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Hebamme Carole Lüscher
Nonnas Liebe geht durch den Magen
CAROLE LÜSCHER (47) ist Hebamme Msc, Geschäftsführerin der Hebammenpraxis 9punkt9 in Bern, freie Dozentin und engagiert sich berufspolitisch. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. 9punkt9.ch
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Eine junge Mutter sorgt sich, die Bauchschmerzen ihres Säuglings könnten vom Essen der Grossmutter herrühren.
«Laurin hatte gestern Abend starke Bauchkrämpfli. Das ist wahrscheinlich, weil ich eine Lasagne mit Knoblauch gegessen habe», sagt Eva, und schaut zuerst mich schuldbewusst an, dann den zwei Wochen alten Laurin, der in ihren Armen liegt und leicht quengelig ist. «Soll ich ihm Fencheltee geben?» Maria, Evas Mutter, steht in der Küche. Es riecht bereits verführerisch nach italienischem Essen. «Wir haben ziemliche Diskussionen. Meine Mutter kocht sehr gut, und natürlich hat es auch Zwiebeln und Knoblauch drin. Sie will nichts von Blähungen wegen ihres Essens wissen, sie hätten früher auch nicht so ein Trara gemacht, wenn das Baby ein bisschen gepupst und geweint hätte, der Kleine müsse abgehärtet werden. Mein Mann hat gegoogelt und kam mit einer langen Liste mit allem, was ich nun nicht mehr essen darf – eine neue, die nun die Liste am Kühlschrank ersetzt, die er mir während der Schwangerschaft gemacht hat.» Eva scheint gleichzeitig besorgt und genervt. Inzwischen ist Laurin auf ihrem Arm eingeschlafen. Maria setzt sich neben uns auf das Sofa. «No, no, Cara, so habe ich das nicht gemeint.» Sie legt ihre Hand auf Evas Arm. «Das hat damals meine Mutter zu mir gesagt, wenn du Krämpfe hattest. Sie wollte, dass ich dich weinend ins Bett lege. Das habe ich natürlich nicht getan.» «Und was hast du dann gemacht?», fragt Eva. «Ich ging mit dir ins Zimmer, habe dich herumgetragen und dir vorgesungen, da hast du dich auch beruhigt. Und als du dann eingeschlafen bist, meinten alle, es hätte ja gut funktioniert.» Evas Schultern senken sich. Nach einer Pause sagt Maria: «Ich habe extra wenig Zwiebeln und Knoblauch hineingetan. Aber du musst trotzdem gut essen, weil du viel Energie für das Baby und das Stillen brauchst.» Ich nicke, sage aber nichts. «Wie ist das denn nun mit dem Fencheltee?», wendet sich Eva wieder mir zu. «Die häufigste Ursache für Krämpfli, das tönt vielleicht komisch, ist nicht das Essen der Mutter, sondern Müdigkeit und Überreizung des Babys», antworte ich. «Mit zwei Wochen hat das Baby einen Wachstumsschub. Es nimmt mehr wahr, ist offener, wacher und muss auch mehr verarbeiten. Das Nervensystem, das zu einem grossen Teil in seinem Bauch ist, reagiert auf diese grössere Belastung. Und das zeigt sich dann mit Bauchschmerzen.» Eva denkt nach. «Ja, das macht Sinn. Gestern hat er lange herumgeschaut und war wach, wie noch nie vorher, und hat viel weniger geschlafen als sonst. Und das erste Mal schlief er dann nicht einfach ein, sondern musste fest weinen. Wir meinten, es seien Krämpfe, dabei war er wahrscheinlich total übermüdet.» Eva schaut ihre Mama an und lacht: «Also weiter Nonnas Lasagne und Mamas Liebe!» •