tore-Vorsprung das Rückspiel am 16. April 1967 überdauern? Schließlich muss der deutsche Meister die Reise nach Moskau ohne seinen Scharfschützen Hansi Schmidt, ohne B-Nationalspieler Helmut Kosmehl und ohne seinen Trainer Dr. Horst Dreischang antreten, denn alle sind Flüchtlinge. Hansi kommt aus dem rumänischen Teil des Banats, die beiden anderen aus der DDR. Heiner Frohwein, der die Gummersbacher schon in Belgrad betreut hat, stellt die Mannschaft für das Rückspiel in Moskau offensiv ein. Denn in Moskau kann sie bei dem Ergebnis nicht mauern, sie muss angreifen. Das liegt dem VfL weit besser als alle Defensivtaktiken. Im Rückspiel trumpft der VfL erneut auf. Er gewinnt in Moskau mit 17:15 gegen Trud. Schon wenige Stunden nach dem Sieg in Moskau beginnt in Gummersbach und Umgebung ein kaum vorstellbarer Wettlauf um die Eintrittskarten für das Endspiel gegen die "Handballzauberer von der Moldau". Alte Handballfans erinnern sich noch gut an die "heißen Schlachten" um die Eintrittskarten. Die Oberbergische Volkszeitung schreibt: "In Gummersbach wird nicht mehr mit ' Guten Morgen', sondern 'Haben Sie eine Karte ftir das Endspiel?' gegrüßt." VfL-Obmann Eugen Haas wird später mit dem Satz zitiert: "Die Kartennachfrage war damals so groß, dass wir spielend auch das Westfalenstadion geftillt bekommen hätten." Die Handballanhänger, die am Tage des Finales eine der begehrten Karten haben, werden Zeuge einer der größten Überraschungen in der Sportgeschichte. Kaum einer der Experten hätte vor dem Anpfiff dem VfL gegen die Truppe aus Prag eine Chance gegeben.

Geburtsstunde einer Weltklassemannschaft Und dann der 28. April1967: Der zweifache deutsche HallenhandballmeisterVfL feiert seinen bis dahin größten Triumph. Der VfL Gummersbach ist nach dem verdienten 17: 13-Erfolg über die Weltklassemannschaft von Dukla Prag im Hexenkessel der Dortmunder Westfalenhalle Europapokalsieger der Landesmeister geworden. In diesem 7. offiziellen Europapokal-Endspiel der Landesmeister wächst der VfL Gummersbach über sich hinaus. Die 15 000 Zuschauer treiben die BlauWeißen zum Sieg. Nach der Schlusssirene stürmen die Zuschauer das Spielfeld. !HF-Präsident Hans Baumann hat Mühe, zu den beiden Mannschaften zu kommen, um den Nachfolger der DHfK Leipzig zu ehren. Das erste Finale in Deutschland hat die Handballanhänger elektrisiert und Spannung bis zum Schluss geboten. Ein Beweis daftir ist die Torfolge: 0:2, I :2, 1:3,4:3,4:4, 6:4, 6:7, 7:7, 7:8, 8:8, 8:10,11:10,11:11,14:11,14:12,15:12,15:13,17:13. 167


Hansi Schmidt lässt die Dukla-Spie/er hinter sich: Der VJL gewinnt den Europapoka/1967 durch ein 17: /3 über die hoch favorisierte Prager Mannschaji.

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Doch bei aller Freude über den VfL-Erfolg, dieses Spiel zeigt den Handball am Scheideweg. Während der Weltmeisterschaft in Schweden hat es in keinem Spiel so viele gemeine Fouls gegeben wie in der Westfalenhalle. Beide Mannschaften spielen hart, schenken sich in keiner Minute etwas. "Sünder" gibt es in beiden Reihen. Hansi Schmidt wächst in diesem Spiel über sich hinaus. In der Deutschen Handballwoche heißt es: "So gut haben wir den Hansi noch nicht gesehen! Bis in die letzte Muskelfaser konzentriert, lieferte der bei seinen immer wieder bewundernswerten und gefeierten Sprungwürfen wie ein Hubschrauber in der Luft stehende Schmidt eine phantastische Leistung! Diese verdient umso mehr Beachtung, da der in der 10. Minute von Vicha gehaltene Siebenmeter sichtlich an den Nerven rüttelte und die Bewachung durch Doricak nicht immer regelrecht ausgeführt wurde. SR Carlsson monierte dies jedoch nur einmal." Noch heute kommt Hansi ins Schwärmen, wenn er von der tschechischen Mannschaft von damals spricht. "Jiri Vicha, JosefTrojan, Rudolf Havlik, Vaclav Duda, diese Spieler konnten im Finale nicht ihren schönen Handball spielen. Denn wir haben gekämpft und gewonnen. In einer neutralen Halle hätten wir vielleicht verloren. In der ersten Halbzeit hat Vicha den Siebenmeter von mir gehalten. Das war Antizipation. Jiri hat mir in die Augen gesehen, er wusste, wo der Ball hingeht, er konnte erkennen, was ich vor habe. Damit und mit seinem Stellungsspiel hat er mich in die Schranken gewiesen." Doch kurz danach eine andere Situation, sie ist von einem Sportfotografen festgehalten worden: Hansi setzt zu einem Sprungwurf an. Er steht in der Luft, überragt die Dukla-Abwehr um wenigstens eine halbe Körperlänge. Jetzt sieht er, was Vicha im Tor tut, wie er sich bewegt, wie er reagiert. Hansi kann sich die Ecke aussuchen. Hansi trifft. "Das war der springende Funke, der mir das Selbstvertrauen zurückgegeben hat." Nach diesem Supertor geht es mit dem VfL bergauf, die Blau-Weißen gewinnen. Schmidt weiter: "Die beste Mannschaft hat verloren. In diesem Spiel hat das Element Kampf im Vordergrund gestanden, doch auch wir haben hohe Handballkunst zelebriert. Wir waren besser motiviert. Dukla war ununterbrochen Meister, wir gerade zweimal. Spieltechnisch und taktisch waren die Tschechen die bessere Mannschaft. Wir hatten im Publikum den achten Mann auf dem Platz. Der schwedische Schiedsrichter Hans Carlsson hat korrekt gepfiffen, er hat eine hervorragende Leistung geboten. Dortmund und die vielen Zuschauer aus ganz Deutschland haben ein sportliches Großereignis erlebt. Den Leuten aus dem Ruhrgebiet müssen wir auch heute noch danken. Sie haben uns angenommen. Aus Schüren bei Iserlohn war stets eine Gruppe von VfL-Anhängern in der Westfalenhalle. Schon zu unserer Zeit waren die Kölner nicht so handballinteressiert In der Westfalenhalle brauchte keiner den anderen zum Klatschen zu animieren. Die Halle war die beste Voraussetzung ftir unsere Erfolge. Zwischen den Zuschauern, Anhänger dieser kampfbetonten Sport-

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Die psychologisch entscheidende Szene 1967 im Europapoka!finale VfL Gummersbach gegen Dukla Prag in der Dortmunder Westfalenhalle: Han si steigt hoch, verzögert den Wurf, und Torwart Jiri Vicha ist geschlagen. 170


art, und den Akteuren gab es einen sehr guten Zusammenhalt. Wir haben uns angenommen." Für den VfL Gummersbach ist dieser 28. April nach wie vor der größte Tag in der Vereinsgeschichte, sagt Hansi. Gleich nach dem Spiel begießen die Spieler den großartigen Erfolg. Doch das ist noch die Ruhe vor dem Sturm, vor der triumphalen Rückkehr nach Gummersbach. Spieler, Trainer Horst Dreischang und Obmann Eugen Haas können sich der Glückwunschflut am späten Freitagabend nicht erwehren. Jubilierend zieht der große Anhang heimwärts. Noch lange nach dem Spiel sind "Schlachtgesänge" zu hören. Das Spiel am 28. April in der Westfalenhalle gilt als "Finale der Superlative" im internationalen Handballsport, es ist das größte Handballereignis 1967 nach der Weltmeisterschaft in Schweden. Wie groß die Resonanz dieses Spiels ist, beweist schon allein die Anwesenheit von 170 Journalisten und Fotoreportern. Unmittelbar nach dem Spiel trifft das erste Glückwunschtelegramm ein, es kommt von NRWMinisterpräsident Heinz Kühn ( 1912-1992). Telegramme schicken auch Bundesaußenminister Willy Brandt ( 1913-1992) und Deutschlands Fußballidol Fritz Walter ( 1920-2002). Zu den Zeugen des Endspiels gehören die Fußball-BundesligaTeams Borussia Dortmund und Bayern München, ferner Bundesinnenminister Paul Lücke (1914-1976). Er teilt mit, dass er dem Bundespräsidenten vorschlagen will, dem VfL Gummersbach das Silberne Lorbeerblatt zu verleihen. Einige Wochen später macht Bundespräsident Heinrich Lübke ( 1894-1972) Lückes Versprechen wahr. Während der Jubel im weiten Rund der Dortmunder Westfalenhalle weiter geht und die ersten Telegramme eintreffen, können die VfL-Akteure es immer noch nicht fassen , dass sie eine Mannschaft in die Knie gezwungen haben, die fast identisch ist mit jener Truppe, die Anfang des Jahres in Schweden Weltmeister geworden ist. Immer neue Gratulanten drängen sich in die "Katakomben" der Westfalenhai Je. Der Bürgermeister umarmt " seine" Jungen, der frühere nordrhein-westf<ilische Minister und Ehrenspielführer des VfL Gummersbach, Gerhard Kienbaum, drückt seinen Freunden die Hand. " Man muss auch kämpfen können", sagt Scharfschütze Hansi Schmidt, als er auf die ihn hart attackierenden Tschechen an-

Geballte Kraft: Hansi war der muskulöseste Spiele1; sagt Vlado Stenze/.

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Autokorso durch die Straßen Gummersbachs. Die Bevölkerungjubelt den Helden entgegen.

Die Begeisterung ist groß: Die Gummersbacher identifizieren sich mit ihren Handballern.

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gesprochen wird. Er hat Härte erwartet, aber Dukla war noch härter, geradezu brutal, Hansis aufgeschlagene Lippe ist ein kleiner Beweis daftir. Für Trainer Horst Dreischang hat in dem turbulenten Geschehen die größere Ausgeglichenheit den Ausschlag gegeben. "Unser Sieg zeigt, dass es noch andere Werte gibt im Sport als Drill , als spielerische Perfektion. Unser Einsatzwille und Kampfgeist haben die Routine der Profis übertroffen. Und am Ende hatten wir selbst konditionell mehr zuzusetzen." Dukla-Trainer Bedrich König sagt, der VfL habe den Sieg Hansi Schmidt und Torwart Bernd Podak zu verdanken. Hansi hat seiner Ansicht nach viel ftir die Mannschaft getan. Das von den Rumänen erfundene Sperrspiel ftir Hansi vor der Abwehr betrachtet er allerdings als regelwidrig. In dieser Aufstellung ist der VfL Gummersbach zum 17: 13 (6:7) über Dukla Prag gekommen: Bernd Podak; Klaus Brand (I), Klaus Alberts (I), Hans-Gerd Bölter (2), Burkhardt Müller (1), Jochen Feldhoff(2), Jochen Brand (1), Klaus Kriesten ( 1), Hansi Schmidt (7, davon zwei Siebenmeter) und Helmut Kosmehl ( 1). Der große Tag des VfL Gummersbach endet mit einem großen Bankett des Deutschen Handball-Bundes im Union-Bräu-Haus in Dortmund . Die Ansprachen beginnen erst nach Mitternacht. DHB-Präsident Otto Seeber ( 191 0-1977) würdigt die Leistungen beider Mannschaften, lobt aber besonders den "riesigen Sturmlauf', den "hervorragenden Elan" und den "Teamgeist" der Gummersbacher. Am Tag nach dem Sieg ist in der Presse zu lesen von einerneuen Ära im Hallenhandball. In Schlagzeilen heißt es: "Wir haben den Pokal!", "Heute ist Handballfeiertag", "Europa spricht vom VfL Gummersbach". Die Heimkehr des VfL nach Gummersbach am 29. April wird zum Triumphzug. 25 000 Menschen säumen die Straßen der Innenstadt, um die Sieger von Dortmund als ungekrönte Weltmeister stürmisch zu feiern. In drei Lokalen gibt es eine Stunde lang Freibier ftir jedermann. Der Jubel in Gummersbach kennt keine Grenzen. Nach dem Europapokalsieg holt der Alltag die Gummersbacher wieder ein. In der Großfeldmeisterschaft haben sie einige Spiele nachzuholen . Während Eintracht Hohn schon sechs Spiele absolviert hat, ist der VfL erst beim zweiten angelangt. Innerhalb von vierTagen schaffen die Blau-Weißen zwei Siege: 17:16 gegen TSV Büdelsdorfund 18:15 gegen Hohn . Im Spiel gegen die Eintracht aus Hohn gelingen Hansi gleich II Treffer. Im Rückspiel unterliegt der VfL der Eintracht allerdings 12: 14. Auf dem Großfeld wird der VfL keine großen Sprünge mehr machen. Die Schlussbilanz: neun Siege, neun Niederlagen, Platz ftinf. Mitte Mai 1967 überreicht Bundesinnenminister Paul Lücke der VfL-Mannschaft das Silberne Lorbeerblatt auf dem Parkplatz vor der Dreier-Sporthalle in Gummersbach in Anwesenheit von etwa 1500 Zuschauern. Schon Tage davor baut das Technische Hilfswerk eine Bühne auf. Zum Dekor gehören neben Grün und Blumen zwei Handballtore. Jugendhandballer und Schüler im Sportdress treten auf.

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Bundesminister Paul Lücke überreicht Hansi Schmidt das Verdienstkreuz.

Der von Wimpeln flankierte Europa-Pokal wird präsentiert. Es ist reichlich geflaggt, und über allem lacht die Sonne. Eine halbe Stunde vor dem feierlichen Moment spielt das Musikkorps des Bundesgrenzschutzes Kassel Märsche und frohe Weisen. Die Mannschaft, Eugen Haas und Trainer Horst Dreischang nehmen auf der Bühne Platz. Ihnen gegenüber sitzen ebenfalls erfolgreiche Gummersbacher: der Bundesmeisterchor "12 Räuber", der das Programm mit Liedern auflockert. Für sportliche Leckerbissen sorgen drei japanische Spitzenvorturner, die auf Matten einige Proben ihres großen Könnens zeigen. Unter den Ehrengästen ist der Präsident des Deutschen Handball-Bundes, Otto Seeber. Gummersbachs Bürgermeister Heinz Billig heißt alle willkommen und erinnert noch einmal an den Jubel in Gummersbach am Tag nach dem großen Sieg über Dukla Prag. Der aus der Gegend von Gummersbach stammende Bundesinnenminister geht in seiner Ansprache auf die große Begeisterung von Dortmund ein und sagt: "Ich bin stolz auf meine Heimat". Der YfL Gummersbach habe dem deutschen Sport einen großen Dienst erwiesen. Zu den Spielern gewandt: "Sie haben die Maßstäbe ftir die weitere Entwicklung des Hallenhandballs gesetzt." Aber der Erfolg verpflichte auch . "Sie sind Vorbilder ftir die sportbegeisterte Jugend unseres Volkes geworden." 174


Drei Tage vor der Feier in Gummersbach empfangt der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn ( 1912-1992), die erfolgreiche Mannschaft in Düsseldorf. Der Empfang in der Staatskanzlei ist zwanglos und schlicht. "Wir haben uns alle sehr gefreut, dass Sie Ihren Erfolg an die Fahne unseres Landes geheftet haben", so Ministerpräsident Kühn auf dem Empfang. Gummersbach sei durch den Europacup-Sieg des VfL in die Weltrangliste der Städte gekommen.

Zeitzeugen

Josef Jakob: Der geborene Vollstrecker Ich weiß nicht, ob sich Hansi noch an unsere erste Begegnung erinnern kann: Es war an einem Sonntagabend 1956 im Gymnasium in der Temesvarer Josefstadt. Ich hatte das Pädagogische Seminar, das auch im Gebäude des Josefstädter Gymnasiums untergebracht war, zwei Jahre zuvor verlassen, bin aber noch ab und an zu meinen ehemaligen Klassenkameraden zu Besuch gekommen. So auch an jenem Abend. Hansi war in der ersten Gymnasialklasse und saß wie viele andere Schüler an jenem Abend in einer Klasse , um zu lernen. Hansi war schon damals im Vergleich zu uns ein Riese. Und eben diesen Riesen wollten meine Freunde an jenem Abend foppen. Sie baten Hansi in einen Nebenraum, um mich als neuen Pädagogen vorzustellen. Als der hinzitierte Hansiden Nebenraum betrat, habe ich ihn angefahren: Kannst du nicht anklopfen, kannst du dich nicht vorstellen?! Der leicht irritierte Hansi hat sich entschuldigt. Die zwar nicht größeren, aber älteren Schüler hatten ihren Spaß. Ich spielte in jener Zeit beim Temesvarer Erstligisten Technometal , dem Klub der Deutschen. Drei Jahre später ist Hansi schon beim Lokalrivalen Stiinta Temesvar, der Studentenmannschaft, wo er gleich wegen seiner Größe und Kraft als Schütze in Erscheinung tritt. 1961 wechselt er zum Studentenklub Stiinta Bukarest. Nach einem kurzen Gastspiel bei Stiinta Bukarest wechselt er 1962 zum Bukarester Armeeklub Steaua. Im Sommer 1962 "leiht" der Armeeklub mich von Technometal aus. Von nun an spiele ich in derselben Mannschaft mit Hansi. In der Meisterschafts-

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endrunde 1962 ist Hansi wegen des irregulären Wechsels von Stiinta Bukarest zu Steaua noch nicht spiel berechtigt. Doch bei der Meisterschaft des Armeesportklubs darf er schon mitmachen . Er ist noch sehr jung, ein Spieler im Kommen. In jenem Jahr hat Steaua-Trainer Johnny Kunst eine junge Mannschaft zusammengestellt. Mit ihr wird er die Vorrangstellung des Bukarester Rivalen, Dinamo, auf dem Kleinfeld brechen. Neben Hansi hat er auch den Rohdiamanten Gheorghe Gruia für Steaua Bukarest verpflichtet. Die Erfolge des Armeeklubs bleiben nicht aus. Schon im Frühjahr 1963 sind wir mit Steaua Meister. Wir verlieren zwar das letzte Spiel I :4 gegen Dinamo Bukarest, doch die Meisterschaft ist uns nicht mehr zu nehmen . In der Hinrunde dieser Meisterschaft setzt Johnny Kunst noch den Veteranen Aurel Bulgaru auf Halblinks ein. Doch schon damals zeichnet sich ab, dass Hansi die Nummer eins auf der Königsposition ist und Bulgarus Platz einnehmen wird. Als im Dezember 1963 die Nachricht durchsickert, dass Hansi in Deutschland geblieben ist, sagt der rumänische Nationaltorwart Michael Red! von Dinamo Bukarest: In Zukunft müssen wir nicht mehr 2 plus 4 gegen Steaua verteidigen, I zu 5 wird reichen . Als Hansi am 23 . November 1963 im Flugzeug Richtung Harnburg sitzt, finden Michael Red! und ich auf unserem Zimmer ein Blatt Papier, worauf steht: "Ich wollte Euch nicht wecken. Hansi." Hansi hat sich aus dem Trainingslager der rumänischen Nationalmannschaft auf leisen Sohlen davongemacht. Die Mannschaft hat beim Bukarester Polizeiklub Dinamo Trainingslager bezogen, um sich auf die Weltmeisterschaft in der Tschechoslowakei vorzubereiten . Hansi geht zusammen mit Gheorghe Gruia und Valentin Samungi zur Verstärkung der Bukarester Studentenmannschaft Stiinta auf Deutschland-Tournee. Nach der Flucht Hansistreffe ich eines Sonntagsabends in der Bukarester FloreascaHalle, wo das Turnier um den Winterpokal ausgetragen wird, den Handballreporter der Sportzeitung, Ca! in Antonescu. Als er mich sieht, sagt er zu mir: "Armer Jacky, jetzt fährst du nicht mehr ins Ausland." Das ist das Schlimmste, was ich nach Hansis Fernbleiben gehört habe. Vorher hat der Handballverband ihm allerdings eines übel genommen. Bei der Studenten-Weltmeisterschaft 1962 in Schweden verliert die rumänische Mannschaft gegen die bundesdeutsche 15:16. Die Niederlage kreidet Trainer Eugen Trofin Hansi an. Er unterstellt ihm, er hätte sich absichtlich gegen die deutsche Mannschaft nicht ins Zeug gelegt. Nach Hansis Flucht trifft beim Klub in Bukaresteine Postkarte seiner Mutter ein. Darauf schreibt sie, sie habe über den Rundfunk erfahren, ein Handballspieler namens Schmidt sei in Deutschland geblieben. Es könne sich doch nicht um ihn handeln. Ich habe die Karte in sein Postfach gelegt, doch nach Wochen vernichtet, weil ich das für die beste Lösung gehalten habe . Doch die Karte hätte ein Beweis daftir sein können, dass Hansis Eltern von den Fluchtplänen nichts gewusst haben .

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Ich durfte 1964 zum ersten Mal ins westliche Ausland reisen, aber auch nur deshalb, weil Johhny Kunst für mich die Hand ins Feuer gelegt hat. Damals habe ich Hansi kurz in der Westfalenhalle wiedergesehen. Doch zu einem Gespräch ist es nicht gekommen. Auch bei der Weltmeisterschaft 1967 in Schweden habe ich ihn nicht getroffen, wir waren zu keinem Zeitpunkt in derselben Stadt. Unser erstes Treffen findet erst 1968 in Köln im Viertelfinal-Europapokalrückspiel VfL gegen Steaua statt, das wir für uns mit 14:13 entscheiden. Das Rückspiel haben wir gegen den ohne Hansi in Bukarest angetretenen VfL 15:9 gewonnen. In jenem Jahr hat Steaua den Europapakai gewonnen mit einem 13:11 im Endspiel gegen Dukla Prag. 1970 ist im EC-Halbfinale die Reihe an Gummersbach. Diesmal ist Hansi schon in Bukarest dabei, der VfL verliert 13:16. Im Rückspiel sind die Gummersbacher überlegen und gewinnen mit 15:8. 1971 triumphiert der VfL im Endspiel gegen Steaua mit 17:16 und holt den Europapokal. In der Nationalmannschaft habe ich Hansi nie als Gegner gegenübergestanden. Hansi Schmidt war der geborene Vollstrecker. Er war seiner Zeit voraus. Ihn haben gekennzeichnet: Talent, eine einmalige Sprungkraft, die ihn zu seinen unnachahmlichen verzögerten Würfen befahigt hat, und eine enorme Kraft aus dem Handgelenk. Er war Weltklasse. Ich bin mir aber sicher, er wäre noch eine Klasse besser geworden, wenn er noch ein paar Jahre in Bukarest gespielt hätte. Denn schon 1965 haben wir beim Armeeklub wenigstens zehnmal in der Woche trainiert. Davon konnten deutsche Klubs, auch der VfL, nur träumen. Doch auch ohne Steaua hat Hansi seinen Weg gemacht. Hansi war einfach ein Handballer der Extraklasse, er war eine Persönlichkeit im Handball. Als die deutsche Presse eine angebliche Rivalität zwischen ihm und Herbert Lübking heraufzubeschwören und anzustacheln versucht hat und Herbert Lübking schließlich für die deutsche Nationalmannschaft gesperrt war, hat selbst Johnny Kunst den Kopf geschüttelt und gesagt: "Wir wären froh, wenn wir solch einen Spieler wie Lübking hätten."

Zur Person: Josef Jakob, am 11. September 1939 in Mercydorf im Banat geboren, erlernt das Handballspiel in seinem Geburtsort und in der Banater Hauptstadt Temesvar. Er ist wie Hansi Schmidt Schüler von Handballlehrer Adam Fischer. Er wird 1964 als weltbester Rechtsaußen mit Rumänien Weltmeister, gewinnt 1967 WM-Bronze und 1968 den Europapakai der Meister durch ein 13:11 gegen Dukla Prag und wird sechsmal mit Steaua Bukarest Landesmeister. In 45 Länderspielen für Rumänien erzielt er 121 Tore. Von 1971 bis 1999 ist er bei einer Reihe von Vereinen in Deutschland als Trainer tätig. Josef Jakob hat sich 45 Jahre lang dem Handball gewidmet, als Spieler und als Trainer.

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Vom Sockel gestoßen Der Hallenhandball wird in der Bundesliga-Saison 1967/68 noch populärer, weil attraktiver. Dazu tragen die beiden Gruppensieger und Endspielgegner entscheidend bei , der VfL Gummersbach und die SG Leutershausen. Diese beiden Klassemannschaften prägen die Hallensaison 1967/68. Sie bleiben in den Gruppenspielen nicht ungeschlagen, aber qualifizieren sich mit deutlichem Vorsprung ft.irs Endspiel. Es sind ohne Zweifel die beiden besten deutschen Mannschaften der Saison. Der VfL Gummersbach gibt daheim keinen Punkt ab, obwohl die Konkurrenz in der Gruppe Nord ernstzunehmende Widersacher sind : Grün-Weiß Dankersen, TuS Wellinghofen, der Hamburger SV, Solingen 98 und TV Hassee-Winterbek Kiel. Zum Auftakt in J(jel fUhrt Hansi den VfL mit sieben Toren zu einem 14: 12-Sieg. Im Spiel gegen den HSV stimmt bei den Gummersbachern alles. Der Europapokalsieger führt nach 14 Minuten 8:1. In diesem Spiel zeigt sich Hansi Schmidt in blendender Form. Alles, was die Hamburger unternehmen, ist zwecklos: Kein Spezialbewacher, keine 4:2-Abwehrformation hilft, Hansi ist nicht zu halten. Er wuchtet mit wahrer Wonne seinem Nationalmannschaftkollegen Hans-Jürgen Bode den Ball ins Netz und gewinnt 25 :12. Beim 23 :8 des VfL über Solingen 98 in Köln erntet Hansi wenig Lob. Es ist ein Spiel nach einem ZDF-Interview, in dem Hansi Bundestrainer Werner Vick scharf kritisiert. In diesem Spiel steht den Solingern Zlatko Zagmestar nicht mehr zur Verft.igung, er ist wegen Unstimmigkeiten nach Jugoslawien zurückgekehrt. Gegen Wellinghofen steigert sich Hansi Schmidt unter den Augen des Bundestrainers in einen wahren Spiel- und Torrausch. Mit seinem wuchtigen Antritt stößt er immer wieder eine Bresche in die gegnerische Abwehr. Er trifft mit der linken und mit der rechten Hand, er verwandelt Freiwürfe wie Siebenmeter. An diesem Tag macht Hansi die Tore, wie er will. Er trägt mit zwölf Treffern zum 25: 15-Erfolg des VfL bei. Im Dezember überrennen die Gummersbacher auch den VfL Bad Schwartau. Endstand 23 :13. Nur Dankersen bringt den VfL in Bedrängnis. Nach vier Minuten führt der VfL mit 2:0. Hansi Schmidt ist an beiden Treffern maßgebend beteiligt. Aber die Westfalen geben nicht auf, spielen konsequent über die Flügel und reißen die Deckung der Gummersbacher auf. Schmidt (3:2) und Bölter (4:3) bringen den VfL zwar noch einmal die Führung, doch dann nimmt das Drama seinen Lauf. Von 3:4 ziehen die Westfalen auf 8:4 davon, ehe Klaus Brand mit einem Solo den Pausenstand herstellt: 5:8. Im zweiten Durchgang erhöht Barlach auf9:5. Bölter verringert, Heuer trifft zum l 0:6. Bölter verwandelt einen Siebenmeter, aber Herbert Lübking schafft mit dem 11:7 wieder den alten Abstand. Doch die Oberherger geben nicht auf. In der letzten Viertelstunde nimmt Horst Dreischang, der Gummersbacher Trainer, Hansi Schmidt und Bölter, die beiden Scharfschützen mit Ladehemmung, auf die Bank und ordnet Manndeckung an.

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In einem dramatischen Endspurt erkämpfen sich die Gummersbacher den Ball, immer wieder. Ihr Spiel läuft, sie wirbeln, und Kriesten, Kosmehl , Becher und wieder Kriesten treffen und gleichen aus. Der VfL Gummersbach stürmt weiter. Feldhoff wuchtet den Ball ins Tor, der wieder ins Spiel gekommene Bölter wirft das 13:11. Es ist der Sieg. Dankersen erzielt den Schlusspunkt zum Endstand von 13: 12. Der wankende Meister hält sich auf den Beinen und bleibt in den BundesligaspieJen in eigener Halle ungeschlagen. Das schaffen außer ihm nur noch die Mannen um Herbert Lübking. Das Jahr 1967 klingt mit den Spannungen zwischen Hansi Schmidt und Bundestrainer Werner Vick aus. Die deutsche Nationalmannschaft bezieht in Bukarest ohne Hansi ihre größte Niederlage gegen Rumänien mit 16:28 (9: 14). Ebenfalls ohne Hansi besiegt die deutsche Mannschaft kurz vor Weihnachten in der Kötner Sporthalle Schweden 13:12 (5:7). Vor Weihnachten auch das klärende Treffen von Bundestrainer Werner Vick mit den Verantwortlichen des VfL. Der Meister zeigt in den Auswärtstreffen seine große Klasse. Ob Kiel , TuS Wellinghofen, Solingen 98, Hamburger SV, er besiegt sie alle. Nur am Ende, als der Einzug ins Finale schon feststeht, scheitern die Blau-Weißen aus Gummersbach in Dankersen mit 13 : 16 und müssen sich in Schwartau beim Absteiger mit einem 20:20 zufrieden geben. Lediglich diese drei Punkte gibt Gummersbach bis zur Endrunde ab. Die Rückrunde beginnt für den VfL im Januar 1968 in Harnburg mit einem 21: 19Sieg. Hansi ist in Superform, schreibt die Deutsche Handballwoche. Nach einem schweren Stück Arbeit verlässt der VfL, begleitet vom Beifall der objektiven Besucher, die Halle als verdienter Sieger. Die Zuschauer haben 60 zum Teil hochklassige Minuten erlebt. "Ein Spieler aber setzte diesem Treffen die Glanzlichter auf: Hansi Schmidt! Der 15fache A-Nationalspieler wurde ftir den VfL einmal mehr zum großen Gewinner", urteilt die Deutsche Handballwoche. Der HSV verzichtet in diesem Spiel auf eine besondere Bewachung. Der 25-jährige Bundesliga-Torschützenkönig wirft zwölfTore. "Abgesehen von zwei Abspielfehlern und einer Unaufmerksamkeit in der Deckung präsentierte sich der Hansi in einer wahren Superform! Es war eine Augenweide, wenn er weit vor der Deckung hochstieg und dann in unnachahmlicher Weise das Leder im Hamburger Tor versenkte. Auch die blitzschnell aus der Hüfte abgefeuerten Würfe stellten Pflugbeil und den nach einer Viertelstunde ins Tor gehenden Nationaltorwart Hans-Jürgen Bode vor nahezu unlösbare Probleme", heißt es weiter im Bericht der Deutschen Handballwoche. Kurz vor diesem Spiel scheitert die deutsche Mannschaft im Viertelfinale der Studenten-Weltmeisterschaft gegen die Tschechoslowakei mit 25:26 (19:19, 18:18, 13:7) nach Verlängerung. In dieser Begegnung treiben die Zuschauer in der Kas-

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seler Halle den Gummersbacher Bomber immer wieder mit Hansi-Hansi-Rufen an. Er und die Mannschaft ernten trotz des Ausscheidens großes Lob. Torschützenkönig in der Saison 1967/68 ist erneut Hansi Schmidt (94 Treffer), vor Lübking (Grün-Weiß Dankersen/67), Neubauer (TSV Birkenau/67) und Plambeck (SG Leutershausen/66). In der Rangliste des VfL Gummersbach folgen aufHansi Schmidt: Hans-Gerd Bölter (mit 52 Treffern), Jochen Feldhoff (36), Jochen Brand (29), Helmut Kosmehl (26), Klaus Kriesten (22), Uwe Braunschweig ( 19), Klaus Brand (11 ), Wolfgang Becher (8), Rolf Jaeger (I) und Bernhard Lenz (I). Ende Januar 1968 kehrt Hansi zurück in die Nationalmannschaft. Die Spannungen zwischen ihm und dem Bundestrainer sind vorübergehend beigelegt. In Odense besiegt die deutsche Mannschaft Vizeweltmeister Dänemark mit 23:20 und Weltmeister Tschechoslowakei mit 16:14. Fazit der Deutschen Handballwoche: Hansi und Lübking bilden, wenn sie ihre eigenen Interessen zurücksetzen, ein gefahrliebes Gespann . Hansi wird zitiert mit den Worten: " So hat es mehr Spaß gemacht, endlich war Bewegung im Spiel." Im Februar gelingt der deutschen Mannschaft die Revanche ft.ir die gegen die Sowjetunion bei der Weltmeisterschaft 1967 erlittene Niederlage. Vor I 0 000 Zuschauern in der Westfalenhalle gewinnt die deutsche Sieben 20:19 . Den Erfolg schreibt die Deutsche Handballwoche der funktionierenden "Hinterachse" Lübking, Schmidt, Munck zu. Das Trio zeichnet in der Begegnung ft.ir zwölfTreffer verantwortlich. Im Februar trifft Titelverteidiger VfL im Buropapokal ausgerechnet aufSteaua Bukarest. Das Hinspiel bestreiten die Gummersbacher in Bukarest ohne die Ostblockflüchtlinge Hansi Schmidt und Helmut Kosmehl , aber auch ohne den verletzten Feldhoff. Nicht dabei ist auch Trainer Dreischang. Das Spiel geht 9:15 (3:7) verloren. Nach der Niederlage in der Durchbruch gelungen: Han si lässt die Steaua-Ab- Floreasca-Halle in Bukarest verwehr stehen und wilji aufs T01; links und verdeckt liert der VfL auch vor 7000 ZuDieter Christenau. schauern in der Köln er Messehallemit 13:14(6:5)Toren.DasWunder bleibt aus, die Zuschauer schreien sich die Kehlen vergebens heiser. Hansi Schmidt gelingen ausgerechnet gegen seine frühere Mannschaft nicht die entscheidenden Tore. Der drahtige Mihail Marinescu deckt Hansi hautnah und konsequent, die Gummersbacher tun viel zu wenig, um ihren Scharfschützen freizusperren. Aber auch Hansi steckt die Verantwortung offenbar wie Blei in den Glie180


Hoch überragt Hansi die Abwehr von Steaua Bukarest. rechts Cornel Otelea 181


dern. Er hat sich schon so manches Mal aus eigener Kraft durch ebenso starke Abwehrreihen "getankt". Zurückblickend sagt Hansi: "Wenn ich gegen Steaua angetreten bin, hatte ich immer das Geftihl, ich spielte ein bisschen gegen mich selbst. Denn die gute Kameradschaft von Bukarest war mir stets in guter Erinnerung." Aber auch Hans-Gerd Bölter ohne Manndeckung hat Ladehemmung. Trainer Dreischang nach dem Spiel: "14 Gegentore sind gegen einen solch starken Gegner durchaus normal, aber unser Sturmspiel wirkte zu verkrampft. Wir haben in keiner Phase zu unserem Spiel gefunden." Acht Nationalspieler vereinigt die rumänische Armeemannschaft in jenen Tagen ihren Reihen, von denen Gheorghe Gruia der bekannteste und der geftirchtetste ist. Seine gewaltigen Sprünge stellen jede Abwehr vor Probleme, seine enorme Wurfkraft lässt alle Torhüter zittern. Der I ,92 Meter große Gruia ist so gefährlich, weil er von seinen Mitspielern entsprechend unterstützt wird. "Gheorghe hat wie ich die Leiden der speziellen Manndeckung zur Genüge erfahren. Es gibt kaum ein Spiel, in dem sich nicht gleich ein Abwehrspezialist an seine Fersen heftet", sagt Hansi Schmidt am Rande der beiden EC-Spiele gegen Steaua. Aber Johnny Kunst hat daftir ein wirkungsvolles Gegenmittel ausgeklügelt, die sogenannte Doppelsperre. Zwei Spieler versuchen gleichzeitig einen dritten freizusperren, Steaua macht das 1968 fächerfürmig hintereinander. So kommt Gruia doch immer zu seinen Toren . Bundesliga-Schützenkönig Hansi Schmidt fragt: "Wann werde ich bei uns mal freigesperrt?" Ein menschliches Schicksal am Rande des Europokalspiels in Bukarest: Gäste des VfL während des dreitägigen Aufenthaltes in der rumänischen Hauptstadt sind Dr. Hans Schrnidt und seine liebenswürdige Gattin Rosa . Es sind Hansi Schmidts Eltern . Auf dem Bahnhof in Bukarest gibt es zwischen Karin Kohlmeier, VfL-Handball-Obmann Eugen In Bukarest: Rosa Schmidt mit Karin KohlHaas und den Eheleuten Schmidt ein meier herzliches Wiedersehen. Zusammen mit der Mannschaft wohnt das Ehepaar im Hotel Ambasador. Beim Spiel hat es in der Sporthalle seinen Ehrenplatz, ebenso beim Bankett. Hansi, der am 26. Januar 1968 Onkel geworden ist, lässt sich durch seine Freundin Karin in Bukarest vertreten. Sie hat einen Kinderwagen mit einer hübschen Garnitur mitgenommen ftir die kleine Nichte Gunthara. Hansis Schwester Helga ist Mutter geworden. 182


Vor dem Spiel in Bukarest bemüht sich Dr. Hans Schmidt um Jochen Feldhaffs kranken Arm, gibt ihm am Vorabend eine Penicillin-Spritze und ist auch dabei, als der Mannschaftsarzt der Bukarester den deutschen Nationalspieler am nächsten Tag untersucht. Dr. Schmidt verschreibt Feldhoff saure Milch, auf dass ihm die Medikamente nicht auf den Darm schlagen. So hilft Hansis Vater, dass Feldhoff am nächsten Tag antreten kann. Auch in der Meisterschaft spielt der VfL 1968 nicht mehr so souverän wie vor einem Jahr. Der Einzug ins Endspiel sieht noch souverän aus, der Auftritt im Finale um die deutsche Meisterschaft nicht mehr. Die Gummersbacher unterliegen der SG Leutershausen in der Böblinger Sporthalle 13:20 (6:9). Für den VfL ist der Traum von Meisterschaft und Buropapokal vorerst einmal ausgeträumt. Er ist in einer sehr harten, hektischen Auseinandersetzung einem zum Letzten entschlossenen Gegner unterlegen. "In Böblingen konnten wir nicht gewinnen", sagt Hansi heute. "Es war ein ganz schlechtes Pflaster, wir haben schlecht gespielt." Die Niederlage kommt nicht überraschend. Sie ist die logische Folge einer Entwicklung, mit der diese Gummersbacher Mannschaft nicht mehr Schritt halten kann. Daftir ist ihr Spielerreservoir zu begrenzt. Zwei Jahre zuvor sind die Leutershauser noch in der Essener Gruga-Halle gescheitert. Sie haben daraus gelernt: Leutershausens Spieler trainieren, quälen sich ab sofort. Dreimal in der Woche wird trainiert, schon seit Januar. Noch am Wochenende vor dem Finale bestreiten sie drei Spiele über die volle Distanz, zwei am Samstag und eins am Sonntag. Gegen diese gewaltigen Anstrengungen des Gegners wirken die Vorbereitungen des Meisters geradezu bescheiden. Erst in der Woche vor dem Endspiel hat Horst Dreischang seine Mannschaft einmal komplett zusammen, zum ersten Mal im ganzen Jahr. In dieser Saison stehen Prüfungen und Lehrgänge bei vielen Spielern im Vordergrund. Auch das trägt zum schlechten Abschneiden bei. Doch es gibt auch andere Argumente ftir die Niederlage : Torwart Bernd Podak leidet unter einer Angina, und Jochen Feldhoff laboriert an seinem lädierten Knie. Hans-Gerd Bölter fehlt wegen eines komplizierten Bruchs des linken Handgelenks. Vor dem Finale ist die Stimmung tüchtig angeheizt. Sie steigert sich zum Inferno, als die "Roten Teufel" der SG Leutershausen mächtig loslegen. Genau wie vor zwei Jahren in Essen heißt es bald 3:0. Als dann Hansi Schmidt nach einem Zusammenprall mit Torwart Pohl ftir zwei Minuten auf die Strafbank muss, sieht es böse aus ftir den Titelverteidiger. Jochen Brand verkürzt auf 1:3 und 2:4. Die Süddeutschen ersticken mit ungewöhnlicher Härte und Konsequenz das langsame Kombinationsspiel des VfL schon im Ansatz. Sie nehmen Hansi Schmidt nicht einmal in Manndeckung. Sobald Hansi aber den Ball bekommt, wird er gestört und geklammert. Diese Roten lassen Hansi gar nicht abspringen oder wer183


fen. Hans-Gerd Bölter fehlt dem VfL. Seine Anwesenheit allein hätte diese massive "Anti-Schmidt- Taktik" ausgeschlossen. So aber brauchen sich die Leutershausener nur auf Hansi zu konzentrieren, denn sonst droht ihnen aus der zweiten Reihe kaum Gefahr. Auch Hansi zeigt Nerven. Erst in der zehnten Minute trifft er zum ersten Mal. Wenig später vergibt er einen Siebenmeter. Auch am Kreis erzielen die Blau-Weißen nicht die erhoffte Wirkung. Wehmütig erinnern sich die 1000 enttäuschten Gummersbacher Schlachtenbummler an Burkhardt Müller. Mit einem Drei-Tore-Vorsprung geht Leutershausen in die Pause, führt danach 10:6. Dann beginnt der Vorsprung der Süddeutschen zu schmelzen. 10:7 und 10:8 durch Hansi Schmidt, 10:9 durch Kosmehl. Das Spiel droht zu kippen. In dieser Phase fehlt dem VfL das nötige Glück. Klaus Kriesten schmettert den Ball zum 10:10 ins Netz, aber der Schiedsrichter sieht den Schützen im Kreis. Noch einmal kommen die Gummersbacher durch Jochen Brand auf 10:11 heran, aber es fehlt ihnen die Kraft, die Wende zu erzwingen. Jetzt fehlen auch die Tore, die sie in der ersten Hälfte leichtfertig vergeben haben, vor allem zwei Siebenmeter durch Hansi Schmidt und Helmut Kosmehl. In der Schlussphase schickt Trainer Dreischang Hansi nicht mehr aufs Parkett. 15 Versuche braucht er in diesem Spiel für sechs Treffer. Doch auch die anderen Spieler bleiben dieses Mal blass. Hansis Körper ist nach diesem harten Spiel voller roter und blauer Flecken. Die Deutsche Handballwoche zitiert ihn so: "Handball ist ein Männersport, und ich habe nichts gegen einen harten Körperangriff. Dass dabei aber auch, wie fast immer bei Schmacke, Fäuste und Ellenbogen mitwirken müssen, das finde ich gar nicht schön." Aber Hansi meint, die Niederlage sei kein Grund zur Traurigkeit: "Unser Gegner war in der Deckung kompromissloser." Deshalb hat er auch verdient gewonnen. Schlagende, kratzende, stoßende Männer beim Hallenhandball-Endspiel SG Leutershausen gegen VfL Gummersbach. Spitze Ellenbogen in zusammenzukkenden Magengruben, steife Finger in schmerzverzerrten Gesichtern hat der Reporter der Bild-Zeitung gesehen. "In dieser Dreiviertelstunde wurde mehr geknüppelt als bei der letzten Berliner Studenten-Demonstration", zitiert die BildZeitung einen Zuschauer. "Leutershausen hat sich mit hartem Zugriff an den Grenzen des Zulässigen versucht zu halten, weil ein körperlich starker Gegner, der ja auch nicht in der Wahl der Angriffsmittel zimperlich ist, diesen Zugriff diktiert. Wer hier zurücksteckt, gibt sich selbst auf', so die Meinung von Hanns Apfel in der Deutschen Handballwoche. Beim 13:20 (6:9) des VfL Gummersbach sind dabei: Podak; Klaus Brand, Wolfgang Becher, Lindeskoog, Jochen Feldhoff (I), Uwe Braunschweig, Jochen Brand (3), Klaus Kriesten (1), Hansi Schmidt (6) und Helmut Kosmehl (2). 184


Trotz der Niederlage im Finale ist der VfL der große Magnet der Saison. Hansi und der Europapokalsieger und zweifache deutsche Meister faszinieren und mobilisieren die Handballliebhaber. 17 500 Zuschauer sehen die Gummersbacher in ihren Auswärtsspielen. 2500 Besucher im Durchschnitt, das übertrifft alle Ergebnisse der Konkurrenz. So populär ist Leutershausen im Süden nicht. 12 050 Zuschauer verfolgen ihre Auswärtsspiele. Vor ihnen liegt mit 400 Zuschauern mehr Altmeister Frisch Auf Göppingen bei seinen Treffen in fremden Hallen. Auf dem Großfeld gerät der VfL Gummersbach im Sommer 1968 in harte Bedrängnis. Der VfL startet mit Niederlagen gegen den HSV (8: 14) und Wellinghofen ( 15: 18) in die Saison, die Mannschaft gerät in Abstiegsgefahr. Sie rettet sich am letzten Spieltag gegen Solingen durch ein 6:5. In der Hallensaison 1968/1969 marschiert der VfL wieder. Am dritten Spieltag besiegen die Gummersbacher den THW Kiel in der Nordstaffe117: 13 (9:5). Hansi Schmidt läuft zu gewohnter Form auf und wirft zehn Tore. Manfred Tode, Diplom-Ingenieur und Handballfan aus Kiel, hat kaum ein Spiel in der Kieler Ostseehalle in den 60er und 70er Jahren ausgelassen. Wenn Hansi Schmidt, ftir ihn einer der erfolgreichsten deutschen Sportler überhaupt, aufgelaufen ist, schon gar nicht. "Mich haben in erster Linie seine Art zu steigen und sein harter Wurf begeistert. Geärgert hat mich allerdings, dass die Zuschauer, die ihm zugejubelt haben, wenn er ftir Deutschland gespielt hat, ihn gnadenlos ausgepfiffen haben, wenn er bei uns im VfL-Dress aufgelaufen ist und Gegner des THW war. Ich habe stets dagegen gehalten und deshalb beinahe Prügel bezogen. Für mich war Hansi als Spielmacher stets überzeugend. Er hatte die totale Spielübersicht Sein blickloses Abspiel war bewundernswert. Für mich ist er der Größte, den es je gegeben hat. In einem Spiel hat Hansi die Latte getroffen, der abgeprallte Ball ist gegen die Decke der Ostseehalle geknallt."

Neuer Bundesligarekord: 16 Tore Am darauffolgenden Spieltag deklassiert der VfL den TuS Wellinghofen mit 25:11 ( 10:6). Hansi Schmidt erzielt 16 Treffer, vier mit der Linken, und stellt einen neuen Bundeliga-Rekord auf. "Dass es ein solcher Triumph wurde, verdanken die Oberberger vor allem Hansi Schmidt. Eine hervorragende Form deutete er bereits in den ersten Spielen an, an diesem Abend aber gelang ihm einfach alles, spielte er geradezu das Spiel seines Lebens", so die Deutsche Handballwoche. Obwohl Peter Hattig mit Kraft und Härte antritt, Hansi ist nicht zu bremsen. Hansi kann auf seine Mannschaftskameraden bauen, sie unterstützen ihn, und er marschiert, nutzt jede sich bietende Chance. Er setzt sein ganzes Repertoire ein: Sprungwurf, er wirft auch mit Links und aus dem Handgelenk. Der VfL ist wieder da nach den 185


verlorenen Endspielen in der vergangeneo Saison. Er ist wieder absolute Spitzenklasse. In der Saison 1981/82 bricht der polnische Nationalspieler Jerzy Klempel den noch in der zweiteiligen Bundesliga aufgestellten Rekord Hansis: Er erzielt 19 Treffer bei der 27:28-Niederlage seines Klubs Frisch Auf Göppingen gegen TuS in Hof:Weier. Klempel wird in zwei weiteren Duellen von FrischAufGöppingen gegen TuS Hofweier je 16 Tore werfen : in der Saison 1982/ 1983 und in der Spielzeit 1986/ 1987 beim 30:36. Am 5. April 2005 schrammt Daniel Stephan beim 30:29-Sieg des TBV Lemgo in Wetzlar gegen die HSG D/M dicht am Torrekord in der Handball-Bundesliga vorbei. Der Welthandballer von 1998 erzielt 17 Tore, verwandelt alle elf Siebenmeter. Doch zurück zur Meisterschaft 1968/ 1969, in der sich der VfL auch gegen den Rivalen Grün-Weiß Dankersen durchsetzt: 17:13 (9:4) heißt es am Ende eines Spiels, das der VfL durch einen Blitzstart ftir sich entscheiden kann. Im November bestreitet die deutsche Nationalmannschaft vier Spiele. Sie besiegt Island in Reykjavik 22:21 und 24:19 . In Harnburg schlägt sie Schweden mit 27:22 (11 :7). In keinem der drei Spiele ist Hansi dabei. Und in Basel kommt sie zu einem 10:5 gegen die Schweiz. Ein weiteres Spiel gegen die Eidgenossen gewinnt die deutsche Mannschaft in Freiburg 20: 10. Zum Jahreswechsel dann zwei Siege über Rumänien : 22:17 (10:12) in Bremen und 24:18 (13 :8) in Kiel. Hansi spielt zum ersten Mal in einem Länderspiel gegen Rumänien. Er hat ein ganz besonderes Geftihl , als er zuerst die rumänische Hymne und dann das Deutschlandlied in Bremen hört und gleich danach gegen sie spielen muss. Bundestrainer Werner Vick stellt die deutsche Mannschaft hervorragend auf den Weltklasse-Gegner ein, der allerdings ohne den aus disziplinarischen Gründen zu Hause gelassenen Scharfschützen Gheorghe Gruia antritt. Er ist mit Verspätung im Trainingslager der Nationalmannschaft eingetroffen. Die anfangs reservierten 5500 Zuschauer in der voll besetzten Bremer Stadthalle steigern sich in eine Begeisterung hinein, al s die deutsche Mannschaft aus einem deprimierenden 9:12-Rückstand (27. Minute) eine vorentscheidende 15:12-Führung (44. Minute) macht. Die wurfsicheren Rumänen verlieren den Faden, werden überhastet in ihren Angriffen und treffen auf einen Hans-Jürgen Bode im Tor, der sich selbst übertrifft und erst in der 45. Minute das erste Gegentor nach der Pause zulässt. Vergessen sind im Begeisterungstaumel der zweiten 30 Minuten die Schwächen der ersten Hälfte, in der 27 Angriffe nur I 0 Tore eingebracht haben. Jetzt beantworten sie Härte mit Härte, und die siegessicheren Rumänen kommen aus dem Gleichgewicht. Hansi Schmidt ist mit vier Toren und drei Pfostenwürfen dabei, "mehr durften die Besucher von dem hautnah bewachten Gummersbacher, dessen großer Einsatz uns imponiert hat, nicht erwarten", heißt es in der Deutschen Handballwoche.

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Die rumänische Mannschaft ist im Umbruch begriffen. Nationaltrainer Nicolae Nedef verzichtet auf die Altstars Jakob, Costache II, Moser und Otelea. Bremen hat ein großes Länderspiel zweier Weltklassemannschaften gesehen, eine großartige Werbung fur den Handball. Das zweite Spiel am 15. Dezember in Kiel wird zu einer deutschen Sternstunde. Die deutsche Mannschaft kommt im 15. Länderspiel in diesem Jahr zum 15. Sieg. Die Rumänen lassen fur dieses Spiel Josef Jakob und Cornel Otelea einfliegen, verlieren aber trotzdem. In der 45 . Minute fuhren die Deutschen in der Ostseehalle vor 7000 Zuschauern 21: 12. Der deutschen Mannschaft gelingt in diesem Spiel fast alles. Die Rumänen sind ohne Gruia geschwächt. Hansi Schmidt erzielt in diesem Spiel einen Treffer. Am Ende des Jahres 1968 ist Hallenhandball die Sportart Nummer 2 in Deutschland nach dem Fußball, und der VtL Gummersbach die zweite Mannschaft nach dem FC Bayern München, das ergibt auch die Mannschaftswahl des Jahres. Der Handball hat mit dem Bau neuer Hallen einen ungeahnten Siegeszug angetreten. Ein Wermutstropfen: Die Internationale Handball-Föderation beschließt nach dem Einmarsch der Ostblockstaaten in die Tschechoslowakei im August 1968, den Europapakai auszusetzen. Die deutsche Nationalmannschaft startet in Frankfurt am Main mit einem 14:13 (6:8)-Sieg über Weltmeister Tschechoslowakei vor 10 000 Zuschauern ins Jahr 1969. Es ist der 16. Sieg in Folge seit der 16:21-Niederlage in Prag im Dezember 1967. Hansi Schmidt ist mit zwei Treffern am Erfolg beteiligt. In der Rückrunde der Hallenhandball-Bundesliga siegt der VtL weiter: Er kommt zu einem 14: 11 bei TuS Wellinghoven. In diesem Spiel bringt Trainer Dreischang den jungen Klaus Westebbe. Nach vier Jahren wieder ein Länderspiel in Berlin. Im ausverkauften Sportpalast vor 6200 Zuschauern liefern sich Deutschland und Vizeweltmeister Dänemark eine spannende Partie, die in den letzten drei Minuten entschieden wird. Deutschland gewinnt 25:22 (II: I 0). Die deutsche Mannschaft geht mit 8:3 in Führung (14. Minute), aber mit fortschreitender Spielzeit macht sich das Fehlen von Bernd Munck und der beiden Spitzentorsteher Bode und Pohl bemerkbar. Dänemark gleicht in der 31. Minute aus (11 : 11) und fUhrt in der 35. Minute mit 13: 12, später sogar mit 15:12. Doch dann kommt ein entfesselter Hansi Schmidt aufs Parkett. Bis zur 45. Minute braucht er 13 Würfe fur zwei Tore, nun trifft er sicher. Jeder Wurf wird ein Treffer. Achtmal hintereinander. Die Schlussphase gestaltet sich zu einem echten Schmidt-Festival. Ohne Hansis Wurfkraft hätte es diesmal schlecht ausgesehen. Eine großartige Leistung des langen Gummersbachers. Der frischgebackene Vater Hansi Schmidt erzielt das 15:15, 16:16, 17:16, 18:17, 19:19,20:20 und nach 187


dem letzten Gleichstand von 22:22 (57. Minute) die ausschlaggebenden Tore zum 23:22 und 24:22. Zehn Tore gehen auf Hansis Konto, neun auf den zusätzlich durch glänzendes Anspiel imponierenden Herbert Lübking. Dass die deutsche Mannschaft mit einem blauen Auge davongekommen ist, hat sie dem großartigen Gespann Lübking/Schmidt zu verdanken, das allein 19 der 25 Tore erzielt. Die Deutsche Handballwoche: "Selten war Hansi Schmidt so gelöst wie in Berlin. Vielleicht hatte ihn die Geburt des Stammhalters Hans-Günther zu dieser prächtigen Leistung animiert, 56 cm groß und 3800 g schwer - Schmidt juniorist schon wenige Stunden nach seiner Geburt ein wahrer Mini-Bomber." Anfang Februar 1969 tagt der Erweiterte Vorstand des Deutschen Handball-Bundes. Er stellt fest, dass die Feldhandball-Weltmeisterschaft nicht stattfinden kann. Eine Reduzierung der Mannschaften in der Feldhandball-Bundesliga ist geplant. Was übrig bleibt, ist eine deutsche Meisterschaft und ab und an ein Länderspiel. Das nächste Hallenländerspiel gegen Frankreich geht ohne Hansi Schmidt in Saarlouis über die Bühne und endet 23:11 ( 10:5). Am 21 . Februar trennen sich Deutschland und Jugoslawien in Böblingen 17:17. Hansi Schmidt ist nicht dabei . Zwei Tage später besiegt die DHB-Auswahl mit Hansi Schmidt Jugoslawien mit 20: 17 in Ludwigshafen. Hansi ist in der ersten Halbzeit das belebende Element im deutschen Spiel. Es ist sein 24. Einsatz ftir Deutschland, er erzielt vier Treffer. Seit 20 Spielen ist Deutschland in Serie ungeschlagen. Ausgerechnet bei einer der Generalproben ftir die Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich unterliegt sie in Caen der Tschechoslowakei mit 14:17 (9:9). In dieser Partie fehlt Hansi Schmidt wieder. Die weiteren Ergebnisse der deutschen Mannschaft in Frankreich: 40: 19 über Spanien, 16:20 gegen Rumänien und 33:13 gegen Frankreich. Gegen Spanien wirft Hansi sechs Tore. Das nächste Länderturnier in Jugoslawien wird ohne Hansi stattfinden. Er traut sich noch immer nicht in den Ostblock wegen seiner Flucht und des gegen ihn ausgesprochenen Urteils. Im Finale um die 20. deutsche Hallenmeisterschaft stehen sich 1969 wie im Vorjahr der VfL und Leutershausen gegenüber. Die beiden Mannschaften sind zum dritten Mal Finalgegner. Auf dem Weg ins Endspiel bezieht der VfL eine einzige Niederlage: 12:14 in Harnburg gegen den HSV in der neuen Sporthalle inAisterdorf. Lediglich diese beiden Punkte verliert der V fL in der Saison 1968/69 auf dem Weg ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Torschützenkönig der Bundesligasaison 1968/69 wird Hansi Schmidt mit 107 Treffern vor Herbert Lübking mit 92. Mit einer eindrucksvollen Leistung nimmt Gummersbach im Finale gegen Leutershausen Revanche für die herbe 13:20-Endspielniederlage von Böblingen im Vorjahr und wird zum dritten Mal deutscher Meister. 12 700 Zuschauer feiern in der Westfalenhalle einen VfL Gummersbach, der mit einem 21:13 (9:5) über die SG Leutershausen triumphiert. Es ist ein Sieg der Kameradschaft, ein Erfolg 188


der Intelligenz, heißt es in der Kölnischen Rundschau. "Schnell, klug, konsequent, das war Gummersbach."

Der beste VJL DerVtL präsentiert in diesem Endspiel eine gut aufgelegte Mannschaft. Sie spielt konzentriert und ist auf den Tag genau in Bestform. Der Titelverteidiger hat nicht die Schlagkraft des Vorjahres, und die VtL-Trümpfe stechen alle. Das Finale von Dortmund ist fair. Der VtL Gummersbach ist an diesem 22. März Weltklasse. Die großartig eingestellte Mannschaft weist keinen Schwachpunkt auf. Beide Teams verzichten auf Manndeckung ftir die Weitschützen. Das entscheidende Übergewicht bringen Gummersbachs Kreisläufer, allen voran ein geradezu sensationeller Jochen Feldhoff, der allein vier Treffer erzielt. Der VtL spielt gelöst und strekkenweise wie entfesselt. Er trumpft regelrecht auf. Gummersbach ist verdient deutscher Meister. 6000 Schlachtenbummler aus Gummersbach sind aus dem Häuschen. 2000 aus Leutershausen anerkennen die Überlegenheit des VtL. Nach dem letzten Gleichstand (3:3) in der 12. Minute lassen Jochen Feldhoffund Hansi Schmidt den VtL von 7:5 auf9:5 davoneilen. Hansis verwandelter Siebenmeter in der 36. Minute zum I 0:6 lässt die Hoffnungen der Badener auf ein Minimum zusammenschrumpfen . 10:6, 12:6, 15:8, 16:9, 18:10, 19:12 und 19:13 sind die Stationen zum dritten Meistertitel des VtL. Gummersbach hat in diesem 20. Finale um die deutsche Hallenmeisterschaft in der zweiten Reihe die Oberhand. Bölter und Schmidt sind Schmacke und Plambeck weit überlegen. Die Gummersbacher Deckung hat mit Torwart Bernd Podak einen Rückhalt in Superform. Dortmund sieht 1969 ein großes Endspiel und den besten VtL, den es bis dahin gegeben hat. "In diesem Endspiel war Hansi doch der Größte. Dabei zehrten drei Pfostenschüsse in der ersten Viertelstunde an den Nerven des Hünen im blauweißen Trikot. Dennoch spielte er unbeirrt weiter, konzentriert und mannschaftsdienlich. Der Gummersbacher ließ sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als er ftir zwei Minuten auf der Strafbank hocken musste, nachdem ihn die Leutershausener in Manndeckung genommen hatten", schreibt Hans Werheid in dem Band "VtL. Der Weg zur internationalen Spitze". Nach dem Spiel meint Hansi: "Wir hatten die richtige Einstellung." Besonders stolz ist er auf sein Tor Sekunden vor dem Pausenpfiff. Nicht, weil er es erzielt hat, sondern weil es ftir ihn das wichtigste Tor im ganzen Spiel ist. Sechs Treffer machen seinem Ruf als Bundesligaschützenkönig alle Ehre. Er gehört inzwischen zur absoluten Weltklasse. Diese Mannschaft hat Gummersbach zum 21 : 13 (9 :5)-Sieg verholfen: Podak (Kater): Klaus Brand, Schmidt (6, davon 2 Siebenmeter), Jochen Brand (2), Feldhoff 189


(4), Bölter (4), Kosmehl (2), Becher, Keller (1), Westebbe (2). Bundesliga-Torschützenkönig wird 1969 Hansi Schmidt mit 107 Treffern vor Lübking (GrünWeiß Dankersen/92), Müller (Frisch Auf Göppingen/73), Schmacke (SG Leutershausen/70) und JosefHutter (TV Hochdorf/69). Die Torschützen des YfL Gummersbach in der Saison 1968/1969: Hansi Schmidt 107, Jochen Fe1dhoff45, Hans-Gerd Bölter 38, Jochen Brand 23, Helmut Kosmehl 21, Helmut Keller 12, Wolfgang Becher 11, Klaus Westebbe 10, Klaus Brand 6, Hans-Peter Müller 2, Eberhard Kienbaum 1. Im Frühjahr 1969 ist der Meistertitel in Gummersbach schon zu etwas Selbstverständlichem geworden. Die Zeiten sind vorbei, als fast die ganze Stadt auf den Beinen war, um die Meister und Europapokalsieger zu feiern. Für diese geringe Beteiligung gibt es verschiedene Gründe: Ein deutscher Meistertitel ist offenbar in Gummersbach nichts Ungewöhnliches mehr. Kälte und Schnee tragen ein Übriges dazu bei. Die Regie lässt Wünsche offen: Zu Besuch in Marienfeld Keine Musikkapelle ist verpflichtet, kein sonstiges Programm vorgesehen. Der vorangegangene Empfang der Meisterhandballer durch die Bevölkerung in den Straßen der Stadt ist nicht das Volksfest wie vor zwei Jahren, als der VfL als Europacup-Sieger heimgekehrt ist. Nur rund 1500 Menschen säumen die Straßen. 1967 waren es 25 000. Die Mannschaft fährt am nächsten Tag im geschlossenen Bus durch die Stadt zum Empfang ins V tL-Heim Wiedenhof. Dort sagt der Präsident des Deutschen Handball-Bundes, Otto Seeber: "Was ich gestern erlebt habe, ließ mein altes Handballerherz aufgehen. Solches Tempospiel, solche Kreisläufer, ein solcher Torwart." Bei der Feier in Gummersbach schneidet Seeher auch ein heikles Thema an. Er meint, der deutsche Handball müsse auf zwei Hochzeiten tanzen. Mit der einen Hochzeit meint der Präsident den Feld- und mit der anderen den Hallenhandball. Damit werde von den Spielern nichts Unmögliches verlangt. "Wir müssen im

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Hallenhandball versuchen, mit dem deutschen Meister und der Nationalmannschaft das zu zeigen, was von uns verlangt wird." Der Deutsche Handball-Bund wird in Zukunft mehr Gewicht auf den Hallenhandball legen. Denn in der Halle hat der deutsche Handball durch großartige Erfolge des VtL Gummersbach im Europapakai und durch die Erfolge der Nationalmannschaft gewaltig an Bedeutung gewonnen. Zu der bevorstehenden Amerikareise des VtL Gummersbach meint Otto Seeber auf dem Bankett im Wiedenhof "Man kann keinen besseren Repräsentanten ins Ausland schicken." Der von der Stadt Gummersbach, vom Oberbergischen Kreis und vom Hauptvorstand des VfL veranstaltete Empfang des deutschen Hallenmeisters 1969 ist schlicht und findet im kleinen Kreis geladener Gäste statt. Der Auftrieb im deutschen Handball ist 1969 unverkennbar. Das Paradepferd, die Nationalmannschaft, sorgt für Aufmerksamkeit und einen großartigen Siegeszug des Handballs. Ausverkaufte Hallen bezeugen das sprunghaft angestiegene Interesse an der Sportart. Aus der 1966 geborenen Bundesliga ist ein Jüngling geworden. VtL-Trainer Horst Dreischang sagt, was noch zum Erwachsenwerden fehlt: Es hapert an der sportlichen Einstellung, dabei ist kein Weg zur Besserung in Sicht. Schwierigkeiten tauchen in erster Linie wegen des Terminplans auf. Dreischang, geprägt vom im Ostblock praktizierten Handball, versucht den Meisterschaftsrhythmus im Westen zu akzeptieren.

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Zeitzeugen

Klaus Kater:

Unbedingter Durchsetzungswille Hansi hätte ftir mich und manchen Kollegen das letzte Hemd hergegeben. Er war als Mannschaftsmensch stets sehr zuverlässig, es fehlten ihm lediglich die ftinf bis zehn Minuten zur Pünktlichkeit. Wenn alle schon fertig waren, stand er noch unter der Dusche oder vor dem Spiegel. Dennoch : Wenn es aufs Wesentliche ankam, war auf ihn immer Verlass. Hin und wieder war er extrovertiert, doch bei einem Spitzenspieler ist das nichts Ungewöhnliches. Ich habe das akzeptiert. Hansi war unglaublich gesellig. Seine Entscheidung, das Vater-Sohn-Verhältnis mit Eugen Haas nicht zu stören und in Gummersbach zu bleiben, war absolut richtig. Hansi hätte vielleicht anderwärts eine schnelle Mark machen können, doch seine Integrität, seine persönlichen Bindungen haben keinen Wechsel zugelassen. Er hat in Gummersbach Wurzeln geschlagen, später eine Familie gegründet und war mit dem VfL eng verbunden. Hansi habe ich schon vor meiner Zeit beim VfL als Spieler erlebt. Auch ich saß 1966 als 17-Jähriger in dem Sonderzug, der von Gummersbach zum Finale nach Essen fuhr. Ich habe miterlebt, wie Hansi und der VfL den ersten Meistertitel in der Gruga-Halle errungen haben. Es war der erste Höhepunkt im Hallenhandball, den ich als Zuschauer miterleben durfte. Ich war begeistert von Hansi , aber auch von Bernd Podak im Tor. Wir waren alle damals sehr idealistisch. Ich erinnere mich noch an den großartigen Empfang auf dem alten Marktplatz, wo heute das Einkaufszentrum steht. Mitte 1966 bin ich von Kotthausen zum VfL gewechselt und habe anfangs das VfL-Tor auf dem Großfeld gehütet. In der Halle habe ich die zweite VfL-Mannschaft in der Regionalliga unterstützt. Mit dem Wechsel habe ich Hansi allmählich besser kennen gelernt. Hinter den breiten Schultern Hansis, Rolf Jaegers, Klaus Albertsund der Brand-Brüder habe ich als Unerfahrener meine ersten Schritte in Gummersbach getan. Nach etwa zwei Jahren kam ich als zweiter Torwart in der Bundesliga-Mannschaft des VfL richtig zum Einsatz. Mit seiner athletischen Aus192


stattung, seiner Kraft und der Dynamik, die von ihm ausging, war er nicht zu stoppen. Am Anfang konnte ich, wenn wir im Trainingsspiel Gegner waren, Hansis Wucht und Dynamik nicht viel entgegensetzen. Er war von den Anlagen her in dieser Mannschaft ein herausragender Spieler. Insgesamt hatten wir stets starke Charaktere in der Mannschaft, die auf dem Feld eine geschlossene Truppe darstellten. Dazu gehörten Klaus Kriesten, Hans-Gerd Bölter, Jochen Feldhoff, Klaus Schlagheck, Joachim Deckarm, Erhard Wunderlich, Uwe Braunschweig, Klaus Westebbe und Helmut Keller. Die Mischung hat stets gestimmt. Die Mannschaft ist geschlossen aufgetreten, eine solche Geschlossenheit musste man regelrecht suchen, sie war Teil unseres Erfolges. Ich habe sie sonst nie wieder erlebt. Es war nicht immer alles harmonisch beim YfL, darum ist es auch zu den Trainerwechseln gekommen. Als Dr. Horst Dreischang aufgehört hat, driftete das Mannschaftsgefüge auseinander. Der so erfolgreiche Trainer hatte nicht mehr die starke Hand, um die Mannschaft mit ihren unterschiedlichen Charakteren zusammenhalten zu können. Beim VfL brodelte es wie in einem Vulkan. Es war schon einiges aus den Fugen geraten, Spieler sind Richtung Derschlag abgewandert. Djordje Vucinic war der richtige Mann, der das schlingernde SchiffVfL wieder auf Kurs gebracht hat. Aber auch die Mannschaft hat sich anschließend am Schopf gepackt, hat sich auf ihre Stärken besonnen und sich wieder zusammengerauft. Die zum Teil neu formierte Mannschaft um Hansi hat ihren Beitrag dazu geleistet, sowohl auf dem Parkett als auch außerhalb des Spielfeldes. Die Spieler haben angepackt und gezeigt, wie es weiter gehen muss. In den ersten Jahren hatte ich als Torwart eine gute Portion Respekt, auch ein bisschen Angst, wenn Hansi zu seinen knallharten Würfen angesetzt hat. Aber mit der Erfahrung, mit dem Mitspiel der Deckung ist es mir gelungen, die Angst abzulegen, richtig zu reagieren und zu agieren. Nach zwei bis drei Jahren hatte ich Fuß gefasst. Die ersten Erfolge mit der Mannschaft haben mir Sicherheit vermittelt. Es hat nur wenige gegeben, die den Ball so kraftvoll aufs Tor geworfen haben wie Hansi. Dazu gehören der Rumäne Gruia, der Russe Maksimow und der Pole Klempel. Wenn Hansi in bestimmten Situationen mit seiner Verbissenheit, seinem unglaublichen Durchsetzungswillen zu Werke ging, war kein Kraut gegen ihn gewachsen. Selbst Spieler, die sich wie eine Klette an ihn hängten, hatten gegen seinen unbedingten Durchsetzungswillen keine Chance. Sie konnte ihn in seinem Drang zum Tor nicht stoppen. Wie die Nationalmannschaft ftir die Olympischen Spiele 1972 in München aufgestellt wurde, das gehört zum Schlimmsten und Erbärmlichsten überhaupt. Die Mannschaft ist damals unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Presse nominiert und manipuliert worden. Diesem Druck hat eine indisponierte DHB-Leitung, einschließlich Trainer, nachgegeben. Mit einer leistungsorientiert zusammengesetzten Mannschaft hätten wird damals viel mehr erreichen können. Neben 193


dem VfL Gummersbach hat es noch andere gut eingespielte, erfolgreiche Mannschaften gegeben. Solch eine Spitzenmannschaft, ergänzt mit Weltklasseleuten aus anderen Vereinen, das wäre die richtige Mischung ftir die Spiele gewesen. Bei der Weltmeisterschaft 1970 war gegen die DDR die erfahrenste bundesdeutsche Mannschaft aufgestellt. Das Spiel hatten wir eigentlich sicher in der Hand, die letzten 6 bis 8 Minuten führten wir. Ausschlaggebend war jedoch, dass die Mannschaft den Gegner abschießen wollte, also undiszipliniert agierte. Spieltaktisch falsche Auswechslungen kamen hinzu. Zum anderen wurde Torwart HansJürgen Bode regelrecht abgeschossen; Uwe Rathjen hätte dem DDR-Sturm sicher mehr entgegenzusetzen gehabt, wurde aber nicht eingewechselt. Hansi war einer der überragenden Akteure. Bei der Weltmeisterschaft 1974 in der DDR fehlte die Geschlossenheit, die Bereitschaft, alles in den Dienst der Mannschaft zu stellen, der unbedingte Wille zum Sieg. Oie Mannschaft war, im Sinne von Hierarchie/Hackordnung, in mehrere "Lager" gespalten. Die Spielweise, die Ergebnisse und letztlich die Platzierung widerspiegeln den Zustand. Das mögliche Potential , mit und durch Hansi zum Erfolg zu kommen , wurde ignoriert. Meines Erachtens die Folge einer leider rein didaktischen, demokratischen Mannschaftsftihrung. Mit straffer Führung, gegebenenfalls unpopulären Entscheidungen und Maßnahmen, wäre die Bereitschaft und die Einstellung möglicherweise umgekehrt worden. Insgesamt bedauerlich, dass immer wieder Interessen-Konflikte äußerer Natur sowie mannschaftsinterne Querelen, einschließlich schwacher Mannschaftsführungen die sportlich durchaus möglichen Erfolge verhindert haben.

Zur Person: Klaus Kater, geboren am 16. Juni 1948 in Marienheide im Oberbergischen Land, macht seine ersten Schritte auf dem Handballfeld in Kotthausen. Er hat 76 Bundesliga-, 53 EC- und 71 Länderspiele bestritten. Für den VfL spielt er von 1966 bis 1976. Erfolge mit dem VfL Gummersbach: deutscher Meister 1967, 1973, 1974, 1975 und 1976, Europapokalsieger der Meister 1967, 1970, 1971 und 1974. 1977 wechselt er zu Bayer Leverkusen. Mit dem Regionalligisten steigt er mehrmals in die zweite und erste Bundesliga auf. Der gelernte Werkzeugmacher ist Vater zwei er Kinder. Seit 1978 arbeitet er ft..ir das zum Bayer-Werk in Leverkusen gehörende Medienunternehmen Dynevo GmbH.

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Zurück in Marienfeld Als Belohnung organisiert VtL-Handball-Abteilungsleiter Eugen Haas eine Amerikareise. Nach der Heimkehr aus den USA und Kanada holt der Alltag die Handballer des VtL und der deutschen Nationalmannschaft ein. Die Nationalmannschaft belegt bei einem Turnier in Laibach (Ljubljana) den letzten Platz. Hansi ist in Slowenien nicht dabei. Große Ernüchterung kehrt ein. Die Deutsche Handballwoche titelt: "Favoritenrolle endgültig los!" Die deutsche Mannschaft verliert gegen die Tschechoslowakei 15:17, gegen Jugoslawien 15:22 und gewinnt gegen Dänemark 19: 17. In der Großfeldmeisterschaft rettet Hansi Schmidt den Erste Schritte als Lehrer VtL mit zwölf Volltreffern gegen Schwartau. "Was wäre der VtL Gummersbach ohne diesen Hansi Schmidt?", fragt die Deutsche Handballwoche. Das fragen sich an jenem Junitag wohl auch die 400 Zuschauer auf den Rängen der Lochwiese. Sie erleben, wie der Hüne im blau-weißen Trikot den schon verloren geglaubten Abstiegskampf gegen den VtL Schwartau aus dem Feuer reißt. Der Hallenschützenkönig hat mit seinen Treffern entscheidenden Anteil, dass aus dem 7: II-Pausen-Rückstand noch ein umjubelter 16: 13-Erfolg auf dem Großfeld wird. "Schmidt hat uns das Spiel gewonnen", schwärmt Trainer Dreischang. Die Zuschauer erleben an diesem Tag einen Scharfschützen, der ehrgeizig und konzentriert die Gummersbacher zum Erfolg führt. Es ist sein erstes Spiel nach einem Verkehrsunfall. Er hätte eigentlich noch nicht spielen sollen, weil ihm sein Knie noch Kummer bereitet. Das Jahr 1969 ist für Hansi ein gutes Jahr. Er wird zum ersten Mal Vater. Er legt sein Erstes Staatsexamen erfolgreich ab. Das Militärgericht in Bukarest hebt das gegen ihn 1964 verhängte Urteil auf. Er fahrt im Sommer erstmals seit seiner Flucht 1963 heim zu den Eltern nach Marienfeld. Karin und Klein-Hans-Günther sind dabei . Die Familie erlebt angenehme Wochen in der Banater Heide. Die selbstgezüchteten Tomaten, Paprika und das Obst aus dem Riesengarten der Eltern schmecken vorzüglich. Mutter kocht wie eh und je. Das Geflügel ist genau so alternativ gezüchtet wie das Gemüse und das Obst. Es sind paradiesische Wochen, empfinden alle, Hansi und die ganze Familie. 1971 , Hansi ist wieder einmal im Banat, feiern Handballfreunde die Rückkehr des Handballstars in Marienfeld mit einem Handballspiel und einem Fest. Ewald Pendler, gebürtiger Marienfelder, wie Hansi Schüler des Handballlehrers Adam Fischer und Spieler bei Politechnica Temesvar, ergreift die Initiative. Spieler von

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Politechnica und aus der Banater Gemeinde Lowrin machen mit. PolitechnicaTrainer Constantin Jude ist die ganze Angelegenheit zu gefährlich und winkt ab. Auch eine Reihe von Spielern sagen ab. Die Angst vor dem allmächtigen Geheimdienst ist zu groß. Ewald Pendlers Landsmann Hartwig Junker hilft, das Fest zu organisieren. Die Jugend rollt auf dem Sportplatz Spruchbänder aufmit Aufschriften wie: Marienfeld grüßt den EC-Gewinner Hansi Schmidt. Einige hundert Handballliebhaber wollen Hansi sehen und kommen aus den Nachbargemeinden nach Marienfeld. Das Fest endet in der Kantine des Staatsguts. Alles verläuft problemlos. Der Geheimdienst greift nicht ein. Wahrscheinlich befürchtet er unnötigen Wirbel. Heute meint Fendler, der im Süddeutschen ein Architekturbüro betreibt, er sei damals ziemlich naiv gewesen. Die deutsche Hallenmeisterschaft 196911970 beginnt im August 1969 mit einem Paukenschlag in Krefeld. Aufsteiger TV Oppum besiegt den VfL vor eigener Kulisse 20:19 (1 0:8). Der VfL Gummersbach wird nach dieser Schlappe keinen einzigen Punkt mehr in dieser Saison abgeben. Im September greift der VfL wieder ins Geschehen im Buropapokal der Meister ein und stellt seine internationale Klasse unter Beweis. In Presov besiegt er in der ersten Qualifikation des ECWettbewerbs in einer turbulenten Schlacht den tschechoslowakischen Meister Tatran mit 14:13 (9:7). In Presov spielen sich Szenen ab, die Ringkämpfen ähneln. Die Slowaken setzen auf Kampfkraft, auf Härte und die Wurfkraft ihrer Hinterreihe mit Gardemaß. Aber die Gummersbacher lassen sich nicht verwirren . Sie schlagen zurück. Es ist die einzige Möglichkeit, sich in diesem harten, hektischen und turbulenten Spiel zu behaupten. Die Gummersbacher kämpfen mit dem Mut der Verzweiflung gegen den körperlich überlegenen, in der Spielkonzeptionjedoch langsameren tschechoslowakischen Meister. Sie entledigen sich ihrer Aufgabe mit einer erstaunlichen Einsatzbereitschaft, mit Begeisterung und Konsequenz. Und doch ragt ein Mann über seine großartig kämpfenden Mitstreiter hinaus : Hansi Schmidt, urteilt der Reporter der Deutschen Handballwoche. "Selten sahen wir ihn so kraftvoll, selten so souverän, selten aber auch so wurfsicher wie in diesem hektischen Ringen, wie in diesem seinem ersten Spiel im Ostblock nach so vielen, vielen Jahren. Und so massiv die Tatrandeckung ihn auch abzublocken suchte, er fand doch immer wieder eine Lücke, stieg immer wieder hoch, schmetterte immer wieder das Leder ins Netz des Gegners." Nach dem Spiel urteilt Tatran-Trainer Ladislav Sestak: "Ich wusste, dass Hansi stark war, aber so stark hatte ich ihn doch nicht erwartet. Er war der Kopf der Mannschaft, machte das Spiel und auch noch die Tore." Für den VfL Gummersbach erringen folgende Spieler das 14: 13 (9:7) gegen Tatran Presov: Podak (Kater nicht eingesetzt), Klaus Brand, Lingelbach, Bölter ( 1),

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Feldhoff (2), Keller, Jochen Brand (3), Westebbe, Schmidt (8, davon ein Siebenmeter), Becher, Braunschweig. Das Rückspiel gewinnt der VfL mit I 0:9 und steht im Achtelfinale. Nun marschiert der VfL auch in der Bundesliga wieder. In Minden besiegen die Gummersbacher den Rivalen Grün-Weiß Dankersen 17:13 (8 :6) und sind erneut Herr der Lage in der Gruppe Nord. Das Bundesligarückspiel gegen den TV Oppum gewinnen die Blau-Weißen nach zeitweise verwirrendem Wirbel mit 22: 10 ( 15 :6). Die Revanche gelingt für die erste Niederlage der Bundesligasaison 1969/1970 im Hinspiel in Krefeld. Aber dieser Sieg ist teuer erkauft. Jochen Feldhoff, Hansi Schmidt und Bernd Podak werden während des Spiels ins Krankenhaus gefahren. Feldhoffprallt kurz vor der Pause mit dem aus dem Tor stürzenden Torwart Lehmann zusammen. Hansi handelt sich bei einem Krefelder Angriffeine stark blutende Augenbrauenverletzung ein, die geklammert werden muss. Hansi ähnelt einem mitgenommenen Preisboxer. Neben der aufgeplatzten Augenbraue verunstalten zwei dicke Beulen sein Gesicht. Podak verletzt sich am Bein. Bei einem Tempogegenangriff stößt auch er mit dem Oppumer Torwart zusammen. Die Härte in diesem Spiel ist völlig unnötig, denn das Spiel gegen Oppum ist schon nach einer Viertelstunde mit der 9: I-Führung der Gummersbacher entschieden . Das Viertelfinale des Europapakais führt über Danzig. Der VfL gewinnt im Achtelfinale 30:21 (I 0:8) gegen den polnischen Titelträger Spojnia vor 7000 Zuschauern in der Kölner Sporthalle. Hansi Schmidt und Bernd Podak haben die im Spiel gegen Oppum erlittenen Verletzungen überstanden, Jochen Feldhoff jedoch nicht. Nach zehn Minuten muss sich Feldhoff mit schmerzverzerrtem Gesicht verabschieden. Doch der VfL führt nach sieben Minuten mit 4: 1, vier Minuten später mit 8:3 und zur Pause mit 16:8. In der zweiten Halbzeit brennen die Gummersbacher ein wahres Feuerwerk ab, kämpfen, spielen und wirbeln, reißen Lücken auf, stoßen hinein und werfen Tor um Tor. Die Polen schirmen Hansi Schmidt ab. "Und doch machte Hansi seine Tore, eiskalt und sicher. Gleich ein volles Dutzend Treffer verbuchte der Bundesligaschützenkönig auf sein Konto", heißt es in der Deutschen Handballwoche. Nach dem Spiel sagt der polnische Nationaltrainer Czerwinski den Reportern: "Dieser Schmidt war einfach nicht zu halten . Er ist der beste und wurfstärkste Handballspieler der Welt." In der zweiten Halbzeit stellt Hansi seine ungewöhnliche Wurfkraft unter Beweis: Sein Geschoss trifft den Spojnia-Torwart im Gesicht. Er muss leider ohnmächtig vom Platz getragen werden. Allerdings spielen auch Schmidts Mannschaftskollegen aufopferungsvolL 197


Der VfL gewinnt das Rückspiel in Danzig souverän mit 26:20 ( 15 :9) und zieht ins Viertelfinale ein. Trotz ständiger Bewachung wirfHansi zehn Tore. Der VfL nimmt auf die Reise nach Danzig Hermann Semmler aus Köln mit. Semmler will seine Heimatstadt noch einmal sehen, in die er nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bis dahin nicht mehr zurückkehren konnte. Er schreibt den VfL an. Eugen Haas fragt Hansi, ob er Semmler als Mannschaftsbegleiter mitnehmen soll. Hansi sagt ja, Semmler fährt mit und wohnt im selben Hotel wie die Mannschaft. In der Hotelhalle kommt es zu einem Treffen Semmlers mit all seinen Verwandten, die in Danzig zurückgeblieben sind. Semmler wird nach der Reise einer der vielen Förderer des VfL. Er und Hansi freunden sich an. Semmler wird schließlich Taufpate von Christoph Eric, demjüngsten Sohn von Karin und Hansi Schrnidt. Zwischendurch besiegt der VfL im Schlagerspiel der Nordstaffel den Hamburger SV mit 18:15. Hansi Schmidt entscheidet das Spiel in der Schlussphase: Er wirft die letzten ftinfTore ftir den VfL. Die deutsche Nationalmannschaft löst in zwei Spielen gegen Holland die Fahrkarte ftir die Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich. Hansi ist dabei. Die Spiele enden 16:16 in Utrecht und 23: I 0 in Münster. Zum Jahresende tritt die Nationalmannschaft in Oslo gegen Norwegen an. Sie unterliegt ohne Hansi mit 17:18. In einem weiteren Spiel kommt sie zu einem 18: 16-Sieg über Dänemark in Fredericia. Hansi steuert acht Tore bei. Das Jahr 1969 klingt mit einem neuen Rekord des VfL Gummersbach aus: Er bezwingt zum Abschluss der reichlich strapaziösen Punktejagd der Hallenhandball-Bundesliga Nord den Verfolger Hamburger SV mit 18:14 (10:3) und bleibt als einzige Mannschaft schon im vierten Jahr, also seit Bestehen der deutschen Spitzenklasse, in eigener Halle ungeschlagen. Nach einem hektischen Auftakt fUhrt der VfL schnell mit 3:0. Ruhiger wird es aber, als der VfL mit 8:2 vorne liegt. Hansi Schmidt, vom Länderspiel beim Vizeweltmeister Dänemark mit einem geschwollenen Fuß heimgekehrt, wird wieder bester Gummersbacher Schütze. Er trifft siebenmaL Das Gummersbacher Spiel wirkt nach der Pause zerfahren. Eine 13:6-Führung schmilzt zum 15:12 und zum Schluss sogar auf 16:14 zusammen. Doch Hansi stellt mit zwei eiskalt verwandelten Siebenmetern dann doch noch den erwarteten Sieg sicher: 18: 14. Der Bundesligatorschützenkönig 1970 heißt erneut Hansi Schmidt. Mit 94 Toren liegt er vor den beiden Göppingern Max Müller und Peter Bucher mit 77 und 76 Treffern. Die längste Siegesserie im Hallenhandball des Deutschen Handball-Bundes dauert vom 26. Januar 1968 bis zum 15. Februar 1969: In diesem Jahr gewinnt die deutsche Mannschaft 18 Länderspiele in ununterbrochener Folge. Die Gegner heißen Island (4mal), Dänemark (2), Sowjetunion (2), Schweiz (2), Rumänien (2), Norwegen, Luxemburg, Belgien, Schweden, Tschechoslowakei und Frank-

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reich. Das Torverhältnis in diesen 18 Spielen lautet 394:294. Zehn Siege hintereinander hat die Nationalmannschaft erkämpft vom 15. November 1966 bis zum 15 . Januar 1967 gegen die Schweiz (2), Island (2), Norwegen (2), Spanien, Schweden , Japan und Ungarn. Am Ende des Jahres 1969 steht aber fest: Deutschland gehört nicht zu den Favoriten ft.ir die Weltmeisterschaft vom 26. Februar bis 8. März 1970 in Frankreich . Der Hallenhandball hat sich auch 1969 weiter in den Vordergrund gespielt, aber die warnenden Stimmen, die dem oft überharten und ausschließlich von der Kraft und Kondition bestimmten Spiel keine große Zukunft prophezeien, dürfen nicht überhört werden, heißt es Ende 1969. Jetzt stellt sich heraus : Die Erfolge des Jahres 1968 sind überbewertet worden. Der Optimismus von vor einem Jahr, ausgelöst durch die 1968 erzielten 18 Länderspielsiege in Folge, ist verflogen.

So sehen strahlende Sieger aus: links Torwart Klaus Kater, rechts Hansi Schmidt mit Eugen Haas.

Erstmals wird im Winter 1969/ 1970 die deutsche Meisterschaft der Männer nach einem neuen Modus bestritten. Die Tabellenzweiten beider Staffeln bekommen Gelegenheit, in den Kampf um den Meistertitel einzugreifen. Das bedeutet in der Weihnachtszeit volle Häuser und viel Geld ft.ir das Endrundenquartett: Titelverteidiger VfL Gummersbach, Südstaffelsieger Frisch Auf Göppingen, SG Leutershausen und Hamburger SV

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Der VfL erreicht das Endspiel durch einen 18:17 ( 10:9)-Sieg in Leutershausen und einen 24:10 (12:4)-Erfolg in Gummersbach. In Leutershausen spielt der VfL seine in vielen Europacupspielen gesammelte Erfahrung aus und ist in entscheidenden Szenen die klügere Mannschaft. Gummersbach erreicht zwar nicht die optische Wirkung der Gastgeber, die flüssiger kombinieren, aber es hat in Hansi Schmidt den wurfgewaltigsten Spieler dieser Auseinandersetzung. In den ersten zehn Minuten hält sich Hansi noch zurück, doch dann feuert er aus allen Lagen. Elf Tore, davon vier Siebenmeter, stehen bei Spielschluss auf seinem Konto, fast die Hälfte der Gummersbacher Ausbeute. Seine Granaten kommen aus dem Sprungwurfheraus oder werden aus der Hüfte abgefeuert. Der Gegner blockt zwar viele Würfe ab, kann aber Hansis Wirkung nicht eindämmen. Nach dem Spiel strahlt Gummersbachs Handballchef Eugen Haas und beglückwünscht seine Spieler. An diesem Abend fragt sich das Publikum einmal mehr: Was wäre der VfL eigentlich ohne diesen Hansi Schmidt wert? Der VfL Gummersbach spielt in Leutershausen mit folgender Mannschaft: Kater, Podak; Jochen Brand (2), Klaus Brand, Bölter (2), Keller (I), Feldhoff, Westebbe, Hansi Schmidt (11, davon 4 Siebenmeter), Braunschweig, Kosmehl, Lingelbach. Im Rückspiel in der zu kleinen Gummersbacher Sporthalle am 20. Dezember deklassiert derVfL die Leutershausener. Mit 24:10 (12:4) feiert der Meister einen seiner eindrucksvollsten Erfolge der Saison. Hansi hat eine leichte Grippe, Bernd Podak wird nach einem Sturz vor der Halle erst mit einer Spezialbehandlung des Mannschaftsmasseurs Günter Wrona wieder fit, und der Auftakt ist keineswegs vielversprechend für die Blau-Weißen. Die VfL-Routiniers finden in der anfänglichen Härte und Turbulenz nicht zu ihrem Spiel. Zwar drehen Hansi Schmidt und Hans-Gerd Bölter den Spieß um, doch Plambeck schließt wieder auf. Nach der elften Minute fegt ein wahrer Tor-Tornado alle Hoffnungen des Südzweiten hinweg. So verzweifelt sich die Rot- Weißen auch wehren, gut zehn Minuten später führen die Gummersbacher mit 10:2. Das Spiel ist entschieden. Die Gummersbacher lassen nichts mehr anbrennen. Der Meister gönnt sich keine Verschnaufpause und stürmt einem klaren Sieg entgegen. Die Gummersbacher sind in allen Belangen überlegen, als Mannschaft hat der VfL entschieden mehr zu bieten, er hat die besseren Einzelspieler. Hansi Schmidt findet nach dem Spiel auch anerkennende Worte ftir den Verlierer: "So schön unser Sieg auch ist, die Höhe ist doch etwas krass ausgefallen. So schwach waren die Leutershausener doch nicht. Sie hatten in den entscheidenden Phasen auch etwas Pech." Hansi gelingen in diesem Spiel trotz Manndeckung neun Treffer.

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In dieser Formation ist der VtL Gummersbach zum 24:10 (12:4)-Sieg über Leutershausen gekommen: Podak (Kater nicht eingesetzt); Klaus Brand, Linge1bach (2), Bölter (2), Feldhoff(3), Keller, Jochen Brand (4), Westebbe, Schmidt (9, davon ein Siebenmeter), Kosmehl (2), Braunschweig (1). Das 21. Endspiel um die deutsche Hallenhandballmeisterschaft der Männer am Freitag, 2. Januar 1970, in der Frankfurter Festhalle hat einen ganz attraktiven Anstrich mit der "großen Nummer" VtL Gummersbach gegen Frisch Auf Göppingen, es ist das Duell der Europapokalsieger. 1960 (18: 13 über AarhusAGF) und 1962 (13:11 über Partizan Bjelovar) holen sich die Schwaben in Paris den Cup, 1967 ( 17: 13 über Dukla Prag) ist der VtL Gummersbach in Dortmund erstmals am ersehnten Ziel. Gummersbach gegen Göppingen ist auch das Duell der beiden Staffelsieger. Frisch Auf Göppingen zieht nach einem 14: 13-Sieg über den Hamburger SV ins Endspiel ein. Wichtig wird sein, wie Horst Singer, Trainer Bernhard Kernpas "verlängerter Arm" auf dem Feld, auftrumpfen kann , welche Bewegungsfreiheit die Sturm-Asse und Nationalspieler Max Müller und Peter Bucher haben.

Rauhe Sitten

Europapokalspiel VJL Gummersbach gegen Frisch Auf Göppingen in der Westfalenhalle: Hansi zieht ab über Ratzer (links) und P.fliiga

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Im Endspiel in der Frankfurter Festhalle zwischen Titelverteidiger VfL Gummersbach und dem Herausforderer Frisch AufGöppingen herrschen sehr rauhe Sitten. Aus dem 21. Hallenhandball-Finale geht Göppingen nach 60 Minuten voller unschöner Szenen sicher als Sieger mit 22:18 ( 10:7) hervor und ist zum achten Mal deutscher Meister. Der VfL Gummersbach findet einen Nachfolger, taktisch von Bernhard Kempa gut eingestellt, der bis zum Umfallen kämpft und mit anfangs übertriebener Härte dem sieggewohnten Meister den Wind aus den Segeln nimmt. Der VfL sucht den offenen Schlagabtausch und geht in einer hektischen Schlacht, die nicht mehr an den einst so schönen Hallenhandball erinnert, mit fliegenden Fahnen unter. Der VfL Gummersbach kann den in Hochform befindlichen Göppingern weder taktisch noch körperlich Paroli bieten. Frisch Auf geht mit 2:0 in Front. Die letzte Führung gelingt dem YfL durch Hansi Schmidt in der II . Minute: 3:2. Peter Bucher trifft danach zweimal zum 4:3. Jetzt ist der YfL angeschlagen. Nach der Pause lassen sich die Göppinger nicht mehr aus dem Rhythmus bringen, spielen beherzt, schnell, nervenstark und selbstbewusst. Endstand 22:18. Nach dem Spiel sieht Jochen Feldhoff aus wie ein verprügelter Boxer, mit unterlaufenem Auge und aufgerissener Augenbraue. Doch die Prügelknaben gibt es auch auf der anderen Seite. Auch Horst Singer ist nach einem Schwinger von Gummersbachs Mannschaftskapitän Klaus Brand mit einer Jochbeinverletzung außer Gefecht. Die Statistik des Endspiels: FA Göppingen - VfL Gummersbach 22 :18 (1 0:7) Frisch Auf Göppingen: Rathjen; Singer (2, davon ein Siebenmeter), Pflüger (1), Anton Bayer, Patzer (4), Müller (5), Buch er (7), Eiseie (2), Epple ( 1), Cachay, Schunter. VfL Gummersbach; Podak; Klaus Brand (1), Lingelbach, Bölter (2), Feldhoff (I), Keller ( 1), Jochen Brand (2), Westebbe, Schmidt (I 0, davon sieben Siebenmeter), Kosmehl ( 1), Braunschweig. Nach der Meisterschaft setzt die Nationalmannschaft die Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaft in Frankreich fort. Sie besiegt Spanien in Bilbao 18: 14 und Portugal in Porto 36:20. In Agram (Zagreb) setzt sich die deutsche Mannschaft gegen Jugoslawien mit 21:20 (10: 12) durch. Hansi ist mit acht Treffern bester deutscher Schütze. In Ungarn unterliegt die deutsche Mannschaft in zwei Spielen 19:20 (8:9) und 16:18 (1 0:8). Hansi ist in beiden Spielen mit vier Treffern beteiligt. Weltmeister 1970 wird nach einem wahren Krimi Rumänien durch ein 13: 12 ( 11 : 11 , 10:10, 4:5) über die DDR. Der bundesdeutschen Mannschaft bleibt der Trost, den späteren Weltmeister mit 15: 14 (5 :9) besiegt zu haben. Die deutsche Mannschaft geht in dieses Spiel ohne Hansi Schmidt, ohne Lübking, Müller und Bode. Eine

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Niederlage hat Bundestrainer Werner Vick bewusst einkalkuliert. Doch der von der Fachpresse als Sensation gefeierte deutsche Sieg ist von den Rumänen wohl gewollt. Denn mit der Niederlage gehen sie im Viertelfinale der starken DDR aus dem Weg. Die Schweden liegen ihnen besser. Die Begegnung mit der DDR hätte Diethard Finkelmann in den Schlusssekunden der bundesdeutschen Mannschaft ersparen könen, wenn er den Siebenmeter nicht zum 15:14 verwandelt hätte. Die Schweden wären im Viertelfinale wahrscheinlich der leichtere Gegner fiir die bundesdeutsche Mannschaft gewesen.

WM-Schlagerspiel gegen die DDR In einem der spannendsten Spiele der WM-Geschichte kommt die DDR zehn Sekunden vor Schluss der ersten Verlängerung durch Klaus Petzold zum überaus glücklichen 18: 17-Erfolg über die Nationalmannschaft der Bundesrepublik. Das Pendel hätte auch anders ausschlagen können. Die von Werner Vick trainierte Mannschaft fuhrt 8:4, 9:5, I 0:6, 11:7 und 12:8 fünfmal mit vier Toren Differenz. Nach der Pause kämpft sich die DDR heran und gleicht in der 40. Minute zum 12:12 aus. Die DHB-Auswahl kontert und gehtüber 13: 13 mit 14: 13 und 15:13 in Front. Doch auch dieser Vorsprung reicht nicht, weil Hansi Schmidt nach diesem 15:13 nur den Pfosten trifft. Der 16: 14-Stand in der 54. Minute lässt Vicks Schützlinge noch einmal hoffen, aber zwei Tore des starken Außen Gernhöfer retten die DDR in die Verlängerung. Jetzt bringt Hansi Schmidt seine Mannschaft 17: 16 in Führung, aber Langhoff und Petzold werfen die DDR ins Halbfinale. Die DHB-Auswahl bietet zwischen der II. und 35. Minute Handball, der eines Weltmeisters würdig ist. Die bundesdeutsche Mannschaft in Frankreich ist viel besser als bei den beiden vorangegangenen Weltmeisterschaften. Ihr Spiel bietet alles: Tempo, Schönheit, Schwung, Varianten, technische Finessen und herrliche Würfe. Die Weltklasseleistung der Bundesrepublik unterstreicht die sagenhafte Schussauswertung in den ersten 30 Minuten: Von 17 Würfen landen 11 im Tor. Die Statistik des Spiels Bundesrepublik gegen die DDR I 7: 18 ( 17: 17, 16: 16, 11: 8) Bundesrepublik: Bode (31 . bis 42 . Minute Rathjen); Schmidt (3), Lübking (5), Wehnert, Munck (2), Müller (2), Feldhoff (2), Finke1mann (2, beides Siebenmeter), Neuhaus, Jochen Brand, Möller (1). DDR: Prüße (ab 22. Minute Frieske); Langhoff (6, davon vier Siebenmeter), Senger, Zimmermann, Lakenmacher, Gernhöfer (3), Randt (1), Petzold (2), Rost (6, davon ein Siebenmeter), Rose, Zörnack. Nach einem 15:14 (8:8) über Schweden belegt Deutschland den fiinften Platz.

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Das vorzeitige Ausscheiden der DHB-Auswahl bei der VII. Hallen-Weltmeisterschaft in Frankreich löst Diskussionen um den Stand des Handballs aus. Weltmeister wird Rumänien, das seit acht Jahren keinen Handball mehr auf dem Großfeld spielt. In der Bundesrepublik ist es anders. Hier macht die Feldhandball-Bundesliga einen organischen Aufbau des Hallenhandballs unmöglich. Die Akzente sind falsch gesetzt, die Struktur stimmt nicht. Die Handballspieler der Bundesrepublik sind konditionell und physisch den mitteldeutschen unterlegen, weisen jedoch im individuellen Spiel ein Plus auf. Der Spitzenhandballer ist überfordert. Er muss mehr als ein hochdotierter Lizenzkicker der Fußball-Bundesliga leisten. Er kann oft keinen Urlaub nehmen. Denn kaum ist die Hallensaison beendet, da stehen die Feldspiele an . "Es ist kein Wunder, dass die Akteure langsam, aber sicher handballmüde werden", schreibt die Deutsche Handballwoche nach der WM. Die doppelte Belastung veranlasst erste Mannschaften, nicht mehr auf dem Großfeld zu spielen. Der HSV beispielsweise gehört zu den ersten, die auf die Teilnahme in der Feldbundesliga verzichten . An der Entscheidung, ob Hallenhandball olympische Disziplin wird, wirken Hansi und die deutsche Nationalmannschaft mit. Vor leeren Rängen spielt die deutsche Sieben in Madrid gegen die spanische Nationalmannschaft. Das Geisterspiel, das um Mitternacht angepfiffen wird, sieht sich der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage (1887-1975), zusammen mit einer kleinen Delegation an und entscheidet, dass in München 1972 ein Handballturnier ausgetragen wird. Nach der Weltmeisterschaft konzentriert sich der VtL auf den Europapokal. Im Viertelfinale treffen die Gummersbacher aufTrud Kunzewo Moskau. Im Hinspiel unterliegt der VtL mit 17:22 (7:9) vor 1000 deutschen Schlachtenbummlern und weiteren 1000 russischen Zuschauern im spärlich besetzten Moskauer Sportpalast. Die Russen passen sich in dieser Partie der inzwischen im internationalen Pokalwettbewerb üblichen Härte an. Sie packen zu, zerstören kompromisslos: Sie stürzen sich in die Gummersbacher Abwehr. Wo sich mit spielerischen Mitteln keine Lücke auftut, schlagen sie die Bresche gewaltsam. In den turbulenten 60 Minuten müssen Wassiljew, Kulijew, Schajuk und Morozow je zwei Minuten auf die Strafbank Hingegen wird kein Deutscher des Feldes verwiesen. Der VtL versucht das Tempo zu drosseln , den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen. Doch die Russen lassen sich das VtL-System nicht aufzwingen . Und ehe sich die Gummersbacher recht versehen, liegen sie entscheidend im Rückstand. Dabei ist der Spielauftakt vielversprechend. In der ersten Minute schmettert Hansi Schmidt das Leder ins Tor. Es bleibt die einzige Führung der Deutschen. Anschließend schlagen die Russen zu und fUhren nach 20 Minuten mit 7:3. Das Spiel ist entschieden. Die Blau-Weißen rennen dem Vorsprung des Gegners hinterher. 204


Kurzes Hoffen zur Pause. Zwei Tore von Kosmehl und Lingelbach verringern den Abstand aufzwei Treffer. Siebenmal kommen die Gummersbacher nach der Pause aufzwei Tore an die führenden Russen heran, aber jedes Mal ziehen die Moskauer aufvier und zuletzt sogar auffünfTore davon. Auch ihre beiden Siebenmeter können die Gummersbacher nicht nutzen. Den ersten vergibt Hansi Schmidt in der 18. Minute beim Stand von 5:3. Er versucht vergebens, den großartigen Moskauer Torwart Sarazew zu täuschen. Vier Minuten später scheitert auch Kosmehl. Doch damit nicht genug. Zweimallässt sich Hansi Schmidt den Ball aus der Hand spielen, einmal verliert er ihn durch Schrittfehler. Doch nicht nur Hansi macht Fehler. Die Strapazen der Weltmeisterschaft in Frankreich werden deutlich. Keiner der vier Gummersbacher WM-Teilnehmer erreicht Normalform: weder Jochen Brand, Jochen Feldhoff, Klaus Kater noch Hansi Schmidt. Nach dem Spiel meint Trainer Horst Dreischang: "Wenn wir auf die Dauer mit den Spitzenmannschaften des Ostblocks Schritt halten wollen, dann werden wir nicht umhin können, drei- oder gar viermal in der Woche zu trainieren." Dreischang blickt in Moskau schon über das Rückspiel hinaus: Der VfL muss sich mit jungem Blut auffrischen, will er in den nächsten Jahren weiter international mitreden. Diesmal begleitet kein Beifall Hansi in die Katakomben. Er weiß es: "Unser Spiel lief einfach nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten, allerdings waren die Moskauer auch stark, viel stärker, als wir das erwartet hatten." Die Gummersbacher Mannschaft von Moskau: Kater (Podak ab der 45. Minute); Klaus Brand, Lingelbach (1 ), Feldhoff (I), Bölter (2), Keller, Jochen Brand, Westebbe, Schmidt (6), Kosmehl (7). Im Rückspiel ist der VfL wie ausgewechselt, er spielt sich in einen wahren Rausch. Die Waldeckische Landeszeitung berichtet unter dem Titel: "Moskau vom Parkett gefegt. VtL Gummersbach im Europapokai-Semifinale - Niedergeschlagenheit bei den Russen." Mit einem 20: II (I 0 :5)-Erfolg über Kunzewo Moskau erreicht der VfL das Halbfinale des Hallenhandbaii-Europapokals. Der VtL versetzt die 12 500 Zuschauer in der Dortmunder Westfalenhalle in helle Begeisterung, er lässt sie das enttäuschende 17:22 von Moskau vergessen. Klaus Kater wird zum umjubelten Liebling der Zuschauer. Er hält einige Siebenmeter und die gefürchteten Scharfschüsse von Masur und Schajuk. Er wird zum Helden von Dortmund. Helmut Kosmehl steigert sich im Vergleich zum MoskauSpiel gewaltig: Er münzt seine brillante Technik, sein spielerisches Können und sein erstaunliches Wurfrepertoire in Tore um. Hansi Schmidt ist auch in diesem Rückspiel nicht der erfolgreichste Schütze. Dortmund erlebt trotzdem einen ganz anderen Hansi als Moskau. Er leistet ein enormes Pensum, spielt überaus mannschaftsdient ich, hat glänzendeAnspielszenen.

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Im zweiten Durchgang kleben mal Solomko und mal Afanasjew wie die Kletten an ihm. Und doch trifft Hansi sechsmaL Die Paraden eines Klaus Kater, die Tore von Helmut Kosmehl und Hansi Schmidt reißen die Fans immer wieder zu Beifallsstürmen hin. Dieser grandiose Sieg ist das Verdienst aller, die an diesem Samstagnachmittag das blau-weiße Trikot tragen, schreibt die Deutsche Handballwoche.

Zeitzeugen

Bernd Munck:

Als Spieler einmalig Hansi Schmidt, den ich seit seinen ersten Einsätzen in der Bundesliga und später in der Nationalmannschaft kenne, war als Spieler eine gewisse Einmaligkeit, und zwar insbesondere von seiner Athletik her, das heißt der Sprung- und vor allem der Wurfkraft Selbst als außerordentlich durchschlagskräftiger Mann hat er aber auch Mitspieler gebraucht, die ihm das Feld geebnet haben, also ftir ihn gespielt haben. Die hat er in Gummersbach gefunden. Die Gummersbacher Mannschaft hatte es sicherlich im Wesentlichen Hansi zu verdanken, dass der VfL die Nase so oft vorn hatte. Dies galt ftir die Bundesliga, viel mehr jedoch auf internationaler Ebene. Seine Größe, seine Kraft und auch Übersicht waren meistens spielentscheidend. Den Entschluss seinerzeit, nicht an den Olympischen Spielen 1972 in München teilzunehmen, haben Hansi und ich unabhängig voneinander getroffen. Zum Schluss waren wir aber in dieser Angelegenheit auf einer Wellenlänge. Auch heute würde ich noch so entscheiden. Es war meines Erachtens seitens des Bundestrainers nicht richtig, Herbert Lübking in die Nationalmannschaft ftir die Spiele zu berufen, denn nach einem Jahr Aufenthalt und Auseinandersetzung mit der Spielkultur der Sechstklassigkeit, in die sich Lübking freiwillig begeben hatte, waren Spitzenleistungen nicht mehr zu erbringen. Man stelle sich vergleichsweise vor, ein Michael Ballack würde sich heute in die Kreisklasse zurückbegeben und hätte noch dieselben Ansprüche wie als Bayern-Spieler. Darüber würde in heutiger Zeit keine Dis-

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kussion mehr entstehen. Doch Hansi und ich hatten damals mit unserer Auffassung von Leistungsorientierung keine Chance, uns durchzusetzen, denn Teile der Presse waren damals anderer Meinung. Diesem Einfluss waren Bundestrainer und Verbandsspitze nicht gewachsen. Im Übrigen ist es bei den Weltmeisterschaften, bei denen wir zusammen gespielt haben, gar nicht so schlecht gelaufen, wie das im Nachhinein aussieht. In Schweden 1967 unterlagen wir nach spannendem Spiel sehr knapp gegen die Sowjetunion und konnten so nicht mit um die Medaillen spielen. Bei der WM 1970 in Frankreich hatten wir Pech im Spiel gegen die DDR, das wir in der Verlängerung verloren, sonst wären wir sicherlich ganz vorne gelandet. Die WM 1974 in der DDR war für mich leider schon in der ersten Halbzeit unseres Auftaktspiels gegen Dänemark zu Ende. Ein Innenbandriss im Knie hat mich gezwungen, vorzeitig nach Hause zu fahren , um mich sofort operieren zu lassen. Die Mannschaft konnte sich in den folgenden Spielen nicht mehr zusammenfinden und erreichte nicht das erhoffte Leistungsniveau. Insgesamt kann man folgendes Fazit ziehen: Trotz unterschiedlicher Spielauffassungen einzelner Mannschaftsteile innerhalb der Nationalmannschaft haben wird einigermaßen gut zusammengespielt, denn generell hat es das Problem der Abstimmung immer gegeben . Längere Trainingslager, wie sie damals in den Ostblockmannschaften üblich waren, hätten uns Amateure sicherlich gut getan und uns international weiter nach vorne bringen können. Was die persönlichen Beziehungen zwischen Hansi und mir anbelangt, kann man sagen, dass wir kein großes Freundschaftsverhältnis hatten. Dazu hat unter anderem auch schon die räumliche Distanz zwischen Gummersbach und Dankersen beigetragen. Jedenfalls war trotz großer sportlicher Rivalität ein gegenseitiger Respekt vor der Leistung des anderen immer vorhanden.

Zur Person: Bernd Munck, am 30. Januar 1943 in Wolfsburg geboren, erlernt das Handballspiel in Hildesheim . 1969 wechselt er zu Grün-Weiß Dankersen, weil sich Hildesheim nicht mehr im Oberhaus halten kann. 1976 geht er zum PSV Hannover, mit dem er in die Bundesliga aufsteigt. Seine Erfolge: 1966 Feldhandballweltmeister, mit Dankersen zweimal deutscher Meister auf dem Großfeld und einmal in der Halle, ferner einmal DHB-Pokalsieger. 116 Einsätze in der Nationalmannschaft. Nach dem Geographie- und Sportstudium an der Uni Hannover arbeitet er am Sportinstitut in Hannover. 1977 wechselt er als Lehrer ans Gymnasium GroßburgwedeL

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Auch der Griff des Gegners an den Wwfarm kann Hansi nicht aufhalten.

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Auf dem Gipfel Wiedersehen in Bukarest Einmal muss es ja kommen. Eines Tages muss Hansi zurückkehren nach Bukarest, wo er am 23. November 1963 ins Flugzeug gestiegen und in die Freiheit geflogen ist. Ausgerechnet Steaua Bukarest, sein ehemaliger Klub , ist VfL-Gegner im Halbfinale des Europapakais der Landesmeister 1970. Für Hansi ist dieses Spiel ein besonderes Erlebnis, er tritt gut sechs Zwei ehemalige Freunde: Hansi Schmidt und Jahre nach seiner Flucht zum ersten Gheorghe Gruia von Steaua Bukarest vor dem Mal in Bukarest an. Mit gemischten Gefühlen fliegt Hansi Schmidt am 3. Spiel ... April 1970 mit dem VfL Gummersbach nach Bukarest. Freude und Bangen begleiten den Handballstar auf der Reise in die Vergangenheit. Der Grund zur Freude ist ftir Hansi das Wiedersehen mit

... und anschließend als Gegner im Europapokalspiel auf dem Parkett

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seinen Eltern. Auf dem Flughafen in Bukarest schließt Hansi an jenem Tag seine Eltern in die Arme. Dr. Hans Schmidt und seine Frau Rosa haben den weiten Weg aus Marienfeld im Südwesten des Landes nach Bukarest angetreten, um Sohn Hansi und Schwiegertochter Karin zu begrüßen. Ein wenig Angst hat Hansi vor seinem ersten Besuch in Bukarest: Wie werden die Zuschauer ihn aufnehmen? Werden sie ihn auspfeifen? Das sind Fragen, die ihn vor dem schweren Europa-Pokalspiel bewegen. In der Floreasca-Halle gibt es ein freudiges Wiedersehen mit Dieter Christenau, mit dem er schon in Temesvarer Zeiten rumänischer Juniorenlandesmeister in derselben Halle wurde, in der jetzt das Halbfinalspiel angesetzt ist. Ferner mit seinen Freunden Josef Jakob und Gheorghe Gruia, aber auch mit einer Reihe von anderen Steaua-Akteuren, mit denen er seinerzeit zusammengespielt hat. All seine BefLirchtungen sind umsonst: Selbst in der Halle wird Hansi freundlich empfangen. Ein Unteroffizier der rumänischen Armee ist so erfreut, dass er mit Tränen in den Augen während des Aufwärmens auf dem Spielfeld auf Hansi zugeht und ihn umarmt. "Ich hoffe, ihm ist deswegen nichts Böses widerfahren", sagt Hansi heute .

Han si mit seinem ehemaligen Mannschaftskameraden im Schülerklub Banatul und bei Stiinta Temesvar, Die/er Christenau, und Vß-Obmann Eugen Haas

Im Hexenkessel der mit fast 3000 johlenden und pfeifenden Zuschauern voll besetzten Bukarester Floreasca-Halle unterliegt der VtL dem Pokalverteidiger Steaua mit 13 : 16 (9:9). Nach dem Abpfiff der parteiischen tschechischen Schiedsrichter verlassen die Armeehandballer mit skeptischen Blicken und sogar mit hängenden Köpfen die Halle. Die Blau-Weißen aus Gummersbach liegen sich in den Armen. Die Differenz von drei Toren müsste im Rückspiel in der Westfalenhalle aufzuholen sein.

Ausgerechnet Hansi Schmidt eröffnet den Torreigen in Bukarest. Er wirft auch den anschließenden Siebenmeter zum 2:0 ein. Jochen Brand und Kosmehl erhöhen auf 4 :0. Nach einer Viertelstunde steht es 5: I. Die nächsten Stationen: 4:2 und 6:2. Doch was sich in den nächsten Minuten abspielt, wird die Blau-Weißen noch eine Weile verfolgen. Jochen Brand muss vom Platz, wenige Augenblicke später folgt ihm sein Bruder Klaus. Dabei hat der Schiedsrichter ihm nur eine Zwei-MinutenStrafe angedroht. Doch im Gejohle der Zuschauer verlieren die Schiedsrichter die Übersicht. Obwohl sie schon das Spiel wieder angepfiffen haben , weisen sie nachträglich den Gummersbacher Kapitän vom Platz- auflntervention eines rumänischen Zeitnehmers.

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Diese Fehlentscheidung bringt den deutschen Vizemeister aus dem Rhythmus und um den Vorsprung. Gruia gelingt das 3:6. Für das 6:6 sorgt ebenfalls Gruia. Beim Stand von 9:9 geht es in die Pause. Nach der Pause geht der Kampf weiter. Eine Siebenmeterflut ergießt sich über die sich verzweifelt wehrenden Gummersbacher. Neunmal zeigen die tschechischen Schiedsrichter auf den Siebenmeterpunkt vor dem Gummersbacher Tor, aber nur zweimal auf der Gegenseite. Jetzt werden Erinnerungen an das Spiel vor zwei Jahren in Bukarest wach, als ein Tscheche 8:0 Siebenmeter verhängt hat. Gruia und Popescu sorgen ftir einen Zwei-Tore- Vorsprung. Feldhoff und Kosmehl gelingt jeweils der Anschluss, Bölter lässt Steaua nach dem 14: II nicht zu weit enteilen. Drei Minuten vor Schluss verkürzen die Gummersbacher auf 15:13 . Zwei Minuten vor dem Abpfiff riskiert Kosmehl einen seiner raffinierten Würfe. Dinca hält, und prompt gelingt Dieter Christenau mit einem Gegenstoß der 16: 13-Endstand. Härte und Taktik bestimmen das Geschehen in Bukarest. Kurz vor Schluss reißt Jochen Brand Steaua-Spielmacher Gatu um. Sekunden bleibt Gatu regungslos liegen, springt dann auf und versetzt seinem Gegner einen Magenhaken. Gatu muss nur fünf Minuten vom Platz. Nach dem Spiel meint Hansi Schmidt: " Wir haben uns alle keine Vorwürfe zu machen. Unter den gegebenen Umständen ist diese Niederlage ftir uns fast wie ein

In der Westfalenhalle: Hansi zielt über den Abwehrblock von Steaua Bukarest.

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Sieg" zu werten. Die Waldeckische Landeszeitung titelt in ihrer Ausgabe vom 6. April 1970: "Gummersbach feierte Niederlage wie Sieg." Die Statistik des Spiels Steaua Bukarest gegen den YfL Gummersbach 16: 13 (9 :9) Steaua Bukarest: Dinca (Belu nicht eingesetzt); Otelea, Gruia (9, davon I Siebenmeter), Goran, Savu, Marinescu (I), Ga tu, Popescu (4 Siebenmeter), Günter Speck, Coasa, Christenau (2). YfL Gummersbach: Kater (Podak nicht eingesetzt); Klaus Brand, Jochen Brand (I), Lingelbach, Bölter (I), Feldhoff (2), Westebbe, Schmidt (5, davon I Siebenmeter), Kosmehl (4), Braunschweig. Im Rückspiel vor 12 500 leidenschaftlich mitgehenden Zuschauern in der Westfalenhalle überrennt der YfL Steaua Bukarest und qualifiziert sich mit einem eindrucksvollen Auftritt fürsEC-Endspielgegen Dynamo Ostberlin. Mit dem 15 :8 (10 :2) gegen den Bukarester Armeeklub erreichen die Blau-Weißen zum zweiten Mal das Finale des Hallenhandbaii-Europapokals. Hansi Schmidt nach dem Spiel: "Mit letztem Einsatz und aller Kraft haben wir den Koloss Steaua Bukarest nach dem 13 : 16-Hinspiel doch noch geschafft." In der Waldeckischen Landeszeitung heißt es: " Gummersbach blendend aufgelegt. Nach 15:8-Erfolg Finale erreicht" . 10:2 zur Pause. Wer seinem Gegner, dem Pokalverteidiger, so davonläuft, hat das Finale verdient erreicht. Klaus Katers Glanzparaden und Hansi Schmidts Scharfschüsse, der selbstlose Einsatz Jochen Feldhoffs, aber auch eine fast perfekte Abwehrleistung und ein bewundernswerter Kampfgeist aller führen zum Erfolg. Der heterogene Haufen YfL Gummersbach präsentiert sich an diesem Tag auf dem Parkett der Westfalenhalle als verschworene Gemeinschaft, die im Sport erfolgreich sein will. Intensive Vorbereitung im Trainingslager und Auswertung erreichbarer Unterlagen über den Gegner zahlen sich aus. Der sensationelle Sieg ist nach Trainer Dreischangs Ansicht hauptsächlich zu verdanken: dass sich Hansi Schmidt und Jochen Brand in der Bewachung des Steaua-Scharfschützen Gruia abwechseln und nicht die ganze Last auf den breiten Schultern Hansis lastet, dass der 21jährige neue Nationaltorwart Klaus Kater sensationell hält und dass der YfL Gummersbach in der zweiten Hälfte mit Bölter noch einen unverbrauchten Mann einsetzen kann, der neuen Schwung ins Spiel bringt. Hansi Schmidt präsentiert sich in diesem Halbfinale wie so oft zuvor: kraftvoll und energiegeladen. Obwohl zeitweise drei bis vier Gegner an ihm hängen, wuchtet er den Ball sechsmal ins Tor. In der Kabine aber gibt er sich bescheiden: "Die bessere Mannschaft hat gewonnen, und zwar deshalb, weil jeder sein Allerletztes gegeben hat." Über seinen ehemaligen Mannschaftskollegen und Freund Gheorghe Gruia meint Hansi: "Den haben wir taktisch neutralisiert."

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Den von der Zeitung L'Echipe gestifteten Europapakai der Landesmeister gewinnt Hansi mit dem VjL viermal.

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Begeistert zeigt sich nach dem Spiel auch Gerhard Kienbaum, Bundestagsabgeordneter und VfL-Ehrenspielftihrer. Er spricht von einer "einmaligen Leistung unserer Mannschaft", von einem zeitweise überzeugenden Laufspiel. Gruia, der entthronte Schützenkönig, wettert hingegen: "Ich habe zuletzt in Frankreich ein Rugbyspiel gesehen. Das war fairer als das, was ich heute in Dortmund erlebt habe." Gegen den Vorwurf der übertriebenen Härte jedoch wehrt sich Hansi Schmidt nach dem Spiel: " Was haben denn die Rumänen mit mir in Bukarest angefangen?" Hansi erinnert noch einmal an die Gangart der Rumänen in Bukarest und an die subjektiven Entscheidungen der tschechischen Schiedsrichter, die ganz offensichtlich dem VtL eins auswischen wollten. Vor dem Rückspiel in Dortmund muss sich Hansi einer Spezialbehandlung unterziehen, um die Folgen von Nierenschlägen aus dem Hinspiel zu überwinden. Was seine ehemaligen Bukarester Kollegen ihm an Flüchen zugerufen haben, übersetzt er lieber nicht. Noch vor dem Spiel begrüßt der Bukarester Spielmacher Cristian Gatu Hansi mit den Worten: "Wärst du bei uns geblieben, wärst du heute Weltmeister." Das weiß Hansi auch, doch er weiß auch längst, dass er richtig entschieden hat, in der freien Welt zu bleiben. "Für den WM-Titel hätte ich mir nichts kaufen können", sagt er heute. "Ich wollte keine Titel sammeln, das war nicht mein Ziel. Ich wollte schönen, unterhaltsamen Handball spielen, die Erwartungen der Zuschauer waren mir stets wichtig. Ich wollte zu meiner und zur Zufriedenheit der Mannschaft agieren." 12 500 Zuschauer erleben in der Westfalenhalle den Untergang des rumänischen Weltklasseteams. Zwischen dem 2:2 und dem Halbzeitpfiff spielt der VtL die Bukarester Mannschaft aus und demütigt sie. Steaua ist zu einem wahren Sparringspartner degradiert. Der VtL Gummersbach zieht von 2:2 auf 10:2 davon. Die 12 500 machen ein Spektakel, das in die Glieder fahrt, ftir die Gummersbacher Ansporn ist, ftir die Rumänen jedoch die Hölle. Das Spiel in Dortmund zeigt erneut: Die Gummersbacher stehen und fallen mit der Form von Hansi Schmidt. Dazu die Deutsche Handballwoche: "Der Schmidt von Dortmund ... bewies .... Verbesserungen in der Deckung und vor allem eine hervorragende Schussdisziplin. Das allein war ausschlaggebend. Schmidt suchte den Erfolg nicht mehr mit der Gewalt, sondern mit Listigkeit. Und er überraschte Alexandru Dinca, der mehr als 30 Länderspiele auf dem Buckel hat." Die Statistik des Spiels VtL Gummersbach gegen Steaua Bukarest 15 :8 (1 0:2) VtL Gummersbach: Kater, Podak (nicht eingesetzt); Klaus Brand, Lingelbach, Bölter (3), Feldhoff (2), Westebbe, Jochen Brand (2), Keller, Schmidt (6, davon zwei Siebenmeter), Kosmehl (2), Braunschweig.

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Steaua Bukarest: Dinca, Belu; Otelea (I), Gruia (3), Goran, Savu; Marinescu, Gatu (2, davon ein Siebenmeter), Popescu (I Siebenmeter), Jakob, Coasa, Christenau.

Mit Hüftwürfen Dynamo "erschossen" Das Europapokal-Finale 1970 wird zu einem rein deutschen Duell: YfL Gummersbach gegen Dynamo Ostberlin. Kurz nach dem knapp verlorenen Spiel bei der Hallenhandball-Weltmeisterschaft gegen die DDR kommt es erneut zu einer deutsch-deutschen Begegnung, dieses Mal in einem Endspiel. Hansi Schmidt spricht noch heute von einer deutsch-deutschen Meisterschaft. In der Nacht vor dem Endspiel in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle am 14. April kann Hansi nicht schlafen. Er hat das erst vor kurzem gegen die DDR knapp verlorene Spiel bei der Weltmeisterschaft in Frankreich noch in guter Erinnerung. Und die Mannschaft von Dynamo Ostberlin ist fast identisch mit der Nationalmannschaft der DDR. Hansi wälzt sich im Bett. Er überlegt, wie der Gegner am besten zu packen, zu überraschen ist. Nach reiflichen Überlegungen zieht er den Schluss, er muss sich in diesem Spiel etwas Außergewöhnliches einfallen lassen. Denn die Ostberliner Mannschaft kennt sein Spiel und wird sich bestimmt darauf einstellen. Die Überlegungen sind richtig. Hansi wird Dynamo am anderen Tag regelrecht "erschießen", nicht mit seinen gefürchteten verzögerten Sprungwürfen, nein, mit Hüftwürfen. Er täuscht immer wieder Sprungwürfe an, zieht dann aber aus der Hüfte heraus ab. Die DDR-Spieler sind überrascht. Hansi wirft neun Tore zum 14: II (8:5)-Sieg des YfL. Nach dem Spiel kommt der Ostberliner Kapitän Werner Senger aufHansi zu und sagt in seinem Berliner Dialekt: "Hansi, det haste janz alleene jemacht." Ein dickes Kompliment nach einem der schönsten Siege. In solch einem Trubel wie jenem in der Westfalenhalle ist es Spielern aus der DDR möglich, kurz ein paar Worte mit einem Kollegen aus dem Westen zu wechseln. Sonst wird das verhindert. "Denen ist es schlimmer ergangen als mir in meiner Bukarester Zeit", sagt Hansi. Vor dem Abflug in den Westen ist in Bukarest stets der politi sche Offizier gekommen, um den Spielern einzuschärfen: "Lasst euch nicht anquatschen, die da drüben beuten die Arbeiterklasse aus. Wir sind die modernen Menschen neuen Typs. Und wehe, ihr kommt als Verlierer zurück." Bei der Weltmeisterschaft in Frankreich kommt die bundesdeutsche Mannschaft eines Morgens ins Restaurant und begrüßt die Kollegen aus der DDR, die schon frühstücken. Ihr Gruß bleibt unerwidert. Für Hansi ganz unfassbar. Solche Verbote hat er als rumänischer Nationalspieler nicht gekannt. Einfach war es auch ftir ihn nicht, und deshalb weiß er: Die DDR-Spieler sind unschuldig, sie müssen sich nach den Vorschriften verhalten, sonst sind sie die längste Zeit in der Nationalmannschaft und im Ausland gewesen.

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Das Spiel in der Westfalenhalle zwischen den Vizemeistern der Bundesrepublik und der DDR verläuft trotz der Propaganda in den DDR-Medien fair. Hansi beschreibt das Aufeinandertreffen als einen Kampf unter Brüdern. Die Ostberliner Mannschaft jener Tage ist ausgesprochen gut, sagt Hansi, kaum schlechter als die berühmte Truppe von Dukla Prag. Mit Leuten wie Rainer Zimmermann, der als weltbester Rechtsaußen das Erbe von Josef Jakob von Steaua Bukarest angetreten hat, mit Jürgen Rost, Harald und Jürgen Bildebrand ist Dynamo ein nicht zu unterschätzender Gegner. Nach dem Spiel begegnen sich die Spieler respektvoll. Mehrere Dynamo-Spieler scheuen sich nicht, ihre durchschwitzten Hemden den jugendlichen Handballanhängern als Souvenir mitzugeben. Sie merken, dass ihnen trotzder An feuerungsrufe für Gummersbach Sympathie entgegenschlägt. Die DDRPresse aber wird sich ganz anders verhalten. Das Spiel war wichtig für die gesamte deutsche Nation, sagt Hansi , denn nur so konnte sie sich damals begegnen .

Zweiter EC-Triumph Am 26. April 1970 ist der VfL Gummersbach wieder einmal am Ziel aller Wünsche: Im neunten Europapakai-Endspiel für Vereinsmannschaften der Landesmeister kommt der VfL nach einem zwar nicht hochklassigen, dafür aber sehr fairen Spiel zu einem verdienten 14: II-Erfolg über Dynamo Ostberlin. Nach dem 17:13 im Finale über Dukla Prag 1967 ist es der zweite Europapokal-Triumph des VfL. Vor 14 000 begeistert mitgehenden Zuschauern landen die Gummersbacher einen Start-Ziel-Sieg, der eigentlich nie richtig in Gefahr gerät. Der SC Dynamo Ostberlin kennt keinen Respekt vor dem Favoriten, spielt di szipliniert und klug, kann aber nicht alle Vorteile des VfL kompensieren . Der VfL Gummersbach führt schnell mit 2:0 und zieht nach einem 4 :3 auf 7:3 davon . Er präsentiert an diesem Tag einen gut eingestellten Hansi Schmidt und mit Klaus Kater den stärkeren Torwart. Der 19fache DDR-Auswahltorwart Bodo Fischer und ab der 27. Minute Weiß stemmen sich verzweifelt gegen die Hüftwürfe Hansis, "der wieder einmal ein Spiel aus dem Feuer reißt" , schreibt die Deutsche Handballwoche. "Hansi Schn1idt zerschlug alle Dynamo-Hoffnungen mit 9 Toren." Unter dieser Überschrift kommentiert die Kölnische Rundschau das EC-Finale. "Es war ein Schmidt-Spiel. Mit neun Toren zerfetzte er die theoretischen Hoffnungen der Berliner in einer Weise, wie es eben nur Schmidt kann . Gegen seinen wuchtigen Einsatz gab es kein legales Mittel. Gegen seine Würfe hatte weder der Berliner Nationaltorwart Fischer noch dessen etwas besser spielender Ersatzmann Weiß ein Rezept. Immer wieder ließ der Gummersbacher Riese seine aus der Hüfte abgefeuerten Granaten los, und immer wieder fanden sie halbhoch ihr Ziel." Nach dem Spiel wird Hansi dem Rundschau-Redakteur sagen: "Das sind die Lieblingswürfe meiner Frau."

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Triumph : Hansi hält den Europapakat der Meister in Händen.

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Als der Präsident der Internationalen Handball-Föderation , Hans Baumann (Schweiz), den EC-Pokal Kapitän Klaus Brand überreicht, kennt der Jubel im weiten Rund der Westfalenhalle keine Grenzen. Der Pokal geht an eine Mannschaft, die in diesem Wettbewerb wahrlich eine Sternstunde erlebt, die die Enttäuschung durch die Niederlage im Endspiel gegen Frisch Auf Göppingen verdaut, die sich über Tatran Presov, Spojnia Danzig, Trud Kunzewo Moskau und Pokalverteidiger Steaua Bukarest den Weg ins Endspiel bahnt und dort den Erwartungen der Handballfreunde vollauf gerecht wird, heißt es weiter in der Deutschen Handballwoche. Das schönste Bild in der Westfalenhalle: Neidlos gratulieren die Dynamo-Spieler dem neuen Meister. Der Hallenhandball hat durch den Europapokal einen gewaltigen Satz nach vorn gemacht. Die Verantwortlichen des Deutschen Handball-Bundes sind zufrieden. Im Winter 1966/67 haben sie entschieden, das Finale um den Buropapokal der Landesmeister auszurichten, weil die Franzosen nach sechs Endspielen von Vereinsmannschaften in Paris und Lyon nicht mehr als Veranstalter auftreten wollen. Das Finale 1970 bringt dem DHB etwa 260 000 Mark ein. Die Kosten sind gering, die Spieler erhalten den bescheidenen Tagessatz von 20 Mark. Mit dem EC-Sieg feiert der VfL Gummersbach eine Art Auferstehung nach dem verlorenen Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen Frisch Auf Göppingen im Januar. Der VfL ist jetzt inoffizieller Vereinsweltmeister. Die Führungsarbeit des nimmermüden Eugen Haas, der als Vater der Gummersbacher Mannschaft in die Handballgeschichte eingegangen ist, die stets verbesserte Schulung durch Trainer Horst Dreischang und der Wille der Spieler, sich noch einmal für ein großes Ziel zu quälen, trägt an diesem denkwürdigen 26. April Früchte. "Der VfL, das Herzstück der Stadt Gummersbach mit ihren rund 46 000 Einwohnern, hat nicht nur im Oberbergischen Land eine große Popularität erreicht. Wer die parkenden Wagen an der Westfalenhalle sah, registrierte Kennzeichen von Flensburg bis München", schreibt die Deutsche Handballwoche. Trainer Dreischang kommt das Verdienst zu, die Mannschaft hervorragend eingestellt zu haben. Sie hat es verstanden, für ihren Fernschützen Hansi Schmidt zu spielen. Der Berichterstatter der Deutschen Handballwoche stellt fest: "Er entschied das Spiel. Man kann im Dynamo-Lager darüber streiten, ob eine Manndekkung über die gesamte Distanz eine größere Wirkung erreicht hätte ... Der VfL Gummersbach besaß in Hansi Schmidt den herausragenden Schützen, der mit seinen neun Toren praktisch zum Spielgewinner wurde." Der "Super-Handballer" Hansi Schmidt war an diesem Tag nicht zu stoppen. Es ist sein Finale, geprägt von seinem Spiel. Das Finale offenbart noch etwas: In Frankreich bietet Hansi Schmidt keine großen Leistungen, in Dortmund aber ist er nicht zu halten. Hansi nach dem Spiel über

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Der VJL nach dem Europapokalgewinn 1970: (von links stehend) Eugen Haas, Günter Wrona, Hansi Schmidt, Klaus Brand, Rainer Linge/bach, Helmut Kosmehl, Jochen Brand, Han s Gerd Bölte1: Dr. Horst Dreischang, (kniend) Jochen Feldhoff, Klaus Westebbe, Klaus Kater, Bernd Podak, Helmut Keller und Uwe Braunschweig

diesen Kontrast: "Die Spiele im Verein können durch nichts ersetzt werden. So schön es auch in der Nationalmannschaft ist." " Es hat in den letzten Jahren im Hallenhandball keinen Spieler gegeben, der wie Hansi Schrnidt die Kontraste liebt. Unzählige Handballfreunde verwünschten den Gummersbacher Scharfschützen nach den schwachen Vorstellungen bei der Weltmeisterschaft in Frankreich und rieten Bundestrainer Werner Vick, ihn künftig nicht mehr zu berücksichtigen. Andere aber lieben 'ihren' Hansi, wie er für den VfL Gummersbach spielt und kämpft" , schreibt der Express nach dem EC-Finale. "Dass er es mit einem maximalen Erfolg macht, bewiesen die großen Spiele gegen Steaua Bukarest und jetzt gegen den SC Dynamo Ostberlin. Ein Schmidt mit zwei Gesichtern: In der Nation almannschaft darauf bedacht, nur keinen Fehler zu machen und damit die herbe Kritik des Bundestrainers im Ansatz zu ersticken, im Verein aber davon ausgehend, die Entscheidung mit allen körperlichen Kräften (Hansi Schmidt ist respektable I ,95 Meter groß) herbeizuführen." Für Schmidt bedeuten Vereins- und Nationalmannschaft zwei völlig verschiedene Begriffe, heißt es weiter in dem Kommentar. "Es ist sicherlich sehr schön, in der

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Nationalmannschaft zu spielen, weil dort die Kameradschaft so gut ist. Aber im Verein kann ich das sein, was ich wirklich bin: Ein Spieler mit freier Entscheidungsgewalt Dort werden mir keine taktischen Fesseln angelegt. Die machen mich krank", so zitiert der Redakteur Hansi. "Allein dieser Umstand beflügelt ihn zu großen Taten. Er lässt sich kneifen, schlagen und provozieren. Im Dress des VfL Gummersbach kennt er keinen Schmerz." Diese Einstellung haben alle VfL-Spieler, sagt Hansi. "Wenn der VfL im einem Finale stand, hatte ich den Eindruck, hier spielt Deutschland." 14 000 Zuschauer, fast alle Gummersbach-Anhänger, sind nach dem Finale aus dem Häuschen. Hunderte stürmen die Spielfläche der Halle, schwenken Fahnen, breiten Transparente aus und jubeln. Eine Orgie in Blau und Weiß, nicht die erste, ist in Gang. Gummersbachs Stern strahlt heller denn je. Tausende von Autos fahren zurück ins Bergische Land, wo ein langes Siegesfest folgen soll. Unter der Überschrift "Der Spielverlauf: Hauptsächlich ein Bericht vom Feldzug des Hansi Schmidt. Bei 14:9 war die Entscheidung gefallen" berichtet die Deutsche Handballwoche sinngemäß über das Finale: Nach der Siegerehrung drehen die Gummersbacher Spieler mit dem golden schimmernden Pokal eine Ehrenrunde und verschwinden in den Katakomben. Da nimmt das Jubelfest ein vorläufiges Ende. Doch vor diesem Jubel stehen 60 Minuten Kampf. Das l :0 erzielt Feldhoff, der freistehend von Hansi Schmidt glänzend angespielt wird. Nach Katers erster Parade beginnt Hansi seinen großen Feldzug. Sein erster Weitwurf wird zur Ecke gelenkt, sein zweiter gehalten. Aber dann macht er perFreiwurfdas 2:0. Das erste der insgesamt neun Tore des Super-Bombers. Nun greifen die Berliner an. Sie gefallen sich in fliegenden Kombinationen, doch fehlt es ihnen zunächst an einem Vollstrecker und an einem Kreisläufer, der die Gummersbacher 1:5- oder 2:4-Deckung durchstoßen könnte. Plötzlich gelingt Rainer Zimmermann ein scharfer Wurf in die kurze Ecke zum l :2, aber Hansi Schmidt macht postwendend nach abgegebenem Freiwurf aus dem "Hinterhalt" das 3:1. Wieder glänzt Kater bei Berliner Gegenangriffen. Dann aber ist der erste Siebenmeter ftir die Berliner fallig. Günter Zeitler nutzt ihn zum 3:2, Kosmehl schafft sofort das 4:2, Senger verkürzt im Gegenangriff auf 4:3. Nachdem Zimmermann bei einem Torwurfübergetreten und Kosmehl genau auf den Torwart geworfen hat, gibt es einen Siebenmeter ftir Gummersbach, verursacht durch Meißner an Hansi Schmidt. Kosmehl verwandelt zum 5:3. Einerseits vergeben dann Würdig und Jürgen Hildebrand, andererseits verschießt Keller zweimal, bis Hansi Schmidt in der 21. Minute einen gewaltigen Aufsetzer zum 6:3 unterbringt. Noch einmal wirft Hansi in die Maschen, doch der Schiedsrichter verweigert das Tor. Aber nach einem vergeblichen Versuch von Harald Hildebrand, der stets hinter dem Gummersbacher Schützen vom Dienst herrennt, bringt Hansi Schmidt einen verdeckten Torwurfzum 7:3 an.

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Nun gibt es einen Strafwurf ft.ir Berlin, Rost kommt von der Bank aufs Spielfeld, aber Kater meistert seinen Wurf. Danach aber zeigt Meißner einen listigen Wurf, der das 7:4 bedeutet. Wieder brausen die YfL-Rufe auf, sie ermuntern Hansi, um einen Gegner herum zum 8:4 einzuschießen, worauf Zeitler einen Siebenmeter zum Halbzeit-8:5 über Kater hinweg ins Tor hebt. Beim 8:4 wechseln die Ostberliner: Weiß löst Fischer im Tor ab. Die zweite Halbzeit zeigt zunächst den wurfstarken Hansi wieder in Front, aber das nächste Tor wirft der Berliner Wolfgang Schmidt, also 8:6. Kurz darauf gelingt Jochen Brand das 9:6. Die Berliner legen einen Spurt ein, die Gummersbacher wehren sich mit einer 5:1-Deckung, bei der Kosmehl den beweglichen Posten abgibt. Darauf wird Würdig zwei Minuten des Feldes verwiesen. Keller wird gefoult. Hansi tritt zum Siebenmeter-Wurf an , trifft zuerst die Latte und verwandelt den Abprall er zum I 0:6. So geschehen in der 40. Minute. Feldhoffs Aufsetzertor wird nicht anerkannt, aber nach Zimmermanns Volltreffer heißt es I 0:7. Dann ein Strafwurfft.ir Berlin. Petzold versucht es mit einem Aufsetzer, aber der Ball springt übers Tor. Hansi Schmidt erzielt mit einem verzögerten Wurf das II :7, Kater hält eine Bombe Zeitlers, Petzold verkürzt auf 8: 11. Auf einen Aufsetzer Hansis folgt ein Senger-Tor: 12:9. Dann ist wieder der bärenstarke Hansi , wurfgewaltig wie immer, mit dem 13:9 an der Reihe. Einige weitere Würfe von ihm verfehlen das Ziel, aber in der 55. Minute ist Feldhoff ft.ir das 14:9 zur Stelle. Jochen Brand muss zwei Minuten auf die Bank . Dynamo verkürzt durch Petzold und Würdig zum 14: 11-Endstand. Jürgen Bildebrand trifft vom Siebenmeterpunkt noch die Latte. Gleich darauf ertönt die Sirene. Es beginnt die lange Jubelkaskade. Die Statistik des Endspiels YfL Gummersbach gegen Dynamo Ostberlin 14:11 (8:5) Kater; Klaus Brand, Hansi Schmidt (9), Jochen Brand (I), Jochen Feldhoff (2), Helmut Kosmehl (2, davon I Siebenmeter), Helmut Keller, Hans-Gerd Bölter, Klaus Westebbe, Rainer Lingelbach, Uwe Braunschweig. SC Dynamo Ostberlin: Bodo Fischer (ab 27. Minute Weiß); Rainer Zimmermann (2), Günter Zeitler (4, davon 2 Siebenmeter), Wolfgang Schmidt (1), Werner Senger (2), Rainer Würdig, Harald H ildebrand, Klaus Petzold (I), Jürgen Hildebrand, Meißner, Jürgen Rost. Anfang Oktober 1970 bahnt sich eine Krise um die deutsche Nationalmannschaft an, die bis nach den Olympischen Spielen 1972 in München anhalten wird. Ausgelöst wird sie durch den Wechsel des Nationalspielers Herbert Lübking von GrünWeiß Dankersen zum TuS Nettelstedt in die Kreisliga. Lübking so ll helfen, den TuS in die Bundesliga zu ft.ihren, daft.ir garantiert der Klub und sein Mäzen ihm Weiterkommen im Beruf. Nach einem Vierländerturnier, das in Hamburg, Berlin und Hannover ausgetragen wird, zitiert die Deutsche Handballwoche Bundestrai-

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ner Werner Vick (1920-2000): "In den nächsten Wochen wird Herbert Lübking ohne weiteres mithalten. Ob es aber in einem Jahr nach Spielen in der Kreisklasse noch der Fall ist, wage ich zu bezweifeln ." Die Diskussion, ob ein Lübking mit seiner reichen internationalen Erfahrung zu entbehren ist und ob er nach dem freiwilligen Abstieg in die untere Spielklasse noch die erforderlichen Leistungen in der Nationalmannschaft bringen kann, wird in den nächsten Jahren nicht abreißen und auch Hansi Schmidt in den Strudel reißen . Das Vierländerturnier, in dem Deutschland nach Jugoslawien den zweiten Platz belegt vor der Tschechoslowakei und Dänemark, legt erneut die Schwächen der DHB-Auswahl offen. Die 17:25-Niederlage gegen Jugoslawien wird als demorali sierend empfunden. Die deutsche Mannschaft macht in vielen Situationen einen fast hilflosen Eindruck. Vor allem die Kondition der deutschen Mannschaft lässt zu wünschen übrig. Aber auch die Abwehr funktioniert nicht. Bundestrainer Vick spricht nach dem Jugoslawien-Spiel von einem richtigen Zusammenbruch. "Unsere Mannschaft hatte einfach nicht mehr die physische Kraft, um gegen die frisch wirkenden Jugoslawen zu bestehen." Die deutschen Spieler haben in der Sommerpause einfach nicht genug getan, so die Kritik weiter. "Wer 1972 beim olympischen Turnier eine Medaille holen will, muss dieser Belastungsprobe standhalten." "Im Angriff strahlte in der zweiten Halbzeit eigentlich nur noch Hansi Schmidt Gefahr aus", so die Einschätzung der Deutschen Handballwoche. Sieben der acht Tore in den zweiten 30 Minuten gehen auf Hansis Konto . Ein Tor steuert Gosewinkel bei . Hansis Ausbeute ist erfreulich : neun Tore bei 15 Versuchen. Die Ergebnisse des Vierländerturniers: Deutschland - Jugoslawien 17 :25 (9 : 13), Dänemark- CSSR 16:16 (7:9), Jugoslawien- Dänemark 21 :9 (12 :3), Deutschland - CSSR 18:16 (8:6), CSSR- Jugoslawien 19:17 (I 0:9), Deutschland -Dänemark 16:12 (7:6) Die Hallenhandball-Bundesliga startet im Oktober 1970 ins fünfte Jahr. Sie wird vorerst das Interesse der Handballanhänger von der Nationalmannschaft ablenken. Experten sagen schonjetzt voraus, dass der Weg bis München sehr dornenreich sein wird. Forderungen werden laut, in München müsse das Gerippe der WMMannschaft von Frankreich unbedingt dabei sein. Am Rande des Vierländerturniers sagt Hansi Schmidt: "Ohne Lübking geht es bei uns nicht." In die Bundesligasaison 197011971 startet der VfL mit dem linken Bein. Vor 5500 Zuschauern in der fast ausverkauften Essener Gruga-Halle unterliegen die Gummersbacher dem Aufsteiger Phönix Essen 12: 19 (9: 10). Die Gummersbacher, ein ganzes Stück von ihrer Bestform entfernt, bringen sich in Essen durch Überhärte selbst um die Früchte ihrer Arbeit. Entscheidend: Hansi Schmidt, scharf bewacht, wirft so schlecht wie selten. "Nur" viermal steht er auf der Torschützenliste, weil er entweder das Tor nicht trifft oder nur haltbare Würfe zustande bringt. Torwart

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Kater überzeugt ebenfalls nicht. Die Niederlage ist anscheinend kein gutes Omen, denn in den beiden kommenden Jahren gibt es in Gummersbach keine deutsche Meisterschaft zu feiern . Doch nach dem zweiten Spieltag heißt es schon in der Deutschen Handballwoche: "Hansi Schmidt in glänzender Spiellaune". Im Sturmwirbel des VfL Gummersbach gehen die Schwartauer mit II :28 (6: 15) unter. "Was sich die Gummersbacher in Essen eingebrockt hatten, das mussten wir auslöffeln", stellt der Schwartauer Trainer Willy Bull nach der deprimierenden Niederlage seiner Mannen in der Gummersbacher Sporthalle fest. Der Ausrutscher in Essen rüttelt die Mannschaft wach. Und nun kämpft sie wie in besten Tagen und sprüht geradezu vor Ehrgeiz. Das gilt auch für den voll konzentrierten und äußerst mannschaftsdienlichen Hansi Schmidt. Er wirft in diesem Spiel selten aufs Tor, daflir aber kommt sein Anspiel umso öfter und umso genauer an. Glanztaten vollbringt er diesmal auch in der Abwehr. Trotz allem: Hansi erzielt mit sieben Treffern, davon fünf Siebenmeter, die meisten Tore flir sein Team. Wenige Tage vor diesem Spiel ist der Siebenbürger Sachse Bruno Zay zum VfL gestoßen. Der damals 25Jährige ist über Jugoslawien, Italien und Österreich nach Deutschland getrampt. Nach einer ersten Kurzstation beim TSV Ansbach kommt er nach Gummersbach, arbeitet sofort in einer Oberbergischen Firma als Diplom-Ingenieur und spielt für den VfL . Der Flügelflitzer kommt aus dem siebenbürgischen Kronstadt, wo er flir Dinamo in der ersten rumänischen Liga gespielt hat.

Hansi und Jo chen Brand wehren einen von dem Göppinger Pflüger geworfenen Ball ab.

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Zeitzeugen

Herbert Kranz:

Das Nonplusultra des deutschen Handballs Meine Liebe ftir den VfL Gummersbach habe ich schon früh entdeckt. Wecken konnte sie nur ein Mann, und der hieß Eugen Haas. 1942/1943 habe ich zusammen mit Eugen Haas in der Divisionsauswahl der Waffen-SS in Nürnberg Kleinfeldhandball gespielt. Durch Haas bin ich nach Gummersbach gelangt und habe auch Hansi Schmidt kennen und schätzen gelernt. In der Klosterstraße in Derschlag, wo Karin und Hansi Schmidt zu Hause sind, bin ich ein- und ausgegangen. Ein Foto Hansis im Sprungwurf ziert die Titelseite des Handball-Handbuchs, das ich 1972 zusammen mit Horst Wagner im Auftrag des Deutschen Handball-Bundes herausgegeben habe. Das ist kein Zufall. Hansi ist und bleibt für mich das Nonplusultra des deutschen Handballs. Hansi ist nicht einfach zu nehmen, doch wenn er etwas sagt, dann fUhrt er das auch durch. Auf ihn ist stets Verlass . Hansi ist ein bisschen Einzelgänger. Doch das sind wohl alle Banater Schwaben, wenigstens die, die ich kenne. Er hat nie Wert auf Sperenzchen gelegt. Ich habe die Wendung geprägt: " Hansi ist der einzige Handballer, der in der Luft stehen kann ." Hansi war ein Spieler ohne Fehl und Tadel. Er war ein bisschen egoistisch, doch das musste er auf seiner Position beim VfL auch sein. Das Quäntchen Egoismus brauchte er, um als Führungspersönlichkeit auftreten und bestehen zu können. Hansi ist ein intelligenter Mann, mit ihm kann man sich über alles unterhalten, er hat als Spieler nie dummes Zeug von sich gegeben, weder vor dem Mikrophon noch privat. Das hat sich im Laufe der Jahre auch nicht geändert. Hansi ist ein richtiger Kamerad und kann Freund sein. Er tut alles ftir jemanden, der ihm ans Herz gewachsen ist. Ich war stets bei den großen Europapokal- und Meisterschaftsspielen des VfL in der Westfalenhalle. Ich habe auch die großen Empfange in Gummersbach miterlebt Der Kontakt zwischen Hansi und mir ist nie abgebrochen. Bei meinen runden Geburtstagen waren er und seine Frau stets dabei . Auch seine Mutter hat den Kontakt nach ihrem Umzug von Gummersbach nach Weinheim zu meiner Frau und mir bis kurz vor ihrem Tod gepflegt.

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Ich habe zu jenen gehört, die auf der Seite Hansis standen, als die Auseinandersetzung um die Aufstellung der deutschen Mannschaft für die Olympischen Spiele 1972 in München begonnen hatte. Ich habe meinen Posten als Vorsitzender der Technischen Kommission des Deutschen Handball-Bundes damals wegen der Differenzen aufgegeben: Ich war mit den Entscheidungen des Nationaltrainers und des Deutschen Handball-Bundes nicht einverstanden. Nationaltrainer Werner Vick hat vor den Spielen sein Wort gebrochen und Herbert Lübking zurück in die Mannschaft geholt. Nach dem Wechsel Lübkings von Grün-Weiß Dankersen zum unterklassigen TuS Nettelstedt hatte Vick noch bezweifelt, dass Lübking nach zwei Jahren ohne Spiel in einer Spitzenmannschaft bei den Olympischen Spielen fit sein wird. Vor dem Turnier in München ist der Nationaltrainer aus der Runde der Zweifler ausgebrochen. Ich gab zu bedenken, Herbert Lübking, Josef Karrer und Klaus Lange werden bei den Olympischen Spielen zusammen 100 Jahre alt sein. Das Turnier hat schließlich bestätigt, dass Vick falsch entschieden hat. Die Schlüsselpositionen in der deutschen Mannschaft waren fehlbesetzt AufHansi Schmidt und Bernd Munck hätte der Bundestrainer nicht verzichten dürfen.

Zur Person: Herbert Kranz, am 21. Februar 1923 in München geboren, ist der älteste noch aktive Fernseh-Moderator Deutschlands. Er ist seit 16 Jahrenjeden Montag in der RTL-Regionai-Sendung TV-Touring zu sehen. Nach dem Besuch der Fachhochschule ftir Journalismus in Düsseldorf arbeitet Kranz als Redakteur bei der Frankfurter Rundschau, danach als Ressortleiter Motorsport bei derFrankfurterNeuen Presse. Anschließend ist er 22 Jahre als Reporter und Moderator beim Hessischen Rundfunk tätig. Als Großfeldhandballer erreicht er 1947 und 1948 mit dem SV Waldhof Mannheim die Endspiele um die deutsche Meisterschaft. Von 1950 bis 1965 spielt er für die SG Dietzenbach in der obersten Spielklasse. Kranz war zehn Jahre lang Stellvertretender Vorsitzender des Hessischen Handballverbandes, von 1966 bis 1968 ist er Auslandsreferent des Deutschen Handball-Bundes und von 1968 bis 1972 Vorsitzender der Technischen Kommission des Deutschen Handball-Bundes.

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Hansi, wie seine Fans ihn kennen: im Sprungwwfmit der Nummer 9.

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Erste und letzte Heimniederlage In einem weiteren entscheidenden Spiel in Gummersbach besiegt der VfL in der Hinrunde Grün-Weiß Dankersen 17:13 (9 :6). Hansi ist an diesem Erfolg mit zehn Toren beteiligt. Im nächsten Spiel in Harnburg ist derVfL mit 14:11 (8 :8) erfolgreich. Dieses Mal steuert Hansi acht Treffer bei . In dieser Saison verliert der VfL zum ersten Mal ein Heimspiel seit dem Aufstieg in die Bundesliga, und zwar 17:19 gegen Kiel. In den zehn Bundesliga-Spielzeiten, die Hansi bestreitet, wird der VfL noch ein zweites und letztes Mal in der eigenen Halle unterliegen, und zwar in der Saison 1975/76 gegen OSC Rheinhausen. Die Begegnung endet 19:20. Doch in diesem Spiel gegen Rheinhausen ist Hansi nicht dabei . Somit bleibt das 17:19 gegen Kiel die einzige Heimniederlage Hansis mit dem VfL Gummersbach . In der Bundesliga tritt der VfL im neuen Jahr 1971 am elften Spieltag leichtsinnig auf. In der eigenen Halle tut er sich im Spitzenkampf der Gruppe Nord gegen den Hamburger SV mit 21:20 (I 0:7) sehr schwer. Ein schnell herausgespielter Vorsprung von 3:0, 6: I und 8:3 beträgt in der Pause noch 10:7 und schmilzt ganz weg. In den beiden letzten Minuten schlagen die Hamburger viermal zu und machen aus dem 16:21 noch einen 20 :21-Achtungserfolg. Der manngedeckte Hansi Schmidt hält sich anfangs geschickt zurück, sucht und nutzt seine Chance bei Freiwürfen. Viermal münzt er bis zur Pause Freiwürfe in Treffer um. Nach der Pause gleicht der HSV aus und geht mit 11 :10 und 12:11 zweimal in Führung. Jetzt aber trumpft Hansi auf, der zusammen mit Bölter die Tore zum 17:13 wirft. Am Erfolg der Gummersbacher ist Hansi mit neun Treffern beteiligt. Im Europapokal ist der Deutsche Handball-Bund in dieser Saison mit zwei Mannschaften vertreten: dem VfL als Pokalverteidiger und Frisch Auf Göppingen als Meister. Und wie es der Zufall will, die beiden Mannschaften treffen im November 1970 im Achtelfinale aufeinander. Vor 12 000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle, darunter etwa 300 Schlachtenbummler aus Göppingen, gewinnt der VfL das Hinspiel 20:12 (8 :6). Es ist eine Begegnung, die vor allem wegen der zweiten Halbzeit als streckenweise hochklassig in die Geschichte des deutschen Hallenhandballs eingeht. Sieger ist die physisch stärkere Mannschaft, die sich auf eine erstklassige Abwehr stützen kann. In der ersten Halbzeit hält Göppingen mit seinem großartigen Spiel gleichwertig mit. Doch dann kommen die vier Minuten des VfL Gummersbach, die dieses Spiel entscheiden: In dieser kurzen Zeit gelingen dem Pokalverteidiger in einem totalen Spielrausch sechs Tore in Folge: Es steht 18:9. In der letzten Viertelstunde erholen sich die Gäste und spielen gleichauf mit, können jedoch gegenüber dem Höchstrückstand nur noch ein Tor aufholen . Auch dieses Spiel ist wie so oft das eines Mannes: Hansi Schmidt ist wieder einmal der alles überragende Schütze. Auf seinem Konto steht ein Dutzend Tore,

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davon sind allein acht nach der Pause erzielt. Dennoch ist der zahlenmäßig deutliche Sieg auch noch einem anderen Mann zuzuschreiben: Klaus Kater im Gummersbacher Tor hält vier Siebenmeter. Und so ist das Spiel abgelaufen: Kaum sind zwei Minuten in der Westfalenhalle gespielt, da führt der VfL Gummersbach 2:0. Doch das Spiel des Pokalverteidigers bleibt hektisch. Die Göppinger gehen mit zwei Toren Rückstand in die Pause. Beim Stand von 4:3 fur Gummersbach muss Hansi fünf Minuten vom Platz. Der Schiedsrichter stellt Hansi vom Platz nach einer Tätlichkeit an Horst Singer. In dieser Phase aber zeigen die Westdeutschen ihre stärkste Leistung in der ersten Halbzeit: Sie bauen den Vorsprung auf 5:3 aus. Göppingen kommt neun Minuten lang, und zwar nach dem 3:3 in der neunten Minute, zu keinem weiteren Treffer. Die Torjäger vom Dienst haben es anfangs schwer. Auch in der zweiten Hälfte fallt das erste und das letzte Tor für Gummersbach, dieses Mal durch Hansi. Von 20 VfL-Treffern erzielt er zwölf. Ohne ihren zwölffachen Schützen Hansi Schmidt hätten die Gummersbacher kaum eine Acht-Tore-Differenz herausspielen können . In der zweiten Halbzeit spielt Gummersbach Galahandball. So schildert die Deutsche Handballwoche das Geschehen in diesem Spiel. Statistik des EC-Achtelfinal-Hinspiels VfL Gummersbach gegen Frisch Auf Göppingen 20:12 (8:6) VfL Gummersbach: Kater; Klaus Brand, Lingelbach, Bölter (2), Feldhoff (1 ), Keller, Jochen Brand, Westebbe, Schmidt (12), Kosmehl , Braunschweig (5). FrischAufGöppingen: Rathjen (37. bis 39. Minute Brodbeck); Singer(l), Pflüger (3), Bayer, Patzer (4), Schunter, Bucher (I), Eisele, Epple (I), Arndt (2), Keilwerth. Das Spiel der beiden deutschen Spitzenmannschaften, die sich im Januar in Frankfurt ein so unschönes Finale geliefert haben, wird auch vom Fernsehen übertragen. Nach dem Spiel heißt es, die Chance, den Hallenhandball noch populärer zu machen, sei vertan worden. Ein Faustschlag Hansis habe nicht nur den Göppinger Mannschaftsführer Horst Singer, sondern auch den Handball getroffen. Die "Feindseligkeiten" beginnen wie gewöhnlich relativ harmlos. Singer "kommentiert" das Verhalten Hansis mit dem bekannten Fingerzeig an die Stirn. Hansi seinerseits klatscht Beifall nach einer misslungenen Aktion des Schwaben. Dann gehen beide zum "offenen Schlagabtausch" über. Singer schlägt Hansi in die Rippen, der Gummersbacher nutzt unmittelbar nach seinem Tor die Chance zur Revanche. Singer kippt wie ein gefallter Baum um, SchiedsrichterThorild Janerstam aus Malmö sieht im Abdrehen Hansis hochgezogenen Ellenbogen. Weil er aber keinen Faustschlag erkennt, kann er Hansi nicht endgültig des Feldes verweisen. Singer zieht sich beim Sturz eine Handverletzung zu, die ihn zu einer Pause zwingt. So die Berichte zum Spiel. Hansi stellt das geringfügig anders dar. Singer verpasst ihm einen linken Haken in den Magen, worauf sich Hansi beim Hüftwurf im Af-

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fekt reflexartig revanchiert. Nach dem Spiel ist Hansi der Buhmann. "Man hat nur mich gesehen." Hansi muss sich aufDrängen des VtL gegen seine Überzeugung bei Singer entschuldigen, und zwar im Fernsehen, wegen des Rückspiels in Göppingen. Der Faustschlag erregt noch eine Zeit lang die Gemüter. Als Vergleich wird herangezogen das Feldhandballspiel Grün-Weiß Dankersen gegen TV Oppum im Juli 1970 im Mindener Weserstadion. Der Spieler RudolfSchwanz vom TV Oppum greift den Schiedsrichter und den Spieler Herbert Lübking an. Daflir wird er bis März 1972 gesperrt. Eine ähnliche Strafe wird nun gegen Hansi Schmidt gefordert. Dazu die Deutsche Handballwoche: "Das alles konnte sich Nationalspieler Hansi Schmidt erlauben. Das Aushängeschild des deutschen Handballs. Mit solchen Unsportlichkeiten kann man den deutschen Handball international nicht mehr vertreten." Der Auftritt in Göppingen wird flir Hansi nach Horst Singers theaterreifer Inszenierung zum Spießrutenlauf "Im Rückspiel in Göppingen haben mich die Zuschauer fast gesteinigt. Meine Kameraden haben mich in die Mitte genommen. Ich hatte keine Angst, habe mich allerdings reichlich unwohl geflihlt. Aber die Unterstützung der Mannschaft hat mich aufgebaut, ich habe mich wieder sicher geflihlt. Die ganze Mannschaft hat trotz des riesigen Drucks hinter mir gestanden. Wir waren in der Lage, auch in solchen Situationen voll konzentriert zu spielen. Pfiffe waren flir mich stets Ansporn zu höheren Leistungen. Wir haben auch alles als Mannschaft hervorragend überstanden. Meine Stärke war, auch in schwierigen Situationen sehr gute Leistungen abrufen zu können. Ich war stets gut auf die Spiele vorbereitet, bin rechtzeitig schlafen gegangen. Daflir hat meine Frau mich auch als echten Profi eingestuft. Auch nach dem Spiel hat die Situation nachhaltig auf mich gewirkt. Jeder hatte das Bedürfnis, als Teil der Mannschaft erfolgreich zu sein." Das Rückspiel zwischen Göppingen und Gummersbach in der Hohenstaufenhalle verläuft wegen der Entschuldigung Hansis geordnet. Aber auch wegen der Appelle an die Vernunft der Handballanhänger in der Presse, die Leistungen des Gegners anzuerkennen. Einen wesentlichen Beitrag leisten allerdings auch Spieler und Schiedsrichter, vor allem aber der VtL Gummersbach. Die Mannschaft versucht, den Gegner fair zu stoppen, sie legt jegliche Überheblichkeit ab. Vor allem Hansi Schmidt hält sich sehr zurück und beschwichtigt sogar seine Mitspieler. Zwar wird die Gummersbacher Mannschaft, und in erster Linie Hansi Schmidt mit Pfiffen empfangen, das legt sich jedoch schnell. Die objektiven Göppinger Zuschauer sehen, dass die Gummersbacher guten Handball spielen. Es geht sogar so weit, dass selbst Hansi flir seine gelungenen Spielzüge Beifall erhält. Die Gummersbacher können mit dem dicken Acht-Tore-Vorsprung das Spiel bestimmen. Von Anfang an verzögern sie das Tempo, halten den Ball in den eigenen Reihen und lassen Frisch Auf nicht ins Spiel kommen. Die Rechnung geht auf.

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Die Gummersbacher bauen auf eine ausgezeichnete Deckung auf. Mit Hansi Schmidt, Klaus und Jochen Brand und Hans-Gerd Bölter decken sie die Mitte und die Halbpositionen ab. An diesem Bollwerk mit Spielern von Gardemaß rennen sich die Göppinger immer wieder fest. In Feldhoff (3 ), Schmidt (6) und Bölter (2) haben die Gummersbacher ihre herausragenden Spieler des Tages. Für die Nationalmannschaft klingt das Jahr mit einem Turnier vom 9. bis 13 . Dezember 1970 in Tiflis aus. Es ist eines der schönsten Erlebnisse in Hansis Laufbahn. Zum 19: 15 über Jugoslawien steuert Hansi 13 Tore bei . ../ Nach dem Spiel sagt Vlado Stenze!, damals Zufrieden im VfL-Dress noch jugoslawischer Nationaltrainer, seine Mannschaft habe absichtlich verloren . Stenze! lässt seine Mannschaft 5 plus 1 verteidigen. Darauf reagiert Bundestrainer Werner Vick mit einem 4 plus 2-Angriff, mit zwei Kreisläufern. "Danach haben wir die Jugoslawen auseinandergenommen", sagt Hansi. "Als Halbrechter macht Klaus Lange ein geniales Regiespiel. Er erzielt zwar wenig Tore, ist aber an diesem Tag überragend. Gewinner des Spiels ist die Mannschaft, nicht ich, trotzmeiner 13 Tore." Die 13 Treffer sind damals ein neuer Rekord in der Nationalmannschaft. Hansi lobt Vicks Taktik gegen die Jugoslawen in einem Interview. Bei der Landung in Frankfurt am Main bereiten Handballanhänger der Mannschaft einen Riesenempfang. Auch dieser Beifall gehört zum schönen Erlebnis Tiflis.

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Im Viertelfinale des Europapakais der Meister trifft der VfL am 16. Januar 1971 aufGranollers Barcelona. Mit einem 25:14 (13:8)-Heimerfolg, zu dem Hansi elf Treffer beisteuert, legt der VfL die Grundlage ftirs Weiterkommen. Der VfL hat sich inzwischen von Trainer Horst Dreischang getrennt. Seinen Platz nimmt beim Spiel in Barcelona Eugen Haas ein. Das Rückspiel in Barcelona gewinnen die Gummersbacher 16:12 (7:5) . Hansi Schmidt, obwohl von dem Spanier Garcia brutal gedeckt, erzielt sechs Tore bei vier Fehlwürfen.

Streit Die Mannschaft des VfL ist Anfang 1971 zerstritten. Es gärt im Lager des V fL Gummersbach. Der Streit gipfelt Ende Januar im Rücktritt von Trainer Horst Dreischang. Auslöser ist ein Artikel in der Bild-Zeitung, in dem Hansi den langjährigen VfL-

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Trainer kritisiert. "Gummersbachs Handballstars haben ihren schärfsten Gegner entlarvt. Er kommt aus den eigenen Reihen . Es soll Trainer Dr. Dreischang sein", berichtet das Blatt. "Unser Trainer ist eine Niete. Er hat kein Konzept. Er vertraut immer auf das Glück und unser Können ... " Die Kritik äußert Hansi anonym nach der 17: 19-Niederlage gegen den THW Kiel. Sie bezieht sich nur auf dieses Spiel, sagt er heute. Eine Stunde vor dem Anpfiff weiß Dreischang nicht, wie er die Mannschaft aufstellen soll. Er lässt den versagenden Klaus Kater im Tor. Der VtL tritt gegen Kiel ohne Rechtsaußen an. Weil Feldhoff verletzt ist, muss Westebbe von der Kreisläufer- auf die Rechtsaußenposition wechseln. Werner Winkelmeier, gelernter Rechtsaußen, könnte die Position bekleiden. Doch Dreischang bringt ihn nicht, weil er sich mit ihm überworfen hat. Das erzählt Hansi dem Journalisten . Nach der Veröffentlichung verlangen ein paar Mitspieler, dass sich Hansi bei Dreischang entschuldigt, was er jedoch ablehnt. Die Spannungen in der Mannschaft bleiben erhalten. Der Erfolgstrainer, der mit dem VtL in zwölf Jahren, von 1958 bis 1970, dreimal deutscher Meister und zweimal Europapokalsieger geworden ist, lässt die Mannschaft allein nach Minden zum entscheidenden Spiel um den Gruppensieg der Hallenhandball-Bundesliga Nord reisen . Kurz darauf ist Dreischang Trainer des TuS Derschlag. Beim Spiel des VtL gegen Dankersen sitzt für Dreischang der ehemalige Nationalspieler und spätere Bundestrainer Horst "Hotti" Käsler auf der Bank. 2500 Zuschauer reiben sich auch in der ausverkauften Mindener Kreissporthalle die Hände, sie sind total aus dem Häuschen : Grün- Weiß Dankersen besiegt nach einer dramatischen und fairen Begegnung den hohen Favoriten VfL Gummersbach mit 17:12 (7:4) und steht als Gruppensieger vor dem VfL und dem Hamburger SV fest. Weil Feldhoff und Jochen Brand (angeblich Darminfektion) an diesem Tag nicht zur Verfügung stehen, liegt alle Last auf den Schultern von Hansi , der von Drögemeier gut abgeschirmt wird. Hansi wirft zwar oft, erzielt aber nur vier Treffer, was zum Sieg nicht reicht. Am Ende der Saison 197011971 ist der VtL als Zweiter der Bundesliga-Gruppe Nord für die Vorschlussrunde der deutschen Meisterschaft qualifiziert. Der VtL verbucht in dieser Saison ein Unentschieden gegen THW Kiel (I 0: I 0) und neben der Heimniederlage gegen Kiel unterliegt die Mannschaft auswärts Phönix Essen (12:19), TuS Wellinghofen (13:17) und Grün-Weiß Dankersen (12:17). So viel Punkte (neun) wird der VtL zu Hansis Zeiten in keiner Saison mehr abgeben . In der Bundesligasaison 1970/71 wird Hansi Schmidt zum fünften und letzten Mal Torschützenkönig mit 96 Treffern vor Josef Karrer (TV Großwallstadt) mit 75 und Hansis Banater Landsmann Hans Moser (TSV Milbertshofen) mit 69. In der Endrunde scheitert der VfL gegen TV Großwallstadt, den Ersten der Gruppe Süd. Das Halbfinal-Hinspiel in der Dortmunder Westfalenhalle verlieren die Gummersbacher 16:20 (5: II) gegen TV Großwallstadt. Held des Abends ist Tor-

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wart Manfred Hofmann, der mit seinen Paraden den Sieg sicherstellt. Neuer VfLTrainer ist seit diesem Halbfinal-Spiel Sportlehrer Günter Riemer. Er ist ein Schüler Dreischangs und stammt ebenfalls aus der DDR. Reiner Oberle, der seit dem Anpfiff nicht von Hansi gewichen ist: "Ich hatte mir meine Aufgabe schwerer vorgestellt. Wenn Schmidt einmal in Bewegung ist, kann man ihn zwar nur noch schwer bremsen, aber er spielt fair. So gab es ftir mich doch viele Möglichkeiten, ihn zu stören". Der Gummersbacher HandballchefEugen Haas sieht den Grund der Niederlage in einem Konditionsrückstand der Mannschaft. Hansi hingegen spricht von einer gewollten Unruhe, von Feldhoff, Jochen Brand und Dreischang in die Mannschaft hineingetragen. Die Gummersbacher Rückraumspieler bringen gegen Großwallstadt nicht das Gewohnte. Bölters Leistenverletzung hindert ihn noch entscheidend. Ein Faustschlag mitten ins Gesicht bremst Kosmehls Tatendrang frühzeitig. Und Hansi ist nicht in Form. Trotzdem ist er mit seinen acht Toren immer noch erfolgreichster Werfer. Davon resultieren drei aus Siebenmetern. Für die ftinf weiteren Treffer benötigt er 21 Versuche, wegen der Paraden des Tausendsassa Hofmann. Die Halbfinal-Rückspielein der Bundesliga bedeuten ft.ir die zweifachen Europapokalsieger VfL Gummersbach und Frisch Auf Göppingen das Aus. Vizemeister Gummersbach steckt weiter in der Krise . DerTitelverteidiger aus Göppingen kann seit längerem nicht mehr überzeugen. Der knappe 15:13-Erfolg vor heimischer Kulisse gegen Grün-Weiß Dankersen ist ein dünnes Polster ftir Göppingen. Das Rückspiel verliert Frisch Auf mit 7: 15 . Den Gummersbachern reicht das 19:19 in Mainz gegen Großwallstadt ebenfalls nicht. Auch im Rückspiel gelingt es Rainer Oberle, Bundesliga-Bomber Hansi Schmidt mit Bravour zu stören, doch der Gummersbacher wirft neun Tore. Auch in dieser Saison wird Hansi Torschützenkönig, und zwar mit 89 Treffern. Es ist das ftinfte Mal in Folge seit 1967, dass er die meisten Tore erzielt. Dreischang geht nach der Kündigung zum TuS Derschlag. Kar! Gustav Kriegeskotte, der vergebens versucht hat, Nachfolger von Eugen Haas beim VfL Gummersbach zu werden, will jetzt im benachbarten Derschlag einen kräftigen Konkurrenten aufbauen. Dazu holt er den befreundeten Klaus Brand, Bernd Podak und Hans-Gerd Bölter nach Derschlag. Später wird er auch Klaus Westebbe und Hansi Schmidt Angebote unterbreiten, doch die beiden lehnen ab. Über das faire Angebot wird Hansi nie ein Wort verlieren. Noch heute bewahrt er es in seinen Unterlagen auf. "Kriegeskottes Verhalten war nicht zeitgemäß, aber zukunftsweisend." Hansi fallt im Traum nicht ein, einen Mann wie Eugen Haas unter Druck zu setzen oder zu erpressen. Er einigt sich stets mit Eugen Haas per Handschlag. Lediglich 1976, als bekannt wird, dass sich Hansi verabschieden will, bietet Haas ihm einen schriftlichen Fünf-Jahres-Vertrag an. Der Abschied vom VfL ist ftir Hansi aber beschlossene Sache.

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Hansi wechselt nicht den Verein, weil er sich Eugen Haas gegenüber moralisch in der Pflicht fühlt und weil er den VtL als einen Teil von sich selbst betrachtet. Außerdem hat Hansi stets eins im Hinterkopf: Geld verdirbt den Charakter. Und noch eins: Er will nicht wieder aufWanderschaft gehen. Er hat eine neue Heimat gesucht, und auch gefunden. Das ist ein weiterer Grund für ihn, in Gummersbach zu bleiben, deshalb entscheidet er sich für Kontinuität, für die Gummersbacher Handballfamilie. Er will nicht weiter auf der Flucht sein. In seiner ganzen Laufbahn hat er sich nie einen Vorteil verschafft, indem er andere ausgenutzt hat. Oft hat er sich ins eigene Fleisch geschnitten. Wenn er aufs Feld gelaufen ist, hat er stets den Zuschauer als König behandelt und hat sich von den Anhängern angenommen gefühlt. Denn der Zuschauer muss etwas zu sehen bekommen, sagt er. Wenn der Zuschauer auf seine Kosten kommt, dann steht er auch hinter der Mannschaft. Der Aktive habe nicht das Recht, mit den Gefühlen des Zuschauers zu spielen. Nach dem Weggang von Klaus Brand, Bernd Podak und Hans-Gerd Bölter nach Derschlag und von Helmut Kosmehl nach Fulda am Ende der Saison 1970/71 wendet sich Eugen Haas an Hansi mit den Worten: "Das muss deine stärkste Saison werden. Jetzt kannst du zeigen, was in dir steckt." Hansi enttäuscht den Handbali-Abteilungsleiter nicht. Das waren die richtigen Worte. Das war sein angeborener pädagogischer Takt, dessen er sich gar nicht bewusst war, so Hansi . In diesem Jahr ( 1971) wird der VtL zum dritten Mal den Buropapokal der Meister gewinnen. Und dann folgt eine Serie, die fast ohnegleichen ist: 1972 wird der VtL Vizemeister, von 1973 bis 1976 viermal in Folge deutscher Meister und 1974 wieder Europapokalsieger. Diese Siegesserie wird Nationaltorwart Bode zu der Aussage veranlassen: "Der Verein, in dem Hansi spielt, wird deutscher Meister." 1975 ist Kriegeskotteam Ziel: Dem TuS Derschlag gelingt ein Sieg gegen den VtL. Wie Hans-Georg Lahr, der die Jugend und zeitweilig die Bundesligamannschaft des TuS Derschlag trainiert hat, sagt, ist Kriegeskotte nicht mehr gut auf den VtL zu sprechen, seit Eugen Haas mit Klaus Westebbe und Helmut Keller die besten Nachwuchskräfte aus Derschlag abgeworben hat.

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Zeitzeugen

Vlado Stenzel: Weltbester gleichaufmit Hans Moser Hansi Schmidt ist in der zweiten Hälfte der 1960er und Anfang der 1970er Jahre zusammen mit seinem Landsmann Hans Moser weltbester Hallenhandballspieler. Moser, ein begnadeter Techniker, groß gewachsen, spielt so elegant wie wahrscheinlich keiner vor und nach ihm . Hansi Schmidt, ein ebenfalls großer, aber wuchtiger Spieler, verfUgt vor allem in jungen Jahren über eine enorme, unfassbare Wurfstärke. Seine Würfe sind präzise und knallhart. Später entwickelt er sich zu einem phantastischen Spielmacher. Seine angetäuschten Würfe erreichen den freien Mitspieler fast immer. Er ist ein starker Einzelspieler. Hansi gehört zu den wenigen Spielern, denen es gelungen ist, zu beweisen, dass ftir einen guten Spieler Handballtraining allein nicht ausreicht. Hansi hat in seiner Jugend Leichtathletik getrieben, davon haben er und sein Spiel viel profitiert. Dieser Sport hat ihm die enorme Kraft gegeben. Hansi war der muskulöseste Handballspieler aller Zeiten . Er war ein richtiger Athlet, ein Erscheinungsbild wie ein Kugelstoßer. Der Russe Wladimir Maksimow hat ihn diesbezüglich nicht ganz erreicht. Hansi ist ein Teil der Gummersbacher Handballgeschichte. Er hat den Verein groß gemacht. Ohne ihn und sein Können wäre Gummersbach ein unbekanntes Städtchen wie viele andere in Deutschland geblieben. Hansi war ein Glücksfall ftir den VfL. Man kann Eugen Haas zu diesem Glücksgriff nur gratulieren. Haas ist es gelungen, mit Hansi Schmidt, Joachim Deckarm und Erhard Wunderlich die drei weltbesten Handballer aller Zeiten nach Gummersbach zu holen. Hansi Schmidt hat dem Hallenhandball aber nicht nur im Oberbergischen Land auf die Sprünge geholfen, sondern in ganz Deutschland einen gewaltigen Schub nach vorne gegeben. Hansi war ein Vorbild ftir alle, hoch intelligent, er kann sich artikulieren, er kann sein Wissen weitergeben. Er ist Teil der deutschen Sportkultur. Jeder Spieler hat Eigenschaften, die irgendjemandem nicht passen. Spitzensportler sind Künstler, 234


sie sind eine andere Welt. Hansi hat dazu gehört. Er ist jedenfalls nie ganz akzeptiert worden. Ob es Neid war? Es ist zu vermuten. Warum er mit der deutschen Nationalmannschaft nicht mehr erreicht hat, liegt auf der Hand. Sie konnte damals mit den Ostblockmannschaften nicht Schritt halten. In jenen Jahren wurde in den deutschen Klubs nur zweimal wöchentlich trainiert. Das war zu wenig im Vergleich zu dem Pensum, das Spitzenmannschaften des Ostblocks geleistet haben. Auch der Nationalmannschaft stand nicht genug Zeit zur Verfügung. Hansi ist seinerzeit nicht gut aufmich zu sprechen gewesen, weil ich bei der Übernahme der deutschen Nationalmannschaft im September 1974 auf die alten Spieler verzichtet und auf die jungen gesetzt habe. Er war damals noch stark und gut genug, um ftir Deutschland zu spielen, doch ich wollte ftir die Zukunft planen. Eine zweite Variante mit ihm war nicht durchführbar.

Zur Person: Vlado Stenze!, am 23 . Juli 1934 in der kroatischen Hauptstadt Agram (Zagreb) geboren, studiert Sport mit dem Schwerpunkt Handball, ergreift die Trainerlaufbahn und wird 1962 erster Profitrainer in Jugoslawien. Seine größten Erfolge: Mit Medvescak Zagreb erringt er 1964 den jugoslawischen Meistertitel und den Pokal, 1968 gewinnt er mit RK Crvenka zum zweiten Mal den jugoslawischen Meistertitel. Mit der jugoslawischen Nationalmannschaft holt er 1970 in Frankreich WM-Bronze und 1972 in München Olympia-Gold. Mit Deutschland wird er 1978 in Dänemark Weltmeister. Von 1961 bis in die Gegenwart trainiert Vlado Stenze! eine Vielzahl von Vereinen in Kroatien und Deutschland.

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Ballbehandlung pe1jekt: Hansi spielt einen Kollegen an.

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Mit Hansi von Titel zu Titel Wiedergeburt einer Mannschaft

Klaus Kater, Eugen Haas und Rosa Schmidt

Im Viertelfinale des Buropapokals setzt sich der VfL gegen Balonmano GranoBers mit 25:14 und 16:12 durch. Am Rande des Halbfinai-Hinspiels gegen den portugiesischen Meister Sporting Lissabon, das der VfL 25: 17 gewinnt, trifft Hansi FußbaUstar Eusebio. Während für Hansi der Portugiese ein Begriff ist, muss Eusebio passen. Handball ist im Portugal der 1970er Jahre noch nicht populär. In Portugal gibt es zu jener Zeit 4000 Aktive. Das Rückspiel in Gummersbach gewinnt der VfL mit 27: II gegen Lissabon. 1971 gibt es eine Neuauflage des Zweikampfs der Torschützenkönige Hansi Schmidt und Gheorghe Gruia, ehemalige Freunde und Mannschaftskameraden bei Steaua Bukarest. Der Halblinke und der Halbrechte stehen sich am 2. April 1971 im Finale des Buropapokals der Meister in der Dortmunder WestfalenhaBe gegenüber. 14 000 begeisterte Zuschauer erleben den knappen, aber verdienten 17:16 (7:6)-Erfolg des VfL Gummersbach über Steaua. Es ist die Wiedergeburt einer schon abgeschriebenen Mannschaft. Der VfL steigt auf wie Phönix aus der

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Asche. Mit diesem schwer erkämpften Sieg über die Handballstars des rumänischen Armeeklubs tragen sich die Gummersbacher als erste Mannschaft ein drittes Mal in die Liste der Gewinner der heißbegehrten Trophäe ein. Aber sie beweisen auch: Mit Einsatz, Kampfgeist und letzter Entschlossenheit kann man Berge versetzen. Die Kölnische Rundschau titelt: "Der große Sieg eines großen Teams. Das Husarenstück einer Mannschaft, deren Uhr abgelaufen schien. 17:16 über Steaua". Der Reporter lobt vor allem Hansi: "Schmidt warf nicht nur neun Tore, er war auch in der Abwehr selten so wirkungsvoll wie am Freitag." Im Finale hat die heterogene Truppe die Vorgänge der vergangenen Monate hinter sich gelassen und ist über sich hinausgewachsen . " ... so zerstritten diese Mannschaft sein mochte, so unüberbrückbar die Gegensätze auch schienen, so schlecht kann es um den Geist eines Teams wohl nicht bestellt sein, das so kämpft, das sich geradezu zerreißt, um den Verein zum größten Triumph in der immerhin vierzehnjährigen Geschichte des Europacups zu führen, zum dritten Gewinn des Pokals", urteilt die Deutsche Handballwoche. Helmut Kosmehl macht an diesem 2. April 1971 das Spiel seines Lebens gegen den Bukarester Schützen vom Dienst Gruia. Aber auch Klaus Brand und Rainer Lingelbach in seinem letzten großen Spiel vor seiner Rückkehr zu seinem Stammverein Bayer 04 Leverkusen kämpfen vorbildlich. Doch geprägt wird das dramatische Ringen von den großen Zweikämpfen der weltbesten Scharfschützen Schmidt und Gruia. Obwohl Hansi Schmidt, von Gatu hautnah gedeckt, das Duell der beiden Wurfgiganten mit vier Fehlversuchen beginnt, entscheidet er es eindeutig für sich . Am Ende stehen neun Treffer bei acht Fehlversuchen aufHansis Konto. Gruia aber gelingen aus 18 Versuchen nur sechs Tore und vier Pfostentreffer. Spontan umarmt Gruia seinen Widersacher nach dem Abpfiff und meint: "Hansi , du bist doch der Größte." Und dann die wahrscheinlich spielentscheidende Szene. Schon viermal hat der kommende Steaua-Star Stefan Birtalan Klaus Kater im Gummersbacher Tor als Siebenmeterschütze überwunden, dreimal mit eleganten Hebern und einmal per Aufsetzer. Beim fünften Duell aber siegt Kater. Er lenkt den Flachwurf Sirtalans um den Pfosten, und zwar beim Stand von 15:13. Den Fehlwurfbeantwortet Hansi Schmidt prompt mit einem Tor. Noch einen wichtigen Faktor werfen die Gummersbacher in die Waagschale: ihre Cleverness. Je zweimal müssen Spieler aus beiden Mannschaften auf die Bank: Hansi Schmidt und Rainer Lingelbach beim VfL und Werner Stöckl und Cristian Gatu bei Steaua. Während die Steaua-Stars aus der zahlenmäßigen Überlegenheit gegen die konzentriert abwehrenden VfL-Spieler nichts machen können , gelingt es Hansi jedes Mal, ein Tor zu werfen. Nach dem Spiel meint der eben von seinen Spielern enthusiastisch gefeierte Günter Riemer: "Dieser Erfolg ist letzten Endes

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auch ein Ergebnis der Arbeit von Dr. Dreischang mit allen spieltechnischen und taktischen Konsequenzen. Mir oblag in der kurzen Zeit nur die Aufgabe, die Mannschaft für das große Spiel fit zu halten und fit zu machen." Die Deutsche Handballwoche weiter: "Der YfL Gummersbach hat es also trotz allem noch einmal geschafft; er hat nicht nur alle Zweifler überzeugt, alle Nörgler beschämt, er hat sich gleichzeitig mit diesem Triumph auch die Basis geschaffen für ein weiteres Behaupten in der Spitzenklasse."

Kampf der Giganten Das Spiel in der Westfalenhalle und der Kampf der Giganten Gheorghe Gruia bei Steaua und Hansi Schmidt beim VfL Gummersbach deckt eins auf: Beide sind durch den ungeheuer viel Substanz kostenden Handball älter geworden. Ihre Scharfschüsse aus der zweiten Reihe werden nicht mehr von einem pfeifenden Ton wie bei einer Rakete begleitet, aber sie sind immer noch stark genug, um für Dr. Hans Schmidt mit Eugen Haas die nötigen Tore zu sorgen. Gruia gegen Schmidt: das Duell zweier Athleten, die als Angriffsspieler unbestrittenes Weltklasseformat besitzen, die aber "in der Deckung auszurechnen sind", so die Deutsche Handballwoche. Gruia und Schmidt sind die "Feldherren" ihrer Mannschaften. Sie geben das Angriffssignal. In Dortmund gehen anfangs etliche Würfe daneben, Gruia und Schmidt müssen erst eine Durststrecke überstehen. Der Sport hat Spuren hinterlassen. Gruia und Schmidt werden ftir ihren Mut, eine Mannschaft zu führen und durch ihre Tore den Erfolgskurs zu bestimmen, oft genug mit Fouls bestraft. Der Wille zu den kräftezehrenden Alleingängen und zu vernichtenden Sprungwürfen ist nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Die Deutsche Handballwoche weiter: "Steaua und der YfL bedurften ihrer Scharfschützen im großen Finale, die sechzig Minuten bestätigten die Ausnahmestellung von Gruia und Schmidt. Die Nebenspieler wurden mehr und mehr, was das Toreschießen anbelangt, in eine Statistenrolle gedrängt." Beide wuchten die Bälle aus der zweiten Reihe ins Tor. Gruia startet von rechts, ein wenig geduckt, dann nach vorn schnellend im fast schleichenden Gang eines Indianers. Gruia, zunächst mit dem vorgeschobenen Mann der YfL-Deckung,

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Helmut Kosmehl , konfrontiert, beschleunigt seinen Lauf, er sucht die Rampe ftir seinen Sprung, der den Wurf nach sich zieht. Er zieht schnell ab und feuert wie ein Wildwest-Held, wobei er das Überraschungsmoment ausnutzt. Der Torwart reagiert meistens erst dann, wenn der Ball schon im Tor ist. Hansi Schmidt macht seine Tore anders. Sein Spiel lebt nicht vom Tempo, sondern von einer hervorragenden Körperbeherrschung und Sprungkraft Sie ermöglichen es ihm, wie ein Hubschrauber in der Luft zu stehen. Die Hundertstelsekunden bringen Hansi Schmidt den entscheidenden Vorteil. Mühelos kann er auch die hochgereckten Arme der Gegenspieler ausrechnen . Der Torwart ist mit einer fast ausweglosen Situation konfrontiert, wenn er abzieht. Doch die beiden Ausnahmehandballer unterscheiden sich nicht nur durch die Art, wie sie ihre Tore werfen. Während Gruia sich fast ausschließlich aufs Torewerfen konzentriert und einem Gatu das Ballverteilen überlässt, ist Hansi auch ein Spielmacher und Regisseur par exellence. Spieler wie Gruia und Schmidt zählen zu den Attraktionen des Handballspiels, sie sind die Zugnummern. Der Handballanhänger liebt die Spielweise solcher Männer, die bei den vielen Peinigungen durch ihre Gegenspieler manchmal zurückschlagen. Das trägt ihnen wiederum keine Sympathien ein. Scharfschützen sind nicht überall beliebt. Spieler, die in einer Mannschaft eine Ausnahmestellung besitzen, gehen einen dornenvollen Weg. Sie leben im Zwiespalt der Gefühle. Werden sie dem Ruf als Vollstrecker gerecht, werden sie in den Himmel gehoben, versagen sie, werden sie mit Schimpf und Schande in die Kabine entlassen. Wer den Kampf der beiden Scharfschützen gesehen hat, kann nachvollziehen, warum der frühere Trainer von Steaua Bukarest und der rumänischen Nationalmannschaft, Johnny Kunst, es Hansi nie verziehen hat, dass er ihm und Rumänien den Rücken gekehrt hat. Hansi auf der Königsposition und Gruia auf Halbrechts, die beiden Scharfschützen in einer Klub- und in einer Nationalmannschaft Seite an Seite, welche Truppe dieser Welt hätte Steaua und Rumänien Paroli bieten können? Mit zwei Spielern der absoluten Weltspitze? Die Fachleute sind von dem Finale begeistert. Emil Horle, Vorsitzender derTechnischen Kommission der Internationalen Handball-Föderation: "Heute konnte ich an einem prächtigen Handballfest teilnehmen ... Es war ein Kampfspiel, aber ein absolut anständiges, denn es wurden nie die Grenzen überschritten." Johnny Kunst, früherer Steaua- und Nationaltrainer, hat ein wahres Endspiel um den Europapakai gesehen, zwei Mannschaften mit einer kompletten Vorbereitung. Für ihn hat Gummersbach verdient gewonnen. Gruia hat eine athletische Mannschaft, in die individuelle Persönlichkeiten eingebaut sind.

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Für Nicolae Nedef, den Nationaltrainer Rumäniens, war in diesem wahren Finale die größere Kraft ausschlaggebend. "Entscheidend ftir mich war der von Steaua beim Stand von 13: 15 nicht verwandelte Siebenmeter. Statt des 14:15 kam dann im Gegenzug das 13: 16." Steaua-Trainer Cornel Otelea meint, das Endspiel war eine gute Werbung ftir den Handballsport "Es war ein faires Spiel. Wir hätten genauso gut gewinnen können. Der entscheidende Moment war der nicht verwandelte Siebenmeter." Die Statistik des Endspiels YfL Gummersbach gegen Steaua Bukarest 17:16 (7:6) VfL Gummersbach: Kater (Hamann nicht eingesetzt); Klaus Brand, Lingelbach (I), Bölter (3), Feldhotf(2), Keller, Leiste (nicht eingesetzt), Westebbe (I), Schmidt (9, davon zwei Siebenmeter), Kosmehl (I), Braunschweig. Steaua Bukarest: Dinca, Munteanu (47 bis 52. Minute); Gatu (2), Birtalan (4 Siebenmeter), Stöckl (I Siebenmeter), Popescu, Jakob (nicht eingesetzt), Coasa (1), Goran, Gruia (6), Marinescu, Christenau (2). Gummersbach bereitet dem dreimaligen Europapokalsieger wieder einen großen Empfang. Stadt und Bürgerschaft zollen den Sportlern Dank und Anerkennung.

Zu Besuch im Banat Anfang der 70er Jahre: Marienje!der und Handballer von Politechnica Temesvar organisieren zu Ehren ihres ehemaligen Mannschaftskollegen ein Spiel in Hansis Geburtsort: (stehend von links) Franz Binde!~ Alexandru Dragoi, Hartwig Junker, Hansi Schmidt, Horst Niesz, Simion Teacoiu, Ewald Fendler, Ewald Kolleth, (hockend) Edwin Sauer, Eugen lvan, Florin Comanescu, Franz Demian. Ion Covasintan, Mihai Constantinescu, Werner Schön und Richard Schmidt.

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In der Stadthalle in Gummersbach sind am Nachmittag dieses 3. April 1971 viele zur Feier gekommen. Die Jugend drängt sich um die Mannschaft. Die Spieler schreiben Autogramme auf Bierdeckel , Karten und alles, was beschriftet werden kann. Bürgermeister Heinz Billig gratuliert der Mannschaft. Nach dem Endspiel geht die Siegermannschaft auf dreiwöchige Japan-Tournee. Über den Nordpol geht der Flug nach Tokio. Drei Stunden nach der Landung steht das erste Spiel auf dem Programm, und zwar gegen die japanische Nationalmannschaft. Bei einem Gegenstoß prallt der japanische Rechtsaußen mit Torwart Klaus Kater zusammen. Es kracht, der Gummersbacher kommt ins Krankenhaus und erwacht erst nach drei Tagen aus dem Koma. Auch in Japan kommt die Mannschaft nicht zur Ruhe. Eines Abends, so Hansi, sind Spieler, darunter Feldhoff, auf dem Zimmer von Jochen Brand versammelt. Hansi hört lautes Schimpfen im Nebenzimmer. Die Versammelten wollen sich angeblich vom VfL verabschieden. Nach der Heimkehr sind die Drohungen vergessen, keiner macht sie wahr. Im Juni 1971 verpflichtet Eugen Haas mit Djordje Yucinic einen neuen Trainer. Der Serbe war Cheftrainer des Berliner Handball-Leistungszentrums. Trotzdem: In der Saison 1971/1972 muss sich der YfL mit dem Vizemeistertitel begnügen. Meister wird Frisch Auf Göppingen. Auch im Buropapokal reicht es nur für den zweiten Platz. Das Rennen macht Partizan Bjelovar. Dabei startet der YfL ganz passabel in die neue Spielzeit. Der Auftakt in eigener Halle gegen den Flensburger TB mit einem 22:12 ( 11 :4) ist gelungen. Der neue Trainer Vucinic meint nach dem Spiel, die erste Hürde ist genommen. Lob erntet diesmal die Gummersbacher Flügelzange, die aus Jochen Feldhoff und Bruno Zay besteht.

Als Regisseur immer besser "Schmidt immer besser als Regisseur", heißt es in der Deutschen Handballwoche nach dem Gummersbacher 20: 13 (9:7)-Sieg über TuS Wellinghofen. Das ist ja ein ganz anderer VfL Gummersbach, wundert sich Wellinghofens Nationalspieler Hans-Peter Neuhaus. Die Blau-Weißen sind keineswegs schwächer geworden, sie sind sogar spielerisch und kämpferisch stärker. Gegen sie zu spielen ist schwerer als zuvor. Vucinic hingegen sieht nur unverkennbare Fortschritte. Das harte Training des ehemaligen jugoslawischen Nationaltrainers beginnt sich zu lohnen. Hansi Schmidt wächst immer mehr in die Rolle des Spielmachers, der selbst in kritischen Situationen klaren Kopf behält. Weiterer Pluspunkt für Gummersbach sind die großartigen Kreisläufertore von Bruno Zay. Beste Schützen der Gummersbacher sind mit je fünfTreffern Zay, Westebbe und Hansi Schmidt. Schon vorher ist der YfL in Harnburg über ein II : II ( 4:7) gegen den HSV nicht hinausgekommen. Das nächste Spiel in Schwartau geht 14:17 (8:8) verloren.

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Im Oktober 1971 nimmt Hansi mit der deutschen Nationalmannschaft am Turnier um den Ostseepokal in Dänemark teil. Die deutsche Mannschaft belegt einen enttäuschenden dritten Platz zusammen mit Polen. Der große Gewinner des Sechsländerturniersist die DDR. Allein ungeschlagen, beendet sie die viertägige Veranstaltung mit einem allerdings hart erkämpften und auch etwas glücklichen 19:18 ( 16: 16, I 0:8) über die Sowjetunion. Gemeinsam belegen die Bundesrepublik und Polen den dritten Rang nach einem ebenfalls eine Verlängerung erfordernden 24:24 (21 :21, 11 :9) im PlatzierungsspieL Fünfter schließlich wird Dänemark mit 17 :10 (7:3) über Schweden. Vor dieser Begegnung mit Polen steht eine Aussprache zwischen Trainer Werner Vick und Hansi Schmidt, der auf die vermeintliche Abwertung, nicht jeweils mit der ersten Sieben auf das Feld geschickt zu werden gegen die Sowjetunion, mit erheblicher Passivität reagiert hat. Nach dem klärenden Gespräch steuert Hansi acht Tore zum 24:24 gegen Polen bei und beweist, wie wertvoll er ftir die deutsche Mannschaft sein kann. Ohne ihn in der Grundaufstellung wäre eine neuerliche Niederlage an diesem Tag fällig gewesen, urteilt die Fachpresse. In der Vorrunde besiegt die deutsche Mannschaft Dänemark mit 16:10 (9:4). Sie beginnt das Spiel mit Kater, Munck, Lange, Weng, Möller, Finkelmann und Braun und spielt sich in den ersten zehn Minuten bei nur sechsAngriffen eine 5:1-Führung heraus. Danach folgen zehn schwächere Minuten, denn Möller (2), Braun, Munck und Müller vergeben sichere Möglichkeiten. Die Dänen kommen in der 18. Minute auf 4:5 heran. In dieser Phase kommt der erst nach 14 Minuten ins Spiel genommene Hansi Schmidt zu seinen beiden Toren . In der zweiten Halbzeit ebenfalls nur sporadisch eingesetzt, macht er sich auf dem Feld recht nützlich, weil er meist zwei Gegner aufsich zieht, Lücken ftir seine Nebenleute öffnet und in der Abwehr etliche Würfe auf Katers Tor ablenkt. Gegen die Sowjetunion geht die deutsche Mannschaft mit 9: 17 (5:9) unter. Das Vortagsspiel gegen Dänemark hat zu viel Kraft gekostet. Die deutschen Spieler bauen ab. Und Hansi Schmidt kann nicht allein ein Länderspiel entscheiden, wenn es bei der Mehrzahl seiner Kameraden nicht läuft, schreibt die Deutsche Handballwoche. Nach dem Spiel meint VfL-Trainer Vucinic, im deutschen Angriff sei kein Konzept erkennbar gewesen . Auf dem Weg zur "Turniermannschaft" ist das deutsche Team in Dänemark keinen Schritt weiter gekommen. Nach dem Turnier meint Christian Wiegels in der Deutschen Handballwoche, Hansi könne die Funktion Lübkings als Spielmacher der Nationalmannschaft nicht übernehmen. Doch kaum ist Hansi zurück bei seinem Klub, läuft es ganz anders. Dort ist er Spielmacher. Der VfL bringt Kiel die erste Niederlage in der neuen Saison bei. In neun Minuten überrennt der VfL die Norddeutschen. Zum 17:13 (13:7) steuert

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Die Autogramme des VJL-Stars im Dress des Temesvarer Studentenklubs Politechnica sind auch in seiner Heimat gefragt.

Hansi zwei Tore bei . Hansi , der seit dem Wechsel Klaus Brands zum TuS Derschlag Mannschaftskapitän ist, sagt der Presse nach dem Spiel: "Wir haben heute bewiesen, dass wir nicht nur kämpfen können , sondern wieder eine wirkliche Mannschaft bilden, in der einer für den anderen steht." Nach dem 18 : I 0 (II :4) über Phönix Essen ist ftir den achtfachen Torschützen Hansi Schmidt eines klar: Der VfL mischt wieder mit. Das von dem Rumänen Petre lvanescu betreute Essener Team jedoch wird in dieser Form keine große Rolle spielen . Nach einer Viertelstunde fUhrt der VfL schon mit 5:0. "Dabei unterstrich Hansi Schmidt, dass er nicht nur die Rolle des Spielmachers noch beherrscht, sondern auch als Bomber wirkungsvoll sein kann wie eh und je. Selbst die von Ivanescu ihm zugedachten Schutzleute Talksdorf und wechselweise auch Weise vermochten den Gummersbacher Hünen nicht entscheidend zu irritieren. Fünfmal schmetterte Schmidt bereits in den ersten 18 Minuten das Leder ins Essener Netz. Bereits nach 20 Minuten ließ sich der Nationaltorwart Meister entnervt auswechseln. Er hatte in Schmidt seinen Meister gefunden", ist in der Deutschen Handballwoche zu lesen . "Mit Schmidts Toren zum 16: II-Sieg", heißt eine weitere Schlagzeile 244


nach dem Rückrunden-Spiel in Flensburg. Hansi erzielt sieben Treffer. Anschließend weist der VfL auch den Hamburger SV in die Schranken. In eigener Halle kommt derVfL zu einem 18 :14 (10:9)-Erfolg.

Galavorstellung in Ga/atz Im November 1971 gibt der noch vor kurzem beim Turnier in Dänemark getadelte Hansi Schmidt am Unterlauf der Donau im rumänischen Galatz eine Galavorstellung. Die deutsche Mannschaft belegt im Turnier um den Karpaten-Pokal zwar nur Platz vier, doch die Deutsche Handballwoche titelt: "Mit Hansi Schmidt kam keiner mit". Für Hansi ist das Turnier in Galatz eines der schönsten Sporterlebnisse überhaupt. Hansi, jetzt Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, wird mit 40 Treffern Torschützenkönig des Turniers. Die Handballanhänger in Galatz wissen, wer er ist. Sie feiern ihn, er trifft sich mit vielen jungen Leuten, meist Studenten, nach den Spielen im Cafe. Die deutsche Mannschaft erreicht die Endrunde des Turniers nach Siegen über Frankreich (22: 13) und über Nmwegen (19: 15). Die Schützlinge von Werner Vick bieten gegenüber dem Frankreich-Spiel eine wesentliche Leistungssteigerung und ziehen nach einem 1:1 klar mit 4:1, 7:3, 10:6, 13 :7 und 13:9 dem Sieg mit 19:15 Toren entgegen, wobei sie lediglich in der letzten Viertelstunde konditionell nachlassen. Die Taktik des Bundestrainers, mit den Gummersbacher Spielern einen Block zu bilden, zahlt sich gegen die Norweger aus, die nach ihrem großen Spiel am Vortag gegen Rumänien ( 12 : 15) einen deutlichen Substanzschwund aufweisen. Der Gummersbacher Torjäger Hansi Schmidt, der allein acht Tore erzielt, Görtz (Bad Schwartau) und Torwart Kater (VfL Gummersbach) sind die besten Spieler der deutschen Mannschaft. Klaus Westebbe bestreitet sein erstes Länderspiel. In der Endrunde kommt Rumänien mit einem weltmeisterliehen Blitzstart und viel Glück zu einem 19: 15 ( 14:8)-Erfolg über die deutsche Mannschaft. Vor 3000 Zuschauern steht es nach zehn Minuten schon 6: I fur die Gastgeber. Trotz der Niederlage: Die deutsche Mannschaft macht eines der besten Länderspiele seit dem 15: 14-Erfolg über denselben Gegner bei der Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich. Die Schiedsrichter rauben dem deutschen Team den verdienten Lohn, erregen sich Djordje Vucinic und Vlado Stenze! nach dem Spiel. Doch die Niederlage hat noch eine Ursache: Torwart Uwe Rathjen, Max Müller in seinem 50. Länderspiel und Diethard Pinkelmann versagen an diesem Tag. Der Göppinger Torwart hält in der ersten Spielhälfte nur vier Bälle. Die Glanzform des Gummersbacher Schlussmanns Kater in seinem 25. Länderspiel ändert danach nicht mehr viel. Zu diesem Zeitpunkt fUhren die Rumänen schon klar. Daran kann auch der alles überragende Hansi Schmidt nichts ändern . Der 29-jährige Gummersbacher läuft zur Superform auf und erzielt bei neun Würfen sieben Tore. Dabei ist der 245


DHB-Kapitän in seinem 58 . Länderspiel erst neun Minuten später aufs Feld gekommen. Der Grund: Bundestrainer Werner Vick will die Rumänen mit dieser Taktik überraschen. Doch Vicks Rechnung geht nicht auf. Die anderen Spieler haben nicht den Mut zum Torwurf Gewinner des Karpaten-Pokalturniers wird allerdings nicht der gastgebende Weltmeister Rumänien , sondern Jugoslawien, der künftige Olympiasieger. Entscheidend flir den Sieg der Jugoslawen ist ein überraschendes 19: 19 des Weltmeisters gegen Ungarn, das zum Schluss den dritten Tabellenplatz hinter Rumänien belegt. Deutschland landet auf dem vierten und letzten Platz in der Endrunde und somit auch im Turnier. Denn nach zwei Vorrundensiegen gegen das zweitklassige Frankreich und Norwegen gibt es gegen die Weltklasse-Nationen aus dem Ostblock nichts mehr zu gewinnen. Nur gegen Ungarn gelingt ein 19: 19. Dennoch schlägt sich die DHBTruppe beachtlich. Gegen Jugoslawien verhindert allein Pech den Sieg, und gegen Rumänien ist ein allzu schneller Rückstand entscheidend ftir die Niederlage. Überlegener Torschützenkönig de s Turniers wird Hansi Schmidt, der 40 von 91 deutschen Toren wirft und damit mehr als 40 Prozent des DHB-Anteils auf sein Konto schreibt. An zweiter Stelle folgen Hansis ehemaliger Mannschaftskollege von Steaua Bukarest Gheorghe Gruia und Ungarns Spielmacher Marosi mit je 26 Toren. Zweitbester deutscher Schütze ist der Dietzenbacher Linkshänder Herbert Wehnert mit zehn Toren . Die übrigen deutschen Tore erzielen: Feldhoff (8), Lange (7), Braun und Görtz (je 5), Sucher und Rogge (je 4), Westebbe, Brand und Spengler (je 2), Pinkelmann und Müller (je I). Unmittelbar nach dem Vierländerturnier in Galatz greift der VfL ins Europapokal-Geschehen ein. Freud und Leid, Glück und Zufall, wie nahe liegen sie doch beisammen im Sport. Das zeigt sich einmal mehr bei der großen EuropapokalDoppelveranstaltung in der Dortmurrder Westfalenhalle. Grün-Weiß Dankersen liefert der russischen Mannschaft von MAI Moskau einen großen Kampf, fUhrt mit 3:0, in der Schlussphase noch mit 10:9 und verliert doch noch mit 11 :13. Die Westfalen scheiden damit nach dem II: 12 in Moskau schon im Viertelfinale des Wettbewerbs aus. Die Gummersbacher jedoch haben mit Sporting Lissabon einen schwachen Gegner. Ohne den verletzten Kapitän und Scharfschützen Hansi Schmidt fegen sie den portugiesischen Meister mit 38:6 weg. Die 12 000 Zuschauer in der Riesenarena in Dortmund spenden viel Beifall ftir die große kämpferische Leistung des deutschen Meisters Grün-Weiß Dankersen, das Scheibenschießen des VfL begleiten sie aber mit wahren Jubelstürmen. Im Rückspiel in Lissabon spielt der VfL 20:20 und steht im Viertelfinale des EC-Wettbewerbs. Vor Jahresende 1971 greift Tabellenführer VfL Gummersbach noch einmal ins Meisterschaftsgeschehen ein. Er setzt sich überraschend klar mit 20: 13 ( 11 :5) beim

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TuS Wellinghofen durch. Vor 1200 Zuschauern ist Gummersbach eindeutig besser, viel selbstbewusster und wurfstärker. Der Auftakt in der Halle ist freundlich und freundschaftlich. Hansi überreicht Heiner Möller Blumen zur Hochzeit. Dann aber legt er sofort los. Drei Granaten von Bomber Hansi Schmidt und ein Wurf von Schlagheck fUhren zum 4:0. Die Wellinghofener schließen zum 3:4 auf. Aber der VfL kontert geschickt zum 8:3 und geht mit 11 :5 in die Kabinen. Mit "Haken und Ösen" wird auch in den zweiten 30 Minuten gekämpft. Davon zeugen sechs Strafwürfe und fünf Platzverweise auf Zeit. Am Ende heißt es 20: 13 ( II :5) ftir den VfL Gummersbach. In blendender Verfassung stellen sich die Nationalspieler Hansi Schmidt und Klaus Kater vor. Aber auch die Nachwuchskräfte Ufer, Zay und Schlagheck mischen prächtig mit. In einem weiteren Spiel setzt sich der VfL gegen den Erzrivalen und deutschen Meister Grün-Weiß Dankersen mit 24:14 (13:8) souverän durch und qualifiziert sich ftir die Endrunde der deutschen Meisterschaft. Zum sechsten Mal hintereinander: Das ist bis dahin keiner Mannschaft gelungen. "Unser Team hat mit Verstand gespielt. Es hat begriffen, wie wichtig das Spiel war. Und wenn es kämpft, kann es jeden Gegner schlagen." So zitiert die Deutsche Handballwoche Trainer Vucinic. Gegen den glänzend eingestellten dreifachen Europapokalsieger haben die Westfalen keine Chance. Auch die in vergangenen Jahren oft bewährte Manndeckung für Hansi Schmidt reicht nicht. So mächtig sich die beiden Sanderbewacher Drögemeier und Barlach auch ins Zeug legen, Hansi hat sich einiges einfallen lassen, um die gegnerische Abwehr zu umgehen. Ufer, der junge Vollblutstürmer, erkennt die Lücken, die durch Hansis geschicktes Ausweichen entstehen. Und bedankt sich mit sechs Toren. Hansi Schmidt zeigt nicht nur, dass er seine Kieler Verletzung am Mittelfinger überwunden hat, er liefert auch den Beweis, dass er in Bestform ist. Sechs seiner acht Tore wirft er innerhalb der letzten 14 Minuten. Erfreulich auch das ständig steigende Selbstvertrauen der jungen Ufer (6) und Schlagheck (4). Maßgebend am Erfolg beteiligt ist ferner Torwart Klaus Kater. Trainer Vucinic spricht nach dem Abpfiff von einem der besten Spiele der Saison, das auf eine gute Mannschaftsleistung zurückzufuhren ist. Das Rückspiel in Dankersen endet 15: 15.

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Zeitzeugen

Hans-Günther Schmidt j unior:

Beständiges Glanzprodukt einer Sporthochkultur Das Spiel meines Vaters war meines Erachtens vor allem von zwei Elementen geprägt: von seiner herausstechenden körperlichen Präsenz und seiner Art, das Geschehen auf dem Spielfeld zu dominieren. Abgesehen von der Größe meines Vaters, waren eigentlich seine au sgewogenen Proportionen das, was einen besonderen Eindruck vermittelte. Extrem lange Beine , mit immensen Oberschenkeln und perfekt geformten, extrem kräftigen Waden, die nach unten hin in fast schmalem Umfang endeten . Sein Körper wirkte niemals bullig, nur schön . Die ballartigen Schultern und übergroßen Unterarme saßen auf dem Gestell wie ein Katapult. Die gleichmäßige Länge von Armen und Beinen gaben diesem Körper fast etwas Geschmeidiges. Mein Vater ist kein Jacquille O 'Neal oder Michael Jordan, sondern ein Gemisch dieser beiden, vielleicht deren Prototyp aus den 70ern: Dazu gehören Sprungkraft, Geschmeidigkeit, spielübertönende Muskeln, überraschende Schnelligkeit und Finesse. Er selbst verglich sich mit Muhammad Ali, und ich finde, der Vergleich hinkt nicht. Mein Vater hatte eine besondere Art, das Spiel zu dominieren. Er zog das Spielgeschehen auf sich, mit konstanter Bosheit. Hatte er den Ball, blieb das Spiel oft komplett stehen. So wirkte es zumindest auf mich als Kind. Es war mir sogar peinlich, wahrscheinlich weil diese egozentrische Art nicht meinem Naturell entspricht. Mehrfach hatte ich das Gefühl , dass selbst die Schiedsrichter die eintretende "Ruhe" nicht aushalten konnten , die Ikone aber nicht in Frage stellen wollten, dadurch aber selbst so in Zugzwang kamen, dass sie ihm zumindest einen Freiwurfftir nichts, aber bereitwillig geben würden. Dann endlich wurden sie von dieser Stagnation erlöst, von der sie auf einmal al s Urheber erschienen . Wie gesagt, ich erkannte den Urheber in meinem Vater, der nur seinen unzweifelhaften Status auszunutzen pflegte. Mir war das sehr unangenehm, und der Schweiß lief mir den Rücken hinunter.

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Die besondere Art des Spiels verkörperte sich aber auch auf der Ebene der Finesse. Das vielleicht Schönste an seinem Spiel war sein Talent, seine Selbstsicherheit in Verspieltheit umzuwandeln und dabei seine artistische Begabung voll auszunutzen. Letztere gipfelte in einer an Hexerei grenzenden Ballkontrolle und erfolgreichem Spielwitz, der die Zuschauer wild aufschreien ließ und vielleicht zu deren schönsten Handballerinnerungen gehören. Das zuvor beschriebene Katapult feuerte dann nicht mehr nur nach vorne, sondern in alle Richtungen . Das Katapult, wenn nach oben ausgefahren, überschattete alles. Aber die Bälle kamen auch aus der Hüfte, und selbst wenn der Rücken dem gegnerischen Tor zugedreht war, flogen sie zielsicher zum Kreisläufer, quer übers Feld zum Außen oder direkt ins gegnerische Tor. Ich brauche es nicht zu betonen: Beim Schreiben dieser Zeilen überkommt mich dann schlussendlich der Stolz, den ich ftir meinen Vater empfinde. Sein Spiel war ftir mich als sein Sohn einzigartig. Als Laie dürfte ich das vielleicht sonst nicht behaupten, dennoch bin ich in meiner Meinung mehrfach bestärkt worden. Zum einen von Vlado Stenzel. Er beschreibt Hansi Schmidt als den talentiertesten und geistig beweglichsten Spieler. Allerdings berücksichtigt Stenze! meinen Vater in einer Mitte der 80er Jahre erstellten Top-Ten-Liste der besten Handballer aller Zeiten nicht. Das tat mir als Kind sehr weh. Stenzeis Meinung zählte damals viel in der Öffentlichkeit, er war gerade gefeierter Trainer der deutschen Weltmeistermannschaft. Vor allem sah ich, dass Stenze! meinen Vater durch dieses Auslassen getroffen hatte. Aber die Rahmenbedingungen dieser Begebenheit waren damals zu komplex, um von mir verstanden zu werden. Die zweite Quelle, die mich bestätigt, ist Kurt Röttgens Beschreibung der Nervenstärke meines Vaters. Die dritte Quelle ist Cristian Zaharia, Olympionik mit der rumänischen Nationalmannschaft 1992 und jetzt US-Nationaltrainer, dessen respektvolle Äußerungen mir den Stellenwert meines Vaters als beständiges Glanzprodukt einer Sporthochkultur, der rumänischen Handballschule, verdeutlichen. Dr. Hans-Jürgen Schemensky bin ich zu Dank verpflichtet. Er hat mich wieder aufgerichtet und mir gezeigt, wie ich die Welt mit erhobenem Haupt erkunden kann. Er hat mir geholfen, aus dem Schatten meines berühmten Vaters herauszutreten.

Zur Person: Hans-Günther Schmidtjunior, geboren am 19. Januar 1969 in Gummersbach, treibt Leichtathletik und wird deutscher Juniorenmeister im Speerwurf Nach dem Abitur am Grotenbach-Gymnasium in Gummersbach studiert er ab 1990 Germanistik und Philosophie an der Universität in Georgia/USA. Seine Diplomarbeit schreibt er zu einer These über Heidegger und Nietzsche. Er lebt mit Sohn Kar! Ludwig und seiner Frau Angelika in Greenville. Heute arbeitet er in der Logistik. 249


In der Form seines Lebens Der VfL Gummersbach bringt vor Jahreswechsel 1971/1972 das Kunststück fertig, zum fünften Mal die Staffelmeisterschaft zu gewinnen. Er setzt sich im letzten Spiel der Bundesligagruppe Nord mit einem 17:12 (8:3)-Sieg vor 5800 Zuschauern in der Gruga-Halle gegen Phönix Essen durch. Torwart Kater bleibt 20 Minuten lang ungeschlagen, und Gummersbach macht Tor auf Tor: In der 19. Minute steht es 7:0 ftir den VfL. Mit sieben Treffern ist Hansi Schmidt wieder erfolgreichster Schütze. Vorher ist der VfL Gummersbach auswärts 8: 13 gegen THW Kiel und 14:17 gegen den VfL Bad Schwartau gestrauchelt. Der VfL beendet die Punktspiele in der Bundesliga-Staffel Nord in der Saison 1971 /72 mit drei Niederlagen und einem Unentschieden, das ergibt sieben Verlustpunkte. Er ist ftir das Halbfinalspiel gegen TV Großwallstadt gerüstet. Das hat gleich mehrere Gründe: Vucinic lässt täglich trainieren . Mit dem jungen Schlagheck und dem listigen Zay präsentiert er nach 14 Tagen eine Mannschaft, die harmoniert. Vucinic ist es gelungen, aus einer Ansammlung von Individualisten ein Team zu formen, das die Gegner immer wieder mit neuen Varianten überrascht. Hansi Schmidt spielt mannschaftsdienlich und als Spielmacher trickreich. Er ist in der Form seines Lebens. Sein Spiel lebt nicht mehr hauptsächlich von seiner Kraft. Vielmehr ist er jetzt Einfäd ler, Spielgestalter. Eine aus jenen Tagen stammende Messanleitung ftir den Schneider gibt Aufschluss über den Ursprung seiner Kraft: Sein Brustumfang beträgt 114 Zentimeter, die Bundweite misst 100 Zentimeter, die Halsweite 42 Zentimeter und der Oberschenkelumfang 69 Zentimeter. Es sind Maße eines Modellathleten. Die Kombination aus Athletik, Spielwitz und taktischem Können machen den Hansi jener Tage aus. Er ist absolute Weltklasse. Vor 8000 Zuschauern in der Westfalenhalle weist der VfLAngstgegner Großwallstadt in die Schranken. In einem spannenden Spiel kommt der VfL zu einem 17: 10 (9 :4 )-Sieg und macht die 15 : 18-Niederlage aus dem Eisenfelder Hinspiel wett. Hansi Schmidt und der VfL stehen zum sechsten Mal im Endspiel um die deutsche Meisterschaft. 1972 kommt es zum "Traumfinale" um die deutsche Hallenhandball-Meisterschaft zwischen dem VfL Gummersbach und Frisch Auf. Göppingen schafft den Einzug ins Endspiel nach einer 11: 12-Niederlage in Kiel gegen den THW und einem 16:14Sieg nach Verlängerung in der Hohenstaufenhalle. Nicht der leicht favorisierte VfL Gummersbach, sondern Frisch Auf Göppingen holt sich im kampfbetonten und hektischen 23. Endspiel 1972 der deutschen Hallenhandballgeschichte seinen neunten deutschen Meistertitel. Vor 5500 Zuschauern in der ausverkauften Böblinger Sporthalle gewinnen die Meisterschützlinge aus Württemberg mit 14:12 (7:7) verdient. 250


Wie sehr das Gummersbacher Spiel aufHansi Schrnidt zugeschnitten ist, wie sehr gerade seine Form den Ausschlag geben kann , zeigen die 60 Minuten von Böblingen. Hansi versucht viel auf eigene Faust, kann seine Würfe nicht unterbringen. Das hat seinen Grund: Hansi Schmidt geht in dieses Finale mit gebrochenem rechten Zeigefinger. Es ist der alles entscheidende Nachteil, sagt er heute. Am Vortag des Endspiels ist es passiert: Klaus Schlagheck versucht mit dem Fuß einen von Hansi angesetzten Hüftwurf zu blocken- es kracht. Die Presse berichtet lediglich über eine Fingerverletzung. Von dem Bruch, der die Hauptursache für die Niederlage ist, weiß keiner. Wegen der Behinderung sieht es so aus, als ob Hansi nicht Herr seiner Nerven wäre. Sein Spiel wirkt unkonzentriert. Er wirft aus aussichtsreicher Position mit voller Kraft allein sechsmal klar neben das Tor, noch einmal so viele seiner Würfe landen in der Göppinger Deckung. Dieser schlechten Ausbeute stehen nur drei Treffer gegenüber. Heute weiß er: "Ich hätte mit dieser schweren Fingerverletzung überhaupt nicht spielen dürfen." Aber es liegt nicht nur an Hansi . Der Gummersbacher Mannschaft gelingen keine fließenden Kombinationen, sie vergibt klare Einwurfmöglichkeiten. In dieser Saison müssen sich Hansi und der YfL mit dem Vizemeistertitel begnügen. Ein Trost: Hansi wird mit 89 Treffern Bundesliga-Torschützenkönig. Das Viertelfinalhinspiel des Hallenhandball-Europapokals verliert der VfL vor 2500 Zuschauern in Oslo gegen den norwegischen Meister Oppsal IF überraschend hoch mit 13:18 (5:9). Hansi Schmidt kommt erst in der 42. Minute zu seinem ersten Tor. Aber auch die anderen Gummersbacher Spieler nutzen die Chancen schlecht. Nach dem Spiel verschanzt sich Hansi Schmidt nicht hinter Entschuldigungen: "Wir alle haben versagt, haben Schuld an dieser blamablen Niederlage. Und nur wir alle zusammen werden uns durch eine große kämpferische Leistung im Rückspiel rehabilitieren können." Gummersbachs Handballer schaffen es doch noch. In einem turbulenten, mitreißenden und nervenaufreibenden Rückspiel am 29. Dezember 1971 vor 11 000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle besiegt der VfL Oppsal IF Oslo mit 19:13 ( 10:7) und qualifiziert sich damit ftirs Halbfinale des HallenhandballEuropapokals. Das Spiel ist mit Szenen durchsetzt, die eher einer Rauferei als einem Handballspiel gleichen. Die Norweger sind angetreten, um den Fünf-ToreVorsprung aus dem Hinspiel ins Ziel zu retten. Der Einsatz ihrer Kreisläufer ist rücksichtslos, sie provozieren und schauspielern. Die Gummersbacher schlagen zurück, packen zu, hart und unerbittlich, versuchen auf diese Weise den unangenehmen Gegner in den Griff zu bekommen. In der 44. Minute steht es 12: 10. Doch der VfL mit Hansi Schmidt und Jochen Feldhoff gibt nicht auf. Aus dem 12:10 wird ein 16:10 und damit erstmals ein Vorsprung in der Gesamtrechnung. Aber die Zuschauer zittern bis zum Schlusspfiff. 16 :11 , 17:11 , 17:12, 18:12, 18:13, 19:13 sind die Stationen des Endspurts in die251


sem Krimi . Trainer Djordje Vucinic ist mit der kämpferischen Leistung der Mannschaft zufrieden, mit der spielerischen aber nicht. Die verjüngte Mannschaft hat noch viele Schwächen.

Da hilft nur noch Rempeln: Foulspiel mach Handball zu einer der gefährlichsten Sportarten.

Drei Tage nac h der an Frisch Auf Göppingen verlorenen deutschen Meisterschaft unterliegen die Gummersbacher zwar im Halbfinalrückspiel im Europapakai bei Tatran Presov, doch dieses 18:19 (8: I 0) im Sportpalast von Pressburg ist wie ein Sieg. Nach dem klaren 12 :5-Hinspielerfolg ist der VtL zum vierten Mal im EC-Pokalfinale, in dem er am 19. Februar in der Dortmunder Westfalenhalle auf den jugoslawischen Titelträger Partizan Bjelovar trifft. Gummersbachs Trainer Djordje Vucinic umarmt nach dem Schlusspfiff seine Spieler und jubelt: "So spielt nur eine Weltklassemannschaft."

Hansi Schmidt ist an diesem Tag in seinem Element, drei Tage nach dem deutschen Endspiel gegen Göppingen, wo er noch Probleme wegen seiner verletzten Hand hatte. Er versetzt mit seinen Scharfschüssen nicht nur den Gegner in Schrekken, sondern hat mit sieben Treffern bei neun Versuchen entscheidenden Anteil an dem glänzenden Ergebnis. Auch in der Abwehr steht er eisern seinen Mann. Im Angriff eröffnet er mit einer Reihe von Traumpässen seinen Nebenspielern die Lücken zum Torwurf Hansi sagt nach dem Spiel nur einen Satz: "Es knallt wieder." Allerdings nicht im EC-Finale 1972. Vor 14 000 Zuschauern unterliegt der VtL in der Dortmunder Westfalenhalle dem jugoslawischen Meister Partizan Bjelovar in einem hochklassigen, aber sehr fairen Spiel mit 14:19 (9:9). "VtL auch als Verlierer ein Meister", ist in der Kölnischen Rundschau zu lesen. Es ist die erste Endspielniederlage des VtL nach den Triumphen über Dukla Prag ( 1967), Dynamo Ostberlin (1970) und Steaua Bukarest (1971 ). Nach der Niederlage in der deutschen Meisterschaft gegen Frisch Auf Göppingen ist der VtL Gummersbach in der nächsten Saison nicht im Europapokalwettbewerb vertreten. Doch die abgeschlossene Saison zeigt: Die verjüngte Gummersbacher Mannschaft ist auf bestem Weg, die Abgänge nach Derschlag vergessen zu machen. Sie hat mehr erreicht, als ihr zu

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Beginn der Saison mancher zugetraut hat. Der VtL ist einem Gegner unterlegen, der zur absoluten Weltspitze gehört. 50 Minuten lang kann der VtL mithalten und zwischen der45. und 49. Minute aus einem 9: 13-Rückstand ein 12: 13 machen . Zu mehr reicht es nicht. Der VtL ist mit fliegenden Fahnen untergegangen, meint DHB-Präsident Otto Seeber nach der Begegnung. VfL-HandballchefEugen Haas ist nach der Saison zufrieden: "Dass wir mit unserer jungen Mannschaft das Endspiel der deutschen Meisterschaft und des Europacups erreichen würden, daran hatte ich zu Beginn der Serie nicht im Traum gedacht. Trotz der Niederlagen sind wir auf dem richtigen Weg. Auf ihm schreiten wir weiter. Und ich meine, wir haben allen Grund, unserem Trainer Vucinic zu danken." In dieser Saison sagt Hansi zum ersten Mal , Handball bereite ihm keinen Spaß mehr. Mit ihm sind anscheinend auch die anderen VtL-Erfolgshandballer müde geworden . Die Verantwortlichen beim Deutschen Handballbund machen sich Sorgen, denn der DHB hat mit dem VtL Gummersbach einen Dukatenesel verloren. Hansi Schmidt und seine Kameraden haben seit 1967 in vier Finalkämpfen dem DHB eine halbe Million Mark in die Kasse gespielt und den gebeutelten Sportverband vor der Zahlungsunfahigkeit gerettet. In wenigen Jahren hat sich im Europapokal und im Hallenhandball einiges geändert. An die Stelle von Spaß an der Freude tritt allmählich das Profitum . Der Europapakai-Wettbewerb ist zum Unternehmen geworden, bei dem Siege als mehrsteilige Einnahmen verbucht werden. Die Statistik des Endspiels VtL Gummersbach gegen Partizan Bjelovar 14:19 (9:9) VtL Gummersbach: Kater, Hamann ; Ufer, Zay, Leiste, Feldhoff, Keller (I), Brand (3), Westebbe, Schmidt (5), Schlagheck (3), Braunschweig. Partizan Bjelovar: Bradic, Nims; Pribanic (5, davon 3 Siebenmeter), Prodanic, Vidovic (3), Jaksekovic (2), Jandrokovic (2), Horvat (4, davon I Siebenmeter), Djuranec, Pecina, Smiljanic (3), Hasan .

Die Nationalmannschaft in der Krise In den letzten Tagen des Jahres 1971 , rund ein Dreivierteljahr vor der ersten olympischen Fanfare, steckt die Hallenhandball-Nationalmannschaft weiter in der Krise. Den Fall Herbert Lübking gibt es seit mehr als einem Jahr. Der Streit, ob er nach dem freiwilligen Abstieg in eine untere Klasse noch die erforderliche Leistung in der Nationalmannschaft bringen kann , geht weiter. Über den Vorbereitungen der Mannschaft schwebt der Fall wie ein dunkler Schatten. Die knappe Zeit brennt unter den Nägeln, der Bundestrainer muss eine klare Entscheidung treffen. "Aber das kann ich erst, wenn der Vorstand und die Technische Kommission Klarheit in die Angelegenheit mit Lübking gebracht haben, ich bin bereit, einen Strich

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unter die Angelegenheit zu machen . Wichtig ist, dass Lübking zu einer Leistung fähig ist, die dem internationalen Standard gerecht wird. Hier habe ich allerdings noch einige Zweifel." Mit diesen Worten zitiert die Deutsche Handballwoche Bundestrainer Werner Vick. Das Olympiajahr 1972 beginnt mit einer Reihe von Spielen des erweiterten Kaders der Nationalmannschaft. Er ist in einen Süd- und einen Nordolympiakader aufgeteilt. In keinem der Testspiele überzeugen die Olympiakandidaten, ob mit oder ohne Hansi Schmidt. Im Januar spielt die deutsche Nationalmannschaft ohne die Gummersbacher und Göppinger Spieler, die sich auf das Finale um die deutsche Meisterschaft vorbereiten, gegen Spanien. In den beiden Spielen, die das deutsche Team 14:11 und 21: 12 ftir sich entscheidet, ist nicht viel von Harmonie zu sehen, berichtet die Deutsche Handballwoche. Außer den Hamburgern Klaus Lange und Hans-Jürgen Bode und dem Mannschaftskapitän Bernd Munck kann kein Spieler überzeugen . In der Frankfurter Festhalle werden erste Rufe nach Herbert Lübking laut. Mit Hansi Schmidt in den Reihen besiegt die deutsche Mannschaft im Februar in der Alsterdorfer Halle in Harnburg Norwegen mit 15: 14. Hansi Schmidt erzielt sechs Tore. Trotz neun Toren von Hansi ver Iiert die deutsche Mannschaft ein zweites Spiel gegen Norwegen in der Mindener Sporthalle mit 18 : 19. Mitte Februar 1972 nimmt Herbert Lübking an einem Testspiel des SüdOiympiakaders in der Kiefer Ostseehalle gegen den THW teil. Wie die Deutsche Handballwoche berichtet, überzeugt Lübking beim 17:17 wenigstens konditionell, an Schusskraft hat er aber anscheinend etwas eingebüßt. "Herbert Lübking wird in dieser Verfassung die Rückkehr in die Nationalmannschaft schaffen." Nicht in Form sind dem Bericht zu folge Peter Sucher, Hans-Peter Neubaus, Horst Spengler und Rainer GosewinkeL "Sie werden es schwer haben, eine Olympiakarte mit diesen Leistungen zu erhalten ." In einem weiteren Spiel des Südkaders gegen den TB Flensburg steuert Lübking zum 21 :20-Sieg acht Tore bei . Kurz darauf spielt Lübking mit dem Nationalteam 22 :7 gegen den TV Hochdorf. Sein Zusammenspiel mit Bernd Munck ist in dieser Begegnung gut. Die deutsche Hallenhandball-Nationalmannschaft, vertreten durch den Olympiakader Nord, kommt anschließend in Warschau zu zwei Siegen: 17: 16 (8:6) und 16:15 (1 0:8). "Eine eindeutige Leistungssteigerung, vielfach nach dem Comeback von Herbert Lübking erwartet, gegenüber den letzten Spielen gegen Spanien und Norwegen gelang nicht. So blieb als Fazit, dass beide Male ein klarer Vorsprung von ftinfbzw. vier Toren wieder verloren ging, dass dennoch beide Treffen gewonnen wurden und vom ersten auf den zweiten Tag merkliche Fortschritte zu registrieren waren, obwohl Klaus Lange und Reiner Möller wegen ihrer Verletzungen nur ein Spiel mitmachen konnten", heißt es in der Deutschen Handballwoche. 254


Herbert Lübking, nach fast zweijähriger Länderspielpause in den Kreis des DHB-Teams zurückgekehrt, ist kein Einstand mit Pauken und Trompeten beschieden. Bei zwei weiteren Testspielen im März pfeifen und buhen die Zuschauer die Nationalmannschaft aus. In der Westfalenhalle unterliegt sie der Sowjetunion 13: 15. Drei Tage später läuft es wesentlich schlechter. In Kiel unterliegt die deutsche Mannschaft den Russen mit 9:16. Vor den Olympischen Spielen gibt es viele Geheimtreffen. So auch bei diesem Länderspiel in Kiel. Es geht um die Aufstellung der Mannschaft für das Olympiaturnier. Nach der Begegnung in Kiel teilt Vick mit, dass der Gum- Grün- Weiß Dankersen gegen den VjL Gummersbacher Jochen Brand nicht im mersbach, 1970er Jahre: Bernd Munck greift Olyinpiakader ist. Noch in der Nacht beherzt zu. nach dem Spiel ruft Hansi den Bundestrainer im Hotelzimmer an und teilt ihm mit, dass auch er nicht dabei ist. Danach fahrt die Nationalmannschaft in die Tschechoslowakei, Hansi aber mit dem VfL nach Südamerika, wo er Helga und Hansi Kleemann aus seinem Heimatort Marienfe1d trifft: Die Geschwister sind 1952 nach Buenos Aires ausgewandert. "Mit Vick habe ich nie Probleme gehabt", sagt Hansi. "Das heißt aber nicht, dass ich dessen Meinung immer geteilt habe. Bundestrainer Werner Vick sagt einmal, Hansi sei kein pflegeleichter Bursche. Hansi gehört zu den wenigen, die es wagen, den Trainer zu kritisieren, ihm die Meinung zu sagen. "Ich habe oft Kritik geübt, musste aber auch welche einstecken", sagt Hansi. VfL-Torwart Bernd Podak äußert auch seine Meinung, darum ignoriert der Nationaltrainer ihn. Weil Hansi stets eine eigene Vorstellung hat und sie auch vertritt, kommt es auch zum Olympia-Boykott. Den Entschluss, nicht an den Spielen in München teilzunehmen, treffen Hansi und Bernd Munck unabhängig voneinander, wenn es auch anderslautende Aussagen gibt. Als Herbert Lübking von Grün- Weiß Dankersen zum TuS Nettelstedt in die Kreisliga wechselt, zweifelt Bundestrainer Vick, dass der Nationalspieler nach fast zwei Jahren in der dritten Klasse noch die nötige Leistung bringen kann.

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Im Vorfeld lässt Hansi den Bundestrainer wissen, er lege Wert darauf, dass die Nationalmannschaft ftir die Olympischen Spiele nach dem Leistungsprinzip aufgestellt wird. Wenn das nicht der Fall sein sollte, werde er nicht an den Spielen teilnehmen. Weil Vick aber Hansis Äußerungen ignoriert, erklärt der Gummersbacher seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Auch Munck, ein grandioser Spieler auf dem Großfeld und in der Halle, so Hansi, meint, dass Lübking nicht mehr die Leistung wie vor dem Wechsel nach Nettelstedt bringt. Jochen Brand wird nicht nominiert, daftir aber schwächere Spieler. Auch der Großwallstädter JosefKarrer, Torschützenkönig 1972 mit 96 Treffern vor Hansi Schrnidt mit 70 Toren, hätte in den Olympiakader gehört, so Hansi . Gegen Herbert Lübking, den Hansi einen großartigen Spieler nennt, habe er persönlich nichts gehabt. Lübking sei stets als Spieler und Mensch hoch in Ordnung gewesen. Für Hansi war allein die Leistung allentscheidend. Beim VfL habe das stets gegolten, mit der einzigen Ausnahme, als Trainer Dreischang Pinkelmann nicht aufgestellt hat. "Für mich hat die Loyalität der Sache gegenüber im Vordergrund gestanden, nicht der Person gegenüber. In Gummersbach war der Nationalspieler nicht wichtiger als sein Kollege, der nicht berücksichtigt wurde. In Gummersbach wurde stets die stärkste Truppe aufgestellt. Das war in der Nationalmannschaft nicht immer der Fall. Fritz Bahrdt vom Hamburger SV war der tonangebende Mann, die innere Stimme Werner Vicks, leider Gottes", sagt Hansi. "Vick, der beliebteste Lehrer an der Kötner Sporthochschule, hat in erster Linie die norddeutschen Spieler in der Nationalmannschaft zumindest bevorzugt berücksichtigt." In einem Vier-Länder-Turnier in der Tschechoslowakei verliert die deutsche Mannschaft alle drei Spiele. Die Ergebnisse: 15 : 18 gegen Jugoslawien, 14:18 gegen Dänemark und 17: 18 gegen die Tschechoslowakei . Nach der Südamerika-Tournee beginnen Jochen Feldhoff und Klaus Westebbe, die mit der Nationalmannschaft beim Turnier in der Tschechoslowakei dabei waren, Hansi zu bearbeiten. Sie haben den Auftrag, ihn umzustimmen und flir die Nationalmannschaft zurückzugewinnen. Noch vor dem Abschied aus Kiel macht DHB-Vizepräsident Bernhard Thiele (1928-1991) Hansi das Lockangebot Mach mit, und du wirst später einmal Bundestrainer. Etwas später ein weiterer Vorschlag: Für Munck nehmen wir Jochen Brand mit, wenn du spielst. Auch auf den Kuhhandel lässt sich Hansi nicht ein. "Die Medien konstruieren eine Rivalität Lübking- Schmidt und spielen sie hoch", sagt Hansi. "Lübking war wie Uwe Seeler, ich war eher ein Revoluzzer. Lübking war ein hervorragender Sportler, als Mensch habe ich ihn gemocht, als Konkurrenten brauchte ich ihn nicht zu fUrchten", sagt Hansi. Wenn sich dieselbe Situation wiederholte, würde Hansi noch einmal entscheiden, den Olympischen Spielen fernzubleiben. Sein Marktwert, damals im Handballbetrieb noch ein unbekanntes Wort, wäre durch die Teilnahme an den Spielen nicht gestiegen. Man muss auch

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verzichten können, sagt er. Er hat auf vieles verzichtet. Er hat nein zur Heimat gesagt, zu den Spielen, und zwar aus Überzeugung. "Bei uns ist es nie ums Geld gegangen. Geld verdirbt den Charakter, hat Eugen Haas stets wiederholt." Aber wenn Hansi heute spielte, würde er wahrscheinlichgenauso handeln wie die heutige Spielergeneration. "Heute geht es primär ums Geld. Geld ist der Motor allen Handelns." Hansi hat in den 13 Jahren beim VfL wahrscheinlich nicht so viel Geld verdient wie ein heutiger Spitzenspieler in einer halben Saison. Anfangs sozusagen nichts, er erhält lediglich 600 Mark im Jahr Unterstützung von Familie Liedhegener. Später verdient er mehr, natürlich gestaffelt, sagt er. Die Medien bezeichnen Hansi Schmidt und Bernd Munck nach dem Rücktritt als Olympia-Rebellen. Bundestrainer Vick spricht von Komplott und Erpressung. Vor der Abreise mit dem VfL Gummersbach nach Südamerika nennt Hansi Schrnidt die Gründe für seinen Verzicht auf die Teilnahme in München in folgendem Interview, das die Deutsche Handballwoche druckt. Frage: "Herr Schmidt, nach Ihrem und Bernd Muncks demonstrativem Rückzug aus der Hallenhandball-Nationalmannschaft und Ihrer Begründung tauchte der Vorwurf auf, Sie seien von Ihren Vereinen vorgeschickt worden." Schmidt: "Nein. Es war unsere persönliche Entscheidung. Wir konnten einfach nicht länger tatenlos den Missständen im DHB zusehen. Unsere Entscheidung kommt aus der Überzeugung, dass die derzeitige Mannschaft in München einfach keine Chance hat. Wir wissen natürlich, dass einige Bundesliga-Vereine hinter uns stehen. In den Vereinen gibt es nämlich vielfach schon ein profimäßiges Management, während in der deutschen Handballführung Dilettanten sitzen. Wohlgemerkt: Es geht uns nicht um Personen, sondern allein um die Sache. Unsere Entscheidung war eine reine Gewissensfrage." Frage: "Sie wenden sich vor allen Dingen gegen die Aufstellung von Herbert Lübking und Peter Neuhaus." Schmidt: "Ja, denn wir sind der Ansicht, dass im heutigen Sport allein das Leistungsprinzip gelten soll. Als schlechte Beispiele kann man da Lübking und Neuhaus nennen, denn für sie wurden der Bundesliga-Torschützenkönig JosefKarrer und Jochen Brand aus der Mannschaft genommen. Bundestrainer Werner Vick hat Lübking vier Länderspiele Zeit gegeben, seine Leistung unter Beweis zu stellen. Er vermochte nicht zu überzeugen. Trotzdem blieb er im Team. Wenn Lübking eine gute Leistung gezeigt hätte, dann hätte er ohne Zweifel in die Mannschaft gehört. Wir wollen den Deutschen Handball-Bund noch rechtzeitig wachrütteln, denn die Karre ist schon tief genug im Dreck. Es ist für München eine Minute vor zwölf1" Frage: "Unter welchen Bedingungen würden Sie in die Nationalmannschaft zurückkehren? Fordern Sie den Kopf von Bundestrainer Werner Vick?" 257


Schmidt: "Nein, absolut nicht. Ich sehe meine Lautbahn als beendet an, denn ich glaube nicht, dass ich wieder in die Auswahl komme. Aber es geht hier wie gesagt nicht um Personen, sondern allein um die Sache. Es ist ein Unding, mit der Meinung nach München zu fahren, dass sowieso nichts zu machen ist. Mit der alten Mannschaft hätten wir berechtigte Hoffnungen auf einen der ersten ftinf Plätze hegen können. Zur Person von Bundestrainer Werner Vick: Ich will und kann keinen abschießen. Aber ich fordere von einem Bundestrainer Entscheidungskraft, Durchsetzungsvermögen und Mut zum kalkulierten Risiko. Wenn Vick sich ändern kann, bitte. Aber es nutzt auch nichts, einen neuen Trainer zu engagieren, der sowieso wieder den Intrigen im Vorstand zum Opfer fallen würde." Frage: "Werden Sie unter keinen Umständen in München spielen?" Schmidt: "Ich würde von Herzen gern. Dazu spiele ich zu gern Handball. Aber wenn ein Bundestrainer nur dem Druck der Öffentlichkeit folgt und Leute aufstellt, die in einer Nationalmannschaft nichts zu suchen haben, dann ohne mich. Wenn München daneben geht, kann der Bundestrainer sagen: Bitte, Ihr habt es so gewollt. Ich jedenfalls will daran nicht beteiligt sein. Ich bekomme Sporthilfegelder und bin auch bereit, daftir etwas zu tun . Wenn andere diese Auffassung nicht teilen, kann ich ihnen nicht helfen. Aber es ist Betrug am Sport." Am Rande eines Freundschaftsspiels des VfL Gummersbach in Göppingen sagt Frisch-Auf-Altstar Horst Singer voraus: "Eine deutsche Handball-Nationalmannschaft ohne Hansi Schmidt ist eine Unmöglichkeit. Das ist ein schlechter Witz." Der ehemalige Göppinger Nationalspieler, der in seiner Lautbahn so manchen Strauß mit Schmidt ausgefochten hat, geht noch weiter: "Auf der ganzen Welt gibt es keinen Spieler, der so wirft wie er. Nur mit seiner Wurfkraft hätte die Bundesrepublik in München eine Chance auf eine Medaille." Nach dem Spiel in Göppingen fährt Hansi Schmidt mit seiner Familie ftir ein paar Wochen zu seinen Eltern nach Marienfeld.

Das Debakel Singer wird recht behalten. Die deutsche Mannschaft spielt in der olympischen Vorrunde 13:10 (7 :5) gegen Spanien, 15 : 15 (7:8) gegen Norwegen und 11:13 (5 :5) gegen Rumänien. In der Hauptrunde besiegt sie Ungarn 17:14 (8 :6) und unterliegt Jugoslawien 15:24 (7: 14). Das Spiel um Platz ftinfverliert sie gegen die Sowjetunion 16:17. Olympiasieger wird Jugoslawien, Silber geht an die Tschechoslowakei, Bronze an Rumänien, den vierten Platz belegt die DDR. "War das nur die Reserve? Schickt ihr zu solchen wichtigen Turnieren " immer nur die B-Mannschaft?" So spottet der dänische Schiedsrichter Paul Ovdahl nach dem blamablen 13:1 0-Sieg der bundesdeutschen Handballer über die zweitklassigen Spanier. Neu258


trale Beobachter nehmen nach dieser katastrophalen Vorstellung kein Blatt vor den Mund: "Das war die erste Quittung ftir die verfehlte Vorbereitungspolitik", so Herbert Kranz, der wegen der Lübking-Affäre als Vorsitzender der Technischen Kommission des Deutschen Handball-Bundes vor den Spielen zurückgetreten ist. Rumäniens Scharfschütze Roland Gunnesch, als "Spion" des Weltmeisters auf der Tribüne vertreten, prophezeit nach dem Spiel der deutschen Mannschaft gegen Spanien ein baldiges Ausscheiden: "Dieser deutschen Mannschaft fehlen die Schützen aus der zweiten Reihe. Ohne sie kann dieses Team nicht weiterkommen." Gunnesch weiß wie die 5000 Zuschauer in der Böblinger Halle, dass mit dem Gummersbacher Hansi Schmidt der wurfgewaltigste deutsche Handballer nicht dabei ist. Und Handball-Präsident Thiele lenkt sogar schon während des Olympia-Turniers ein: "Für Hansi gibt es keinen lebenslänglichen Ausschluss. Wenn er durch gute Leistungen überzeugt, kann er wieder eine Chance bekommen", heißt es in einem Express-Bericht. Djordje Vucinic, der 20fache jugoslawische Handball-Nationalspieler und in jenen Tagen Trainer des VfL Gummersbach, äußert sich nach dem Spiel gegen Norwegen eindeutig: "Diese deutsche Mannschaft holt bestimmt keine Medaille. Nach meiner Meinung wird das Spiel gegen Rumänien schon das Aus im olympischen Hallenhandball-Turnier bedeuten." Was die Spieler der zweiten Reihe zeigen, ist eine Katastrophe. Hansi Schmidt hätte in diesem Spiel bestimmt acht Tore geworfen. "Dagegen war Lübking wieder einmal ein krasser Ausfall. Er ist ftir mich ein Feldhandballspieler und hat in der Hallenhandball-Nationalmannschaft nichts zu suchen. Zudem steht dann da noch ein Mann wie Neuhaus, von dessen Sorte es über 200 in der Bundesrepublik gibt, die besser sind als er. Werner Vick ist ftir mich ein Trainer ohne jegliches Konzept", wird Vucinic weiter zitiert. Auf diese schwachen Spiele folgt die totale Pleite gegen Jugoslawien: Das Spiel geht 15:24 verloren. Wie bei der II: 13-Niederlage gegen Rumänien hat sich seit Jahren keine deutsche Hallenhandball-Nationalmannschaft mehr blamiert, heißt es in einem Bericht des Köln er Express. Wenn dies das Ergebnis monatelanger Vorbereitung gewesen ist, wird die Frage akut, auf welche Art Bundestrainer Vick wohl mit seinen Leuten gearbeitet hat, heißt es in einem anderen Bericht der Zeitung. Schon in der 15. Minute pfeifen die Zuschauer die eigene Mannschaft aus, in der 53. Minute rufen sie: "Aufhören". Kurz daraufverlangen die Besucher im Chor: "Lange raus!" "Aufzuhören wäre wirklich noch die vornehmste Lösung gewesen. Hilflos wanderte der Ball bei deutschen Angriffen von Hand zu Hand. Niemand war in der Lage, aus der zweiten Reihe zu werfen. Jeder, der Hansi Schmidts konsequente Kritik an der Berufung Herbert Lübkings verübelt hat, muss ihm heute Abbitte leisten. Hansi hatte ja recht. Sechsmal warf der Alt-Star aus Westfalen den Ball auf das rumänische Tor. Kein einziges Mal traf er dabei", heißt es in dem Bericht weiter. "Die Rumänen hatten den Superwerfer, auf den unser Bundestrainer glaubte

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verzichten zu können. Gheorghe Gruia, seit Jahren neben Hansi Schmidt als weltbester Torjäger gefürchtet, brachte das DHB-Team fast allein zur Strecke. Sieben Tore warf er... Grausam dagegen anzusehen, wie hilflos die Deutschen sich mühten, durch ihr gepriesenes Mannschaftsspiel eine Lücke in der rumänischen Dekkung zu finden . Es ist zwar hypothetisch und der Beweis nicht mehr zu führen , aber jeder Handballkenner war sich darüber im klaren : Mit einem Hansi Schmidt wäre diese rumänische Mannschaft geschlagen worden." Die Kölnische Rundschau schreibt: "An der Hintertür zum Herrschaftshaus beginnt die Zweitklassigkeit. Hier kommt man nur von anderer Gnaden hindurch . Dort, wo das Schild 'Betteln verboten ' steht, ist man auf Mildtätigkeiten angewiesen, die man vielleicht braucht, um überleben zu können , die aber den Stolz verletzen, das Selbstbewusstsein töten und zum Lächeln zwingen, wo man heulen möchte." Klaus Lange, der Kapitän der bundesdeutschen Hallenhandballer, stellt nach dem 11 :13 gegen Rumänien fest: "Wir haben gespielt wie die Bettler." Eine dieser armen Gestalten springtjubelnd vom Sitz empor, als die Spanier gegen Norwegen nur mit zwei Toren Unterschied verlieren und damit der demoralisierten Truppe des Bundestrainers Vick ein Almosen überreicht, das sie noch in die Hauptrunde bringt. "Es war Herbert Lübking in seiner besten Szene, weil sie zeigte, dass er sich noch bewegen kann", heißt es in dem Bericht weiter. " Selten wirkte Jubel so peinlich wie in diesen Minuten nach der knappen spanischen Niederlage. Hätten die Norweger - es schien Formalität - mit fünf Toren Unterschied gewonnen, die Bundesrepublik wäre vor der Tür zur Hauptrunde stehengeblieben und hätte um Platz neun spielen dürfen. Machtlos mussten die deutschen Stars zuschauen, wie Statisten von jenseits der Pyrenäen ftlr sie kämpften. Torwart Perrarnon aus der Nähe von Barcelona hielt beim Stande von 15:7 fl.ir Norwegen drei Siebenmeter. Er sollte deutscher Ehrenhandballer werden, weil er der entscheidende Mann dafür war, dass Herbert Lübking jubeln konnte." Die Spanier verhindern damit, dass Vucinics Vorhersage, Deutschland werde die Hauptrunde nicht erreichen, nicht wahr wird. Und weiter heißt es in dem Bericht: "Einer hatte nicht die Nerven, dem Spiel zuzuschauen. Bundestrainer Vick stand vor den Umkleidekabinen der Sporthalle, die Schweißperlen liefen ihm das traurige Gesicht hinunter. Ein gebrochener Mann, dessen Antworten auf unbequeme Fragen so leise über zitternde Lippen tröpfelten, dass man in die Gefahr geriet, Mitleid mit ihm zu haben." Gheorghe Gruia bringt in München alles mit einem Satz auf den richtigen Nenner: "Ein Glück, dass Hansi Schmidt hier nicht spielt." Und von deutscher Seite ist zu hören: "Natürlich wären wir mit Schmidt und Munck stärker. Aber sie wollten ja nicht spielen." Die Kölnische Rundschau fahrt fort: "Und auch Mannschaftskapitän Klaus Lage, der vor einigen Monaten überall mit dem Satz zitiert wurde:

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Die Mannschaft hat sich geschlossen gegen Schmidt ausgesprochen", will nun nichts mehr davon wissen: "Das habe ich nie gesagt, mit der Mannschaft ist über dieses Problem nie gesprochen worden." Doch ob mit Schmidt oder ohne, diese Frage hätte im Spiel gegen Rumänien unwichtig sein müssen, meint der Kommentator. Ohne taktische Fehler wäre der amtierende Weltmeister, der nur noch ein Schatten seiner selbst ist, kein Stolperstein gewesen. "Der Bundestrainer gab indirekt seine Fehler zu, als er meinte: 'Da wir keine Schützen aus der zweiten Reihe haben, mussten wir uns auf das Kreisläuferspiel konzentrieren. Das ist heute daneben gegangen'." Kein Wunder: Denn der beste Kreisläufer, der Gummersbacher Klaus Westebbe, durfte in der ersten Halbzeit nur zehn Sekunden spielen. "Es ftihrt kein Weg daran vorbei: Der Bundestrainer hat die Übersicht verloren", schreibt die Rundschau. "Um das noch einmal deutlich zu machen: Die zweite Reihe, das ist die Position von Hansi Schmidt und Bernd Munck, die nicht dabei sind, und die von Klaus Lange, der siebenmal vergeblich warf, und die von Herbert Lübking ... " "Vom Erfinder zum Bettler" überschreibt die Bild-Zeitung einen Kommentar zum olympischen Handball-Turnier und meint: "Wir haben Handball erfunden. Hallenhandball haben wir sogar ins olympische Turnier geboxt. Aber jetzt, wo wir die Früchte unserer Erfindung ernten wollen, haben wir mit Zitronen gehandelt. Wir haben ausgespielt. Wir dürfen zwar noch etwas mitspielen. Aber da, wo es um Edelmetall geht, sind wir nicht dabei. Und ganz ehrlich, wir haben da auch nichts zu suchen. Wir gehören da nicht hin. Damit müssen wir uns nun mal abfinden, auch wenn wir uns mehr erträumt hatten. Der Traum ist geplatzt." Ein Erfolg bei Olympia hätte Hallenhandball in Deutschland zum Schlager werden lassen. Der Glanz einer olympischen Medaille hätte die Massen angezogen. "In München wurde nun der Handball-Lehrer zum Schüler. Der Erfinder zum Bettler. Aber am schlimmsten ist doch: Die Chance einer Sportart, ans Licht zu kommen, die wurde hier leichtfertig vertan", heißt es in der Bild weiter. Werner Vick zieht die Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden in München und tritt zurück. Hinter ihm liegt ein beachtlicher Abschnitt sportlicher Tätigkeit: Mitglied der Weltmeister-Mannschaften im Feldhandball von 1952 und 1955, Mitglied der Vize-Weltmeistermannschaft in der Halle von 1954, vier deutsche Meisterschaften mit dem Polizei-SV Harnburg in der Halle und sechs weitere mit diesem Verein auf dem Großfeld. Zweimal ausgezeichnet mit dem Silberlorbeer des Bundespräsidenten 1951 mit dem Polizei-SV Harnburg und 1953 mit der Feldhandball-Weltmeistermannschaft In Vicks Trainerzeit fallen fünf Weltmeisterschaften der Männer, zwei Weltmeisterschaften der Frauen und - das erste olympische Hallenhandball-Turnier in München. 1958 in der DDR und 1961 in der Bundesrepublik betreut er zusammen 261


mit seinem mitteldeutschen Kollegen Heinz Seiler die gemeinsame Vertretung aus Spielern des Deutschen Handball-Bundes und des Deutschen Handball-Verbandes der DDR. Erstmals mit einer eigenen Mannschaft ist der Deutsche Handball-Bund bei der 5. Weltmeisterschaft in der Tschechoslowakei vertreten. Erstmals hat Werner Vick auf der Auswechselbank das Kommando. Der vierte Platz in der Schlusswertung enttäuscht manche Hoffnungen, stellt aber eindeutig klar, dass eine ähnliche Ausnahmestellung wie auf dem Großfeld in der Halle in jenen Jahren nicht zu erreichen ist. Das bestätigt sich mit den Rängen sechs 1967 in Schweden und funf 1970 in Frankreich. Vicks Nachfolger wird Horst "Hotti" Käsler.

Der Zug ist abgefahren Nach den Olympischen Spielen zieht Dr. Heinz Perleberg, Studiendirektor und Fachseminarleiter Sport am Staatlichen Studienseminar Harnburg und früherer HSV-Trainer, eine Bilanz des olympischen Turniers. München ist kein "Ausrutscher", sondern nur eine weitere Bestätigung kontinuierlichen schwachen Abschneidens oder Versagens deutscher Handball-Nationalmannschaften bei internationalen Meisterschaften der vergangenen 18 Jahre, behauptet er. Deutsche Nationalmannschaften sind 1954 Vizeweltmeister in der Halle und 1955 erneut Weltmeister auf dem Großfeld geworden. Verdienste ft.ir die Entwicklung und Erfolge im Feldhandball, der Deutschen eigenes Spiel, geben diesem Spiel Priorität. Unangefochten werden deutsche Mannschaften Weltmeister 1959, 1963 und 1966. Die fuhrenden nationalen Handball- Verbände konzentrieren sich aber auf das Hallenhandballspiel. Der DHB will diesen Trend nicht. Das fuhrt zum Verhängnis: Der DHB erkennt die Zeichen der Zeit nicht. Deutschland sei im Hallenhandball seit 1955 nur noch "Abnehmer", in keiner Phase, abgesehen vom Feldhandball, "Anbieter" gewesen. "Wir haben stets- mit erheblichem Zeitverzug- nur kopiert, was andere entwickelten und erfolgreich praktizierten", schreibt Perleberg in einem Beitrag fur die Deutsche Handballwoche. Das WM-Endspiel 1961 offenbart den taktischen Tiefstand des Hallenspiels. Als Konsequenz entwickeln andere Verbände die zweite Reihe, die zu einer Belebung fuhrt. Ab 1964 stehen die Fernschützen im Vordergrund, sie sind gefragt, gesucht und dominieren . Anspielertypen, die "Filigranarbeiter" des Hallenhandballs, sinken in ihrem spielerischen Stellenwert fur die Nationalmannschaft. Das fuhrt zur Vernachlässigung der Kreisspieler, die zum überwiegenden Teil vom gekonnten Anspiel leben . Die Folgen einer solchen Lehrweise bekommt die deutsche Mannschaft in München deutlich zu spüren. Nach dem Ausscheiden von Hansi Schmidt und Bernd Munck ist die zweite Reihe entscheidend geschwächt

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worden. Deshalb verlegt der Trainer den Schwerpunkt des Angriffs an den Kreis. Die deutsche Mannschaft präsentiert sich mit harmlosen Weitschützen, ohne exzellente Anspieler. Die Kreisläufer sind arm dran. Was in München zu sehen war, sind "die Früchte mangelnder Konzepte und Methoden" gewesen, heißt es in der Deutschen Handballwoche. Andere Handballverbände haben typische Spielanlagen herausgebracht, die nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern in jeder Spitzenmannschaft erkennbar sind. Dazu gehören in erster Linie Rumänien, die Sowjetunion und Jugoslawien. Das Handballspiel in diesen Ländern hängt mit der gesellschaftspolitischen Situation und der speziellen Struktur zusammen. Führende deutsche Vereinsmannschaften aber haben im selben Zeitraum eine bunte Vielfalt von Spielkonzeptionen entwickelt und erfolgreich praktiziert. Diese Möglichkeit zu haben muss gleichfalls im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. Aufgabe des Deutschen Handball-Bundes sei es, die Vielfalt der Möglichkeiten aufzugreifen, sie sinnvoll und effektiv zu nutzen. "Haben wir dies in all den Jahren getan?", fragt Perleberg. Junge Leute jammern, andere hätten bessere Möglichkeiten. In die Vorbereitung der deutschen Olympiamannschaft ist viel Zeit und Geld investiert worden. Gummersbach, Dankersen, Leutershausen, Göppingen oder Kiel, sie haben unterschiedliche Spielanlagen -jeder auf seine Weise - demonstriert. Doch der Nationaltrainer berücksichtigt die Spielweise dieser Mannschaften nicht, selbst wenn manchmal ftinf Spieler aus einem Verein an Lehrgängen und Testspielen teilnehmen. Sie können nur selten das anwenden, was sie in der Vereinsmannschaft "im Schlaf' beherrschen . Perleberg schreibt weiter: " Das ftihrte zu persönlichen Unsicherheiten, und vielleicht liegt auch in der Nichtberücksichtigung dieses angestrebten Prinzips der tiefere Grund ftir die unglücklichen Differenzen zwischen H.-G. Schmidt/B. Munck auf der einen und dem DHB auf der anderen Seite. Eine engere Zusammenarbeit und ein ständiger Kontakt zwischen den DHB-Verantwortlichen ftir die Nationalmannschaft und der Bundesliga mit ihren Trainern ist daher dringend notwendig!" Perleberg regt eine bessere Zusammenarbeit der Bundestrainer mit Vereinen und deren Trainern an. Solche Kontakte könnten dazu beitragen, Aversionen, Spannungen und Missverständnisse abzubauen und den Weg ebnen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit. Eine Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten, Hochschulen und Universitäten sei notwendig, um neue Erkenntnisse aus Medizin, Pädagogik, Psychologie und Soziologie in den Handball-Hochleistungssport einfließen zu lassen. Der Lehrstab des DHB beschäftige sich in seinen Veröffentlichungen fast ausschließlich mit der Grundschule des Handballspiels. Das reiche nicht aus. 263


Perleberg wirft die Frage auf, ob die DHB-Spielbeobachter bei internationalen Wettkämpfen genügend vorbereitet oder ausgebildet sind, ob sie klare Aufgaben bekommen? Sind die Berichte richtig analysiert und ausgewertet worden? Zur WM 1970 sei ein ganzer Beobachterstab für 30 000 Mark abgestellt worden. Sein Bericht wird nicht veröffentlicht. Wenigstens eine Kurzfassung hätte den Bundesligatrainern zugesandt werden müssen. Valentin Samungi, Weltmeister mit Rumänien 1970, heute Trainer in der rumänischen Nationalliga, schätzt Hansi Schmidt und Gheorghe Gruia als die beiden weltbesten Spieler um 1970 ein: etwa gleich stark. Den einzigen Unterschied sieht der ehemalige Spieler von Dinamo Bukarest im Verhalten gegenüber den beiden Spielern. "Wir haben in der Nationalmannschaft für Gruia gespielt und gerackert Indem wir ihm geholfen haben, haben wir uns selbst genutzt: Wir sind Weltmeister geworden. Die deutsche Nationalmannschaft hat 1970 Ausnahmespieler in ihren Reihen gehabt. Doch die Mannschaft hat nicht ft.ir Hansi gespielt, darum konnte Deutschland auch keine besonders gute Mannschaft stellen. In Gummersbach war das anders, dort hat sich die Mannschaft ft.ir Hansi eingesetzt und hat deshalb auch Erfolge eingefahren." Nach den Spielen fordert Manfred Heun in der Deutschen Handballwoche einen Neuanfang: "Es muss eine neue Nationalmannschaft nach dem Debakel von München aufgebaut werden. Die Schulung muss unter anderen Gesichtspunkten geschehen. Man darf sich gern das Beispiel Jugoslawien vor Augen fuhren, auch wenn es Spieler wie Horvat, Pribanic, Pokrajac oder ganz besonders Lavrnic oder Lazarevic z. Z. hierzulande nicht gibt. Niemand kann es sich leisten, auf einen Hansi Schmidt (es ist völlig uninteressant, ob er nun umstritten ist oder nicht) zu verzichten. Er gehört zu den Spielern, die vom Gegner gefürchtet und deshalb in psychologischer Hinsicht kaum zu entbehren sind. Das DHB-Aufgebot hatte keinen Akteur, der Angst oder Schrecken in der gegnerischen Mannschaft verbreitet. Vor den 'artigen ' Deutschen kapitulierte niemand, das war mitentscheidend." Die Vorbereitungen für München sind so umfangreich und gewissenhaft wie noch nie: Fast 600 000 Mark fließen ins "Unternehmen Olympia". Die Spieler sind fast 18 Monate lang zusammen. Ein "Heer" von 30 angehenden Sportlehrern macht seit der Weltmeisterschaft 1970 Aufzeichnungen und wertet die Stärken und Schwächen der Konkurrenz aus. Ein Trainerrat tagt ständig. Das Ergebnis: Der sechste Platz ist in der Relation viel zu wenig. Was sich in vielen Testspielen über zweimal 40 Minuten andeutet, wird in München Wirklichkeit. Die Deutsche Handballwoche schreibt weiter: "Die sogenannte zweite Reihe wurde dem internationalen Standard nicht gerecht. Man darf ohne weiteres sagen, dass die alten Strategen Herbert Lübking und Klaus Lange überfordert schienen, dass sie ihrer Mannschaft nicht jene Impulse verliehen haben,

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die man insgeheim erhoffte. Niemand, auch nicht der zu unbeständig spielende Herbert Wehnert, war in der Lage, ein Spiel aus dem Hinterraum zu entscheiden." In der Deckung gibt es erhebliche Lücken. "Zu oft wurden unsere Spieler von ihren trickreichen Gegenspielern genarrt. Das Debakel gegen Olympiasieger Jugoslawien war der Beweis dafür, dass es in der bundesrepublikanischen Mannschaft ganz einfach an Klasse mangelte" , heißt es weiter in der Analyse . "Der bundesdeutsche Handball hat international Gewicht, das ist nicht nur durch die erfolgreichen Europapokaljahre des VfL Gummersbach hinlänglich bekannt. Nach dem Ausscheiden von Hansi Schmidt und Jochen Brand ... waren nur noch Klaus Kater (brachte die erhoffte Leistung), Jochen Feldhoffund Klaus Westebbe dabei. Feldhoffund Westebbe wurden nur sporadisch eingesetzt, ihr normales Leistungsvermögen haben sie insgesamt nicht entfaltet." Während die bundesdeutsche Mannschaft Positionshandball zeigt, triumphiert die Konkurrenz mit Laufspiel. Die Spieler vermissen in dem Turnier eine Spielerpersönlichkeit. "Keiner hat in kritischen Situationen den notwendigen klaren Kopf behalten, keiner hat uns zur besonderen Anstrengung angestachelt. Im Gegenteil: Unsere erfahrensten Leute haben sich, wenn es nun überhaupt nicht mehr lief, auswechseln lassen." Das sei auch nicht möglich gewesen, denn Vick hat nie einen Spieler zum wirklichen Chef der Nationalmannschaft bestimmt, sagt Hansi, er hat nie einen wahren Stellvertreter auf dem Parkett gehabt. Vick hat nie einem Spieler die Möglichkeit eröffnet, Führungsaufgaben zu übernehmen. Auch Hansi hat er nie den Rücken gestärkt. Im Gegenteil: Unzählige Male durfte der Gummersbacher Weltklassemann nicht in der Grundformation auflaufen. Horst "Hotti" Käsler löst Werner Vick als Nationaltrainer ab. Er ist der fünfte deutsche Handballnationaltrainer seit 1926. Seine Vorgänger sind Carl Schelenz, Günther Otto Kaundinya, Fritz Fromm und Werner Vick. Mit seinen Vorgängern verbindet Käsler zumindest eines: ein erfolgreicher Aktiver gewesen zu sein . 44 Länderspiele stehen auf seinem Konto, 1954 wird er in der Halle Vizeweltmeister, 1958 Dritter. 1959 erhält er als damaliger Rekordnationalspieler das Silberne Lorbeerblatt für den Gewinn der Feldhandball-Weltmeisterschaft. Mit dem Berliner SV 92 wird Käsler deutscher Meister. Nach seiner aktiven Zeit betreut er die deutsche Studenten-Nationalmannschaft. Mit Erfolg. Unter seiner Regie wird sie 1963 Vizeweltmeister in Schweden und 1965 Weltmeister in Spanien. Käsler holt für den Neuaufbau Hansi Schmidt und Bernd Munck zurück in die Nationalmannschaft. Hansi Schmidt feiert Mitte November 1972 nach achtmonatiger Abwesenheit seine Rückkehr in die Nationalmannschaft in Eppenheim gegen die Schweiz mit drei Toren und einem 22:9 ( II :4)-Sieg. Im zweiten Spiel gegen die Schweiz in Gießen ist er schon mit sechs Treffern dabei. Die deutsche Mannschaft gewinnt 22:14 (10 :8).

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Das Jahr 1972 klingt aus mit einem 23:17 (12:8)-Sieg in Randers gegen Dänemark und einer 9:11 (3:5)-Niederlage in Oslo gegen Norwegen. Hansi steuert sechs und zwei Tore bei .

Zeitzeugen

Roland Gunnesch: Ein Glücksfall für Gummersbach Hansi und ich haben nie in einer Mannschaft gespielt, wir haben uns lediglich bei drei Weltmeisterschaften gegenübergestanden, er in der deutschen Nationalmannschaft, ich in der rumänischen: 1967 in Schweden, 1970 in Frankreich und 1974 in der DDR. Bei der WM in Frankreich ist Hansi mit der deutschen Mannschaft im Achtelfinale gegen uns als Sieger hervorgegangen ( 15 : 14), doch ist die deutsche Mannschaft anschließend knapp an der DDR nach Verlängerung im Viertelfinale gescheitert (17: 18). Für die rumänische Mannschaft war es gut, denn wir sind erst im Finale auf die DDR getroffen und Weltmeister geworden. Als ich 1964 von Schäßburg in Siebenbürgen zu Stiinta Temesvar ins Banat gewechselt bin, war Hansi schon beim VfL Gummersbach. Doch auch als Gegner und kritischer Beobachter habe ich ihn gut kennen gelernt. Hansi war stets ein wahrer Kollege, der sich in den Dienst der Mannschaft gestellt hat. Er war ein Weltklassemann, dessen Spiel in erster Linie durch eine ausgefeilte Technik geprägt war. Bei seiner Körpergröße und Stärke war er äußerst flink und beweglich. Hansi hat alle Würfe beherrscht, er konnte aus allen Lagen werfen, mit Rechts und mit Links, doch der verzögerte Sprungwurfwar sein Markenzeichen. Er hatte eine außergewöhnliche Sprungkraft und ein gutes Auge ftir die Situation, er wusste stets, was der Torwart macht. Doch Hansi war auch wichtig als Abwehrspieler. Er war ein Glücksfall fur die Stadt Gummersbach. Hansi hat einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des deutschen Handballs und zum Fortkommen der Nationalmannschaft geleistet. Für den VfL Gummersbach war er der Glücksfall überhaupt. Ohne ihn wäre der Aufstieg des VfL zum

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weltbesten Klub nicht möglich gewesen. Hansi hat den richtigen Weg gewählt, den Weg in die Freiheit. Er ist keinen lllusionen hinterhergerannt Nur eines finde ich schade, dass er sich nicht weiter als Trainer versucht hat. Hansi hätte auch auf diesem Feld seinen Weg machen können. Bei den Treffen der Banater und Siebenbürger Handballer würde ich ihn gerne öfter sehen.

Zur Person: Roland Gunnesch, am 25. März 1944 im siebenbürgischen Denndorf geboren, wird 1970 und 1974 mit Rumänien Weltmeister, ferner Gewinner der Bronzemedaille und der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in München 1972 und in Montreal 197 6 sowie der Bronzemedaille bei der WM in Schweden 1967. Damit ist der 217fache rumänische Nationalspieler einer der erfolgreichsten Handballer überhaupt. Als Handballer macht Gunnesch Karriere beim ehemaligen Klub Hansi Schmidts im Banat, und zwar bei Stiinta Temesvar, später in Politechnica um benannt. Nach dem Ende der aktiven Laufbahn 1983 bleibt Roli, wie ihn Freunde nennen, seinem Klub Politechnica Temesvar als Vize-Trainer erhalten, bis 1991. Der Abschied ist mit dem Gewinn des Meistertitels verbunden. Nach der Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland bildet sich der Elektrotechnik-Ingenieur in Pneumatik und Computerwissenschaften weiter. 1993 steigt er ein bei der von den Banater Unternehmern Dr. Hartwig Michels und Dr. Knud Klingler gegründeten Firma Deutsche Luftgleitsysteme (DELU) in Nürnberg, ftir die er heute noch tätig ist.

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Knapp am Skandal vorbei Für die Saison 1972/ 1973 fordert VfL-Trainer Djordje Vucinic "dringend drei bis vier neue Kräfte, Kreisläufer und Rückraumspieler; denn nur der ständige Kampf um einen Platz in der Mannschaft zwingt die Spieler zu optimalen Leistungen. " Vucinic verlangt von seinen Spielern, noch härter und intensiver zu arbeiten, damit das Ziel deutsche Meisterschaft erreicht werden kann . Wenn das nicht der Fall ist, will er den VfL Gummersbach verlassen. Die Saison 197211973 beendet der VfL Gummersbach als Sieger der BundesligaGruppe Nord. Er spielt zweimal unentschieden und verliert ein Spiel. Den ersten Punkt gibt der VfL am fünften Spieltag ab. Hansi Schmidt geht leicht angeschlagen ins Spiel gegen Grün-Weiß Dankersen . Er hat eine in Hamburg erlittene Gehirnerschütterung noch nicht überstanden. Bernd Munck fehlt Dankersen wegen einer Handverletzung. Das Spiel endet I 0: I 0. Einen weiteren Punkt verliert der VfL Ende November beim TV Grambke. Das Spiel endet 20:20. Kurz vor Jahrewechsel 1972/ 1973 unterliegt Altmeister VfL Gummersbach vor 2200 Zuschauern in der ausverkauften Lübecker Hansehalle Schwartau mit 11:14 (8:8). Es bleibt die einzige Niederlage in der Saison. Zwei Minuten vor Schluss steht es II: II , und die Gummersbacher fuhren den Ball. Zay wagt einen Wurf. Aber der Schwartauer Torwart Dogs hält. Sekunden später trifft Lüth ins Gummersbacher Tor. Der VfL schaltet nach einem Fehlwurf auf Manndeckung um, Rogge und Lüth überlaufen die resignierenden Westdeutschen, der Schwartauer Sieg ist perfekt. Der Erfolg ist glücklich zustande gekommen, aber verdient. Die Schwartauer dekken Gummersbachs Scharfschützen Hansi Schmidt konsequent, verhindern das Mehr an Toren des dennoch viermal erfolgreichen Bombers und stören gleichzeitig den Spielfluss des VfL. Die Schiedsrichter können allerdings die mit fortschreitender Spielzeit immer weniger regulären Attacken der Bewacher wirkungsvoll unterbinden. " Wenn man einen so schweren Kampf praktisch mit nur einem Wechselspieler durchzustehen hat, wird der Zusammenbruch zum Schluss in etwa verständlich", sagt Gummersbachs Handball-Obmann Eugen Haas nach dem Spiel. Kosmehl ist verletzt, denjungen Jersch setztTrainerVucinic in diesem hektischen Kampfkaum ein. Feldhoff spielt nur fünf Minuten . Dem VfL fehlt zum Jahresende der "zweite Anzug". Das Duell der Giganten entscheidet der VfL Gummersbach unerwartet mit 14:13 (7:7) für sich gegen Dankersen. Hansi Schmidt erweist sich an diesem 12. Spieltag wieder einmal als der herausragende Spieler in der Mindener Sporthalle. Er trifft bei 14 Wurfversuchen zehnmaL Gummersbach ist als erste Mannschaft für die Meisterschaftsendrunde qualifiziert.

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Mit einem 17:14 (6:6)-Sieg beim THW Kiel sichert sich der VfL Gummersbach die Meisterschaft der Nordstaffel vor dem letzten Spieltag. Der THW bringt den VfL Gummersbach an den Rand eines Punktverlustes. 14:14 steht es in der 56. Minute. Aber im Gegenzug wird Westebbe bei einem Tempogegenstoß gelegt, und den fälligen Siebenmeter verwandelt Hansi Schmidt zum 15:14. Mit diesem Führungstor ist die Entscheidung gefallen. Hansi ist an diesem Erfolg mit 14 Treffern beteiligt. Der VfL Gummersbach und Titelverteidiger Frisch AufGöppingen bestreiten am I 0. März 1973 in der Dortmunder Westfalenhalle das Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Nach einem 14:14 im Halbfinalhinspiel tut sich der dreifache Europapokai-Sieger aus Gummersbach im Rückspiel recht schwer gegen den TV Hüttenberg in Essen. 20:16 ( 12:9) gewinnt der VfL gegen die Überraschungsmannschaft der SüdstaffeL Die Sensation aber gibt es im zweiten Duell der Vorschlussrunde. Grün-Weiß Dankersen scheidet aus. Nach dem 18 :14-Sieg im Hinspiel kommt Dankersen in der Göppinger Hohenstaufenhalle schwer unter die Räder. Die Spieler um Bernd Munck bringen in 30 Minuten nur einen einzigen Treffer zustande und werden vom Titelverteidiger mit 5:18 ( 1:7) formlieh in Grund und Boden gespielt. Gummersbachs Handballer erreichen nach dem schwer erkämpften 20:16 (12:9) gegen TV Hüttenberg in der mit 5000 Zuschauern besetzten Essener Gruga-Halle zum siebten Mal in acht aufeinander folgenden Jahren das Finale um die deutsche Meisterschaft. Mit 21:18 ( 11:11) besiegt der dreifache Europapokalsieger VfL Gummersbach im 24. Finale Titelverteidiger Frisch Auf Göppingen und holt zum vierten Mal den deutschen Meistertitel ins Oberbergische Land. "Bester Spieler auf dem Parkett war wieder einmal mehr Hans-Günther Schmidt mit 13 Treffern (ftinf Feldtoren und acht Siebenmetern)", schreibt die Deutsche Handballwoche. Beide Mannschaften spielen sehr hart. Ein großer Teil der 12 500 Zuschauer in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle wirft alles aufs Spielfeld, was ihnen zur VerfUgung steht. Die Begegnung steht am Rand des Abbruchs. Was die beiden Mannschaften im Finale vorfUhren, ist "eines Endspiels nicht würdig", urteilt die Deutsche Handballwoche. "Mit dem Ertönen des Anpfiffs wurde vor dem Publikum der Katalog der Regelwidrigkeiten aufgeklappt. Wer erlebt hat, wie mit Handkantenschlägen und gezielten Boxhieben gearbeitet wurde, mochte glauben, hier wolle der in den vorangegangenen Begegnungen aufgestaute Ärger endlich an die Luft. Sowohl Frisch AufGöppingen als auch der VfL Gummersbach haben erst im letzten Jahr in Böblingen bewiesen, dass es auch anders geht als zwei Jahre vorher in der Frankfurter Kongresshalle, in Böblingen hatten die Zuschauer ihre helle Freude, weil die Akteure bei allem Einsatz ein gutes Spiel zeigten und das unselige Finale des Jahres 1970 vergessen machten. Aber in der Westfalenhalle mussten

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alle Hoffnungen auf ein gutes Hallenhandball-Spiel schon nach wenigen Minuten begraben werden." Von Beginn an ist bedingungslose Härte Trumpf, beide Mannschaften wollen den Torerfolg. Die Spieler suchen rücksichtslos und unerbittlich den körperlichen Kontakt, stoßen, schlagen, klammern und halten. Taktische Finessen und spielerische Glanzleistungen haben Seltenheitswert. Die Kölnische Rundschau schreibt: "Bei allen Prügeleien: Schmidt blieb ruhig. Das HandballFinale knapp am Skandal vorbei. VfL Meister". Die Stuttgarter Zeitung titelt: "So geht Handball vor die Hunde" und schreibt: "Das 24. Endspiel um die deutsche Hallenhandball-Meisterschaft wird als die 'Schlacht von Dortmund' in die Geschichte dieser Sportart eingehen. Denn was sich der VfL Gummersbach und Titelverteidiger Frisch Auf Göppingen auf dem Parkett lieferten, war der 'Gipfel der Unsauberkeit und das schlechteste Finale seit Jahren'." Die Sindelfinger Zeitung zitiert Herbert Kranz, den Ex-Vorsitzenden der Technischen Kommission des Deutschen Handball-Bundes: "Hansi hatte einen Schokoladentag". Das Finale habe einem Volksfest geglichen, mitallseinen negativen Auswüchsen. Die Westfälische Rundschau titelt: "Schmidt 'erschoss' Göppingen". In den Ruhr-Nachrichten ist zu lesen: "Schmidt-Dutzend +eins. 13 Tore zum Gummersbacher 21: 18-Sieg über Göppingen".

Krim-Sekt für die frischen Wunden Der VfL Gummersbach gewinnt den harten "Schlagabtausch". Der Titelverteidiger aus Göppingen kann nur zu Beginn des Spiels durch einen Treffer von Max Müller die Führung an sich reißen, läuft dann aber während der ganzen 60 Minuten einem Rückstand hinterher, den er nur beim 10: I 0 und II: II kurz vor der Pause und beim 18:18 wenige Minuten vor dem Ende einholt. Und eben in diesen kritischen Phasen beweist die Mannschaft um Hansi Schmidt Nervenstärke und nutzt die Chancen kaltschnäuzig. Hauptstütze der Gummersbacher ist wieder einmal Hansi Schmidt, der mit funf Feldtoren, alle in der ersten Halbzeit erzielt, und acht verwandelten Strafwürfen, sechs davon allein in der zweiten Halbzeit, zum überragenden Akteur auf dem Parkett avanciert. Mit der schönsten Aktion des Spiels leitet Hansi Schmidt nach 40 Minuten die Wende ein. Obwohl hart attackiert, spielt er den frei am Kreis auftauchenden Schlagheck an, der sich diese einmalige Chance gegen Rathjen nicht entgehen lässt. In den Katakomben der Westfalenhalle steht Hansi Schmidt in einer der Kabinen und kühlt seine blutende, klaffend aufgeschlagene Oberlippe mit rotem KrimSekt. "Endkampf könnte man sagen, gespielt wurde nicht", meint der Reporter der Kölnischen Rundschau. Sekt habe sich nicht nur Hansi verdient, sondern auch der scheidende Gummersbacher Trainer Vucinic: "Er hatte das bessere Konzept."

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Karin Schmidt, Ehefrau des "Handballkönigs", will Hansi nach dem 21:18Endspielsieg der Gummersbacher über Frisch Auf Göppingen den verdienten Kuss zum Sieg geben. Es ist nicht möglich, weil die Lippen des VfL-Stars blutig geschlagen sind. Am Abend nach dem Sieg wird die Wunde in einem Dortmunder Krankenhaus genäht, und am nächsten Tag erscheint Hansi mit verpflastertem Mund zur Siegesfeier in Gummersbach. Als ihm Bundestrainer "Hotti" Käsler mit einem kräftigen Händedruck zur Leistung gratuliert, zieht der Hüne mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand zurück. Auch Hansis "goldene" Wurfhand hat die "Schlacht von Dortmund" nicht ohne Blessuren überstanden. Doch das hat er nie so tragisch empfunden: "Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Handball ist ein Kampfsport", sagt er heute noch. Die Endspiel-Statistik VtL Gummersbach gegen Frisch Auf Göppingen 21:18 (11:11) VfL Gummersbach: Ralf Hamann (1. bis 27. Min.), Klaus Kater; HeinerBrand (1), Bruno Zay, Klaus Schlagheck (3), Jochen Feldhoff (I), Helmut Keller, Jochen Brand, Klaus Westebbe (3, davon ein Siebenmeter), Hansi Schmidt (13, davon acht Siebenmeter), Helmut Kosmehl. Nicht eingesetzt: Frank Jersch. Frisch AufGöppingen: Uwe Rathjen, Hans Brodbeck (nur bei einem Strafwurf im Tor); Paul Epple (3, davon zwei Siebenmeter), Walter Pflüger (1 ), Armin Emrich, Christi an Patzer (I), Max Müller (6), Peter Buch er (6), Günter Schweikardt (1 ), Werner Fischer, Werner Arndt, Wolfgang Don. Die schon 1972 begonnenen Vorbereitungen der Nationalmannschaft auf die Weltmeisterschaft 1974 in der DDR werden 1973 fortgesetzt. In diesem Jahr zwischen den Olympischen Spielen in München und der achten Weltmeisterschaft erzielt die Nationalmannschaft einige bemerkenswerte Erfolge: Zweiter Platz beim Vierländerturnier im Frühjahr in Laibach (Ljubljana) hinter Olympiasieger Jugoslawien, aber vor der Tschechoslowakei; einen dritten Rang beim Ostsee-Pokalturnier im eigenen Land hinter der Sowjetunion und Vizeweltmeister DDR; und kurz vor Jahresende glänzen die Schützlinge von Bundestrainer Horst "Hotti" Käsler in der georgischen Hauptstadt Tiflis auch ohne den beruflich unabkömmlichen Dankerser Regisseur Bernd Munck mit überraschenden Siegen. Auf der Suche nach dem Aufgebot filr die WM erringt die deutsche Mannschaft in den 17 Spielen elf Siege, zum Teil gegen die absolute Weltspitze. Nach dem geglückten Aufgalopp gegen die Schweden in Bremen (19: 14) und gegen Luxemburg (17: 15 praktisch mit der zweiten Garnitur) gibt es einen Sieg und eine Niederlage gegen die Tschechoslowakei ( 16:14 in Münster und 14:20 in Essen). Beim Vierländerturnier in Laibach (Ljubljana) bezwingt die deutsche Mannschaft Dänemark mit 26: 18 und danach in Bremen mit 21: 11. Ferner gewinnt sie gegen die Tschechoslowakei 20:16 und unterliegt Jugoslawien 13:26. Die deutsche Mann271


schaft besiegt Polen im fünften Treffen beider Länder in Kiel knapp mit 16: 15. Die Finnen leisten kaum Widerstand in Emden beim 19:8. Die schönsten Geschenke macht sich die DHB-Sieben zum Jahresende: Weltmeister Rumänien muss in Saarbrücken mit 14:15 die Segel ebenso streichen wie die nicht in stärkster Besetzung in Tiflis angetretenen Jugoslawen, die einer glänzend aufspielenden deutschen Mannschaft 15: 18 unterliegen . Hin zu kommt noch das 20 : 16 gegen die B-Garnitur der Rumänen, ebenfalls in Tiflis, das aber offiziell als A-Länderspiel gewertet wird. Auf der Minusseite des Jahres 1973 stehen sechs Niederlagen ausnahmslos gegen jene Mannschaften, die bei der Vergabe des nächsten Welttitels als Favoriten gelten: Die Techniker aus der Tschechoslowakei lassen in Essen die deutsche Mannschaft recht schlecht aussehen ( 16:20), in Laibach gibt es gegen Jugoslawien die zweithöchsteN iederlage in der Länderkampfgeschichte ( 13 :26), Weltmeister Rumänien hält sich in Köln mit 17:15 schadlos, Angstgegner Sowjetunion hat in diesem Jahr gar zweimal die Nase vorn (21: 19 in Harnburg und 19: 15 in Tiflis), und die Mannschaft der DDR bleibt in Dortmund mit 21: 19 Sieger. Der inzwischen 30-jährige Hansi ist weiterhin auch in der Nationalmannschaft die herausragende Gestalt. "Wir hatten keinen Schmidt", sagt in der Bremer Stadthalle der Präsident des Schwedischen Handball-Verbandes, Curt Wadmark, nach dem 19: 14-Erfolg der deutschen Mannschaft. Der Gummersbacher Ausnahmekönner, schon seit Wochen in großartiger Form, fUhrt dem Bremer Publikum nicht nur sein reichhaltiges Wurfrepertoire vor, er beeindruckt auch durch mannschaftsdienliches Spiel und glänzt mit gekonntem Anspiel der Kreisläufer. "Alle seine sieben Tore waren das Eintrittsgeld wert, den überraschenden Rückhandwurf vorangestellt", schreibt die Deutsche Handballwoche. Die Großfeldmeisterschaft findet inzwischen immer weniger Anklang. Die Zuschauerzahlen sinken. [m April 1973 sehen zum Auftakt der Großfeldsaison 200 Zuschauer den 14:6-Sieg derTV Angermund gegen HSG Hamborn. 250 Zuschauer sind beim 12:14 des TV Oppum gegen VfL Eintracht Hagen dabei . Nur zwölf zahlende Zuschauer werden registriert beim Duell Eintracht Braunschweig gegen SG Bremen-Ost, das 10: 14 endet. Doch der Deutsche Handball-Bund beschließt, die Großfeldmeisterschaft ein weiteres Jahr auszurichten. Der Sommer 1973 bringt einige Veränderungen beim VfL Gummersbach mit sich. Hansi Schmidt läutet sie ein. Bei einem Lehrgang der A- und der B-Nationalmannschaft in der Sportschule in Steinbach bei Stuttgart spricht Joachim Deckarm beim Duschen Hansi an. Jo, der noch in Saarbrücken spielt, wo gute Jugendarbeit geleistet wird, will nach Gummersbach wechseln. Jo will nach eigenen Angaben von Hansi lernen und ihn als väterlichen Freund gewinnen. Das erste, was Hansi auffallt, ist Jos tiefe, dunkle Stimme. Zurück in Gummersbach, ebnet Hansi

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zusammen mit Eugen Haas den Weg für Deckarms Wechsel. Anfangs wird Jo beim VfL Linksaußen spielen . Die halblinke Rückraumposition ist noch von Hansi besetzt. 1976 macht Hansi mit seinem Rückzug den Platz auf der Königsposition frei für Deckarm. Auf der Trainerbank löst 1973 der Rumäne Viktor Kitza den Serben Djordje Vucinic ab. Der Rauswurf beim mehrfachen rumänischen Frauenmeister Uni Temesvar ist einer der Gründe, die Viktor Kitza und seine Frau Hermine veranlassen, Rumänien den Rücken zu kehren. 1973 nutzen sie eine Tagung im serbischen Teil des Banats zur Flucht. Die Reise von Pantschowa in Viktor Kitza Jugoslawien endet in Salzburg. Hermine und Viktor Kitza, die ihren achtjährigen Sohn in Temesvar zurückgelassen haben, fehlt die Einreisegenehmigungfür Deutschland. Sie verbringen bange Tage in Österreich. Doch alles löst sich in Wohlgefallen auf. Eine Postkarte an Hansi Schmidt in Gummersbach genügt, und alles kommt in Bewegung. Hans-Dietrich Genscher hilft, weil Hansi Schmidt ihn bittet. Viktor Kitza wird Trainer beim VfL, der Posten ist eben vakant. Hermine Posmor-Kitza übernimmt die Frauenmannschaft des VfL, die in der Verbandsliga spielt. 1975 wechselt sie nach Engelskirchen. Kitza gehört zu den 40 "Verrückten", die nötig waren , um dem rumänischen Handball zu seinen sieben Weltmeistertiteln und anderen internationalen Erfolgen zu verhelfen, um mit dem aus dem siebenbürgischen Jakobsdorf stammenden Handballlehrer Kar! Martini zu sprechen. Viktor Kitzaschreibt bis zu seiner Flucht zusammen mit seiner Frau Hermine einen Teil derTemesvarer Handball-Geschichte. Kitza wird 1955 rumänischer Großfeldmeister mit dem Bukarester Armeesportklub CCA und erringt mit der Frauenmannschaft von Stiinta/Uni Temesvar als Trainer von 1962 bis 1968 drei HallenlandesmeistertiteL Vorher, 1960, führt er zusammen mit seinem Assistenten Tibi Sfercociu die Mädchenmannschaft des Schülersportklubs Banatul ins Handballoberhaus. Es ist eine Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von 16 Jahren. In dieser Mannschaft spielt auch Kitzas spätere Frau Hermine Posmor. Das Trainergespann Viktor Kitza/Heiner Frohwein baut weiter aufHansi Schmidt und krönt die von Vucinic eingeläutete Wende mit weiteren Erfolgen. Im Sommer 1973 greift der VfL wieder ins Geschehen im neugeordneten Europapakai ein. Ab der neuen Saison ist nicht mehr der Deutsche Handball-Bund Ausrichter der ECEndspiele,jetzt führt die Internationale Handball-Föderation Regie. Die Endspiele werden nicht mehr in der Westfalenhalle, sondern aufneutralem Parkett ausgetragen. Der VfL startet mit einem II: I 0 (4:5)-Sieg in Reykjavik gegen den isländischen Meister Val ur in den Wettbewerb. Das Rückspiel entscheidet der VfL mit 273


16:8 (8:6) in der Westfalenhalle vor 2500 Zuschauern für sich. Der FC Barcelona ist als nächster Gegner keine schwere Hürde ft.ir den VfL. Nach einem 30:23 ( 13:9)Sieg in Katalonien kommt der VfL zu einem 20:15 (9:6) in der Westfalenhalle und erreicht das Viertelfinale.

"König der Westfalenhalle" Vom alten Geist in der neuen Truppe spricht Gummersbachs Kreisflitzer Jochen Feldhoff nach dem 22: 14 ( 12:5)-Erfolg des VfL im ersten Viertelfinalspiel des Hallenhandball-Europapokals über ZSKA Moskau vor 6500 begeisterten Zuschauern in der Westfalenhalle. Den einzigartigen Sturmlauf des dreifachen Pokalsiegers, ein kaum zu überbietender kämpferischer Einsatz, eine gute taktische Einstellung sind die Rezepte dieses Sieges." Wer aber von diesem VfL-Triumph spricht, der denkt auch an Hansi Schmidt. Ausgerechnet der Hüne, den seine ewigen Kritiker und Konkurrenten langsam, aber sicher in der Versenkung verschwinden glaubten, feierte in diesem gnadenlosen Fight ein glänzendes Comeback. Zehn Tore, eine Reihe glänzender Anspiele, eine fast fehlerfreie Abwehrleistung, das alles zusammen ergab das Prädikat Weltklasse", schreibt die Deutsche Handballwoche. Aber nicht allein seine Tore, nicht allein seine Vorlagen, nicht allein seine Abwehrleistung imponieren an diesem Tag, sondern auch seine ganze Einstellung und Haltung. Er reißt immer wieder seine Mitspieler mit, spornt sie an zu letztem Einsatz, zu höchster Konzentration. Und nachher meint Hansi bescheiden : "Unser Sieg war das Verdienstall unserer Spieler, die ihr Letztes gaben ... " Die Gummersbacher Trainer bedienen sich vor dem Spiel eines Tricks, Viktor Kitza und Heiner Frohwein beobachten die Moskauer am Vorabend des Spiels. Während die Russen noch einmal ihre Spielzüge durchexerzieren, sitzen die beiden Trainer unter dem Dach. Die Russen ahnen nichts. Sie glauben sich unbeobachtet. "Und was wir dort sahen, genügte, um unserer Taktik den letzten Schliff zu geben", so Kitza nach dem Sieg. Der VfL Gummersbach erzielt mit 43 Würfen 22 Tore, hat also eine Schussauswertung von mehr als 50 Prozent. Die Moskauer dagegen kommen gerade auf ein Drittel : Für ihre 14 Tore benötigen sie 39 Versuche. Nach dem Triumph gibt es in den Katakomben der Westfalenhalle Bier statt Sekt. "Wir müssen sparen", so Mannschaftskapitän Hansi Schmidt, denn "die bisherigen Spiele haben uns doch sehr in die roten Zahlen gebracht", sagt er augenzwinkernd. Trotzdem ist der "König der Westfalenhalle" zufrieden: " Die Zuschauer haben uns endlich den Rückhalt gegeben, den wir einfach brauchen, um das Letzte aus uns herauszuholen." Hansi lobt nicht nur den Einsatz und die Einstellung der

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Mannschaft, sondern er bedankt sich auch bei den beiden VfL-Trainern Viktor Kitza und Hein er Frohwein. "Sie haben die Mannschaft glänzend auf dieses Spiel und auf den Gegner eingestellt", zitiert die Deutsche Handballwoche Hansi. Der Gummersbacher vergisst selbst den Bundestrainer nicht. "Auch Horst Käsler hat ein wenig Anteil an dem Erfolg. Er hat gerade uns Gummersbachern neuen Mut und neuen Schwung gegeben." Die Statistik des Spiels VfL Gummersbach gegen ZSKA Moskau 22:14 (12:5) VfL Gummersbach: Kater, Wrona (nicht eingesetzt); Heiner Brand (2), Jochen Brand, Schlagheck (2), Feldhoff (1), Lettgen, Henseler, Westebbe (4), Schmidt (10, davon 3 Siebenmeter), Kosmehl, Deckarm (3). Im Rückspiel durchkreuzt Hansi Schmidt die ZSKA-Rechnung, schreibt die Deutsche Handballwoche. Neben dem VfL erreichen Pokalverteidiger MAI Moskau, CH Pressburg (Bratislava) und IF Oppsal Oslo das Halbfinale. Wunder geschehen auch im Handball nur höchst selten. ZSKA Moskau, die sowjetische Meistermannschaft, scheitert im Rückspiel am Spielvermögen und der Reife der bundesdeutschen Meistermannschaft. Den sowjetischen Handballern bleibt lediglich der Trost, den dreifachen Pokalsieger aus Deutschland mit 19: 18 (7:9) bezwungen zu haben. Die Gummersbacher lassen sich in diesem Spiel nicht aus der Fassung bringen. Die Russen führen nach neun Minuten durch zwei Kuljew-Siebenmeter 2:0. Noch einmal hätte es kritisch werden können, als Kuljew per Siebenmeter auf 14:11 erhöht und später das 15:12 schafft. Aber in beiden Fällen ist es Hansi, der Moskaus Rechnungen schnell durchkreuzt. "Doch trotz des wiedererwachten Gummersbacher Teamgeistes, wer von diesem Spiel spricht, der denkt auch an Hansi. Obwohl meist manngedeckt, verbuchte der Hüne elf der achtzehn Gummersbacher Tore auf sein Konto. Sein Leistungshoch von Tiflis und Dortmund vermochte der Scharfschütze nachdrücklich zu bestätigen", heißt es in der Deutschen Handballwoche. Die Statistik des Spiels ZSKA Moskau gegen VfL Gummersbach 19:18 (7:9) ZSKA Moskau: Tomien; Klimow (I), Rosentals, Tschernyschew, Kolotow (I), Usati (1), Wassiljew (3), Gutbis (1), Dratschew (2), Kidjajew (!), Kuljew (9, davon 6 Siebenmeter); VfL Gummersbach: Kater, Wrona (nicht eingesetzt); Heiner Brand, Schlagheck (2), Feldhoff ( 1), Lettgen, Henseler, Westebbe (I), Schmidt ( 11, davon 3 Siebenmeter), Kosmehl (!), Deckarm (2), Jochen Brand.

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Aus allen Lagen erzielt Han si seine Tore.

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Die bundesdeutsche Nationalmannschaft 1974 bei der WM in der DDR: (hintere Reihe von links) Heiner Möller. Horst Spengler. Peter Bucher. Gerd Welz, Bernd Munck, Masseur Jochen Söhngen, (zweite Reihe) Trainer Horst " Hoti " Käsler, Peter Görtz, Klaus Kater, Wolfgang Braun, Wilfried Meier. Klaus Westebbe, Co-Trainer Fritz Spannuth, (sitzend) Hansi Schmidt, Joachim Deckarm, Armin Emmrich, Hans Kramer, Herbert Wehner und Burkhard Gröning

Der VfL macht das WM-Desaster vergessen Abschied von der Nationalmannschaft In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in der DDR bringt die bundesdeutsche Nationalmannschaft keine konstanten Leistungen. Nach der Enttäuschung folgt das Wunder, heißt es nach zwei Länderspielen gegen die Sowjetunion. Knapp zwei Monate vor Beginn der Weltmeisterschafts-Endrunde 1974 bietet Horst Käslers Mannschaft unterschiedliche Leistungen. Im ersten Treffen in Bremen deckt die nicht überzeugende, aber sehr produktiv spielende sowjetische Mannschaft die alten Schwächen der Käsler-Schützlinge auf: zu wenig Biss in der Dekkung, zu wenig Entschlossenheit im Angriff. Die neunte Niederlage hintereinander gegen die Mannen um Juri Klimow mit 18 :21 (I 0: 11) ist die Folge. Aber der Enttäuschung in der Bremer Stadthalle folgt zwei Tage später das Wunder in der Gruga-Halle in Essen : Vor 6200 Zuschauern stellt sich eine total verwandelte deut-

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sehe Nationalmannschaft vor, in der neben Hansi Schmidt vor allem die beiden Linkshänder Wehnert und Hahn ihre Wurfqualitäten demonstrieren. Der Lohn ist der dritte Sieg gegen die Sowjetunion, der höchste bis dahin . In diesem Spiel kommt es zu einem Zwischenfall, der Gelächter auf den Rängen hervorruft: Bei einer Abwehrreaktion fuchtelt Hansi Schmidt dem Russen Ussaty so vor dem Gesicht herum, dass sich dieser auf ganz eigene Art rächt: Er beißt dem Gummersbacher schlicht in den Finger. Dieser zeigt den dicker werdenden, blutenden Finger überall herum, doch der Biss bleibt ungeahndet. Das zweite Spiel in Essen entscheidet die deutsche Mannschaft mit 17:14 (12 :7) für sich. In beiden Spielen wirft Hansi sieben Tore und ist damit bester deutscher Schütze. Die Begegnung in Essen ist sein 89. Länderspiel. In einem in Böblingen, München und Göppingen ausgetragenen Vierländerturnier belegt die deutsche Mannschaft den zweiten Platz nach Jugoslawien. Sie spielt 15:21 (6:10) gegen Jugoslawien, 20:14 (9:6) gegen Norwegen und 20:17 (12:9) gegen die Tschechoslowakei . Bei der Weltmeisterschaft folgt das zweite Debakel nach der Pleite bei den Olympischen Spielen in München 1972. Die bundesdeutsche Mannschaft belegt den neunten Rang, das schlechteste WM-Ergebnis bis dahin. In der Vorrunde spielt die bundesdeutsche Mannschaft 22:16 (10:7) gegen lsland, 11:12 (5:7) gegen Dänemark und 11 :17 (7:6) gegen die Tschechoslowakei und verpasst die Hauptrunde. In der Trostrunde bleibt die deutsche Mannschaft ungeschlagen . Sie spielt 20:18 (8:9) gegen Schweden, 30:24 (15:12) gegen Japan und 22:13 (12:8) gegen Bulgarien. Im Spiel gegen die Tschechen fehlen der deutschen Mannschaft im Rückraum Bemd Munck und Hansi Schmidt. Weltmeister wird zum vierten Mal Rumänien nach einem Endspielsieg über die DDR mit 14:12 (7:8). Die bundesdeutsche Mannschaft ist zerstritten, sie spielt wie in einer Zwangsjacke. Der Bankrott nach der WM wird von einigen Kommentatoren darauf zurückgeführt, dass das Spiel der Nationalmannschaft auf Hansi Schmidt abgestimmt ist. Doch keiner erwähnt, wenn er das behauptet, dass Hansi nach der Weltmeisterschaft mit seinem VfL Gummersbach zwei weitere Triumphe feiern wird: Er schafft das Double zum zweiten Mal, er gewinnt die deutsche Meisterschaft und den Europapokal der Landesmeister.

Der zweite Doppelschlag Die deutsche Nationalmannschaft der 60er und 70er Jahre funktioniert nicht richtig, weil es zu viele Interessengruppen gibt und weil die Spieler dem Nationaltrainer kaum für gemeinsames Training zur Verfügung stehen. Es fehlt eine klare Hackordnung, sie hat keinen vom Bundestrainer bestimmten Führungsspieler, der auf dem Platz als sein verlängerter Arm das Sagen hat. Die Gummersbacher sind

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nicht die Lieblingsspieler von Werner Vick. Hansi wird immer wieder vorgeworfen, er habe sich nicht beim Bundestrainer ftir einen Gummersbacher Block eingesetzt. Doch er vertritt die Ansicht, jeder soll seine Chance bekommen , ohne Intervention. Horst Käsler, Vicks Nachfolger im Amt des Bundestrainers, ist ein Intellektueller, der nicht das Zeug hat oder haben will, den heterogenen Haufen auf ein Turnier vorzubereiten. Er wollte nicht Polizist sein, und so ist er ein Opfer der Cliquenwirtschaft in der Nationalmannschaft geworden, so Hansi . "Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Weltmeisterschaft 1974 in der DDR ftir die bundesdeutsche Mannschaft zu einem Flop geworden ist." Schon während der WM steht ftir Hansi fest, dass er sich aus der Nationalmannschaft verabschieden wird. Beim 98. Länderspiel hört er auf. Gegen Bulgarien trägt er zum letzten Mal das deutsche Nationaltrikot Das Turnier bereitet ihm überhaupt keinen Spaß. Er ist verletzt. Die deutschen Nationalspieler arbeiten vor, während und nach jedem Spiel nur gegeneinander. Hansis Schlussfolgerung: Es wäre sinnvoll gewesen, eine junge Mannschaft zur Weltmeisterschaft 1974 zu schicken statt des zerstrittenen Haufens. Oder Käsler hätte die Quertreiber zu Hause lassen müssen. Doch das, was in der DDR passiert, kann er nicht voraussehen. Bei der WM 1974 bringt Hansi "eine katastrophale Leistung". Vor den beiden letzten Spielen resigniert er, was eigentlich nicht so richtig zu ihm passt. Es fehlt ihm die Kraft, sich durchzubeißen. Die Kritik nach der VIII. Weltmeisterschaft ist vernichtend. Die Deutsche Presseagentur schreibt, die Fehler der Vergangenheit seien wieder einmal zutage getreten, schon im ersten Spiel gegen Dänemark. In 26 Länderspielen hat Trainer Käsler seine nach dem olympischen Umbruch von München neu formierte Truppe vorbereitet. Doch die DHB-Auswahl wirkt wie eine soeben erst zusammengestellte Zufallskombination ohne Harmonie und Selbstvertrauen. Ihr fehlt der Siegeswille. Taktische Schnitzer von Horst Käsler und Pech kommen hinzu. Mit dieser Aussage bestätigt er nur das, was Valentin Samungi, 1970 Weltmeister mit Rumänien und Hansis ehemaliger Mannschaftskollege, Horst Käsler behauptet: Die großen Einzelspieler in der deutschen Mannschaft haben alle auf eigene Rechnung gespielt, sie haben Hansi nie unterstützt. Die rumänische Nationalmannschaft hingegen hat sich ftir ihren Schützen vom Dienst, Gheorghe Gruia, eingesetzt und damit Erfolge eingefahren. Der damalige DHB-Spielwart Erwin Porzner bestätigt noch bei der WM Querelen innerhalb der Käsler-Truppe. Hüttenbergs Bundesliga-Trainer Rudolf Spengler:

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"Als Einzelspieler war jeder unserer Leute 25 Prozent besser als die Dänen. Doch mannschaftlieh ist davon nichts zum Tragen gekommen." Eine Mannschaft, die nicht kämpft, wenn es um das Weiterkommen in der Weltmeisterschaft geht und praktisch überhaupt nicht den Namen Mannschaft verdient, muss weit mehr und schärfer kritisiert werden als ein vielleicht fehlerhaft disponierender Bundestrainer. Wie Werner Vick seinerzeit muss nun auch Horst Käsler mit zu vielen Spielern leben, die sich eher ftir ihren Verein zerreißen als ftir die Nationalmannschaft, heißt es im Kicker-Sportmagazin . Auch nach Hansis Abschied aus der Nationalmannschaft sind Fachleute der Ansicht, das bundesdeutsche Team brauche den "VfL-Geist". Von vier Spielen gegen sowjetische Spitzenmannschaften hat Hansi mit dem VfL nur zwei verloren. Die Nationalmannschaft dagegen ist dem Team der UdSSR bis Ende 1975 in 13 Spielen zehnmal unterlegen. Der Trainer des Moskauer Armeeklubs ZSKA, Juri Solomko, sagt nach der Weltmeisterschaft: "Der VfL ist stärker als eure Nationalauswahl." Das Erfolgsrezept des V fL jener Tage fußt auf einer gesunden Mischung von Elan und Routine, von Kraft und Konzeption, von Technik und Kampf. Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum der VfL erfolgreicher ist als die Nationalmannschaft: Er wird ganz anders geführt. Jochen Feldhoff, der rechte Flügel, soll einem Bericht zufolge einmal gesagt haben : " Mit dem Verein ins Ausland fahren und mit dem DHB- das ist ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht." Der Deutsche Handball-Bund wirkt 1974 immer noch wie das Denkmal eines Verbandes aus Opas Hobbysportzeiten . Erst seit kurzem gibt es eine Jugendnationalmannschaft mit einem Miniprogramm. Eine Jugendmeisterschaft wird noch wenige Jahre vor der Weltmeisterschaft als unnötig betrachtet. Erst in der Saison 197311974 wird eine B-Mannschaft in ein Länderturnier geschickt. 18 Punktespiele gibt es in der Bundesliga. Nicht ein einziges Wochenende mit Doppelspielen. 15-jährige Turnerinnen, Eiskunstläuferinnen oder Leichtathletinnen trainieren doppelt soviel wie gestandene Mannsbilder. Mit dem Mut zur Jugend wäre das Abschneiden bestimmt weniger blamabel gewesen, heißt es im Kicker. Nach der Weltmeisterschaft tritt Horst Käsler zurück. VfL-Obmann Eugen Haas hebt Vlado Stenze! als Nationaltrainer auf den Schild. Stenze! tritt am I. September 1974 sein Amt an. Für Hansis Geschmack legt der Deutsche Handball-Bund dem Kroaten gegenüber eine unzulässige, unbeschreibliche Unterwürfigkeit an den Tag. Für Hansi steht eins fest: Der Vater des jugoslawischen Olympiasiegs 1972 in München ist nicht Stenze!, sondern lvan Snoj. Stenze! sei stets überschätzt worden. Als Stenze! als deutscher Nationaltrainer antritt, lässt er wissen, er wolle um Hansi eine neue Truppe aufbauen. Das hätte die VfL-Position im DHB gestärkt. Doch Stenze! macht die Rechnung ohne den Wirt. "Ich wollte nicht mehr, schon gar nicht unter Stenze!. Ich kenne ihn aus meiner Bukarester Zeit. Er war

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ein Mitläufer. Die DHB-Spitze war ihm hörig. Alles ist typisch deutsch verlaufen, und zwar nach dem Muster: Kommt ein Fremder, der selbstbewusst viel Geld verlangt und obendrein auch noch schlecht Deutsch spricht, dann zollen wir ihm Respekt und greifen zu." Als Stenze! sicher ist, dass Hansi nicht mehr in der Nationalmannschaft spielt, lässt er die Presse wissen, er hätte Hansi ausgeladen. "Stenze! erweckt den Eindruck, er habe das Denkmal Schmidt gestürzt. Und ohne das tatsächlich getan zu haben, erntet er mancherorts Beifall. Er erklärt auch, die kommende Weltmeisterschaft sei eine Durchgangsstation, dort wollten er und die Mannschaft Erfahrung sammeln. Das Team sei noch nicht reif für den Angriff auf den WM-Titel. Die Mannschaft wird aber mit viel Glück Weltmeister. Sie gewinnt das Endspiel gegen die Altherrenmannschaft der Sowjetunion, der Juri Klimow als zentraler Deckungsspieler im Finale fehlt." Hansi widerspricht Aussagen, die Silbermedaille, die Deutschland bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles errungen hat, sei weniger wert als die bei den Spielen in Athen gewonnene. "In den USA haben die starken Ostblockmannschaften gefehlt, doch 2004 in Athen waren die Teams dieser Länder lange nicht mehr das wert wie vor 20 Jahren. Auch die Skandinavier sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren." Hansi weiter: "Ich sage das nicht, um zu provozieren, sondern nur der Wahrheit willen, so subjektiv dies auch klingen mag. Aber vielleicht ernte ich mit solchen Aussagen auch weitere Komplimente. Denn einer meiner größten Widersacher sagt von mir, der Hansi kommt stets von vorn." Stenze! fordert 1974 von Eugen Haas, dass Joachim Deckarm in Zukunft beim VfL auf der Königsposition spielt, weil er ihn in der Nationalmannschaft auf diesem Posten aufbauen will. Hansi soll ft.ir ihn auf Halbrechts ausweichen. Doch noch ist Hansi der beste Halblinke im Deutschland. Die Stimmung in der Mannschaft wird vergiftet. Selbst ein Eugen Haas beugt sich Stenze! und will, dass Hansi auf Halbrechts spielt. Allmählich beginnt Hansi zu überlegen, ob er Gummersbach den Rücken kehren soll. Er hat den VfL nie verlassen, hat alle Angebote ausgeschlagen, auch weil er seinen Ziehvater Haas nicht enttäuschen wollte. Hansi fühlt sich auch heute noch Eugen Haas zu Dank verpflichtet. Gerd Demann, ein Freund aus der Zeit an der Pädagogischen Hochschule in Bonn, meint, Hansi hat mit dieser Entscheidung des Guten zu viel getan, sich selbst und seiner Karriere geschadet. Sein Festhalten an dem einen Klub grenze an Nibelungentreue. Seine geradlinige Art, sein Drang, stets die Wahrheit sagen zu müssen, habe ihn manchmal auch zu einem Michael Kohlhaas werden lassen. Hansi spielt gerne ft.ir Deutschland. Obwohl es immer wieder Probleme gibt, weil der Deutsche Handball-Bund schlecht geft.ihrt ist. Für Lehrgänge muss er als Leh-

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rer stets vom Dienst freigestellt werden. Die deutsche Mannschaft tritt, fast immer mit wenig Mitteln ausgestattet, die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in München ist eine Ausnahme, gegen die Ostblockmannschaften an. Das reicht nicht, um bestehen zu können. Hansi kann auch nicht an jedem Lehrgang der Nationalmannschaft teilnehmen, weil er auch die Interessen seines Klubs vertreten muss. Wenn der VfL zu einem Freundschaftsspiel antritt, darf er nicht fehlen , aus finanziellen Gründen. Die an Eugen Hass gerichteten Einladungen lauten stets so: Mit Hansi gibt es 2500 Mark, ohne Hansi 1500. Da gibt es nicht viel zu überlegen: Hansi spielt für den VfL. Der Deutsche Handball-Bund lässt seine Spieler immer wieder im Regen stehen. Hansi nennt ein Beispiel: Beim Sportpressefest 1970/ 1971 in Dortmund spielt die deutsche Mannschaft gegen Rumänien. Es ist ein Einlagespiel , mit zwei siebeneinhalb Minuten langen Spielhälften. Hansi hat sich schon aufgewärmt, da kommt ein DHB-Vertreter mit der Meldung zu ihm, wenn er aufläuft, spielen die Rumänen nicht. "Statt über Lautsprecher bekanntzugeben, dass Deutschland wegen der unverschämten Forderung der Rumänen nicht antritt, ziehen die DHB-Verantwortlichen den Schwanz ein", sagt Hansi . Die Rumänen lachen sich ins Fäustchen. Hansi packt seine Sachen und verlässt die Halle. Aber er sagt noch heute : "Jeder vernünftige Verband hätte gesagt, ihr könnt euch packen, wir lassen uns keine Vorschriften machen, wir lassen zwei DHB-Mannschaften gegeneinander spielen. Doch der DHB tut das nicht." Heute ist es nicht anders. Der DHB lädt zu eigenen Veranstaltungen keinen aus Hansis Generation mehr ein . Vor nicht all zu langer Zeit war Hansi als OlympiaBotschafter Gast beim Länderspiel Deutschland gegen Russland in der Westfalenhalle in Dortmund. Vor dem Spiel interviewt das Deutsche Sportfernsehen ihn in der Halle, die einmal wie sein Zuhause war. In der Pause soll er als OlympiaBotschafter an einem weiteren Gespräch teilnehmen. Kurz davor teilt ihm der DHB-Geschäftsführer mit: Wir brauchen Sie nicht mehr, wahrscheinlich hat Herr Strombach Sie ausgeladen. Dabei hatte nicht der Deutsche Handball-Bund geladen, sondern das Olympische Komitee. Doch zurück ins Jahr 1974. Nach der WM greift der VfL wieder ins EC-Geschehen ein. Das Tor zu seinem fünften Europa-Pokal-Finale stößt der VfL Gummersbach in Preßburg im ersten Halbfinalspiel gegen den tschechoslowakischen Meister Cervena Hvezda (Roter Stern) mit 16:15 (8 :6) auf. "Es war der verdiente Lohn einervorbildlichen Mannschaftsleistung", sagt Kapitän Hansi Schmidt nach dem Spiel vor 4000 leidenschaftlich mitgehenden Zuschauern. Die Blau-Weißen spielen entschlossen und diszipliniert, sie spielen klug, taktisch geschickt und entscheiden diesen verbissenen Kampfsouverän für sich. Klaus Westebbe, der die Enttäuschungen bei der erst vor kurzem abgeschlossenen Weltmeisterschaft in der DDR noch in guter Erinnerung hat, stellt nach der Begegnung fest: "In einer so!282


So sehen Sieger aus - der VJL 1974 als deutscher Meister: (stehend von links) Trainer Heiner Frohwein, Eugen Haas, Hansi Schmidt, Joachim Deckarm, Werner Lettgen, Helmut Kosmehl, Achim Henseler, Heiner Brand, Jochen Brand, Klaus Schlagheck, HansWilli Kleine, (hockend) Kurt Fellenberg, Jochen Feldhoff, Trainer Viktor Kitza, Klaus Kater, Klaus Westebbe, Valentin Marxer und RalfJaeger.

chen Mannschaft zu spielen macht erst Spaß." Die Gummersbacher Nationalspieler sind nach dem WM-Debakel in erstaunlich guter Form. Hansi Schmidt erweist sich als vorbildlicher Kapitän, stellt sich voll in den Dienst der Mannschaft. "Bewusst hielt er sich - immer wieder hart attackiert - mit seinen gefürchteten Würfen zurück, hatte dafür aber glänzende Anspiele und erzielte große Wirkung in der Abwehr", schreibt die Deutsche Handballwoche. Gummersbachs Handballchef Eugen Haas strahlt nach dem Spiel: "Das war der Geist, der uns zu den großen Europa-Pokal-Erfolgen und deutschen Meisterschaften verhalf." Denn zum rechten Zeitpunkt, vor den Entscheidungen im Europapokal und in der Meisterschaft, ist seine Mannschaft groß in Form und brennt vor Ehrgeiz. Selbst der sonst recht kritische VfL-Präsident Gerhard Kienbaum ist in Preßburg voll des Lobes: "Alle Achtung, dass unsere Mannschaft in dieser Halle, in dieser hektischen Atmosphäre klaren Kopf behalten hat." Die Statistik des EC-Halbfinal-Hinspiels Cervena Hvezda Preßburg gegen VfL Gummersbach 15:16 (6:8):

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CH Preßburg: Packa; Rietz, Dobrodka (3), Katusik, Sulc (1 / 1), Melis (1), Furka, Canda (1), Nikula (1 / 1), Budovic, Peka (7/6). VfL Gummersbach: Kater; H. Brand (1), J. Brand, Schlagheck (2), Feldhoff (I), Lettgen, Renseier (1), Westebbe (7/ 1), Schmidt (2/ 1), Kosmehl, Deckarm (2). Das Rückspiel gegen die Slowaken gewinnt der VfL Gummersbach mit 15: 10 und trifft im Endspiel aufMAl Moskau, das Lokomotive Sofia, Honved Budapest und Oppsal Oslo der Reihe nach ausschaltet.

Vierter und letzter EC-Triumph Das Finale ist gleichbedeutend mit 70 Minuten voller Dramatik und Härte. Erst in der Verlängerung holt sich der VfL Gummersbach zum vierten Mal die Trophäe. Es ist Hansis vierter und letzter Triumph im Europapakai der Landesmeister. Die Deutsche Handballwoche schreibt: "Erneuter Triumph für den VfL Gummersbach und nach dem enttäuschenden neunten Platz der bundesdeutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in der DDR ein großer internationaler Erfolg für unseren Handball : Vor fast 14 000 Zuschauern in der ausverkauften Westfalenhalle in Dortmund bezwang die Schmidt-Sieben aus dem Oberbergischen Land den Pokalverteidiger MAI Moskau in einem dramatischen und harten Spiel erst in der Verlängerung mit 19:17 ( 16: 16, 9:8) und sicherte sich damit die bedeutendste internationale Trophäe für Vereine zum viertenmal nach 1967, 1970 und 1971." MAI Moskau hat in diesem Finale gleich drei Gegner: den deutschen Meister, das Publikum und die Schiedsrichter. Heinz Singerund Gabriel Siebert aus der DDR brauchen lange, um sich im spannungsgeladenen und harten Geschehen auf dem Parkett zurechtzufinden . Was sie an Regelwidrigkeiten am Moskauer Torkreis ahnden, bleibt zuweilen am Kreis der deutschen Mannschaft ungesühnt. Stürmerfouls und Schrittfehler der MAI-Mannschaft werden zu Recht bestraft, aber auf der anderen Seite nicht mit derselben Konsequenz geahndet. FünfHinausstellungen (13 Minuten) für MAI und nur eine Zwei-Minuten-Strafe für den VtL Gummersbach sprechen für sich, obwohl sich beide Mannschaften in nichts nachstehen. Heinz Singer rechtfertigt die Schiedsrichterentscheidungen nach dem Spiel so: "MAI versuchte mit groben Fouls die Gummersbacher aus dem Rhythmus zu bringen. Wir waren also gezwungen, von Anfang an hart durchzugreifen und Feldverweise auszusprechen. Das heutige Spiel hat an Härte und Kampfkraft bisher alles übertroffen, was ich in meiner 25-jährigen Schiedsrichterlaufbahn erlebt habe." Als nach einer Viertelstunde die beiden WM-erprobten Schiedsrichter mit Klimow nach Panow und Oganesow den dritten Moskauer Akteur wegen rohen Spiels für zwei Minuten des Feldes verweisen, steht das Spiel vor dem Abbruch. Trainer

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Anatoli Jewtuschenko winkt seine Spieler vom Parkett. Erst auf Intervention des IHF-Verantwortlichen Curt Wadmark (Schweden), Vorsitzender der Veranstaltungsund Organisationskommission der Internationalen Handball-Föderation, schickt Jewtuschenko seine Mannen nach vierminütiger Unterbrechung aufs Spiefeld. Als Panow in der zweiten Halbzeit ftir das gleiche Vergehen völlig korrekt fünf Minuten Strafzeit erhält, gerät der sowjetische Trainer in Rage. Jewtuschenko bringt mit seinem Verhalten noch mehr Unruhe in seine nervöse Mannschaft und trägt dazu bei, dass sie in den letzten Sekunden des Spiels beim Stand von 16: 16 Hansi Schmidt hat eben einen Siebenmeter vergeben - zweimal die Chance zum spielentscheidenden Torwurf nicht nutzt. Gummersbach hat in dieser hektischen, harten Begegnung nie den Boden des sportlichen Anstandes verlassen, so die Meinung der Deutschen Handballwoche. DerVfL bewahrt stets kühlen Kopfund zeigt die besseren spielerischen Qualitäten. Während der sowjetische Angriff allein von der überragenden Wurfkraft eines Wladimir Maksimow lebt und in dem Kreisläufer Iljin den einzigen gefährlichen Spieler besitzt, beeindrucken die Gummersbacher trotzder guten MAI-Abwehr durch glänzend herausgespielte Möglichkeiten. "Dank Hansi Schrnidts Wurfkraft und seines geschickten Anspiels, besonders Westebbe und Deckarm, blieb der VfL Gummersbach gut 55 Minuten lang Herr der Situation und geriet kein einziges Mal in Rückstand", so die Deutsche Handballwoche. Bis auf dreimal beim 2:2, 3:3 und 8:8 liegt die deutsche Mannschaft in der ersten Hälfte immer in Führung, beim 7:5 und 8:6 sogar zweimal mit zwei Toren. In der zweiten Halbzeit gibt der VfL bis ftinf Minuten vor Schluss die Führung nicht mehr ab. Deckarm vergibt zweimal, und Hansi Schmidt verwirft einen Siebenrneter. Die Russen gleichen zum 16: 16 aus. In der Verlängerung ist der VfL physisch überlegen. Westebbe nutzt einen Abspielfehler von MAI zum 17: 16, und Kater stoppt Maksimow glänzend. Jetzt sind die Gummersbacher nicht mehr zu stoppen. Im Spurt löst sich Hansi Schmidt vom manndeckenden Oganesow und verwandelt zum 18:16 aus halblinker Position. Auch das 18: 17-Anschlusstor von Machorio bringt die Gummersbacher nicht aus dem Rhythmus. Sie behalten die Übersicht, bleiben in Ballbesitz und krönen den vierten Pokalgewinn mit einem herrlich herausgespielten Treffer. Hansi Schmidt bedient seinen Linksaußen Joachim Deckarm mit einem präzisen Rückhandanspiel, und der ehemalige Zehnkämpfer lässt Sytschew keine Abwehrchance. Grollend verlässt die Gästemannschaft noch vor der Siegerehrung das Parkett. Sie hat sich aber die Niederlage selbst zuzuschreiben, urteilt die Deutsche Handballwoche. "Hätte sie ihre Aufmerksamkeit weniger den Unparteiischen als vielmehr dem Gegner zugewendet, dann hätte sie nach dem Spiel nicht mit der ihnen angetanen Ungerechtigkeit und ihrem Schicksal zu hadern brauchen. Von jener MAI-Mannschaft, die noch vor Jahresfrist in einem hochklassigen, fairen

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Spiel gegen Partizan Bjelovar an gleicher Stätte zum erstenmal den Pokal in die Sowjetunion holte, trennte sie an diesem Sonntagabend Welten .. . Dem VfL Gummersbach gebührt ob seiner großartigen kämpferischen Einstellung und seiner ungebrochenen Nervenstärke ein Gesamtlob. Bester Akteur des Siegers war wieder einmal Hans-Günther Schmidt, der herausragender Schütze und glänzender Spielgestalter seiner Mannschaft war." Hansi sieht die Dinge ein wenig anders: Nach dem Europapokal-Sieg über MAI Moskau lässt er sich drei Wochen lang nicht auf den Straßen in Gummersbach blicken. "Die beiden Schiedsrichter aus der DDR haben die Russen nach allen Regeln der Kunst verpfiffen. Das war kein schöner Sieg. Das belastet mich heute noch. Die Moskauer wurden regelrecht betrogen. Maksimow, Klimow und ihre Kollegen tun mir leid." Beim Stand von 16: 16 vergibt Hansi einen Siebenmeter. Deshalb geht es in die Verlängerung. Danach ist der VfL tatsächlich die bessere Mannschaft. "Die Russen waren insgesamt aber eine halbe Klasse besser als wir Gummersbacher." Hansi weiter: "Der Handball-Verband der DDR hat die beiden Schiedsrichter anschließend auf Wirken des sowjetischen Handball-Verbandes gesperrt." Wie die Russen in Dortmund, so ist der VfL von tschechischen Schiedsrichtern im Europapokalspiel von Bukarest gegen Steaua verpfiffen worden. Ähnlich ist es dem VfL in Schwartau ergangen. Ähnliches wird sich immer wieder wiederholen. Schiedsrichter können nun einmal Spiele manipulieren. Die Statistik des Endspiels VfL Gummersbach- MAI Moskau 19: 17 ( 16:16, 9:8) nach Verlängerung VfL Gummersbach: Kater, Wrona (nicht eingesetzt); H. Brand (I), J. Brand, Schlagheck, Feldhoff, Lettgen, Henseler, Westebbe (4), Schmidt (9/3), Kosmehl (1), Deckarm (4); MAI Moskau: Sytschew, Galubkow (nicht eingesetzt); Panow, Maksimow (9/2), Sotow, lljin (4/2), Krawzow ( 1), Klimow (I), Koschuchow, Machorin (2), Oganesow, Ratnikow. In der Bundesligastaffel Nord belegt der VfL nach Abschluss der Rückrunde den zweiten Platz hinter TuS Wellinghofen. Der VfL hat zweimal unentschieden gespielt und drei Spiele verloren. Bei Wellinghofen stehen lediglich drei Niederlagen zu Buche. Eine Niederlage bringt der VfL dem Gruppenersten mit 20:14 (10:5) bei . Wie vor drei Jahren kann der Europapokalsieger auswärts nicht wie gewohnt glänzen: Vier Siegen stehen zwei Unentschieden ( 13:13 in Bad Schwartau, 21 :2 1 beim TV Grambke) und drei Niederlagen (9 : 14 bei TuS Wellinghofen, 13 :14 beim Hamburger SV und 14: 15 bei Phönix Essen) gegenüber. Der wichtigste Auswärtssieg ist zweifellos von vorentscheidender Bedeutung: das 15: 12 beim Mitfavoriten TSV Grün-Weiß Dankersen in der Hinrunde.

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Zum ersten Mal kommt es 1974 zu einem reinen westdeutschen Finale um die deutsche Meisterschaft. Gegenüber stehen sich der VfL Gummersbach und TuS Wellinghofen. Und zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesliga muss sich der VfL Gummersbach nach 1970/7 1 mit dem zweiten Platz in der Staffel Nord zufrieden geben. Aber das kommt nicht von ungefahr: Die Gummersbacher stellen regelmäßig ftinf Spieler zu DHB-Lehrgängen und Länderspielen ab und tragen die zusätzliche Belastung im Europapokalwettbewerb. Die Gummersbacher sind zum fünften Mal Meister, und niemand fragt mehr danach, welche schweren Hürden genommen werden mussten . Die Gummersbacher gewinnen das Halbfinalhinspiel mit 15: I 0 (8 :3) gegen den Südmeister TV Hüttenberg. Trotz der Enttäuschungen der Nationalspieler bei der Weltmeisterschaft bieten die Gummersbacher eine erstaunlich starke kämpferische Leistung, ein bemerkenswert konzentriertes Spiel. "Alle Achtung vor dieser Mannschaft, die sich selbst in einer solch ungewöhnlichen Folge von schwersten Aufgaben immer wieder zu Höchstleistungen steigert", zitiert die Deutsche Handballwoche VfL-Präsident Gerhard Kienbaum. Das Rückspiel entscheiden die Gummersbacher mit 18: 16 ebenfalls ftir sich. Das 25. Finale um die deutsche Hallenmeisterschaft vor 11 000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle entscheidet Titelverteidiger VfL Gummersbach in einem erstklassigen und fairen Spiel gegen den Endspielneuling TuS Wellinghofen überlegen mit 19: 14 ( 10:7) ftir sich und holt sich damit nicht nur den fünften deutschen Titel, sondern wiederholt den Triumph aus dem Jahr 1967: Zwei Wochen nach dem Gewinn des Europapakais können die Mannen um Hansi Schmidt auch die deutsche Meisterschaft feiern. Damit ist der Plan des VfL Wirklichkeit geworden . VfL-Handbaii-Abteilungsleiter Eugen Haas hat sich schon vor Saisonbeginn festgelegt: "Wir wollen den Buropapokal und die deutsche Meisterschaft."

Absolute Weltklasse "Im Handball keine Feier ohne Gummersbach" , heißt die Schlagzeile im Kötner Stadt-Anzeiger nach dem erneuten Triumph . "II 000 Zuschauer erlebten am Samstag in der Dortmunder Westfalenhalle das perfekte Spiel eines sportlichen Giganten, der aus sich heraus seit 1966 (I. Meistertitel) immer wieder neue Kräfte schöpft." Der Reporter sieht im VfL 1974 eine Mannschaft absoluter Weltklasse. In der diesmal nicht ausverkauften Westfalenhalle steht der VfL vor einer völlig neuen Situation: Noch nie ist den Gummersbachern vor und während eines Spiels so wenig Beifall geklatscht worden . Zum ersten Mal muss der VfL Gummersbach am Ort seiner größten Erfolge gegen das Publikum spielen, das selbstverständlich seiner Mannschaft vom TuS Wellinghofen die Daumen drückt. Mehr als I 000 nach

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Gummersbach gesandte Eintrittskarten sind nach Dortmund zurückgegangen, können trotz Bekanntgabe durch Rundfunk und Presse nicht mehr abgesetzt werden. Die Gummersbacher sind anscheinend handballmüde, gesättigt. V tL-Erfolge sind zur Routine geworden. Doch das stört die Blau-Weißen aus Gummersbach nicht. Nach der bis dahin längsten Hallensaison steigern sie sich im Finale zu einer kaum fiir möglich gehaltenen spielerischen Leistung. Mit der in unzähligen internationalen Prüfungen gewonnenen Routine decken sie in den 60 sehenswerten Minuten die Schwächen der Hue-Schützlinge schonungslos auf: die schwache zweite Reihe, in der als einziger Burkhardt Gröning ein Aktivposten der TuSSpieler aus dem Dortmunder Vorort Wellinghofen ist. Die Gummersbacher Sieben präsentiert sich in diesem Finale auf die Minute in Bestform und bietet den als beste technische Mannschaft in Deutschland gepriesenen Dortmundern glänzend Paroli. In der ersten Viertelstunde hält der TuS Wellinghofen noch gut mit (4:4), danach zieht der vierfache Europapokalsieger innerhalb von vier Minuten mit drei Treffern von Schmidt, Deckann und Westebbe auf und davon. Nach der Pause holen die Dortmunder auf: Es steht 9: 10. Aber in diesen Minuten größter Anspannung leisten sich die Wellinghofener Ballverluste und Abspielfehler, die die Gummersbacher zu ihren Gunsten zu nutzen wissen. In wenigen Minuten zieht derVtL auf 13:9 davon. 20 Minuten vor Schluss hat er einen weiteren Titel eingesackt. Die Routiniers werfen die entscheidenden Tore: Hansi Schmidt avanciert zum besten Schützen auf dem Parkett mit neun Treffern (drei Siebenmeter), und Jochen Feldhoff erlebt als ausgekochter Sprinter einen zweiten Frühling. Das Finale 1974 unterscheidet sich wohltuend durch die Fairness von den Endspielen der vorherigen Jahre. Beim 19:14 (1 0:7)-Triumph des VtL Gummersbach im Endspiel um die deutsche Hallenhandball-Meisterschaft über den TuS Wellinghofen in Dortmund sitzt der frühere Bundestrainer Horst Käsler und wundert sich. Er sieht dieselben Spieler aus Gummersbach, die bei der WM unter seiner Führung ihren Part nur gequält heruntergespielt haben, sichjetzt aber formlieh zerreißen, wie Hansi Schmidt, der eine Weltklasseleistung vollbringt. "Was ist der Grund fiir diesen frappierenden Unterschied?", fragt die Kölnische Rundschau am nächsten Tag und versucht darauf zu antworten. "Weil Gummersbach auf seine Art ein Modell fiir Konsequenz ist. Gemäß dem Vorbild des Autoritätsprinzips ist Hansi Schmidt beim VtL Baas (holländisch Boss, Chef; Anmerkung des Autors), Kutscher, Lotse und Bärenfiihrer einer Mannschaft, in der alle ft.ir einen spielen, und dieser eine fiir alle, in dem sich jedoch der Oberbefehlshaber nicht als Despot empfindet, sondern als Erster unter Gleichen, anerkannt und unterstützt von allen." Solange dieses Prinzip so radikal befolgt wird, kann Gummersbach die Nummer I in Deutschland und in der Welt bleiben. Die Nationalmannschaft aber geht mit

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dem demokratischen System baden, meint der Redakteur. "Die deutschen Handballer brauchen- so traurig das klingt- den starken Mann, den 'Bandenhäuptling' und Chef. In Gummersbach vertraut man blind darauf." Hansi Schmidt erzielt neun Tore. Aber auch Deckarm (4), Feldhoff (3), Hein er Brand (2) und Westebbe ( 1) sind hervorragend in diesem Finale. Der einzige Griesgrämige nach dem Erfolg : Gummersbachs gerissener Handballboss Eugen Haas. Von 5200 ft.ir Gummersbach bestellten Karten sind 2000 übrig geblieben, das sind 15 000 Mark Verlust. Eins hat Haas aber erreicht: In der Dortmunder Halle waren nur 4200 Wellinghofener Anhänger. DHB-Präsident Bemhard Thiele ruft den alten Meister auch als neuen aus und stößt anschließend in den Katakomben mit "dem Paradeteam des bundesdeutschen Handballs" an . Er lobt die Kraft, die Cleverness und die Abwehr des VfL als Garanten des verdienten Sieges. "Ein Endspiel ist selten das schönste. Doch bei aller Bedeutung, bei allem Einsatz war es ein fairer Kampf, eine gelungene Werbung ft.ir unseren Sport", zitiert die Deutsche Handballwoche den DHB-Präsidenten. Hansi Schmidt hat nach diesem erneuten Triumph nicht Hände genug, um die Glückwünsche der Gratulanten entgegenzunehmen . Dennoch spricht er nicht von seinen Anspielen, nicht von seinen neun Toren, sondern von der Mannschaft. "Ihre Entschlossenheit, ihre Disziplin, die Bereitschaft eines jeden für jeden zu stehen, gaben auch diesmal den Ausschlag", so die Deutsche Handballwoche. Nach den wenig werbewirksamen Erlebnissen der Vergangenheit - man denke nur an die Duelle der Gummersbacher mit Frisch Auf Göppingen in Frankfurt und in Dortmund- findet das erste Zusammentreffen von zwei westdeutschen Mannschaften im Endspiel rundherum nur Lob und Anerkennung. Das 25. Finale war ein echter Höhepunkt der bis dahin längsten Hallensaison (vom September 1973 bis Mai 1974) in der Geschichte des Deutschen Handball-Bundes. Eines ist in dieser Spielzeit deutlich geworden: Noch immer gibt es keine Mannschaft in der Bundesrepublik Deutschland, die den Blau-Weißen aus dem OberbergischenLand das Wasser reichen könnte . 1974 sogar noch weniger als in den vorangegangenen Jahren, als der VfL Gummersbach interne Schwierigkeiten zu bewältigen hatte und VfL-Obmann Eugen Haas mit einer dünnen Spielerdecke erstklassiger Güte auskommen musste. Seit 1966 hat der VfL nur einmal das Endspiel nicht erreicht (1971 ), als Großwallstadt in der Endrunde zum Stolperstein wurde. In neun Jahren hat der VfL viermal den Europapakai gewonnen und ft.inf von acht Endspielen um die deutsche Meisterschaft. Die glanzvollen Siege der Mannen um Vollstrecker Hansi Schmidt werfen wieder die Frage auf, warum die Blau-Weißen zu großartigen Leistungen auch über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Wettbewerben fähig sind, warum eine Vereinsmannschaft den deutschen Handball auf der

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internationalen Bühne erfolgreich vertreten kann und warum die Arbeit einer Vereinsmannschaftsolchen ruhmreichen Erfolgen die Wege ebnen hilft und diejenige mit der Nationalmannschaft so wenig ergiebig ist. Die Gründe für die Erfolge des VfL Gummersbach sind in den vielen "guten Geistern" zu suchen, die helfen, sich ergänzen und alle dasselbe wollen- den Erfolg. Sie sind nicht nur verantwortlich ftir den Sport, sie sorgen auch ft.ir ein gutes "Betriebsklima", das der beste Boden für hochgesteckte Ziele ist. Die Statistik des Endspiels VfL Gummersbach gegen TuS Wellinghofen 19: 14 (I 0:7) VfL Gummersbach: Kater (Markser nicht eingesetzt); H. Brand (2), J. Brand, Schlagheck, Feldhoff(3), Lettgen, Henseler, Westebbe (I), Schmidt (9/3), Kosmehl , Deckarm (4). TuS Welfinghofen: Sengera, Zick (ab 55. Min.); Erwe, Schutz, Tiews, Rogge (1), Nolde, Möller (4), Gabel, Neuhaus (5/5), Staege, Gröning (4). Wie schon im Vorjahr muss Hansi Schmidt 1974 die Krone des besten Bundesliga-Torschützen einem anderen überlassen. Peter Pickel vom Hamburger SV erzielt in den 18 Spielen seiner Mannschaft I 14 Tore und setzt damit eine neue Marke. Allerdings hat Hansi Schmidt in der Saison 1968/69 seinen Rekord - 107 Tore in 14 Spielen aufgestellt. Auch der Bremer Rückraumschütze Rolf Harjes plaziert sich mit 109 Toren diesmal noch vor Hansi Schmidt (96). Der VfL Gummersbach setzt in der Saison 197311974 insgesamt 16 Spieler ein. ElfTorschützen erzielen 357 Treffer. Davon geht mehr als ein Viertel aufs Konto von Hansi Schmidt. Die Einsätze der Gummersbacher: Tor: Kater (17 Spiele), Markser (4), Hamann (2); Feld: H. Brand (18 Spiele/15 Tore), Zay (7 /4), Schlagheck ( 17/4 7), Feldhoff (18/40), Deckarm (18/42), Henseler ( 17/12), Westebbe ( 17/61 ), Schmidt ( 18/96), Kosmehl (18/25), Lettgen (18113), Eregyien (1/0), Glodde (1/0), J. Brand (7/2). Nicht eingesetzt: Wrona. Nach der Meisterschaft stellt der V fL die Weichen ft.ir die Saison 1974/ 197 5. Viktor Kitza wird alleinverantwortlicher Trainer. Heiner Frohwein übernimmt die Funktion des Trainerassistenten. Doch bis zu dieser Entscheidung gibt es einiges Hin und Her. Obmann Eugen Haas akzeptiert zunächst Heiner Frohwein als Trainerassistenten, will aber als Berater auf der Auswechselbank den Altinternationalen Rolf Jaeger neben Viktor Kitza sehen. Doch gegen diese Pläne spricht sich Hansi Schmidt als Mannschaftskapitän aus. In jenen Tagen brodelt in Gummersbach die Gerüchteküche. Manch einer vermutet, Hansi Schmidt habe sich eingeschaltet, weil Heiner Frohwein ebenfalls eine Eigentumswohnung in dem vom Mannschaftsbetreuer Hans-Willi Kleine erbau-

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ten Mehrfamilienhaus in Derschlag erworben hat und Tür an Tür mit Hansi wohnen wird. Dann heißt es, Hansi wolle zum TuS Derschlag wechseln. Tatsächlich ist Derschlags Vereinsmanager Kari-Gustav Kriegeskatte daran interessiert, Hansi zum Wechsel zu bewegen . Doch in der Öffentlichkeit äußert er sich vorsichtig: "Wenn Hansi Schmidt zu uns kommt und bei uns spielen will, haben wir natürlich nichts dagegen", zitiert ihn die Deutsche Handballwoche. Zeitungen berichten schon vom Zusammenbruch der erfolgreichsten bundesdeutschen Handballmannschaft aller Zeiten. Doch der VtL-Vorstand findet einen Kompromiss. Und der lautet: Kitza bleibt alleinverantwortlicher Trainer. Frohwein ist Trainerassistent Auf der Bank aber werden nur noch Kitza und Eugen Haas Platz nehmen. Mit dieser Lösung ist auch Hansi Schmidt einverstanden. "Zusammen mit dem Vorstand habe ich mich als Kapitän und Sprecher der Mannschaft um eine Lösung des Problems bemüht", zitiert ihn die Deutsche Handballwoche. "Ich bin der Meinung, dass wir einen Weg gefunden haben, der es allen Beteiligten ermöglicht, zum Wohle des VtL Gummersbach weiterzuarbeiten."

Ohne Niederlage durch die Saison "Hansi Schmidt ist der Cassius Clay des internationalen Handballs", schwärmt die französische Sportzeitung "L.:Equipe" im November 1974 nach dem Europapokalspiel des VtL Gummersbach beim Universitätsclub (UC) in Paris. Denn obwohl der vierfache Europapokalsieger letztlich nur knapp mit 23:20 (13:8) gewinnt, brennt er ein wahres Feuerwerk an Tricks und verwirrenden Kombinationen ab, das die 2600 Zuschauer in der Coubertin-Halle zeitweise in helle Begeisterung versetzt. Sie belohnen das betonte Offensivspiel der Gummersbacher mit Beifall auf offener Szene. Der große Star des Spiels ist Hansi Schmidt. Der 32-Jährige ist Motor des Gummersbacher Angriffswirbels, überrascht mit seinem brillanten Zuspiel immer wieder die gegnerische Abwehr und bringt seine Nebenspieler in Wurfposition. "Dabei blieb der Eindruck, dass der Hüne im blau-weißen Trikot wesentlich mehr Tore hätte erzielen können. Dennoch war er mit sechs Treffern (davon drei Siebenmeter) der erfolgreichste Schütze", schreibt die Deutsche Handballwoche. Im Achtelfinal-Rückspiet am I. Dezember in der Düsseldorfer Phitippshalle besiegt der VtL den französischen Meister UC Paris mit 25:20 (13:8). Noch am Abend zuvor in Minden präsentiert sich der VtL im Kampf um die Bundesligaspitze konzentriert und spielt 16: 16 gegen Grün- Weiß Dankersen. Hansi ist mit neun Toren beteiligt. Die Gummersbacher sind nach sechs Spieltagen als einzige Mannschaft ungeschlagen, das 16: 16 in Minden ist ihr zweites Unentschieden in der neuen Saison. Gegen die Franzosen spielt der VtL groß auf. Die Blau-Weißen

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entfachen einen effektvollen Wirbel. "Obwohl sich Hansi Schmidt sichtlich mühte, vor allem seine Mitspieler effektvoll in Position zu bringen, war er am Ende mit zehn Treffern wieder der erfolgreichste Schütze. Allerdings resulti erten davon sechs aus Siebenmetern", heißt es in der Deutschen Handballwoche. Schon vor dem Spiel gegen Dankersen verliert der VfL Gummersbach einen Punkt in Lübeck gegen den VfL Bad Schwartau. Das Spiel endet 13:13 (6:5). Das dritte Unentschieden kommt auswärts gegen den TuS Wellinghofen zustande. Der VfL Gummersbach beendet die Bundesligasaison 1974/ 1975 zum ersten Mal ungeschlagen. Der deutsche Meister verbucht 15 Siege und drei Unentschieden. Den Kampf um den zweiten Platz entscheidet am letzten Spieltag Grün-Weiß Dankersen mit einem glücklichen 16: 15-Erfolg gegen den Mitkonkurrenten VfL Bad Schwartau, dem ein Remis zum Einzug in die deutsche Endrunde gereicht hätte. In der Südgruppe belegt Neuling TuS Hofwe ier mit dem 18fachen rumänischen Nationalspieler Sirnon Schobel in der Endabrechnung den ersten Platz vor TSV Rintheim. In der neunten Bundesliga-Saison 1974/ 1975 haben die Rückraumschützen getroffen wie noch nie. Neun Spieler stehen mit mehr als I 00 Toren zu Buche. Torschützenkönig wird Sirnon Schobel von TuS Hofweier mit 122 Treffern vor Hansi Schmidt mit 121 Toren . Es folgen Heinz Ratschen ( 114/0SC Rheinhausen), Klaus Lange (104/VfL Bad Schwartau) und Heiner Möller (104/TuS Wellinghofen). Doch vor der Entscheidung in der deutschen Meisterschaft steht jene im Buropapokal an. Nach dem 15:15 (8:6) gegen Spartacus in Budapest spricht Hansi von einem der schönsten, aber auch der schwersten Europapokalspiele, die er je bestritten hat. Die Zeitung Nepsport lobt den Gummersbacher Mannschaftskapitän in den höchsten Tönen. Die Nachrichtenagentur MTI steigert sich sogar zu dem Superlativ: "Hansi Schmidt war der beste Spieler, den wir bisher je in Budapest gesehen haben." Mit neun Toren ist Hansi erfolgreichster Schütze. Im Rückspiel am 2. Februar in der Dortmunder Westfalenhalle setzt sich der YfL gegen die Ungarn verdient mit 19:13 (9:7) durch. Mit sieben Treffern ist Hansi wieder bester Schütze . Im Halbfinale ist der VfL außer Form . Der vierfache Cupsieger unterliegt vor 12 800 Zuschauern in der ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle in dem mit großer Spannung erwarteten deutsch-deutschen Duell gegen den dreifachen DDRHallentitelhalter ASK Vorwärts Frankfurt an der Oder mit 18:22 (I 0: I 0). In den ersten Minuten wird der VfL noch seiner Favoritenrolle gerecht. Mit schnellen Angriffsvariationen mit Hansi Schmidt als Schaltstation und Vollstrecker wirbeln die Gummersbacher vor der konsternierten Frankfurter Deckung nach Belieben und ziehen auf 4: I und 5:2 davon. Zwei weitere Lattentreffer von Deckarm dokumentieren die Überlegenheit der Gummersbacher in der Anfangsphase, die für die weitere Entwicklung des Spiels Gutes verheißt.

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Aber es soll anders kommen. Die Frankfurter lassen sich das schnelle Spiel des Gastgebers nicht weiter aufzwingen, bleiben bei der eingeschlagenen Linie mit konzentrierten, soliden Angriffen und bringen die Gummersbacher in Verlegenheit. In der 19. Minute gleicht Dietmar Schmidt aus: 6:6. Der VfL wirkt ideen- und kraftlos. Ein letztes Aufbäumen vor der Pause nach dem ersten Rückstand (7:8) zur 10:8-Führung, dann vergibt Hansi zwei Siebenmeter. In der zweiten Halbzeit genügt dem DDR-Meister eine durchschnittliche Leistung, um den völlig außer Form spielenden Pokalverteidiger an der kurzen Leine zu halten. Der ASK Vorwärts teilt seine Kräfte besser ein und erzielt mit seinem ökonomischen Angriffsspiel fast ein Maximum an Wirkung. Die Gummersbacher Akteure aber brechen ein. Schlussmann Klaus Kater findet gegen die meist halbhoch angesetzten Würfe des Gegners überhaupt keine Einstellung. Doch Trainer Kitza hat nicht den Mut, Nachwuchsmann Rüdiger Koschek eine Chance zu geben. Auch Klaus Schlagheck kann mangels gleichwertiger Ersatzspieler nicht ausgewechselt werden. "Zufriedenstellen konnte lediglich einmal mehr Hans-Günther Schmidt, der in der ersten Halbzeit ft.inf seiner sieben Traumtore erzielte, und die laufstarken Feldhoff, Deckarm und Brand. Aber auch sie verschwanden im zweiten Durchgang in der Versenkung", schreibt die Deutsche Handballwoche. Auf dem Weg in die Frankfurter Halle rufen Leute den VfL-Spielern zu, dass sie keine Karten bekommen haben . Die Halle ist nur mit Genossen gefüllt. Das Spiel wird zur Hölle, erzählt Hansi. Die Gummersbacher werden als Nazis beschimpft und ausgebuht Trotz des Ausscheidens: "Wir haben ein Superspiel gemacht. Der Mannschaft gebührt heute noch ein großes Kompliment", meint Hansi. Hansi und seine Mannschaftskameraden gehen selbstbewusst ins Spiel. Die 1200 fanatischen Zuschauer in dem zur Halle umgebauten Lokomotivschuppen erleben eine Gummersbacher Mannschaft wie in alten glanzvollen Europapokal-Zeiten. Der VtL diktiert das Tempo, ist physisch, psychisch und taktisch besser als die austrainierten Armeesportler. Nach dem erstmaligen Zwei-Tore-Vorsprung in der 47. Minute (15: 13) fehlt Hansi Schmidt, mit elfTorender überragende Spieler auf dem Parkett, in der stärksten Drangperiode des VfL eines harten und kräftezehrenden Spiels ein paar Minuten lang die Übersicht. Mit zwei Anspielfehlern hintereinander gibt er wertvolle Vorteile preis, die der ASK zum 15: 14 durch Dietmar Schmidt ausnutzt. Mit einer nicht erwarteten beispiellosen Steigerung in den letzten Minuten rückt der Einzug ins Finale noch einmal in greifbare Nähe. Der VfL führt 18 : 15 . Aber zwei Pfosten- und ein Lattentreffer (Feldhoff, Westebbe, Deckarm) hintereinander verhindern den verdienten Lohn . Beinahe hätte es doch noch geklappt: Sekunden vor Schluss verwirft Joachim Deckarm, aber der ASK trifft im Gegenzug. Der VfL verlässt nach dem furiosen Endspurt überglücklich wie ein gefeierter Sieger das Parkett.

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"Neben Hans-Günther Schmidt verdiente sich der 31-jährige Jochen Feldhoff ... durch seinen beispielhaften Einsatz von der ersten bis zur letzten Minute ein Sonderlob", heißt es in der Deutschen Handballwoche. "Insgesamt zehn Pfosten- und Lattentreffer verdeutlichen das Wurfpech, aber auch die Überlegenheit der Gummersbacher, das Glück stand jedoch auf seiten des dreifachen DDR-Titelhalters." Hansi erinnert sich, in Frankfurt an der Oder ein Riesenspiel gemacht zu haben. Die Statistik des Halbfinai-Spiels ASK Vorwärts Frankfurt/Oder- VfL Gummersbach 16: 18 (9 :9) ASK Frankfurt: Pötzsch; Gläsmann, Pietzsch (3), Weber (I), Rose (4), Dietmar Schmidt (2), Engel (6/3), Wolter, Friedrich, Meier, Beyer. VfL Gummersbach: Kater; H. Brand (1), J. Brand, Schlagheck (2), Feldhoff (3), Westebbe (1), Hansi Schmidt (11 /4), Deckarm. Auch Steaua Bukarest scheidert im Halbfinale . Hansis frühere Mannschaftskameraden fuhren 25 Sekunden vor Spielschluss mit 13 : I 0 in Banja Luka, aber ein mit dem Schlusspfiffverwandelter Siebenmeter bedeutet das 13: II (5:4) und das Aus nach der 17: 19-Heim-Niederlage in Bukarest. Das Finale im Buropapokal der Meister 197411975 bestreiten am 13. April in der Dortmunder Westfalenhalle Borac Banja Luka und der ASK Vorwärts Frankfurt an der Oder. Die Favoriten VfL Gummersbach und Steaua Bukarest sind im Halbfinale auf der Strecke geblieben. Das Endspiel in Dortmund entscheidet Frankfurt mit 19:17 (9:8) gegen Borac Banja Luka ft.ir sich und wird Europapokalsieger und Nachfolger des VfL Gummersbach.

Der sechste Streich Nach dem Scheitern im Europapokai-Halbfinale hält sich der VfL Gummersbach in nationalen Gefilden schadlos. Jm 26. Finale um die deutsche Meisterschaft verteidigen die Gummersbacher vor nur rund 7000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle gegen den alten ostwestfälischen Rivalen TSV Grün-Weiß Dankersen mit einem 13:7 (5:4) den Titel souveräner als erwartet und wahren ihre Vorherrschaft im bundesdeutschen Handball. Für Hansi Schmidt ist es der sechste Titelgewinn seit 1966. In der abgeschlossenen Saison ist der VfL in der Nordgruppe ungeschlagen geblieben. Lediglich drei Punkte hat die Schmidt-Sieben abgegeben. Einen in Minden beim 16:16. In den ersten 30 Minuten des Endspiels bestimmen die Deckungsreihen das Geschehen . Dankersen hält nicht nur mit dem Titelverteidiger mit, unter der Regie des Linkshänders Bernd Munck erkämpft sich der deutsche Meister des Jahres 1971 wesentlich mehr Torwurfgelegenheiten, aber Rehse

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(zweimal), Becker (zweimal), Munck (viermal) und Busch (ftinfmal) treffen das Gummersbacher Tor nicht oder scheitern an Torwart Kater. Die Gummersbacher Sieben lässt sich aber durch das schnelle Spiel des Gegners nicht aus dem Rhythmus bringen, die international routinierte Truppe teilt sich die Kräfte besser ein. Die ersten zehn Minuten der zweiten Hälfte bringen die schwächste Phase des Spiels, je drei Fehlversuche der beiden Spielmacher Hansi Schmidt und Bernd Munck, kein einziger Treffer. Nach einer Verschnaufpause auf der Bank erhöht Hansi Schmidt in der 40. Minute auf 6:4. Jetzt bekommt das Spiel der Gummersbacher jenes Format, das sie in großen Begegnungen in den vergangenen Jahren immer wieder ausgezeichnet hat. Die Angriffsreihe schließt in zwölf Minuten achtAngriffe mit sechs hervorragend herausgespielten Treffern ab (11 :6). Grün-Weiß kann nur einen Treffer des wurfschwachen Bernd Munck entgegensetzen - ein Tor in den ersten 22 Minuten der zweiten Halbzeit. In den letzten Minuten schickt Kitza die Ersatzspieler aufs Parkett. Doch Lettgen, Glodde, Heiner Brand und Braunschweig bleiben mit dem Vorsprung im Rücken (11 :6, 12:6 und 13 :6) Herr der Lage. Selbst Ersatztorhüter Koschek ist in der Schlussminute auf dem Platz und lässt keinen Treffer zu. Gummersbach gewinnt das gute, aber keineswegs hochklassige Finale verdient. Die Glanzpunkte des alten und neuen deutschen Meisters sind Hansi Schmidt im Angriff und Klaus Kater im Tor. "Schmidt organisierte nicht nur das Spiel der Gummersbacher im Rückraum, er fand immer noch Zeit genug, sich mit 'nur' vier Treffern als bester Schütze seiner Mannschaft herauszukristallisieren und durfte sich fiir seine Deckungsarbeit, sonst seine Achillesferse, ein großes Lob wegstekken", heißt es in der Deutschen Handballwoche. Die Statistik des Finales VfL Gummersbach gegen TSV Grün-Weiß Dankersen 13:7 (5:4) VfL Gummersbach: Klaus Kater, Rüdiger Koschek (ab der 57. Minute); Heiner Brand (2), Jochen Brand, Klaus Schlagheck (2), Jochen Feldhoff, Werner Lettgen, Manfred Glodde, Klaus Westebbe (2), Hansi Schmidt (4), Uwe Braunschweig, Joachim Deckarm (3). Grün-Weiß Dankersen: Martin Karcher, Wilfried Meyer (ab der 45. Minute); JobstErich Rehse ( 1), Gerald Schüler, Wilfried Drögemeier, Gerhard Buddenbohm, Gerd Becker, Bernd Munck ( 1), Hans Kram er, Burkhardt Müller, Bernhard Busch (4/ 1), Axel Axelsson (1). Nach dem Endspiel erntet der VfL Lob von allen Seiten. In den Katakomben der Dortmunder Westfalenhalle drängen sich die Gratulanten. Während die Sektkorken knallen und die Spieler den ersten Schluck trinken, schwelgt VfL-Präsident Gerhard Kienbaum in Superlativen: "Unser Konzept ist voll aufgegangen. Unsere Mannschaft war am Kreis und im Rückraum überlegen. Vor allem aber gebührt 295


der Deckung ein Lob. So stark, so konzentriert habe ich sie eigentlich noch nie gesehen. Und dahinter der Klaus Kater, der war Weltklasse." DHB-Präsident Bernhard Thiele ist nicht so begeistert, weil die Halle nur halb voll war. In der Kabine macht sich auch Kapitän Hansi Schmidt seine Gedanken über das Verhältnis zwischen Spieler und Schiedsrichter. "Wenn ein Spieler mit ironischem Gehabe einen Gegner provoziert, fliegt er vom Platz, zu Recht übrigens. Dass dies allerdings dem Schiedsrichter Hans Rosmanith erlaubt sein soll, leuchtet mir nicht ein." Hansis Spiel jedenfalls ist diesmal über jeden Tadel erhaben. Das unterstreicht auch Fritz Spannuth, Dankersens scheidender Trainer. "Solange Schmidt spielt, ist er der Garant ftir weitere Gummersbacher Meisterschaften." Die Kölnische Rundschau meint, "dieser VfL ist noch lange nicht satt." Vlado Stenze! nennt Gummersbach gar eine uneinnehmbare Burg. Schon vor dem neunten Endspiel hat der VfL Gummersbach die Weichen ftir die neue Saison gestellt. Nach dem Finale wird offiziell bekanntgegeben: Trainer Viktor Kitza wechselt nach zweijähriger Tätigkeit vom deutschen Meister zum Regionalliga-Aufsteiger TuS Nettelstedt. Kitza sitzt gegen Grün- Weiß Dankersen zum letzten Mal auf der VfL-Bank. Er und der VfL haben eine Saison ohne Niederlage hinter sich. An seiner Stelle übernimmt Rolf Jaeger das Training beim VfL. Der in der auslaufenden Saison reichlich kleine Spielerkreis des VfL Gummersbach wird in der neuen Saison erweitert. Jochen Brand, der nach der Pleite gegen Vorwärts Frankfurt/Oder in Dortmund im Rückspiel noch einmal eingesprungen ist, zieht sich zurück. Zur Mannschaft stoßen B-Nationalspieler Kari-Heinz Nolde (20) vom TuS Wellinghofen, der 19-jährige Thomas Krokowski vom benachbarten TV Wipperftirth, Kreisläufer Joachim Henkels vom TV Oppum, Rolf van Kaldekerken und Torwart Reiner Schumacher. Im Herbst 1975 wird Hansi zum dritten Mal in die Weltauswahl berufen. Beim ersten Mal in Belgrad ist er nicht dabei , weil er als Flüchtling nicht in den Ostblock fahren darf. Beim zweiten Mal macht er mit. Trainer der Weltauswahl ist Hansis ehemaliger Trainer aus Bukarester Zeiten. Johnny Kunst rächt sich an Hansi ftir die Flucht 1963, die er ihm nie verzeihen wird: Er lässt ihn auf der Bank schmoren. Er kommt kaum zum Einsatz. Beim dritten Mal kommt es zum Tauziehen vor seinem Einsatz. Eugen Haas verlangt vom Internationalen Handball-Verband (IHF) Aufklärung, warum VfL-Kapitän Hansi Schmidt aus der Weltauswahl ausgebootet worden ist, die am 2. November 1975 in der Dortmunder Westfalenhalle gegen die deutsche Nationalmannschaft antreten wird. Schon im Dezember hat Johnny Kunst als Vorsitzender der IHF-Trainerkommission Haas verbindlich mitgeteilt, dass Hansi, Jochen Feldhoff und Klaus Kater zum Team der Weitaus-

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wahl gehören . Beim VfL wird in jenen Tagen vermutet, dass Vlado Stenze! und der Deutsche Handball-Bund gegen Hansis Einsatz sind. Nach der Intervention beim Internationalen Handball-Verband darf Hansi in Dortmund mit der Weltauswahl auflaufen. Die Weltauswahl besiegt die junge Nationalmannschaft des Deutschen Handball-Bundes beim Jubiläumsspiel zum 50-jährigen Bestehen der Dortmunder Westfalenhalle mit einem 25:21 (12:12). Nach dem Spiel sagt Bundestrainer Stenze!, in keiner Sportart brauchte man so lange wie im Hallenhandball, um eine Mannschaft einzuspielen. Die Kölnische Rundschau stellt nach dem Spiel die Preisfrage: "Wie stark hätte die u. a. mit den Gummersbachern Klaus Kater, Hansi Schmidt (3 Tore) und Jochen Feldhoff (I Treffer) antretende ' Weltauswahl' als eingespielte Mannschaft gegen die am Ende doch recht grün wirkende StenzelTruppe ausgesehen?" Bei den in der Mehrzahl in I 00 Länderspielen bewährten Stars der Weltauswahl läuft das Spiel am besten, wenn Rumänen, Jugoslawen und Hansi Schmidt auf dem Parkett sind. Ihr Zusammenspiel wird immer besser. Das letzte Tor zum 25:21 wirkt in der Westfalenhalle wie ein Paukenschlag zum Abschluss einer Festvorstellung. Erfolgreichster Werfer der Weltauswahl, die der rumänische Verbandspräsident und Ex-Nationaltrainer Johnny Kunst mit wesentlich weniger Stimmaufwand als Vlado Stenze! seine "Jungs" betreut, ist der groß auftrumpfende Kreisläufer Popovic. Das Aufgebot der Weltauswahl in Dortmund : Klaus Kater (VfL), Abas Arslanagic (Jugoslawien) und Comel Penu (Rumänien); Nebojsa Popovic (Jugoslawien), Ghita Licu (Rumänien), Lars Book (Dänemark) Branislav Pokrajac (Jugoslawien), Jochen Feldhoff(VfL), Hrvoje Horvat (Jugoslawien), Istvan Varga (Ungarn), Cristian Gatu (Rumänien), Hansi Schmidt (VfL), Gabriel Kicsid (Rumänien), Flemming Hansen (Dänemark) und Yogi Sato (Japan). Ein Jahr vorher beruft die Trainer- und Methodikkommission der IHF eine Weltauswahl für ein Jubiläumsspiel gegen Jugoslawien. Das Spiel wird am 13. November 1974 in der Tivoli-Sporthalle in Laibach (Ljubljana) ausgetragen. Dazu eingeladen sind: Cornel Penu, Christian Gatu (Rumänien), Abas Arslanagic, Nebojsa Popovic, Branislav Pokrajac, Hrvoje Horvat (Jugoslawien), Andrey Szymczak, Jerzy Klempel (Polen) , Wladimir Maksimow (UdSSR), Ladislav Bekes, Jindrich Krepindel (Tschechoslowakei), Hansi Schmidt (VfL), Harald Trydal (Norwegen), Johann Fischerström (Schweden), Lajos Simo (Ungarn) und Fernando de Andres Asin (Spanien). Trainer der Mannschaft sind Johnny Kunst und Werner Vick. In der Saison 1975/ 1976 ist für den VfL Ende März im EC-Halbfinale gegen den jugoslawischen Meister Borac Banja Luka Endstation. Nach einem 16:16 im Heimspiel verliert der VfL in Banja Luka 13 : 15. Der Berichterstatter der Kölnischen Rundschau fragt, warum Trainer Rolf Jaeger beim Siebenmeterwerfen nicht dem

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sicheren Hansi Schmidt den Vorzug vor Joachim Deckarm gegeben hat. Deckarm vergibt in diesem Spiel gleich zwei Strafwürfe, spätestens nach dem ersten vergebenen hätte Jaeger eingreifen müssen, heißt es in dem Bericht. Pokalsieger wird Borac Banja Luka durch ein 17: 15 über KFUM Fredericia. An Ostern 1975 gibt es in Gummersbach zwei feindliche Brüder, die sich in der kommenden Saison in der Bundesliga gegenüberstehen. Der TuS Derschlag ist aufgestiegen und fordert den VfL heraus. Als wichtige Voraussetzung ftir den Aufstieg wird die gute Jugendarbeit beim TuS genannt. Davon profitiert auch der VfL, der das ehemalige TuS-Duo Klaus Westebbe und Helmut Keller in seinen Reihen hat. Doch die Begeisterung allein hat nicht gereicht zum Platz an der Sonne. Sponsoren haben mit ihrem Geld denjugoslawischen Nationalspieler und Olympiasieger Djoko Lavrnic geholt. Sein Können , die Erfahrung der ehemaligen Gummersbacher Altstars Klaus Brand und Bernd Podak, die Wurfkraft eines Uli Ufer, das Talent der Eigengewächse Ulrich Pohl und Jürgen Ulbrich , die Arbeit des europacuperfahrenen Trainers Dr. Horst Dreischang und die Finanzkraft eines KariGustav Kriegeskatte gehören ebenfalls dazu . Innerhalb von sechs Jahren ist der Sturmlauf aus der Kreisliga in die höchste deutsche Spielklasse beendet.

Zum siebten und letzten Mal deutscher Meister In der deutschen Meisterschaft läuft ftir den VfL in dieser Saison fast alles nach Plan. Die Blau-Weißen setzen sich in Wellinghofen mit 16: II durch, gewinnen 17:14 auswärts gegen Dankersen, siegen und verlieren je ein Spiel gegen den TuS Derschlag (13:10 und 14:15), schlagen den VfL Bad Schwartau in der eigenen Halle 25:15 . Am Ende der Gruppenspiele hat derVfL ein Unentschieden und zwei Niederlagen zu verzeichnen. Neben der Niederlage im Auswärtsspiel gegen den Lokalrivalen Derschlag verliert der VfL Gummersbach in eigener Halle gegen den OSC Rheinhausen mit 19:20. Es ist die zweite Heimniederlage ftir den VfL seit Einführung der Bundesliga 1966. In diesem Spiel ist Hansi allerdings nicht dabei. In der Endrunde trifft der VfL auf den Zweiten der Bundesliga-Gruppe Süd, den TuS Hofweier, und gewinnt beide Spiele 19:15 in der Hohberg-Halle auswärts und 18: 15 im Heimspiel. Im Hinspiel fuhrt Hansi großartig Regie, berichtet die Kölnische Rundschau. Die entscheidende Schlussviertelstunde gehört dem VfL. Im Endspiel um die deutsche Meisterschaft trifft der VfL wie schon im Vorjahr auf Grün-Weiß Dankersen, das in der Endrunde die SG Dietzenbach mit 23: 11 und 17:20 ausschaltet. Das Finale in der Frankfurter Festhalle entscheidet der klug spielende VfL vor 6000 Zuschauern mit 12:11 (6:4) für sich. Es ist der siebte Titel für die Gummers-

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bacherund für Hansi Schmidt, der vierte Sieg in Folge. Mit dieser Serie avanciert der VfL zum erfolgreichsten Team der vorausgegangenen zehn Jahre. Bis zur 43. Minute hat der VfL das Spiel voll im Griffund führt 9:5. Doch in der 50. Minute heißt es 9:9. Der VfL muss jetzt bangen. Jaeger wechselt unklug aus, ist taktisch desorientiert. Beinahe hätte der VfL die Halle noch als Verlierer verlassen. Rolf Jaeger nutzt das Finale, um zu experimentieren. Er wechselt Hansi in diesem so wichtigen Spiel aus. "Wir waren schon der sichere Sieger, dann haben wir nur noch das knappe 12: 11 retten können", erinnert sich Hansi. Jaeger bringt Hansi noch einmal zum Schluss, und ihm gelingt das II: 10 mit einem Sprungwurf Den Siegestreffer zum 12 :11 erzielt Schlagheck in der 59 . Minute. Die Fachjournalisten geben Hansi für seine Leistung in diesem Spiel die besten Noten. Die glorreiche Ära Schmidt geht mit einer Glanzleistung des Kapitäns zu Ende: Das Finale von Frankfurt am Main ist Hansis letztes Spiel im VfL-blau-weißen Trikot mit der Nummer 9. Nach dem Spiel gratuliert der junge Jimmy Waltke dem VfL-Kapitän und sagt: "Hansi, wenn du aufhörst, werden wir deutscher Meister." Der deutsche Meister 1977 heißt tatsächlich Grün-Weiß Dankersen. Hansi hinterlässt eine Lücke, die nicht nahtlos geschlossen werden kann. Seine Fußstapfen sind groß. Die kann erst Erhard Wunderlich ausfüllen. "Er ist mein wahrer Nachfolger geworden", sagt Hansi heute. Der VfL muss bis 1982 warten, dann fährt er den nächsten Meistertitel ein. In der Torschützenliste der Saison 1975/1976 belegt Hansi lediglich den 18. Platz mit 65 Treffern, zu denen 14 verwandelte Siebenmeter gehören . Er hat 17 Spiele absolviert. Bester Gummersbacher Schütze der Saison ist Joachim Deckarm auf Rang sechs mit 85 Treffern (23 Siebenmeter), erzielt in 18 Spielen. Torschützenkönig der Saison wird der Jugoslawe Djoko Lavrnic von TuS Derschlag mit 96 Treffern (38 Siebenmeter) vor Walter Don von TV Hüttenberg mit 90 Toren (59 Siebenmeter). AufPlatz drei platziert sich ein zweiter Spieler von TuS Derschlag: Uli Ufer wirft in 18 Spielen 89 Tore ( 12 Siebenmeter). Die Meistermannschaft 1976: Kater, Schumacher; Heiner Brand (l ), Henkels, Schlagheck (1), Feldhoff(2), Lettgen, Glodde, Westebbe (3), Schmidt (2), Nolde, Deckarm ( 112). Hansis Abschied vom VfL ist verbunden mit einer beträchtlichen Handballmüdigkeit im Land der Grafen von Berg. Unter den 6000 Zuschauern in Frankfurt am Main sind nur wenige Handballanhänger aus dem Oberbergischen Land. Lediglich 340 Karten fürs Finale sind in Gummersbach und Umgebung verkauft worden. In der Frankfurter Festhalle ist ein Spruchband auszumachen, auf dem der VfL angefeuert wird. Eine Damenmannschaft hält es hoch. Darauf ist zu lesen: HSV Sobernheim grüßt den deutschen Meister VfL Gummersbach. Als alle Spieler schon in den Kabinen sind, schreibt Hansi noch immer Autogramme, um-

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ringt von Anhängern. Bei der Siegerehrung überreicht DHB-Präsident Bernhard Thiele den Meisterspielern aus Gummersbach die Goldene Ehrennadel des Deutschen Handball-Bundes, die Silberne geht an die Spieler von Grün-Weiß Dankersen. Den Sieg feiert der VfL in einem Hotel in Wegeringhausen unweit von Bergneustadt in kleinem Kreis. Am Montag, dem 17. Mai 1976, empfangen der Oberbergische Kreis und die Stadt Gummersbach die Sieger im Bühnenhaus. Kapitän Hansi Schmidt hat ftir die anerkennenden Worte von Bürgermeister Hubert Sülzer ( 1921-1999) lediglich ein einfaches Danke übrig. Zu Hansis Entschluss, dem VfL den Rücken zu kehren, der schon als Gerücht die Runde macht, meint der Bürgermeister, Hansi sei alt genug, selbst entscheiden zu können. Ihm müsse die freie Entscheidung zugestanden werden, gerade ihm , der durch Flucht hier die Freiheit gesucht habe. Landrat Hans Wiehelhaus ( 1918-2004) gar meint, die vier letzten in Reihe gewonnenen Meistertitel seien mehr als einen Applaus wert. VfL-Präsident Gerhard Kienbaum zitiert Heraklits "Alles fließt" und spricht von der dritten Regeneration, die die Handball-Abteilung des VfL jetzt einleiten wird. Am 14. Juli 1976 ehrt die Stadt Gummersbach Hansi im Rathaus. Für ihn ein "historischer Augenblick", ftir die Stadt der Ausdruck der Erkenntnis, dass dieser Mann mehr als jeder andere zum Bekanntheitsgrad Gummersbachs in Deutschland und der Welt beigetragen hat. Der Dank gilt einem Sportler, jahrelang Deutschlands größtes Handballidol, der dem Hochleistungssport den Rücken kehrt und zum drittklassigen Wülfrather Handballklub wechselt. Man wolle "einem Mann danken", sagt Bürgermeister Hubert Sülzer im Beisein von Stadtdirektor Albrecht Menke (geboren 1934) und Vertretern vom Sportausschuss und VfL, der mehr als zehn Jahre "zusammen mit seinen Freunden Handballgeschichte geschrieben hat". Erbost zeigt sich Sülzer wegen der "bissigen Kommentare des Bundestrainers, der immer noch nicht erkannt hat, was Hansi Schmidt ftir den Handball getan hat." Als Zeichen des Dankes von Stadtrat und Verwaltung überreicht Stadtdirektor Menke Hansis Frau Karin eine Silberschale und einen Blumenstrauß. Hansis Wechsel zum Oberligisten TB Wülfrath bedeutet ft.ir den VfL ein tiefgreifender Einschnitt. Denn mit Hansi geht ein Mann, der markant und erfolgreich das Spiel des VfL bestimmt hat. Ob er nun gelobt oder geschmäht wird, ob ihn die Fans umjubeln oder gnadenlos auspfeifen, er ist stets der große Halt der Mannschaft. Er hält bis zum Abschied auf dem Parkett die Fäden fest in der Hand, ist Scharfschütze und Spielmacher in einer Person, teilt aus und wird geschunden, hat maßgebenden Anteil daran , dass sein VfL mit sieben deutschen Meistertiteln, drei Vizemeisterschaften, vier Europapokalsiegen und einem EC- Vizemeistertitel die erfolgreichste Vereinsmannschaft der Welt im verstrichenen Jahrzehnt geworden ist.

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Eugen Haas handelt und holt sich mit dem Jugoslawen Djordje Vucinic jenen Trainer zurück, der 1971 nach dem Zerwürfnis mit dem langjährigen Trainer Dr. Horst Dreischang die Blau-Weißen schon einmal aus dem Tief herausgeführt hat. Der wortgewandte Handballlehrer aus Belgrad macht nach der Rückkehr gleich allen klar, dass mit dem Ausscheiden von Hansi Schmidt ein neuer Abschnitt in der Geschichte des VfL Gummersbach beginnt. "Nur mit echtem Teamgeist werden wir eine große Mannschaft bleiben . Nicht der Ruhm zählt, sondern das, was wir nun zu leisten vermögen", zitiert ihn die Deutsche Handballwoche. Haas bemüht sich vergeblich, einen neuen Rückraumspieler der Extraklasse zu verpflichten. Der Transfer scheitert am Geld. An erfahrenen Spielern mangelt es beim VfL nicht. Aber das in vielen Jahren gewachsene Gefüge der Mannschaft muss neu geordnet werden. Der VfL hat nicht mehr das blindlings eingespielte Team der vergangenen Jahre. Der Zug zur deutschen Meisterschaft ist in der Saison 1976/ 1977 bald abgefahren. Der nächste deutsche Meister heißt Dankersen. Die vielen jungen Kräfte im YfL-Aufgebot lassen vorerst nur hoffen. Der VfL hat zu dem Zeitpunkt folgende Mannschaft: Frank Lorenz (22 Jahre alt), Valentin Markser (25), Reiner Schumacher (24); Heiner Brand (24), Joachim Henkels (25), Klaus Schlagheck (26), Jochen Feldhoff (33), Thomas Krokowski (19), Manfred Glodde (22), Klaus Westebbe (27), Erhard Wunderlich (20), KarlHeinz Nolde (22), Joachim Deckarm (23), Peter Bützer (23), Hansi Baltes (19).

In Wartestellung

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Um eine halbe Körperlänge überragt Hansi die gegnerische Abwehr und zielt aufs Tor.

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Abschied im Zorn Spielertrainer

Die Zeit nach dem Abgang vom V.fL: Hansi als Torschütze vom Dienst beim TB Wülfrath

Als Hansi aufhört, ist er noch in Hochform. Er ist der "König von Gummersbach" und der "König der Westfalenhalle". Hansi hat in Gummersbach nicht nur den Sport umgekrempelt, sondern auch dem Handball eine neue, hier unbekannte Note gegeben. Hansi Schmidt und Gummersbach sind im Gleichschritt in aller Welt bekannt geworden. Seine Erfolge in den Jahren nach 1963 wirken sich sehr positiv auf die ganze Stadt und das Sportgeschehen aus. Hansi und der Handball sind die Visitenkarten Gummersbachs geworden. Hansi hätte dem VfL bestimmt noch ein paar Jahre gute Dienste erweisen können. Doch die Spannungen in der Mannschaft steigen. Die jungen Spieler drängen nach. Hansi will nicht mehr für seinen VfL Gummersbach spielen. Seine VfL-Zeit sieht er als beendet an. Mit seinem Abtritt aber endet beim siebenfachen deutschen Meister und vierfachen Europapokalsieger eine Epoche, die Hansi Schmidt unverwechselbar geprägt hat - mit weit positiveren Resultaten sicher als in der Na-

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tionalmannschaft, die fast ein Jahrzehnt durch Querelen um, mit sowie zwischen Lübking und Schmidt erheblicher Belastung ausgesetzt ist. So bleibt Hansi bei 98, Lübking bei 138 Länderspieleinsätzen stehen . Hansi wäre unter "normalen" Verhältnissen eine Zahl um 200 zuzutrauen gewesen. Als Hansi 1976 das blau-weiße Trikot mit der Nummer 9 beim VfL abgibt, räumt er beim besten Handballverein der Welt die Königsposition, die so von keinem vor und nach ihm interpretiert worden ist wie in den 13 Jahren nach 1963. Hansi war in dieser Schlüsselposition Spielgestalter und Torjäger gleichermaßen. Auch in der 1976 zu Ende gegangenen Saison, in der er erneut der Garant des VfL-Erfolgs in der Meisterschaft war. Hansi hat in 173 Bundesligaspielen 1066 Tore erzielt, mehr als sechs Tore je Spiel im Durchschnitt, alle ftir den YfL, wurde siebenmal deutscherMeister(1966, 1967, 1969, und von 1973 bis 1976 viermal in Folge), dreimal Yizemeister, viermal Buropacup-Sieger und einmal EC-Zweiter, stets mit einem Klub: dem VfL Gummersbach. Im Buropapokal erzielt " Mister Europacup" 338 Treffer in 53 Spielen für den VfL. Auf seinem Konto stehen ferner: 116 Länderspiele- 98 für die deutsche und 18 für die rumänische Nationalmannschaft. In der ewigen Torschützenliste des Deutschen Handball-Bundes steht er mit 484 Treffern. In zehn Jahren eingleisiger Bundesliga, von 1966 bis 1976, gewinnt der VfL Gummersbach von 152 Punktspielen in der Staffel Nord 124. Die Mannschaft verliert 16 Spiele und spielt zwölfmal unentschieden . Von 304 möglichen Punkten gehen 44 verloren. Von 1966 bis 1971 wird Hansi Schmidt fünfmal BundesligaTorschützenkönig. 1972, 1973 und 1975 belegt er den zweiten Platz knapp hinter JosefKarrer (TV Großwallstadt), RolfHarjes (TV Grambke) und Sirnon Schobel (TuS Hofweier). 1974 ist er drittbester Schütze hinter Peter Pickel (Hamburger SV) und Rolf Harjes. Bei seinem Rücktritt 1976 belegt er nur noch Rang 18. Für diese Erfolge opfert er in jenen Jahren fast seine gesamte Zeit, aber auch seine Gesundheit. An sich und seinem Charakter arbeitet er zu wenig. Hansi erlebt Enttäuschungen. Er erfährt das bittere Los, nach dem Abgang von der großen Bühne des Sports urplötzlich aus dem Rampenlicht verschwunden zu sein. Das ist auch gewollt mit dem Abstieg in die Verbandsliga. Für den einstigen Handballstar eine leidvolle Erfahrung, rückblickend aber normal. Daftir verantwortlich macht er auch die Medien: "Sie jubeln die Sportler zu schnell hoch, verdammen sie aber auch, sobald sie enttäuschen, und nach der aktiven Laufbahn sind sie schnell vergessen . Als junger Mensch bereitet man sich darauf nicht vor, weil man nicht die Leute hat, die einen wachrütteln. Die Rolle der Medien akzeptiere ich so nicht, aber es ist normal, dass sie sich um die Neuen kümmern." Heute ist er sich sicher: " Der Sport war für mich interessant. Aber es wäre mir zu eintönig gewesen, wenn ich mich ein Leben lang nur mit dem Handball beschäftigt hätte. Mit 33 hatte ich erledigt, was zu erledigen war. Was danach gekommen ist, war Spaß ." Rückblickend sagt Hansi , es wäre wahrscheinlich für den Verein 304


besser gewesen, wenn verschiedene Typen nicht beim VtL gespielt hätten oder im Vorstand gewesen wären . Der Verein sei ihnen nur Mittel zum Zweck gewesen, sie hätten lediglich eins im Sinn gehabt: Geld zu verdienen. Die heutigen Spieler kennen das Zugehörigkeitsgefühl zum Bergischen Land nicht mehr. Zuschauer und Spieler bilden keine Einheit mehr. Weil kein Nachwuchs mehr in der Region vorhanden ist, nimmt der Klub, was es eben gibt. Bei den heutigen Spielern vermisst Hansi die Leidenschaft, die nötig ist, um dem Handballästheten etwas zu bieten. Auch Franz Arnolcl, einer der treuesten VtL-Anhänger, bedauert die Entwicklung in Gummersbach. Arnold, 1935 im hessischen Bad Salzschlirf geboren, lebt seit 1959 in Gummersbach. Für Hansi ist er der Handballverrückte im positiven Sinn, einer der treuesten VtL-Anhänger. Aus dem Fußballfan ist zwangsläufig ein Handballanhänger geworden . Arnold, ehemals Inhaber eines Friseursalons, lebt immer noch für den VtL. Anfangs gilt seine große Liebe dem Feldhandball, dann dem Hallenhandball. "Mit Hansi Schmidt verpflichtet Eugen Haas den ersten Star in Gummersbach", sagt Arnold. Mit Hansi beginnt der steile Aufstieg des schon bis dahin sehr guten VtL. Hansi kann in der Mannschaft Fuß fassen und "entwikkelt sich zum absoluten Shooter", so Arnold. Noch heute schlägt dem VtL-Anhänger das Herz höher, wenn er in der Kölnarena Ausschnitte von den schönen Spielen aus Hansis Zeiten sieht. Für Arnold war Hansi ein Ausnahmeathlet Noch heute spricht er begeistert von seiner Sprung- und Wurfkraft Er bedauert, dass sich nur noch wenige aus dem Gummersbacher Umfeld dem Handball widmen. Mit den Spielern, die 2005 zur Verfügung stehen, kann der VtL nicht vorne mitspielen, sagt Arnold. "Das spielerische Element reicht nicht aus. Gummersbach ist spielerisch eines der schwächsten Teams der Bundesliga. Wenn sich die Mannschaft nicht wesentlich verstärkt, kann sie nicht vorne mitspielen." Davon ist der leidenschaftliche VtL-Anhänger überzeugt. Viele meinen, mit Eugen Haas hätte es das nicht gegeben, so Arnold. Doch auch ein Eugen Haas hätte die Entwicklung im Sport nicht aufhalten können. "Heute spielen Profis, und die erwarten monatlich einen guten Betrag auf ihrem Konto. Zu Hansis Zeiten hat es solche Verlockungen noch nicht gegeben." Hansis Mannschaftskollege Klaus Westebbe sagt, "Hansi war außer Zweifel einer der weltbesten Handballspieler. Am Aufstieg des VtL Gummersbach war er maßgeblich beteiligt. Ich hatte nie mit ihm Probleme. Wir haben uns jahrelang das Hotelzimmer geteilt. Manchmal hat er sich durch Äußerungen nicht unbedingt beliebt gemacht. Doch auf dem Platz hat er stets das Letzte gegeben. Dass wir mit der Nationalmannschaft keinen größeren Erfolg erzielen konnten, lag auch am Bundestrainer, der leider nicht auf die Blockbildung gesetzt hat, wie das beispielsweise ein Sepp Herberger im Fußball getan hat. Schade, dass sich Hansi heute nicht öfter bei Spielen des VtL blicken lässt. Er könnte auch heute noch der 'König in Gummersbach' sein." 305


Schon vor dem Bruch mit dem VfL bekommt Hansi Wechselangebote. Eins stammt aus Harnburg vom HSV Er fliegt mit seiner Frau Karin zum Gespräch in die Hansestadt. Doch er nimmt das Angebot nicht an. 1976 hätte er auch Nationaltrainer von Kuwait werden können. Doch von diesem Angebot distanziert er sich. Hansi setzt auf Kontinuität. Er entscheidet sich für den Spatz in der Hand statt für die Taube auf dem Dach. Schon zwei Jahre vorher, als Viktor Kitza von Gummersbach nach Nettelstedt gewechselt ist, fragt auch der Trainer Hansi, ob er ihm nicht folgen will. Hansi sagt, er sei ein halbes Leben lang umhergezogen, er sei stets auf der Flucht gewesen. Jetzt, wo er sich im Oberbergischen Land wohl fühlt, will er keine neuen Experimente wagen. Er will bleiben. Nach den 13 Jahren beim YfL bleibt er noch eine Weile dem Sport erhalten. Er macht den B-Trainerschein, denA-Schein will er nicht mehr. Er nimmt ein Angebot des TB Wülfrath bei Düsseldorf an und wechselt in die Oberliga. Trainer in Wülfrath ist Heiner Frohwein, früher Spieler und Trainer beim VfL. Die Verantwortlichen beim TB Wülfrath sind Kalli Dens, Friede! Kotte, Ernst Schmidt und Günter Möller. Nach drei Spielzeiten ist Wülfrath in der zweiten Bundesliga. AlsHansiden VfL verlässt, ist Wülfrath ein 19 000-Seelen-Ort zwischen Düsseldorfund Wuppertal, in dem der Hund begraben ist, sagen manche. Diese "Idylle" ist mit seinem Auftauchen gestört. Die Gemeinde im Kreis Mettmann hat mit dem Turner-Bund Wülfrath ein Aushängeschild, um das sie viele Großstädte beneiden. Hansi ist unumstrittener Star der Truppe, von der der damalige Hallenwart Fritz Taag seinerzeit einem Journalisten sagt: "Ihm verdanken wir alles. Sieben Tore im Durchschnitt steuert Hansi je Spiel zum Aufstieg bei." Mehr als eine Viertelmillion Mark sind im Jahresetat des Turner-Bunds Wülfrath ft.ir Hansi Schmidt und seine Mitspieler veranschlagt, eine Summe, die die eingekaufte Handballmannschaft nie einspielen kann. Von einem Teil der 600 Plätze in der Halle, davon nur 430 Sitzplätze, kann nicht einmal das ganze Spielfeld eingesehen werden. Der Steuer- und Wirtschaftsberater Günter Möller unterstützt den Klub finanziell. Bundesligaerfahrung haben Torjäger Heinz Ratschen (25) und Rechtsaußen Rainer Löpke (26) in Rheinhausen sammeln können, bevor sie zum Wülfrather Team gestoßen sind. Möller kann sogar Leverkusen überbieten und schnappt Bayer den Gummersbacher Achim Henkels weg. Hansi Schmidt fährt in jener Zeit zusammen mit Hein er Frohwein dreimal in der Woche 200 Kilometer von Derschlag nach Wülfrath und zurück. Dort ist er stets gern gesehen, auch bei Hallenwart Fritz Taag, der von ihm sagt: "Das ist ein feiner Kerl". Nach dem Aufstieg des TB Wülfrath in die zweite Bundesliga wechselt Hansi als Trainer zum inzwischen in die zweite Bundesliga abgestiegenen YfL-Lokalrivalen TuS Derschlag. Der TuS Derschlag kämpft gegen den Abstieg. Weil Uli Ufer im

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Rückraum lange ausfallt, springt Hansi als Spieler ein, obwohl er vor kurzem erst an der Bandscheibe operiert worden ist. Ein dreiviertel Jahr lang hat er nicht mehr gespielt. Er ist 39 Jahre alt und steht schon nach zwölfSpielen als Torschützenkönig der zweiten Liga fest. In der Endabrechnung fehlt dem TuS Derschlag ein Tor, um dem Abstieg zu entgehen. "Mit einem gesunden Uli Ufer wäre uns das nie passiert", sagt Hansi. Weil Hansi spielt, sitzt aufHansis Bitte hin Reiner Frohwein an seiner Stelle auf der Trainerbank. Entgegen der Absprache mit Hansi setzt Frohwein im alles entscheidenden letzten Meisterschaftsspiel Hansi auf Halbrechts ein. Hansi fUgt sich, er widerspricht nicht, und das erweist sich als falsch. Uli Ufer, nach monatelanger Verletzung noch außer Form, ist in diesem Spiel im Rückraum auf Halblinks ein Ausfall. Nach dem besiegelten Abstieg wird Frohwein Hansis Nachfolger beim TuS Derschlag. Hansi fühlt sich ausgetrickst. Doch aus solchen Niederlagen lernt er. Hansi wechselt nach Hattingen in die Verband s liga . Dort lernt er Gitte und Andi Morgenroth kennen . Morgenroth ist Mannschaftsmasseur. In ihm gewinnt er einen neuen Freund. "Das Jahr in Hattingen war eine schöne Zeit, es hat noch einmal richtig Spaß gemacht." 1982 will Hansi endgülti g Schluss machen mit dem Handball. Doch der AnrufDieter Herbrandts veranlasst ihn, einen Schritt zu tun, der von vielen skeptisch und zweifelnd verfolgt wird: Hansi geht zum siebtklassigen TV Gelpetal. "Ich habe diesen Schritt nie bereut", sagt Hansi. Vor seinem Wechsel habe er sich noch nach dem rumänischen Sprichwort orientiert, das übersetzt etwa so lautet: "Nenn mir meine Freunde, meine Feinde kenne ich selbst." Nach dem Wechsel wird Hansi mit der Aussage zitiert: "In Gelpetal habe ich keinen Freund verloren, sondern nur viele gefunden." Am Ende einer langen Karriere erlebt der damals 40-jähirge Hansi auch einmal "die menschliche Seite im Sport". Im Vordergrund seiner neuen Arbeit stehen die zwischenmenschlichen Beziehungen. " Meine Frau und meine Söhne sind im Verein wie in einer Familie aufgenommen worden. Das war und ist ein unwahrscheinliches Erlebnis." In der Gelpetaler Mannschaft versucht er sich unterzuordnen, Gleicher unter Gleichen zu sein. Denn an Profilneurosen leide er nicht, und schließlich habe er lange genug die erste Geige gespielt. Wichtig sei fur ihn, "sich selbst zu besiegen, um mit meinen Mitstreitern zu bestehen". Das habe auch geklappt. Wir schreiben das Jahr 1983 . Vor acht Jahren ist der VfL Gummersbach in die größere Halle umgezogen , doch der erwartete Zuschauerzuwachs ist ausgeblieben. Früher sind bis zu 800 zahlende Zuschauer gekommen, um den VtL zu sehen. Das hat sich seit Hansis Weggang geändert. Anfang 1983 wollen aber fast genau so viele, 783 zahlende Zuschauer das Spiel TuS Derschlag gegen Gelpetal sehen. Kein Zufall: Denn ftir Gelpetal, den Verein am Rande des Kreisstadt Gummersbach, steht ein Mann im Mittelpunkt, über den Vlado Stenze! sagt, dass er der kampletteste Handballspieler war, den es je gab: Hansi Schmidt. 307


Nach den paar Jahren in Wülfrath, Derschlag, Hattingen und Gelpetal sagt sich Hansi, er will sein Geld nicht im Schweiße des Angesichts anderer verdienen und hört auf. Auch einen Trainerposten will er nicht mehr annehmen . " Vielleicht hätte ich das auch nie richtig gemacht, weil das Traineramt nicht mein erstrebenswertes Ziel war", sagt er heute. " Ich bin mit dem zufrieden, was ich erreicht habe." Der kroatische Flügelflitzer Jadranko Demiri, Jahrgang 1951 , mit Hansi beim TuS Derschlag, beschreibt den Weltklassespieler Hansi Schmidt als dozierenden Trainer. Als Hansi noch in Gelpetal tätig ist, steht schon der Wechsel des Mannes zum FC Barcelona fest, den Hansi seinen wahren Nachfolger nennt: Erhard "Sepp" Wunderlich. "Jetzt hofieren sie mich noch, aber was ist in ein paar Jahren? Da geht es mir vielleicht wie Hansi Schmidt. Was hat dieser Mann ftir den VfL Gummersbach geleistet? Und heute wird nur noch über ihn geschimpft. Wie steht er finanziell da?" So zitiert die Sport-Illustrierte im Frühjahr 1983 Erhard Wunderlich. Hansi Schmidt blickt damals zurück im Zorn : "Ich werde in Gummersbach fast wie ein Aussätziger behandelt, nur weil ich mal konstruktive Kritik geübt habe. Aber die Hunde bellen, doch die Karawane der Kamele zieht weiter." 13 Jahre hat er- fast ausschließlich - daftir gesorgt, dass Gummersbach ftinfmal den Europapakai gewonnen hat. Was ist ihm geblieben? Hansi Schmidt: "Mir wurden die Ehrenbürgerschaft und das Bundesverdienstkreuz versprochen, aber mir sind nur körperliche und psychische Schäden geblieben. " Hansi Schmidt hat in Gummersbach im VfL sein Lebenswerk gesehen, er hat sich deshalb für den VfL zerrissen. In Hansis Zeiten ist vom VfL Schmidt die Rede, zu "Sepps" Zeiten vom VfL Wunderlich. Zu Hansis Zeiten heißt der Kapitän Klaus Brand, zu "Sepps" Zeiten Heiner Brand. Kritik hinter vorgehaltener Hand an den Stars hat es immer gegeben. Hansi Schmidt: "Bei mir haben sie gemeckert, aber wenigstens auf dem Spielfeld den Hader vergessen. Den Erhard haben sie sogar spielerisch im Stich gelassen. Dabei hatten sie es in seinem Schatten immer noch besser als ohne ihn." Hansi bleibt in Gummersbach, fühlt sich trotzaller Verbitterung dem VfL noch verbunden. Er hat als Flüchtling dort seine zweite Heimat gefunden, eine Familie gegründet, eine Lehrerstelle übernommen. Erhard Wunderlich hat das große Geld gewunken . Er ist aus dem kleinen goldenen Käfig des Eugen Haas ausgebrochen. 2,5 Millionen Mark soll er bekommen haben. Damit ist er in die Regionen der Fußballprofis vorgedrungen, in denen sich ein Karl-Heinz Rummenigge bewegt hat. Davon konnte Hansi vorher nur träumen. Trotz der Trennung im Zorn: Hansi ist dem VfL auch heute noch in gewissem Maß verbunden, weil er ein Stück der VfL-Geschichte ist. "Ich betrachte den VfL als einen Teil meiner selbst. Auch wenn einige mit aller Macht versuchen, das auszutilgen." Auch nach Joachim Deckarms Unfall am 30. März 1979 im ungarischen 308


Tatabanya ist Hansi zur Stelle. Eine Woche danach ist Hansi zusammen mit Reiner Frohwein in Ungarn. Die beiden wollen gerne helfen, doch das ist nicht möglich. Hansi trifft Deckarms schuldbeladenen Gegenspieler Lajos Panovics. Jo ist mit ihm im Europapokal-Halbfinalrückspiel in Tatabanya bei einem Gegenstoß zusammengeprallt und hat sich beim Sturz eine schwere Gehirnverletzung zugezogen. Panovics, den keine Schuld an dem Unfall trifft, wird nie mehr einen Handball anfassen. Für Jo Deckarm wird der VfL in den kommenden Jahren und Jahrzehnten viel tun. Das ist auch richtig, sagt Hansi. Er macht auch mit, um Jo unter die Arme zu greifen. "Was Jo zugestoßen ist, das kann jedem passieren", sagt Hansi . "Andere hat es schon vorher erwischt. Auch den Gummersbacher Rudi Fruhstuck. Doch für ihn wird in Gummersbach sozusagen nichts getan", bedauert Hansi. Einzige Ausnahme: Am 20. November 1984 nimmt Udo Landsberg, Senior der Oberliga-Handballmannschaft des TV Becketal und zuletzt beim TV Gelpetal in der Kreisliga aktiv, mit 40 Abschied vom LeistungshandbalL Die Einnahmen aus seinem Abschiedsspiel stellt er für Fruhstuck zur Verfügung. In der alten Gummersbacher Grotenbachhalle stehen sich eine Oberbergische Kreisauswahl der Senioren und eine Kombination des TV Becketal und des TV Gelpetal gegenüber. Prominentester Akteur in der Kreisauswahl ist Hansi Schmidt. Aus der erfolgreichen früheren VfL-Mannschaft sind ferner dabei Bernd Podak und Hans-Gerd Bölter. Außerdem wirken in der Seniorenauswahl mit: Uli Pohl, Manfred Schaper (TuS Derschlag) und Horst Heil (TV Kotthausen). Auch später streift Hansi das Trikot nur noch über, wenn sein Auftritt einem guten Zweck dient. Er spielt für die Jo-Deckarm-Stiftung. Es ist schon ein paar Jahre her, dass ehemalige Nationalspieler sich zu einer Initiative zusammengeschlossen haben. Der Verband der Westdeutschen Sportpresse hat einer Seniorenauswahl, die gespickt mit klangvollen Namen der Handballszene ist, den Start ermöglicht, in vorderster Linie Hansi Schmidt und Herbert Lübking. Um sie herum hat sich eine "Senioren-Nationalmannschaft" gebildet, die für Jo Spiele austrägt. Neben Herbert und Hansi gehören zu diesem Team: Wilfried Meyer, Bernd Podak, Klaus Kater, Uwe Rathjen, Manfred Hofmann, Herbert Rogge, Peter Neuhaus, Reiner Möller, Bernd Munck, Diethardt Finkelmann, Jochen Feldhoff, Klaus Westebbe, Jochen Brand, Peter Bucher, Klaus Voik, Felix-Rüdiger Schmacke, Hans Moser und Kurt Klühspieß. Begeisterungsstürme gibt es um dieses Team schon bei den ersten Auftritten in Wülfrath und Haan. Nach der aktiven Laubahn spielt Hansi in erster Linie Tennis in Prominentenmannschaften mit Fußballweltmeister Horst Ecke!, ferner mit Radrennfahrer Rudi Altig oder mit Jürgen Fassbender, Guido Kratschmer und Boxeuropameister Rüdiger Schmidtke. Hansi spielt auch in mancher Prominentenmannschaft Fußball. Mit dem RTL-Team, in dem auch Manfred Ommer steht, kommt er bis Freiberg im Voigtland. Im WDR-Prominententeam spielt er an der Seite von Ernst 309


Huberty, Jean Löring, Dietmar Schott, Wolfgang Overath, Franz Winter, Hannes Löhr, Hans Schäfer, Helmut Hessler, Heinz Schütz und Organisator Rudi Kisters. Gerd Harpers, Sepp Herbergers Lieblingsschüler, nennt Hansi Schmidt einen sympathischen Menschen. "Hansi hat mir mit manchem Auftritt in der Westfalenhalle viel Spaß und Freude bereitet. Er war einer der Größten auf dem Handball platz. Bei unseren gemeinsam bestrittenen Prominentenspielen auf dem Fußballplatz hatten wir viel Spaß. Ich habe ihn stets nur von seiner besten Seite kennengelernt, er ist menschlich hoch in Ordnung." Doch auch diese Fußballspiele sind inzwischen Geschichte.

Vom Handball zum Tennis: Hansi Schmidt mit seinem ehemaligen VJL-Mannschajiskamerad Jochen Feldho.fl

Vom Handball zum Tennis Auf den Handball folgt da s Tennis. Hansi schließt sich dem TV Niedersessmar an und spielt mit der Altherrenmannschaft in der zweiten Bezirksklasse, auch heute noch. Er ist Teil einer gut funktionierenden Truppe, zu der Manfred Frösler, HansGerd Lütz, Dieter Frösler, Horst Lüttgenau, Claus Reuber, Eberhard Weise, Horst Giesen, Jürgen Maschek, Werner Reschner und Dietmar Motzkus gehören. Als Ausgleich zum Schulalltag spielt er wochentags auch gerne Tischtennis. Der

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Tischtennisrunde gehören an Günther Politz, Raimund Steiner, Friedrich Bordon, Peter Holzinger, Werner Reschner und Heinz Roth. Pluspunkt der Tischtennisrunde: Auch die Frauen der Spieler harmonieren. Wenn einmal kein Tennis oder Tischtennis auf dem Programm steht, spielt Hansi immer wieder einmal eine Schachpartie mit seinem Nachbarn Viktor Zindler, dessen Wurzeln in Odessa liegen. Zindlers Vorbilder sind Spasski, Kasparow und Karpow. Im Rückblick sagt Hansi : "Der Handball hat mir viel gegeben, aber er hat mir gleichzeitig auch viel genommen." Handball spielt Schmidt längst nicht mehr, doch er liegt ihm nach wie vor sehr am Herzen. "Als junger Mensch ist man sein eigener Ratgeber. Und da habe ich sicher das eine oder andere nicht glücklich angefasst." In einem Kicker-Interview zum 60. Geburtstag sagt Hansi: "Ich wurde in Gummersbach immer über Leistung akzeptiert. Dann war meine Uhr irgendwann abgelaufen ... 'Freunde ' hatte ich viele, Getreue aber nur wenige." Als Hansi mit 33 in Gummersbach aufhört, beginnt er in sich einen anderen Menschen zu entdecken. Jeder ist ftir sich ein kleiner Philosoph, sagt er. "Ich wage zu behaupten, ich bin so ein kleiner Diogenes. Ich mache mir meine Gedanken über mich und die Welt, versuche meinen Mikrokosmos zu ordnen im Sinne meiner Frau und meiner Söhne. Leute definieren sich über ihre Arbeit." Die Landung Hansis nach dem Abgang vom VfL Gummersbach, den er vom Provinzverein zur erfolgreichsten Handballmannschaft der Welt gemacht hat, schien eine Bruchlandung zu werden. Doch die Rückkehr ins Zivilleben ist Hansi geglückt. Er hat nicht neben der Landebahn aufgesetzt. Er ist nicht wie andere Sportprofis gescheitert. Hansi hat sich rechtzeitig auf das Leben nach dem Sport vorbereitet, hat studiert, hat den Lehrerberuf ergriffen, der ihm nebst harter Arbeit auch Spaß und Freude bereitet. Hansi ist es gelungen, ein normales Leben zu führen und als Lehrer seinen Mann zu stehen, ähnlich wie auf dem Handballplatz. Hansi, dessen Kritik von Mannschaftskameraden, Trainern und Vereins- und Verbandsfunktionären gefürchtet war, weiß es wohl am besten: " Ich habe mir einige Male den Ast selbst unter dem Hintern abgesägt, habe häufig konstruktive Kritik geübt, stehe auch heute noch zu den meisten meiner Äußerungen. Ich habe aber mit meinerundiplomatischen Art, Missstände anzuprangern, viel Porzellan zerschlagen." Hansi hat auf dem Spielfeld, aber auch im Leben manchen Tiefschlag eingesteckt. "Auch ich stand sehr oft im Kreuzfeuer der Kritik und bin von meinen zahlreichen Kritikern nie geschont worden", heißt es in einem vor 20 Jahren gegebenen Interview. Heute weiß er, im normalen Leben ist es ihm so ergangen wie im Handball: Er hat genau wie vor dem Torwurflange "in der Luft gestanden". Und bis er im Lande der Grafen von Berg ftlr immer richtig gelandet ist, hat er Jahrzehnte gebraucht. "Seit etwa zehn Jahren ftlhle ich mich hier richtig zu Hause. Ich habe eine neue Heimat gefunden." Heute ist es ihm bewusst, dass er als Handballstar auch nur ein Götzenbild war. Heute, wo er Distanz zum Lei311


stungssport gewonnen hat, kann er über sein Verhalten richtig nachdenken. Heute weiß er, dass er eine andere Rolle hätte spielen können. Auch heute fühlt sich Hansi noch voll im Lernprozess, der wohl nie abgeschlossen sein wird. Er ist noch immer dabei, sich mit seinen Fehlern zu entdecken. "Der Kluge lernt aus eigener Erfahrung", sagt Hansi, "der Klügere lernt aus der Erfahrung anderer." Nach der Flucht 1963 erleichtert der Sport Hansi die erheblichen Anpassungsschwierigkeiten, er räumt ihm viele Steine aus dem Weg. Mit Hansi Schmidt eilt derVfL Gummersbach bald von Sieg zu Sieg. Aus dem Flüchtling wird ein Superstar, dem die Handballwelt und die Fans zu Füßen liegen. Und Hansi genießt die große Freiheit im Westen, den Rummel um seine Person, thront buchstäblich auf einem hohen Podest, gezimmert aus Illusionen , Träumen und einem erheblichen Maß Selbstüberschätzung, Überheblichkeit und jugendlichem Leichtsinn. Seine Leistungen lassen die Kritik verstummen, die er als Leistungssportler damals sehr nötig gehabt hätte. Wahrscheinlich wäre es auch zwecklos gewesen, "denn als aktiver Spieler habe ich mich immer selbst viel zu ernst genommen." Es ist ein offenes Bekenntnis eines gereiften Mannes, eines ehemaligen Stars, der in seiner Laufbahn fast alles erreicht hat, aber dennoch dem Leistungssport nicht alles verdankt, der heute dem Spitzensport mit seinen negativen Begleiterscheinungen sehr kritisch gegenüber steht. Hansi Schmidt räumt ein, durch den Sport schöne Stunden erlebt zu haben, aber alles danach sich selbst erarbeitet zu haben: "Heute bin ich froh , ein normaler Mensch zu sein, freue mich über einen guten Tag in der Schule, über meine Familie. Ich bin glücklich, heute echte Freundschaften pflegen zu können , was früher so nicht möglich war." Echte Freunde gewinnt Hansi Schmidt, das einstige Idol von Tausenden, durch den Handball nicht: "Es gab viele, die mir sehr wohl gesonnen waren, mit denen ich mich heute noch verbunden fühle , ich hatte aber auch viele vermeintliche Freunde, die sich nur im Glanze meiner Popularität sonnen wollten. Eins kann ich aber behaupten: Einen echten Freund habe ich während meiner Zeit als Spitzensportler nicht gewonnen. Ich war selbst wahrscheinlich nicht fähig dazu, in dieser Welt, einer auf Erfolg ausgerichteten Interessengemeinschaft, die Dinge richtig zu sehen." Als er beim VfL zu spielen aufhört, kennt er das Oberbergische, das Land er Grafen von Berg, kaum. Sport, Studium und später der Lehrerberuf lassen ihm kaum Spielraum für andere Dinge. Heute hat er die nötige Distanz zum Handball und kann von sich behaupten: "Ich lebe nicht in der Vergangenheit. Darunter habe ich einen Strich gezogen. Geblieben sind in erster Linie schöne Erinnerungen an Erfolge, aber auch weniger Schönes. Doch das ist auch sonst im Leben, abseits der Sportarenen, nicht anders." Und dennoch, er bereut nichts : "Wenn ich noch einmal vor der Entscheidung stünde, ich würde denselben Weg noch einmal beschreiten." Hansi sagt heute noch,

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Drei Freunde stoß en an: Heinz Buh1~ Han si Schmidt und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Friedh elm Julius Beucha

er ist stolz, aufeinem Gebiet, das heißt im Handball, zusammen mit seinen Kameraden Überdurchschnittliches geleistet zu haben, Erfolg gehabt zu haben. Doch erfolgreich zu sein heißt anders zu sein als die anderen. Hansi ist anders als die anderen. Als Spitzenspieler ist er sich dessen stets bewusst: Wenn er ein Tor wirft, dann ist es das Produkt der Mannschaft. Handball ist ein Mannschaftssport. Auf dich allein gestellt, bist du nichts. Doch er hat immer wieder erlebt, wie Mitspieler die Verantwortung auf den Primus inter Pares delegieren. So einfach, wie die Auftritte Hansis oft scheinen, sind sie nicht immer. Vor wichtigen Begegnungen sucht er stets die Ruhe, die Stille. Er zieht sich zurück, um sich auf das bevorstehende Spiel vorzubreiten . Manchmal , wie vor dem EC-Finale gegen Dynamo Ostberlin, verbringt er auch schon mal eine schlaflose Nacht. Jene Nacht ist aber keine verlorene. Hansi lässt sich das richtige Rezept gegen den Berliner Polizeiklub einfallen. Der Erfolg bleibt nicht aus, der VfL wird mit Hansis Hüftwürfen Europapokalsieger. Nach seinem Abschied vom VfL braucht er zehn Jahre, bis er sich daran gewöhnt, nicht mehr im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen. Heute kann er ganz gut damit umgehen . Er ist mit sich und der Welt im reinen , er ist zufrieden. Wenn er heute zu einer Autogrammstunde eingeladen wird, prüft er genau, ob er der Einladung folgen soll.

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Bei seinem Abschied 1976 "sind von beiden Seiten Fehler gemacht worden, sowohl von mir als auch vom VfL". Heute hat Hansi Schmidt zwei VIP-Karten ftir die VfL-Meisterschaftsspiele, von denen er sich das eine oder andere ansieht. Er war Rebell , begnadeter Handballer, er hat Beifallstürme wie kaum ein anderer auf den Zuschauerrängen entfacht, aber auch flir negative Schlagzeilen gesorgt, er hat ein Millionenpublikum begeistert, aber auch unzählige Kritiker auf den Plan gerufen, Hansi ist provoziert worden, hat aber auch provoziert. "Pfiffe haben mich stets zu noch höheren Leistungen angespornt." Zum Jasager hat sich Hansi immer noch nicht gewandelt. Er hat noch immer seine Prinzipien . Von manchen wird er bestimmt nie loskommen. Aber Hansi ist auch heute noch ftir manchen ein rotes Tuch. Veröffentlichungen, auch neueste, zeugen davon . Horst Muy schreibt Hansi zum Geburtstag wie zum Trost auf einen Bierdeckel: "Du hast im Leben 1000 Treffer, man sieht' s, man nickt, man geht vorbei, doch nie vergisst der kleinste Kläffer, schießt Du ein einzig Mal vorbei. Toi, toi, toi." Für seine Verdienste um den deutschen Handball zeichnet der Handball-Verband Mittelrhein Hansi Schmidt 1966 und 1970 mit der Silbernen und Goldenen Ehrennadel aus. Für die Leistungen in der Nationalmannschaft und im Europapakai erhält er am 28. April 1967 das Silberne Lorbeerblatt der Bundesrepublik Deutschland. Am 15 . März 1974 zeichnet der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hansi mit der Sportplakette des LandesNordrhein-Westfalen aus. Über diese Auszeichnungen freut er sich sehr, aber er trägt sie nur am Tag der Überreichung, wie alle anderen Auszeichnungen auch. Hansi beginnt seine Lehrerlaufbahn 1969 an der Grundschule in Derschlag. Nach wenigen Monaten wechselt er an die Hauptschule in Derschlag, wo er bis 1991 arbeitet. Rektor Kari-Heinz Jaeger bewegt ihn zum Wechsel. Er wird Hansis pädagogisches Vorbild. Hansi hat den Eindruck, dass er wegen seiner imposanten Gestalt nicht für die Grundschule geeignet ist. Die Grundschüler haben Probleme mit dem fast zwei Meter großen Lehrer. So empfindet er es wenigstens. Deshalb nimmt er das Wechselangebot Jaegers gerne an. Viel lernt Hansi an der Derschlager Hauptschule von seinem älteren Kollegen Hans Drumm, der Stalingrad überlebt hat. "Er war jederzeit ansprechbar, er hat meinen pädagogischen Weg geprägt. Ich habe lernen müssen, dass ich nicht der Mittelpunkt der Klasse bin." Die Erfolge als Lehrer stellen sich ein, als Hansi Jaegers Rat befolgt, die Schüler fühlen zu lassen , dass er sie als Lehrer mag. Heute weiß Hansi genau, er muss seinen Schülern das Gefühl vermitteln, dass er sich ihrer Probleme annimmt. Der Hauptschullehrer muss heute ein Multitalent sein: "Wir wissen über einige Dinge bescheid, und von etlichen Dingen haben wir überhaupt keine Ahnung. Ich würde gerne mehr wissen. So sehe ich mich jedenfalls ." Hansi unterrichtet in Bergneustadt Biologie, Erdkunde und Arbeitslehre/Wirtschaft, Geschichte und Sport.

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Hansi als angehender Lehrer vor einer Klasse in Waldbröl

1990 wechselt Hansi an die Gemeinschaftshauptschule in Bergneustadt, weil die Hauptschule in Derschlag in eine Gesamtschule umgewandelt wird. Er gehört zu den letzten Hauptschullehrern , die Derschlag verlassen. Die Schule in Bergneustadt ist seine letzte Arbeitsstelle vor der bevorstehenden Pensionierung. "Ich habe eine gute Schule, ein gutes Kollegium und eine gute Schulleitung angetroffen. Günter Dürr ist ein hervorragender Rektor, ein alter Kollege aus Derschlager Zeiten. Die Schule ist Inhalt meines Lebens. Deshalb freue ich mich immer wieder auf den Montag, wenn eine neu Woche beginnt und ich den Kontakt zu meinen Schülern wieder habe." Hansi, der den Aufbau einer Gesamtschule miterlebt hat, sagt, die Idee sei gut, aber die Realität sei wie der Kommunismus , sie setze den guten Menschen voraus. Und weil es diesen idealen Menschen nicht gibt, wird der Versuch zum Flop, die Idee an diesen Mammutschulen in die Praxis umzusetzen. Der Beruf bereitet Hansi noch Freude. "Ich habe das Geftihl, gebraucht zu werden, den Schülern etwas vermitteln zu können. Schulwissen ist aber nicht alles im Leben. Der Lehrer muss Fachwissen und Verhaltensweisen vermitteln, doch er hat auch einen höheren Auftrag, der mir sehr viel bedeutet. Junge Leute sind oft angewiesen auf engagierte Lehrer, zumal sie in diesen Jahren kaum konfrontiert werden mit der Welt der Erwachsenen. Manche Eltern meinen, die Erziehung fände vor allem in der Schule statt, doch als Reparaturwerkstatt der Nation ist die

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Schule überfordert", sagt Hansi . "Und weit schlimmer: Wir erleben die Zeit, in der eine heile Welt vorgetäuscht wird, um anschließend egozentrisch agieren zu können. Kurz gesagt: Wir predigen Wasser, und trinken Wein. Die Welt war immer schon verrückt, aber so verrückt wie heute wohl noch nie." Fünfmal hat Hansi in seinem Leben bei wichtigen Entscheidungen nein gesagt. 1963 sagt er endgültig nein zum Sozialismus. 1972 sagt er die Teilnahme an den Olympischen Spielen in München ab und schlägt das Angebot aus, Bundestrainer zu werden. 1973 nimmt er eine Rektorenstelle nicht an mit der Begründung, er eigne sich für die anstehenden Verwaltungsaufgaben nicht. Doch es ist nur die halbe Wahrheit, er will auch seinen Standort Gummersbach nicht verlassen. Und außerdem spielt er noch Handball. 1976 lehnt er es ab, einen Vertrag zu unterschreiben, der ihn weitere fünf Jahre an den VfL Gummersbach gebunden hätte. Es ist das erste schriftliche Angebot, das ihm Eugen Haas in all den Jahren meint vorlegen zu müssen, um ihn an den VfL zu binden. Hansi Schmidt glaubt an Gott. "Bleibe in Frieden mit Gott, was auch immer er für dich bedeutet und was immer deine Sehnsüchte und Mühen in der lärmenden Verworrenheit des Lebens seien - bewahre Frieden in deiner Seele. Bei allen Enttäuschungen, Plackereien und zerronnenen Träumen ist es dennoch eine schöne Welt. Sei vorsichtig, strebe danach, glücklich zu sein." Dieses Zitat aus der "Desiderata", einer Schrift von 1692, gefunden in der Sankt-Pauls-Kirche in Baltimore, hat sich Hansi zu eigen gemacht. Diese Sätze sind ihm, der schon zu Lebzeiten zur Legende geworden ist, aus der Seele geschrieben. Seit mehr als 40 Jahren lebt Hansi nun schon in Deutschland. Doch an einige Dinge hat er sich noch immer nicht gewöhnt. "Wenn du einem hierzulande in der Tür begegnest, der geht nicht aus dem Weg. Trittst du nicht zur Seite, würde der dich glatt umrennen. Wir haben da etwas ganz anderes gelernt, bisschen Rücksicht und Höflichkeit", sagt er, " nach der alten Habsburger Schule." Hansi wünscht sich, dass der Deutsche ein wenig mehr nationales Selbstbewusstsein und Patriotismus im Sinne August Bebeis hätte und weniger den Kosmopoliten herauskehrte. Er bedauert, in einer Zeit zu leben, in der jeder gegen jeden ist und einer den anderen über den Tisch zu ziehen versucht. Aber nicht nur an Sprüchen und philosophischen Gedanken richtet er sich auf. Dazu hat und braucht er auch seine Frau Karin und seine Söhne Hans-Günther, geboren am 19. Januar 1969 in Gummersbach, und Christoph Eric, geboren am 13. April 1972 ebenfalls in Gummersbach. Als sich Hans-Güntherjunior anschickt, selbst Karriere als Sportler zu machen, hat er Pech. Ein Tumor am Schienbein muss operiert werden, anderthalb Jahre lang kann er keine Sprung- und Schnellkraftübungen mehr machen. Er wird dennoch 1990 deutscher Juniorenmeister im Speerwerfen.

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Die Familie ist versammelt: (von links) Hans-Günther Junior, Karin, Hansi und Christoph Eric.

Der Sohn tritt aus dem Schatten des Vaters "Ich würde mein Leben nie anders gestalten wollen, aber wünsche mir, dass meine Söhne keine Handballer werden. Ich möchte ihnen diese Schmerzen ersparen", diesen Satz wiederholt Hansi jahrelang immer wieder, wenn er über Gefahren im Leistungssport spricht. Sohn Hans-Günther hat sich die mahnenden Worte seines Vaters zu Herzen genommen und ist Leichtathlet geworden. Lehrer Heinz Roth entdeckt Hans-Güntherjunior am Grotenbach-Gymnasium in Gummersbach ftir den Sport. Doch schon davor hat er sich " beim besten Jugendhandballtrainer" Bernd " Wibble" Schneider in der Sportart des Vaters versucht. Dass es dazu gekommen ist, hat Hans-Günther dem früheren VfL-Handballer und damaligen Nachbarn Wolfgang Becher zu verdanken. "Meinem ersten Leichtathletiktrainer Bernhard Wald bin ich ftir sein Engagement dankbar. Ohne die Lebensweisheiten von Dr. Hans-Jürgen Schemensky wäre meine sportliche Karriere wohl noch vorzeitiger, während der Zeit bei der Sportfürdergruppe der Bundeswehr, zu Ende gegangen . Ich bedanke mich bei ihm: Er hat mich wieder aufgerichtet und mir gezeigt, wie ich die Welt mit erhobenem Haupt erkunden

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kann . Er hat mir geholfen, aus dem Schatten meines berühmten Vaters herauszutreten", sagt Hans-Günther Schmidt junior. Der Zufall will es, dass Hans-Günther Trainer Bernhard Wald über den Weg läuft. Der Leichtathletiktrainer erkennt in dem jungen Schmidt ein Riesentalent Hans-Günther kann in seiner Jugend gut laufen, gut springen und gut werfen. Wald macht Hans-Günther zum Mehrkämpfer.

Zu Besuch in Greenville in South Carolina: Karin und Hansi Schmidt mit Enkel Kar/ Ludwig, Schwiegertochter Angelika und Sohn Hans-Günther

Auch Hansi weiß: Sein Sohn ist ein großes Talent, doch er zwingt ihn zu nichts. Aber er sagt Hans-Günther: "Wenn du etwas machst, dann mach es richtig. Dann musst du dich auch schinden, denn nur so kann man im Sport etwas erreichen." Hansi weiß, wovon er spricht, denn auch er hat in jungen Jahren Leichtathletik getrieben.

Hans-Günther befolgt den Rat seines Vaters und legt sich ins Zeug. Dreimal Training in der Wochetrotz der schmerzhaften Verletzung, trotzder Operation . Bei Bernhard Wald in Wipperft.irth trimmt er sich als 14-Jähriger, der schon stolze I ,79 Meter misst. Seine Bestleistungen sind in diesem Alter: Kugel I 1,94 m, I 00-m-Lauf 12,5 Sekunden, Hochsprung I ,59 m. Weitsprung 5,5 I m. Mit I 6 hält er den Nordrhein-Rekord im Achtkampf mit 6579 Punkten, den Speerwurfrekord mit 68,52 mundist I 985 dreifacher westdeutscher Vizemeister (100m, 200m, Kugelstoßen). Der Verband wird auf den Rohdiamanten aufmerksam. Mehrkampf-Bundestrainer Dr. Tidow meint, HansGünther habe noch große Reserven und holt ihn in den C-Kader (A-Kader = Weltklasse, B-Kader = nationale Spitze, C-Kader = nationale Spitze Junioren). Auch Heimtrainer Wald von der LG Wipperft.irth glaubt: "Hans-Günther hat eine ganz große Karriere vor sich." Hans-Günther nimmt die Herausforderung an und belegt I 987 in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskus- und Speerwurfbei den deutschen Jugendmeisterschaften einen sechsten, vierten und zweiten Platz. I 988 gelingt ihm der große Durchbruch . Bei den deutschen Jugendmeisterschaften in Lübeck wird er mit 69 Metern deutscher Jugendmeister im Speerwerfen. Der Deut-

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sehe Leichtathletik- Verband nominiert Hans-Günther ftir die zwei Wochen später stattfindenden Juniorenweltmeisterschaften im kanadischen Sudbury. Der große Erfolg des inzwischen 19-jährigen Hans-Günther kommt zu jenem Zeitpunkt fiir Laien überraschend, denn mit den 69 Metern überbietet er seine persönliche Bestleistung um rund fünf Meter. Doch Fachleute wissen längst um das enorme Potential des Modellathleten . Hans-Günther geht locker wie selten zuvor in den Wettkampf. Schon im ersten Durchgang schockt er mit 67,30 Metern die gesamte Konkurrenz, einschließlich den haushohen Favoriten Markus Bieck. Im Hochgefühl dieses erstklassigen Auftakts legt er im zweiten Durchgang noch I ,70 m zu und hat den Sieg in der Tasche. Mit den 69 Metern erft.illt Hans-Günther die hohen Anforderungen ft.ir die Aufnahme in die Sportfürdergruppe der Bundeswehr. Das Ergebnis ist deutsche Jahresbestleistung und bis dahin die zweitbeste Weite, die ein bundesdeutscher Jugendlicher mit dem neuen Speer erzielt hat. Bei den Junioren- Weltmeisterschaften in Sudbury ist Hans-Günther nicht mehr "Hans im Glück". Mit 61 ,28 m bleibt er fast 8 Meter hinter seiner Bestweite zurück und scheidet in der Qualifikation aus. 1989 belegt Hans-Günther bei den deutschen Juniorenmeisterschaften in Fulda im Speerwerfen mit 67,60 m den dritten Platz. 1990 ist er am Ziel seiner Wünsche: Bei den deutschen Juniorenmeisterschaften in Göttingen wirft er den Speer

Die Söhn e zu Gast bei der Mutter: Christoph Eric (links) und Hans-Günther

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auf die hervorragende Weite von 71 ,46 m und wird souverän deutscher Juniorenmeister. Bei kühlem , aber trockenem Wetter im Göttinger Jahnstadion steht der Sieg nie in Frage. Mit allen sechs Versuchen erzielt Hans-Günther eine größere Weite als der Zweitplatzierte. Zu den Meisterschaften ist er eigens aus den USA gekommen, denn seit März 1990 studiert Hans-Günther in Übersee. Seither lebt Hans-Günther in den USA. Er studiert Germanistik und Philosophie an der Universität in Georgia. Seine Diplomarbeit schreibt er zu einer These über Heidegger und Nietzsche. Hans-Günther erkennt, dass er als Sportler unselbstständig ist. Diese Unselbstständigkeit nennt er auch als Ursache ftir seine mäßige Technik. Als ihm dieses Licht aufgeht, beendet er seine Sportkarriere. Heute ist er trotzdem sehr stolz auf seine sportlichen Erfolge, aber auch, weil er während des Studiums fernab der Heimat sehr früh finanziell unabhängig geworden ist. Das haben unter anderen seine Lehrer Brigitte Graune und Edvard Harnes ermöglicht. Stolz ist auch sein Vater, und zwar auf den Enkel Kar! Ludwig, der am 8. Dezember 1999 das Licht der Welt in Greenville in South Carolina (USA) erblickt hat. Karin und Hansi Schmidt bedauern, dass sie den Enkel, die aus Augsburg-Neusätz stammende Schwiegertochter Angelika geborene Hummel und den Sohn nur selten sehen. Angelika arbeitet in Greenville als Deutschlehrerin. Christoph Eric, der zweitgeborene Sohn, der in Köln Biologie und Sportwissenschaften studiert hat, ist heute Lehrer an der Max-Planck-Realschule im Kölner Vorort Porz. Auch er ist sporttalentiert, doch er interessiert sich mehr fLir Breitensport, Tennis und Tischtennis. "Er ist von uns allen der Bewegungsbegabteste", sagt Hansi . Heute besuchen Karin und Hansi Schmidt noch die Tischtennis- und Tennisspiele , die Christoph Eric mit seinem Klub in Niedersessmar und Marienhagen austrägt. Kohlmeier-Oma war stets von Christoph Eric überzeugt: "Was unser Christoph anpackt, fUhrt er stets zu einem guten Ende", pflegte sie zu sagen. Vaters Berühmtheit hat ihn nie belastet. Christoph Eric kann sich noch an Spiele erinnern, in denen Hansi fLir den TuS Derschlag gespielt hat. Die Auftritte des Vaters waren fLir ihn beeindruckend. Das Handballgeschehen verfolgt er heute noch. Christoph Eric sieht sich das eine oder andere Spiel des VfL Gummersbach an. Karin und Hansi Schmidt sind froh, dass ihr Jüngster noch in ihrer Nähe ist und durch den Sport dem Bergischen Land die Treue hält. Doch ganz los kommt Hansi Schmidt von der Vergangenheit nicht. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Er vermisst auch heute noch ab und an die Banater Heide, sein Marienfeld, so wie er es in Erinnerung hat. Er vermisst die Banater Scholle, aber Gott sei Dank nicht auf Schritt und Tritt. "Ich glaube, Karin könnte man eher verpflanzen als mich ." Hansi hätte gerne eine andere sportliche Herausforderung angenommen, doch eine neue Heimat ist ihm wichtiger.

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Hans-Günther Schmidt Junior als Speerwerfer

Glückliche Augenblicke in Amerika mit Schwiegertochter Kar! Ludwig

Angelika Schmidt mit Sohn Kar! Ludwig

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Sein Geburtsort ist ihm noch immer in angenehmer Erinnerung. In Marienfeld hat Hansi eine schöne Zeit erlebt, sagt er. Zu wenig ist er in den Geburtsort des Österreichischen Dichters Nikolaus Lenau gefahren, wo sein Vater herstammt und kurze Zeit seine Arztpraxis im Geburtshaus des Dichters hatte. Auch heute fühlt er sich noch immer dem Banat verbunden . Sein teures Marienfeld will Hansi noch einmal sehen. Vielleicht auch den Verbannungsort seiner Großmutter, seines Urgroßvaters und seines Onkels in der Donautiefebene. Freunde prophezeien ihm immer wieder, er werde sehr enttäuscht sein . Denn Marienfeld hat sich verändert, das Rad der Geschichte ist schon 1944 zurückgedreht worden . Den Anfang des Zerfalls hat Hansi noch mitbekommen. Seit er das letzte Mal dort war, hat sich erneut vieles verändert. Die Häuser zerfallen. Der Niedergang beginnt am Kriegsende so: Flucht, Deportation, Zwangsevakuierung und staatlich gelenkte Zuwanderung von Nichtdeutschen erschüttern das Familienleben und das historisch gewachsene Gemeinwesen der Deutschen im Banat. Wichtige Voraussetzungen zur Wahrung der nationalen Identität bleiben aber erhalten: Unterricht in der Muttersprache, deutsches Theater und deutsche Presse. 1941 leben im rumänischen Teil des Banats und im angrenzenden Arader Gebiet 310 000 Deutsche. 1977 sind es noch knapp 160 000. Im Jahr 1978 setzt nach einer Vereinbarung zwischen Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland eine massive Aussiedlung der Banater Deutschen in die Bundesrepublik ein. Im Dezember 1989, beim Sturz Ceausescus, leben im Banat noch annähernd 90 000 Deutsche. Heute gibt es noch etwa 20 000 Deutsche im Banat. In Hansis Geburtsort Marienfeld leben von den 4000 Deutschen 1944 heute noch 17. Der Rest ist in der Welt zerstreut. Und in dem Verbannungsort seiner Großmutter in der Donautiefebene steht kaum noch eine der Lehmhütten. Sie sind längst verfallen, die Friedhöfe umgepflügt. Auch das Grab seines im Alter von 81 Jahren gestorbenen Urgroßvaters Hans Günther gibt es nicht mehr. Hansis Eltern haben noch vor dieser Umsiedlungsvereinbarung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt 1978 in Gummersbach ein neues Zuhause gefunden . Inzwischen gibt es sie nicht mehr. Dr. Hans Schmidt ist am 22 . März 1991 gestorben. Wunschgemäß ist er auf dem Friedhof in Weinheim beerdigt. Mit ihm hat die Familie einen lieben, geradlinigen Menschen verloren . Nach seinem Tod zieht Hansis Mutter von Oberbantenberg bei Gummersbach zu Hansis Schwester Helga nach Weinheim bei Mannheim. Rosa Schmidt, Helgas und Hansis Mutter, ist am 19. Januar 2003 gestorben und liegt an der Seite ihre Mannes in Weinheim begraben.

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Sportinvalide Pfeifkonzerte, geballte Fäuste, Pöbeleien, Tumulte und Verleumdungen auf den Rängen. Fouls in Form von Schlägen, Kratzern und Tritten auf dem Parkett. Wie oft hat Handball-As Hansi Schmidt das in seiner Karriere ertragen müssen. Im Sport ist es so wie im sonstigen Leben: Der Erfolg hat viele Feinde. Hansi muss als Schütze vom Dienst mehr Schläge einstecken, als er austeilen kann . Spieler können seine Kreise nur mit körperlicher Gewalt stören und einengen. Was Hansi Schmidt in 27 Jahren als Handballer einstecken muss, ist heute noch zum guten Teil seinem geschundenen Körper abzulesen: die Nase gekrümmt, die Finger verkrüppelt, der Gang gebeugt. "Ich habe Han si l995 kein einziges intaktes Fingergelenk mehr, das Nasenbein ist nach mehreren Brüchen verkrüppelt, Kapselerweiterungen in den Schultergelenken machen mir zu schaffen, die Platzwunden am Kopfhabe ich nicht mehr gezählt, Bänderdehnungen und Muskelfaserrisse waren Alltag. Zu meinen schwersten Verletzungen gehören eine Hodenquetschung und ein Wirbelsäulenschaden, der operiert werden musste. Nach einem zweiten Bandscheibenvorfall bin ich nur knapp an einer Querschnittslähmung vorbeigekommen. Schmerzfrei bin ich nie." DerTag beginnt ftir den einst besten Handballer der Welt mit Gymnastik. Im Wohnzimmer, auf einem ausgebreiteten Badetuch. Als Hansi Schmidt 1976 bei Gummersbach aufhört, hat im fernen Bukarest ein junger Mann den Entschluss gefasst, Handballer zu werden. Helmut Kamilli , sein Vater, ist Redakteur bei der deutschen Zeitung Neuer Weg in der rumänischen Hauptstadt und bittet einen Kollegen aus der Sportredaktion, dem Sohn den Weg beim Meisterklub Steaua Bukarest zu ebnen. Dort, wo sich Hansi Schmidt vor mehr als einem Jahrzehnt noch geschunden hat, nimmt der junge Mann am ersten Handballtraining teil. Doch er ist rascher weg, als er dazu gekommen ist. Denn, was er hier als erstes lernen soll, bereitet ihm keinen Spaß. So hat er sich Handball nicht vorgestellt. Der Trainer bringt den Anfängern bei, wie sie zu schlagen haben, um den Gegner einzuschüchtern und auszuschalten. Die rumänische Nationalmannschaft ist schon 1961 bei der Hallenweltmeisterschaft in Deutschland ftir ihr hartes Verteidigungsspiel bekannt geworden. Sie hat damit

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Erfolg, sie wird Weltmeister. Sie bleibt jedoch nicht die einzige Mannschaft, die das hart~ Spiel pt1egt. Jugoslawen, Russen und Tschechen werden es ihnen gleichtun. Vor diesen Nationen führen schon die Schweden vor, was Härte bedeutet. Später ~rd harte, das brutale Spiel auch in Deutschland Einzug halten.

das.

Spitzensport ist seit einem halben Jahrhundert nicht mehr ohne Fouls, ohne Gewalt mö'g lich.Jm Handball ist es nicht anders. Auch Regeländerungen haben nicht viel b~~rkf Sie haben den Handball schneller gemacht. Die Schiedsrichter können die Spieler eher verwarnen und vom Platz stellen. Doch sie foulen weiter. Im Handball sind die Besten die am meisten Geschlagenen. Denn es gilt, eben die besteh Angreifer auszuschalten, nur so haben die meisten Gegner eine Chance, das Spiel zu gewinnen. Hansi ist in dem Dutzend Jahren beim VfL einer der Besten, er ist jahrelang Torschützenkönig. Die ganze Liga jagt ihn . "Hallenhand9all zählt heute zu den verletzungsträchtigsten Sportarten, die wir kenneiL Die Entwicklung dazu war vorgezeichnet und hätte auch nicht aufgehalten werden ·k:&nen, es sei denn, die Verantwort I ichen hätten auf den Anspruch verzichtet, jemals Anschluss an die Weltklasseleistungen der Ostblockmannschaften zu gewinnen", schreibt Hansi Schmidt in einem Beitrag zum 1982 im RowohltVerlag erschieneh Buch "Sport und körperliche Gewalt". "Handball ist verletzungsträchtiger als Fußball oder Boxen. Dabei sollte Handball ein Sport sein, in dem das Spiel _im Vordergrund steht. Leider haben heute viele Schwierigkeiten, mit dem 06Jekt Ball umzugehen. Deshalb stehen Kraft und Gewalt im Vordergrund. In Spanieh.geht das Volk in die Stierkampfarena, bei uns in die Halle zum Handballspiel'.', sagt Hansi. Als l-Iansi 1963 Rumänien verlässt, beginnen die deutschen Vereine erst, ihren geliebten Feldhandball in die Halle zu übertragen. Hansi weiter: "Das war völlig unattr.akiiv. Und auch in den folgenden Jahren, als die deutschen Handballer sich . . . bemühten, ihr Spiel durch artistische Elemente wirkungsvoller zu gestalten, blieben sie noch weit hinter der Weltspitze zurück." '

In Rumänien sorgt der Handballlehrer Johnny Kunst, früher Hansis Trainer, für die effektivste Mischung. Er übernimmt das athletische Spiel der Deutschen, die Technik der ·P .ä.neri und Tschechoslowaken und als sicherlich wichtigste Beigabe die bedingungsTose Härte der Schweden. Daraus braut er einen Handballcocktail, der den Rumänen schon 1961 den ersten Hallenweltmeistertitel einbringt. "Ich habe damals schon kennengelernt, was heute in der Bundesrepublik unter 'Foulspiel als Pflichtprogramm · verstanden wird, obwohl mir kein Trainer in Deutschland bekannt ist, der Fouls jemals in sein Übungsprogramm eingebaut hätte", so Hansi weiter. ~ls sich· die bundesdeutschen Mannschaften entschließen, die Härte der WeltklaS.se·mannschaften zu übernehmen, weil sie nicht länger die zweite Geige spielen wollen, heißt es geschickter umschrieben: Die Spieler müssen eine gesun-

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de, männliche Härte zeigen. Als die Diskussion um die Härte im Handball l)ach der Weltmeisterschaft 1974 einen neuen Höhepunkt erreicht, spricht sich Johnny Kunst in Bukarest gegen weitgehende Regeländerungen aus. Denn für ihn steht fest: Der Handball ist ein Männersport, der sich nicht zum Basketball entwickeln darf. Johnny Kunsts Befürchtungen sind nicht wahr geworden. Dazu hat auch er einen Beitrag geleistet. Und so gilt auch heute noch: Im Handballspiel wird weiter gefoult mit dem Ziel, den Gegenspieler zu entnerven, zur Resignation zu zwingen oder gar vorsätzlich zu verletzen und kampfunfähig zu machen. So wird die Weisung, mit "gesunder" Härte vorzugehen, zur F(lrce: ~enn jede "gesunde" Härte hat eine ungesunde Auswirkung. Aber die Akteure ,lernen 'schnell, dieses Risiko zu kalkulieren, ft.ir den Gegner und für sich selbst. Die wirkungsvollsten Spieler werden schließlich jene, die nicht nur mit technischen Mitteln, sondern auch mit der Gewalt ihres durchweg zwei Zentner schweren Körpers den Erfolg suchen und bewusst Gegengewalt provozieren. Auch Hansi hat dazu gehört. Heute fühlt er sich zuweilen wie ein Invalide: "Ich glaube, es gibt im Hallenhandball kein Foul, das ich nicht irgendwann einmal zu spüren bekommen habe". 1966 im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga ist es passiert: Der HandballVerein Mittelrhein lässt die eine Gruppe in der Leverkusener Fritz~Jacobi-Halle spielen, wo sich der VfL Gummersbach, Grün-Weiß Dankersen, RSV Mülheim und Polizei Koblenz gegenüberstehen . Seinen Einsatz gegen RSV Mülheim- der VfL gewinnt 8:3 - bezahlt Hansi teuer. Der YfL führt schon mi:t :S:O, da ·rammt sich die Schulter eines rot-weißen Abwehrspielers in Hansis Unterleib. Er verlässt sofort den Platz. Aber er kommt wieder und steht das entscheidende Spiel gegen Grün-WeißDankersen bis zum siegreichen Ende durch. Der YfL ist damit in die BW1desliga aufgestiegen. Dann fährt ein Krankenwagen Hansi in ein Leverkusener Krankenhaus. Ergebnis der Untersuchung: starke Hodenquetschung, die schlimmste Verletzung in seiner Laufbahn. Schlagende, kratzende, stoßende Männer. Spitze Ellenbogen in Magengruben, steife Finger in schmerzverzerrten Gesichtern hat der Reporter der Bild-Zeitung gesehen im Finale 1968 der deutschen Meisterschaft zwischen der SG.Leutershausen und dem YfL Gummersbach, das der VfL 13:20 verliert. "In dieser Dreiviertelstunde wurde mehr geknüppelt als bei der letzten Berliner Studenten-D~monstra­ tion", zitiert die Bild-Zeitung einen Zuschauer. "Leutershausen hat sich mit hartem Zugriff an den Grenzen des Zulässigen versucht zu halten, weil ein körperlich starker Gegner, der ja auch nicht in'der Wahl der Angriffsmittel zimperlich ist, diesen Zugriff diktiert. Wer hier ~urück~!eckt, gibt sich selbst auf', so die Meinung von Hanns Apfel in der Deutschen Handballwoche. 325


Nach dem Endspiel 1970 zwischen Frisch Auf Göppingen und dem VfL Gummersbach, das 22 :18 (1 0:7) endet, sieht Jochen Feldhoff aus wie ein verprügelter Boxer, mit unterlaufenem Auge und aufgerissener Augenbraue. Doch die Prügelknaben gibt es auch auf der anderen Seite. Auch Horst Singer ist nach einem Schwinger von Gummersbachs Mannschaftskapitän Klaus Brand mit einer Jochbeinverletzung außer Gefecht. In einem weiteren Bericht über das Finale 1970 heißt es: "Das Engagement an Härte bis hin zur Gemeinheit ließ einen beinahe erschauern. Und der Hase zwischen all den Hunden hieß immer wieder Hansi Schmidt." 20 Angriffe auf ihn- 20 Fouls. "Die erste Bewegung Richtung Ball von Hansi Schmidt, und der erste Schlag trafprompt Hand oder Arm. Hansi Schmidt am Ball. .. bitte Augen schließen. Handkanten auf die Rippen , gegen den Hals. Es mag überspitzt klingen, doch die Göppinger 'Buben ' Pflüger und Bayer suchten oft nicht den Ball, sie brauchten zum Spiel eben diesen Hansi Schmidt. Und die Schiedsrichter? Nun, sie legten die Regeln am Körper von Schmidt aus. Ist man so gebaut, ist man solch eine Lokomotive, dann muss man auch einstecken wie ein Sandsack. Also dröhnte es lustig weiter auf den Rippen des Handballkönigs ..." Wie ein König zieht sich Hansi aus der Affäre. Hier und da ein Zeichen von Resignation, hier und da ein kleines Wortgefecht mit den Schiedsrichtern. Immer aber, trotzgeschundenen Körpers, trotzder bitteren Niederlage: Hansi bleibt ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, meint der Reporter weiter. Im 24. Finale um die deutsche Hallenmeisterschaft, das der VfL am 10. März 1973 mit 21 :18 gegen Titelverteidiger Frisch AufGöppingen gewinnt, spielen beide Mannschaften sehr hart. Die Begegnung in der mit 12 500 Zuschauern ausverkauften Dortmunder Westfalenhalle steht am Rand des Abbruchs. Was die beiden Mannschaften im Finale vorfUhren, ist eines Endspiels unwürdig. Mit dem Ertönen des Anpfiffs wird vor dem Publikum der Katalog der Regelwidrigkeiten aufgeklappt. Wer erlebt hat, wie mit Handkantenschlägen und gezielten Boxhieben gearbeitet wurde, mochte glauben, hier wolle der in den vorangegangenen Begegnungen aufgestaute Ärger endlich an die Luft. Die Kölnische Rundschau schreibt: "Bei allen Prügeleien : Schmidt blieb ruhig." In den Katakomben der Westfalenhalle steht Hansi Schmidt in einer der Kabinen und kühlt seine blutende, klaffend aufgeschlagene Oberlippe mit rotem KrimSekt. "Endkampf könnte man sagen, gespielt wurde nicht", meint der Reporter. "Immer wenn die Gummersbacher Mannschaft angriff, richteten die wackeren Schwaben auf dem Spielfeld - lautstark und zeitweise sogar tatkräftig von fanatischen Anhängern unterstützt- ihr besonderes Augenmerk auf Hans-Günther (Hansi) Schmidt: sie versuchten ihn festzuhalten-einzeln oder mit vereinten Kräften-, sie klammerten sich an ihn, sie zerrten an ihm, hingen an seinem rechten Wurfarm,

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Hansis Enkel Kar! Ludwig verkauji Kuchen für einen guten Zweck. Papa Hans-Günther steht ihm bei.

sie versuchten, ihn mit Worten zu provozieren, sie boxten ihn (nach dem Spiel musste seine Oberlippe genäht werden), sie würgten ihn; ja, es gelang ihnen sogar, ihn mehrmals zu Boden zu reißen, aber zum endgültigen 'K. o.' reichte alles nicht aus. Hatte man in Göppingen etwa die Parole ausgegeben, den gefurchteten Torschützen des VfL Gummersbach- egal aufwelche unsportliche Art- kampfunfähig zu machen?" fragt Die Zeit nach dem Finale von 1973. Vor der Weltmeisterschafts-Endrunde 1974 spielt Deutschland zweimal gegen die Sowjetunion. In der zweiten Begegnung in der Gruga-Halle in Essen beißt der Russe Ussaty Hansi in den Finger. Das Blut fließt. "Vor allem die Abwehrspieler der Spitzenvereine kommen ohne üble Fouls nicht aus. Ich habe als Vollstrecker stets die ganze Palette aller nur denkbaren Härten zu spüren bekommen", so Hansi weiter. Der VfL Gummersbach ist nur darum bahnbrechend, weil er sich als einer der ersten bundesdeutschen Vereine die bedingungslose Härte der Weltklasseteams zu eigen macht. Sonst wäre es nie zu den mehrfachen Europapokal-Siegen gekommen. Zum guten Deckungsspieler wird nur der, der auch bereit ist, eine unvorstellbare Menge von Gewalt auszuüben und Gegengewalt in Kauf zu nehmen. "So war es der totale körperliche Einsatz, der Verzicht jeglicher Rücksicht auf sich selbst, das Powerplay dieser unvergleichlich harten Männerauf dem Parkett,

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das im Handumdrehen die Massen begeisterte, und mit den Massen kam das große Geld. Der Erfolgszwang wurde noch größer und die Fouls noch häufiger. Die Schwelle zur Brutalität wurde immer öfter überschritten. Die deutschen Mannschaften mussten mit den Wölfen aus den Ostblockstaaten heulen, sie hatten keine andere Möglichkeit", schreibt Hansi Schmidt weiter in "Sport und körperliche Gewalt". Hätte derVfL Gummersbach in den entscheidenden Buropapokal-Spielen versucht, allein mit spielerisch-technischen Mitteln zum Erfolg zu kommen, wäre er untergegangen. An dieser Tatsache hat sich nichts geändert. Der Hallenhandball begeistert heute noch, weil er hart ist. Der Handball hat sich gewandelt, das moderne Spiel braucht andere Akteure. Die Leichtgewichtler sind nahezu aus den Erfolgsmannschaften verschwunden. Sie haben der Härte der schwergewichtigen Brecher nichts mehr entgegenzusetzen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist der Kieler Rechtsaußen Christian Zeitz, sagt Hansi. Die weniger Robusten müssen zu allzu offensichtlichen Fouls greifen. Der Hallenhandball hat sich zu einem Kampf der Zwei-Meter-Leute entwickelt, in dem nur noch Zweizentnerbrocken aufeinanderprallen, die weit weniger wendig sind, Körperkraft und -gewicht nicht mehr unter Kontrolle halten können, wodurch schwere Verletzungen heraufbeschworen werden. Diese Kraftpakete laufen anstelle der 180 bis 185 Zentimeter großen Leute von vor 40 Jahren auf. Seit nur noch diese Hünen auf dem Parkett umherwuchten, ist die Verletzungsgefahr noch größer geworden. "Heute würden diese vierkantigen Riesenkerle jeden Handballartisten von einst glatt vernaschen", meint Hansi. Heute sind Kreisläufer vom Format eines Riesen wie der Weltklassemann Christian Schwarzer gefragt. Die folgende Leistungsentwicklung bringt zwangsläufig neue Varianten in die Spielanlage und einen Wechsel der erfolgsorientierten Schwerpunkte in den Mannschaften. Es tauchen berühmte Kreisläufer auf, denen es geradezu Spaß zu machen scheint, die furchtbaren Prügel der Abwehrspieler zu beziehen. Es gibt aber auch unvergessene Rückraumschützen, deren Wurfkraft spielentscheidend ist. Diese Bomber haben es nicht nötig, sich auf gefährliche Zweikämpfe einzulassen oder sich ohne Rücksicht auf die eigenen Knochen durch die schlagende Deckungsreihen zu kämpfen. Hansis große Zeit ist zugleich die Glanzepoche der Duda, Gruia und Maksimow. Manche Vereine können sich auf diese Werfer überhaupt nicht einstellen. Nur wenige Jahre sind diese Angriffsspieler dem Mann in der Abwehr gegenüber leicht im Vorteil, und zwar nur, solange das Abwehrspiel in der Trainingsmethodik eine untergeordnete Rolle spielt. Ende der 60er Jahre ändert sich das. Die Trainer beginnen die Abwehrqualitäten der Spieler zu verbessern. Die Jugoslawen engen in jenen Jahren die Entfaltungsmöglichkeiten der gefürchteten Rückraumschützen entscheidend ein mit der 3-2-1-Formation. Eine neue Ära bricht an. Die Abwehrspieler werden noch härter. Der Erfolgszwang verdrängt

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allmählich den ästhetischen Hallenhandball ; Erfolge bestimmen die Richtlinien und heiligen die Mittel. Schon immer sind die typischen Angriffsspieler am ärgsten gefoltert worden. Noch ärmer als die Rückraumspieler dran ist der Kreisläufer. Er kämpft Mann gegen Mann, steht meist mit dem Rücken zur Abwehrreihe und muss die Nierenschläge verdauen. Er ist der Mann, der die Lücken in die gegnerische Abwehr reißen soll, die der Schütze aus der zweiten Reihe nutzen kann. Seit die drahtigen und wieselflinken Kreisläufer durch zwei Zentner schwere ersetzt worden sind, ist der Kampf am Wurfkreis noch massiver geworden : Wer kann einen Koloss wie einen Christian Schwarzer in seinem Drang zum Tor mit fairen Mitteln bremsen? Schläge ins Gesicht, Tritte auf die Füße, Hiebe in die Rippen, Stöße in den Magen oder in den Unterleib, blitzschnell mit den Ellbogen oder mit der Handkante ausgeführt, Pferdeküsse und Stiche mit den Fingern, all diese Fouls kommen in einem Spiel immer wieder vor. Die Schiedsrichter nehmen nur einen Bruchteil dessen wahr, was wirklich auf dem Parkett geschieht, obwohl sie zu zweit sind. Das Spiel ist zu schnell und zu raffiniert geworden. Nicht wenige Schiedsrichter lassen ganz bewusst vieles ungeahndet. Zugunsten einer Heimmannschaft werden oft große Zugeständnisse gemacht. Daran sind in Hansis Zeit die beklemmende Enge der Hallen und die Furcht vor den Fans schuld.

Von zahlreichen Schlägen gezeichnet ist Zu den verletzungsträchtigsten Fouls Hansis Gesicht. gehören Angriffe auf einen Spieler bei Tempogegenstößen, wenn dieser in den Torraum hechtet. Oft knallt der Werfer gegen den Torpfosten oder gegen die Hallenwand. Mit einem leicht vorgestreckten Knie kann der Abwehrspieler dem heranfliegenden Angreifer eine verhängnisvolle Richtung geben.

"Wenn im Hallenhandball überhaupt ein Spieler auf Fouls verzichten kann, dann ist es der kreative schnelle, ideenreiche und wurfstarke Stürmer", so Hansi . Aber Handballer verüben auch üble Fouls im Sturm. Am gefahrliebsten für die Gesundheit des Mitspielers wird der Stürmer, wenn er das Knie hochzieht und auf den Unterleib des Abwehrspielers zielt oder wenn er mit der Schulter den Brustkorb des Gegners rammt. "Doch das hat es schon immer gegeben. Nicht immer also ist 329


der Deckungsspieler der Bösewicht. Dennoch bleibt der erfolgreiche Abwehrstratege nach meinen Erfahrungen der Mann, der ohne üble Tricks wohl niemals auskommen wird", berichtet Hansi weiter in dem Beitrag. Das gefahrlichste Deckungsfoul ist nach Hansis Erfahrung das Unterlaufen beim Sprungwurf. "Ich habe dabei nicht nur Nierenquetschungen erlitten, sondern auch jene Bandscheibenverletzungen, die mir heute noch so schwer zu schaffen machen. Sie sind die Folgen von Schlägen und Stößen in den Rücken. Dennoch gestehe ich dem Deckungsspieler diese Härte zu. Das ist nun einmal Hallenhandball. Ich als Stürmer provoziere ja die Abwehr, und ich mache einen klaren Unterschied zwischen der Härte, die ich gegen andere ausübe, und der Gewalt, die ich bewusst herausfordere und zu verarbeiten bemüht bin ." Wer im Handball Angst zeigt, steht aufverlorenem Posten. Und wer keine Angst kennt, der riskiert Kopfund Kragen und provoziert noch mehr Gewalt. Jeder Spieler weiß das und nimmt es in Kauf. Schlechte Hallenböden erhöhen die Verletzungsgefahr erheblich. Dann drohen noch unbeabsichtigte Fouls, die wegen mangelnder Wendigkeit oder Konditionsschwäche zustande kommen. Unverständlich ist Hansi, dass früher bei den Spielen Ärzte fehlten . Bei einem schweren Unfall können die ersten Minuten über das Leben des Verletzten entscheiden. "Als ich mir meine schwere Wirbelsäulenverletzung in Wülfrath zuzog, habe ich nach Tagen, als die Sehrnerzen nicht nachließen, selbst einen Arzt aufgesucht", berichtet Hansi. "Die Spieler in der Bundesrepublik mussten sich zu meiner Zeit selbst um die ärztliche Betreuung kümmern. Beispielhaft war hingegen die ärztliche Betreuung in den Ostblockstaaten, wenigstens bei den Spitzenmannschaften. Wo immer wir jenseits der Grenzen gespielt haben, stets waren Ärzte zur Stelle, die uns sehr gut betreut haben. Jedes halbe Jahr wurden wir in Bukarest regelrecht auf den Kopf gestellt." Dauerschäden bei Handballern häufen sich . "Jochen Feldhoff beispielsweise ist für sein ganzes Leben gezeichnet. Alle Gelenke unterliegen einer ungeheuren, oft einseitigen Beanspruchung. Da wären auch während meiner aktiven Zeit Untersuchungen durch Fachmediziner in regelmäßigen Zeitabständen angebracht gewesen. In meinen 13 Jahren beim VfL Gummersbach habe ich keine einzige vom Verein veranlasste Untersuchung erlebt. Schweren Folgeschäden könnte man ganz sicher vorbeugen, Handballkrüppel brauchte es nicht zu geben", so Hansi. "Ein Vollbluthandballer, dem sein Hausarzt sagt, er soll seinen Sport wegen seiner lädierten Wirbelsäule oder wegen einer ausgerissenen Gelenkkapsel aufgeben, wird womöglich die Praxis wechseln . Einem Spezialistenjedoch dürfte auch der wildeste Handballkämpfer wohl vertrauen. Aber eben diese haben lange im Handball gefehlt. Wenn der Hallenhandball mit Boxen und Eishockey als besonders gefahrliehe Sportart in einem Atemzug genannt wird, so bleibt doch ein wesentlicher Unterschied: Der Boxer ist auf jeden Ausfall seines Gegners vorbereitet, er greift 330


stets von vorne an, der Handballer nur selten, und die Eishockeyspieler gehen geschützt durch ihre Kleidung in die sportliche Auseinandersetzung. Der Handballer läuft bestenfalls mit Knie- oder Ellbogenschützern auf, und das auch nur, um noch mehr riskieren zu können. Der Kopf ist bei diesem unheimlich hart geführten Spiel völlig ungeschützt. Angriffsspieler neigen dazu, seitlich mit derbesonders empfindlichen Schläfenpartie in die gegnerische Abwehr hineinzugehen, was ein normaler Bewegungsablauf ist. Aber dabei kann es nur verwundern, dass eigentlich noch recht wenig passiert, wo soviel geballte Kraft aufeinanderprallt." Der Gummersbacher Joachim Deckarm hatte großes Pech beim Zusammenstoß mit seinem Gegenspieler Janos Panovics in Tatabanya. "Es war ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände. Es war kein typisches Handballfoul, das schlimmste war der Betonboden, auf den Jo, schon benommen, mit dem Kopf aufgeschlagen ist", sagt Hansi. Wochenlang ringt Deckarm mit dem Tod und ist auch heute nicht ganz wiederhergestellt. Auch in Tatabanya ist kein Arzt in der Halle. Ein Arzt, der das Spiel in seinem Wohnzimmer im Fernsehen verfolgt, eilt herbei in die Halle, um erste Hilfe zu leisten. Zu einem ähnlichen Unfall ist es im ersten Spiel des VfL Gummersbach in der Köln-Arena gegen THW Kiel gekommen, wobei sich THW-Rechtsaußen Johansson verletzt hat. Solche Unfalle ziehen neue Regeln nach sich, verunsichern anfangs Spieler und Mannschaften, die aufgrund der Härte und des bedingungslosen Einsatzes erfolgreich sind, müssen wegen der gelben und roten Karten umdenken. Inzwischen trauen sich die Haudegen in den Abwehrzentren wieder, die Angreifer zu stoppen. "Weil Geld mittlerweile zu unsrer fast einzigen Weltanschauung hochstilisiert und der Sport zum Geschäft geworden ist, werden die Spieler auch psychisch unter Druck gesetzt. Die Vereine brauchen Geld, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und neue Spieler zu verpflichten, deshalb heiligt der Zweck die Mittel: Das Spiel tritt in den Hintergrund, die Spieler, die reaktionsschneller geworden sind, gehen kompromisslos zu Werk. Kraft und Gewalt stehen weiter im Vordergrund", so Hansi weiter. Doch trotz der Regeländerungen: "Die Schlitzohren in den Deckungsreihen, die Abwehrspieler mit Weltklasseformat, sind aber nicht aus den Mannschaften verbannt worden. Diese Abwehrstrategen werden stets raffinierter, ihrem Einfallsreichtum, was Härte angeht, sind kaum Grenzen gesetzt. Die Fouls sind auch heute aus dem Spitzenhandball nicht wegzudenken, daran können auch neue Regeln wenig ändern", heißt es weiter in Hansis Bericht. Hansi hat die Härte im Handball in Kauf genommen und noch mit 39 gespielt. Das kann er vor sich und Gott verantworten. Aber aus Verantwortungsbewusstsein hat er noch keinem begabten Schüler geraten, Handballer zu werden, auch seinen Söhnen nicht. "Doch wieso sollte unser Sport sauber sein, wenn unsere Gesellschaft marode ist", fragt Hansi. "Härte unterscheidet die Kampfsportart Handball nun einmal vom Basketball." 331


Die Ästhetik kommt im Handball heute zu kurz, behauptet Hansi. "Weil ein eben abgeschlossener Angriff gleich in den Gegenangriff übergeht, der Anwurfvon der Mittellinie entfällt, hat der Zuschauer heute kaum noch Zeit, das Spielgeschehen richtig zu verarbeiten. Der Zuschauer geht wie aufgelöst nach Hause", meint Hansi. "Das ist der Handball im Jahr 2005 ."

Mit Tennis hält sich der ehemalige Weltklassehandballer heute fit

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Die besten Torschützen 1966-1976: 1. Bundesligasaison 1966167: 91 Tore: Hansi Schmidt (VtL Gummersbach) 77 Tore: Herbert Lübking (Grün-Weiß Dankersen) Peter Görtz (VtL Bad Schwartau) 65 Tore: Herbert Hönnige (SG Leutershausen) 63 Tore: Wolf-Rüdiger Pfrang (TSV Birkenau)

2. Bundesligasaison 1967168 94 Tore: Hansi Schmidt (VtL Gummersbach) 67 Tore: Herbert Lübking (Grün-Weiß Dankersen) Gerhard Neubauer (TSV Birkenau) 66 Tore: Jürgen Plambeck (SG Leutershausen) 65 Tore: JosefHutter (TV Hochdorf)

3. Bundesligasaison 1968/69 107 92 73 70 69

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Hansi Schmidt (VtL Gummersbach) Herbert Lübking (Grün-Weiß Dankersen) Max Müller (Frisch AufGöppingen) Rüdiger-Felix Schmacke (SG Leutershausen) JosefHutter (TV Hochdorf)

4. Bundesligasaison 1969/70 94 77 76 66 64

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Hansi Schmidt (VtL Gummersbach) Max Müller (Frisch AufGöppingen) Peter Bucher (Frisch AufGöppingen) Peter Kuß (TV Großwallstadt) Herbert Staiger (TS Esslingen)

5. Bundesligasaison 1970171 96 75 69 63 61

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Hansi Schmidt (VtL Gummersbach) Josef Karrer (TV Großwallstadt) Hans Maser (TSV Milbertshofen) Peter Bucher (Frisch Auf Göppingen) Klaus Lange (Hamburger SV)

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6. Bundesligasaison 1971172 96 70 66 64 60

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Josef Karrer (TV Großwallstadt) Hansi Schmidt (VfL Gummersbach) Rainer Oberle (TV Großwallstadt) Paul Epple (Frisch Auf Göppingen) Peter Görtz (VfL Bad Schwartau)

7. Bundesligasaison 1972173 98 86 63 53 49

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

RolfHarjes (TV Grambke) Hansi Schmidt (VfL Gummersbach) Peter Pickel (Hamburger SV) Otto Weng ( Grün-Weiß Dankersen) Bernd Nielsen (THW Kiel)

8. Bundesligasaison 1973174 114 109 96 84 81

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Peter Pickel (Hamburger SV) RolfHarjes (Bremen) Hansi Schmidt (VfL Gummersbach) Heinz Oberscheidt (Phönix Essen) Wilfried Lankenau (TV Grambke)

9. Bundesligasaison 197411975 122 121 114 I 04 104

Tore: Tore: Tore: Tore: Tore:

Sirnon Schobel (TuS Hofweier) Hansi Schmidt (VfL Gummersbach) Heinz Ratschen (OSC Rheinhausen) Klaus Lange (VfL Bad Schwartau) Reiner Möller (TuS Wellinghofen)

10. Bundesligasaison 197511976 96 Tore: Djoko Lavrnic (TuS Derschlag) 90 Tore: Walter Don (Hüttenberg) 89 Tore: Uli Ufer (TuS Derschlag) 88 Tore: Heinz Oberscheidt (Phönix Essen) 86 Tore: Sirnon Schobel (TuS Hofweier) 85 Tore: Joachim Deckarm (VfL Gummersbach) Hansi Schmidt belegt mit 17 Einsätzen Platz 18 mit 65 Toren (davon 14 Siebenmeter). Anmerkung: Erfasst sind lediglich die in den Punktspielen der Bundesliga-Staffel Nord geworfenen Tore, die in Endrunden und Finals erzielten sind ausgenommen.

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Alle V tL-Spiele in der Bundesliga zu Hansi Schmidts Zeiten: 1966/67 Heimspiele: gegen VtL Bad Schwartau 23 :12, TuS Wellinghofen 9:4, Polizei-SV Hannover 33:17, RSV Mülheim 22: I 0, Grün-Weiß Dankersen 23:13, Hamburger SV II: 10, St. Georg Harnburg 37: 13; Auswärtsspiele: bei Grün-Weiß Dankersen 15 : 14, Hamburger SV 14: 12, St. Georg Harnburg 21:18, VfL Bad Schwartau 24: 15, TuS Wellinghofen 11 : 14, Polizei-SV Hannover 23:11, RSV Mülheim 21:13.

I. VtL Gummersbach

14

13

0

2. Grün-Weiß Dankersen

14

9

I

3. Hamburger SV

14

9

0

4. TuS Wellinghofen

14

6

5. Polizei-SV Hannover

14

5

6 VtL Bad Schwartau

14

7. RSV Mülheim 8. St. Georg Harnburg

287: 176

26: 2

4

290:215

19: 9

5

221:199

18:10

7

165:171

13:15

2

7

200:238

12:16

5

2

7

197:237

12:16

14

3

2

9

174:218

8:20

14

2

0

12

186:266

4:24

Endspiel: VtL Gummersbach- TV Hochdorf23 :7 (vor 8000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle );

335


1967/68 Heimspiele: gegen Hamburger SV 25:12, VfL Bad Schwartau 23:14, TuS Wellinghofen 25:15, Grün-Weiß Dankersen 13:12, BV Solingen 28:11, Polizei-SV Hannover 23:16, THW Kiel32:17; Auswärtsspiele: bei THW Kiel 14:12, BV Solingen 23:8, PSV Hannover 25:19, Hamburger SV 21:19, TuS Wellinghofen 14:12, Grün-Weiß Dankersen 13 :16, VfL Bad Schwartau 20:20. I. VfL Gummersbach

14

12

299:203

25: 3

2. Grün-Weiß Dankersen

14

10

3

237:176

21: 7

3. THW Kiel

14

9

0

5

185 : 181

18 :10

4. TuS Wellinghofen

14

8

0

6

173:179

16:12

5. Hamburger SV

14

5

2

7

208:210

12 :16

6. BV Solingen 98

14

4

9

185:232

9:19

7. Polizei-SV Hannover

14

3

10

181:225

7:21

8. VfL Bad Schwartau

14

11

194:256

4:24

2

Endspiel: SG Leutershausen- VfL Gummersbach 20: 13 (vor 5500 Zuschauern in der Sporthalle Böblingen) ;

336


1968/69 Heimspiele: gegen BV Solingen 98 18:6, THW Kiel 17:13 , TuS Wellinghofen 25:11 , Eintracht Hitdesheim 28:12, RSV Mülheim 25:12, Hamburger SV 12 :10, Grün-Weiß Dankersen 28: 13; Auswärtsspiele: bei RSV Mülheim 14:13, Hamburger SV 12:14. Grün-Weiß Dankersen 17:13, BV Solingen 98 22:11, THW Kiel 17:9, TuS Wellinghofen 14:11 , Eintracht Bildesheim 27-18 . 1. VfL Gummersbach

14

13

0

2. THW Kiel

14

10

0

3. Hamburger SV

14

4 Grün-Weiß Dankersen

276:166

26: 2

4

210:177

20: 8

8

5

196:154

17:11

14

7

6

240:200

15 :13

5. TuS Wellinghofen

14

7

6

173:178

15:13

6. RSV Mülheim

14

4

2

8

188:219

10:18

7. BV Solingen 98

14

4

1

9

156:205

9:19

8. Eintracht Bildesheim

14

0

0

14

180:320

0:28

Endspiel: VfL Gummersbach- SG Leutershausen 21: 13 (vor 12 700 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle);

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1969170 Heimspiele: gegen Grün-Weiß Dankersen 21:12, THW Kiel 25:12 , RSV Mülheim 23:7, TV Oppum 22: I 0, TuS Wellinghofen 16:5, VfL Bad Schwartau 25: 17, Hamburger SV 18: 14; Auswärtsspiele: bei TV Oppum 19:20, TuS Wellinghofen 14:13 , VfL Bad Schwartau 18 :15 , GrünWeiß Dankersen 17:13 , THW Kiel 12 :8, Hamburger SV 18:15, RSV Mülheim 12:8. 1. VfL Gummersbach

14

13

0

I

260:169

26: 2

2. Hamburger SV

14

9

2

3

220:188

20: 8

3. Grün-Weiß Dankersen

14

10

0

4

223:193

20: 8

4 VfL Bad Schwartau

14

6

7

227:227

13 :15

5. TuS Wellinghofen

14

5

8

173:183

11 : 17

6. THWKiel

14

4

2

8

151:176

10:18

7. TVOppum

14

3

2

9

191 :235

8:20

8. RSV Mülheim

14

2

11

157:231

4 :24

Entscheidungsspiel um den zweiten Platz in Hannover: Hamburger SV- Grün-Weiß Dankersen 15 :14 Endrunde: SG Leutershausen- VfL Gummersbach 17 :18 und 10:24, Hamburger SV- Frisch Auf Göppingen 13: 15 und 13: 14; Endspiel: Frisch Auf Göppingen- VfL Gummersbach 22:18 (vor 11 200 Zuschauern in der Frankfurter Festhalle).

338


1970171 Heimspiele: gegen VfL Bad Schwartau28 : II , Grün-Weiß Dankersen 17:13, TV Oppum 26:13, Phönix Essen 30:16, TuS Wellinghofen 17:14, Hamburger SV 21:20, THW Kiel 17 : 19; Auswärtsspiele: bei Phönix Essen 12:19, TuS Wellinghofen 13 :17, Hamburger SV 14:11 , THW Kiel 10:10, VfL Bad Schwartau 27:17, TV Oppum 17:12, Grün-Weiß Dankersen 12:17. 1. Grün-Weiß Dankersen

14

10

0

4

210:178

20: 8

2. VfL Gummersbach

14

9

1

4

261:209

19: 9

3. Hamburger SV

14

8

2

4

211 :162

18:10

4THWKiel

14

6

4

4

174:171

16:12

5. VfL Bad Schwartau

14

5

2

7

208:242

12:16

6. Phönix Essen

14

5

0

9

207:225

10:18

7. TuS Wellinghofen

14

5

0

9

193:213

10:18

8. TVOppum

14

2

3

9

178:242

7:21

Endrunde: VfL Gummersbach- TV Großwallstadt 16:20 und 19:19, FrischAufGöppingenGrün-Weiß Dankersen 15: 13 und 7: 15; Endspiel: Grün-Weiß Dankersen- TV Großwallstadt 14:10 (vor 12 500 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle).

339


1971172 Heimspiele: gegen TB Flensburg 22:12, TuS Wellinghofen 20:13 , THW Kiel 17:13 , Phönix Essen 18:10, Hamburger SV 18:14, VfL Bad Schwartau 22:15, Grün-Weiß Dankersen 24: 14; Auswärtsspiele: bei Hamburger SV 11 :11, VfL Bad Schwartau 14:17, Grün-Weiß Dankersen 15:15, TB F1ensburg 16:11 , THW Kiel8 : 13, TuS Wellinghofen 20:13, Phönix Essen 17:12. 1. VfL Gummersbach

14

10

2

2

242:183

22: 6

2. THW Kiel

14

10

0

4

189:149

20: 8

3. Grün-Weiß Dankersen

14

8

2

4

201:181

18:10

4. Hamburger SV

14

7

2

5

191:169

16:12

5. Phönix Essen

14

7

1

6

202:204

15:13

6. TuS Wellinghofen

14

6

0

8

203:218

12:16

7. VfL Bad Schwartau

14

3

0

11

206:242

6:22

8. Flensburger TB

14

12

171:259

3:25

Endrunde: TV Großwallstadt - V fL Gummersbach 18: 15 und 10: 15 . THW Kiel - Frisch Auf Göppingen 12:11 und 14:16; Endspiel: Frisch Auf Göppingen- VfL Gummersbach 14:12 (vor 5500 Zuschauern in der Sporthalle Böblingen).

340


1972173 Heimspiele: gegen TuS Wellinghofen 19:14, VfL Bad Schwartau 17:11, Grün-Weiß Dankersen 10: 10, THW Kiel 15:11, Phönix Essen 22: 17, Hamburger SV 20:16, TV Grambke 31: 18; Auswärtsspiele: bei Phönix Essen 17:15, Hamburger SV 21:17, TV Grambke 20:20, VtL Bad Schwartau 11:14, TuS Wellinghofen 14:12, Grün-Weiß Dankersen 14:13, THW Kiel17:14. 1. VfL Gummersbach

14

11

2. Grün-Weiß Dankersen

14

11

3. VtL Bad Schwartau

14

4. TuS Wellinghofen

2

248:202

24: 4

2

227 :168

23: 5

7

6

200:211

15:13

14

6

7

194:198

13:15

5. Hamburger SV

14

5

8

194:211

11:17

6. Phönix Essen

14

5

1

8

232:241

11:17

7. TV Grambke

14

4

2

8

232:263

10:18

8. THWKiel

14

2

12

183:216

5:23

Endrunde: TV Hüttenberg- VfL Gummersbach 14:14 und 16:20, Grün-Weiß DankersenFrischAufGöppingen 18:14 und 5:18; Endspiel: VtL Gummersbach - Frisch Auf Göppingen 21:18 (vor 12 500 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle).

341


1973174 Heimspiele: gegen Hamburger SV I8 :I4, PSV Hannover 25 : IO, Phönix Essen 23: I5 , TUSEM Essen 24: I9, TV Grambke 25 :2I, Grün-Weiß Dankersen 22: I9, TuS Wellinghofen 20: I4, Reinickendorfer Füchse 27: I5 , VfL Bad Schwartau I8: I5 ; Auswärtsspiele: bei VfL Bad Schwartau 13:13 , Reinickendorfer Füchse I4:IO, Grün-Weiß Dankersen I5 : I2, TuS Wellinghofen 9: I4, Hamburger SV I3: I4, Phönix Essen I4: I5 , TUSEM Essen 29: I5, PSV Hannover 27: I8, TV Grambke 2I :21. I. TuS Wellinghofen

I8

I5

0

3

334:272

30: 6

2. VtL Gummersbach

18

13

2

3

357 :274

28: 8

3. Grün-Weiß Dankersen

I8

I2

0

6

3I4:25I

24:I2

4. TV Grambke

18

9

2

7

336:334

20 :16

5. VfL Bad Schwartau

18

7

4

7

315:285

18:18

6. Hamburger SV

18

9

0

9

253:262

18:18

7. SV Phönix Essen

I8

7

I

10

310:306

15:2I

8. Polizei-SV Hannover

I8

6

0

I2

277:352

I2 :24

9. TUSEM Essen

18

4

0

14

262 :340

8:28

18

3

14

231 :313

7:29

I 0. Rheinickendorfer Füchse

Endrunde: V fL Gummersbach - TV Hüttenberg I5 : I 0 und 18: I6, Frisch Auf Göppingen TuS Wellinghofen 14:15 und 17:24; Endspiel: VfL Gummersbach- TuS Wellinghofen 19: I4 (vor 11 000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle).

342


1974175 Heimspiele: gegen TV Grambke 23 :17, OSC Rheinhausen 23 :18, TuS Wellinghofen 27:20, PSV Hannover 20:13, Hamburger SV 19:17, VfL Bad Schwartau 24:15, THW Kiel22:20, Grün-Weiß Dankersen 22:17, Phönix Essen 33:23 ; Auswärtsspiele: bei Hamburger SV 17:13, VfL Bad Schwartau 13:13, Grün-Weiß Dankersen 16:16, THW Kiel 19: 18, Phönix Essen 19:14, TV Grambke 22:15, OSC Rheinhausen 22:17, TuS Wellinghofen 15 :15 , PSV Hannover 22:16. 1. VfL Gummersbach

18

15

2. Grün-Weiß Dankersen

18

12

3. VfL Bad Schwartau

18

11

4. TuS Wellinghofen

18

5. THW Kiel

0

377:297

33: 3

5

333:292

25 :11

2

5

340:301

24:12

8

1

9

339:339

17:19

18

7

3

8

327:340

17:19

6. Hamburger SV

18

7

2

9

283 :281

16:20

7. SV Phönix Essen

18

7

2

9

315:364

16:20

8. OSC Rheinhausen

18

7

10

350:364

15:21

9. TV Grambke

18

6

11

314:346

13 :23

18

2

16

281 :375

4:32

10. Polizei-SV Hannover

3

Endrunde: TSV Rintheim- VfL Gummersbach 17:16 und 11:18; Grün-Weiß DankersenTuS Hofweier 22 :11 und 15 :18; Endspiel: VfL Gummersbach- Grün-Weiß Dankersen 13:7 (vor 7000 Zuschauern in der Dortmunder Westfalenhalle ).

343


1975176 Heimspiele: gegen Hamburger SV 25: I8, VfL Bad Schwartau 2I : I5, Phönix Essen 15 :9, GrünWeiß Dankersen 2I:I2, THW Kiel24:I8, TuS Wellinghofen I7:I2, TSV Altenholz 2I: I 0, OSC Rheinhausen 19:20, TuS Derschlag I3 : I 0; Auswärtsspiele: bei TuS Wellinghofen 16:11 , OSC Rheinhausen 25: I7, TSV Altenholz 24: I9, TuS Derschlag I4: I5 , Hamburger SV I6: II, THW Kiel 13:9, VfL Bad Schwartau 20:I5 , Phönix Essen 17: I7, Grün-Weiß Dankersen I7: I4. 1. VfL Gummersbach

I8

15

2

338:252

3I: 5

2. Grün-Weiß Dankersen

18

I!

2

5

302:259

24 :I2

3. TuS Derschlag

18

8

4

6

288 :272

20:16

4. TuS Wellinghofen

I8

9

0

9

263:257

I8: I8

5. THW Kiel

18

8

2

8

278:275

18: I8

6. OSC Rheinhausen

18

9

0

9

295:296

I8 : I8

7. SV Phönix Essen

18

7

3

8

295:303

I7: I9

8. VfL Bad Schwartau

18

7

2

9

260:293

16:20

9. Hamburger SV

18

4

2

12

228:268

10:26

I 0. TSV Altenholz

18

4

0

14

242:314

8:28

Endrunde: TuS Hofweier -V fL Gummersbach I5: 19 und 15: 18; Grün-Weiß Dankersen - SG Dietzenbach 23 :11 und 17:20; Endspiel: VfL Gummersbach- Grün-Weiß Dankersen I2:I1 (vor 5000 Zuschauern in der Frankfurter Festhalle ).

344


Hansi Schmidts Endspiele um die deutsche Meisterschaft: 26. März 1966 in Essen (6000 Zuschauer):

VfL Gummersbach- SG Leutershausen 14:9 (5:8) 25. März 1967 in Dortmund (8000 Zuschauer):

VfL Gummersbach- TV Hochdorf 23:7 (8:3)

23. März 1968 in Böblingen: (5500 Zuschauer): SG Leutershausen- VfL Gummersbach 20:13 (9:6)

22. März 1969 in Dortmund (12 500 Zuschauer): VfL Gummersbach- SG Leutershausen 21:13 ( 9:5)

3. Januar 1970 in Frankfurt am Main (11 200 Zuschauer): Frisch Auf Göppingen- VfL Gummersbach 22:18 (10:7)

30. Januar 1972 in Böblingen (5500 Zuschauer): Frisch Auf Göppingen- VfL Gummersbach 14:12 (7:7)

10. März 1973 in Dortmund (12 500 Zuschauer): VfL Gummersbach- Frisch Auf Göppingen 21:18 (11:11)

4. Mai 1974 in Dortmund (13 000 Zuschauer): VfL Gummersbach- TuS Wellinghofen 19:14 (10:7)

3. Mai 1975 in Dortmund (7000) Zuschauer): VfL Gummersbach- Grün-Weiß Dankersen 13:7 (5:4)

16. Mai 1976 in Frankfurt am Main (5000 Zuschauer): VfL Gummersbach- Grün-Weiß Dankersen 12:11 (6:4)

345


Hansi Schmidts Endspiele um den Europa-Pokal der Landesmeister: 28. April1967 in Dortmund (12 500 Zuschauer) : VfL Gummersbach- Dukla Prag 17:13 (6:7)

26. April 1970 in Dortmund (14 000 Zuschauer): VfL Gummersbach- SC Dynamo Osthertin 14:11 (8:5)

2. April 1971 in Dortmund (13 000 Zuschauer): VfL Gummersbach- Steaua Bukarest 17:16 (7:6)

19. Februar 1972 in Dortmund (14 000 Zuschauer): Partizan Bjelovar- VfL Gummersbach 19:14 (9:9)

21. April 1974 in Dortmund (14 000 Zuschauer): VfL Gummersbach- MAI Moskau 19:17 (16:16, 9:8)

Der VfL 1971: (stehend von links) Hansi Schmidt, Gerhard Leiste, Uli Ufer, Klaus Westebbe, Jochen Brand, Klaus Schlagheck, Djordje Vucinic, (hockend) Jochen Feldhoff Bruno Zay, Klaus Kater, Ralf Hamann, Helmut Keller und Uwe Braunschweig

346


Literatur- Verzeichnis: Bräuner, Hans unter Mitarbeit von Groß, Hans, Lenauheim/Csatad. Ein Heimatbuch, 1982; Enciclopedia educatiei fizice si sportului din Romania, volumul 2, Hukarest, Aramis-Verlag, 2002; Engel, Walter, Dr., Herausgeber, Fremd in der Heimat. Aussiedler aus Ostund Südosteuropa unterwegs nach Deutschland, Laumann-Verlag, Dülmen, 1990; Fiedler, Ralf, 25 Jahre Leichathletik Oberberg 1975-2000, herausgegeben vom Leichtathletik-Verband Nordrhein, Kreis Oberberg; Heimann, Helmut, Tarzan, Puskas, Hansi Müller. Stelldichein donauschwäbischer Spitzensportler, Oswald-Hartmann-Verlag, Sersheim, 2001; Hockl, Hans Wolfram, Ungewisse Wanderung, Pannonia-Verlag; Komanschek, Josef, Die landwirtschaftlichen Leistungen der Banater Schwaben in Rumänien 1919-1944, Reutlingen, 1961; Kräuter, Franz, Dr., Meine "Schuld" und meine Sühne, herausgegeben vom Kreisverband Karlsruhe der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Deutschland, 1995; Marschang, Franz, Wo sind sie geblieben ... ? Das Banat und die Banater Deutschen im Wandel der Zeit, Heinz-W.-Holler-Verlag, Karlsruhe, 2002; Petri, Anton Peter, Dr.; Reinlein, Friedrich; Walz, Franz, Heimatbuch der Heidegemeinde Marienfeld, Th.-Breit-Verlag, Marquartstein, 1986; Petri, Anton Peter, Dr., Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums, Th.-Breit-Verlag, Marquartstein, 1992; Pilz, Gunter A., Sport und körperliche Gewalt, Rowohlt-Verlag 1982; Schneider, Eduard, Literatur in der Temesvarer Zeitung 1918-1949. Einführung, Texte, Bibliographie. Eine Dokumentation, IKGS-Verlag, München,2003 Senz, Ingomar, Die Donauschwaben, Langen-Müller-Verlag, 1994; Steiner, Johann, Handball-Geschichte(n), Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ebnen Rumänien den Weg zu sieben Weltmeistertiteln, ADZVerlag, Bukarest, 2003; Weber, Wilhelm, Und über uns der blaue endlose Himmel. Die Deportation in die Baragan-Steppe Rumäniens 1951; Werheid, Hans, 50 Jahre Handball im VfL Gummersbach Werheid, Hans, VfL Gummersbach. Eine Spitzenmannschaft des Welthandballs, Band 4, herausgegeben von der Handball-Abteilung des VfL; 347


Werthan, Maria, Deutsche Agrarverbände im Banat ( 1891-1940), Dissertation, Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung, München, 2004; Wildmann, Georg; Sonnleitner, Hans; Weber, Karl, Verbrechen an den Deutsehen in Jugoslawien 1944 - 1948. Die Stationen eines Völkermordes, Donauschwäbische Kulturstiftung, München, 1998

Quellennachweis: Banatica. Beiträge zur deutschen Kultur, Nr.2/1992 Bild-Zeitung Deutsche Handballwoche, Jahrgänge 1963 bis 1975 Die Zeit Express Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Hamburger Morgenblatt Hör zu Kicker-Sportmagazin Kölnische Rundschau/Oberbergische Volkszeitung Kölner Stadtanzeiger/Oberbergischer Anzeiger, L'Echipe Nepsport NeuerWeg Ruhr-Nachrichten Sindelfinger Zeitung Sport-Illustrierte Sportul Popular Stuttgarter Zeitung Südostdeutsche Tageszeitung Waldeckische Landeszeitung Westfälische Rundschau

348


Von Weltmeistern und Olympiasiegern Helmut Beimann stellt in seinem Buch "Tarzan, Puskas, Hansi Müller" 16 Spitzensportler vor. Der Autor, Redakteur bei der Bild-Zeitung, porträtiert Sportler, die etwas mit dem Raum zu tun haben, in dem die Donauschwaben einst zu Hause waren und zum Teil noch sind. Manche sind im Pannonischen Raum, andere als Nachfahren vertriebener Donauschwaben in Deutschland geboren. Dazu gehören die Handballweltmeister Roland Gunnesch und Josef Jakob, natürlich auch Hansi Schrnidt. Daneben ist Schwimmolympiasieger und Weltmeister Johnny Weißmüller zu finden. Dazu gehört auch Fußballweltmeister Josef(Jupp) Posipal. Hansi Müller, Fritz Walterund Hermann üblicher sind drei in Deutschland geborene Nachfahren von Donauschwaben, die in dem Band vertreten sind. Unter allen hat auch der legendäre Ferenc Puskas, sechsmal ungarischer und ftinfmal spanischer Meister und dazu Europapokalsieger, einen Platz gefunden. Das bebilderte 272 Seiten starke Buch, ISBN 3-925921-49-4, ist erhältlich im Buchhandel oder beim Oswald-Hartmann-Verlag, Großsachsenheimer Straße 20, 74372 Sersheim.

349


Noch lieferbar Mit "Handball-Geschichte(n). Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben ebnen Rumänien den Weg zum Gewinn von sieben Weltmeistertiteln" führt der Autor "seine Leser zurück in die große Zeit des siebenmaligen Weltmeisters" Rumänien. Maßgeblich zu diesen Erfolgen beigetragen haben zahlreiche Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben. "Sie machten das in Deutschland erfundene Handballspiel in Rumänien populär, legten das Fundament für zahlreiche Erfolge bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen und Europapokal-Wettbewerben. Vielen von ihnen hat der Banater Journalist Johann Steiner mit seinem Werk "Handball-Geschichte(n)" ein würdiges und bleibendes Denkmal gesetzt. In kurzen geschichtlichen Abrissen und mehr als siebzig akribisch recherchierten Porträts lässt der Autor die Leser teilhaben an der Einführung des Handballspiels in Rumänien und an seinen großartigen Erfolgen, von denen viele auf das Konto seiner Landsleute gehen ... ", schreibt Helmut Heimann in der Handballwoche. Das 234 Seiten starke, reich bebilderte Buch kann beim Autor bestellt werden; entweder telefonisch unter 02246/2166 oder über Internet (johasteiner@web.de ). Preis: 14,90 Euro, hinzu kommen 2, I 0 Euro Verpackungskosten und Porto.

Johann Steiner

Handball-Geschichte(n) SiebenbU rger Sachsen und Banaler Sc hwaben eb nen Rumänien den Weg

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