KLASSENKAMPF 30

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Für Rätemacht und Revolution!

KLASSENKAMPF Nummer 30 | MAI 2018 | 2,-- | Zeitung der Gruppe Klassenkampf, öst. Sektion des Kollektivs permanente Revolution

1.ѝMai: Mit geballter Kraft gegen Sozialabbau un d Reaktion!

Unter anderem in dieser Ausgabe: COREP: Erklärung zum 1. Mai / Schluss mit dem Massaker an den Palästinensern / GMI zu Faschisten an den Unis DOSSIER: Katalonien ÖSTERREICH: Die bisherigen Untaten der Regierung /AUVA verteidigen - Generalstreik! /

ISSN: 2220­0657


Innenpolitik

Klassenkampf 30/2018

Sündenbock statt Klassenkampf? Nicht mit uns!

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Bei Beschreibung dieser politischen Vorhaben als Mit­ tel die Kapitalisten­Klasse zu stärken und zu bedienen, darf man selbstverständlich nicht übersehen und muss man zu­ gleich betonen, dass die FPÖ­ Rhetorik, Vertreter des „klei­ nen Mannes“ zu sein, innerhalb kürzester Zeit ein­ mal mehr als das entlarvt ist, was sie immer schon war: ein Eine schlagwortartige Liste wurde abgeschafft Täuschungsmanöver durch der Maßnahmen, von der im • Retro­Ziffernbenotung in die redlichen und Wesentlichen die Kapitali­ der Schule, Geldstrafen für auf“rechten“ Deutschnatio­ sten­Klientel der ÖVP profi­ Schulschwänzen nalen in diesem Land! tiert, im Folgenden. Wobei • Wiedereinführung Stu­ Dass die antisemitische diese Aufzählung der Klassen­ diengebühren Normalität (Liederbücher, politik wirklich keinen An­ spruch auf Vollständigkeit erhebt: • Vereinheitlichung der Mindestsicherung zu Lasten der Schwächsten, nämlich der Migranten • Angriff auf die Arbeitneh­ merInnen­Vertretung in der So­ zialversicherung • Reduktion der Unfallversi­ cherungsbeiträge für Unterneh­ men als Dank und Dividende an ÖVP­Spender • Abschaffung der Not­ Keine schlechte Idee: In Hamburg über der Klingelliste der Mieter in einem Arbeiterstadtteil gesehen standshilfe und dann Zugriff auf Vermögen bei Mindestsi­ cherung • 12­Stundentag wird als be­ tägliche Einzelfälle, Gudenus, • Senkung der Körper­ triebliche Vereinbarung kom­ Strache et al.) eines Großteils schaftssteuer als Geschenk an men der FPÖ unter mindestens Großunternehmer • NichtraucherInennschutz schweigender Duldung des • Finanzminister stimmt für wird gegen Interesse der Ga­ im Biotop des snobistisch­ab­ Streichung Panamas von der stro­Beschäftigten gekillt gehobenen Bürgertums des Liste der Steueroasen • Unabhängige Journalisten Juridicum sozialisierten Se­ • 200 Großbetriebssteuer­ werden unverhohlen in ihrer bastian Kurz auf der offiziel­ prüfer werden gestrichen – beruflichen Existenz bedroht len Bühne der großer Dank der Steuer­ • Klimastrategie der Um­ österreichischen Politik Ein­ Schummler an Sebastian weltministerin ein Hohn und zug gehalten hat, ist ein alar­ • Arbeitsmarktpolitische Kniefall vor der Industrie und mierendes Signal und muss Hilfe für Langzeitarbeitslose ihren Kapitaleignern mit entschiedenster Härte be­ eit 120 Tagen regieren in Österreich Kurz und Strache und diese immer noch verschmusten neuen Machthaber halten sich nicht lange auf, einen Diskurs über die Sinnhaftigkeit von bestimmten Maßnahmen zu führen. Mit einem über die Boulevard-Medien verbreiteten, unterstützten und damit suggerierten nachhaltigen Veränderungswunsch durch die über viele Jahre schweigenden Mehrheit der „recht“schaffenen und braven Bürger quasi-legitimiert gibt es trotz gegenteiliger Beteuerungen ein revival des speed-kills der Jahre 2000ff. Ein wenig staunend und wenig schlagkräftig haben die SPÖ und ihre Organisationen die bisher angekündigten oder bereits umgesetzten Aktionen der Bundesregierung beobachtet.

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kämpft werden. Die rhetori­ schen Taschenspieler­Tricks, um sich hier reinzuwaschen, sind ebenso durchschaubar wie erbärmlich. Wo ist eigent­ lich hier der von der „libera­ len“ Gegenöffentlichkeit gewählte VdB? Eingeraucht?

AN DIESER STELLE SOLL ABER NUR EIN KURZES SCHLAGLICHT AUF DIE NIE DERTRÄCHTIGE TAKTISCHE HERANGEHENSWEISE VOR ALLEM DES „TEAM KURZ“ GEWORFEN WERDEN, UM DIE OBEN SKIZZIERTEN UND WOHL NOCH WEITERE DIE WERKTÄTIGEN BENACHTEILIGENDE MASSNAHMEN DURCHZUSCHUMMELN: Wenn man sich die oben erwähnten Punkte anschaut, geht es dabei im Großen und Ganzen immer um Interessen­ gegensätze zwischen Besit­ zenden und Werktätigen, zwischen Kapitalisten und Lohnabhängigen, also um das, was man als Klassen­ kampf bezeichnet. Dieser in den gesellschaftlichen Ver­ hältnissen vorhandene Ant­ agonismus ist eine Tatsache und nicht erst mit der Macht­ übernahme der rechts­kon­ servativen Partie hervor getreten, allerdings könnten die Gegensätze durch die ge­ setzten Maßnahmen unver­ schleierter sichtbar werden. Diesen offenen Blick auf die soziale Wirklichkeit, auf die Umstände, unter denen der


Klassenkampf 30/2018 Kapitalisten­Klasse gegeben wird, während man den Be­ sitzlosen nimmt, will man sei­ tens der Regierenden nicht haben. Daher greift man auf das bewährte Sündenbock­Prinzip zurück, das ist im Fall von Kurz, der mit seinem Team hier Mastermind ist, und in der FPÖ einen historisch be­ stens geschulten Partner hat, das Thema Migration­Flücht­ linge­Islam. Seit seinen Putschvorbereitungen 2015 spielt Kurz dieses Thema, er hat damit auch den Wahl­ kampf bestritten und, unter­ stützt von den Boulevard­Medien, gibt es auch nach Regierungsantritt more oft the same, frei nach dem Motto „never change a winning team“. Nicht zufällig war die erste kolportierte Maßnahme der Kurz­Regierung die Kürzung der Kinderbeihilfe für im Aus­ land lebende Kinder von hier schwer arbeitenden EU­Aus­ ländern (Stichwort Pflegerin­ nen aus Osteuropa) ­ wenig „Einsparung“, aber gute Wir­ kung am Boulevard. Dann die unvermeidliche „Kopftuchdebatte“, ein her­ vorragendes Beispiel, um einen Kulturkampf am Kö­ cheln zu halten oder eigent­

Innenpolitik lich zu befeuern. Natürlich wird aber Religion mit ihren Symbolen an öffentlichen Or­ ten, wie Schulen oder Gerich­ ten, nicht generell verbannt, was selbstverständlich die verbündeten christlichen

ob es denn gerechtfertigt wä­ re, dass ein Mindest­Pensio­ nist genauso viel Geld erhielte, wie eine Familie von Migranten, die noch nie „ins System“ einbezahlt hätte. Perfide wird hier zum einen

rung“ und „Zeit für Neues“ überschrieben und es wird der Charakter dieser Politik verschleiert, indem Sünden­ böcke auf die Bühne gezerrt werden, die das Publikum vom tatsächlichen Geschehen

Die wahren Nutznießer der Regierungspolitik sitzen hier: Haus der Industrie in Wien.

Machthaber treffen würde, sondern es wird eine Stim­ mung erzeugt, in der Migran­ tInnen immer mehr ins Kreuzfeuer nationalistisch­ rassistischer Angriffe geraten. Letztlich wird die Neiddis­ kussion im Bereich der soge­ nannten Mindestsicherung angefacht und hier tritt der Meister dieses Faches, Seba­ stian Kurz, höchstpersönlich auf und fragt treuherzig und tiefe Überzeugung mimend,

der Solidaritätsgedanke mit Füßen getreten und zum an­ deren eine Mehrzahl von Per­ sonen (Familie) mit Einzelnen verglichen, womit man auch gleich eine Wertung von den hier Ansässigen mit Zugewan­ derten geschafft hätte, von wegen „Die Würde des Men­ schen ist unantastbar“! Es wird also Klassenpolitik betrieben, ziemlich schamlos und brutal, es wird dies mit den Schlagworten „Verände­

ablenken sollen. Lassen wir diese Schmie­ renkomödie nicht zu, lassen wir es nicht zu, dass diese an der Macht befindlichen Het­ zer die Menschen gegenein­ ander ausspielen, zeigen wir auf, welche Mechanismen in der Gesellschaft tatsächlich wirken und nehmen wir den Klassenkampf beherzt an!

Komm zum ROTEN TISCH der Gruppe Klassenkampf Jeden zweiten Dienstag treffen sich Genossinen und Genossen der GKK mit Interessierten zu einer lockeren Gesprächsrunde. Wir tauschen politische Informationen und Erfahrungen aus unserer Arbeitssituation aus. Fallweise gibt es Referate zu aktuellen oder theoretischen Fragen. Schau einfach vorbei! Wenn Du wissen willst, welche Themen wir behandeln werden, schick uns einfach ein Mail!

Nächste Treffen: 22. Mai 5. Juni 19.juni

Wir treffen uns im kurdischen Lokal Zypresse Westbahnstraße 35a 1070 Wien Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com

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Innenpolitik

Klassenkampf 30/2018

GENERALSTREIK zur Verhinderung der Zerschlagung der AUVA! Mio. EUR betragen. Wieviele Personen sind von diesem Frontalangriff auf die sozialen Errungenschaf­ ten betroffen? Rund 4,8 Mil­ lionen Menschen sind derzeit in das Netz der AUVA einbe­ zogen ­ davon rund 2,9 Millio­ nen Werktätige, 1,4 Millionen Menschen in Ausbildung (vom Kindergartenkind bis zur Doktorandin), die Mitar­ beiter_innen von sozialen Hilfsorganisationen, und 0,5 Millionen “Selbständige” (dar­ unter auch viele outgesourcte prekär Beschäftigte). Pro Jahr werden in den Einrichtungen der AUVA rund 350.000 Un­ fallopfer behandelt. Betriebsversammlung im Unfallkrankenhaus Meidling: Weg von „symbolischen“ Aktionen der Gewerkschaft, hin zum Widerstand in den Betrieben

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bgesehen von ihrer Begeisterung für den 12-Stunden-Tag musste lange Zeit auf konkrete Angriffe der türkisblauen Bürgerblockregierung gewartet werden. Dass diese mit der Diskussion um die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) im April 2018 noch vor der Salzburger Landtagswahl begonnen wurden, wusste doch zu überraschen. Die Existenz einer zu 100 % von den Kapitalisten bezahl­ ten Unfallversicherung ist an sich keine Selbstverständlich­ keit, sondern wurde von der Arbeiterbewegung in Streiks und Demonstrationen hart er­ kämpft. Das 1887 beschlosse­ ne “Gesetz zur Einführung einer Unfallversicherung für Arbeiter” war eine erste be­ deutende Errungenschaft. Zu­ vor landeten durch Arbeitsunfälle invalid gewor­ dene Arbeiter_innen in Ar­ menhäusern und waren auf

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Almosen angewiesen. Dem preußischen Vorbild folgend, setzte die k.u.k. Monarchie neben der Unterdrückung von Arbeitskämpfen auf Zuge­ ständnisse an die Arbeiter. In der Frühzeit der “Arbeitsun­ fallversicherung” war das Sy­ stem nicht flächendeckend, die Kapitalisten zahlten 90% und die Proletarier 10% in den Versicherungstopf ein. So wie heute knirschten auch damals die Bürger mit den Zähnen, weil die “Lohnneben­ kosten” zu hoch seien. Ande­

rerseits kam das Gesetz über die Unfallversicherung der Kapitalistenklasse aber doch gelegen: Statt im Falle eines Arbeitsunfalls evtl. mit pri­ vatrechtlichen Klagen kon­ frontiert zu werden, gab es nun eine Haftungspflicht der Kapitalisten, die für einen vergleichsweise geringen Bei­ trag möglichen höheren For­ derungen von Opfern der Ausbeutung entgingen. Konkret wollen FPÖVP den Kapitalisten 500 Mio. EUR an Beiträgen für die AUVA schenken, indem der Beitrag zur Unfallversicherung von derzeit 1,3% auf 0,8% der Bruttolöhne gesenkt werden soll. Über Kürzungen in der Verwaltung ist das nicht zu erreichen, da die Verwal­ tungskosten der AUVA nur 90

DAHER IST DIE LOGISCHE KONSEQUENZ DIE KÜRZUNG VON LEISTUNGEN ODER DIE ENTNAHME DER FEHLENDEN 500 MIO. EUR AUS DEM STEUERTOPF. BEIDES IST DER REGIERUNG ZUZUTRAU EN. Leistungskürzungen gab es schon unter Schwarzblau 1 in Form der Unfallrentenbe­ steuerung, welche jedoch auf rechtlichem Wege gekippt wurde. Auch die Einführung von Selbstbehalten ist denk­ bar. Alle diese Maßnahmen wä­ ren ein direkter Angriff auf die Gesundheit der arbeiten­ den Bevölkerung und ihrer Kinder. Die sieben Unfallkran­ kenhäuser (Kosten: 223 Mio €) wären von Schließungen oder Reduktionen betroffen, bei allgemeinen medizini­


Klassenkampf 30/2018 schen Einrichtungen wie Labo­ re oder bei der Präventivmedi­ zin würde genauso eingespart wie bei Reha­Zentren. Sparpo­ litik würde bedeuten: Perso­ nalabbau beim pflegerischen und ärztlichen Personal, länge­ re Wartezeiten und/oder Strei­ chung von Leistungen wie Magnetresonanzuntersuchun­ gen und und und. Die andere Variante ist die Entnahme des fehlenden Be­ trags aus dem Steuertopf. Das würde auch zu den Plänen der Abschaffung der AUVA und de­ ren Integration in eine neu zu bildende einheitliche Sozial­ versicherung passen. Als wei­ tere Konsequenz ist eine gänzliche Abschaffung der AU­ VA­Beiträge der Kapitalisten vorstellbar.

WORUM ES WIRKLICH GEHT Die Angriffe auf die AUVA laufen unter der Überschrift "Senkung der Lohnnebenko­ sten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Öster­ reich". Das ist nichts anderes als brutaler Klassenkampf mit der Kernaussage "Die Lohnab­ hängigen sollen sich ihre Un­ fallrenten und ihre ärztliche Versorgung nach Unfällen ge­ fälligst selber zahlen." Denn nichts anderes würde die Ent­ nahme der fehlenden Kapitali­ stenbeiträge für die AUVA aus dem Steuertopf bedeuten. Die­ ser wird nämlich zum Großteil aus den Massensteuern (Lohn­ steuer, Umsatzsteuer, Mineral­ ölsteuer, Tabaksteuer etc.) gespeist, welche mehrheitlich von den Lohnabhängigen (mehr als 90 % der Bevölke­ rung) stammt. Die wirklichen Nutznießer dieser Politik sind nicht die vielstrapazierten “KMU”, die angeblich entlastet würden ­ die echten Profiteure sind wie­ der einmal die reichsten und

mächtigsten Kapitalisten des Landes. Beispiel: KTM­Chef Stefan Pierer, der im Wahl­ kampf Sebastian Kurz mit 436.563 Euro unterstützt hat (damit sich der arme Bub “freispielen” könne). Im Febru­ ar bilanzierte Pierer im Wirt­ schaftsmagazin TREND: “Die Regierung ist in der Anfangs­ phase. Die Regierungsbildung zeugt von Eigenständigkeit, auch wenn das in dem einen oder anderen Bundesland nicht ganz optimal gesehen wurde. Jetzt geht es darum, das gute Regierungsprogramm umzusetzen und das positive wirtschaftliche Konjunkturum­ feld auszunutzen”. KTM hat rund 4.000 Beschäftigte ­ wür­ de die monatliche “Entlastung” pro Mitarbeiter_in nur 10 EUR betragen, hätte sich für Herrn Pierer seine Wahlkampfspen­ de in nur 11 Monaten schon rentiert...

Innenpolitik +++nachrichtensplitter+++nachrichte

Herr Sobotka macht einen auf Demokrat

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anchmal lohnt sich der Blick in den täglichen Nachrichtenüberblick der Austria Presse Agentur. Dort erfuhr man am 24. April folgendes: Wien ­ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) tadelt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Anlass ist die mangel­ hafte Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Sowohl Kurz als auch Vizekanzler Heinz­Christian Strache (FPÖ) ant­ worten inhaltlich auf den größten Teil der Fragen nicht sondern merken bloß an, dass die Fragen nicht Gegenstand der Vollzie­ hung seien. In einem der APA vorliegenden Schreiben ersucht der Parlamentschef seinen Parteichef, auch auf die anderen Re­ gierungsmitglieder einzuwirken, eine Qualitätsverbesserung bei der Beantwortung von Anfragen vorzunehmen. Wolfgang Sobotka, der Freund der lückenlosen Videoüber­ wachung und Befürworter der Beschränkung des Demonstra­ tionsrechts ­ plötzlich Freund der Demokratie? Bloß, weil er von der Regierungsbank auf den Präsidentensessel im Parla­ ment verschoben wurde? Eher eine Warnung "unter Brüdern", mit der durchaus im Interesse der gesamten herrschenden Klasse liegenden Demontierung der Instrumente der „repräsentativen Demokratie" weniger provokant umzugehen. Denn der durch Herrn Kickl eingeführte Stil, Anfragebeantwortung primär zur WIDERSTAND IST Beschimpfung der Opposition zu nutzen, stößt selbst NOTWENDIG Boulevardjournalisten sauer auf. „Zurückhalten, Burschen, habt's eh noch fünf Jahre Zeit" scheint hier eher die Parole zu Erste Protestkundgebungen sein. von Kolleg_innen der AUVA haben bereits stattgefunden. Doch es geht nicht nur um die Jobängste in der AUVA. Die icht unwidersprochen blieb das Auftreten der faschistischen Zerschlagung der AUVA und Identitären am 25. April in Linz. Die „Verteidiger Europas“ die damit verbundene Aus­ höhlung des Sozialversiche­ wurden aber zu ihrem Glück selbst von den Verteidigern von Recht rungssystems betrifft die und Ordnung geschützt. Denn das Bündnis Linz gegen Rechts reagierte mit gesamte Arbeiter_innenklasse. Die Bildung einer Arbeiter_in­ Aufklärungsarbeit am Taubenmarkt auf die Provokation der neneinheitsfront mit Beteili­ Sellner­Bande. Gegen 40 friedliche antifaschistischen gung von Gewerkschaften Aktivist_innen standen: Ein paar Idis, 60 (!!!) Polizisten, sechs sowie Parteien und Organisa­ Diensthunde und ein Hubschrauber(!!!). In Linz ticken bei Aktionen gegen Faschisten die Uhren tionen mit Wurzeln in der Ar­ beiter_innenbewegung ist anders ­ auch diesmal ging die Polizei brachial auf die Gegenkundgenbung los. Spannend nur die Öffentlichkeits­ daher dringend notwendig. Der perfide Angriff von Kürz arbeit der Linzer Polizei. Dort twitterte man munter drauflos: Aha ­ Kickls Neusprech setzt sich & Streiche auf die Gesundheit also auch amtlich durch! Aus der der Lohnabhängigen und ihrer wenig erfolgreichen Kinder muss mit klassenkämp­ Standkundgebung der Idis wird eine ferischen Maßnahmen ­ Be­ „Demo”, die Antifaschist_innen sind triebsversammlungen, Streiks „gewaltbereite Chaoten“. und letzten Endes dem unbe­ Ob da ein fleißiger Polizeisprecher fristeten Generalstreik ­ zu Fall bei unzensuriert.at in die Schreib­ gebracht werden! schule gegangen ist?

„Linke Chaoten“ in Linz?

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Innenpolitik

Klassenkampf 30/2018

Skandal! Hat da wer Skandal gesagt?

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laubt man der Oppositions-SPÖ, ist der Staat in Gefahr, weil derzeit niemand an der Spitze des Geheimdienstes da ist, der uns vor den Terroristen schützt; glaubt man den NEOS, wird bei Geheimdiensten und Polizei umgefärbt, dass es nur so vom blauen Pinsel tropft; glaubt man Vizekanzler H. C. Strache, wucherte ausgerechnet im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ein „Staat im Staat" Glaubt man Peter Pilz, der die „causa prima” als Sprungbrett zurück in den Nationalrat sieht, wird’s Zeit, dass wir endlich wieder eine so richtig demokratische Staatspolizei bekommen. Am besten glaubt man dem Bundeskanzler, der sagt nämlich wie immer nichts …

ist. Die beinahe schon mit öf­ fentlichem Zungenkuss be­ schworene Pakttreue zwischen Basti Kurz und H. C. Strache endet dort, wo es um Posten geht. Ehrlich gesagt interessiert uns weder, ob hier Staatsan­ wälte, Ministerialbürokraten oder Minister die letzten An­ weisungen gegeben haben; es ist für uns auch nicht wirklich

Gehen wir die “Staatsaffäre BVT” einmal ein bisschen an­ ders an. Erstens – das Umfärben. Seien wir doch ganz ehrlich – wer kann sich darüber wirk­ lich erregen? In der bürgerli­ chen Demokratie ist es eine der Grundregeln, dass nach jedem Regierungswechsel die herrschende bürgerliche Fraktion (oder die ihre Ge­ schäfte führende sozialdemo­ kratische) versucht, so schnell wie möglich alle Schlüsselpositionen im Staatsapparat mit eigenen Parteigängern oder zumin­ dest neutralen Karrieristen zu besetzen. Was die FPÖ auf­ führt, ist also business as usual – die Besonderheit ist nur, dass sie besonders zwie­ lichtige Gestalten ausbuddelt und in Ministerien und Auf­ sichtsräte bugsiert. Aber auch das ist jetzt kein großer Heuler, sondern einfach dem Charakter dieser Partei ge­ schuldet. Zweitens – ein tüchtiger Beamter, immerhin vom HBP bestallt (nein, wirklich, be­ stallt, obwohl er nicht zur Reiterei des Herrn Kickl ge­ hört, das heißt im österrei­ chischen Amtsdeutsch tatsächlich so), wird von “sei­

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nem” Minister mehr oder minder elegant abserviert. Ja, es geht um Peter Gridling, den Direktor des BVT. Ja, Kickl hat Gridling auf dem Kieker – und da sind wir bei der Umfärbung. Das Pikante an der „Staatsaffäre”, die am 28. Februar 2018 mittels Hausdurchsuchungen in der Zentrale des BVT und in den Privatwohnungen von führen­ den Staatsschützern losgetre­ ten war ist die Tatsache, dass Gridling ein bekannter und bekennender Parteigänger der nunmehr türkisen ÖVP

interessant, wer wem nordko­ reanische Reisepässe nach­ geschmissen hat; oder ob Daten betreffend Dr. Lansky und die Alijew­Affäre gelöscht wurden oder nicht. Wir misstrauen den Re­ pressivkräften des bürgerli­ chen Staates prinzipiell, und ganz besonders lehnen wir seine geheimen Dienste ab, die immer in der Geschichte in erster Linie gegen die Ar­ beiterbewegung (und zwar nicht nur die revolutionäre, sondern sogar die reformisti­ sche) gearbeitet haben. Wir

glauben nicht, dass irgend­ welche Spitzeldateien tat­ sächlich gelöscht werden, bloß, weil das in irgendeinem Gesetz oder Verordnungs­ blatt steht. BVT und Heeres­ nachrichtenamt – das sind die Experten, die im Vize­ kanzler­Büro die angebliche Wanze gefunden hatten, die sich als alte Lautsprecheran­ lage entpuppte – sind zu­ gleich wesentliche Instrumente der imperialisti­ schen Politik der österreichi­ schen herrschenden Klasse. Schon in den 50er Jahren war Österreich mit Radarlausch­ posten im Auftrag der NATO an der Überwachung des ost­ europäischen Luftraums be­ teiligt, heute sammelt das HNA im Ausland Informatio­ nen, die laut Verteidigungsmi­ nisterium „Grundlage für strategisch wichtige Entschei­ dungen der obersten politi­ schen und militärischen Führung in Österreich” sind. Die angeblichen Instrumente zu Bewahrung der Demokra­ tie sind also in Wahrheit In­ strumente der Überwachung und Kriegstreiberei. So gesehen war es wohl ei­ ne lehrreiche Erfahrung für die Schlapphüte von ÖVP­ Gnaden, als die fröhlichen Herren der Einsatzgruppe Straßenkriminalität bei ihnen eintraten (und zwar die Tü­ ren), aber kein Glück mit­ brachten, sondern den FPÖ­Gemeinderat Oberst Wolfgang Preiszler, der auf Facebook wenig Berührungs­ ängste gegenüber Reichsbür­ gern und faschistischen Verschwörungstheoretikern hat. Nein, wir teilen die Sorge


Klassenkampf 30/2018 von Herrn Kern (SPÖ) nicht, dass jetzt plötzlich der Terro­ rismus über uns hereinbre­ chen wird, weil Herr Gridling suspendiert wurde; nein, wir glauben nicht, dass jetzt plötzlich die Überwachung von „Extremisten” eingestellt wird – vielmehr wird folgen­ des geschehen: Die FPÖ wird alles daran setzen, einen ihr genehmen Direktor des BVT einzusetzen (Gert­René Polli, Ex­BVT­Di­ rektor, privater Sicherheits­ berater, unter anderem in der demokratischen [?] Ukraine scharrt schon mit den unbe­ rittenen Hufen). Dass die In­ tensität der Überwachung „extremistischer” Umtriebe eine deutliche Verlagerung von rechts nach links durch­ machen wird, wird ebenfalls nicht überraschend sein. Wo­ bei allerdings klargestellt werden muss: Hätten sich die österreichische Naziszene und ihre halbfaschistischen Sympathisanten nicht viel zu auffällig, frech und provokativ gebärdet, hätte das BVT wohl

Innenpolitik auch etwas zurückhaltender auf die „Szene” reagiert. Wer in aller Öffentlichkeit den braunen Kraftmeier mimt, muss (immer noch) mit mehr oder minder raschen Konse­ quenzen rechnen. Die SPÖ, und wir sagen es immer und immer wieder, hat als vollständig in den bürger­ lichen Staat integrierte Partei mit Wurzeln in der Arbeiter­ bewegung alles getan, um den Werktätigen, den Arbeitslo­ sen, der Jugend diesen Staat als die beste aller sozialpart­ nerschaftlichen Welten zu verkaufen. Sie hat alles getan, um den Staatsapparat zu ölen und reibungslos laufen zu las­ sen. Dementsprechend hat sie ohne jeden ernsthaften Widerstand in den letzten Ko­ alitionen Schlüsselministerien wie Inneres oder Finanzen in die Hände der Bourgeoisie gelegt. Eine wirkliche Analyse dessen, was hier passiert – nämlich ein Machtkampf zwi­ schen verschiedenen bürger­ lichen und kleinbürgerlichen

Fraktionen – ist von ihr nicht zu erwarten. Als Revolutionäre ist es nicht unsere Aufgabe, Herrn Gridling gegen die Machtgelü­ ste des verhinderten Reiter­ generals Kickl zu verteidigen. Wir wollen keinen „demokra­ tischeren” Geheimdienst – wir wollen gar keinen Ge­ heimdienst! Die schwarz­blaue Regie­ rung bastelt an einem „Si­ cherheitspaket”, mit Bundestrojanern, Aufwei­ chung des Briefgeheimnisses, erweiterten Polizeibefugnis­ sen, Verschärfungen des „Fremdenrechts”, Blitzab­ schiebungen usw.. Verkauft wird all das unter dem Deck­ mantel, man könne nur so die Bevölkerung vor dem Terro­ rismus schützen. Dass die Bourgeoisie und ihre Parteien in Wirklichkeit in fast 200 jäh­ rigen Kämpfen errungene de­ mokratische Freiheiten zerstört, blenden die Blender am Ballhausplatz aus. Diese gesamte Dynamik muss bekämpft werden, das

geht aber nur, wenn wir ge­ duldig und immer wieder er­ klären, was der Staat ist: Ein Instrument zur Unter­ drückung einer Klasse durch die andere, eine Ansammlung von „Formationen bewaffne­ ter Menschen und ihrer mate­ riellen Anhängsel” wie Gerichte und Gefängnisse. Bedauerlicherweise wird gerade in einer Situation, in der die österreichische Arbei­ terklasse durch Jahrzehnte sozialdemokratischer Klas­ senkollaboration besonders demoralisiert und entwaffnet ist immer offensichtlicher, dass die marxistische Analyse des Staates und der kapitali­ stischen Gesellschaft nach wie vor gültig ist. Dement­ sprechend werden wir alles unternehmen müssen, um durch theoretische Schulung und praktische Aktion den ar­ beitenden Menschen den Weg zu weisen, wie dieses perfide Regime beseitigt werden kann.

Wichtige politische Websites zum Einlesen: CoReP / Kollektiv Permanente Revolution

IKC / Internaciema Kolektivista Cirklo (Spanischer Staat)

GMI / Groupe Marxiste Internationaliste (Frankreich)

PD / Patronsuz Dünya (Türkei)

GKK / Gruppe Klassenkampf (Österreich)

TML / Tendencia Marxista Leninista (Brasilien)

Kontakt: gruppe.klassenkampf@gmail.com Die Gruppe Klassenkampf im Internet: www.klassenkampf.net 7


Innenpolitik

Klassenkampf 30/2018

Mogelpackung Plastikrecycling Im Supermarkt wird mitt­ lerweile sehr vieles damit ein­ gepackt, als wäre es unverzichtbar: Plastik. Ver­ packungen machen mittler­ weile etwa ein Drittel des gesamten Plastikmülls aus. Dieser Plastikberg ist in den letzten 20 Jahren in Öster­ reich von 180.000 auf 300.000 Tonnen angewachsen. Bis Ende Februar 2018 wurde der Plastikmüll aus der EU ein­ fach nach China geliefert. Seit dem Importstopp Chinas für nicht sortenreines Plastik per Anfang März 2018 ist die EU gezwungen, sich et­ was Neues zur Beseitigung ih­ rer Plastikabfälle einfallen zu

lassen. Das Zauberwort heißt Recycling. Die EU will die Zielquote für Recycling auf 55 % bis 2025 und auf 65 % bis 2035 erhöhen. Recycling be­ deutet jedoch keineswegs, dass aus dem gesammelten Kunststoff wieder Kunststoff wird. Aktuell ist Österreich Vize­ europameister mit 58 % hin­ ter Deutschland mit 66 % Kunststoffrecyclingquote. Da­ bei werden nur ein Drittel al­ ler österreichischen Kunststoffabfälle wiederver­ wertet, der Rest ­ also zwei Drittel ­ verbrannt. Bis 2025 muss die tatsächliche Recy­ clingquote auf 50 % steigen.

Die unzähligen Kunststoff­ arten machen mehr Recycling als bisher unwirtschaftlich. Da ist sie also wieder ­ die Profitlogik des Kapitalismus! Die Produktion von neuem Kunststoff ist oft billiger als Kunststoff zu recyceln. Kleine Kunststoffteile etwa aus Kos­ metika können ohnehin nicht wiederverwertet werden und landen über die Kanalisation in den Weltmeeren. Aus den Ozeanen ist Pla­ stikmüll schwer zu entfernen, wird von Fischen verschluckt und gelangt so in die Nahrung des Menschen. Plastik ist nicht alternativlos. Folien aus Milchproteinen sind luftun­

Helmholtz-Wissensplattform "Erde und Umwelt", ESKP

Das Kollektiv Permanente Revolution CoReP www.revolucionpermanente.com Frankreich: Groupe Marxiste Internationaliste www.groupemarxiste.info Österreich: Gruppe Klassenkampf www.klassenkampf.net

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durchlässiger und strapazfä­ higer. Zudem wird die Notwendigkeit von Ver­ packungen kaum mehr hin­ terfragt und die Idee der Müllvermeidung verschwin­ det immer mehr aus den Köp­ fen der Menschen. Für vernunftbegabte und umweltbewusste Menschen ist es schwer verständlich, warum der Mensch seine ei­ gene Umwelt und damit sich selbst vergiftet. Die Produkti­ on von und der Handel mit Kunststoffen ­ auch zu Ver­ packungszwecken ­ ist welt­ weit ein riesiges Geschäft. Die Entsorgung der Müll­ berge wird dabei oft verge­ sellschaftet. Auch bei der Kunststoffproduktion werden ökologische Gedanken von Profitüberlegungen ver­ drängt. Die Profitlogik wischt auch alternative Ver­ packungsmöglichkeiten und vor allem die Müllvermeidung vom Tisch. Die Profitlogik ist der Kern der kapitalistischen Ideologie und Triebfeder sei­ nes zerstörerischen Charak­ ters zugleich. Der Stopp der kapitalistischen Umweltzer­ störung und damit die Siche­ rung des Überlebens der Menschheit ist zum wichtig­ sten Grund geworden, warum mit dem Kapitalismus endlich Schluss gemacht werden muss.


Klassenkampf 30/2018

Internationaler Kassenkampf

Ein Flugblatt unserer französischen Genoss_innen der Groupe Marxiste Internationaliste

Polizei und Faschisten, raus aus den Unis!

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faschistischen Schläger vom Dekan mit Komplizenschaft des Staatsapparats losge­ schickt, was auch das Fern­ bleiben des Sicherheitsdienstes und die Erklärung des Dekans über die Schläger zeigte: "Sie woll­ ten sich verteidigen. Ich kann ihnen keine Vorwürfe ma­ chen ... Ich bin ziemlich stolz auf meine Schüler. Ich stim­ In Montpellier, wo Gymna­ Schlägern angegriffen, darun­ me ihnen vollkommen zu. sien, Hochschulen, die Philo­ ter auch (laut den Anwesen­ "(France Inter 3, 23. März) sophische Fakultät und die den) einige Lehrer. Die Daher wohl auch das Geleit Fakultät für Naturwissen­ schaften seit zwei Monaten eine Bewegung gegen Studi­ enverschärfungen tragen, be­ schlossen Studenten, die an der Demonstration vom 22. März teilgenommen hatten, spontan in einer Generalver­ sammlung an der Fakultät für Rechts­ und Politikwissen­ schaft Maßnahmen gegen die Auslesepläne zur Zugangsbe­ schränkung zur Universität zu bereden. Eine der getroffenen Das skandalöse Fernsehinterview, in dem der Dekan die faschistischen Entscheidungen war die Schläger verteidigte nächtliche Besetzung eines Hörsaals. Während der Angreifer trugen Kapuzen für die abziehenden Faschi­ Hauptversammlung kontak­ und waren mit Holzprügeln sten durch eine Kette von Po­ tierte der anwesende Dekan und Tasern bewaffnet. "Die lizisten bei ihrem Rückzug. der juristischen Fakultät Schüler werden zu Boden ge­ Das Ziel der Operation war, Philippe Pétel wiederholt die schleift, mit Holzstöcken ge­ Präfektur, um den Saal räu­ schlagen und unter men zu lassen. Nachdem ihm Beschimpfungen aus dem die Studierenden eine Abfuhr Hörsaal hinausbeför­ erteilt hatten, drohte er, sie dert" (France Inter, 23. März). sollten den Hörsaal verlassen, Drei von ihnen mussten mit "bevor es heiß wird". Die ver­ eingeschlagenen Köpfen ins bleibenden fünfzig Studenten Krankenhaus eingeliefert wer­ wurden um Mitternacht von den. einer Bande von zehn bis fünfzehn faschistischen Offensichtlich wurden die ie Aktivitäten der faschistischen Gruppen und der Einsatz des repressiven Staatsapparates nehmen immer mehr zu, besonders angesichts der kämpferischen Jugend. Am 7. Dezember griff die Polizei bei einer Konferenz von zwei Schriftstellern an der Universität Lille 3 ein; am 6. März evakuierte das CRS [Antiaufstandspolizei, bekannt für ihre Brutalität] die Universität Bordeaux 4; am 16. März wurde die Universität von Dijon von der CRS besetzt und die Lycée autogéré de Paris von den Nazischlägern der GUD-BS angegriffen; am 22. März vertrieb die CRS die Studenten aus der Universität von Straßburg, und die Polizei intervenierte am Rande einer FrontexKonferenz auf dem Campus von Grenoble.

eine Besetzung zu zerschla­ gen, die Bewegung der Stu­ denten zu zerschlagen. Am nächsten Tag verurteilte eine Demonstration von 1.000 Stu­ denten die Polizeigewalt vor der juristischen Fakultät und forderte die Absetzung des Dekans; 300 Studenten in der Sorbonne und 150 Studenten in Lille demonstrierten soli­ darisch. Eine Veranstaltung ist für den 28. März in Lille und Dijon geplant. Am 24. März erklärte der Dekan sei­ nen Rücktritt und der Mini­ ster eröffnete eine Untersuchung, vermutlich, um die peinliche Affäre schnell vom Tisch zu haben. Der Staatsapparat delegiert, wie in den dunklen Stunden seiner Geschichte, die Unter­ drückung der sozialen Bewe­ gung an die Faschisten. Angesichts der polizeili­ chen und faschistischen Ge­ walt auf dem Campus: Einheitsfront der Arbeiteror­ ganisationen und Selbstver­ teidigung der Studenten! 26. März 2018

Mehr Informationen zum Klassenkampf in Frankreich? Auf der Website der GMI! groupemarxiste.info 9


Internationaler Klassenkampf

Klassenkampf 30/2018

Zur Verteidigung des Selbstbestimmungsrechtes Kataloniens:

Schluß mit der Unterdrückung durch die monarchistische Regierung! Für eine Arbeiterrepublik!

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Zwischen dem 1. Oktober, dem Tag des Referendums, und dem 27., gab es eine lange Verzögerung, während derer der Präsident der katalanischen Regierung Carles Puigdemont (PdeCat) unaufhörlich Manöver zur Vermeidung einer konkre­ ten Lösung, wie sie im Parlament gemeinsam von Junts Pel Sí und der CUP­CC beschlossen wurde, unternahm. Und während die Zeit verging, ließ er die beeindruckende Massenmobilisie­ rungen abflauen, welche während jener vier Tage (vom 30. Das Mandat der nahezu unzugänglichen Wahlurnen und der September bis 3. Oktober) in Schulen, auf Straßen und Plätzen Straße ist klar: die katalanische Bevölkerung hat sich mehr­ drängten, um zunächst ihr Wahlrecht und dann die Auszählung heitlich dafür entschieden, zu verteidigen. ihr Recht auf demokratische Selbstbestimmung trotz der Die unabhängige, reUntersagung der Abstim­ publikanische Bourmung und der Unter­ geoisie - die genau drückung durch die das nie war spanische Monarchie zu ver­ teidigen. Aber die Fragestellung Manöver, Verzögerun­ selbst enthält eine Falle. Die gen, Ablenkung, ungerecht­ einzige Möglichkeit, gegen fertigter Verzug, die frankistische Monarchie Geheimabkommen, Betrug zu stimmen, war die Wahl etc. ­ das war der Haupt­ der „Unabhängigkeit“ ohne zweck jeder politischen Ak­ jede Präzisierung, ohne Mög­ Polizeibrutalität am 1. Oktober 2017: Bilder, die Katalonien nie vergisst tion des lichkeit zu entscheiden, wel­ Unabhängigkeitsflügels des che Art der Republik es sein sollte, ohne auf die Art der Bürgertums angesichts der unter ihrem Banner heranrollen­ unmittelbaren und zukünftigen Beziehungen zu den anderen den Massen. In diesem Prozess ist die alte Partei Convergencia Völkern, die derzeit Untertanen der Bourbonen sind, einzuge­ i Unio CiU („Konvergenz und Einheit“) finanziell ruiniert und hen.. bedeutungslos, geteilt und in eine Vielzahl von Korruptionsfäl­ Am 27. Oktober wurde schließlich die unabhängige und len in großem Maßstab involviert … und unter dem Namen souveräne katalanische Republik von der Mehrheit des Parla­ PDeCat wieder auferstanden. In einer verzweifelten Flucht ments „ein bisschen“ proklamiert. Diese Mehrheit setzte sich nach vorne, um sein Verschwinden abzuwenden, konnte die aus zwei Koalitionen zusammen: Junts pel Sí („Zusammen für große Partei der katalanischen Bourgeoisie, die unter der Mon­ Ja“) unter der Führung der beiden bürgerliche Parteien Partit archie und allen Arten von Regierungen glücklich koexistierte, Democrata Europeu Catala PDeCat (Europäische Demokrati­ die Zügel der mächtigen Gefühle einer nationalen Unter­ sche Partei Kataloniens) und der Esquerra Republikana de Ca­ drückung übernehmen, bestärkt durch vielfache und beleidi­ talunya ERC (Republikanische Linke Kataloniens); und der gende anti­katalanische Provokationen der letzten Regierungen Candidatura d’Unitat Popular CUP­CC („Kandidatur der Volks­ der Partido Popular PP („Volkspartei“). einheit“), die auf großen Widerhall unter der Jugend stößt, aus Das Ergebnis ist widersprüchlich: auch wenn die PDeCat dem radikalen Kleinbürgertum kommt und die Unterstützung momentan relativ unbeschadet aus der größten internen poli­ mehrerer Organisationen genießt, die sich auf den Antikapita­ tischen Krise, welche die katalanische Bourgeoisie seit dem lismus und den Sozialismus berufen. Ihr Ergebnis bei den Tod Francos durchlebt hat, kommen sollte: der zu zahlende Wahlen 2015 war 39,6% für Junts pel Sí bzw. 8,2% für CUP­CC. Preis war sehr hoch, und sie musste sehr viel weiter gehen als rotz der repressiven Kampagne des spanischen Staates hat das katalanische Volk am 1. Oktober die Abhaltung eines Referendums durchgesetzt. Ungeachtet der Polizeigewalt und der Beschlagnahme von Urnen und Wahlzettel haben mehr als zwei Millionen (bei einer Gesamtzahl von fünf Millionen) ihrer Stimme Ausdruck verliehen, indem sie auf die Frage „Wollen Sie, dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik wird?“ mit Ja stimmten.

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Klassenkampf 30/2018 in ihren nationalistischen Forderungen zuvor. Am 27. Oktober musste Carles Puigdemont an der Spitze des Junts pel Sí schließlich eine Entscheidung treffen. Er war gefangen zwischen der formalen Zusage, das Ergebnis des Re­ ferendums zu respektieren, und der Eigendynamik des Schei­ terns seiner Geheimverhandlungen mit der Regierung Rajoy, um das gefährliche Spiel eines „Verfassungsprozesses“ abzu­ wenden. Am 26. Oktober, als sich der Verrat seines eigenen Fahrplans bereits erwiesen hatte, wurde die Auflösung des Aufrührerparlaments und die Ausrufung von Neuwahlen be­ schlossen. Das Kabinett im Vorsitz der Generalität hatte es be­ reits angekündigt und es wurde in allen Medien verlautbart. Aber in letzter Minute konnte oder wollte oder – (am wahrschein­ lichsten) bekam er nicht alle Be­ dingungen zugestanden, die er sich wünschte, um der direkte Totengräber der katalanischen Unabhängigkeit zu sein: und er fand sich genötigt in einem von tausenden Manifestanten um­ ringten Parlament die von jenen geforderte katalanische Republik halbherzig auszurufen. Die Pro­ klamation wurde gemacht ohne Substanz, ohne jegliche Maßnah­ me zu deren Umsetzung, ohne die Massen dazu aufzurufen, die­ se auch durchzusetzen ­ mit ih­ ren Führern, die ihre Koffer für die Flucht aus dem Land gerade packten.

Das Mitläufertum des nach Unabhängigkeit strebenden Kleinbürgertums Seit seinem Eintritt ins Parlament 2013 bis heute hat die CUP­CC (8% der Stimmen) – mit seiner „antikapitalistischen“ Sprache und der erhobenen Faust – nichts anderes gemacht, als dem bürgerlichen Block nachzulaufen: ihre Stimme war entscheidend für die Bildung der bürgerlichen Regierung Kata­ loniens, gleich allen vorhergehenden mit der Ausnahme des Versprechens des Referendums über Selbstbestimmung. Die wiederholte parlamentarische Abstimmung der CUP­CC war der Grund, weshalb sich die katalanische Regierung halten konnte (darunter die Zustimmung zum Haushalt im Austausch für lächerliche Almosen für die sozialen Dienste). Und, mehr noch, ihre Stimme war auch notwendig um im katalanischen Parlament das Gesetz des provisorischen Überganges zu ver­ abschieden. Durch dieses Gesetz versucht die katalanische Bourgeoisie für sich selbst, für seine Klassenfreunde im spani­ schen Staat sowie jenen im Rest der Welt, alle aktuellen spani­ schen Gesetze, das ganze arbeiterfeindliche juristische Arsenal, sämtliche Handelsverträge, alle internationalen Ver­ pflichtungen, alle Schulden usw. zu garantieren. Sie sollen in Kraft bleiben währenddessen „die neue Republik ihre eigenen Gesetze verabschiedet“. Die Leitung der CUP hat sich bemüht, diese harte Wahrheit

Katalonien vor den Massen zu verbergen, dass ihre bürgerlichen Verbün­ deten keine anderen als ihre eigenen Interessen kennen, dass für sie die nationale Frage, auch wenn sie sie radikalisieren, nichts anderes darstellt als ein Verhandlungsinstrument zur Erhöhung ihres Anteils am Kuchen. Sie verbergen es, aber sie wissen es, denn mit dem Übergangsgesetz hat das Mitläufer­ tum einen weiteren Schritt gesetzt: für den Fall, dass es endlich eine „neue Republik“ gäbe, ist gesichert, dass mit dem von der CUP unterstützten Gesetz kein Punkt und kein Beistrich der ökonomischen, sozialen und politischen Grundlagen der aktu­ ellen Herrschaft des Kapitals über die Arbeiterklasse in Frage gestellt würde. Kurz: die CUP war das rote Deckblatt eines alternativlosen Weges den keinen der beiden Hauptklassen braucht: eine bür­ gerliche katalanische Republik.

Der spanische Staat Die für die Unterdrückung ge­ gen das katalanische Volk ver­ antwortliche Regierung ist eine der schwächsten der letzten 40 Jahre. Nach zwei Parlaments­ wahlen innerhalb von sechs Mo­ naten gelang der PP die Amtseinführung von Rajoy nur dank der Stimmenthaltung des Großteils der Abgeordneten der Partido Socialista Obrero Es­ pañol PSOE („Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens“), die im Gegenzug in eine tiefe Krise geriet, von der sich diese Partei gerade erst erholt. Die spanische Regierung ist in der Hand einer Partei, die den Rekord an Korruption in Europa hält. Die PP ist in einem Ausmaß an juristischen Fällen der Korruption verwickelt, der 900 aktive und ehemalige Funktionäre umfasst. Sie ist die erste Partei mit einer Anklage wie der Vernichtung entscheidender Beweise (Festplatten) in der Affäre Bárcenas, bei der enorme illegale Einnahmen (Schwarzgeld), die durch ihre nationale Buchhaltung floss, aufgedeckt wurden. Wie durch ein Wunder ist der Präsident der Regierung nicht angeklagt, aber er musste vor dem Richter aussagen und sein Name taucht als Empfänger von Kuverts mit Schwarzgeld auf. Rajoy behauptet, „dass die Katalanen bestimmte Sachen machen“. Was aber sicher ist, ist dass im Spanien der Bourbonen „sich Sachen ereignen“. Zum Beispiel, dass die Korruptionsfälle nie mit einem rechtsgülti­ gen Urteil beendet werden, dass die Richter und Ankläger nach Verlangen der Angeklagten für nicht zuständig erklärt werden, dass die Zuhörer wütend werden, dass die Sterblichkeit der Zeugen bei Korruptionsfällen steigt… Während der Ereignisse der „Herausforderung der katalani­ schen Unabhängigkeit“ (wie es die spanische Presse nennt), um sicher zu sein, dass das Staatsbudget 2017 beschlossen wird, musste die Minderheitsregierung der PP die blamable Unterstützung der nationalistischen baskischen Partei PNV mit dem Mittel der Reduzierung der jährlichen Beiträge des Bas­ kenlandes zum spanischen Staatsbudget erkaufen. Aktuell wur­

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den die baskischen Beiträge weiter gekürzt, aber das Budget 2018 wurde noch nicht beschlossen, und es ist nicht sicher, ob das bald der Fall sein wird, weil die baskische Mobilisierung für Solidarität gegen die Unterdrückung in Katalonien der PNV nicht erlaubte, ihr Spielchen nochmal zu wiederholen. Dank der parlamentarischen Garantien der PSOE und der PNV genoß Rajoy freie Hand zur Kriminalisierung des Referendums und bei der Verhinderung jeglicher Verhandlung mit der kata­ lanischen Regierung. Die einzigen Antworten, die er lieferte, waren Finanzboykott, eine nie da gewesenen Polizeirepression und schließlich der Rückgriff auf Artikel 155 der Verfassung: dieser erlaubte ihm, ein von den Katalanen demokratisch ge­ wähltes Parlament mit Waffengewalt aufzulösen, die Regional­ verwaltung in eine einfache Ministerialdelegation von Madrid zu verwandeln und zu Neuwahlen am 21. Dezember aufzuru­ fen. Die Abhaltung eines freien Referendums sollte ein demokrati­ scher Akt sein, wie das der Fall war bei jenen, die ohne hysteri­ sche Krise in viel zivilisierteren Ländern abgehalten wurden (in der Provinz Quebec in Kanada oder in Schottland im Verei­ nigten Königreich). Aber in den Händen der Verwalter der Erb­ monarchie des „einen, großen und freien Spaniens“ hatte der Staat auf die Forderung und die Entscheidung, eine Befragung

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durchzuführen, folgende Antwort: ­ die Besetzung Kataloniens mit tausenden bewaffneten Polizisten und Beamten der Guar­ dia Civil (einer Art Bundespolizei), mit mehr als 1000 Verletz­ ten zu Lasten der Polizei am 1. Oktober; ­ hunderte Demonstranten, die Strafen oder Gerichtsverfahren erwarten; ­ der Präsident der Generalität und die Hälfte seiner Regierung im Exil; ­ die Inhaftierung anderer Verantwortlicher der Regie­ rung und von bekannten Unabhängigkeitsführern; ­ die Zensur des öffentlichen Fernsehens; ­ die Verfolgung von Lehrkräften, … All das war möglich dank der Zusammenarbeit der PSOE, ohne die die Regierung Rajoy nicht existieren würde und ohne die sie sich keinen weiteren Tag halten könnte. Der Pedro Sanchez von heute erinnert sich nicht mehr an den internen Hand­ streich, der ihn vor einem Jahr stürzte, weil er sich weigerte ei­ ne neuerliche Regierung der PP zu ermöglichen. Noch seine Beteuerungen, niemals für die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung gegen die Autonomie Spaniens zu stimmen. Jetzt erfüllt er mit seiner Funktion die Aufgabe, den so alten und korrupten spanischen Staat in Schuss zu halten, indem er sei­ nen Parteigängern erklärt, er macht es, weil „wir eine verant­ wortungsvolle Opposition sind“ die „darauf achten wird“, dass es „eine begrenzte Anwendung“ dieses repressiven Arsenals

Für die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen und sozialen Kämpfer - ohne Anklagen! Die Situation der Arbeiterklasse ist sehr ernst: gerade genug Arbeit zum Überleben, Arbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsplätze, nicht leistbare Wohnungen sind die Kehrseite der Privilegien der Reichen: sie werden immer reicher und haben die kapitalistische Krise durch noch mehr Ausbeutung des Proletariats gelöst. Seit der Annahme des Knebelgesetzes [ dem sogenannten Gesetz der „bürgerli­ chen Sicherheit der Bürger” vom März 2015] und der Reform des Strafgesetzbu­ ches haben die repressiven Maßnahmen gegen diejenigen, die diese Situation be­ kämpfen, zugenommen: täglich werden schwere Anklagen gegen Arbeiter erho­ ben, deren einziges Verbrechen darin be­ steht, die Räumung von Wohnungen armer Familien zu verhindern, brachlie­ gendes Land zu besetzen, Demonstratio­ nen gegen Polizeigewalt zu verteidigen, im Internet Witze über Francisten oder die Jungfrau Maria zu machen, in Schul­ klassen über das Referendum vom 1. Ok­ tober [über die Unabhängigkeit von Katalonien, von der Monarchie verboten] zu sprechen, Bilder des Königs zu ver­

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brennen oder Lieder, die der Regierung oder der Kirche nicht gefallen, zu singen. Inzwischen wird die Aufmerksamkeit der Menschen durch verschiedenste Mel­ dungen in den Zeitungen und Medien ab­ gelenkt. Diese ungewöhnliche und wachsende Repression ist die Antwort der Regie­ rung, die die Interessen der Bourgeoisie vertritt, angesichts der seit mehr als ei­ nem Jahr deutlich ansteigenden Massen­ mobilisierungen. Trotz des sozialen Friedens, den die der Klassenzusammen­ arbeit verbundenen Bürokraten der Mehrheitsgewerkschaften UGT und CCOO durchzusetzen versuchen: zuneh­ mende Streiks, der sozialen und migran­ tische Mobilisierungen, Demonstrationen der Arbeiterinnen und Rentner weisen deutlich eine Wiederbelebung des Kampfs der Arbeiterklasse nach Jahren der harten Wirtschaftskrise hin. All dies spiegelt sich auch in der kata­ lanischen Krise wieder. Am Freitag, dem 23. März, beschloss der Oberste Ge­ richtshof, unverhohlen den Anweisungen der PP­Regierung Folge zu leisten und die Verfolgung von 25 Vertretern der katala­

nischen politischen und sozialen Bewe­ gung zu beschließen. Wegen des Verbrechens der „Rebellion“ (bis zu 30 Jahre Haft) erhob das Gericht Anklage gegen den Präsidenten von Katalonien, Carles Puigdemont, Vizepräsident Oriol Junqueras und 7 Minister der aufgelösten Regierung, die Präsidenten des aufgelö­ sten Parlaments, die Generalsekretärin der ERC und die Führer von ANC und Omnium Cultural. Wegen dem Delikt des „Ungehorsams“ (Aberkennung des Rechts, ein Amt auszuüben, sowie Geld­ strafen) 5 Mitglieder der aufgelösten Re­ gierung, fünf Präsidiumsmitglieder des aufgelösten Parlaments und die Sprecher der CUP, Mireia Boya und Anna Gabriel. Darüber hinaus werden einige von ihnen wegen des Verbrechens der Unterschla­ gung (bis zu 8 Jahre Gefängnis) ange­ klagt. Das eigentliche Verbrechen: am 1. Oktober ein Referendum für das katalani­ sche Volk organisiert zu haben, um de­ mokratisch über die Schaffung einer vom Königreich Spanien getrennten katalani­ schen Republik zu entscheiden. Die Minderheitsregierung der PP ­ die erste in mehr als 900 Fällen der Korrupti­


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Katalonien

gegen Katalonien gäbe.

Die Arbeiterklasse Nicht einmal einige Wochen vor dem Referendum wartete die katalanische Arbeiterklasse noch ab. Ihre Beteiligung an den großen Unabhängigkeitskundgebungen war partiell und im „Volk“ unter der Führung der Bourgeoisie eingebettet. Genau­ so verhielt es sich in allgemeiner Form bei den Komitees zur Verteidigung des Referendums (Comité de Defensa de la Refe­ rendum CDR), der Massenorganisation, die sich eigentlich um die heimliche Organisation des Referendums kümmerte ­ unter den verschärften Bedingungen des Ausnahmezustands (Ver­ haftungen, Verfolgungen, Einsätze der Polizei und der Guardia Civil bei Unternehmen, Verwaltungslokalen und zu Hause). Mit ihren Verdiensten, ihrer Mangelhaftigkeit und ihrer unter­ schiedlichen Zusammensetzung nach Vierteln oder Örtlichkei­ ten haben diese CDR (nunmehr umbenannt in Komitees zur Verteidigung der Republik) die wachsende Wut gegen die Re­ pression aus Madrid organisiert und waren ein Schlüssel bei der Radikalisierung des Prozesses. Die erste Intervention der Arbeiterklasse als solche, mit ih­

on angeklagte Partei [im Spanischen Staat] ­ verdankt ihre Existenz dem Wohl­ wollen der PSOE, die sie jederzeit in den Cortes [Parlament] des Königreichs Spa­ nien stürzen könnte. Aber ganz im Gegen­ teil, die Führung dieser Partei lässt es der PP unbenommen, das katalanische Refe­ rendum und die Unabhängigkeitsbewe­ gung zu kriminalisieren, Katalonien finanziell zu erdrosseln, die beein­ druckenden Massenmobilisierungen zu unterdrücken, die autonomen staatlichen Institutionen aufzulösen (Art. 155) und ein Veto gegen die Möglichkeit der Wahl des neuen Präsidenten der Generalitat nach erzwungenen Wahlen vom 21. De­ zember einzulegen. Es geht nicht darum, Illusionen dar­ über zu erwecken, dass die Unabhängig­ keitsbewegung einen für die Arbeiterklasse vorteilhaften Inhalt hat, sondern es gilt zu verstehen, dass die re­ pressive Reaktion des Staates auf die ka­ talanischen demokratischen Bestrebungen ein Element des politi­ schen Rückschrittes zu Formen der Ge­ walt ist, die unsere politischen Freiheiten, die wir für unseren Kampf be­ nötigen. noch mehr einschränken. Deshalb ist es hoch an der Zeit zu rea­ gieren und die Spirale der Repression zu stoppen. Und wir müssen das als Arbei­ terklasse tun. Weil es die spanische

ren eigenen Aktionen, fand in den Tagen vor dem Referendum statt, als die Versammlungen der Hafenarbeiter von Barcelona und Tarragona entschieden, die von der Madrider Regierung zur Unterbringung der Verstärkung der Guardia Civil (mit dem Auftrag der Unterbindung des Referendums) geschickten Schiffe nicht zu übernehmen. Die nächste Etappe der unabhän­ gigen Klassenintervention, nunmehr im landesweiten Maßstab, war der Aufruf zum Generalstreik am 3. Oktober und seine Durchführung. Bis kurz vor dem Referendum war ein wichtiger Teil der Klasse völlig gleichgültig einer Forderung nach nationaler Un­ abhängigkeit eingestellt ­ zumal diese Forderung von jenen ge­ tragen war, die die Generalität regierten, die große Einschnitte in die Sozialbudgets vornahmen, die die öffentlichen Dienste privatisierten, die die Mossos d‘Esquadra (katalanische Poli­ zei) gegen die sozialen Kundgebungen schickten und sich mit vollen Händen in den regionalen Kassen bedienten. Eingebettet in dieses gesunde Misstrauen, haben die Führungen der Ge­ werkschaften UGT (Unión General de Trabajadores, Allgemei­ ne Arbeiterunion) und CCOO (Comisiones Obreras, Arbeiterkomitees) (sie haben eine Mehrheit, sind aber schwach und wenig geschätzt) der Verteidigung des Rechtes

Bourgeoisie ist, die angreift, und weil ih­ re katalanische Fraktion es ebenfalls tut, wenn das in ihrem Interesse liegt. Und weil die katalanische Bourgeoisie, ob­ wohl sie ein Opfer der Repression des Staates ist, diesen als ihren Staat aner­ kennt und sich ihm unterordnet, wie sie im gesamten "Prozess" gezeigt hat Wir haben genug von dieser klassenübergrei­ fenden Erfahrung und dieser Sackgasse, in der die Massen verwirrt wurden, wäh­ rend ihre "nach Unabhängigkeit" rufen­ den Führer Geheimverhandlungen führten, um ihre eigene politische, wirt­ schaftliche und persönliche Zukunft zu sichern. Es ist notwendig, dass sich alle Orga­ nisationen der Arbeiterbewegung des spanischen Staates ­ politische, gewerk­ schaftliche, soziale, welcher Art auch im­ mer ­ in einer Bewegung zusammenballen, wie eine Faust: Für die Aufhebung der Rentenreform, der Arbeitsreformen, der Reform des Strafgesetzbuches und des Knebelgeset­ zes! Für die sofortige Freilassung aller poli­ tischen Gefangenen und sozialen Kämp­ fer ­ Niederschlagung aller Anklagen! Für das Ende der politischen Repressi­ on gegen diejenigen, die die Unabhängig­ keit Kataloniens fordern!

Sofortige Beseitigung des Paragraph 155! Für das Recht des katalanischen Vol­ kes, über sein Schicksal ohne Einmi­ schung des Königreichs Spanien zu entscheiden. Für dieses Recht für alle Völker, die es wünschen. Nieder mit der Rajoy Regierung! Die Voraussetzungen sind da, um einen Generalstreik zu organisieren, um diese Forderungen zu erfüllen und die korrupteste und feindseligste Regierung zu stürzen, die uns die von Franco geerb­ te Monarchie beschert hat. Die Voraussetzungen sind da um die Monarchie abzuschaffen und den Weg für ein neues Regierungssystem der Arbeiter freizumachen, das den wirklichen Be­ dürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung entspricht und in dem jedes Volk über seine Beziehungen zu den anderen frei entscheiden kann. Internaciema Kolektivista Cirklo http://ikcirklo.org ikcirklo@tutanota.com

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Katalonien auf Unabhängigkeit, das früher Teil ihres Programmes war, den Rücken zugekehrt, und die Massen dem spanischen Staat zur Unterdrückung und der katalanischen Bourgeoisie zur Füh­ rung nach ihrem Interesse überlassen. Die katalanische Gewerkschaft CGT (Confederacio General del Traball; Confederción General del Trabajo; Allgemeine Ar­ beitskonföderation) verdient eine spezielle Erwähnung. Diese entschärfte anarcho­syndikalistische Gewerkschaft, deren Be­ deutung im Inneren der katalanischen Arbeiterklasse bereits wichtig ist, scheint im konstanten Vormarsch. Die spezielle an­ archistische Ideologie der Führung dieses Verbandes, die stän­ dig auf die Verteidigung der Klassenunabhängigkeit besteht, erlaubt ihr die Teilnahme an Komitees bei staatlich geführten Unternehmen, aber verbietet unmissverständlich die Verteidi­ gung des Rechtes der Völker (im speziellen des katalanischen Volkes) auf Selbstbestimmung. Die CGT war jedoch nicht in der Lage, dem enormen Druck ihrer Basis angesichts der re­ pressiven Ereignisse und musste einige Tage vor dem Referen­ dum zu einem Generalstreik „ab dem 3. Oktober“ aufrufen – gemeinsam mit anderen kleinen, rein katalanischen Gewerk­ schaften: Coordinadora Obrera Sindical COS (Gewerkschaftli­ che Arbeiterkoordination), Intersindical Alternativa de Catalunya IAC (Gewerkschaftsübergreifende Alternative Kata­ loniens), Confederacio Syndical de Catalunya ­ Confederacio Nacional del Trabajo CSC­CNT (Gewerkschaftsverband Katalo­ niens – Nationaler Arbeitsverband). Der Aufruf hat einen der­ artigen Enthusiasmus ausgelöst, dass sich in letzter Minute die CCOO und die UGT beteiligten, um zu versuchen, ihn in einen „Regionalstreik“ für einen Tag und ohne Klasseninhalt umzu­ wandeln, wie es üblicherweise von der Generalität selbst ge­ handhabt wurde. Sicher ist, dass am dritten Tag, mit dem Aufruf der Klassengewerkschaften der Streik ein derartiger Aufschrei gegen die Repression wurde… dass er schnell von der Führung der CGT, die einseitig und ohne Erklärung ihren Aufruf zur Weiterführung des Streiks für die folgenden Tage zurückzog, abgewürgt wurde. Andererseits tritt von den beiden großen traditionellen Arbei­ terparteien Kataloniens (PSC­PSOE: Partido de los Socialistas de Cataluna­PSOE, Partei der Sozialisten Kataloniens­PSOE; und PSUC­PCE: Partido Socialista Unificado de Cataluna – Par­ tido Comunista de Espana, Vereinte Sozialistische Partei Kata­ loniens – Kommunistische Partei Spaniens) nur mehr erstere auf der politischen Bühne in Erscheinung. Die PSC hat eine schwache Verbindung mit der Arbeiterklasse, fokussiert im Wesentlichen auf Wahlergebnissen (zwischen 12 und 16 % der Stimmen im Laufe der letzten Jahre, die Hälfte dessen, was sie noch im Jahrzehnt davor erzielen konnte). Sie hat in ihrem In­ nersten einen wichtigen föderalistischen Bestandteil, der von Zeit zu Zeit öffentlich das Recht auf Selbstbestimmung vertei­ digt. Diese Charakteristik erlaubt es ihr, eine zweideutige Rolle als Bindeglied zwischen dem monarchistischen Spanismus der Führung der PSOE und dem „Katalanismus“ zu spielen, obwohl es immer und in jedem Fall mit der Unterwerfung unter Madrid endet. Die Überbleibsel der vormaligen PSUC, mehrere ökologische Gruppen und die Filiale des Podemos betreiben eine Koalition genannt „Catalunya sí que es pot“ (CSQP: Katalonien, ja, es ist möglich; 8,15% der Stimmen 2015), die aktuell den Bürgermei­

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ster in Barcelona stellt. Diese kleinbürgerliche Koalition wirbt bei den Wahlen mit dem Slogan der katalanischen Republik. Ih­ re Vertreter haben eine komplett konturlose Position einge­ nommen, die an die bürgerliche Führung der großen Metropole angepasst ist und nach Maßgabe des Verlaufes der Ereignisse haben sie sich auf die republikanische Forderung soweit zurück besonnen, dass sie im katalanischen Parlament am 27. Oktober offen gegen ihr eigenes Programm stimmten. Die CSQP spielte die Karten „Ja”, „Nein”, „Wir verhandeln“, „Ich weiß nicht“, „Wir werden wählen, aber nur wenn Madrid uns lässt“, um der erste politische Schiffbruch Kataloniens zu werden: Ihr Chef Albano Dante Fanchin wurde schonungslos von Pablo Iglesias ausgeschlossen, der ihn beschuldigte, zu­ gunsten der Proklamation der katalanischen Republik ge­ stimmt zu haben. Das Regionalbüro des Podemos wurde komplett zerstört. Iglesias versuchte, einen Artikel 155 auf die katalanische Sektion anzuwenden, er hat die Führung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen, aber das Ergebnis war die Spal­ tung und die Gründung einer neuen Organisation. Trotzdem bleibt der Krieg zwischen den Verbliebenen weiter bestehen, so dass zumindest zehn lokale Zirkel der Provinz Barcelona in Versammlungen entschieden haben, sich nicht am laufenden Wahlkampf zu beteiligen.

Das Ausrufen von Neuwahlen und das Zerbröseln der politischen Unabhängigkeitsfront Am 30. Oktober war der Tag der Wahrheit. Es war kein Zu­ fall, dass am 27. Oktober niemand auf dem Balkon erschien, um die Republik zu verkünden, dass niemand anordnete, die spanischen Flaggen vom Parlament zu holen, dass die ange­ nommene Resolution nie im offiziellen Organ der Generalität Kataloniens veröffentlicht wurde. Am ersten Öffnungstag da­ nach sollte die Täuschung auffliegen: die PDeCat und der ERC akzeptierten die Teilnahme an einer Wahl, deren einziges Ziel die Demobilisierung der Massen und die Erniedrigung Katalo­ niens im Kontext einer intensiven Polizeirepression war. Die Mossos d’Esquadra unterwarfen sich problemlos dem Kom­ mandowechsel, die Regionalverwaltung wurde zu einem Vize­ königreich… Die fünf Jahre, die die PDeCat und die ERC sich für die Abstimmung für die „Vorbereitung der Strukturen der zukünftigen Republik” gaben, waren reiner Schwindel. Nichts war vorbereitet. Das war Angeberei. Ratlosigkeit erfasste alle, die noch glaubten, dass hinter den geheimen Manövern des Junts pel Sí was anderes als Verrat steckte. Die CUP, der Zu­ sammenschluss der linken Unabhängigkeitsvertreter (Enda­ vant, Arran, COS), die sich am Spiel beteiligten, blieben ohne Worte, aber gleichermaßen der Repression und den faschisti­ schen Provokationen ausgeliefert. Das Gefühl, verraten worden zu sein, stellte sich allgemein ein. Das einzige Klassenforum, dass bis dahin funktionierte, das Gewerkschaftskomitee, welches den Generalstreik am 3. Okto­ ber ausgerufen hatte (CGT­COS­IAC­CSC­CNT) löste sich eben­ falls auf. Die IAC rief trotz der gegebenen Zusage, gemeinsam mit seinen Partnern zu agieren, einseitig zu einem neuerlichen Streiktag am 8. November auf. Wohl wissend, dass ihre Mobili­ sierungskapazitäten die Aussicht auf ein bedeutendes Ergebnis geradezu verhinderten, blockierte dieser Aufruf die mögliche Organisation eines unbegrenzten echten Generalstreiks gegen


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Katalonien

Der Fall Puigdemont: Rechtsbeugung, Rechtsmissbrauch und Repression

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er spanische Zentralstaat will mit aller Gewalt den gewählten Präsidenten Kataloniens, Carles Puigdemont, aus dem Verkehr ziehen und ins Gefängnis werfen. Dorthin, wohin er auch schon die anderen, der spanischen Justiz vertrauenden Mitglieder der katalanischen Regierung, geworfen hat. ebellion und Veruntreuung staatlicher Gelder: so lautet die Anklage. Während den politischen Gefangenen in Spanien allein Massenaktionen in Katalonien und den anderen Regionen des spanischen Zentralstaates bis hin zum Generalstreik zur Freilassung verhelfen können, sieht es bei Puigdemont zunächst noch etwas anders aus.

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Am Sonntag, den 16. April 2018, hatten nach Polizeiangaben 315.000, nach Angaben der Veranstalter 750.000 Menschen für die so­ fortige Freilassung der 9 katalanischen politi­ schen Gefangenen demonstriert. Diesmal hatten auch die katalanischen Sektionen der Gewerkschaften UGT (beeinflusst von der so­ zialdemokratischen Partei PSOE, die die al­ lein mit Minderheit regierende bürgerliche Partei PP im zentralstaatlichen Parlament un­ terstützt und zu Mehrheiten verhilft) und der zu einer Gewerkschaft gewordenen CCOO (Comisiones Obreras – Arbeiterkommissio­ nen ­, die aus den Streiks für den Sturz des franquistischen Regimes hervor gingen) zur Demonstration aufgerufen. In ihrem Manifest verurteilten die Organisatoren der Demon­ stration vor allem, dass die Auseinanderset­ zung um eine Unabhängigkeit Kataloniens nicht mit politischen, sondern juristischen Mitteln ausgetragen werde. Wir fügen hinzu: und staatlicher Gewalt, wie der brutale Ein­ satz der Guardia Civil gegen die Helfer des Referendums über die Unabhängigkeit 2017 zeigte. Fürwahr: Rechtliche Mittel werden hin­ und her gebogen. Nachdem der erste Euro­ päische Haftbefehl ins Leere lief, wurde er zurück gezogen und ein zweiter heraus gege­ ben, nach der Verurteilung der katalani­ schen Regierungsmitglieder durch den spanischen Richter Pablo Llarena. Die spani­ sche Zentralregierung wurde durch die Frei­ lassung Puigdemonts in Deutschland und die Zurückweisung des Vorwurfes der Rebel­ lion als unzulässig durch das deutsche Ober­ landesgericht Schleswig auf kaltem Fuß erwischt. Das bürgerliche Rechtsverständnis verrät ein Kommentar der regierungsnahen spanischen Zeitung „El Mundo“ (Die Welt): „Das Schicksal, die spanische Einheit und die unveräußerlichen Rechte Spaniens kön­ nen doch nicht Richtern überlassen werden, die im Handumdrehen über eine komplexe

monatelange Ermittlung entschei­ den.“ (Kreiszeitung, 9. April 2018 (Sitz: Syke, Deutschland)) Sie hätten sich zu einer höhe­ ren Instanz aufgeschwungen. Und der Spre­ cher der spanischen Regierungspartei PP (Partido Popular (Volkspartei)) im europäi­ schen Parlament schob nach, das Schenge­ ner Abkommen (über die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union) mache „keinen Sinn mehr, wenn der Europäische Haftbefehl nicht funktioniert“. Doch der „spanische(n) Einheit“ mangelt es an einem wesentlichen Element, mit dem Puigdemont sicherlich zufrieden wäre, wenn er am 9. April 2018 nach seiner Freilassung sagt: „Die Unabhängigkeit ist für uns nicht die einzige Lösung. Wir sind bereit, zuzuhö­ ren.“ Den nach dem Ende des franquistischen Regimes neu definierten 17 „autonomen Ge­ meinschaften“ (Katalonien, Baskenland, An­ dalusien, Galizien, etc.) fehlt ein elementarisches Recht: das selbstständige Verfassen, Ändern und Verabschieden einer eigenen Verfassung. Dies alles bedarf immer der Zustimmung des zentralstaatlichen Parla­ ments. Mit der Gewährung dieses elementari­ schen Rechtes wäre den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen sicher der Bo­ den entzogen. Nun hat Puigdemont aber durch seine Flucht und sein weiteres Verhalten die Regie­ rung von monarchistischen Gnaden zur Weißglut gereizt. Unter allen Umständen will man seiner habhaft werden und wegen Re­ bellion und Veruntreuung staatlicher Gelder zu für fast zwei Jahrzehnte ins Gefängnis sperren. Doch schon der Vorwurf der Verun­ treuung staatlicher Gelder läuft ins Leere. Kein Geringerer als der spanische Finanzmi­ nister Cristobál Montoro sagte am 16. April 2018 in einem Interview: „Ich weiß nicht, mit welchem Geld das Referendum bezahlt wur­ de, aber nicht mit Steuergeldern.“ Das wurde

auch Anfang April einem Ermittlungsrichter in Barcelona seitens des spanischen Finanz­ ministeriums bestätigt. Auch sagte Montoro in dem Interview, dass auch für den Unter­ halt von Puigdemont im Exil keine staatli­ chen Gelder ausgegeben würden. (Internet­Portal TELEPOLIS, verschiedene Ar­ tikel) Puigdemont benötigt sie aber auch nicht. Die katalanische Unabhängigkeitsbe­ wegung hat durch Eigeninitiative und erfolg­ reiche Spendensammlungen das Referendum finanzieren und durchführen können. Die Kaution beim deutschen Ge­ richt wurde für Puigdemont von einem kata­ lanischen Millionär hinterlegt, der ihn bei der Freilassung begleitete. Nachdem alles nichts nutzte, meinte die spanische Regierung, „neue Informationen“ geben zu müssen. Bei einem Treffen in Den Haag haben spanische Justizangehörige der schleswig­holsteinischen Generalstaatsan­ waltschaft „Videos mit Aufnahmen von Ge­ waltszenen“ aus Katalonien (spanische, separatistenkritische Zeitung „El Pais“) vorge­ spielt. Damit wird versucht, das deutsche Oberlandesgericht dazu zu bringen, sich er­ neut mit dem Vorwurf der Rebellion zu be­ schäftigen. Am 17 April 2018 schrieb die Beschwerdekammer des Obersten Gerichts­ hofes (TS) Spaniens, es hätte am 1. Oktober (2017; Tag des Referendums) zu einem „Mas­ saker“ kommen können. Wir erinnern uns: die Gewalt damals ging von der Zentralpoli­ zei (gegen die Helfer und Organisatoren des Referendums) aus. Deren Handlungen wä­ ren dann praktisch der „Beweis“ dafür, dass das Tatbestandsmerkmal „Gewalt“ für Puig­ demont doch greift. (Nach: Peter Mühlbauer, TELEPOLIS, 24.04.2018) Nach alldem gibt es nur zu sagen: • Keine Auslieferung Puigdemonts an den spanischen Zentralstaat! • Kein Vertrauen in die bürgerliche Ju­ stiz! • Kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat! • Achtung des Selbstbestimmungsrech­ tes aller Völker! • Aber: Nationalismus ist keine Lösung für die Probleme der Arbeiterklasse! • Die Arbeiterklasse hat kein Vaterland! • Denn: Der Hauptfeind steht im eigenen Land! (Karl Liebknecht, August 1914)

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Der Internaciema Kolektivista Cirklo

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ls Reaktion auf die brutale Repression gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen im Baskenland bildeten Genossinnen und Genossen, die in den Gewerkschaften aktiv sind und das prinzipielle Recht der unterdrückten Nationalitäten auf Selbstbestimmung bis hin zur Loslösung verteidigen, selber aber für den gemeinsamen Kampf der Arbeiter_innen in Katalonien und im gesamten Spanischen Staat für den Sturz der Monarchie und die Arbeiterrepublik eintreten, den Internationalistischen Kollektivistischen Zirkel. Der Name knüpft an die internationalistischen Traditionen während der spanischen Reolution an, ebenso wie an die praktischen Erfahrungen der vergesellschafteten Produktion. Bewusst ist der Name in Esperanto, um die Ablehnung eines spalterischen Nationalismus zu unterstreichen.

Internaciema Kolektivista cirklo (IKC) ist ein Projekt einer politischen Gruppe, die mit dem Ziel gegründet wurde, in Theorie und Praxis den Aufbau einer revolutionären Arbeiterorganisation voranzutreiben, die sich für die Beseitigung der kapitalistischen Barbarei einsetzt und eine klassenlose und sozialistische Gesellschaft schaffen will. Wir verteidigen ein soziales Modell, das auf der Arbeiterdemokratie der verbündeten Arbei­ die spanische Repression. Weder die Regierung Rajoy noch die bürgerliche Front PDeCat­ERC konnten von einem besseren Geschenk träumen. Die organisierte Arbeiterklasse brachte sich nicht nachdrücklich mit seinen eigenen Methoden und seinen eigenen Klassenansprüchen in die demokratischen For­ derungen ein. Durch den abgewendeten Streik war der Weg zu­ rück in den monarchistischen Schoß auf einem guten Weg, mit den kontrollierten „Volks“­Mobilisierungen, die bessere Ver­ handlungsbedingungen ohne weitere Zwischenfälle bedeute­ ten.

terräte beruht, auf Solidarität und proletari­ schem Internationalismus, in dem es niemals einen Platz für Diskriminierung auf Grund der wirtschaftlichen Lage, dem Ge­ schlecht oder der sexueller Orientierung, ethnischer Zugehörigkeit, Kultur oder was auch immer geben wird. Der Aufbau einer internationalen revolutionären Arbeiteror­ ganisation hat in diesem Projekt eine we­ sentliche Bedeutung.

Unabhängigkeitsprozess), nach der Vergeudung der großen Kraft und der Entschlossenheit, die die Massen zeigten, schick­ ten die Führer der CUP ihre Leute zum Dampf ablassen und zum Spielen nach dem Motto „wir bauen uns eine Marionetten­ republik von unten“. Mittlerweile fuhren die Chefs fort damit, wichtige Dinge zu erledigen und die republikanische Front, in der sie so glücklich waren, wiederherzustellen. In den Punkten 85 und 86 ist das Programm der CUP unmissverständlich: sie legt sich fest auf die Beteiligung an einer „republikanischen Re­ gierung“ mit einem eindeutig bürgerlichen 12­Punkte­Pro­ gramm, exakt die selbe politische Linie, die sie in die aktuelle Die CUP zieht keine Schlüsse aus dem Debakel Sackgasse geführt hat. Wir sehen uns einer neuen reformisti­ Am 12. November erklärte eine außerordentliche National­ schen Partei auf der Basis der Klassenkollaboration konfron­ versammlung der CUP die von Madrid ausgerufenen Wahlen tiert, aber ohne einer Verankerung in der Arbeiterschaft. als illegal, entschied aber, daran unter eigener Flagge teilzu­ nehmen, da ihre Verbündeten sich dem Artikel 155 unterwor­ Das Programm einer revolutionären und interfen hatten, auch mit einer gewissen Wahleuphorie. Der nationalistischen Partei beschlossene politische Bericht, der als Programmgrundlage für die Wahlen des 21. Dezember diente, ist eine wahre Fund­ grube von Versatzstücken, wo man alles – und dessen Gegen­ Die Wahlen vom 21. Dezember sind Teil eines außerge­ teil – finden kann, aber nichts, was die eigentliche Rolle der wöhnlich repressiven Paketes gegen die Selbstbestimmung des Abgeordneten der CUP erklärte, den Grund, warum sie so von katalanischen Volkes und hätten boykottiert werden müssen. dem Verrat „des Restes der politischen demokratischen und Unter diesen Umständen wird sich nichts Wesentliches än­ republikanischen Kräfte“ – wie sie sie nannten ­ (PDeCAT und dern, unabhängig vom Ausgang. Weil es heute weder in Katalo­ ERC) überrascht waren, so dass man nichts anderes erwarten nien, noch in allen anderen Nationalitäten, noch in der konnte, als dann geschah. Gesamtheit des spanischen Staates, eine Arbeiterorganisation In diesen beiden Dokumenten fokussiert die CUP ihr Augen­ gibt, die fähig wäre, auf die Ereignisse mit klaren Positionen merk auf die Konstituierende Versammlung, auf „die Verteidi­ zur Unabhängigkeit und zur Verteidigung der Klasseninteres­ gung der Republik des 1. Oktober“ und dem Widerstand gegen sen Einfluss zu nehmen – und die auch als ihre eigene demo­ die Unterdrückung. Alles andere wird dem untergeordnet. Eini­ kratische Forderung das Recht auf Selbstbestimmung der, im ge Forderungen der Arbeiterklasse werden eingebaut, um der Kerker der von Franco geerbten Monarchie eingesperrten, Völ­ Republik „Substanz zu geben“ und sie „von unten zu errich­ ker aufnehme. Das würde nur eine authentische revolutionäre ten“. Aber eine Republik existiert ­ oder eben nicht. Sie ist eine Arbeiterpartei machen, organisiert in einer revolutionären Ar­ Staats­, eine Machtform. Sie liegt in der Hand der einen oder beiterinternationalen, die aufgebaut werden muss. der anderen Klasse. Nach dem Debakel des „procesismo“ (dem Eine solche Partei wird für die Klassenorganisation auf der

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Klassenkampf 30/2018 Basis der Arbeiterdemokratie kämpfen, in Komitees in den Fa­ briken, auf den Arbeitsplätzen, in den Studienorten oder den Arbeiterquartieren, um die zerstreuten Kräfte mit den richti­ gen Forderungen für die Verbrüderung der Klasse gegen den gemeinsamen Feind zu einen, unabhängig von Nationalitäten oder Grenzen. Eine solche Partei erklärte speziell den Jungen – aufgesta­ chelt von den Mobilisierungen, jedoch enttäuscht vom Ergeb­ nis ­ ,dass das Ziel der „Unabhängigkeit“ oder der „unabhängigen Republik“, wie es von den linken Organisatio­ nen der Unabhängigkeitsbewegung vorgeschlagen wird, nichts besonders Positives für die Arbeiterklasse bietet: sie muss un­ abhängig von der ausbeuterischen Bourgeoisie bleiben, egal in welcher Sprache sie spricht. Aber sie würde auch erklären, dass nur ein mächtiges, organisiertes und für das Ende der ka­ pitalistischen Gesellschaft kämpfendes Proletariat Katalonien das Recht auf demokratische und friedliche Selbstbestimmung garantieren könnte, mit allen zur Diskussion gestellten Optio­ nen: totale Trennung oder Schaffung neuer Bande auf der Grundlage der Gleichheit. Eine solche Partei erklärte den Arbeitern, dass die Verteidi­ gung gegen die repressiven Maßnahmen der Regierung der Monarchie nicht nur die Aufgabe der katalanischen Massen ist, sondern der Gesamtheit der Arbeiterklasse des spanischen Staates obliegt, ohne deren Solidarität sie sich ein weiteres Mal erniedrigt und von ihren nationalistischen Führern ge­ täuscht wiederfinden würden, wie es bis heute geschehen ist. • Gegen die Unterdrückung: • Besatzungskräfte raus aus Katalonien! • Sofortige Freilassung und Einstellung der juristischen Verfol­ gung der politischen Gefangenen und der sozialen Aktivisten. Aufhebung aller repressiven Sondergesetze. Abbau des Zentral­ gerichtshofes (Audiencia Nacional). Auflösung der Repressions­ einheiten, die Mossos d’Esquadra und Erzaintza (baskische Polizei) inbegriffen. • Gründung von Komitees gegen die Unterdrückung am Ar­ beitsplatz, am Studienplatz und in den Vierteln der Arbeiter. • Organisierung der Solidarität der Arbeiterklasse des spani­ schen Staates und Europas, damit alle Repressionsmaßnahmen der Monarchie gegen Katalonien ein Ende finden • Weg mit der „nationalen Einheit“ mit der Bourgeoisie, in Katalonien oder im spanischen Staat, Klasseneinheit als Antwort auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Massen Eine revolutionäre Partei würde die vordringlichsten Losun­ gen voranstellen, welche die Grundlage einer Klassenfront sein müssen, um im unmittelbaren Kampf alle Organisationen zu versammeln, die bereit sind, die Arbeiter anhand folgender Maßnahmen zu verteidigen: • ein Arbeiterprogramm : • Arbeit oder Unterstützung für jede oder jeden. Reduzie­ rung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich bis zum Ver­ schwinden der Arbeitslosigkeit. • Keine weiteren Angriffe auf unsere Einkommen, auf so­ ziale und Arbeitsrechte. Wiederherstellung der Kaufkraft auf das Niveau von vor der Krise. • Aufhebung der Pensions­ und Arbeitsreformen. Berufs­ unabhängiger Mindestlohn von 1.500 Euro, auf dem Niveau Frankreichs, Belgiens oder Irlands. Kein Lohn darunter! Kei­ ne prekären Verträge. Kein weiterer Tag von Lohndiskrimi­

Katalonien nierung von Frauen! • Qualitatives und günstiges Wohnen für alle, vom Staat garantiert! Keine weitere Delogierung! Einfrieren der Mie­ ten auf das Niveau von vor der Immobilienblase! Abschaf­ fung des Hypothekargesetzes! Den urbanen Boden den Städten! Enteignung der großen Immobilienbesitzer, um die Wohnungen den Arbeiterfamilien zu übereignen. • Wiedererlangung der gewerkschaftlichen Unabhängig­ keit gegenüber dem Staat und den Arbeitgebern! • Legalisierung aller Immigranten! Abschaffung der Fremdengesetzgebung! Sofortige Schließung der Rückhalte­ zentren und der Internierung Fremder (CIES). Öffnung der Grenzen für alle Arbeiter! Gleiche Rechte für alle Arbeite­ rinnen und Arbeiter! • Verteidigung der allgemeinen Gesundheitsversorgung, qualitativ und kostenlos auf allen Ebenen! Privatinteressen haben im öffentlichen Gesundheitswesen nichts verloren! • Öffentliche, laizistische, qualitative und kostenlose All­ gemeinbildung für alle Stufen! • Kein Euro öffentlichen Geldes an Religionsgemeinschaf­ ten oder für Privatunterricht! Religionsunterricht raus aus den Schulen! • Steuersystem auf Basis der progressiven Direktsteuern, sodass der größte Teil des Steueraufkommens auf die Ein­ kommen der Kapitalisten entfällt! • Verstaatlichung der Banken unter Arbeiterkontrolle oh­ ne Entschädigung oder Ablösung! Annullierung der Aus­ landsschulden! • Verstaatlichung der großen Energie­, Transport­ und Te­ lekommunikationsunternehmen unter Arbeiterkontrolle oh­ ne Entschädigung oder Ablösung! • Arbeiterkontrolle zur Verhinderung der Abwanderung von Unternehmen, von Firmensitzen und von Kapitalstand­ orten! • Alle spanischen Truppen zurück aus dem Ausland! Schluss mit imperialistischen Interventionen! • Für einen schlanken Staat, ohne unnütze Ausgaben und Korruption! Nieder mit der Monarchie! Republik! • Freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes für alle unterdrückten Nationalitäten!

Für geschwisterliche Arbeiterregierungen, in Katalonien und im ganzen Staat, um dieses Programm und alle notwendigen Mittel zur Planung der Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Arbeiterinnen und Arbeiter in Kraft zu setzen. • Für die Arbeiterrepublik Katalonien! • Für die freie Föderation der sozialistischen Arbeiterre­ publiken der iberischen Halbinsel! • Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas! 19. Dezember 2017 INTERNACIEMA KOLEKTIVISTA CIRKLO

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CoReP / Kollektiv Permanente Revolution Fortsetzung von Seite 20

Klassenkampf 30/2018

vor. Sein Verbrechen? Er habe den Abend des 2. April mit Jewdas verbracht, einer Gruppe von nicht­zionistischen Juden aus seinem Wahlkreis! Sicher findet man Antizionisten, die antisemitisch sind, aber es gibt auch viele Pro­Zionisten, die antisemitisch sind, ganz in der Tradition von Lord Arthur Balfour oder Lord Winston Churchill. Die pro­zionistischen Regierungen der USA und der EU haben enge Verbindungen mit absoluten Monarchien und Islamisten, die weltweit die “Protokolle der Weisen von Zion” verbreiten, eine antisemitischer Fälschung der zaristischen Polizei aus dem Jahr 1901, die reichlich von Hitler zitiert wurde. Die internationalistischen Kommunisten, die seit 170 Jahren gegen Rassismus und Kolonialismus kämpfen, brauchen keine Lektionen von Trump und Netanjahu. Die zionistische Bewegung selbst passte sich im frühen 20. Jahrhundert oft dem Antisemitismus an, da Der Zionismus diese beiden reaktionären schürt den Strömungen die Antisemitismus Vorstellung teilten, dass Die Weltarbeiterklasse ist Juden in den Ländern, in in dieser Frage, wie in denen sie lebten, nicht anderen auch, durch die assimilierbar seien. Politik ihrer Führungen Angesichts des gelähmt. Die Arbeiter­ oder schlimmsten sozialdemokratischen Antisemitismus der Parteien, die Parteien Geschichte widersetzte stalinistischen Ursprungs, sich der jüdische viele zentristische bürgerliche Nationalismus Organisationen (SPEW, Anfang April 2018: Ein palästinensischer Jugendlicher verbrennt eine Fahne kaum dem Dritten Reich, Sozialistische Alternative, der imperialistischen Schutzmacht Israels und einige seiner Führer LO, NPA ...), unterstützen die arbeiteten sogar mit den „Zwei­Staaten“­Lösung der Vereinten Nationen. Das bedeutet, Nazis zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der einen von allen Imperialismen unterstützten Kolonialstaat mit Holocaust als Vorwand für die zionistische Bourgeoisie, einer unterdrückten Nation auf eine Stufe zu stellen. Weiters Palästina zu kolonisieren. läuft es auf die gewaltsame Kolonisierung eines großen Teils Der israelische Staat baut auf Rassismus und Gewalt gegen von Palästina und die Schaffung von Bantustan unter dem Joch die Araber Palästinas. Das zionistische Projekt ist es, die Israels hinaus. Integration von Juden in den Ländern, in denen sie leben, zu Deshalb erfordert in diesem Falle das grundlegende verweigern und sie alle in Palästina anzusiedeln, wo sich viele Interesse der proletarischen Solidarität und folglich auch des Völker vermischten und Religionen gewalttätig miteinander proletarischen Klassenkampfes, dass wir uns zur nationalen wetteiferten. Der israelische Staat wurde 1947 mit Frage niemals formal verhalten, sondern stets den Unterstützung der Vereinigten Staaten, Frankreichs, obligatorischen Unterschied im Verhalten des Proletariers Großbritanniens und der UdSSR gegründet. Im Jahr 1948, einer unterdrückten (oder kleinen) Nation zur während der Nakba, flohen 700.000 Palästinenser vor der unterdrückenden (oder großen) Nation berücksichtigen. israelischen Armee und ihren Übergriffen. Die israelische (Lenin, 31. Dezember 1922) Arbeiterpartei und die zionistische Gewerkschaft Histadrut Der israelische Staat und die zionistische Bewegung, der US­ forderten den Ausschluss von Arabern aus dem Erwerbsleben. Imperialismus und seine Unterstützer versuchen, Antizionisten So hat der jüdische bürgerliche Nationalismus eine winzige mit antijüdischen Rassisten gleichzusetzen. Zum Beispiel Minderheit der Juden der Welt in Unterdrücker verwandelt. wurde in Frankreich Melenchon, der Führer von La France Die Folge war die Verfolgung und erzwungene Emigration von insoumise, am 28. März von einem Protest gegen ein Juden aus Nordafrika und dem Nahen Osten, wo sie seit zwei schmutziges Verbrechen mit antisemitischer Färbung Jahrtausenden lebten. Sie waren keine Kolonisten, dienten ausgeschlossen. Sein Verbrechen? Unterstützung der aber den bürgerlichen arabischen nationalistischen Regimes Boykottkampagne gegen Israel (BDS)! Ein anderes Beispiel: die als Sündenböcke. Der Zionismus hat den ekelerregenden britische bürgerliche Presse warf Jeremy Corbyn, dem Antisemitismus der Islamisten auf der ganzen Welt befeuert. gewählten Führer der Labour Party, erneut Antisemitismus Die beste Unterstützung für die Palästinenser ist der Kampf für den Sturz der Regierungen, die den zionistischen Staat unterstützen. Weltweit, vor allem in den USA und Israel, müssen alle Organisationen, die sich auf die Arbeiter berufen, fordern: • Ende der andauernden Kolonisierung von Ostjerusalem und der Westbank! • Die Aufhebung der Gaza­Blockade durch Israel und Ägypten! • Zerstörung der Apartheidmauer! • Freilassung aller palästinensischen Gefangenen! • Recht auf Rückkehr von Flüchtlingen und deren Nachkommen! • Keine Waffen, keine militärische Hilfe für Israel! • Keine militärische Bedrohung gegenüber Syrien und dem Iran!

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Klassenkampf 30/201 CoReP / Kollektiv Permanente Revolution Für ein durch die sozialistische Revolution vereinigtes Palästina

Israel durchlaufen müssen, dem Instrument des westlichen Imperialismus in Westasien. Gegen alle Bourgeoisien Um von den Vereinten Nationen und den Vereinigten (amerikanische, hebräisch, arabische, türkische, persische ...) Staaten einen Staat neben Israel zu erhalten, unterzeichnete wird die Mobilisierung der Arbeiter in Jerusalem, der der panarabische bürgerliche Nationalismus (Fatah, FDLP) Westbank, Gaza, Israel, Jordanien, der Türkei, Ägypten, 1993 die Oslo­Verträge (nur die PFLP wandte sich dagegen, Tunesien, etc. die Errichtung eines weltlichen und blieb aber trotzdem in der von Arafat geleiteten PLO). Das multiethnischen Palästina im gesamten Gebiet Palästinas Ergebnis war die Fortsetzung der Kolonisierung von Jerusalem durchsetzen, damit Araber und Juden, Muslime, Israelis, und der Westbank, der Bau der Apartheidmauer, wiederholte Christen und Atheisten zusammenleben können. Jerusalem mit Zerstörung des Gazastreifens in den Jahren 2008, 2012 und seinen multikulturellen Traditionen wäre wahrscheinlich die 2014, systematische Repression, Ermordung und Inhaftierung Hauptstadt dieses Arbeiterstaates. Ein solches Palästina wäre von Palästinensern. Eine weitere Konsequenz war, auf Grund nur durch die Ausdehnung der Revolution, die Abschaffung des Fehlens einer proletarischen der durch die Kolonisierung Perspektive der Aufstieg des ererbten Grenzen und die Islamismus (Hamas, Jihad ...), der Errichtung der Sozialistischen früher eine Minderheit unter den Föderation der Levante Palästinensern war. Dies lebensfähig. Nur eine ermöglichte es der Hamas, die Arbeiter_inneninternationale (und Kontrolle über den Gazastreifen zu Revolutionäre übernehmen. Arbeiter_innenparteien in jedem Aber Hamas und Fatah haben Land) können diesen Kampf vieles gemein: eine Führung von führen. bürgerlichen Kräften, ihren Indem die Arbeiterklasse die Widerstand gegen den Kampf des Bauern und Studenten um sich palästinensischen Proletariats, schart, ist sie die soziale Kraft, Abhängigkeit von benachbarten die in der Lage ist, die zionistische bürgerlichen Staaten und die Kolonisierung in Palästina und die Unfähigkeit, sich an die Arbeiter in imperialistische Herrschaft in Israelische Besatzungssoldaten an der Arbeit Israel (arabische wie jüdische) zu Westasien zu liquidieren, die wenden. Darüber hinaus sind sie in den letzten Monaten unter jungen Menschen und die Frauen zu befreien, den Bauern das dem Druck des ägyptischen Präsidenten General Al­Sisi, der Land zu geben, der Jugend Ausbildung, Beschäftigung und für jede politischen Oppositionen unterdrückt und an der alle die wirtschaftlichen Entwicklung zu garantieren. Blockade Gazas beteiligt ist, näher zusammen gerückt. Das Ende der nationalen Unterdrückung der 14. April 2018 palästinensischen Araber wird die Zerstörung des Kollektiv Permanente Revolution (CoReP) rassistischen, kriegerischen und kolonialistischen Staates

Besucht uns auf www.klassenkampf.net! Leider können wir nicht alles, was wir sagen wollen, in die begrenzte Seitenzahl einer Zeitung „stopfen“. Daher lohnt es sich, regelmäßig auf unserer Homepage vorbeizu­ schauen. Unter anderem findet ihr dort noch mehr Artikel zu Katalonien, beziehungsweise zur Komplizenschaft zwi­ schen dem deutschen Imperialismus und der reaktionären Rajoy­Regierung in Madrid. Auch zum Thema Ökologie gibt es immer wieder Beiträge, die ein guter Ansatz für Diskus­ sionen sein könnten.

Im September werden wir auch wieder am VOLKSSTIM­ ME­Fest anzutreffen sein. Darüberhinaus planen wir für den Herbst wieder eine Einführungsschulung in den Marxismus. Auch dazu werdet ihr auf unserer Homepage Informationen und Materialien (zum Downloaden) finden. Und nicht zuletzt könnt ihr euch im Verteiler für unseren Newsletter eintra­ gen, Wir freuen uns auf eure Rückmeldungen!

IMPRESSUM: Eigentümer, Herausgeber, Verleger, Druck: Gruppe Klassenkampf. Druckort: Wien. Offenlegung nach §25 Mediengesetz: 100%-Eigentümer der periodischen Druckschrift KLASSENKAMPF ist die im Parteienverzeichnis registrierte politische Partei GRUPPE KLASSENKAMPF (früher: Trotzkistische Gruppe Österreichs/TGÖ). Die Partei ist an keinen anderen Medienunternehmen finanziell beteiligt.

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Klassenkampf 30/201 CoReP / Kollektiv Permanente Revolution

Gemeinsame Erklärung von CoReP und Patronsuz Dünya

Schluß mit dem Massaker an den Palästinenser_innen! Am 13. April wurde ein Palästinenser getötet und 120 durch Kugeln verletzt. Soldaten schießen kaltblütig auf mehrere Der amerikanische Staat hat den zionistischen Kolonialstaat hundert Meter von der Grenze entfernte Demonstranten. immer unterstützt, so, wie er auch immer auf die klerikale, Arbeitereinheitsfront gegen den Terrorismus antisemitische und absolutistische Monarchie Saudi­Arabien des israelischen Staates gesetzt hat. Angesichts der Stärkung des Iran und des russischen Imperialismus in Syrien und der Entfremdung von Frankreich hat Israel “zur Zurückhaltung” aufgefordert. der Türkei hat Trump, umgeben von Generälen und Folterern Saudi­Arabien hat die Zwei­Staaten­Lösung neu aufgegriffen. der CIA, der Politik des US­Imperialismus eine andere Richtung Jordanien und Ägypten haben das Massaker verurteilt. Die gegeben. Er kehrt dem ausgehandelten Nuklearabkommen mit Türkei protestierte stärker. dem Iran den Rücken zu, zum Nachteil der Völker des Iran, die Aber die Palästinenser können sich nicht auf die glaubten, sie würden die Blockade endlich überwinden; er bürgerlichen Staaten der Region verlassen. gewährt der türkisch­islamischen Regierung das Recht, in Die Monarchie zerschlug 1970­1971 den palästinensischen Syrien und im Irak zu intervenieren und autorisiert sie, die Widerstand in Jordanien. Die christlichen Faschisten des Kurden der PKK­PYD­KCK im Bündnis mit syrischen Islamisten Libanon liquidierten 1982 mit Hilfe der israelischen Armee zu massakrieren; er stärkt dem künftigen saudischen Tausende von palästinensischen Flüchtlingen. Das syrische Monarchen, der Katar Baath­Regime schlug 1983 blockiert und Jemen den palästinensischen zerstört, den Rücken; er Widerstand militärisch unterstützt Israels nieder. Die ägyptische rassistischen und und die syrische militaristischen Regierung unterdrückten Premierminister, der den die revolutionäre Gazastreifen erdrosselt, die Bewegung von 2011, Kolonisierung Jerusalems deren Sieg eine und der Westbank fortsetzt Perspektive für die und seine Terrorpolitik Palästinenser eröffnen gegen die Palästinenser hätte können. Am 4. April 8. April 2018: Trotz massiver Repression gehen die Proteste der Palästinenser_innen verdoppelt. erklärte der künftige gegen die Besetzung weiter Was hat sich in der König von Saudi­Arabien, Praxis aus dem von Trump am 6. Dezember 2017 dass Israel ein Existenzrecht habe: angekündigten Transfer der israelischen Botschaft ergeben? Ich glaube, dass Palästinenser und Israelis das Recht auf ein Am 15. Dezember tötete die israelische Armee vier eigenes Land haben (The Atlantic, 2. April 2018) protestierende Palästinensern und verwundete 160. In den meisten Nachbarstaaten werden palästinensische In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar bombardierte die Flüchtlinge oder Wanderarbeiter extrem ausgebeutet und israelische Armee eine Militärbasis in Syrien, am 9. April diskriminiert. Saudi­Arabien hat gerade seine Beziehungen zu erneut. den Vereinigten Staaten und Israel verstärkt; es interveniert Am 16. Januar hat die US­Regierung mehr als die Hälfte der militärisch im Jemen und seine Blockade verursacht geplanten Zahlungen an die UN­Agentur für die Verheerungen unter der Zivilbevölkerung; es bedroht offen palästinensischen Flüchtlinge eingefroren, und so die Lage in den Iran. Iran und die Türkei unterdrücken ihre nationalen Gaza, das unter der israelischen und ägyptischen Blockade Minderheiten, darunter die Kurden. Die Türkei ist immer noch leidet, dramatisch verschärft. ein Mitglied der NATO unter Führung der Vereinigten Staaten. Am 30. März feuerte die israelische Armee beim friedlichen Die Türkei und die Golfmonarchien haben den Islamo­ Demonstrationszug des “Marsches der Rückkehr” scharfe Faschisten geholfen, die Frauen in Syrien und im Irak Munition in Gaza ab: Mindestens 17 Palästinenser wurden unterdrückten und Arbeiteraktivisten sowie religiöse und getötet, 758 verwundet. Am 6. April feuerte die Armee erneut nationale Minderheiten auslöschten. Ägypten erhält Waffen mit scharfer Munition: mindestens 9 Palästinenser wurden und Geld aus den USA und blockiert den Gazastreifen. getötet (darunter ein Journalist), mehrere hundert verletzt. Fortsetzung auf Seite 18

Willkürliche Erschießung von Zivilisten

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