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Vorwort
VON ALEX BOGUSKY
Als Gründer der Truth-Kampagne 2, mit der wir die manipulativen Taktiken der Tabakindustrie aufdecken, erkenne ich, dass die Fleischindustrie die Mehrzahl – wenn nicht sogar alle – dieser Taktiken übernommen hat. Ich bezweifle, dass die Gemeinsamkeiten rein zufällig sind. Die PR-Agenturen, die auf die Einnahmen der Tabakindustrie angewiesen waren, mussten neue Kunden finden, denen sie ihr Know-how verkaufen konnten, und die kapitalkräftige Fleischindustrie konnte ihre Hilfe nur zu gut gebrauchen.
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Als die US-amerikanische Massentierhaltung die Philosophie und Technologie der maximalen Menge an tierischem Eiweiß pro Quadratmeter exportierte, hieß es für die Verbraucher:innen: Rein in den Supermarkt, ran ans Billigfleisch – und ja nicht über den Tellerrand schauen! Diese neue Massentierhaltung war nicht so human, gesund oder sicher wie die traditionelle Landwirtschaft, die sie ersetzte. Nur mit einer sorgfältigen, vielschichtigen PR-Kampagne konnten die Verbraucher:innen dazu gebracht werden, die Lüge vom Fleisch aus der Massentierhaltung zu schlucken.
Wenn die Produktion von Fleisch steigt und die Qualität sinkt, sind bewährte PR-Strategien gefragt. Also Strategien, die direkt den Marketingkonzepten der Tabakindustrie entnommen worden zu sein scheinen: Bring deine Produkte mit (Wahl-)Freiheit in Verbindung; appelliere an den Nationalstolz deiner Zielgruppe; suggeriere den potenziellen Käufer:innen, dass ihr Bedürfnis nach Gemeinschaft gestillt wird; propagiere männliche Ideale.
Wenn es einmal geklappt hat, wird es wieder klappen, und bis jetzt scheint die PR-Kampagne ja auch prächtig zu funktionieren. Denn obwohl junge Menschen
ihren Fleischkonsum reduzieren, sich zunehmend pflanzlich ernähren oder sogar vegan, steigt der Fleischkonsum in Europa insgesamt weiter an. Was wir hier erleben, ist die gebündelte Kraft von PR und Dutzenden von millionenschweren Werbekampagnen, die alle nach dem gleichen Schema ablaufen.
Leider geschieht das alles zu einem Zeitpunkt, an dem die Gesellschaft es sich am wenigsten leisten kann. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Massentierhaltung sehr hohe Treibhausgasemissionen verursacht und somit die Erderwärmung weiter anheizt, und es ist nicht hinnehmbar, dass der dringend notwendige Klimaschutz von einem Industriezweig derart ausgebremst wird.
Mit der Zeit durchschaute die Gesellschaft die Lügen der Tabakindustrie und schob ihren unlauteren Geschäftspraktiken einen klaren gesetzlichen Riegel vor. Auch heute noch entscheiden sich manche Menschen auf der Welt für das Rauchen, aber es handelt sich nur um einen Bruchteil der Zahlen, die früher zu verzeichnen waren. Allerdings nehmen Tabak und Tabakkonsum mittlerweile wieder einen selbstverständlichen Platz in der Gesellschaft ein.
Fleischkonsum sollte eine persönliche Entscheidung sein, die idealerweise frei von Propaganda ist. Aber die Realität sieht so aus, dass der ungezügelte Einsatz von PR-Taktiken – mit denen Verbraucher:innen dazu gebracht werden sollen, mehr Fleisch zu konsumieren, als für sie selbst und unseren Planeten zuträglich ist – ein echtes gesellschaftliches Problem geworden ist.
Dabei dürfte es sich um ein weitaus gravierenderes gesellschaftliches Problem handeln, als es das Rauchen oder der Alkoholkonsum darstellt. Übermäßiger Tabak-, Alkohol- und Fleischkonsum stellt ein gut dokumentiertes Gesundheitsrisiko für die Betroffenen dar. Und die damit verbundenen Gesundheitskosten belasten die Gesellschaft als Ganzes. Bei der industriellen Herstellung von tierischen Produkten stellt sich die Sache anders da: Aufgrund ihres gewaltigen CO2-Fußadrucks, der weltweit 19 Prozent aller Treibhausgasemissionen ausmacht, stellt sie – neben dem Gesundheitsrisiko – auch eine gut dokumentierte existenzielle Bedrohung für die Menschheit dar.
Es ist an der Zeit, die Propagandamaschinerie der Fleischindustrie zu zerschlagen und Werbebeschränkungen und -regelungen für Fleisch einzuführen, wie sie auch für die Produkte anderer Lebens- und Genussmittelhersteller (wie Tabak, Junkfood und Alkohol) gelten.
Das Ergebnis wird sich sehen lassen können: gesünderes Fleisch, gesündere Tiere, gesündere Menschen und ein gesünderer Planet.