Grosseltern-Magazin 03/2020

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~ Aus der Praxis ~ DER HAUSARZT

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«  Hand vors Muul  » ... mahnen derzeit viele ihre Enkel, denn der Husten hat Hochsaison. Edy Riesen a ­ nalysiert das Massenleiden – und die Mittel, die Heilung versprechen.

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orauf schwören Sie gegen den Husten, liebe Leserinnen und Leser? Rettichsaft, Hustentee aus Kräutern, Spitzwegerich und Co., Wickel, Balsam zum Einreiben, Homöopathie, Dämpfe, Luftbefeuchter oder harte «Rustig» wie Dextrometorphan, Codein und Inhalationen mit ­A sthmamittel? Diese Aufzählung lässt bereits erahnen, dass es kein Patentrezept gibt. Wenn man die Menge Reklamen in Schaufenstern von Drogerien, in den Apotheken und in der Presse vergleicht mit den wissenschaftlichen Daten, stellt man ein krasses Missverhältnis fest. Es gibt wenig gesicherte Daten zur Behandlung von banalem Husten, und die wenigen, die es gibt, erbringen kaum einen Nachweis der Wirkung. Das ist erstaunlich. Man könnte meinen, dass ein solch häufiges Problem mehr Aufmerksamkeit verdient. Stimmt schon, aber da fast alle Hustenfälle innert Tagen oder Wochen spontan abheilen, kann man den Verlauf mit oder ohne Medikamente gar nicht richtig studieren. Darum auch der lakonische Spruch «Husten dauert zwei Wochen mit und vierzehn Tage ohne Medikamente».

Jetzt aber ernsthaft. Es gibt erstens Lungenkranke wie Asthmatikerinnen, Bronchitiker und Herzpatienten, und es gibt Raucher, die besonders ernst genommen werden sollten, da ihr Husten andere Ursachen als Erkältungen haben kann. Zweitens gibt es scheinbar Gesunde, unter deren Husten sich eine Pneumonie, der Reflux von Magensäure oder die Nebenwirkung eines Medikamentes verbergen können. Und drittens kann ein wochenlanger Reizhusten einfach enorm plagen. In meinem liebsten englischen Journal habe ich gelesen, Husten sei erst ab sechs Wochen ein Problem. «Guete Samschtig», dachte ich beim Lesen. Sechs Wochen – das geht aber nicht bei uns Schweizern. Das schluckt dir keiner. Also gilt es, Ordnung zu schaffen mit Diagnostik, Fragen, Abhören, evtl. kleinem Labor, selten Röntgenbild. Wenn der Husten banal ist, hilft alles – und es hilft nichts! Reizhusten ist ein Ärger, weil die Nerven im Rachen durch die Entzündung gereizt sind und auf alles Mögliche ansprechen: Kälte, Staub, Emotionen, Flachliegen. Schleimlöser sind ein grosses Geschäft. Sie wirken irgendwie. Die Frage ist aber, ob es eine Pseudowirkung ist, weil diese Sub-

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