Grosseltern-Magazin 01/2022

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MAGAZIN

Grosseltern

# 01 / 2022

ENKE Dossier HAND L UND IHR Y E BILDS S: WIE VI EL CHIR M ZEIT IST O K A Y a ?

# 01 / 2022 grosseltern-magazin.ch

Grosseltern b Seit

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Das Magazin über das Leben mit Enkelkindern

Was brauche ich?

Wettersafari

Polyamorie

Über die kindliche Suche nach dem Glück. Und welche Rolle die Grosseltern dabei spielen. (S. 24)

Die Nase in die Luft strecken und die Wolken ­beobachten: Ein Experiment. (S. 70)

Drei Omas und drei Opas: Wenn die Eltern des Enkels eine Beziehung zu dritt führen. (S. 32)

Grosseltern MAGAZIN CHF 9.50 EUR 8.50

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~ Magazin ~ EDITORIAL

Total L

eg doch mal das Handy weg», sag ich manchmal – zu meinem Mann. Was mässig gut ankommt. Vor allem, weil ich ja nicht weniger oft aufs Handy starre. Und weil er ja kein

Kind ist, klar. Ich weiss, dass er, wie ich, vor allem News und Mails checkt. Trotzdem nerv ich mich manchmal über uns. Auch wenn wir uns noch mehr Mühe geben und unsere Bildschirmzeit reduzieren würden: Unsere Kinder (zwei und sechs) wachsen nun mit diesen Medien auf. Sie haben natürlich kein eigenes Gerät, dürfen selten an unsere und wenn, dann nur begleitet. Aber es ist Teil von ihrem Alltag. Das ist nicht nur schlecht. Es gibt tolle Apps, schöne Filme, coole Hörspiele. Wir können mit unserer Familie und Freunden mittels Facetime telefonieren – vor allem während des ersten Lockdowns der Hit.

digital Doch Smartphones, iPad & Co. bringen auch Schwierigkeiten. Viele Grosseltern von vor allem etwas älteren Enkeln dürften die Probleme kennen, die Games und Social Media mit sich bringen. Die Jugendlichen tauchen total ab in die Welten, werden davon vereinnahmt und sind dabei kaum ansprechbar. Für Grosseltern ist dieser Anblick nicht gerade erfreulich und das ständige Verhandeln um Bildschirmzeiten anstrengend. Meine Kollegin Karin Dehmer ist für unser Dossier zum Thema «Neue Medien und Kinder» (ab Seite 46) den Fragen nachgegangen, wie viel Bildschirmzeit okay ist und ab wann Sorgen berechtigt sind. Ein Experte spricht in diesem Zusammenhang von der «Digital Life Balance». Also dass es wichtig ist, dass neben dem Medienkonsum andere Aktivitäten nicht zu kurz kommen. Zum Beispiel Rausgehen und gemeinsam das Wetter beobachten. Wie Sie die Wettersafari für sich und die Enkelkinder spannend gestalten können, lesen Sie in unserem Experiment auf Seite 70. Ja, die App Meteo Schweiz darf zum Einsatz kommen. Und sie dürfen auch Fotos der Kinder an deren Eltern schicken. •

Foto: Joan Minder

GERALDINE CAPAUL (41), Chefredaktorin, gibt zu: Sie sendet jetzt auch Sprachnachrichten. geraldine.capaul@grosseltern-magazin.ch

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INHALT # 01 / 2022

«Enge Beziehungen sind der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben» Die Psychologen und Autoren Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund über die Suche nach dem Glück und wie Grosseltern ihre Enkel dabei unterstützen können. S. 24

Frühling im Karton

Immer in Verbindung

Nur noch diese Nachricht schreiben, noch fünf Minuten gamen, noch die Folge zu Ende schauen: Wie gehen Grosseltern mit dem medialen Konsum ihrer Enkel um? Unser Dossier rund um Bildschirmzeiten und wie sie eingehalten werden können. S. 46

Cover: Das Wetter erforschen, Foto: Martina Meier

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Foto: Martina Meier, Tibor Nad / Illustration: Irene Meier

Zu Tisch: So basteln Sie mit Ihren Enkeln eine frühlingshafte Deko für den Osterbrunch. S. 66


~ Magazin ~ INHALTSVERZEICHNIS

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Editorial Inhaltsverzeichnis Meine Grosseltern Pastakönigin Patrizia Fontana lebte die ersten Jahre bei ihren Grosseltern. Sie hat viele schöne Erinnerungen – auch ans Essen.

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Philosophieren mit Kindern Die grossen Fragen.

Hintergrund 24

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Juli meint: Unsere neue Kolumnistin über die Sicht von Teenagern auf die Pandemie. Freiwilliges Engagement M. B. ist Gesprächspartnerin bei malreden.ch Anderswo: Jordanien Seine Enkelinnen sind Naser Alslibis grösstes Glück. Kann der Chauffeur von Touristenbussen sie nicht regelmässig sehen, ruft er sie täglich an. Kolumne: Meine Kinder, meine Enkel Fit für die Welt

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Glückliche Enkelkinder Die Psychologen Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund im Interview über die Suche nach dem Glück. Zum ersten Mal Grosseltern Vom Kinderbett bis zum Sitzli: Wenn man das Enkelkind regelmässig betreut, lohnt es sich, einige Dinge anzuschaffen. Polyamorie Nicole, Fabian und Christian führen eine Beziehung zu dritt. Mittlerweile haben sie ein Kind. Und das hat drei Omas und drei Opas. Von Notkirchen und Autobahnraststätten Wie sich das Wachstumswunder in den 1960er-Jahren in die Landschaft einschrieb: Eine Bildergeschichte. Immer in Verbindung Enkel und Bildschirmzeiten: Was gilt es zu beachten? Und wann sind Sorgen berechtigt? Ein Dossier rund um Kinder und das Smartphone.

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Service 54 54 56 57

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Aus der Praxis Hausarzt Edy Riesen Hebamme Carole Lüscher Psychologin Dagmar Schifferli Unterwegs Winterthur Wanderung und Hotel Kulturtipps Museumstesterin Kaufen, Spielen Einkaufstipps mit Stil Spiele zum Thema Jahreszeiten Stricken und Basteln Osterdeko Pullover Experimentieren Wetter beobachten Backen Marmorkuchen Lesen Neuausgabe von Ursula Wölfels «Das grosse Geschichtenbuch zum Lachen und Staunen». Buchtipps im März/April Das Schlusswort Von François Höpflinger Wettbewerb Rätsel Kurs: Vogelwarte Impressum / Vorschau


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« Bei meinen Grosseltern war ich viel freier als in der Schweiz » Von GERALDINE CAPAUL (Aufgezeichnet)

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Patrizia Fontana wuchs teilweise bei ihren Grosseltern im schönen, grossen Haus am Gardasee auf. Bei ihren Nonni wurde auch die Leidenschaft für die klassische italienische Kücke geweckt.

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1 Grossvater Aldo mit seinen Töchtern Massimilla und Ines, Patrizias Mutter 2 Kunstschmied, Gärtner und Grossvater: Aldo Molinari 3 Schneiderin, Köchin und Grossmutter: Gina Molinari 4 Zu Tisch: Die Familien Molinari und Fontana 5 Patrizia mit ihren Grosseltern und ihren Eltern

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~ Magazin ~ MEINE GROSSELTERN Und dann war da natürlich die Küche – mit einer grossen Feu­ erstelle, über der ein gewaltiger Kessel mit Polenta hing. Polenta gab es ständig und in Mengen. Meine Grossmutter ist morgens als Erste aufgestanden, sie hat Feuer gemacht und Kaffee auf­ gesetzt. In der Küche stand dieser grosse Tisch, an dem alle, die Hunger hatten, einen Platz fanden. Hier wurden aber auch Hühner gerupft, den Hasen das Fell über die Ohren gezogen. Und einmal im Jahr ein Schwein geschlachtet. Mein Grossva­ ter machte das mit seinen Freunden. Ich durfte dabei zusehen und fand das sehr faszinierend: Diese Gruppe von Männern, wie sie zusammen gesungen, gelacht und geredet haben. Und nebenbei alles vom Schwein verwerteten – für Salami, Lardo, Coppa, Würste. Zum Zvieri gab es Polentaschnitten mit Gorgonzola oder Lardo drauf. Vor dem Essen habe ich sie jeweils auf die heisse Stein­ platte im Ofen gelegt. Wenn der Käse oder Speck geschmolzen war, habe ich die Schnitte gegessen. Es gab aber noch weitere PATRIZIA FONTANA (66) hat sich mit ihren hausgemachten Ravioli schweizweit einen Namen gemacht. Sie verkauft sie in ihrem kleinen Spezialitätengeschäft im Zürcher Kreis sechs. Mittlerweile ist das eigene Bistro «La Fontana» an der Haldenbachstrasse im Uni-Quartier dazugekommen, das sie zusammen mit ihrer Tochter betreibt. Und vor kurzem hat sie ein Kochbuch veröffentlicht. In «La Mia Cucina» finden sich Rezepte zu italienischen Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Das Buch gibt aber auch viele Eindrücke von Patrizia Fontanas Leben, mit Erinnerungen an ihre Eltern und Grosseltern. Patrizia Fontana ist verheiratet und Mutter von Olivia (auf dem Foto). La Mia Cucina. Echtzeit-Verlag, Basel 2021. 284 Seiten, ca. 48 Franken. patriziafontana.ch

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icht gab es, ich kann mich an die brennende Decken­ lampe erinnern. Also hatte es Strom. Aber fliessend Wasser oder eine Zentralheizung gab es im schönen, grossen Haus meiner Grosseltern nicht. Das schöne, grosse Haus – ich kann es bis heute nicht anders nennen. Meine Grosseltern lebten in einem kleinen Dorf am Gardasee und die ersten sie­ ben Jahre habe ich quasi bei ihnen verbracht. So hatte ich zwei Zuhause. Das bei meinen Grosseltern mütterlicherseits, Gina und Aldo Molinari. Das andere bei meinen Eltern in Aarau, die aus beruflichen Gründen in die Schweiz gezogen waren. Bei meinen Grosseltern wohnten noch drei ihrer eigenen Kinder. Mein Onkel war damals 16 Jahre alt und er hat mich immer und überallhin mitgenommen. Auch zu seinen Verabredungen mit Mädchen. Danach wollte er mein Urteil hören. Ich war kritisch. Diejenige aber, die ich nach dem Treffen vorbehaltslos gelobt habe, hat er geheiratet. Ich sehe noch die steinerne Treppe vor mir, die vom Haus auf die Terrasse und einen Platz führte. Der Platz war mit einem Vorhang abgetrennt. Dahinter befanden sich acht Velos und die Werkstatt meines Grossvaters. Ich habe diesen Ort hinter dem Vorhang geliebt. Er hatte etwas Geheimnisvolles, Abenteuerli­ ches an sich.

kulinarische Highlights: In der Nähe hatten wir einen Garten. Jeden Tag bin ich mit meinem Grossvater dahin und wir haben Auberginen, Zucchetti und Karotten geholt. Die Karotten durfte ich – frisch aus der Erde gezogen – grad essen. Die Zucchetti­ blüten hat meine Grossmutter in einem Mehl­Zucker­Teig frittiert und mit noch mehr Zucker bestreut. Die werde ich nie vergessen. Meine Grossmutter war aber eigentlich Schneiderin. Zusam­ men mit ihrer Schwester hat sie für die adligen Feriengäste des Dorfes Kleider genäht. Mein Grossvater war Kunstschmied. Von ihm stammen all die wunderschönen schmiedeisernen Tore vor den grossen Villen. In Erinnerung geblieben sind mir auch die speziellen Messer, die er machte. Sie waren vorne eckig und unheimlich scharf. Am Gardasee habe ich den Kindergarten besucht. Unterrichtet wurden wir von Nonnen, mit denen ich mich gar nicht verstan­ den habe. Einmal haben sie meine Röcke, die Grossmutter für mich genäht hat, kritisiert. Sie seien zu kurz. Meine Grossmutter ist daraufhin zu den Nonnen gegangen und hat gesagt: Meine Enkelin trägt die Röcke so, wie wir das wollen. Da wir kein fliessend Wasser hatten, holten wir das Wasser jeweils mit zwei grossen Kesseln am Brunnen. Wäsche gewa­ schen wurde an speziell dafür angelegten Stellen am See. Ich begleitete meine Grossmutter sehr gern zum Waschen. Da tra­ fen sich alle Frauen, redeten und tauschten Rezepte aus. Bei meinen Grosseltern war ich viel freier als in der Schweiz. Es war immer jemand da, der sich um mich kümmern konnte. Ich war die erste Enkelin und wurde entsprechend verwöhnt. Vor allem von meinem Grossvater. Er hat mich richtig verehrt. Ich war ein dünnes Mädchen, die Ärzte sagten immer: Die Kleine isst zu wenig. Das war etwas, das meinen Grosseltern Sorge bereitete. Mein Grossvater radelte deshalb einmal in der Wo­ che mit dem Fahrrad nach Verona – ein Weg 25 Kilometer –, um mir Bananen zu kaufen. Weil ich die so gerne mochte und sicher ass. Irgendwann hat es gewechselt und ich habe gerne genug gegessen. Bis heute. •

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

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~ Aktuell ~

Hirtenauflauf, grüne Omeletten, Schokoladenkuchen mit Konfetti: In diesem Kochbuch für Kinder kocht das kleine Känguru ganz allein – zumindest fast: Im Hintergrund helfen die Eltern oder Onkel Igel mit. Und wenn es anspruchsvoll wird, arbeitet das kleine Känguru von Mamas Beutel oder von Papas Schürzentasche aus. Ohne Fotos, dafür mit den einzigartigen Illustrationen von Kathrin Schärer, die das Buch auch zu einem Bilderbuch ausserhalb der Küche machen.

Myriam Lang und Kathrin Schärer (Illustrationen): Heute kocht das kleine Känguru, Ein vegetarisches Jahreskochbuch für Kängurus und Kinder. Verlag Atlantis 2022, 112 Seiten, ca. 30 Franken. # 01 ~ 2022

Illustration: Kathrin Schärer, © 2022 Atlantis, Zürich

HEUTE KOCHT DAS KLEINE KÄNGURU


9 ~ Frage ~

PHILOSOPHISCHE POSTKARTEN FÜR KINDER

Was ist dein Talent ? MALU STRAUSS ist überzeugt, dass philosophisches Denken dazu beiträgt, das Leben entspannter und genussvoller zu gestalten. Ihre philosophischen Postkarten für Kinder sind für die Philosophin und Mutter zweier Teenagertöchter ein Herzensprojekt: Während acht Wochen gibt es wöchentlich eine Postkarte im Briefkasten, jede von einem anderen Kind gestaltet. Das Postkartenabo richtet sich an Kinder ab 6 Jahren und an alle, die zusammen mit ihnen die Welt der Philosophie entdecken wollen.

Was ist dein Talent? Was kannst du besonders gut? Vielleicht bist du gut im Sport oder besonders fantasievoll, vielleicht kannst du richtig gut trösten oder hast für Tiere ein feines Gespür. Suche und pflege dein Talent und vergiss nicht: Dein Talent ist vor allem da, um dich glücklich zu machen – es ist egal, wie gut die anderen sind.

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der zeichnen», meint «Ich kann gut Joshua, das höre er oft, dreizehnjährige habe ich dieses Talent von Kind habe eine «wahrscheinlich geerbt.» Jedes Joshua meinem Papa davon ist ung, Begab besondere überzeugt. t du besonders t? Was kanns Was ist dein Talen oder besonders gut? du gut im Sport richtig gut Vielleicht bist cht kannst du r. fantasievoll, vielleifür Tiere ein feines Gespü trösten oder hast vergiss nicht: dein Talent und ich zu Suche und pflege allem da, um dich glückl Joshua vor 13 Dein Talent ist die anderen sind. gut wie egal, es ist machen

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Was ist dein Talent ?

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strasse • Malu Strauss Veilchen

Joshua 13

Ein Abo kostet 25 Franken und kann noch bis zum 10. April bestellt werden unter: philopost.ch.


~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

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~ Kinderkunst ~

ENKELS PERSPEKTIVE Flurina (5) hat Grosi, Grosspapi und sich selbst anlässlich Grosis Geburtstag gezeichnet. Rita Meier per Mail Wie hat Ihr Enkelkind Sie gezeichnet? redaktion@grosseltern-magazin.ch

~ Kindermund ~

~ Wie uns unsere Enkel nennen ~

Unchrut

GOMIMI

Ich habe Sauerkraut und Semmelknödel gekocht. Nach dem Essen sagte Tobias, unser ältestes Grosskind: Grossmutti, ich iss gärn Unchrut und Knödel!

Meine Enkel Benjamin und Maxime nennen mich Gomimi. Mir gefällt dieser Name sehr, den Benjamin erfunden hat, als er «Grossmami» noch nicht richtig aussprechen konnte. Wenn ich mich zu etwas aufmuntere, so denke ich mir «go Mimi» (obwohl ich nicht Mimi heisse). Inzwischen bin ich im ganzen Wohnquartier meiner Enkel und in der Familie als Gomimi bekannt.

Von Beatrice Waldmeier per Mail Was hat Ihr Enkelkind Lustiges gesagt? redaktion@grosseltern-magazin.ch

Von Renate Nigg-Furrer per Mail Wie werden Sie von Ihren Enkelkindern genannt? redaktion@grosseltern-magazin.ch

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

~ Aktuell ~

WIE KANN ICH DEM PLANETEN HELFEN ? Sind die Enkelkinder noch zu klein, um sich der Klimajugend anzuschliessen, aber alt genug, um zu verstehen, dass es fünf vor zwölf ist? Dann können Sie einen Anfang machen mit der Umsetzung der Ideen zur Müllreduktion im soeben erschienenen Buch «Kein Müll mehr». Geschrieben wurde das Buch von Kathryn Kellogg, einer der führenden Stimmen der Zero-Waste-Bewegung. Kein Müll mehr! 30 Ideen, dieses Ziel zu erreichen. Kathryn Kellogg, Laurence King Verlag, 2021, 24 Franken, ab 10 Jahren

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

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~ Juli meint ~

JULIS ERSTE KOLUMNE AB DIESER AUSGABE BERICHTET DIE SCHÜLERIN JULI ZEHNDER (14) AUS IHREM ALLTAG. WAS SIE BEWEGT, ERLEBT UND MIT IHREN GROSSELTERN TEILT.

Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, worüber ich in meiner ersten Kolumne schreiben soll. Etwas, das mich beschäftigt, meinte die Redaktion. Mir ist durchaus bewusst, dass man es wahrscheinlich schon gründlich satt hat, über das Coronavirus zu lesen. Doch es ist nun mal das Thema, welches mir im Moment am meisten zu schaffen macht. Ausserdem erzählte mir meine Grossmutter bei unserem letzten Treffen, dass es sie sehr interessieren würde, zu erfahren, wie die Pandemie das Leben von Teenagern beeinflusst und verändert. Ich hoffe, Sie denken genauso. So vieles, was vor knapp zwei Jahren noch selbstverständlich war, wie Händeschütteln oder meinen Grossmüttern Nani und

n e be m L h r ig e n e d ä aus r 14 -J e i ne

Babcia hemmungslos um den Hals fallen, wird langsam fremd. Einerseits schüchtert es mich ein, wie schnell man bereit ist, solche Veränderungen hinzunehmen. Schliesslich sind das keine Nebensächlichkeiten. Aber sie schleichen sich in meinen Alltag und ich gewöhne mich daran, ohne dass ich es wirklich will. Andererseits muss das Leben ja weitergehen, und dass ich mich nicht jedes Mal aufs Neue aufrege, wenn ich eine Maske anziehen muss, ist ja auch okay. Die Aussicht auf Skilager, Schulhausfeste oder andere Events helfen mir jeweils, Durststrecken zu überbrücken. Doch viele dieser Veranstaltungen, die ich angepeilt habe, um mich anzuspornen, werden ersatzlos gestrichen. Ich merke, wie ich zunehmend damit zu kämpfen habe, mich aufzuraffen und initiativ zu bleiben. Mir fehlen diese Dinge im Leben. Ich will mich auf etwas freuen können. Das gibt mir Energie. Und die brauche ich. • Juli ist Schülerin an der Bezirksschule Baden (AG).

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

unvergessliche 13

Momente festhalten

~ Neu aufgelegt ~

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und ihre Geschichte

THE ROLLING STONES – STICKY FINGERS 1971 erschien das neunte Studioalbum der Rolling Stones als erste Schallplatte unter ihrem eigenen Label «Rolling Stones Records» und dem unverkennbaren «Zungenlogo». Für das Plattencover hatte die Band keinen Geringeren als Andy Warhol – amerikanischer Künstler und Mitbegründer der Pop-ArtKunstrichtung – verpflichtet. Dieser hat in die auf dem Cover abgebildete Hose einen echten, funktionsfähigen Reissverschluss eingearbeitet, der nach dem Öffnen eine weisse Unterhose zum Vorschein brachte. Doch nicht nur äusserlich war die Schallplatte provokativ und aufregend, auch musikalisch war sie äusserst erfolgreich mit Hits wie «Brown Sugar», «Sway» und «Wild Horses». ~JL

Gravurbeispiel

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JEANINNE LAMPREU Betreibt das Schallplattengeschäft «Recordroom» in Baden (AG). recordroom.ch

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

14 ~ Interview ~

«GLOBI IST EIN GEWITZTES BÜRSCHCHEN»

Globi wird 90 Jahre alt! Rechtzeitig zum Jubiläum erscheint ein neues Globi-Buch. «Globi und die Ozeane» heisst der 94. Band, der von Jürg Lendenmann getextet wurde. Lendenmann arbeitet seit 2006 für Papa Moll und Globi. Wir haben mit dem Autor über die blaue Kultfigur gesprochen. ~CAP

«Globi hat viel Humor»: Texter Jürg Lendenmann

Globi und die Ozeane, Samuel Glättli (Geschichten und Illustrationen) Jürg Lendenmann (Text), 100 Seiten, ca. 25 Franken. Erscheint am 28. Februar

Wie charakterisieren Sie Globi? Globi ist ein gewitztes Bürschchen: wissbegierig, erfinderisch, mutig, zielstrebig, offen, hilfsbereit, tierliebend. Er lässt sich nicht unterkriegen und hat viel Humor. Globi ist Kult. Ist das Fluch oder Segen für einen Texter? Der bekannte Papagei mit gelbem Schnabel, Béret und Hosen mit Karomuster verbindet Generationen. Die Geschichten und Verse sollten daher Klein und Gross gleichermassen ansprechen: Das ist eine veritable Herausforderung. Zudem muss Globi mit der Zeit gehen – nicht nur, was den Inhalt einer Story angeht, sondern auch sprachlich. Die Schweizer Kultfigur sagt heute nicht mehr «Grüezi», sondern «Hallo». Und die Verse enthalten Wörter wie chillen oder

megacool, die den Kids geläufig sind. Darum muss sich auch der Texter stetig wandeln – jung bleiben. Sie sind selber auch Jazzmusiker. Hilft das für ein rhythmisches Reimen? Ja, sehr. Beim Improvisieren auch ohne Mitmusiker läuft in meinem Gehirn der Takt ab. Es ist ein Zweier-Rhythmus: betont – unbetont – betont – unbetont usw. Beim Dichten versetze ich mich in einen ähnlichen halb meditativen Zustand wie beim Jazzen. Zum einen fallen mir so Wörter leichter ein und ich kann sie ins vorgegebene Versmass einfügen. Zum anderen merke ich schneller, wenn Begriffe nicht in den Takt passen. Zu diesen gehören etwa die Ameisen und der Maikäfer.

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Globi wird 90. Sind Sie selber mit ihm gross geworden? Ja, mein Bruder und ich waren begeisterte Globi-Fans. Viele der ersten 24 Bände liessen wir uns immer wieder erzählen und vorlesen. Wir lachten über Globis Streiche und fieberten bei seinen Abenteuern mit. Als wir älter wurden, lasen wir die eingängigen Verse von Alfred Bruggmann selbst. Mit zehn, elf Jahren griff ich vermehrt zu den Bildergeschichten und Gedichten von Wilhelm Busch. Viel später, mit 35, habe ich «Globi will ins Schlaraffenland» wieder ausgegraben, die Geschichte während vieler Monate nachgedichtet und dabei entdeckt, wie viel in einem Globi-Band stecken kann. Nie hätte ich mir damals träumen lassen, einmal im Team des Globi Verlags als Versemacher mitwirken zu können. •


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Ohne sie ginge es für viele Familien in der Schweiz nicht – oder nur viel schwieriger: Grosseltern leisten unheimlich viel für ihre Kinder, Enkel und die gesamte Gesellschaft. Mit dem Schweizer Grosselterntag, der dieses Jahr am 13. März gefeiert wird, will das Grosseltern-Magazin dieses Engagement noch stärker sichtbar machen. Museen, Kulturhäuser, Ausflugsorte ziehen mit und bieten spezielle Aktionen für Grosseltern und ihre Familien: Dieses Jahr zum Beispiel ein Suchspiel im Gletschergarten Luzern zum Spezialpreis, ein Kinderkonzert im Künstlerhaus Boswil, eine Führung mit Bastelplausch im Kindermuseum Baden, Bilder weben und eine theatrale Führung im Museum.BL in Liestal oder ein Ausflug «Untertag» im Bergwerk Gonzen, ebenfalls zum Spezialpreis. Das Grosseltern-Magazin beschäftigt sich intensiv mit den Beziehungen zwischen den Generationen und zeigt auf, wie wichtig Grosseltern heute sind. Ohne ihre Unterstützung würden auch riesige Kosten auf die Gesellschaft zukommen: Laut dem Bundesamt für Statistik leisten die Grosseltern in der Schweiz jährlich 160 Millionen Stunden unentgeltliche Betreuungsarbeit. Das entspricht einer Wirtschaftsleistung von über 8 Milliarden Franken. Gerade während der letzten zwei Jahre wurde vielen bewusst, was das tatsächlich bedeutet. ~CAP

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16 ~ Engagiert ~

«JEDER VERDIENT ES, DASS MAN IHM ZUHÖRT» WER M. B., 69, 3 Enkelkinder WOFÜR malreden.ch FUNKTION Gesprächspartnerin am Telefon n ES LIG NT L I E IW FRE AGEM ENG M ei

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Die Gespräche sind anonym und kostenlos. Einige Anruferinnen und Anrufer wollen von ihrem Alltag erzählen, was sie am Morgen gemacht und zum Zmittag gegessen haben. Manche sind verzweifelt und haben schwerwiegende Probleme. Da frage ich jeweils bald: Haben Sie Hilfe? Übersteigt das Gespräch unsere Kompetenzen, leiten wir an Fachstellen weiter. malreden ist kein Kri-

anke, dass Sie mir zugehört haben. Diesen Satz höre ich oft am Ende eines Telefonats. Und genau darum geht es bei malreden. malreden gibt Seniorinnen und Senioren die Möglichkeit, sich mit einem Gegenüber telefonisch auszutauschen und ein wenig Alltag zu teilen. Das Bedürfnis haben je länger je mehr Leute. Es gibt viele Menschen, die niemanden haben und oft tagelang mit niemandem sprechen. Aber jeder verdient es, dass man ihm zuhört. Wenn man sich verstanden fühlt, ist das eine wohltuende, tiefgreifende Erfahrung. Drei Stunden pro Woche bin ich für malreden telefonisch im Einsatz, tagsüber, es gibt keinen Nachtdienst. Mich interessieren Menschen, ich höre gern zu – und kann das auch gut. Beruflich war ich viele Jahre in einer Arztpraxis tätig und habe erlebt, wie viel Zuhören zum Genesen beiträgt. Nebst malreden ist auch Sterbebegleitung ein Teil meiner freiwilligen Arbeit. Singen ist meine Leidenschaft und gibt mir die nötige Kraft, für andere da zu sein. Durch meine Arbeit in der Praxis wie auch durch meine privaten Engagements wurde mir bewusst, wie dringend es ist, dass wir einander zuhören und uns ernst nehmen. So bin ich zu malreden gekommen. Regelmässige Supervisionen und Weiterbildungen bei malreden unterstützen sehr bei den Gesprächen. Ausserdem ist der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen von malreden wertvoll.

sentelefon und wir haben auch keinen Beratungsauftrag. Auch wenn es teilweise traurige Gespräche sind und ich sehr sensibel bin: Wenn das Telefonat beendet ist, kann ich wieder abschalten. Ich gebe alles während des Gesprächs, nehme die Menschen sehr ernst, aber danach lege ich das zur Seite. Ich habe meine Methode gefunden, wie ich das Gehörte abgeben kann. Das finde ich tröstlich. Im Privaten ist das anders. Da gehen mir Schicksalsschläge sehr nahe. Ein Gespräch bei malreden sollte zirka 20 Minuten dauern. Das einzuhalten und den Anrufenden zu verstehen geben, dass man nun zu einem Ende kommt, ist schwierig. Die Gespräche verlaufen ganz unterschiedlich. Einige reden durch wie ein Wasserfall. Andere wiederum fragen zurück und wir plaudern zusammen. Es tut ihnen gut zu hören, dass man sie versteht, denn das verschafft Erleichterung. Nach einem 20-minütigen Gespräch bin ich nicht erschöpft, auch wenn es vielleicht inhaltlich intensiv war. Drei Stunden am Telefon sind dann jedoch auch für mich genug. Für mich ist dieses Engagement sinnvoll und gibt mir viel. Besonders befriedigend ist es, wenn jemand bedrückt anruft und wir am Ende des Telefonats zusammen lachen können. ~CAP malreden.ch Unter der Gratisnummer 0800 890 890 sind schweizweit Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner täglich von 9–20 Uhr für ein Gespräch erreichbar, anonym und vertraulich. malreden wird vom gemeinnützigen Verein Silbernetz Schweiz geführt und richtet sich an Menschen ab 60.

Für was engagieren Sie sich freiwillig? Wir freuen uns über Ihre Zuschrift. redaktion@grosseltern-magazin.ch

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

Wie Corona die Freiwilligenarbeit beeinflusst hat Social Distancing und erhöhter Schutzbedarf: Ältere Freiwillige konnten ihr Engagement während der Corona-Pandemie nur noch eingeschränkt wahrnehmen. Dennoch haben viele von ihnen Wege gefunden, weiterhin freiwillig tätig zu sein, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt. Das Forschungsteam hat für die Studie über 400 ältere Menschen in der Schweiz befragt, die sich freiwillig oder ehrenamtlich engagieren.

oder unter Einhaltung der Schutzmassnahmen weitergeführt werden konnten. Schwierig war es in Bereichen wie etwa freiwillige Fahrdienste, Besuche oder Hilfe bei der Hausarbeit. Dort mussten einige ältere Personen ihre Tätigkeiten aufgeben. Während der zweiten Corona-Welle ab Mitte Oktober 2020 wurden die freiwilligen Tätigkeiten seltener unterbrochen als noch während der ersten Welle im März. «Die

Dabei ist herausgekommen, dass zu Beginn der ersten Welle viele ältere Menschen ihr Engagement unterbrochen oder an jüngere Mitmenschen abgegeben haben. Zumindest ein Teil der Befragten konnte aber trotz Pandemie weiterhin freiwillig tätig sein – insbesondere dann, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die beispielsweise auf Online-Kanäle verlagert

freiwillig Engagierten haben sich offenbar schnell mit der neuen Realität arrangiert und sich aufgrund der mittlerweile etablierten Schutzmassnahmen wieder sicherer gefühlt», sagt Mario Störkle, Co-Studienautor und Dozent am Institut für soziokulturelle Entwicklung an der Hochschule Luzern. ~CAP

~ Bildarchiv ~

LUFT-

AUFNAHME Bei diesem Bild handelt es sich um eine ältere Aufnahme eines bekannten Ausflugsziels im Nordosten der Schweiz. ~KD Die Lösung finden Sie auf Seite 78. .

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~ Magazin ~ SAMMELSURIUM

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FRÖHLICHES GEZWITSCHER

Kurz und knapp: Auf der Plattform Twitter können Userinnen und User Kurznachrichten oder Kommentare verbreiten. Über Politik, Gesellschaft. Oder die Grosseltern. Alles, was einem halt wichtig ist und auf der Zunge brennt. Twitterperlen.de sammelt Tweets zu verschiedenen Themen, so auch zu Grosi und Opa. Quelle: Twitterperlen.de

~ Zitat ~

«ICH BIN JEDEN TAG MIT JEDEM MEINER ENKELKINDER, MEINEM SOHN UND MEINER TOCHTER IN KONTAKT.» Joe Biden, US-Präsident

DER JUNGE HÄUPTLING WINNETOU. D 2021. Regie: Mike Marzuk. Mit Anatole Taubman, Mika Ullritz, Lola Linnea Padotzke, Milo Haaf u. a. Im Kino

Foto: © Warner Bros. Ent.

FREUNDE FÜRS LEBEN Wer kennt ihn nicht: Winnetou. Erschaffen vom Autor Karl May, erfolgreich verfilmt mit Pierre Brice in der Hauptrolle. Nun gibt es einen Familienfilm über die Kinderjahre des weltberühmten Indianerhäuptlings. Darin ist Winnetou zwölf Jahre alt und hält sich bereits für einen grossen Krieger. Als die Apachen vom plötzlichen Ausbleiben der Büffel bedroht sind, geht Winnetou mit dem Waisenjungen Tom der Sache auf den Grund. ~PD

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~ Kolumne ~ GROSSMÜTTERREVOLUTION

Film oder

Buch ?

nsere beiden Enkel sind nun sieben So waren wir halt eher tolerant, liessen sie und zwölf Jahre alt. Sie müssen nicht mehr auch einmal einen Film fertig schauen oder oft gehütet werden, beide sind in der Schule ein Spiel beenden, obwohl die Zeit schon abund im Hort. Die letzte Sommerferienwoche gelaufen war. Als Grosseltern hat man ja keiverbringen wir aber immer mit ihnen im ne pädagogischen Aufgaben mehr, sondern Bündnerland und sie freuen sich jedes Jahr kann die Enkel auch einmal verwöhnen. Ein darauf. klein wenig ein schlechtes Gewissen hatte Wir haben dann eine Woche lang ein gefüllich aber allemal. tes Programm mit Wandern, Zugfahren, die Dass sie praktisch nicht lesen, macht mich Bären in Arosa besuchen, das Zugmuseum HANNA HINNEN lebt in Regensberg schon etwas traurig. Ich war als Kind eine (ZH) und war Lehrerin, Pädagogin, in Bergün besichtigen, am See baden und unglaubliche Leseratte und bin es immer Lehrmittelautorin, Prozessbegleivielem mehr. Nach dieser Woche sind wir noch. Ich kann mir kaum vorstellen, dass terin, Mediatorin und Schulpräsidentin. Sie hat einen Sohn und meine Enkel fast keine Bücher kennen. Aber immer erledigt, aber auch sehr glücklich. eine Tochter und zwei Enkel. Das Einzige, was wir recht schwierig finden, ist es besser, Bücher zu kennen als Filme aus ist der Umgang mit den Medien. Wie lange aller Welt? Kann man das überhaupt vergleisollen sie auf dem Handy spielen dürfen oder chen? Das Hobby des Grossen ist Fischen und Filme anschauen? Dürfen sie beim Zugfahren ständig auf unseer schaut sich täglich Filme zum Thema Fischen an. Etwas einren Handys spielen oder sollen sie die einzigartige Landschaft seitig, das stimmt, aber die meisten Filme sind in Englisch, da betrachten? Sollen sie am Abend ein Buch lesen oder eine Gehat er unterdessen sehr viel gelernt und kann sich im Bereich schichte erzählt bekommen – oder noch einen Film anschauen Fischen wunderbar in Englisch unterhalten. dürfen? War es früher einfacher, als die Kinder noch lasen und man am Natürlich haben wir den Sohn und die Schwiegertochter gefragt Abend nur manchmal nachschauen musste, ob sie das Licht und auch Richtlinien erhalten. Die waren aber recht schwieendlich gelöscht hatten? Es war einfach anders. Und das haben rig einzuhalten. Ich hätte einen Zeitplan machen müssen und unsere Eltern sicher auch gesagt, wenn sie an ihre Kindheit immer die Minuten notieren, die der Grosse oder der Kleine dachten. Früher war nicht alles besser, aber vieles war anders. am Bildschirm verbracht hatben. Das war mir doch etwas zu aufwendig.

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~ Magazin ~ ANDERSWO

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«Wann kommst du, Sido?» Von CAROLINE DOKA ( Text und Foto)

Stolzer Busfahrer, noch stolzerer Opa: Naser Alslibi, unten mit Talia und Eva.

Seine beiden Enkelinnen Eva und Talia sind Naser Alslibis (53) grösstes Glück. Wenn der Chauffeur von Touristenbussen Gäste durch Jordanien führt, telefoniert er täglich mit der fünfjährigen Talia.

ZARQA

AMMAN

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N

aser Alslibi sieht mit seinem weissen Hemd und den goldgestreiften Schulterpatten aus wie ein Flugkapitän. Der gross gewachsene 53-Jährige ist Buschauffeur und fährt Touristen durch das Königreich Jordanien. Das Steuer des Busses fest in den Händen, die hellgrünen Augen konzentriert auf die Sandpiste gerichtet, wiegt er den Bus sanft und sicher durch die Wüste Wadi Rum wie ein Schiff durch die Wogen. Später sitzt der Chauffeur am Lagerfeuer eines Wüstencamps, bereit, über Grosseltern und Enkel in Jordanien zu erzählen. Zuvor will er aber noch einen wichtigen Anruf erledigen. Den Telefonstöpsel im Ohr spricht er nun liebevoll auf Arabisch in die Wüstennacht hinaus, als plaudere er mit den Sternen. «Ich habe gerade mit meiner Enkelin telefoniert», erzählt er dann, seine Augen strahlen. «Talia wird morgen sechs Jahre alt und vermisst mich schrecklich.» Er zeigt das Handybild eines fröhlichen, dunkelhaarigen Mädchens. Dann eines, auf dem er selber zu sehen ist, im Arm ein Baby. «Meine jüngere Enkelin Eva, zwei Monate alt.» Das Glück steht Naser ins Gesicht geschrieben, sowohl auf dem Handyfoto wie im Schein des nächtlichen Feuers. Eine Szenerie wie in Tausendundeine Nacht. Naser beginnt zu erzählen. Von Talia und Eva, die mit ihren Eltern in der orientalischen Stadt Zarqa leben, wo auch er mit acht Geschwistern aufwuchs und noch heute zu Hause ist. «Auch meine Mutter lebt in Zarqa, sie ist bald hundertjährig!» Dann erzählt Naser von seiner Grossmutter. «Sie war Palästinenserin und lebte jenseits des Jordans, in den Westbanks. Wir alle sind Palästinenser. Damals waren wir Flüchtlinge in Jordanien und besuchten die Grossmutter in Palästina oft. Sie war hübsch, mit rundem Gesicht und einem Tattoo am Kinn.» Nasers Familie ist aus Palästina nach Jor-

JORDANIEN Einwohner 10.1 Millionen Hauptstadt Amman Fläche 89 342 km² Bevölkerungsdichte 112 Einwohner pro km² Amtssprache Arabisch Staatsform Konstitutionelle Monarchie Staatsoberhaupt König Abdullah II. Höchster Punkt 1854 m ü. M. Tiefster Punkt Jordaniens ist gleichzeitig der tiefste an Land zugängliche Punkt der Erde: Er liegt 360 m unter dem Meeresspiegel, südöstlich des Toten Meers. Klima Von mediterran bis Wüste. Wasser Jordanien gilt als wasserarmes Land. Der Pro-Kopf-Wasserverbrauch wird wegen schwindender Wasserressourcen und der rasant wachsenden Bevölkerung weiter abnehmen. Arbeitslosigkeit Ca. 18.5 Prozent. Flüchtlinge 750 000 (Palästinenser nicht eingerechnet). Am Ostufer des Jordans befindet sich das Flüchtlingslager Za’atari, das mit etwa 120 000 Flüchtlingen aus Syrien zu den grössten im Nahen Osten gehört. Im anderen grossen Lager, al-Azraq, leben seit Jahren um 40 000 syrische und irakische Flüchtlinge, darunter etwa 300 elternlose Jugendliche. Corona Jordanien war das erste Land der Welt, das mit Covid-Impfungen für Flüchtlinge begonnen hat. ~CAP

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danien geflohen. Wo fühlt er sich zu Hause? «Da, wo ich meine Kindheit verbrachte: in Jordanien. Trotzdem kann ich mein Land Palästina nicht vergessen.» Seine Augen funkeln im Feuerschein. Wie kommt ein Palästinenser zu grünen Augen? Naser lächelt. Die Augen seiner Grosseltern waren ebenfalls grün. «Vielleicht hatte sich einst ein Kreuzritter aus Europa mit einer Araberin eingelassen ... oder ein Grieche bei der Völkerwanderung sich in eine Einheimische verliebt?» Einst hätten sich Araber vor ihresgleichen mit grünen Augen gefürchtet. Den Enkelinnen sind Grossvaters grüne Augen lieb. «Sogar die Kleine mit ihren zwei Monaten lächelt mich an, wenn sie mich sieht.» Naser fühlt sich den Enkelinnen nahe. Er besucht sie oft, bringt Geschenke mit und telefoniert mit Talia. In die Erziehung mischt er sich nicht ein. Ausser, wenn seine Tochter und ihr Mann die Kinder schlagen, was ihm gar nicht gefällt. «Ich bin durch den Kontakt mit Menschen anderer Kulturen offen geworden; in Jordanien sind viele sehr konservativ.» Die Beziehung hänge davon ab, wie lieb Grosseltern zu ihren Enkeln seien, meint Naser. Er möchte ihnen Liebe geben und geniesst es, ihre Liebe zu erfahren. Die Liebe ist gross, das Vermissen auch. Oft sagt Talia am Telefon: «Sido, wann kommst du endlich nach Hause? Ich vermisse dich!» Sido ist arabischer Slang für Opa. Dieser nennt Talia und Eva liebevoll Tutu und Vivia. Was bedeuten ihm die Enkelinnen? Das Feuer wird kleiner, Naser legt Holz nach. «Ein schönes Gefühl. Durch sie wird die Familie weitergeführt. Für mich ein Grund zu leben.» Seinen Enkelinnen Talia und Eva wünscht er ein schönes Leben, friedliche Familien und eine gute Ausbildung. «Toll wäre, sie hätten meine Weltoffenheit, ohne ihre palästinensischen Wurzeln zu vergessen. Und ich wünsche mir, dass durch sie die Familie weiterlebt.» Er lacht: «Auch die grünen Augen!» •


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~ Kolumne ~ MEINE KINDER, MEINE ENKEL

Weltfit FABIAN BUCHER (38) ist Produzent beim Schweizer Fernsehen SRF. Er ist verheiratet und Vater von Jan, drei, und Mara, viereinhalb Jahre alt. Fabian arbeitet in einem Teilzeitpensum und hat so zwei Tage pro Woche, die er allein mit den Kindern ist. Er lebt mit seiner Familie in Zürich.

HANNES BUCHER (68) hat bis zu seiner Pensionierung als Schulleiter gearbeitet. Er ist verheiratet und hat einen Sohn und zwei Töchter. Seine sieben Grosskinder sind zwischen zwei und acht Jahren alt. Er wohnt im Kanton Luzern und schreibt als freier Journalist.

W

ir sind eben daran, ins neue Jahr hineinzuwachsen. Welche der vielen Wünsche ans 2022 werden wahr? Als Grossvater merke ich, dass die Gedanken dabei nicht um das «Ich» kreisen, sondern vielmehr um die jungen Familien, um ihre Welt. Nebst «Gesundheit für alle» ist da der grosse Wunsch, dass das Familiennest für Eltern und Kinder intakt bleiben möge. Dass alle da einen sicheren «Hort» in einer oft unsicheren Welt «draussen» vorfinden. Dieses «Draussen» bringt Chancen und Möglichkeiten, aber auch viele Herausforderungen, und es birgt leider auch viele Gefahren. Noch so gerne möchten wir unsere Liebsten auf der Gewinnerseite des Lebens sehen. Aber wir wissen, das Leben mit seinem Auf und Ab macht vor niemandem Halt, niemand hat das reine Glück gepachtet. Das sogenannt Beste ist wohl, die jungen Menschen dabei zu unterstützen, für diese oft raue Welt fit zu werden, ihr gewachsen zu sein. Und auch dabei, wieder aufzustehen, wenn man ins Stolpern gerät. Was kann ich als Grosspapi dazu beitragen? Nun, ich meine, wohl nach einer Enttäuschung nicht mit «billigem Trost» à la «es kommt schon gut» aufwarten. Trösten ja, aber viel mehr im Sinne von: «Du darfst erst mal den Tränen freien Lauf lassen.» Dies kann guttun und sehr wohl angesagt sein. Begleitet von «Komm, probiere es nochmals», «das nächste Mal gelingt es vielleicht». Weil wir als Grosseltern halt schon gerne helfen wollen, kann auch mal das Angebot folgen: «Wie kann ich dich beim erneuten Probieren unterstützen?». Im Wissen darum, dass gerade wir Grosseltern nicht ewig zur Seite stehen werden … •

«

Papi, gibt es auch Menschen, die kein Zuhause haben?» Meine beiden Kinder schauen mich fragend an. «Ja, das gibt es leider. Nicht allen geht es so gut wie uns. Ein Dach über dem Kopf ist keine Selbstverständlichkeit», antworte ich und frage mich, was die beiden mit dieser Antwort anfangen können. Vermutlich (noch) nicht allzu viel. Trotzdem: Gerade jetzt, zu Beginn eines neuen Jahres – wenn immer auch eine Art hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung herrscht – bringen mich solche Momente ins Grübeln. Denn seien wir ehrlich: Klimaerwärmung, Corona-Pandemie, Millionen hungernder Kinder – die Welt bietet eigentlich genug Gründe für haufenweise Pessimismus. Doch was hat dieser in der Kindererziehung zu suchen? Wie viel Realität erträgt der Nachwuchs? Damit hadere ich immer wieder. Ich will ja keine Schwarzmalerin, keinen kleinen Pessimisten heranziehen. Im Gegenteil: Unsere Kinder sollen optimistisch durchs Leben gehen, glücklich sein, Herausforderungen mit Zuversicht anpacken. Aber die Welt ist halt nicht rosarot und in Watte gepackt – das sollen Mara und Jan auch erfahren. Dies altersgerecht hinzukriegen, scheint mir gelinde gesagt ein Husarenstück. Zum Glück stolpere ich gedankenversunken über einen Abschnitt in Remo Largos Klassiker «Kinderjahre»: «Viel prägender als Erklärungen und Gespräche ist für ein Kind das Verhalten der Eltern, sei es gegenüber ihm oder anderen Menschen.» Ich atme vorerst beruhigt auf. Dankbar und rücksichtsvoll durch den Alltag gehen – das scheint mir mal ein vernünftiger und altersgerechter Anfang zu sein. •

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~ Hintergrund ~ INTERVIEW

Eine Beziehung, die sehr oft glücklich macht: Grosseltern – Enkel. Die Fotos zu diesem Interview zeigen verschiedene Grossmütter und Grossväter mit ihren Enkelkindern. Sie sind in früheren Magazinen erschienen und in ihrer Aussage zeitlos.

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«Wer bin ich? Was brauche ich ? » Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund haben ein Kinderbuch über die Suche nach dem Glück geschrieben. Wir haben mit den beiden Autoren und Psychologen darüber gesprochen, was Kinder brauchen, um glücklich zu sein. Und wie Grosseltern sie dabei unterstützen können. Von GERALDINE CAPAUL (Interview)

«Jaron auf den Spuren des Glücks» heisst Ihr neues Buch. Was macht Kinder glücklich? Fabian Grolimund: Ganz ähnliche Dinge wie Erwachsene: Vertraute und verlässliche Beziehungen, in denen sie sich selbst sein dürfen. Ein Alltag, der immer wieder Raum bietet, um eigenen Interessen nachzugehen, die eigenen Stärken zu entdecken und zu kultivie­ ren, das Gute und Schöne in der Welt zu geniessen, Erfolge zu haben und sich als kompetent erleben zu dürfen. Und auch für Kinder ist es bereits wichtig, sich als nützlich erleben zu dürfen und im Leben anderer einen Unterschied zu machen. Stefanie Rietzler: Je jünger Kinder sind, desto stärker sind sie auf ein Umfeld angewiesen, das ihnen diese Möglich­ keiten bietet. Je älter sie werden, desto mehr können sie selbst zu ihrem Glück beitragen, indem sie Gewohnheiten entwickeln, die die Lebenszufriedenheit erhöhen. Dazu gehört zum Beispiel eine optimistische Grundhaltung, Dankbar­ keit und Achtsamkeit. Unter letzterem versteht man, dass jemand sich mit Körper und Geist auf das Hier und Jetzt besinnt und sich mit dem verbinden kann, was gerade da ist – ohne ständig über das Morgen oder Gestern nachzu­ grübeln. Neben den äusseren Umstän­

den und Gewohnheiten spielen aber auch unsere Gene für unsere Zufrie­ denheit eine wesentliche Rolle: Manche Menschen sind einfach von Natur aus mit einem sonnigeren Gemüt ausge­ stattet und lassen sich durch negative Ereignisse nicht so leicht aus der Bahn werfen. Manchmal frage ich meinen sechsjährigen Sohn: Bist du glücklich? Und frage mich gleichzeitig: Weiss er, was das ist? SR: Kinder haben ein etwas anderes Verständnis von Glück: Sie spüren vor allem Freude, Vergnügen und Stolz im gegenwärtigen Moment. Bei Kindern in diesem Alter wechseln sich Gefühle noch sehr rasch ab: Von himmelhoch­ jauchzend zu zu Tode betrübt. Ihr Sohn wird daher auf diese Frage wohl eher beschreiben, wie er sich in diesem Augenblick fühlt. Erst mit zunehmen­ dem Alter wird die Lebenszufriedenheit als eher überdauerndes Grundgefühl wichtiger, das auch auf einer Einschät­ zung des eigenen Lebens als «gelungen» beruht und verschiedene Erfahrungen aus unterschiedlichen Lebensbereichen einschliesst.

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Können Kinder ihr Glück selber finden? Oder brauchen sie unsere Hilfe? FG: Eltern unterstützen ihre Kinder heute bei sehr vielem. Sie möchten sie auf das spätere Leben bestmöglich vorbereiten und achten daher sehr auf das schulische Vorankommen, die Ernährung, den sozialen Bereich, wol­ len, dass Kinder Sport treiben und ein Instrument spielen. Aber: Auch wenn der Wunsch riesig ist, dass die eigenen Kinder glücklich sind, wird das Glück kaum thematisiert. Viele Erwachsene glauben noch immer, dass man vor allem Erfolg haben muss, um später glücklich zu sein – wobei die Forschung sehr klar zeigt, dass es umgekehrt ist: Glückliche Menschen werden eher er­ folgreich. Erfolg allein macht hingegen nicht glücklich. SR: Sehr viele Erwachsene versuchen mit aller Macht, zufrieden zu sein, haben aber nie gelernt, was sie dafür brauchen. Wir überlassen es norma­ lerweise der Werbung und der Gesell­ schaft, uns den Weg zum Glück zu weisen und erhalten schlechten Rat: Kaufe mehr, besitze viel, achte auf eine tolle Figur, sei erfolgreich und mach Karriere, dann wirst du glücklich sein. Das funktioniert aber nicht. Kinder und Erwachsene benötigen daher Hilfe auf dem Weg zur Zufriedenheit. Uns allen ~


~ Hintergrund ~ INTERVIEW

Fotos : Matthias Jurt, Tibor Nad, Matthias Luggen

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tut es gut, wenn wir uns immer wieder

helfen ihnen Menschen, die neugierig

kommt oft auch ein stärkeres Besinnen

fragen, was wir wirklich brauchen und uns nicht blenden lassen von falschen Versprechungen.

sind, ihnen Fragen stellen und zuhören können. Wertvoll sind auch Erwach­ sene, die selbst Antworten auf solche Fragen gefunden haben und vorleben, wie man gut für sich selbst und seine Mitmenschen sorgt und was im Leben wirklich zählt.

auf das Wesentliche, ein Stück Weis­ heit, von dem Enkel profitieren können.

Haben materielle Güter gar keinen Einfluss? FG: Doch. Bis zu einem gewissen Grad. Armut schränkt ein, verursacht Stress und macht unglücklich. Studien zeigen aber, dass ab einem ausreichenden Einkommen mehr Geld nicht glück­ licher macht. Das schöne Auto, die teuren Ferien und die Markenklamotten sorgen für einen kurzen Kick, der aber oft teuer erkauft wird. Viele Menschen wären glücklicher, wenn sie etwas weniger verdienen würden, dafür mehr Zeit für Familie, Freunde und eigene Interessen hätten und den beruflichen Stress reduzieren könnten. Welche Voraussetzungen brauchen Kinder, um ihr Glück suchen zu können? SR: Kinder sollten Gelegenheit haben, sich selbst kennenzulernen. Sie benö­ tigen Bezugspersonen, die ihnen dabei helfen, Antworten zu finden auf Fragen wie: Wer bin ich? Was brauche ich? Was macht mir Freude? Was interessiert mich und was kann ich gut? Was hilft mir in schwierigen Momenten? Wer tut mir gut und wie kann ich schöne, stabile Beziehungen zu anderen Men­ schen aufbauen und erhalten? Dabei

Inwiefern helfen Beziehungen wie zum Beispiel zu den Grosseltern den Kindern, glücklich zu sein? FG: Viele Studien, darunter eine be­ rühmte Längsschnittstudie aus Har­ vard, zeigen: Verlässliche, enge Bezie­ hungen sind der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben überhaupt. Gross­ eltern kommt dabei oft eine besondere Rolle zu. Sie sind weniger eingebunden in einen hektischen und fordernden (Berufs­)Alltag und können den Enkeln so oft Ruheinseln verschaffen. Manch­ mal haben sie mehr Geduld als Eltern und können Kindern die nötige Zeit las­ sen, um die Welt zu entdecken und den Moment auszukosten. Mit dem Alter

In Ihrem Buch haben Freunde einen grossen Einfluss auf Jarons Glück. Sind Freunde zentraler als Familie? SR: Die Familie ist ganz klar bedeutsa­ mer. Spätestens im Jugendalter rücken zwar Freundschaften stärker in den Vordergrund – dabei prägen aber wie­ derum die Erfahrungen in der Familie. Wer sich dort geliebt fühlt, seine eigene Meinung kundtun darf, Verständnis und Wertschätzung bekommt, kann ten­ denziell auch leichter auf Gleichaltrige zugehen, Freundschaften knüpfen und Konflikte konstruktiv austragen. Für den jungen Fuchs Jaron hat die Freund­ schaft zu Hasenmädchen Lotte, Bärin Frieda und Ente Merle eine zentrale Be­ deutung, da seine Mutter verstorben ist, als er noch klein war, und sein Vater zu Beginn der Geschichte eher verschlos­ sen, fast schon verbittert ist.

«Verlässliche, enge Beziehungen sind der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben überhaupt.»


~ Hintergrund ~ INTERVIEW

Haben Grosseltern gegenüber den Eltern einen Vorteil, wenn es darum geht, über Glück (oder Unglück) zu reden? FG: Wir erleben es immer wieder, dass sich Grosseltern ein Stück weit vom «Erziehungsauftrag» befreit fühlen. Dadurch können sie den Enkeln oft entspannter begegnen als früher den eigenen Kindern und sich mehr auf die Beziehung einlassen. Gespräche drehen sich in der Folge weniger darum, beim Kind irgendein Ziel zu erreichen, es zur Einsicht zu bringen oder es von einem Standpunkt zu überzeugen. Philoso­ phische Fragen haben dadurch bessere Karten – denn dazu müssen wir uns eher mit Neugier und Offenheit auf Kinder einlassen und nicht mit einer Erziehungsabsicht im Kopf. SR: Mich hat mein Grossvater sehr geprägt. Er wurde im Krieg von einer Granate getroffen, war lange in Kriegs­ gefangenschaft und hat so viel Leid, Tod und Zerstörung erlebt. Trotzdem war er einer der optimistischsten und fröh­ lichsten Menschen, die ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe. Wenn ich als Jugendliche das Gefühl hatte, dass mein Leben wegen einer schlechten Note, einem zerbeulten Kotflügel beim Ausparken oder einem Streit mit einer Freundin gerade «ziem­ lich blöd» sei, haben mir Gespräche mit

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«Grosseltern können den Enkeln oft entspannter begegnen als früher den eigenen Kindern und sich mehr auf die Beziehung einlassen.» ihm und seine Reaktionen immer dabei geholfen, alles wieder in die richtige Perspektive zu rücken. In welchem Rahmen lassen sich philosophische Fragen mit Kindern besprechen? FG: Am besten ganz nebenbei. Bei einem Spaziergang, beim Backen, bei einer Autofahrt – oder beim gemein­ samen Lesen einer Geschichte. Also immer dann, wenn man zwanglos gemeinsam über etwas nachdenken kann. Vielleicht erzählt man zuerst et­ was über sich? Teilt ein eigenes Erlebnis oder eine Erkenntnis mit und lässt sich davon überraschen, wie das Kind dar­ auf reagiert? Oder man stellt dem Kind eine Frage zu einer Geschichte, die man ihm vorliest: Wie hätte es anstelle des Protagonisten reagiert?

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Was macht Kinder unglücklich? SR: Das Schlimmste ist für Kinder ganz sicher, wenn sie sich von den eigenen Eltern nicht geliebt fühlen, vielleicht sogar Gewalt und Missbrauch erfah­ ren müssen. Auch wenn Kinder in der Schule über längere Zeit ausgeschlos­ sen und gemobbt werden, macht sie das unglücklich – und sollte keinesfalls geduldet oder mit Sprüchen wie «mach dir nichts draus» abgetan werden. FG: Ein anderer Faktor ist Alltagsstress. Wenn Kinder und Jugendliche immer wieder an ihre Leistungsgrenzen oder darüber hinaus kommen, kaum Zeit für sich und ihre Freundschaften haben, weil sie ständig irgendein Ziel erreichen oder die Erwartungen von anderen erfüllen müssen. Auch Hilflosigkeitser­ fahrungen können depressiv machen: Wenn Kinder beispielsweise immer wieder feststellen müssen, dass sie «nichts können» oder «alles falsch ma­ chen» und sich alle Gespräche nur noch um ihre Defizite, Fehler und Schwächen drehen. Zu guter Letzt wollen Kinder und Jugendliche auch sich selbst sein dürfen, eigene Erfahrungen machen und sich ausprobieren. Überbehütende oder kontrollierende Bezugspersonen, die zu enge Grenzen setzen, ihr Kind ständig überwachen und einengen, beschneiden es in seiner Entwicklung. Das wiederum begünstigt Ängste und Depressionen. ~


~ Hintergrund ~ INTERVIEW

28 Die Sängerin Adele spricht in einem ihrer neuen Songs zu ihrem sechsjährigen Sohn. Sie erklärt ihm, wie unglücklich sie sei, wie wenig sie gerade ihr Leben im Griff habe. Wie viel ihres eigenen Unglücks sollen und dürfen Eltern und Grosseltern bei aller Authentizität ihren jüngeren Kindern zutrauen? FG: Kinder suchen bei ihren Eltern Halt und Sicherheit. Erleben sie, dass diese selbst keinen Halt im Leben haben, ist das sehr bedrohlich. Das heisst nicht, dass die Eltern immer so tun müssten, als seien sie glücklich oder hätten keine Probleme. Aber es ist für Kinder wich­ tig, dass sie merken, dass die Eltern sich

muss. Gerade jüngere Kinder haben zudem noch ein «egozentrisches Weltbild», beziehen vieles auf sich und glauben beispielsweise, dass sich die Eltern getrennt haben, weil sie etwas falsch gemacht haben. Eltern dürfen ihre Gefühle mit Kindern teilen – auch schwierige. Sie müssen sich aber be­ wusst sein, dass die Verantwortung für die Stimmung und die Atmosphäre in der Familie bei ihnen liegt und nicht bei den Kindern.

selbst um sich kümmern und nicht das Kind sich plötzlich in der Rolle wie­ derfindet, in der es die Eltern ständig trösten muss, ihnen keinen Kummer bereiten darf, den Eltern durch Liebsein oder gute Noten ein seltenes Lächeln entlocken oder Ehekonflikte schlichten

nis bemüht. Kinder sind ja oft nicht grundlos unglücklich. Jaron im Buch ist beispielsweise unglücklich, weil er in der Schule von zwei Fieslingen gehänselt und drangsaliert wird, sich sein bester Freund von ihm abwendet und sein Vater so wenig Zeit für ihn hat.

Wie hilft man einem unglücklichen Kind zurück zum Glück? SR: Wichtig ist, dass man zuerst an­ nimmt, was ist, und sich um Verständ­

Dann geht es darum, dem Kind dabei zu helfen, das zu ändern, was sich verändern lässt – und zu akzeptieren, was sich nicht ändern lässt. So ist Jaron beispielsweise gemeinsam mit seinem Vater traurig darüber, dass seine Mutter nicht mehr da ist. Die gemeinsame Trauer hilft ihm, damit umzugehen und sich wieder mit seinem Vater zu verbinden. Akzeptieren ist somit auch ein aktiver Prozess, anders als verdrän­ gen, nicht mehr dran denken oder «sich nichts draus machen». Seine anderen Schwierigkeiten kann Jaron mit Hilfe seiner neuen Freunde Stück für Stück verändern. Gleichzeitig entdeckt Jaron Glücksgewohnheiten. Beispielsweise schreibt er sich abends drei Dinge auf, über die er sich gefreut hat oder die gut gelaufen sind. So wird er sich mehr und mehr bewusst, dass es neben all dem Schwierigen auch viel Gutes und Schö­ nes in seinem Leben gibt. •

LESEN UND REDEN

STEFANIE RIETZLER & FABIAN GROLIMUND sind Psychologen und Autoren diverser Bücher und Artikel (u. a. für die Zeitschrift Fritz + Fränzi). Zusammen leiten sie die Akademie für Lerncoaching in Zürich. mit-kindern-lernen.ch weiterbildung-lerncoaching.ch

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«Jaron auf der Suche nach dem Glück» trifft mit seinem Ton und dem Inhalt den kindlichen Nerv der Zeit. Ab der ersten Seite fühlen die Leserinnen und Leser mit. Und sie werden sich fragen: Kommt es gut heraus? Die Antwort lautet ja. Zusammen mit den Enkeln kann man Jaron auf diesem Weg begleiten. Mit einem Anhang aus Gesprächs-Inputs. Denn das Buch will auch dazu anregen, beim Lesen ins Gespräch übers Glück zu finden. Ab 8 Jahren. Jaron auf den Spuren des Glücks, Fabian Grolimund & Stefanie Rietzler, Hogrefe-Verlag 2021, 384 Seiten, ca. 42 Franken.


KOCHEN FÜR DEN FRIEDEN

Helfen Sie Cuisine sans frontières dabei, Konflikte zu lösen und Gemeinschaft zu fördern – in unserem gastronomischen Ausbildungsprojekt in Ecuador. Spendenkonto: 85-135043-2 IBAN: CH05 0900 0000 8513 5043 2 cuisinesansfrontieres.ch Spenden an Cuisine sans frontières können von der Steuer abgezogen werden.


~ Hintergrund ~ ZUM ERSTEN MAL GROSSELTERN Von KARIN DEHMER (Text) und IRENE MEIER (Illustration)

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Heimvorteil

Hurra, das erste Enkelkind ist da! Und auf Sie, liebe Grosseltern, wartet vielleicht die Aufgabe einer regelmässigen Betreuung. Man könnte ja denken, für so ein Kleinkind hat man bereits alles. Die alte Briobahn steht noch im Keller, Kisten voller Legos der eigenen Kinder ebenso und schlafen kann das Baby auch im eigenen Bett. Die Eltern des Neugeborenen ihrerseits glauben, es wäre kein Aufwand, jeweils das Nötigste von A nach B zu transportieren und müssen dann gleichzeitig Bett, Hochstuhl, Ersatzkleider, Windeln – nicht zu vergessen das Kind – ins Auto laden ... Das glauben sie aber nur so lange, bis zum ersten Mal etwas Wichtiges vergessen wird. Nachfolgend eine Liste von Dingen, die sinnvollerweise in beiden Haushalten vorhanden sind.

KINDER- ODER REISEBETT Bei regelmässiger Betreuung lohnt es sich, ein Bett fürs Kind zu haben. Ein Baby sollte nur die ersten paar Lebenswochen in einem ungesicherten Bett schlafen; danach ist die Gefahr des Herunterfallens zu gross. Ein zusammenklappbares Reisebett mit qualitativ guter Matratze reicht dabei völlig aus. Das Bett kann bei Platzbedarf zusammengefaltet verstaut werden. Zudem dient es in einem hektischen Moment als sicheren Aufbewahrungsort für das Kleinkind.

NACHTLICHT Kinder schlafen nicht gern im Dunkeln ein. Ein Nachtlicht hilft zudem gegen den möglichen Schrecken, wenn sie mitten in der Nacht aus einem Traum erwachen. Und sind sie von zu Hause aus eines gewohnt, gehts sowieso nicht mehr ohne.

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SITZLI Ab ca. 6 Monaten beginnen die Kleinen nicht nur aufrecht zu sitzen, sondern auch damit, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Höchste Zeit also für einen Platz am Esstisch. Sie können für Ihr Enkelkind entweder einen mitwachsenden Hochstuhl erwerben oder aber erst einmal mit der Variante beginnen, die an den Tisch geschraubt wird.

Je nach verfügbarem Platz und Grundriss der Wohnung empfehlen sich zudem folgende Gegenstände und Kleinmöbel:

TREPPENGITTER Macht alle gleich viel entspannter – und nehmen ja eigentlich keinen Platz weg: Gittertüren bei Treppen.

WICKELPLATZ Eine platzsparende Lösung ist ein aufklappbarer Wickeltisch, der an die Wand montiert wird. Aber natürlich reicht auch eine Wickelmatte, die man aufs Bett legen kann.

BOX Darin können Spielsachen und Kleinkram in der enkelfreien Zeit verstaut werden.

TEPPICH Sieht schön aus und schont Parkett und Knie beim Spiel auf dem Boden.

AUTOSITZ Falls Sie auf das Auto angewiesen sind, lohnt sich die Anschaffung eines Kindersitzes. Dann können Sie sich die wöchentliche Installation sparen, die jedes Mal ein kleiner Zweikampf ist.

Musts: Ein Schoppen, zwei Nuggis, Babynahrung, Windeln und Kleider zum Wechseln.

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Foto: privat

Liebes-Trio

«Uns war wichtig, dass unser Kind mit sechs Grosseltern aufwächst»: Fabian, Nicole, Christian und ihr Sohn.

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~ Hintergrund ~ POLYAMORIE

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Nicole, Fabian und Christian führen eine Beziehung zu dritt. Lange haben sie das vor ihren Eltern geheim gehalten. Als Nicole schwanger wurde, outeten sie sich schliesslich. Mittlerweile sind sie eine Grossfamilie mit drei Omas und drei Opas. Von KATHARINA HOCH (Text)

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as Versteckspiel ging immer los, wenn Nicole, Fabian und Christian ihre Eltern besuchten. In ihrer Gegen­ wart waren Nicole und Christian ein Paar und Fabian ein guter Freund, der bei den beiden wohnte. Tatsächlich lebten die drei schon lange in einer polyamoren Beziehung zu dritt. Enge Freunde wussten das. Ihren Eltern wollten sie es damals allerdings nicht sagen, obwohl sie fast drei Jahre zusammen waren. «Wir haben versucht, al­ les geheim zu halten, und uns im­ mer überlegt, was wir sagen, so­ dass wir uns nicht verplappern», erzählt Fabian. Eine Belastung für alle. «Wir hatten grosse Sor­ ge, mit unseren Eltern darüber zu sprechen, denn wir wussten ja nicht, wie sie reagieren würden», erinnert er sich. Doch ewig konn­ ten sie das Thema nicht mehr vor sich herschieben, denn sie woll­ ten eine Familie gründen. Als Ni­ cole dann schwanger wurde, war klar, dass sie jetzt Klartext reden mussten. «Uns war wichtig, dass unser Kind mit sechs Grosseltern aufwächst», sagt Chris­ tian. Also gingen sie zu ihren Eltern und erzählten ihnen alles. «Es war eine merkwürdige Situation. Die Kinder kamen zu uns nach Hause und erklärten uns, dass sie in einer Dreierbezie­ hung leben», erzählt Susanne*, die Mutter von Christian. Für

Für sie sei es wichtig, dass ihre Kinder glücklich und zufrieden sind, daher sei die Nachricht für sie kein Problem gewesen, sagt Oma Susanne.

«Wir haben versucht, alles geheim zu halten, und uns immer überlegt, was wir sagen, sodass wir uns nicht verplappern»

sie sei es wichtig, dass ihre Kinder glücklich und zufrieden sind, da­ her sei die Nachricht für sie kein Problem gewesen. Zudem habe sie kurz vor dem Outing schon so ein Gefühl gehabt, dass da was im Busch sei. Bettina, die Mutter von Fabian, reagierte ebenfalls sehr positiv. «Fabian hat uns mitge­ FABIAN teilt, dass Nici schwanger ist», er­ zählt sie. «Er sagte, dass das Baby einen Papa und einen Papi haben wird und wir jetzt Grosseltern werden.» Da sie gleich gemerkt habe, wie glücklich Fabian da­ rüber war, habe sie sich auch sehr über die Nachricht gefreut. «Ich habe mir gedacht: ‹Das ist jetzt also die Lebensform, die er für sich ausgewählt hat›». Bettina und ihr Mann haben Fabian ~ sehr offen erzogen. Er konnte mit ihnen über alles reden. Als

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~ Hintergrund ~ POLYAMORIE

er jugendlich war und sich in der Klasse seines Bruders ein Junge zur Homosexualität bekannt hat, haben sie in der Familie über an­ dere Beziehungsformen gespro­ chen. Das sei nie ein Tabu gewe­ sen. «Meine Mutter ist sehr liberal und offen», sagt Fabian. «Sie hat damals zu mir gesagt: ‹Egal, wie du dich entwickelst, ob du schwul oder bi wirst oder was auch immer, du kannst immer zu mir kommen.›» Für Bettina war stets klar: «Hauptsache, meine Kinder finden ihren Weg im Le­ ben und sind glücklich.» Ausserdem hatte sie schnell das Gefühl, dass Fabian in der Beziehung total angekommen sei und sich zu Hause fühle. Das sei es für sie, was zähle. «Die einzige Sor­

beziehung erfuhren, fiel es ihnen nicht so leicht, die Neuigkeiten positiv aufzunehmen. «Meine El­ tern haben sich am Anfang viele Sorgen gemacht», sagt Nicole. «So in etwa: Dann werdet ihr oft strei­ ten und eifersüchtig. Einer wird immer leiden.» Sie habe ihnen daraufhin erklärt, dass sie sich bei einer monogamen Beziehung die gleichen Sorgen machen könnten. Das hat sie zum Nachdenken gebracht. Und nachdem Nicoles Eltern gemerkt haben, wie ernst die Beziehung ist und wie glücklich die drei sind, verflogen ihre Bedenken. Nicole und Christian waren noch nicht lange zusammen, als sie Fabian auf einer Party kennenlernten. Sie verstanden sich

ge, die ich hatte, war, dass es mit der Dreierbeziehung vielleicht doch nicht klappt, wenn das Kind mal da ist. Und Fabi dann emotional sehr leidet», sagt Bettina. Aber das könne ja auch in jeder guten Ehe passieren. Als Nicoles Eltern von der Dreiecks­

auf Anhieb gut und verbrachten fortan viel Zeit miteinander. Eine Freundschaft entstand. Vier Jahre später schloss Fabian sein Studium ab und wollte sich in Köln einen Job suchen. Da Nicole und Christian ebenfalls dort wohnten, boten sie ihm an,

Fabian zog von der Couch ins Bett der beiden. Die polyamore Dreierbeziehung begann.

«Genauso wie unser Enkelsohn sind auch Christian und Nicole zu unserer Familie geworden. Wir können sie uns gar nicht mehr wegdenken», sagt Bettina, die Mutter von Fabian.

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~ Hintergrund ~ POLYAMORIE

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vorübergehend bei ihnen einzuziehen und auf der Couch zu schlafen. Aus dem «vorübergehend» wurde «für immer». Erst merkte Nicole, dass sie Gefühle für Fabian hatte. Sie erzählte Christian, mit dem sie inzwischen verheiratet war, davon. Er re­ agierte sehr offen, sagte, dass ihm Fabian auch sehr wichtig sei. Dann sprachen sie mit Fabian darüber und fanden heraus, dass alle drei gleich empfanden. Fabian zog von der Couch ins Bett der beiden. Die polyamore Dreierbeziehung begann. Das war 2016. Polyamorie ist eine Beziehungsform, bei der eine Person mehrere romantische Beziehungen haben kann und alle dar­ über Bescheid wissen. Bei einer Dreierkonstellation oder auch Triade gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die jeweiligen Partner zueinander stehen. Mit platonischer oder romantischer Liebe. Mit oder ohne Intimität. Bei einer deutschen Umfrage kam heraus, dass drei Prozent aller Befragten bereits eine po­ lyamore Beziehung hatten. Weitere zwölf Prozent konnten sich vorstellen, diese Beziehungsform einmal auszuprobieren. «Anfangs gingen uns viele Fragen durch den Kopf», erinnert sich Nicole. «Was machen wir jetzt damit? Was denkt die Ge­ sellschaft? Was sagen unsere Eltern?» Die drei mussten erst einmal selbst herausfinden, was sie wollten, ob die Beziehung wirklich hielt. Dann wurde Nicole schwanger und sie outeten sich vor ihren Eltern. Ab diesem Zeitpunkt wurde alles ernster. Denn sie wussten: «Bald sind wir eine richtige Familie.» Bei der Geburt waren beide Väter dabei. Ein Krankenhaus zu finden, sei aber gar nicht so leicht gewesen, meint Fabian. «Ich habe in den Kliniken erst mal telefonisch angefragt und gesagt, dass wir zwei Papas sind, die mit in den Kreisssaal wollen.» Da sei das Er­ staunen erst mal gross gewesen. Eine Krankenschwester wollte sie am Telefon sogar abwimmeln, aber schlussendlich habe es doch geklappt. Als der kleine Mann schliesslich geboren wurde, war er bereits Teil einer Grossfamilie. Mit einem Schlag hatte er eine Mama, zwei Papas, drei Omas und drei Opas. «Genauso wie unser Enkelsohn sind auch Christian und Nicole zu unserer Familie geworden», sagt Fabians Mutter Bettina. «Wir können sie uns gar nicht mehr wegdenken.» Alle Omas und Opas wurden von den dreien von Anfang an ganz natürlich wie Grosseltern behandelt. «Es wurde von allen einfach so gelebt», sagt sie. Wer der biologische Vater ist, wissen Nicole, Fabian, Christian und die Grosseltern. Wenn ihr Sohn sie irgendwann danach fragen wird, dann sagen sie es ihm natürlich.

«Die einzige Sorge, die ich hatte, war, dass es mit der Dreierbeziehung vielleicht doch nicht klappt, wenn das Kind mal da ist»: Bettina mit ihrem Enkel (2).

Dennoch soll er mit dem Gefühl gross werden, dass er zwei Väter hat, die ihn beide von ganzem Herzen lieben und diese Liebe in keiner Weise von der biologischen Vaterschaft beein­ trächtigt wird. «Im Alltag sind wir eine ganz normale Familie», sagt Nicole. Christian arbeitet Vollzeit als Informatiker und Fabian baut gerade ein Unternehmen auf. Nicole ist Recruiterin. Fabians Mutter Bettina findet, dass diese Beziehungsform sehr berei­ chernd für den fast zweijährigen Buben sei. «Es sind immer Menschen da, die sich kümmern können. Es kann stets jemand ar­ beiten gehen. Man kann sich ge­ genseitig entlasten», meint sie. «Bereichernd ist auch die Gemein­ schaft, die sie führen. Und dass man eine grössere finanzielle Si­ cherheit hat. Wenn ein Partner mal ausfällt oder irgendwas ist, sind immer noch zwei andere da.» NICOLE ~ Schwierig hingegen finde sie

«Was machen wir jetzt damit? Was denkt die Gesellschaft? Was sagen unsere Eltern?»

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~ Hintergrund ~ POLYAMORIE

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die fehlende gesellschaftliche Anerkennung. «Die Dreierbezieh­ ung ist weit davon entfernt, anerkannt zu werden. Schon allein gesetzlich, zum Beispiel wenn es um die Fürsorge des Kindes geht.» Das sei ein grosses Problem, findet sie. «Auf der Geburt­ surkunde dürfen nur ein Vater und eine Mutter eingetragen wer­ den», erklärt Nicole. «Unsere Schreckensvorstellung ist, dass die eingetragenen Eltern sterben würden und es zu einem richtigen Sorgerechtsstreit kommt. Deshalb sparen wir jetzt Geld für ein Testament, um festzulegen, dass wir alle drei die gleichen Rech­ te und Pflichten haben.» Bettinas Freunde wissen, dass ihr Sohn in einer Dreierbezie­ hung lebt und sie einen Enkel hat. «Da sind wir ganz offen», sagt sie. «Manche Bekannten machen sich dann schon mal Gedanken und fragen, ob das wohl gut gehen kann. Aber es gibt ja auch viele Beziehungen, die zu zweit geführt werden und nicht gut gehen. Also warum sollte das nicht funktio­ nieren?» Auch Susanne kennt die Reaktionen von anderen. «Von Verständnis bis hin zu ‹das geht

«Die Dreierbeziehung ist weit davon entfernt, anerkannt zu werden. Schon allein gesetzlich, wenn es um die Fürsorge des Kindes geht.»

gar nicht› gibt es alles.» Nicole,

Fabian und Christian müssen sich vor allem in den sozialen Medi­ en mit gemeinen Kommentaren auseinandersetzen. Aussagen wie ‹wahrscheinlich ist keiner von den beiden der leibliche Va­ ter› oder ‹das arme Kind› lesen BETTINA sie häufig. Familienangehörige und Freunde reagieren manch­ mal ebenfalls negativ auf sie. Das könne sehr verletzend sein, sagt Nicole. Dennoch wollen sie offen über ihr Beziehungsmo­ dell sprechen und dafür sorgen, dass das Thema Polyamorie und Familie gesellschaftsfähiger wird. «Wir bekommen so viele Nachrichten von anderen Menschen, die in einer Dreierbezie­ hung mit Kindern leben, und die trauen sich alle nicht, ihre Be­ ziehung offen zu leben», sagt Nicole. Das müsse sich unbedingt ändern, finden sie. Bisher haben sich die Grosseltern untereinander noch nicht gut kennengelernt. Der Kleine ist Ende 2019 geboren, kurz vor dem ersten Lockdown. Lange Zeit war es mit einem Treffen schwie­ rig. Mittlerweile haben sich Oma Bettina und Oma Susanne schon mal kurz kennengelernt. Nicoles und Christians Eltern kannten sich sowieso schon. «Aber ein richtiges Kennenlernen mit allen werden wir jetzt bald nachholen», sagt Bettina. Beden­ ken, dass es bei so vielen Omas und Opas zu Konflikten kom­ men könnte, hat sie nicht. «Wenn Nici, Fabian und Christian so harmonisch und nett miteinander umgehen, dann werden wir Grosseltern das sicher auch hinbekommen.» •

*Namen der Grosseltern geändert

Mit einem Schlag hatte der Kleine eine Mama, zwei Papas, drei Omas und drei Opas. Susanne ist eine davon.

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~ Magazin ~ LESERBRIEFE

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Dossier

WARUM MACH T DAS SO ? ERZIE IHR HUNG FRÜHER & HEUTE

# 06 / 2021

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Grosseltern

# 06 / 2021

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Grosseltern MAGAZIN

Die Meinung der Leserinnen und Leser

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Das Magazin gefällt uns stets sehr – sehr frisch. O. Bamert, SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde

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Als begeisterte Leserin werde ich gerne weiter Werbung betreiben für das Grosseltern-Magazin. Eine so sorgfältig und wertvoll gestaltete Zeitschrift ist leider eine Rarität. E. Gurtner via E-Mail

EINE BEREICHERNDE BEGLEITUNG Zum «Grosseltern»

Zum Artikel über den Kalender der GrossmütterRevolution im Sammelsurium 06/12

Vielseitig und spannend sind die Ausgaben des Grosseltern-Magazins. Meines Erachtens eher fragwürdig ist der Artikel zum Kalender mit Nacktfotos von älteren Frauen. Ich finde die Fotos keineswegs ästhetisch. Da wollen die reifen Frauen beweisen: Was Jüngere können, können wir auch. Ist das nicht fast lächerlich? Im Bewusstsein, dass man mir vorwerfen könnte, ich sei prüde, denke ich, dass wir Grossmütter durch andere Aktionen auf uns aufmerksam machen könnten, sei es durch das Einbringen in der Politik, in der Gemeinde oder im nahen Umfeld. E. Heinzer via E-Mail

Als vor vier Jahren unser erstes Enkelkind geboren wurde, hatte ich keine Vorstellung davon, was es heisst, Grossmutter zu werden. Beim Hineinwachsen in diese Rolle und dem Kennenlernen des neuen Abenteuers begegnete ich dem Grosseltern Magazin. Auf Anhieb sprachen mich die vielseitigen Beiträge sehr an. Mit Interesse las ich die Reportagen über Grosseltern aus aller Welt und die lebendigen und oft berührenden Berichte über aussergewöhnliche und auch anspruchsvolle Situationen aus anderen Familien und der Gesellschaft. Das Magazin gibt der – nicht immer heilen – Welt der Grosseltern in ihrer ganzen Fülle einen wunderbaren Ausdruck. Es ist mir eine bereichernde Begleitung auf dieser Reise geworden. Herzlichen Dank und beste Wünsche für weitere wertvolle und bunte Ausgaben! M. Kühl via E-Mail

Nackte Tatsachen: Bild aus dem Kunstkalender der GrossmütterRevolution. Foto: Kathrin Schulthess

Einmal mehr hab‘ ich grosse Freude am Grosselternmagazin! So vielfältig, aktuell und wichtig! Besonders gefreut hat mich in der aktuellen Ausgabe der Beitrag zum Kunstkalender der GrossmütterRevolution. Damit wird ein Tabu gebrochen. B. Trummer via E-Mail

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~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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Von Notkirchen, Trabantensiedlungen und Autobahnraststätten Das Buch «Zeitgeschichte Aargau» dokumentiert, wie sich das Wachstumswunder in den 1960er-Jahren in die Landschaft einschrieb, nicht nur im Aargau, sondern in der ganzen Schweiz. Von FABIAN FURTER ( Text)

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Fotos: «Zeitgeschichte Aargau», Hier+Jetzt Verlag, 2021

Autobahnraststätte Kölliken Nord, eröffnet im Herbst 1970. Der imposante Sichtbetonbau hat die Form einer halben Brücke.


39 Das Wohnen in der Hochhaussiedlung ist beliebt. Hier zum Beispiel in Brugg aus einer Reportage von 1974 über die Siedlung «Im Bilander».

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~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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Grossüberbauung Telli, Aarau, 1992, ein Jahr nach der Fertigstellung. Acht Kilometer Fussgängerwege durchqueren die Parklandschaft der «Telli». Die vier Scheibenhochhäuser sind durch überdachte Passagen miteinander verbunden, eine moderne Interpretation der Laubengänge in der Berner Altstadt, wie die NZZ am 2. Februar 1994 schrieb.

Die Telli ist wahrlich die Königin unter den Grossüberbauungen.

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~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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Einweihung der Pauluskirche in Lupfig, 1965. Die Kirche entstand aus vorfabrizierten Elementen innerhalb von sechs Monaten als schlüsselfertiger Prototyp zum Preis von 300 000 Franken. Seit 2020 steht der einst provisorische Bau unter kantonalem Denkmalschutz.

I

m November 2021 erschien das Buch

«Zeitgeschichte Aargau» über die jüngste Vergangenheit jenes Kantons, der in vielerlei Hinsicht «die Schweiz im Kleinen» abbildet. Der Aargau war aber nicht einfach das Überlaufbecken der grossen Städte, die ihn flankieren, vielmehr wurde er zu einer Art «Testfeld der Moderne». Der Historiker Fabian Furter stützt diese Behauptung anhand von ausgewählten Episoden der 1960er- und 1970er-Jahre. UNTER ABSPIELEN SCHÖNER LIEDER Die Dorfmusik spielt, während sich einige Dutzend Frauen und Männer am 16. Mai 1966 vor einem sonderbaren Gebäude im aargauischen Lupfig versammeln. Sie feiern die Weihe ihrer katholischen Notkirche. Notkirche? Man möchte es heute kaum glauben, wo die Kirchen vornehmlich leer bleiben, aber in den 1960er-Jahren wurden wegen eklatantem Platzmangel vielerorts eben Notkirchen gebaut, um rasch Abhilfe zu schaffen. Die Pauluskirche in Lupfig war der schweizweit erste Prototyp einer seriell gefertigten Kirche aus Holz. Sie kostete schlüsselfertig 300 000 Franken. Viele Gläubige auf dem Bild sind katholische Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus den Mittelmeerländern, die vom damals grössten privaten Arbeitgeber der Schweiz, dem Badener Maschinenkonzern BBC (heute ABB), rekrutiert wurden. Nicht zuletzt sie verhelfen der Chris- ~


~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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tenheit zu ihrem letzten Boom in unseren Breiten. Warum aber verschlägt es die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter in das verschlafene Bauerndorf mit seinen wenigen Hundert Einwohnerinnen und Einwohnern? Der Energiehunger in der stark wachsenden Nachkriegsgesellschaft ist immens und Firmen wie die BBC können sich vor Aufträgen kaum retten. Um Abhilfe zu schaffen, baut die BBC im Birrfeld, gut 10 Kilometer vom Stammsitz Baden entfernt, eine gigantische Fabrikanlage mitten in die landwirtschaftlich genutzte Kulturlandschaft. Ob es damals wirklich die höchste Fabrikhalle Europas ist, wie die BBC-Werbeleute verlauten lassen, sei dahingestellt. Unschweizerisch gross ist sie auf jeden Fall. Und für die internationale Belegschaft wird unmittelbar neben der Fabrik eine Grosssiedlung realisiert, die mit über 500 Wohnungen und allen erdenklichen Einrichtungen ebenfalls mit den gängigen Vorstellungen von einem Wohnquartier bricht. Menschen aus über 20 Nationen ziehen ein und die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden Birr und Lupfig explodiert. Das

Werksiedlung In den Wyden der BBC in Birr. Rund 1500 Menschen, Werksangehörige mit ihren Familien aus 19 verschiedenen Nationen, zogen in die Industriesiedlung und krempelten das Bauerndorf Birr komplett um. Hatte dieses 1960 noch 730 Einwohnerinnen und Einwohner, so waren es nur acht Jahre später mehr als 2500.

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~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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Schweizer Fernsehen berichtet in einem ausführlichen Beitrag von den Herausforderungen in den Dorfschulen, wenn die Kinder aus 14 Nationen stammen. DER ANFANG EINER IDEALSTADT? Grossüberbauungen dieser Dimension kennt man Anfang der 1960er-Jahre in der Deutschschweiz praktisch noch nicht. Entsprechend gross ist das Interesse an diesem städtebaulichen Experiment im ländlichen Aargau. Die Neue Zürcher Zeitung betitelt einen ganzseitigen Bericht mit «Ein Stück Grossstadt in der Bauern-

Autobahnraststätte Würenlos, 1973. Die erste Shopping- und Gastrobrücke.

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gemeinde». Renommierte Planer schicken sich nun an, die zwei Haufendörfer Birr und Lupfig auf dem Reissbrett zu einer mittelgrossen Stadt mit rund 30000 Einwohnerinnen und Einwohnern zur transformieren. Das grosse Modell dieser Idealstadt findet 1962 an der Expo in Lausanne ein grosses Publikum als vorbildliches raumplanerisches Praxisbeispiel. Aber die Gartenstadt Birrfeld wird es nie geben, viel zu ambitioniert ist die Idee. Birr und Lupfig sind zwei Dörfer geblieben. Grosswohnsiedlungen hingegen scheinen sich als probate Mittel gegen die anhaltende Wohnungsnot zu bewähren. Als die Basler Chemiekonzerne sich wenig später anschicken, im Fricktal grossmassstäblich Wohnraum für ihre Belegschaften zu bauen, hält sich der Widerstand im Rahmen und der Skalierung nach oben scheinen keine Grenzen mehr gesetzt. Die Siedlung «Augarten» in Rheinfelden wird mit über 1000 Wohnungen zur eigentlichen Trabantenstadt mit Schulen, Kindergärten und einem Ladenzentrum. Unwesentlich kleiner ist die «Liebrüti» in Kaiseraugst. Der Bau der Telli-Siedlung in Aarau ab 1972 markiert den Höhepunkt dieser kurzen Phase, in der der Glaube an das Grosse in der Architektur unerschütterlich scheint. 1200 Wohnungen in lediglich vier riesenhaften Hochhäusern. Die Telli ist wahrlich die Königin unter den Grossüberbauungen. ~


~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

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Alter Bahnhübergang an der Bahnhofstrasse Baden um 1960. Jeweils zur Mittagszeit und nach Feierabend fluteten Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern der BBC die Altstadt. Für mehrere Stunden am Tag war der Verkehr praktisch lahmgelegt.

Die Neubaukolosse sind anfänglich beliebt, das Wohnen im Hochhaus absolut en vogue. Dass die Grossüberbauungen oft abgeschieden und schlecht an den öffentlichen Verkehr angebunden sind, stört die meisten Bewohnerinnen und Bewohner nicht, denn sie können sich in der Ära der Massenmotorisierung nun ein eigenes Auto leisten und der Bau der Autobahnen schreitet zügig voran. Ab 1971 kann die A1 zwischen Zürich und Bern durchgängig befahren werden. Der Nationalstrassenbau ist nicht nur das wohl grösste und komplexeste Tiefbauprojekt der Eidgenossenschaft, es hat auch eine Reihe von Architekturaufgaben im Schlepptau. Zum Beispiel die Autobahnraststätte. VON DER AUTOBAHNRASTSTÄTTE ZUR FLANIERZONE 1967 eröffnet in Kölliken die erste Schweizer Raststätte überhaupt. Neben der Tankstelle steht ein alter Speisewagen der SBB als Restaurant. Nur fünf Jahre später wird 1972 in Würenlos die Brückenraststätte Mövenpick – bald Fressbalken genannt – dem Betrieb übergeben. Kommentatoren meinen, es sei das europaweit grösste Bauwerk dieser Art und schnell gehört es zu den bekanntesten Gebäuden der Schweiz. Sogar im Freizeitpark Swissminiatur in Melide wird es neben Monumenten wie dem Schloss Chillon oder dem Bundeshaus ausgestellt.


~ Hintergrund ~ ZEITGESCHICHTE

Das Auto verliert seinen anfänglichen Zauber relativ schnell wieder. Insbesondere die Innenstädte ächzen unter der alltäglichen Blechlawine. Sie drohen im Durchgangsverkehr zu ersticken. In den 1960er-Jahren ist etwa in Baden der Kollaps nah. Nur ein radikaler Eingriff kann die Not mildern und so entsteht 1972 im kleinen Limmatstädtchen eine der ersten innerstädtischen Fussgängerzonen der Schweiz. Die Altstadtbewohner:innen und das Gewerbe atmen auf, das Leben kehrt zurück und bald folgen dem Beispiel praktisch alle Schweizer Städte. •

Nur ein radikaler Eingriff kann die Not mildern, und so entsteht 1972 im kleinen Limmatstädtchen eine der ersten innerstädtischen Fussgängerzonen der Schweiz.

Badstrasse in Baden um 1972. Baden erhielt 1972 die erste Fussgängerzone der Schweiz.

Fabian Furter ist freiberuflicher Historiker und Ausstellungsmacher in Baden. Als Co-Projektleiter und Autor von ZEITGESCHICHTE AARGAU hat er in Zusammenarbeit mit der Filmemacherin Simone Morger den Dokumentarfilm «STROMLAND» realisiert. Das Buch erschien im November 2021 und ist im Buchhandel erhältlich. Den Film gibt es unter zeitgeschichte-aargau.ch.

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r e m Im Verbindung ~ Dossier ~ MEDIENZEIT

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in


~ Dossier ~ MEDIENZEIT

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DO S

SIER

Von KARIN DEHMER ( Text) und IRENE MEIER (Illustration)

Alle Grosseltern kennen es – das Feilschen der Enkel um Bildschirmzeit. Smartphones gehören schon früh zum Leben. Was gilt es zu beachten? Und wann sind Sorgen berechtigt?

E

s gibt diesen einen Halbsatz, der Eltern auf der ganzen Welt auf die Palme bringt: «Nur noch dieses Game fertig!» Egal, ob die Kinder acht sind und Minecraft spielen oder dreizehn und an Fortnite hängen, es braucht etwas Zeit, herauszufinden, dass «nur noch» eine Minute oder zwanzig bedeuten kann. Und so wird das Kind mehrmals gemahnt, jetzt aber Schluss zu machen, bevor man es schliesslich verdächtigt, hinterrücks ein neues Spiel oder eine neue Serienfolge begonnen zu haben. Die Kinder wiederum quittieren solche Anschuldigungen mit Wutausbrüchen, die ihren Höhepunkt erreichen, wenn die Onlinezeit endgültig abgelaufen ist oder der Stecker gezogen wurde. Willkommen in der Vorabendhölle der meisten Haushalte, in denen Schulkinder und elektronische Geräte unter ~

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~ Dossier ~ MEDIENZEIT

48 einem Dach leben. «War meine elfjährige Enkelin bei mir, musste ich regelmässig den Raum verlassen, weil es mich beelendete, mitanzusehen, in welchen Sog sie verfiel, sobald ich ihr das Handy überliess», erinnert sich Grossmutter Marianne D. «Mehrmals musste ich sie bitten, es mir zurückzugeben, bis sie es endlich tat.» Nach Gesprächen mit der Enkelin und deren Eltern hat sich die Situation nun soweit entspannt, dass das Mädchen das Handy oder iPad der Grossmutter sofort aushändigt, wenn die vereinbarte Zeit abgelaufen ist. Bis vor kurzem kursierten verschiedene Faustregeln von Fachpersonen bezüglich Bildschirmzeiten für Kinder. Eine davon sieht von drei bis fünf Jahren eine halbe Stunde pro Tag vor, von sechs bis neun Jahren eine Stunde pro Tag und danach eine Stunde pro Lebensjahr pro Woche.

was später an Lern- und Erfahrungserlebnissen dazukommt, schwieriger zu verknüpfen. Eine Vereinseitigung findet aber nicht nur durch zu frühe oder zu häufige Onlinezeit statt, das passiert auch, wenn ehrgeizige Eltern ihren Dreijährigen täglich mehrere Stunden Geige spielen lassen.»

Mittlerweile kommen Medienpädagogen von solch fixen Regeln ab. Daniel Süss forscht zur Medienpsychologie. Im Interview auf Seite 50 erklärt er, dass erstens nicht alle Kinder im selben Alter gleich auf Medieninhalte reagieren – einige können gewisse Sachen früher verarbeiten als andere – und dass zweitens weniger die verbrachte Zeit am iPad oder Handy ausschlaggebend ist als deren Verhältnis zu anderen Aktivitäten: «Es ist von grosser Bedeutung, was das Kind neben dem Mediengebrauch sonst noch erlebt. Dass es motorisch und sprachlich gefördert wird, Menschen um sich hat, die ihm Geborgenheit und Aufmerksamkeit schenken.» Kinderneurologe Oswald Hasselmann vom Ostschweizer Kinderspital sieht das gleich. Er beschreibt die Entwicklung des menschlichen Gehirns wie den Bau eines Hauses: «Es gibt ein Fundament und darauf bauen verschiedene Stockwerke auf. Die oberen Geschosse sind nur so stabil wie es das Fundament ist. Wird dieses in frühester Kindheit schon sehr vereinseitigt, ist das,

ganz anderes, ob es ein Bilderbuch selbst anschaut oder ob ein Erwachsener ihm dabei hilft, die Bilder und die Geschichte einzuordnen. Dasselbe trifft auch auf bewegte Bilder zu», erklärt Daniel Süss. Was in jedem Alter dasselbe bleibt, ist die anfangs beschriebene Situation: Man kann den Kindern noch so sehr das Versprechen abnehmen, nach Ablauf der vereinbarten Zeit das Gerät wegzulegen, ist der Moment gekommen, reagieren die meisten frustriert. Neuropädiater Oswald Hasselmann erklärt das so: «Wir werden in diesen Games bedient mit Musik, schnellen Bildern und Gewinnanreizen. Dieses Spiel mit Abhängigkeit und Belohnung, Stressaufbau und Enttäuschung macht es schwierig für Kinder, aufzuhören. Solch ein Abhängigkeitsverhältnis ist von den Game-Herstellern durchaus beabsichtigt.» «Unsere Enkel sind 12 und 7, und wenn sie könnten, wären sie wohl immer am Handy», sagt Grossmutter Hanna H. «Die Eltern haben uns die Vorgabe gemacht, nicht mehr als zwei Stunden pro Tag und kei-

KLEINE KINDER BEOBACHTEN Soweit so entwarnend: Auch jüngere Kinder dürfen Zeit an elektronischen Geräten (mit altersgerechtem Inhalt) verbringen, sofern sie anderweitig gefördert werden. Die Kinder nehmen auch keinen Schaden, wenn sie mal unbeaufsichtigt eine halbe Stunde etwas schauen. Aber je jünger sie sind, desto wichtiger ist es, dass Eltern oder Grosseltern sie beobachten, dass Kinder Unterstützung dabei erhalten, Inhalte einzuordnen. «Es ist für ein Vorschulkind etwas

«Kleine Kinder brauchen Erwachsene, die sie dabei unterstützen, die bewegten Bilder einzuordnen.» DANIEL SÜSS, MEDIENPSYCHOLOGE

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~ Dossier ~ MEDIENZEIT

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«Je stabiler, also vielseitiger das Fundament der Kinder ist, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass die Jugendlichen völlig abdriften. » OSWALD HASSELMANN, KINDERNEUROLOGE

ne Handyzeit nach dem Znacht. Meistens halten wir uns daran, sind aber auch mal grosszügiger.» Was

wahrscheinlich ist es, dass die Jugendlichen völlig abdriften», entschärft Oswald Hasselmann solche

die Grosseltern bedauern, ist, dass die Kinder bei gemeinsamen Zugfahrten kaum mehr aus dem Fenster schauen. «Wir haben aufgegeben. Dafür können wir in Ruhe die Fahrt geniessen», sagt Hanna H. War es denn früher mit dem Fernseher nicht dasselbe? Mussten die Kinder, die heute Eltern sind, nicht vom Fernsehen weggezerrt werden? Grossmutter Hanna H. widerspricht: «Im Fernseher kam nicht den ganzen Tag etwas. Vor allem konnten wir den TV nicht auf Reisen mitnehmen.» «Der Vergleich zum traditionellen TV-Konsum hinkt gewaltig», meint auch Oswald Hasselmann. «Da gibt es grosse Unterschiede. Bei Fernsehfilmen oder -serien sehen wir eine Geschichte, ein Narrativ. In den Games gibt es diese vielschichtige Gesamtgeschichte nicht mehr. Die Komplexität bei den dargestellten Menschen oder Protagonisten mit ihren Stärken und Schwächen, die ihrem eigenen Wertesystem folgen, fällt bei den Games weg. Und dann kommt die Geschwindigkeit dazu. Natürlich ist das Fernsehen auch schneller geworden – wir empfinden 20- oder 30-jährige Filme mittlerweile als langsam – aber bei den Games ist die Szenenabfolge viel schneller. Ein Reflektieren über das, was man im Spiel vollzieht, ist gar nicht mehr möglich.»

Bedenken. Aber es ist schon so: Eine Fähigkeit zur Selbstregulierung besitzen die meisten Jugendlichen in diesem Alter noch nicht. Das liegt daran, dass der Teil des Gehirns, in dem die Selbstregulierung stattfindet, erst viel später ausgereift ist als jener Teil, der für die Bedürfnisse und deren Befriedigung zuständig ist. «Die Selbstregulierung bei dem Angebot an ablenkenden Reizen ist ein grosse Aufgabe. Sie ist uns allen nicht gleichermassen gegeben, wir müssen sie uns erarbeiten», erklärt Oswald Hasselmann. «Da brauchen Kinder und Jugendliche tatsächlich Unterstützung von Erwachsenen, die ihnen das vorleben.» Und Vorleben bedeutet, dass Erwachsene selbst einen bewussten Umgang mit ihren elektronischen Geräten pflegen und nicht selbstvergessen vor dem Bildschirm sitzen. Aber was, wenn der Grossvater die Zeitung auf dem iPad liest, die Grossmutter eine geschäftliche E-Mail auf dem Handy? Soll man dem Kind jedes Mal erklären, dass man etwas «Wichtiges» macht und kein Game spielt und keine Serie schaut? Medienpädagoge Süss muss bei dieser Frage schmunzeln: «Einen solchen Unterschied machen doch nur wir, die wir vor der Digitalisierung aufgewachsen sind. Ältere Kinder und Jugendliche wissen längst, dass digitale Medien das ganze Leben umfassen. Insofern bringt diese Erklärung nicht so viel.» •

SELBSTREGULIERUNG Solange es geht, versuchen Eltern und Grosseltern mit vielen Diskussionen die Online-Zeit ihrer Kinder im Griff zu behalten. Bis diese dann mit 12 oder 13 das eigene Handy kriegen und alles noch nervenaufreibender wird, die Furcht vor einer möglichen Sucht des Kindes zunimmt. «Um wieder das Bild mit dem Haus zu bemühen: Je stabiler, also vielseitiger das Fundament der Kinder ist, desto weniger # 01 ~ 2022


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« Etwas häufig und mit Leidenschaft zu tun, ist noch keine Sucht » DANIEL SÜSS LEHRT UND FORSCHT ZUM THEMA MEDIENPSYCHOLOGIE. DER PROFESSOR ÜBER GESUNDEN RÜCKZUG, BRUTALE GAMES UND DAS AUFRICHTIGE INTERESSE VON ERWACHSENEN. Von KARIN DEHMER (Interview)

Foto: John Flury

DANIEL SÜSS ist Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich.

Herr Süss, Sie sind seit Jahren ein in Medien und Öffentlichkeit viel gefragter Experte, wenn es um den Medienkonsum der Kinder geht. Haben sich die Fragen an Sie verändert? Gewisse Fragen bleiben. Danach, wann es zu viel ist oder wie sich Gewaltdarstellungen auswirken. Aber es gibt auch neue Themen, die durch neue Phänomene entstehen, wie zum Beispiel TikTok oder neue Games.

Mein 13-jähriger Sohn verbringt an einem freien Tag vier Stunden auf dem Fussballplatz, kommt dann nach Hause und verschwindet sofort in seinem Zimmer, wo er mehrere Stunden durchgamt. Ist das gesund? Wie wäre es denn, wenn Ihr Sohn vom Fussballspiel nach Hause käme und mehrere Stunden in Büchern lesen würde? Hätten Sie dann auch das Gefühl, es könnte nicht gesund sein?

Bleiben wir bei der Frage, wie viel zu viel ist. Da ist man ja von altersabhängigen Zeitempfehlungen abgekommen. Ja, die Eltern oder Grosseltern hätten es am liebsten, wenn sie klare Vorgaben bekämen: Ab dem und dem Alter nicht mehr als so und so viel Zeit. Aber das ist nicht wirklich hilfreich. Neu ins Bewusstsein gekommen – nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene – ist der Begriff der «Digital Life Balance». Also wie verhält sich die Medienzeit zu anderen täglichen Aktivitäten: Spielt das Kind draussen? Trifft es Freunde? Pflegt es ein Hobby? Wenn die Medienaktivitäten nicht alles dominieren, dann ist der Alltag entwicklungsförderlich und balanciert.

Natürlich nicht. Man kann doch verschiedenen Leidenschaften mit Begeisterung nachgehen. Das Gamen ist für viele Kinder und Jugendliche wie ein Sport: Man betreibt es mit Freunden, lebt seine Kompetitivität aus und ist stolz auf persönliche Fortschritte. Es ist etwas Gemeinsames, das die Kinder geniessen. Die Frage des Ungesundseins stellt sich, wenn das Kind nicht mehr genug schläft oder die schulischen Leistungen absacken. Jugendliche haben sich zu Hause schon immer zurückgezogen. Wir gingen vielleicht ins Zimmer und hörten Musik, heute gehen sie in ihr Zimmer und gamen oder verbringen Zeit auf Social Media.

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Also alles in allem ist unsere Angst vor einer möglichen Sucht übertrieben? Wenn jemand etwas mit Leidenschaft und zeitintensiv betreibt, dann ist das noch nicht per se eine Sucht. Das kann einfach eine Begeisterung sein, etwas, das viel Befriedigung gibt. Wann spricht man denn von Sucht? Von Sucht in einem klinischen Sinn spricht man, wenn es negative Auswirkungen gibt. Wenn andere Dinge, die man zuvor gern gemacht hat, vernachlässigt werden. Wenn ein sozialer Rückzug stattfindet. Wenn man beginnt, die Medienzeit vor anderen zu verbergen. Wenn man die Kontrolle verliert. Das wird dann auch von den meisten Betroffenen nicht mehr als angenehm erlebt. Sie leiden unter dem Zwang. Welches sind die unterschiedlichen Auswirkungen von einem zu hohen Mediengebrauch bei Kindern und Jugendlichen? Bei Kindern sind es mögliche Inhalte, die sie überfordern oder schockieren. Also wenn es ungewollt an pornografisches Material gelangt. Oder an einen Bericht über Kriegsopfer oder hungernde Kinder. Bei Jugendlichen liegt die Gefahr darin, dass sie online zu viel von sich preisgeben und sich so zu möglichen Opfern von Mobbing oder sexueller Belästigung machen. Oder sie entwickeln aufgrund von Bildern auf Social Media Selbstwertprobleme und eine gestörte Körper-Selbstwahrnehmung. Das ist für Mädchen ein grösseres Risiko als für Jungs.


~ Dossier ~ MEDIENZEIT

Könnten Sie sagen, was heikler ist: exzessives Gamen oder zu viel Social Media? Das eine ist nicht problematischer als das andere. Es sind andere Bereiche, die eine Rolle spielen. Beim Gamen ist es so, dass es die Jugendlichen – es sind tendenziell mehr die Buben – zu sehr hineinzieht und sie nicht mehr aufhören können. Social Media stellt eher eine Gefahr für eine Beeinträchtigung des Selbstwertes bei Mädchen dar. Mehr als die Hälfte der Mädchen ist nicht zufrieden mit ihrem Aussehen. Aber das war ja schon immer so, dass ein grosser Teil der Mädchen und Frauen unzufrieden ist mit ihrem Aussehen oder ihrem Köper. Das ist richtig. Sie verglichen früher ihr Äusseres mit Fotomodels, Sängerinnen oder Schauspielerinnen. Das Ganze wird jetzt aber durch die sozialen Medien verstärkt, weil da Bilder existieren, die digital bearbeitet wurden und somit unrealistische und unerreichbare Ideale darstellen, denen Mädchen nacheifern. Ganz abgesehen von den klar messbaren Likes und Kommentaren, die den sozialen Vergleich noch verstärken. Wie wichtig ist es, dass Eltern und Grosseltern den Mediengebrauch oder auch einzelne Games und Aktivitäten der Kinder nicht negativ bewerten? Grundsätzlich ist es für Kinder und Jugendliche wichtig, dass die Erwachsenen ihnen mit echtem Interesse begegnen, nicht mit Vorurteilen. Insofern ist es wichtig, dass sie etwas, das sie nicht kennen, nicht negativ bewerten. Ist ein Jugendlicher begeistert von einem Game, sollen die Erwachsenen nachfragen, was ihn daran fasziniert. Auch bei Shooter-Games lieber zuerst fragen, was denn das Spannende daran ist, bevor man davon ausgeht, die Kinder verherrlichen Gewalt. Vermutlich wird

man überrascht damit, dass nicht das Töten im Vordergrund steht, sondern die Taktik und das Zusammenspiel mit den anderen Mitspielern, das man entwickeln muss. Was aber die Brutalität solcher Games nicht schmälert. Als Erstes soll man die Neugierde aufbringen, die Jugendlichen in ihrem Interesse zu verstehen. Aber dann darf man selbstverständlich eigene Werthaltungen oder Bedenken zum Ausdruck bringen. So entsteht ein ehrlicher und offener Austausch. Dürfen Grosseltern ganz andere Regeln bezüglich Medienkonsum aufstellen als zu Hause gelten? Kinder lernen, dass an verschiedenen Aufenthaltsorten andere Regeln gelten. Insofern ist das kein Problem. Meist sind Grosseltern ja eher etwas grosszügiger als die Eltern. Das darf so sein. Wichtig ist, dass sie nicht die Erziehungsansätze der Eltern torpedieren. Also wenn die Eltern es strikt nicht wünschen, dass ihre Kinder bei den Grosseltern doppelt so viel Zeit vor dem Fernsehen sitzen, ist es wichtig, dass die Grosseltern das respektieren und nicht die Haltung der Eltern vor den Kindern kritisieren. Ein bekanntes Phänomen: Man macht mit den Kindern eine Zeit aus, die sie mit Medienkonsum verbringen dürfen. Ist die Zeit um, sind sie frustriert und betteln nach mehr. Gibt’s einen Weg, das zu umgehen? Online-Spiele sind so angelegt, dass man Belohnungen erreichen kann, die unvorhersehbar auftauchen, und das will man ja nicht verpassen. Oder die Spiele laufen weiter, wenn man aufhört, und man hat ebenfalls das Gefühl, etwas zu verpassen. Am besten ist es, bereits im Voraus nicht nur eine Zeit

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auszumachen, sondern auch gleich festzulegen, was man danach gemeinsam unternehmen will. Bestenfalls etwas, das die Kinder auch gern machen. So kann der Absturz ins Erregungsloch verhindert werden (lacht). Kinder müssen gewisse Games oder Serien doch einfach kennen, damit sie bei ihren Peers integriert sind? Das ist aber nichts Neues. Früher waren es die Musik oder TV-Serien, die man kennen musste. Ich finde es wichtig, den Kindern genug Selbstbewusstsein zu vermitteln, damit sie auch dazu stehen können, dass sie gewisse Serien oder Spiele nicht sehen dürfen oder dass sie diese nicht interessieren. Sie sollen den Mut aufbringen, dem Mainstream nicht zu folgen, nicht jedem Gruppendruck nachzugeben. Zum Glück ist die Vielfalt im Angebot so gross, dass es für jeden oder jede etwas gibt. Wenn ein Jugendlicher ein problematisches Verhalten im Umgang mit seiner Onlinezeit an den Tag legt, aber keine Intervention oder Hilfe annehmen will, sind einem da die Hände gebunden? Ja, das ist wirklich nicht einfach. Es braucht eine gewisse Einsicht. Wenn die Intervention durch Fachpersonen beharrlich abgelehnt wird, kann man sich an Freunde des Betroffenen wenden. In dieser sogenannten «Peer-Beratung» spiegeln Freunde dem Betroffenen dessen Verhalten, beispielsweise, dass er oder sie nicht mehr zu gemeinsamen Unternehmungen rauskommt oder nur noch am Handy hängt. Das wird eher angenommen. Wichtig ist auch, nicht einfach ein problematisches Medienverhalten zu unterbinden, sondern herauszufinden, was dazu geführt hat, welche Bedürfnisse damit gestillt werden. Dann kann man Alternativen finden, die dem oder der Betroffenen zu einem besseren Alltag verhelfen. •


~ Dossier ~ MEDIENZEIT

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• Bisherige Interessen, Hobbys und Freundschaften werden vernachlässigt. • Das Kind reagiert gereizt, leidet unter Stimmungsschwankungen. • Müdigkeit und Antriebslosigkeit. • Rückzug. MÖGLICHE AUSWIRKUNGEN VON ZU VIEL ONLINE-ZEIT

Achtung: Diesen Verhaltensweisen können auch Pubertät oder Schwierigkeiten mit Freundinnen und Freunden zu Grunde liegen.

Alle elektronischen Geräte über Nacht ausserhalb des Zimmers aufbewahren. Mindestens eine halbe Stunde vor der Nachtruhe auf den Gebrauch

von Bildschirmen verzichten. Gemeinsam mit dem Kind bildschirmfreie Zeiten definieren (bildschirmfrei heisst auch kein TV). Interesse an den Inhalten oder Games zeigen. Mitschauen oder mitspielen. Bewusste Mediennutzung vorleben. Einzelne Apps können direkt auf dem Gerät zeitlich beschränkt werden mithilfe eines Passwortes, das nur die Erwachsenen kennen. Dieses Vorgehen sollte mit dem Kind besprochen werden und ist Sache der Eltern. Bieten Sie dem Kind dem Alter entsprechende Offline-Alternativen an (Brettspiele, Ausflüge).

UMGANG MIT DEM EIGENEN HANDY

ACHTUNG VOR CYBERMOBBING

• • • •

DIE LIEBLINGE DER JUGENDLICHEN Apps: Instagram, Whatsapp, Snapchat, YouTube, TikTok, Netflix, Spotify. Serien: Das Haus des Geldes, Prison Break, Riverdale. Auch wieder aktuell: Friends, die Sitcom aus den 90erJahren. Games: Call of Duty, Fortnite, Minecraft, FIFA

DIE LIEBLINGE DER KINDER Serien: Paw Patrol, Peppa Wutz, Feuerwehrmann Sam, PJ Masks, Yakari Games: Super Mario, Super Mario Kart, Lego, Minecraft, Angry Birds, Talking Tom and Friends, FIFA ADELE-Studie 2020 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Activites, Digitales, Education, Loisirs, Enfants)

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JAMES-Studie 2020 der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Zürich (Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz)


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Weitere Informationen • Handy und Accounts oder Apps mit sicheren Passwörtern schützen und diese nicht weitergeben • Die Social-Media-Kanäle auf «Privatsphäre» einstellen und nur Freunde akzeptieren, die man auch im realen Leben kennt • Keine beleidigenden Kommentare und keine komprimittierenden Fotos posten. • Nicht auf Sexting (erotischer

DIGITAL-LIFE-BALANCE Franz Eidenbenz, Beobachter, 2021, 35 Franken

Dieser Ratgeber hilft, die Kontrolle über den digitalen Konsum zurückzugewinnen und das Gleichgewicht zwischen echtem und virtuellem Leben herzustellen, bevor eine Sucht droht.

Fototausch) eingehen.

Im Fall von Mobbing: Vergewissern Sie sich, dass es sich wirklich um Cyber-Mobbing und nicht um einen normalen Streit handelt, der online ausgetragen wird. Informieren Sie die Lehrperson,

JETZT PACK DOCH MAL DAS HANDY WEG!

sie kann die richtige Fachstelle einschalten, oder erstatten Sie Anzeige. Beweismaterial speichern: Screenshots von Unterhaltungen, Posts, Nachrichten und Bildern. Ermutigen Sie Ihr Kind, sich für andere einzusetzen und/oder externe Hilfe zu suchen, wenn diese gemobbt werden.

Thomas Feibel, Ullstein, 2017, 15 Franken

Kurzweiliges Buch, das Erwachsenen- und Kinderseite einfühlsam unter die Lupe nimmt und gute Lösungsvorschläge bietet. Thomas Feibel ist einer der führenden Kinder-Medienexperten Deutschlands.

SO HELFEN SIE DEM KIND NACH ABLAUF DER ONLINE-ZEIT

• Setzen Sie sich gegen

Ende der ausgemachten Zeit neben das Kind. Schauen Sie mit. Besprechen Sie, wann ein guter Moment für den Ausstieg wäre: Beim nächsten erreichten Level, am Ende des Games, bei einer Serie oder einem Film, wenn ein Spannungshöhepunkt abflacht. Besprechen Sie schon vor der Bildschirmzeit, was Sie danach gemeinsam unternehmen wollen.

JUGENDUNDMEDIEN.CH Nationale Plattform des Bundesamts für Sozialversicherungen zur Förderung von Medienkompetenzen. Hier findet man auf die meisten Fragen rund um Mediennutzung Antworten oder weiterführende Hinweise, eine Auflistung der Beratungsstellen sowie Antworten auf Rechtsfragen, Broschüren zum Herunterladen oder Bestellen.

PROJUVENTUTE.CH/DE/ ELTERN/MEDIENINTERNET Auch auf der Website der ProJuventute finden sich umfangreiche Informationen rund um die Mediennutzung und Medienkompetenz.

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~ Aus der Praxis ~ DER HAUSARZT

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Illustration: Irene Meier

B&B

Unsichere Faktenlage

Nicht zu allen Symptomen finden sich passende Diagnosen oder klare Fakten. Ärzte und medizinisches Fachpersonal werden gezwungen, Annahmen zu treffen.

E EDY RIESEN (70) war als Hausarzt in Ziefen (BL) tätig. Er führte bis vor Kurzem eine Praxis mit seinem Schwiegersohn und ist mehrfacher Grossvater.

s ist in der praktischen Medizin häufig, dass der Arzt keine Daten findet, die Auskunft geben über einen bestimmten Fall. Dann muss er selbst entscheiden. In der angelsächsischen Literatur nennt sich das ein «Educated Guess». Das kann man umschreiben mit «wohlbegründeter Vermutung» oder «auf Kenntnis und Tatsachen gestützte Annahme». Für den Hausarzt gehört das zum Alltag. Immer wieder passen Menschen nicht genau in ein Therapieschema oder in eine medizinische Kategorie. Dann entscheidet der Arzt (klugerweise gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten), welchen Weg man einschlägt auf Grund von Erfahrungen und abgeleiteten Daten aus Studien (die aber nicht genau die erwünschte Antwort geben). Bei Prognosen ist das noch schwieriger als bei Therapien. Dies ist nun in der grossen Dimension der Fall in der Pandemie. Verschiedene Fachrichtungen bringen ihre Erfahrungen ein: Labormediziner, Kliniker, Infektiologen, Epidemiologen usw.

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55 Das ergibt eine Vielfalt von Ideen. Aber es fehlen die gesicherten Daten und die Pandemie geht rasend voran. Die Mitarbeitenden der Task Force hinken eigentlich immer ein paar Schritte nach. Dennoch müssen sie einen «Educated Guess» machen und sich zu einem Entscheid durchringen. Genau das ist für das Publikum schwer verständlich. Die Allgemeinheit erwartet sichere Antworten und erhält «nur» Vermutungen. Für uns Mediziner aber gehört das zum Alltag. Es ist zwar ein ungeheures Ausmass an Daten und Wissen da, aber ebenso gibt es überall Lücken. Die Medizin kennt die Kultur der laufenden Debatte und man spricht manchmal scherzhaft vom «momentanen Stand des Irrtums». Immer wieder hört man bei der Diskussion neuer Studien das geflügelte Wort, man habe zwar mehr erfahren, aber man sei jetzt verwirrt auf einem höheren Niveau. Zurück zur Sprechstunde: Nehmen wir das Beispiel von Nebenwirkungen eines Blutdruckmittels. Dazu gibt es viele Anga-

«Watchful Waiting». Man wartet aufmerksam ab, weiss, dass der Patient sich meldet bei einer Verschlechterung und vor allem kein Antibiotikum! Die heutigen Patienten sind dafür dankbar. Aber eben, auch diese «Diagnose» ist eine Vermutung und wäre nur mit aufwendigem Labor sicherzustellen. Die Medizin wird in der öffentlichen Meinung zu eindeutig und exakt wahrgenommen. Dabei gibt es unendlich viele Unschärfen, wo keine Diagnose passt. Als alter Kämpe wird mir in dieser Pandemie bewusst, wie wir verwöhnten Menschen jegliche Unsicherheit schlecht tolerieren und wie wir Patentlösungen einfordern, die es nicht gibt. Manchmal muss man den weniger schlechten Weg wählen. Auch dass die Medizin sich weiter rasant entwickelt und so innovativ ist, macht stutzig, sodass manche Leute glauben, es stecke eine Verschwörung dahinter. Beispiel mRNA Impfstoffe, die strukturell schon 30 Jahre bekannt sind und seit zehn Jahren bei Tumorbehandlungen eingesetzt werden. Mit diesem Mix aus ungelösten oder nicht lösbaren

ben, aber genau die Patientin, die dem Arzt gegenübersitzt, ist überzeugt, eine Nebenwirkung zu haben, die man auf der Liste

Problemen, neuen, innovativen Therapien, unsicheren Prognosen und Vorschriften fertig zu werden, ist für viele Laien eine Überforderung. Fake news und wilde Theorien verwirren empfängliche Personen zusätzlich. Wenige Kollegen, Ärzte, Wissenschaftler bis zu Nobelpreisträgern, die ohne Grundlagen aus der Reihe tanzen, richten mit ihren Kampagnen grossen Schaden an. Ich denke, dass die Medizin als Fach viel tun muss in den nächsten Jahren, um sich besser zu erklären. Der Pluspunkt ist der Leistungsausweis. Auch der Anthroposophe lässt sich die Hüfte operieren, wenn es ihm zu viel wird, und der verunfallte Verschwörungstheoretiker lässt seinen übel gebrochenen Arm durch die Handchirurgin zusammenflicken, die Kräuterfrau beansprucht eine Staroperation. Bei allen diesen Gelegenheiten müssen wir Ärzte sanft und beharrlich den Dialog suchen. Der Moment des Vertrauens ist unsere Chance. •

nicht findet. Phantasiert sie? Ist es ein Nocebo-Effekt (negativer Placeboeffekt) oder doch eine echte Nebenwirkung? Patientin und Arzt entscheiden sich für Letzteres und wechseln das Medikament entgegen der Empfehlung. Das ist eine typische Situation, wo der Menschenverstand zusammen mit Erfahrung und Empathie Vorrang hat vor den wissenschaftlichen Angaben. Ein weiteres Beispiel: In einer «normalen» Grippewelle kommt ein 40-jähriger Mann, erschöpft, mit hohem Fieber und tiefem Blutdruck. Dazu kommen Kopfschmerzen und trockener Husten. Beim Abhören alles i.O. Auf dem Röntgenbild sieht man nur eine diskrete Trübung. Typischer Fall für einen «Educated Guess»: Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für Influenza (Grippe). Jetzt gleich ein weiteres wunderbares englisches Wort:

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~ Aus der Praxis ~ DIE HEBAMME

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Nonnas Liebe geht durch den Magen

CAROLE LÜSCHER (47) ist Hebamme Msc, Geschäftsführerin der Hebammenpraxis 9punkt9 in Bern, freie Dozentin und engagiert sich berufspolitisch. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. 9punkt9.ch

Eine junge Mutter sorgt sich, die Bauchschmerzen ihres Säuglings könnten vom Essen der Grossmutter herrühren.

«

Laurin hatte gestern Abend starke Bauchkrämpfli. Das ist wahrscheinlich, weil ich eine Lasagne mit Knoblauch gegessen habe», sagt Eva, und schaut zuerst mich schuldbewusst an, dann den zwei Wochen alten Laurin, der in ihren Armen liegt und leicht quengelig ist. «Soll ich ihm Fencheltee geben?» Maria, Evas Mutter, steht in der Küche. Es riecht bereits verführerisch nach italienischem Essen. «Wir haben ziemliche Diskussionen. Meine Mutter kocht sehr gut, und natürlich hat es auch Zwiebeln und Knoblauch drin. Sie will nichts von Blähungen wegen ihres Essens wissen, sie hätten früher auch nicht so ein Trara gemacht, wenn das Baby ein bisschen gepupst und geweint hätte, der Kleine müsse abgehärtet werden. Mein Mann hat gegoogelt und kam mit einer langen Liste mit allem, was ich nun nicht mehr essen darf – eine neue, die nun die Liste am Kühlschrank ersetzt, die er mir während der Schwangerschaft gemacht hat.» Eva scheint gleichzeitig besorgt und genervt. Inzwischen ist Laurin auf ihrem Arm eingeschlafen. Maria setzt sich neben uns auf das Sofa. «No, no, Cara, so habe ich das nicht gemeint.» Sie legt ihre

Hand auf Evas Arm. «Das hat damals meine Mutter zu mir gesagt, wenn du Krämpfe hattest. Sie wollte, dass ich dich weinend ins Bett lege. Das habe ich natürlich nicht getan.» «Und was hast du dann gemacht?», fragt Eva. «Ich ging mit dir ins Zimmer, habe dich herumgetragen und dir vorgesungen, da hast du dich auch beruhigt. Und als du dann eingeschlafen bist, meinten alle, es hätte ja gut funktioniert.» Evas Schultern senken sich. Nach einer Pause sagt Maria: «Ich habe extra wenig Zwiebeln und Knoblauch hineingetan. Aber du musst trotzdem gut essen, weil du viel Energie für das Baby und das Stillen brauchst.» Ich nicke, sage aber nichts. «Wie ist das denn nun mit dem Fencheltee?», wendet sich Eva wieder mir zu. «Die häufigste Ursache für Krämpfli, das tönt vielleicht komisch, ist nicht das Essen der Mutter, sondern Müdigkeit und Überreizung des Babys», antworte ich. «Mit zwei Wochen hat das Baby einen Wachstumsschub. Es nimmt mehr wahr, ist offener, wacher und muss auch mehr verarbeiten. Das Nervensystem, das zu einem grossen Teil in seinem Bauch ist, reagiert auf diese grössere Belastung. Und das zeigt sich dann mit Bauchschmerzen.» Eva denkt nach. «Ja, das macht Sinn. Gestern hat er lange herumgeschaut und war wach, wie noch nie vorher, und hat viel weniger geschlafen als sonst. Und das erste Mal schlief er dann nicht einfach ein, sondern musste fest weinen. Wir meinten, es seien Krämpfe, dabei war er wahrscheinlich total übermüdet.» Eva schaut ihre Mama an und lacht: «Also weiter Nonnas Lasagne und Mamas Liebe!» •

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~ Aus der Praxis ~ DIE PSYCHOLOGIN

Abwesende Grosseltern EIN SOHN (34) FRAGT: Im letzten Sommer haben meine Eltern einen kleinen Gutshof in Umbrien (I) gekauft, den sie zurzeit renovieren lassen mit dem Ziel, im kommenden Frühjahr auszuwandern und ein Bed & Breakfast zu betreiben. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern und gerade zum zweiten Mal Vater geworden. Obwohl ich mich für meine Eltern über ihre Zukunftspläne freue, bin ich auch etwas enttäuscht darüber, dass sie das Aufwachsen ihrer Enkelkinder nur am Rand miterleben werden und dieser Umstand ihnen irgendwie egal zu sein scheint.

DAGMAR SCHIFFERLI (67) ist Psychologin und Dozentin für Gerontologie und Sozialpädagogik, veröffentlicht zudem Romane und Erzählungen. Sie hat eine Tochter und drei Enkelkinder. dagmarschifferli.ch Fragen an: beratung@grosseltern-magazin.ch Die Fragen werden anonymisiert.

S

o schmerzhaft es für Sie ist, so deutlich wird an Ihrer privaten familiären Situation sichtbar, wie stark sich das Rollenverständnis der Grosseltern verändert hat. Ihre Eltern sind auch nach der Pensionierung unternehmungslustig, aktiv und bereit, sich auf neue Herausforderungen einzulassen. Es hört sich an, als wollten sie sich mit dem B&B in Italien einen lang gehegten Wunsch erfüllen. Möglich, dass sie dies Ihnen gegenüber auch bereits angedeutet haben. Nun, da die Entscheidung ansteht, erhält diese eine grosse Dringlichkeit. Ich denke, dass es hier, wie so oft, kein eindeutiges Entweder-Oder gibt. Ihre Eltern werden zwar nicht mehr direkt anwesend sein, auch nicht zur Betreuung Ihrer Kinder und zum anderweitigen Austausch mit Ihnen und Ihrer Familie. Aber ganz weg sind sie auch nicht. Dass sie ein B&B betreiben werden, hat für Sie sogar den Vorteil, dass bei Ihren Besuchen genügend Platz vorhanden wäre. Weiterhin sind ja auch Kontakte über Zoom, Skype und andere Videoschaltungen möglich, die selbstverständlich den direkten Kontakt nicht auszugleichen vermögen. Ich verstehe Ihre Enttäuschung sehr gut. Sie freuen sich über das zweite Kind und werden Ihre weitere Lebensgestaltung den Ansprüchen der nun grösser gewordenen Familie anpassen. Gleichzeitig würden Sie auch vermehrt die Unterstützung durch Ihre Eltern benötigen. Wie Sie nun schmerzlich erfahren, haben Ihre Eltern jedoch andere Pläne. Wichtig ist es, dass Sie die Entscheidung Ihrer Eltern nicht als gegen Sie gerichtet empfinden. Und genauso wichtig scheint mir, dass Sie Ihre Gefühle den Eltern gegenüber in einer ruhigen Minute mitteilen, um dann gemeinsam zu überlegen, was unternommen werden könnte, damit keine Verletzungen und kein schlechtes Gewissen zurückbleiben. •

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~ Service ~ UNTERWEGS

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Von KARIN DEHMER (Text) und MARIE-ANNE SPROSS (Illustration)

WINTERTHUR 2 6

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Ein Tag wird nicht reichen, alles zu entdecken: Das Freizeitangebot Winterthurs lädt zum Experimentieren, Jumpen, Golfen, Staunen und Spielen ein.

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KERALA KINDERMUSEUM Keralas Kindermuseum im Winterthurer Naturmu-

SKILLS PARK Die schweizweit einzigartige Sport- und Freizeitanlage bietet auf 6000 m²

URBAN GOLF Wenn vom Kopfsteinpflaster abgeschlagen und im Mülleimer eingelocht

OUTDOOR SKATEPARK Grosszügiger Skatepark mit Wellenbahn – der drittgrösste Outdoor-Skatepark

seum macht Natur für die Jüngsten begreifbar. Hier werden ausgestopfte Tiere gestreichelt und Geschichten gehört. Aufgeschlagene Grossbücher zeigen Lebensräume, denen die Kinder Tiere zuordnen können. Der begehbare Fuchsund Dachsbau lädt zur Entdeckung ein. Dutzende Themenkisten zum Erforschen und Spielen sowie ein grosses Bastelangebot.

actionreiche, modernste Anlagen für alle, die Bewegung lieben. Trampoline, Half-Pipes, Pumptracks, Bike- und Trotti-Parcours: Anfänger und Profis, Klein und Gross bewegen sich in den verschiedenen Zonen nebeneinander.

wird, dann nennt man das Urban Golf. Der Parcours führt von alten Industriehallen zu grünen Parkanlagen und staubigen Plätzen. Zeitbedarf ca. 3 Stunden. Geeignet für Kinder ab 8 Jahren. Materialausgabe beim Skills Park.

der Schweiz.

Lagerplatz 17

Lagerplatz 17

skillspark.ch

urbangolf-winterthur.ch

Museumstrasse 52 stadt.winterthur.ch/ naturmuseum

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TECHNORAMA Oldie but Goldie: Das Technorama ermöglicht Erfahrungen mit Hunderten von Phänomenen aus Natur und Technik. An unzähligen Experimentierstationen können die Besuchenden Naturphänomene mit allen Sinnen erleben und manipulieren. Ein Experimentierfeld für die ganze Familie.

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CASINOTHEATER Seit 2002 bietet das Theaterhaus eine in der Schweiz einmalige Plattform für Kleinbühnen-Kunst mit Comedy, Satire, Kabarett, Poetry-Slam, Improtheater und Musik. Immer wieder im Programm auch Kinderaufführungen, zum Beispiel «Räuber Hotzenplotz» am 2. April. Stadthausstrasse 119 casinotheater.ch

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ABENTEUERSPIELPLATZ «PLATZ» Sozialpädagogisch begleiteter Abenteuerspielplatz. Der PLATZ bietet Raum, in dem Kinder eigene Ideen entwickeln, ihre Fantasien umsetzen, sich spielerisch Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen können. Mittwoch und Freitag von 13.30 bis 17 Uhr. Der Platz steht allen Kindern und Eltern offen. Man kommt ohne Anmeldung und bleibt, solange man Lust hat. Eichliwaldstrasse 9 platz-winti.ch

Technoramastrasse 1 technorama.ch

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Im Link 10 skaterparkguide.ch

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WILDPARK BRUDERHAUS Der Wildpark Bruderhaus liegt mitten im riesigen Eschenbergwald zwischen der Altstadt und der Töss. Tierpark, Waldlehrpfad, Geologie- und Vogellehrpfad bieten Gross und Klein abwechslungsreiche Einblicke in die Natur. Daneben sorgen der grosse Spielplatz, zwei Rastplätze und der «Windel-Wander-Weg» für einen unterhaltsamen Familientag. Hungrige und durstige Gäste sind im Restaurant Bruderhaus gut aufgehoben. Ab Haltestelle Breite (Buslinie 4) zu Fuss auf signalisierten Wanderwegen etwa 30 Minuten. wildparkverein.ch


~ Service ~ UNTERWEGS

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~ Wandern ~

Baldegg – Birmenstorf ~ Übernachten ~

Jurtendorf Der bekannte Luzerner Wallfahrtsort Luthern Bad liegt eingebettet in den grünen Hügeln des Napfs. Ausserhalb des Weilers befindet sich in einem kleinen Tal, durch das ein Bach fliesst, das Jurtendorf. Hier übernachten grössere und kleinere Gruppen in Jurten in verschiedenen Grössen und mit variierenden Einrichtungsstandards. Gegessen wird in der wohligen «Drachenjurte». Es gibt eine WCund Duschanlage, eine Saunajurte sowie eine beheizbare Aussenbadewanne. Eine Übernachtung für zwei Erwachsene und zwei Kinder inkl. Halbpension: 250 Franken. ~KD

JURTENDORF 6156 Luthern Bad 041 978 01 93 info@jurtendorf.ch

Eine schöne Spätwinterwanderung führt vom Badener Ausflugsberg Baldegg über den Petersberg nach Birmenstorf und weiter der Reuss entlang nach Gebenstorf. Von der Bushaltestelle Baldegg folgt man zuerst einer schnurgeraden Strasse durch den Wald bis zum Petersberg, der eigentlich kein Berg ist, sondern ein Weiler oberhalb von Birmenstorf. Hier gibt es am Waldrand mit herrlicher Weitsicht eine schöne Feuerstelle. Vom Petersberg führt der Weg durch den Rebberg hinunter nach Birmenstorf. Wer jetzt bereits genug frische Luft geschnappt hat, kehrt im Bären ein und nimmt dann den Bus zurück nach Baden. Ansonsten könnte eine schöne Auenwanderung angeschlossen werden. Am Dorfende von Birmenstorf zweigt der Wanderweg ab hinunter ans Ufer der Reuss. Dieser Weg ist gerade im Frühjahr wunderschön, aber leider nicht kinderwagentauglich. ~KD

VON DER BALDEGG NACH BIRMENSTORF (AG) Start: Baldegg, mit dem Bus ab Bahnhof Baden erreichbar. Ziel: Birmenstorf (1 Stunde) oder weiter bis Gebenstorf (1.5 Stunden) Von beiden Orten gelangt man mit dem Bus zurück nach Baden Einkehren: Bären Birmenstorf zumbaeren.ch

jurtendorf.ch

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KULTURTIPPS WEG AUS DER SCHWEIZ

~ Ausflugstipps ~

bis 24. April Landesmuseum, Zürich landesmuseum.ch

AUSSERGEWÖHNLICHE AUSFLÜGE Nichts ist für Kinder so wertvoll wie miteinander verbrachte Zeit. Zu entdecken gibt’s Spannendes, Lehrreiches und Überraschendes – Angebote, die nicht nur Kinder begeistern.

Die eidgenössische Auswanderungsgeschichte ist vielfältig, spannend, manchmal auch tragisch. Armut und Arbeitslosigkeit trieben bis ins 20. Jahrhundert viele Schweizer:innen ins Ausland. Die Ausstellung widmet sich den mitreissenden Geschichten von Frauen, Männern und Familien, die ihr Glück in der Ferne suchten.

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Chalet Suisse in Leopoldville, Kongo, 1933.

MIT KINDERN PHILOSOPHIEREN 2. März 14–15 Uhr Ab 8 Jahren. Berner Generationenhaus intergeneration.ch

Ausgehend von einer Geschichte oder einem Gedankenexperiment philosophieren Kinder (mit Geschichtenerzählerin Sapperlotta) und Erwachsene (mit Philosoph Silvan Imhof) in getrennten Gruppen zur Frage, was wir zukünftigen Generationen schulden.

MIT ZAUBERIN LILLY IM MUSEUM

Die Kinderregion sprudelt nur so vor Ideen für gemeinsame Erlebnisse und Abenteuer im Grossraum Zürich. Wie wäre es mit einer Kinderführung in der Urania-Sternwarte, bei der zukünftige Astrolog:innen die Weite des Universums bewundern und die Sterne zählen? Auf Schleckmäuler wartet eine besondere Stadtrundfahrt im ETukTuk mit Schokoladen-Fondue. In den zahlreichen interaktiven Museen packen kleine Forscher:innen gleich selber an und lernen Spannendes über Geschichte, Natur und Kunst. Im Historischen Museum Baden zum Beispiel geht’s mit einem Tablet ausgerüstet auf eine Zeitreise durch die Stadt. Im Kulturama in Zürich erfahren Kinder beim Rätseln, Ausprobieren und Spielen, wie der Mensch entstanden ist und wie die Sinne funktionieren. Und in der Umwelt Arena in Spreitenbach finden sie heraus, was es mit der Umwelt oder dem Thema Nachhaltigkeit auf sich hat. Weitere Ausflugsideen und Informationen:

13. April 9.30–11.30/14–16 Uhr Ab 5 Jahren. Museum Langmatt, Baden langmatt.ch

kinderregion.ch/ausflugsideen

Ausgerüstet mit Zauberhut und Zauberstab begeben wir uns ins Museum, wo wir Lilly und ihren Kater kennenlernen. Wir folgen Spuren, entdecken Bilder und malen und basteln im Atelier.

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Pläne schmieden leicht gemacht: Die Erlebnisplattform informiert über bekannte Ausflugsziele und verrät Geheimtipps – für kleine Wundernasen, Wasserratten und Weltentdecker:innen. Ein Artikel in Zusammenarbeit mit


~ Service ~ UNTERWEGS

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Märchen und Codes u seu

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TER S E T S His EULMuzern S U M ch t or i s

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Historisches Museum Luzern Pfistergasse 24 6003 Luzern Di–So 10–17 Uhr Erwachsene 10 Franken Kinder ab 6 Jahren 3 Franken Täglich reiches Programm für Familien historischesmuseum.lu.ch

A

n der Kasse im Historischen Museum Luzern bekommen die Grossmutter und Felia (8) freundliche Infos über ein Tablet, in dem digital geführte Rundgänge und Quizaufgaben zu vielen Themen stecken. Bis die Theatertour beginnt, zu der sie angemeldet sind, schauen sie sich ohne Tablet um: Alle Objekte sind in Vitrinen oder hinter Gittern. Und es sind so viele! Überall kleben Strichcodes, als ob die Vitrinen und Schubladen mit gelben Preisschildern ausgezeichnet wären. Da kommt aber schon der Uhrmacher Herr Drosselmayer, der die Zuschauer einlässt in das Museumsdepot und sie über geheimnisvolle Hintertreppen immer tiefer hinein führt in die Zauber-Geschichte von «Marie und der Nussknacker» und zu lebendig werdenden Objekten. Grossmutter und Felia lassen sich grossäugig verzaubern und müssen heftig blinzeln, als sie wie-

der «vorne» im Museum ankommen. Nun stürzen sie sich in das Tablet-Quiz zu den Engeln. 30 Minuten später liegen sie 100 Prozent richtig und gewinnen einen Silbertaler aus dem Tresor. Nach der Pizza an der Sonne jagen sie noch die Objekte vom Quiz «Typisch Mädchen, typisch Jungs?» Puh, da geht es vom ersten Stockwerk ins dritte und in den hintersten Teil vom zweiten – zum Glück kennen sie jetzt die Anordnung innerhalb der Stockwerke und wissen, wie sie die angewiesene Vitrine finden, um den Code einzulesen und Infos und Fragen zu erhalten. Der zweite Silbertaler ist ihnen gewiss! Fazit: Die Grossmutter freut sich am Atmosphärenwechsel zwischen der märchenhaften Theaterwelt und der spannend erschlossenen Geschichte im Schau-Depot. Felia liebt besonders das «Detektivsein» mit dem Tablet. •

ELI WILHELM (61) testet mit Enkelinnen, befreundeten Kindern und Jugendlichen regelmässig Museen. museumstester.ch

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~ Service ~ EINKAUFEN

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Schön Gut

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1 Stuhl «Lotus» Von Horgenglarus. Holzstuhl aus Schweizer Manufaktur. 648 Franken. 2 Ess.Tee.Tisch Von Horgenglarus. Das variable Untergestell zaubert mit einem Handgriff aus einem Esstisch einen tiefer gelegenen Teetisch. 4325 Franken. 3 Besteckset in Mattgold Von Sola. 24 Teile. Aus Edelstahl. 338 Franken. 4 Sideboard «Stockholm» Von Punt. 4186 Franken. 5 Suppenteller «Eclipse» im Set Von Vaidava. Keramik. 128 Franken. 6 4er-Set Trinkgläser «Smoke» Von Broste Copenhagen. 54 Franken. 7 Tischleuchte «Original 1227» Von Anglepoise. Neu aufgelegte Version des Designklassikers aus dem Jahr 1935. 346 Franken.

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Die Artikel auf dieser Seite wurden zusammengestellt von Mooris.ch, der Online-Plattform für Möbel, Mode und Lifestyle. Mooris.ch wählt aus der Welt des Designs täglich schöne Schätze aus und inspiriert Kunden mit einem kuratierten Sortiment. Das Mooris-Team berät bei Einrichtungsfragen – online und in den 3 Showrooms in Basel, Bern und Zürich. Mit dem Code «GROSSELTERN10» erhalten Leserinnen und Leser 10 Prozent Rabatt aufs gesamte Sortiment. mooris.ch # 01 ~ 2022


~ Service ~ SPIELEN

Spie & Spass

Der Winter liegt schon fast hinter uns und wir halten nach den ersten Krokussen Ausschau. Der Wechsel der Jahreszeiten lässt sich auch spielerisch erleben.

Von KARIN DEHMER (Text)

Während in den höheren Lagen noch Schnee liegt, macht im Unterland die Natur bereits auf Frühling.

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Foto: Privat

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1 Lernpuzzle Vier Jahreszeiten Aus Holz. Ab 4 Jahren, 57 Franken. Gesehen bei betzold.ch 2 Jahreszeiten-Spiel. Ein Lernspiel für die Jüngsten. Ab 2 Jahren. 7 Franken. Im Spiel- und Buchhandel. 3 Planet Erde. Spiel mit 3D-Modell der Himmelsmechanik, das die Bewegung der Erde, den Wechsel der Jahreszeiten und die Beziehung zwischen Erde, Sonne und Mond verständlich macht. Ab 7 Jahren. 25 Franken. Gesehen bei galaxus.ch 4 Gefütterte Gummistiefel. Ideal für die Zeit zwischen Winter und Frühling. Von Kavat. 46 Franken. Gesehen bei bergfreunde.ch 5 Vivaldis Die Vier Jahreszeiten. Ein Musikbilderbuch zum Hören und Anschauen. Von Prestel. Ab 6 Jahren. 31 Franken. Im Buchhandel.

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~ 01/ 2022~ WETTBEWERB

Gewinnen Sie zwei Übernachtungen für zwei Personen in einer Junior Suite des Grand Hôtel des Rasses im Wert von 1000 Franken.

Grand Hôtel des Rasses Oberhalb von Yverdon-les-Bains empfängt das «Grand Hôtel des Rasses», das 2019 zum historischen Hotel des Jahres gewählt wurde, seine Gäste. Dank seiner Lage auf dem Balkon des waadtländer Juras bietet das 3 Sterne-Hotel einen atemberaubenden Blick auf die Alpen vom Mont Blanc bis zur Jungfrau. Im Restaurant «Belle Epoque» werden die Gäste mit traditioneller und saisonaler Küche verwöhnt. Sie können auch im zweiten Restaurant «La Boite à Musique» typisch schweizerische und lokale Spezialitäten geniessen. Ein Schwimmbad, eine Sauna mit Hammam und die Möglichkeit von Massagen mit Blick auf den Park und die Alpen bieten Abwechslung für die Gäste. Der ideale Ort für Wanderungen und Mountain-Bike. grandhotelrasses.ch

~ Verlosung ~

SO KÖNNEN SIE GEWINNEN Schicken Sie bis zum 25. April 2022 eine E-Mail oder eine Postkarte mit Ihrer Adresse, E-Mail und dem Betreff «Belle Epoque» an wettbewerb@grosseltern-magazin.ch oder an Grosseltern-Magazin, Kronengasse 4, 5400 Baden. # 01 ~ 2022


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~ Service ~ BASTELN

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~ Service ~ BASTELN

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Ostern

kompakt

Diese Dekoration für den Ostertisch ist superschnell gemacht. Sie eignet sich wunderbar, um ein paar kleine Überraschungen darin zu verstecken. Von LYNN DEHMER (Umsetzung ) und MARTINA MEIER (Foto)

DAS BRAUCHT'S

SO GEHT’S

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Eierschachteln Eierschalen Farbe und Pinsel Teelichter Moos, Tulpen oder Primeln, Federn • Zuckereier, Schokoeier

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Die Eierschachteln bemalen. Die leeren Eierschalen bemalen und ein Teelicht hineinstellen. Oder, wie abgebildet, direkt in die Eierschalen einen Docht legen und Wachs hineingiessen. Die Fächer können nach Lust und Laune dekoriert werden: Moos, Blütenköpfe, Federn, Zuckeroder Schokoladeneier. Minivasen mit Blumen.


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Von ILONA HERZOG (Gestricktes) und MARCO SCHARF (Foto)

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MATERIAL Merino 70 von Lang Yarns (98% Merino fine, 2% Polyester) 70 m//50g, 600 g = 12 Kn Farbe 72, Mint dunkel, je 1 Paar Nd Nr. 6.0 und 8.0

STRICKMUSTER Muster I Vorders: 1 M re, 1 M li Rücks: deckend str. Muster II Rippen = Voder- und Rücks re M Maschenprobe 14 M und 26 R = 10 x 10 cm

AUSFÜHRUNG Rückenteil Anschlag mit Nd Nr. 6.0 66 M, 5 cm = 11 R im Strickmuster I str. Anschl mit Nd Nr. 8.0 im Strickmuster II weiter str, dabei in der 1. R 6 M abn = 60 M. Für den Armausschnitt bei 39 cm ab Anschlag eine Markierung anbringen. Bei 55 cm ab Anschlag alle M abk Vorderteil Wie das Rückenteil arb. Ärmel Anschlag mit Nadel Nr. 6.0 34 M, 5 cm = 11 R im Strickmuster I str. Anschl mit Nd. Nr. 8.0 im Strickmuster II weiter str, dabei in der 1. R beids 1 M aufn. Die Aufn noch 6 x bei jeder 6. Rippe wdh = 48 M, bei 35 cm ab Anschl alle M abk Fertigstellung Seitennähte schliessen, für den Halsausschnitt die äusseren je 18 M zus nähen, die Ärmel einsetzen

Das Material stammt von Strickcafé GmbH, dem Onlineshop rund ums Stricken und Häkeln: strickcafe.ch # 01 ~ 2022


~ Service ~ STRICKEN

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Wolkengucker

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Warum regnet es? Warum darf ich heute keine kurze Hose anziehen? Viele Kinderfragen drehen sich ums Thema Wetter. Darum: Auf geht's zum Wetterspaziergang.

uf einer gemeinsamen Wettersafari erleben Grosseltern und Enkelkinder das Wetter unmittelbar. Was lässt sich draussen beobachten? Die Kinder erfahren Wetterphänomene hautnah und entdecken dabei vielleicht Zusammenhänge zwischen der Kleiderwahl und dem Wetter. Zu Hause wird zuerst aus Kartonröhren ein «Fernglas» zusammengeklebt. Und dann geht’s nach draussen. Wie sieht heute der Himmel aus? Ziehen Wolken auf? Die Kinder können die entsprechenden Himmelsausschnitte mit ihrem Kartonfernglas anvisieren. Im Zentrum steht, das Wetter mit allen Sinnen wahrzunehmen: mit den Augen, den Ohren und dem Tastsinn. Wie fühlt sich zum Beispiel ein Regentropfen auf der Zunge an? Nach der Rückkehr können die Beobachtungen festgehalten werden. Die Kinder zeichnen oder kleben passende Bilder, Fotos oder Symbole in ein individuelles Protokoll. Symbole können von der hier abgebildeten Vorlage übernommen oder selbst erfunden werden. Auf diese Weise kann das Wetter auch über einen längeren Zeitraum beobachtet und protokolliert werden. Grössere Kinder versuchen, Wettervorhersagen in den Medien – von Zeitung bis Internet – zu verstehen, und vergleichen diese mit dem erlebten Wetter. •

WIE IST DAS WETTER HEUTE? Sonnenschein: Sonne am Himmel sichtbar, blendendes Licht, Schattenbildung Bewölkung: Himmel teilweise oder ganz mit Wolken bedeckt, Wolken in unterschiedlichen Farben Niederschlag (Regen, Schnee): Nässe-/ Kälteempfinden, feuchte Flecken auf dem Boden, Kreise in Pfützen oder Wasserbehältern, Regengeräusche, Wind: Kälteempfinden auf der Haut (evtl. Finger befeuchten), Bewegung von Haaren, Blättern, Ästen und Wolken, Windgeräusche Temperatur: Wie viel und welche Kleidung ist angenehm? Evtl. Messung mit Thermometer

Text und Wettersymbole aus dem Lehrmittel «Kinder begegnen Natur und Technik» des Lehrmittelverlags Zürich. lmvz.ch. Foto: Martina Meier # 01 ~ 2022


~ ~ Service Service ~ ~ EXPERMENTIEREN EXPERMENTIEREN

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Wie war die Vorhersage für heute und wie ist das Wetter tatsächlich draussen?

# #01 06~~2022 2019


Publireportage SWISSMILK

Fotos: zvg

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n ke l i i t A r ti be r a Ein m e n ilk m a Zus S wis sm mi t

Gemüsemuffel rechts überholen Quengeleien bei Tisch lassen sich vermeiden, wenn Erwachsene verstehen, weshalb Kinder keine Gemüsefans sind.

So schmeckt’s auch Grünzeug-Muffeln: Buntes Wintergemüse vom Blech mit Kräuterdip. Dieses und viele weitere feine Gemüserezepte finden Sie unter swissmilk.ch/rezepte

Kinder haben hoch empfindliche Geschmacksknospen auf der Zunge. Die Wahrnehmung von «bitter» ist 10 000-mal höher als jene von «süss». Auf die Bitterstoffe in Zucchetti, Spinat oder Salat reagieren Kinder deshalb viel stärker. Süssliches Gemüse wie Rüebli und Erbsli oder wasserreiche Sorten wie Gurken stossen dagegen auf mehr Akzeptanz. COOL BLEIBEN Viele Kinder essen problemlos Gemüse. Andere tun sich schwer damit und wollen immer nur die drei gleichen Sorten essen. Nutzen Sie diese Chance, ganz nach dem Motto: «Lieber immer das gleiche Gemüse als gar keines.» In Kinderjahren ist vor allem wichtig, dass positive Erfahrungen gemacht werden können mit dem Grünzeug. ÜBUNG MACHT DEN MEISTER

FRAGEN SIE UNS Möchten Sie mehr Informationen zu einem bestimmten Thema? Schreiben Sie uns eine Mail an: ernaehrungsberatung@ swissmilk.ch

Geschmack wird durch Wiederholung erlernt. Bis sich ein Kind mit einem neuen Geschmack anfreunden kann, muss es ihn unter Umständen viele Male probieren. Bieten Sie deshalb weniger beliebtes Gemüse immer mal wieder an und ermutigen Sie das Kind, zu probieren. Üben Sie jedoch keinen Zwang aus, das ist höchstens kontraproduktiv. Manche Gemüsesorten lernen wir erst als Erwachsene zu schätzen.

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SOLL ICH GEMÜSE IN DIE LASAGNE SCHMUGGELN? Dazu die Antwort von Frau Prof. Dr. Christine Brombach, Dozentin für Consumer Science an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW Wädenswil:

Kinder haben es in der Regel nicht gern, wenn sie nicht genau wissen, was sie essen. Daher sind ihnen Gerichte wie Aufläufe, Hackbraten oder Suppen suspekt. Da weiss man ja nicht, was da genau drinsteckt. Wenn ich die Dinge aber separat auf dem Teller habe, sehe ich, was ich esse. Manchmal hilft es auch, die Speisen in verschiedenen kleinen Schälchen aufzutischen, weil sie dann auf dem Teller nicht miteinander in Berührung kommen. INTERESSE GEWECKT? Hier können Sie das ganze Interview mit Frau Brombach nachlesen. Sie gibt spannende Antworten auf Fragen rund ums Essen, die in den meisten Familien irgendwann einmal auftauchen.


~ Service ~ BACKEN

MARMOR KUCHEN VON OMAMA UND OMEME

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as folgende Rezept stammt von meiner Urgrossmutter, genannt «Omeme», die ich selbst nur aus Erzählungen meiner Mutter und Grossmutter kenne. Meine Grossmutter, «Omama», hat den Kuchen jeweils zum Geburtstag ihrer zwölf Enkelkinder gebacken, in die Kühltruhe gelegt, um ihn dann noch angefroren mit der Post zu verschicken. Zusammen mit den Schoggistückchen hat sie zuvor ausgekochte Münzen eingebacken. Nach einem Generationensprung – meine Mutter hat den Kuchen nie für uns Kinder gebacken – mache ihn nun wieder regelmässig für meine Kinder, die diese deftige Süssspeise lieben.

Das braucht's

So geht's

250 g weiche Butter 250 g Zucker 5 Eigelb 250 g Mehl 1 Prise Salz 1 TL Backpulver 5 Eiweiss 150 g Schokolade

Butter, Zucker und Eigelb schaumig rühren. Mehl, Salz und ½ TL Backpulver beigeben. Eiweiss steif schlagen und darunterziehen. Die Hälfte des Teigs in eine gefettete Backform geben. Geschmolzene Schokolade mit ½ TL Backpulver der anderen Teighälfte hinzufügen und anschliessend in die Form geben. Mit einer Gabel einmal durch den Teig fahren. Im vorgeheizten Backofen bei 150 Grad 45 bis 60 Minuten backen.

Illustration: Irene Meier

Variante: Schokolade nicht schmelzen, sondern in Stücke gehackt dem Teig beigeben.

Dieses Rezept stammt von unserer Leserin FRANZISKA GRAF. Was kochen, backen oder essen Ihre Enkelkinder gerne? Wir freuen uns über Ihre Zuschrift. redaktion@grosseltern-magazin.ch # 01 ~ 2022

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~ Service ~ LESEN

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Eine volle Geschichtenkiste für

Enkel von heute Ursula Wölfels «Suppengeschichten» hat ein Betriebsgeheimnis, das an sich leicht zu kopieren wäre. Doch niemand hat das in über fünfzig Jahren geschafft. Jetzt gibts eine Neuausgabe.

Das grosse Geschichtenbuch zum Lachen und Staunen. Bettina Wölfel, Thiemann Verlag 2021. 312 Seiten, 23 Franken. Ab 5 Jahren.

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ie Geschichte, um die es hier geht, habe ich schon als studentischer Teilzeitbuchhändler empfohlen. Wir haben sie später unserem Sohn vorgelesen, meine Mutter hat sie ihren Enkelkindern erzählt und so weiter. Ich argumentiere also mit «Generationenerfahrung». Die Autorin Ursula Wölfel (1922–2014) hatte im Krieg geheiratet, brachte die Tochter Bettina zur Welt und war früh verwitwet. Als alleinerziehende Mutter lernte sie Grundschullehrerin, studierte Pädagogik und arbeitete dann am neugegründeten Institut für Jugendbuchforschung an der Uni Frankfurt. Als Kinderbuchautorin setzte sie Zeichen der Offenheit wie ganz wenige in der BRD vor 1968. Mit «Fliegender Stern» schrieb sie die Entwicklungsgeschichte eines In-

dianerjungen, die für Abertausende von Kindern das erste «richtige» Kinderbuch wurde, das sie selbst gelesen haben. Und in der Kurzgeschichtensammlung «Die grauen und die grünen Felder» griff sie praktisch alle sozialen und psychologischen Themen auf, die später die zeitgenössische Kinderliteratur ausmachten. Wölfel schien alles zu können, von kurzen Stücken bis zu umfangreichen Romanen, sprachlich einfach und behutsam direkt. Aber sie konnte noch mehr. EINE EIGENWILLIGE IDEE Sie setzte ein Buchkonzept durch, das Vorlesenden und Kindern entgegenkommen würde, aber allen Vorstellungen des Verlags widersprach, wie eine Geschichtensammlung auszuschauen habe. Die ~ Artikelfortsetzung auf Seite 76

Mutter und Tochter beim Werkstattgespräch.

Rechte Seite: Eine Geschichte aus dem Buch mit Erklärung von Hans ten Dornkaat

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~ Service ~ LESEN

Die Geschichte von der Nachtente Einmal wollte eine Ente wissen, wie die Nacht ist. Sie ist am Abend nicht mit den anderen Enten in den Stall gegangen, sie hat sich auf die Wiese gesetzt und hat zugesehen, wie es immer dunkler geworden ist. Die Sonne ist untergegangen und die Sterne sind gekommen. Das war sehr schön und die Ente hat gestaunt über die Sterne. Aber dann ist es noch dunkler und immer dunkler geworden und der Himmel war riesengross und die Ente auf der Wiese war so klein. Auf einmal war auch der Mond da. Ganz langsam ist er hinter den Bergen heraufgekommen. Da ist die kleine Ente erschrocken. Sie wollte weglaufen vor dem Mond, aber der Mond war überall. Sie hat die Augen zugemacht, aber der Mond war immer noch da. Die Ente ist schnell zum Stall gelaufen und sie hat laut geschrien: «Maak! Maak! Maak!» Da ist die Frau gekommen, sie hat gelacht und sie hat die Ente in den Stall geholt zu allen anderen Enten. Und die Nachtente hat ihnen erzählt, wie schön die Sterne sind und wie gross der Mond ist.

So einfach war die Idee und doch so ungewöhnlich: Keine der Geschichten ist länger als eine Seite, viele sind sogar kürzer als «Die Nachtente», die hier als Vorleseportion abgedruckt ist. Klar verkörpert die Ente kindliche Neugier, und kein Wunder, übernimmt sich die Kleine. Doch keine Spur von Tadel. Die Geschichte zeigt Verständnis für Wünsche und Ängste. Die Frau lacht erlösend, aber lacht die Nachtente nicht aus. Und die hat viel zu erzählen. Mit dem Vorleseton im Ohr und den Augen auf dem Bild nehmen Kinder die Geschichte intensiver auf. Und wenn sie verklungen ist, bleibt die Bildebene noch da. Jetzt können sich zwei Generationen austauschen, weil sie zwei Medienformen in einem Medium vor sich haben. Das ist bei allen illustrierten Büchern so, aber hier sind die Bilder als Erzähllandschaften angelegt und vor allem respektieren die Geschichten nicht nur ihre Figuren, das Konzept drückt die gleiche Haltung aus. Keine Ebene drängt sich vor, Sorgfalt und Leichtigkeit formen und ermöglichen ein Ganzes.

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~ Service ~ LESEN

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Von meiner Mutter selbst geschrieben, gezeichnet und als Buch gebunden, waren die Ur-Suppengeschichten das Geschenk zu meinem zweiten Geburtstag. BETTINA WÖLFEL

ersten der «Suppengeschichten» schrieb und illustrierte sie für ihre Tochter Bettina (*1944). Diese studierte später Grafik in Darmstadt und an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin. «Weder der Verlag noch ich hatten damals eine Wahl, meine Mutter bestand darauf, dass ich die Bilder mache», erklärt Tochter Bettina später. «Und obwohl ich wusste, dass ich es eigentlich noch nicht kann – handwerklich waren meine Möglichkeiten noch sehr beschränkt –, stand für mich ausser Zweifel, dass ich es tun musste, zu sehr waren diese Geschichten mit unserer Beziehung verbunden. Von meiner Mutter selbst geschrieben, gezeichnet und als Buch gebunden, waren die Ur-Suppengeschichten das Geschenk zu meinem zweiten Geburtstag.» An dieser Stelle danke ich dem Kind von damals und der späteren Illustratorin. Sie hat meine Fragen per Mail beantwor-

tet, hat mir ein von Mutter und Tochter redigiertes Gespräch gesandt und privates Bildmaterial für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt. EIN WERK VON MUTTER UND TOCHTER Dass berühmte Kinderklassiker als Geschichten für den Hausgebrauch entstanden sind, wird gerne erwähnt. Bei den «Suppengeschichten» liegt die Sache etwas anders. Die Mutter war keine naive Geschichtenerfinderin und ihre Tochter stolperte in ihren zukünftigen Beruf, viel zu früh, im Schlepptau der schon bekannten und erfolgreichen Autorin. Bettina Wölfel hat bald nicht nur Texte ihrer Mutter illustriert, sondern Buchumschläge gestaltet und verhalten-intensive Covermotive gemalt, an die ich mich noch nach Jahrzehnten erinnere. Nun sind die 140 Suppengeschichten

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wieder erhältlich, in einem dicken Band versammelt. Weshalb der erste der fünf ursprünglichen Einzelbände «Suppengeschichten» heisst, wird erklärt: Ein Kind will die Suppe nicht essen, die Mutter hält ihm einen vollen Löffel hin. Das Kind dreht den Kopf weg. Die Suppe ist ihm zu heiss, und es will lieber spielen. «Da hat die Mutter dem Kind eine Suppengeschichte erzählt.» Ob am Tisch oder am Bett, ob unterwegs oder als Ruhemoment tagsüber: Die Kürze der Texte und ihr paralleler Auftritt mit einer Illustration für die Zuhörenden sind ein wunderbarer Geschichtenschatz und ein immerwährender Vorrat. • HANS TEN DOORNKAAT (69) hat nie aufgehört, Kinderbücher zu lesen. So hat er ein vielseitiges Wissen über Lesestoffe für Kinder und Jugendliche gesammelt. Er ist als Lektor, Literaturkritiker und Dozent tätig.


~ Service ~ LESEN

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Empfehlenswert

Für grosse Leserinnen und Leser und solche, die es noch werden 1 Erwachsenenbuch: Barbara stirbt nicht, Alina Bronsky, Kiepenheuer & Witsch, 31 Franken. Der Rentner Walter Schmidt betritt die Küche nur zum Essen. Er hat weder je einen Kaffee gekocht noch eine Suppe gewärmt. Auch den Staubsauger hat er noch nie bedient. Denn das hat alles seine Frau Barbara gemacht. Doch eines Morgens steht Barbara nicht mehr auf. Wie Schmidt nun Kochen lernt, sich um seine Frau kümmert und seine festgefahrenen Gewissheiten ins Wanken kommen, erzählt Bronsky warmherzig und mit Witz. 2 Kindersachbuch: Die Enzyklopädie der unglaublichen Fakten, Jane Wilsher und Louise Lockhart, Seemann Verlag, 35 Franken. 500 verblüffende Erkenntnisse über die Welt werden als einfaches und leicht verständliches Quiz vermittelt. Witzig illustriert animiert das Buch zum Staunen und Lachen und zum Rätseln mit der ganzen Familie, denn auch Erwachsene können daraus noch viel lernen. 3 Erwachsenenbuch: Hast du uns endlich gefunden, Edgar Selge, Rowohlt, 36 Franken. Eine Kindheit in einem bürgerlichen Haushalt um 1960. Der Vater ist Gefängnisdirektor, macht viel Musik und lädt die gefangenen Jugendlichen zu Hauskonzerten ein. Doch hinter der Fassade werden Risse erkennbar. Der Autor erzählt konsequent aus der Sicht des Kindes, das er selber war. Dem bekannten Schauspieler Edgar Selge ist ein wunderbarer Erstling gelungen. 4 Kinderbuch ab 6 Jahren: Der Findefuchs, Irina Korschunow, dtv, 22 Franken. Einsam und verlassen liegt ein kleiner Fuchs im Gebüsch. Eine Füchsin, die bereits drei Welpen hat, nimmt den kleinen Findling trotz aller Widrigkeiten auf und sorgt mit ihrer bedingungslosen Liebe für ein geborgenes Zuhause. Der viel geliebte Klassiker wurde von Reinhard Michl illustriert. 5 Kinderbuch ab 6 Jahren: Ulf und das neue Rätsel um die Neue, Tanja Esch, Kibitz, 28 Franken. Ulf klärt mit seinen Kumpels Verbrechen und Geheimnisse alle Art auf. Na ja, er würde gerne, aber es gibt nicht den kleinsten Vorfall in seiner Schule. Das ändert sich schlagartig, als eine Neue in die Klasse kommt. Der Comic ist in der Sprache der heutigen Kinder geschrieben, die Geschichte humorvoll und cool umgesetzt. Ausgewählt von der Redaktion und von der Buchhandlung «Doppelpunkt» in Uster. doppelpunkt-uster.ch

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~ Service ~ RÄTSEL

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Kinderrätsel

Sudoku Schwierigkeit: mittel

Illustration: Irene Meier

Suchen Sie zusammen mit Ihren Enkelkindern diese fünf Wettersymbole, die irgendwo in dieser Ausgabe versteckt sind. Schicken Sie die Seitenzahlen an kinderraetsel@grosseltern-magazin.ch oder Grosseltern-Magazin, Kronengasse 4, 5400 Baden. Einsendeschluss ist der 23. April 2022. Zu gewinnen gibt es einen von drei Hunden von Schleich.

Punkt zu Punkt

Verbinden Sie die Punkte der Reihenfolge nach und Sie werden sehen: Aus Punkten werden Bilder.

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Conceptis Puzzles

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Lösung So lösen Sie Sudoku: Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur einmal vorkommen.

Die Luftaufnahme auf Seite 17 zeigt den Üetliberg. Die Lösungen der Rätsel auf dieser Seite schicken wir Ihnen gerne zu: verlag@grosseltern-magazin.ch

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~ Service ~ CHRISTA CAMPONOVOS RÄTSEL

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Angezeigt beim «Gnusch» im Fadenkörbli -

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waagrecht 3 Wo Anzuziehendes lagert. 14 In Gebrauch, als das Multiplizieren und Dividieren noch analog war. 15 Voraussetzung für eine Schlittenfahrt. 17 One, two, … 18 Das weibliche Pendant zu ATP. 19 Zürichs Haushoger. 21 Macht Kor einverleibt zum Schöpfer. 23 Einer von Donalds Neffen. 25 War mit Paulus im Gefängnis. 26 Dieser Mexikaner steht im Tor ( Guillermo). 28 Ausgetrocknet, ungeschmeidig. 30 …ingrad. 31 Eine solche Runde ist nicht ergiebig. 32 Behälter, enthält Stille. 34 …shorn, …wil, …sried. 35 Was bleibt. 37 So viel wie o.k. 38 Macht den Mund zur Stadt. 39 … und esset. 42 … Deum. 43 Schliesst an das Drama an. 45 Gliedern sich in Lakota, westliche Dakota und östliche Dakota. 46 Vervollständigt Triptyc. 47 Nicht das edle Örtchen. 48 Verdoppelt: besungene Marleen. 49 Alles andere als beweglich und geschmeidig. 50 Macht aus Nein in Morges eine Klosterfrau. 51 Enttäuschungsausdruck.

senkrecht 1 Zum Beispiel ein Gutachten oder ein Kreuzworträtsel. 2 Baum aus Teer. 3 Mangold. 4 So ein Mann ist kein Genussverächter. 5 Mit H Fisch und sonst real. 6 Vorname einer Schweizer Eisprinzessin. 7 Macht Land zu einem Teil von Grossbritannien. 8 Eben nicht eben. 9 Ertönt vielstimmig, hier vokallos. 10 Kirchenvater oder Maler des Gartens der Lüste. 11 Mit ihr müssen unbeliebte Amtsinhaber:innen rechnen. 12 Solches work hat Verbindungen. 13 Sie zu binden ist nicht jeder Manns Sache. 16 Am Steuer besser ohne. 20 Steht kaum neben 47 waagr. 22 Schuf Krieg und Frieden. 24 Ungekochtes in Lion. 27 Britische Band und französischer Pfarrer sind Hinweise. 29 Farbloses, brennbares Gas. 33 Helden in Italien. 36 Eine Kennedy mit 11 Kindern. 40 Pressiert aus Teil. 41 Hiesiger Gruss, mit A auf See. 44 Kreuzworträtselantilope. 45 Macht französisches Salz zur Sitzgelegenheit.

Das Lösungswort ergibt sich aus den eingefärbten Feldern fortlaufend. Schicken Sie uns dieses zusammen mit Ihrer Postadresse per E-Mail an raetsel@grosseltern-magazin.ch oder via Post an Grosseltern-Magazin, Kronengasse 4, 5400 Baden. Einsendeschluss ist der 23. April 2022. Die Lösung des Rätsels von Ausgabe 6/21 finden Sie auf Seite 81. # 01 ~ 2022


~ 01/2022 ~ KURSANGEBOT

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Vögel beobachten mit Kindern KURSINHALT

DATUM & ZEIT

Interessieren Sie sich für Vögel und möchten diesen Zugang mit Ihren Enkelkindern teilen?

Mittwoch, 6. April 2022 10–12 Uhr KOSTEN

40 Franken pro Person inkl. Eintritt ins Besuchszentrum

In diesem Kurs erhalten Grosseltern (ohne die En­ kel) praktische Tipps rund ums gemeinsame Vögel­ beobachten mit Kindern und erweitern gleichzeitig ihre

BESONDERES

Wer möchte, bringt den eigenen Feldstecher mit. Ansonsten werden Feldste­

eigene «Vogelperspektive».

cher zur Verfügung gestellt.

Auf einer kurzweiligen Exkursion durch den Garten des Besuchszentrums und am nahe gelegenen See­ ufer leiten uns diese Fragen: Welche Orte eignen sich zur Vogelbeobachtung mit Kindern? Was erzählen uns Vogelspuren wie Federn und Nester? Was gilt es beim Thema Feldstecher und bei der Wahl eines Vogelführers zu beachten?

KURSORT

Besuchszentrum der Vogelwarte Luzernerstrasse 6 6204 Sempach grosseltern-magazin.ch info@grosseltern-magazin.ch KURSLEITUNG

Marlène Wenger Umweltingenieurin und Pro­ jektleiterin Umweltbildung, Vogelwarte Sempach (für Fragen: umweltbildung@ vogelwarte.ch, 041 462 99 50)

Für den Kurs sind keinerlei Vorkenntnisse nötig.

ANMELDUNG FÜR DEN KURS Bitte füllen Sie alles gut leserlich aus und senden Sie uns Ihre Anmeldung. Mittwoch, 6. April, von 10–12 Uhr in Sempach

Name

Vorname

Adresse

PLZ / Ort

Telefon

E-Mail

Anmeldung bis 31. März 2022 an: Grosseltern Magazin, Vogelkurs, Kronengasse 4, 5400 Baden, oder per Mail an verlag@grosseltern-magazin.ch Nach Eingang Ihrer Anmeldung erhalten Sie eine Kursbestätigung und eine detaillierte Wegbeschreibung.

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~ Service ~ IMPRESSUM / VORSCHAU

Vorschau #02/2022

Impressum Verlag 3G MEDIA GMBH grosseltern-magazin.ch

Erscheinungsweise 6-mal im Jahr Auflage 12 000 Exemplare (reduzierte Auflage) Preise EINZELPREIS CHF 9.50 JAHRESABO CHF 55.– (6 Ausgaben) 2-JAHRES-ABO CHF 105.– (12 Ausgaben) PROBEABO CHF 20.– (3 Ausgaben) JAHRESABO EUROPA CHF 72.– (6 Ausgaben) Copyright Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlags. Für unverlangte Einsendungen wird jegliche Haftung abgelehnt.

Erscheint am 29. April

Verleger DOMINIK ACHERMANN Redaktion redaktion@grosseltern-magazin.ch +41 56 558 91 77 GERALDINE CAPAUL –CAP Chefredaktorin geraldine.capaul@grosseltern-magazin.ch

Foto: Fabienne Bühler

71. Ausgabe 01/2022

KARIN DEHMER –KD Stellvertretende Chefredaktorin karin.dehmer@grosseltern-magazin.ch Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe: Fabian Bucher, Hannes Bucher, Christa Camponovo, Caroline Doka, Hans ten Doornkaat, Fabian Fueter, Ilona Herzog, Hanna Hinnen, Katharina Hoch, François Höpflinger, Andrea Kalt, Carole Lüscher, Barbara Maurer, Edy Riesen, Dagmar Schifferli, Eli Wilhelm, Juli Zehnder Layout IRENE MEIER irene.meier@grosseltern-magazin.ch

Herausgeberin 3G MEDIA GMBH Kronengasse 4 CH-5400 Baden +41 56 558 91 77 info@3g-media.ch

Fotografie Matthias Jurt, Matthias Luggen, Martina Meier, Tibor Nad, Marco Scharf

Druck & Vertrieb AVD GOLDACH AG avd.ch

Korrektorat Martina Fierz, Elsbeth Howald

Illustrationen Irene Meier, Marie-Anne Spross

Verkauf & Vermarktung DOMINIK ACHERMANN +41 76 394 23 26 dominik.achermann@grosseltern-magazin.ch STEFAN HOSTETTLER +41 79 79 79 410 grosseltern-magazin@1to1media.ch

FÜR KLEINE BAUMEISTER Bohren, hämmern, sägen und schrauben: Auf Kinderbaustellen dürfen die Kleinen bauen, was ihnen gefällt – mit richtigem Werkzeug. Ein Augenschein auf dem Bauplatz in in St. Gallen.

IST NICHT WAHR! Der lockere Umgang mit der Wahrheit gehört zur kindlichen Entwicklung. Aber wo hört die unbedeutende Flunkerei auf und beginnt die ernste Lüge? Und wie ermuntert man das Kind zu Offenheit und Ehrlichkeit?

EIN FAMILIENREZEPT Mit Dania Kambly und ihrem Mann Nils hat die vierte Generation die Leitung des Gebäck-Unternehmens Kambly übernommen. Wir haben die Chefs und ihre Eltern besucht.

~ #06/2021 ~

DES RÄTSELS LÖSUNG

Abonnemente ABODIENST GROSSELTERN-MAGAZIN Industriestrasse 37, CH-3178 Bösingen +41 31 740 97 53 abo@grosseltern-magazin.ch

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waagrecht 3 Seelenwärmer 12 Krippenfigur 14 Allein 15 Falter 17 Been 18 Latino 19 Tri 21 IBM 22 Boden 25 Seat 26 Boni 27 Genial 29 Ruag 30 Sittenstrolch 34 Esatt 36 Tragt 37 Ahoi 38 Fiera 39 Beaune 40 Schrillt 41 US 42 DNA

Wir bekennen uns zu Werbung Inserate und ContentPartnerschaften sind für unser Magazin überlebenswichtig l in und eine Bereicherung. So t i ke it n A r n ar b e i E e können wir professionell und m am unabhängig Inhalte erarbeiten. Zu s Wir haben nicht mehr Werbung als andere Magazine, kennzeichnen diese aber konsequent. Damit schaffen wir Transparenz.

# 01 ~ 2022

senkrecht 1 Alpenbitter 2 Arglos 3 Skabiose 4 Erlebnis 5 Eilemit 6 Epilog 7 Nena 8 Affinitaet 9 Eia 10 Mutterland 11 Ere 13 Noten 16 Rita 20 Rauchen 23 Dental 24 Aargau 28 Lotus 31 Etri 32 Srb 33 Hora 35 Aih 38 FC

Lösungswort Rollertausch


~ Kolumne ~ SCHLUSSWORT

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Intergenerationelle

Stereotype « Die verschiedenen Altersstufen der Menschen halten einander für verschiedene Rassen. Alte haben gewöhnlich vergessen, dass sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, dass sie alt sind, und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können. » Kurt Tucholsky

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essimistisch geprägte Verfalls- und Krisendiagnosen zum Verhältnis der Generationen weisen eine lange Tradition auf, wie das

Ob und in welchem Mass Stereotypisierungen zu Jung und Alt die intergenerationellen Kommunikationsprozesse im Alltag tatsächlich negativ be-

nachfolgende Zitat illustriert: «Ich habe keine Hoffeinflussen, ist allerdings nicht eindeutig. Entsprenung mehr für die Zukunft unseres Volkes, wenn chende Studien lassen erkennen, dass dem Alter im diese Zukunft von der leichtfertigen heutigen Jugend Allgemeinen nur geringe Bedeutung für die Wahrabhängt. Denn diese Jugend ist ohne den geringsten nehmung und Gestaltung sozialer Beziehungen Zweifel von einer unerträglichen Unverschämtheit zukommt. Das (körperliche) Alter wird vor allem und will alles besser wissen. Als ich jung war, brachte bedeutsam, wenn funktionale Einbussen und Deman uns gute Manieren und Respekt vor den Eltern fizite erkennbar sind, wie etwa gebückte Haltung, bei. Aber die Jugend von heute ist voller Widerrelangsames Gehen oder Höreinschränkungen. Es ist de und will immer recht haben.» häufig nicht das kalendarische Al(Hesiod, griechischer Dichter, um ter an sich, sondern die mit Alter 700 v. Chr.) Wiederkehrende Theassoziierten sichtbaren Behindemen sind auch Vorstellungen zum rungen, die bei jungen Menschen Zerfall familialer Generationenzu kommunikativen Anpassunsolidarität oder Klagen über den gen führen, z.B. sprechen sie alte Verlust mütterlicher ErziehungsMenschen zu laut an, vereinfakompetenzen. chen das Vokabular («secondary Negative Stereotypisierungen der baby talk»), verwenden eine TeleJugend beziehen sich weitgehend grammstil-Grammatik oder spreauf einen negativ bewerteten Gechen sie mit altersanzeigenden FRANÇOIS HÖPFLINGER (70) ist in selbstständiger Forschung nerationenwandel und kaum auf Benennungen (Oma) an. und Beratung zu Altersund eine negative Beurteilung von JuBei Kontakten von älteren MenGenerationenfragen tätig. Nebst gend an sich. Speziell in Zeiten schen mit jungen Menschen seinen wissenschaftlichen hoher wirtschaftlicher und sokönnen kommunikative MissArbeiten schrieb der Soziologieprofessor auch diverse Kurzzialer Verunsicherung zeigt sich verständnisse auch dadurch entgeschichten, Satiren und Fabeln. eine besondere Sensibilität bestehen, dass ältere Menschen Er ist verheiratet, hat zwei züglich (vermeintlich) zunehmendie jugendbezogenen Gebärden, Kinder und vier Enkelkinder. der Problemlagen und Störungen Sprachformeln und Abkürzungen bei Kindern und Jugendlichen, da nicht mehr kennen und verstedamit auch die Zukunft der älteren Generationen hen. Umgekehrt können jungen Menschen Sprache, in Frage gestellt erscheint. Auch Altersstereotype Höflichkeitsformeln oder Werthaltungen älterer Gesind zumeist negativ geprägt, weil Alter häufig als nerationen unvertraut sein. Je enger und persönliNegation von Jugend und der mit Jugendlichkeit vercher die Beziehungen zwischen jungen und älteren bundenen positiven Aspekte, wie Leistungsfähigkeit, Menschen sind, desto weniger spielen Jugend- oder Attraktivität und Dynamik, wahrgenommen wird. Altersstereotype eine Rolle. •

# 01 ~ 2022


Donnerstag ist mein

Glückstag ...dann lehne ich mich zurück und lasse mich unterhalten.

Die guten Seiten des Lebens

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*Gegenüber regulärem Abopreis. Gültig bis am 30.06.2022.


Die schönste Sommerfarbe im Norden heisst Licht ENTSCHLEUNIGEN IM KLEINEN PARADIES • Reisezeitraum vom 1.6. bis 30.9.2022 • 8-tägige Mietwagenrundreise in Schweden • Skåne, eine kleine Provinz – ein grosses Paradies • Kurze Distanzen und vielseitige Aktivitäten Ab Fr. 1430.– pro Person

KONTRASTREICHE NATURPFADE • • • •

Reisedaten: 17. bis 26.6. und 15. bis 24.7.2022 10-tägige begleitete Exklusivreise für Naturliebhaber Leichte Wanderungen und lange Spaziergänge Die baltischen Hauptstädte

NATURSCHÄTZE ISLANDS FÜR AKTIVE • Reisezeitraum zwischen Juli und August • 10-tägige begleitete Rundreise für Aktive • 2- bis 4-stündige Wanderungen • Baden in heissen Quellen Ab Fr. 3820.– pro Person

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