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Hausarzt Edy Riesen

«Hand vors Muul»

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... mahnen derzeit viele ihre Enkel, denn der Husten hat Hochsaison. Edy Riesen analysiert das Massenleiden – und die Mittel, die Heilung versprechen.

orauf schwören Sie gegen den Husten, liebe Leserinnen und Leser? Rettichsaft, Hustentee aus Kräutern, Spitzwegerich und Co., Wickel, Balsam zum Einreiben, Homöopathie, Dämpfe, Luftbefeuchter oder harte «Rustig» wie Dextrometorphan, Codein und Inhalatio nen mit Asthmamittel? Diese Aufzählung lässt bereits erahnen, dass es kein Patentrezept gibt. Wenn man die Menge Reklamen in Schaufenstern von Drogerien, in den Apotheken und in der Presse vergleicht mit den wissenschaftlichen Daten, stellt man ein krasses Missverhältnis fest. Es gibt wenig gesicherte Daten zur Behandlung von banalem Husten, und die wenigen, die es gibt, erbringen kaum einen Nachweis der Wirkung. Das ist erstaunlich. Man könnte meinen, dass ein solch häufiges Problem mehr Aufmerksamkeit verdient. Stimmt schon, aber da fast alle Hustenfälle innert Tagen oder Wochen spontan abheilen, kann man den Verlauf mit oder ohne Medikamente gar nicht richtig studieren. Darum auch der lakonische Spruch «Husten dauert zwei Wochen mit und vierzehn Tage ohne Medikamente». W

Jetzt aber ernsthaft. Es gibt erstens Lungenkranke wie Asthmatikerinnen, Bronchitiker und Herzpatienten, und es gibt Raucher, die besonders ernst genommen werden sollten, da ihr Husten andere Ursachen als Erkältungen haben kann. Zweitens gibt es scheinbar Gesunde, unter deren Husten sich eine Pneumonie, der Reflux von Magensäure oder die Nebenwirkung eines Medikamentes verbergen können. Und drittens kann ein wochenlanger Reizhusten einfach enorm plagen. In meinem liebsten englischen Journal habe ich gelesen, Hus ten sei erst ab sechs Wochen ein Problem. «Guete Samschtig», dachte ich beim Lesen. Sechs Wochen – das geht aber nicht bei uns Schweizern. Das schluckt dir keiner. Also gilt es, Ordnung zu schaffen mit Diagnostik, Fragen, Abhören, evtl. kleinem La bor, selten Röntgenbild. Wenn der Husten banal ist, hilft alles – und es hilft nichts! Reizhusten ist ein Ärger, weil die Nerven im Rachen durch die Entzündung gereizt sind und auf alles Mögliche ansprechen: Kälte, Staub, Emotionen, Flachliegen. Schleimlöser sind ein grosses Geschäft. Sie wirken irgendwie. Die Frage ist aber, ob es eine Pseudowirkung ist, weil diese Sub-

stanzen selbst etwas Schleim verursachen, den man abhusten kann, und das subjektiv erleichternd wirkt. Die Studien zeigten nie eine echte Wirkung. Die Substanzen sind aber ungefährlich und daher ist ihre Anwendung vertretbar. Bei nächtlichen Hust-Attacken können die Geplagten oft kaum mehr schlafen. In solchen Fällen habe ich immer wieder kurzfristig Codein eingesetzt. Eigentlich grenzwertig, denn Codein wird im Körper zu Morphin umgebaut. Aber es wirkt. Bei Menschen, die zur Sucht neigen oder schon süchtig sind, heisst es aufpassen. Ich erinnere mich an eine Drogenabhängige, die täglich acht Fläschchen Codeintropfen konsumiert hatte und einen schlimmen Entzug durchmachte. Die Substanz für den Tag heisst Dextrometorphan. Eine der grossen «Chemischen» in Basel produzierte vor Jahren bereits sechzig Tonnen pro Jahr und vertrieb es in alle Welt. Diese Substanz dämpft das Hustenzentrum im Gehirn, genau gleich wie Codein. Nur ist Dextrometorphan nicht interessant als Sucht mittel und macht kaum müde. Es ist auch in kleinen Dosierungen im Spitzwegerichsaft und anderen «natürlichen» Hustensäften zu finden. Es gibt Menschen, deren Bronchien sich eng stellen, die also eine «asthmoide» Bronchitis haben. Bei ihnen sind erweiternde Mittel zur Inhalation (mit und ohne Cortison) hilfreich und können die Hustenepisode abkürzen. Obwohl die Wirkung der Wickel, Dämpfe, pflanzlichen Tröpfli etc. nie richtig nachgewiesen werden konnte, war ich als Hausarzt mehr als froh, wenn Mütter und Grossväter sich selbst, ihren Kindern, Enkeln und Ehepartnern mit Hausmitteln halfen. Denn es ist so: Das Millionengeschäft mit den Hustensäften aus Apotheken, Drogerien und Praxen ist mehrheitlich eine Farce. Apotheker und Ärzte sollten zumindest aufklären, wie relativ diese «Therapien» sind. Natürlich gehen die Hustenden nicht gerne mit leeren Händen nach Hause. Wenn man aber Hustenblocker vernünftig verschreibt, mit der angemessenen Bescheidenheit einen pflanzlichen Saft abgibt und vor allem jeden Patienten genau anschaut und ihm versichert, dass man ihm glaubt, dass der Husten eine verd… Sauerei sei, dann kommt man mit 99 Prozent der Fälle klar. •

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In der Kinderregion liegen die schönsten Ausflugsziele und Freizeiterlebnisse direkt vor der Haustür. Viel Spass beim Entdecken.

EDY RIESEN (70) war als Hausarzt in Ziefen (BL) tätig. Er führte bis vor Kurzem eine Praxis mit seinem Schwiegersohn und ist mehrfacher Grossvater.

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