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Orange network
1 USA
El Paso heißt der neue, mittlerweile achte Gebrüder WeissStandort in den USA. Die im Bundesstaat Texas gelegene Grenzstadt mit rund 700.000 Einwohner*innen soll künftig Dreh und Angelpunkt für Komplettladungsverkehre zwischen dem benachbarten Mexiko und den Vereinigten Staaten werden. Denn der Warenstrom zwischen beiden Ländern wächst und damit auch die Nachfrage nach Transportkapazitäten. Besonderen Bedarf hat derzeit die Automobil, Stahl, und Textilindustrie. Beste Ausgangsbedingungen also – viva México!
USA
El Paso has just been inaugurated as the eighth Gebrüder Weiss location in the U.S. With some 700,000 inhabitants, the border city in Texas will become the main hub for full-load traffic between neighboring Mexico and the United States – serving the fast-growing flow of commodities between the two countries and the rising demand for transport capacity that this generates. The automotive, steel and textile industries currently have heightened needs: the most propitious of circumstances for a new venture. Viva México!
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2 Deutschland
Ein innovatives Bahnkonzept wurde für den langjährigen Kunden Henkel auf Schiene gebracht. Gebrüder Weiss nutzt für die Strecke Wien – Düsseldorf jetzt ein Verladesystem von Helrom. Spezielle Trailerwagen ermöglichen ein unabhängiges Verladen am Bahnhof ohne Kran. Die Trailer werden einfach über seitlich ausschwenkbare Ladeflächen auf die Güterwagen geschoben. Doppelt gut: Mit der Bahnlösung wird der Engpass beim LkwLaderaum umgangen, und gleichzeitig werden die CO2 Emissionen um bis zu 70 Prozent auf der gefahrenen Strecke gesenkt.
Germany
An innovative railway concept has been launched for the company’s long-standing customer Henkel. Gebrüder Weiss is now using a loading system devised by Helrom for its Vienna to Düsseldorf route. Special trailer wagons allow goods to be loaded at the station without a crane. The trailers are simply pushed onto the freight wagons via swiveling loading ramps. Additional benefits: the rail solution circumvents the bottleneck in truck cargo space and simultaneously reduces CO² emissions by up to 70 percent on the route traveled.
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3 Österreich
Produkte wie das Regal »Billy« oder das Bett »Hemnes« des schwedischen Möbelherstellers Ikea erreichen Kunden im Großraum Wien seit Oktober 2021 in emissionsfreien Elektrofahrzeugen. Für die Sparte Home Delivery hat Gebrüder Weiss 15 neue vollelektrisch angetriebene Zustellfahrzeuge des Herstellers Quantron im Einsatz. Durch die abgasfreien Fahrzeuge werden bei der Endkundenzustellung im Jahr etwa 150 Tonnen CO2 eingespart. Gebrüder Weiss ist in Österreich der größte Logistikpartner von Ikea und bedient auch in Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Kroatien dessen HomeDeliveryKunden.
Austria
Since October 2021, products such as Billy shelves and Hemnes beds have been supplied to IKEA’s customers in the Greater Vienna area using emission-free electric vehicles. For its Home Delivery division, Gebrüder Weiss is deploying 15 new all-electric vans from the manufacturer Quantron. The vehicles save some 150 metric tons of CO² per year during end-customer delivery. Gebrüder Weiss is the Swedish furniture company’s main logistics partner in Austria and also serves its Home Delivery customers in Hungary, Romania, Bulgaria and Croatia. 4 Slowakei
Die Slowakei macht mit. Nämlich bei der KonzernInitiative »zero emissions«. Mit diesem neuen Service bietet Gebrüder Weiss seinen Kunden die Möglichkeit, den CO2Ausstoß ihrer Sendungen vollständig auszugleichen – durch die finanzielle Unterstützung eines zertifizierten Klimaschutzprojektes auf verschiedenen Kontinenten. Ein innovativer Schritt, um CO2Fußabdrücke sichtbar zu machen und Kunden auf ihrem Weg zu einer ausgeglichenen ÖkoBilanz zu begleiten. Auch für sich selbst hat Gebrüder Weiss ein ehrgeiziges Ziel: die Klimaneutralität der eigenen Logistikanlagen bis 2030.
Slovakia
Slovakia is keeping clean and green too – by joining the Group’s “zero emissions” initiative. With this new service, Gebrüder Weiss offers its customers the opportunity to fully offset the CO² emissions of their shipments – by providing financial support to certified climate protection projects spanning multiple continents. This innovative step serves to make CO² footprints visible and help customers take further strides towards a balanced life-cycle assessment. Gebrüder Weiss has also set itself an ambitious target: climate neutrality at its own logistics facilities by 2030.
5 Bulgarien
Ziemlich cool: Für Liebherr übernimmt Gebrüder Weiss die Distribution von Kühl und Gefriergeräten zu Vertragspartnern in sieben Länder Osteuropas. In Bulgarien geschieht das direkt ab dem LiebherrWerk in Marica. Von dort werden auch die Vertriebsstellen in Rumänien und Ungarn beliefert. Das Besondere: Alle Prozesse sind für Liebherr über das Kundenportal myGW jederzeit nachvollziehbar. Das ist in einigen Zielländern noch keine Selbstverständlichkeit. Ein weiterer Geschäftsausbau ist in Planung, dann sollen auch die HomeDelivery Services für Liebherr in Osteuropa übernommen werden.
Bulgaria
Pretty cool. In seven Eastern European countries, Gebrüder Weiss manages the distribution of refrigerators and freezers to partners of the appliance manufacturer Liebherr. In Bulgaria, this is handled directly from its plant in Marica, from where the sales offices in Romania and Hungary are also supplied. The big benefit: Liebherr can monitor all its processes around the clock – using the myGW customer portal. This is still a real bonus in some target countries. Further expansions are in the works, at which point Gebrüder Weiss will also take over home delivery services for Liebherr in Eastern Europe.
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6 Türkei
Auch am Bosporus stehen die Zeichen auf Wachstum. Mit der Übernahme des Speditionsunternehmens 3S Transport & Logistik in Istanbul verdoppelt Gebrüder Weiss Türkei sein Transportvolumen und positioniert sich als TopPlayer für Verkehre mit Deutschland, Österreich und der Schweiz. In diesem Frühjahr folgt die Gründung eines neuen Standorts in Mersin im Süden der Türkei. Die Aktivitäten rund um den zweitgrößten Hafen des Landes umfassen Luftund Seefrachtservices sowie intermodale Landtransporte. Mersin ist eine zentrale Logistikdrehscheibe am Mittelmeer für Transporte Richtung Kaukasus, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien.
Turkey
There are portents of growth on the Bosporus as well. With the acquisition of the freight forwarder 3S Transport & Logistics in Istanbul, Gebrüder Weiss Turkey is doubling its transport volume and positioning itself among the top players for traffic with Germany, Austria and Switzerland. This spring will see an additional location open its doors in southern Turkey: Mersin. The operations now based in the country’s second-largest port range from Air & Sea freight services to intermodal land transport. Mersin is a key logistics hub on the Mediterranean for goods destined for the Caucasus, the Near and Middle East, and Central Asia. 7 Mongolei
Lights on! Für den Lichtkonzern Zumtobel wurden 12.600 LED Straßenleuchten und Lichtmasten über die Bahnroute der Neuen Seidenstraße von Österreich in die Mongolei transportiert. Um sicherzustellen, dass die sensible Ware während der 30tägigen Bahnfahrt nicht verrutscht und heil ans Ziel kommt, wurde sie in eigens dafür angefertigten Holzgestellen fixiert. Innerhalb von zwölf Monaten erreichten so über 80 Container termingerecht und mit unbeschädigtem Inhalt die mongolische Hauptstadt Ulaanbaatar.
Mongolia
Brightening up the future! On behalf of the lighting group Zumtobel, Gebrüder Weiss has transported 12,600 LED street lamps and light poles from Austria to Mongolia via the New Silk Road railway link. To ensure that the fragile goods arrived at their destination safely and survived the 30-day train journey undamaged, they were attached to specially constructed wooden frames. Over a period of twelve months, more than 80 containers were delivered to the Mongolian capital Ulaanbaatar, on time and with their contents in perfect condition. 8 Kasachstan
Seit über einem Jahrzehnt arbeitet Gebrüder Weiss erfolgreich mit dem Kunden Toyota Motor Kazakhstan zusammen. Zu den Services im Bereich Automobil und Lagerlogistik zählt neuerdings auch die inländische Distribution von Ersatzteilen zu den ToyotaHändlern im Land. Zusätzlich werden zudem Transporte von Almaty direkt nach Bischkek in Kirgisistan durchgeführt. Als wichtiger LogistikHub auf der Route der Neuen Seidenstraße gewinnt der Standort im Südosten Kasachstans für Gebrüder Weiss und seine Kunden weiterhin an Bedeutung.
Kazakhstan
For more than a decade now, the company has maintained a successful partnership with its customer Toyota Motor Kazakhstan. The Gebrüder Weiss services in the fields of automotive and warehousing logistics now include the distribution of spare parts to Toyota’s domestic dealerships. In addition, the company also provides direct deliveries from Almaty to the Kyrgyzstani capital of Bishkek. As a pivotal logistics hub along the New Silk Road, the Almaty site in southeastern Kazakhstan is continuing to grow in importance for Gebrüder Weiss and its customers.
Gefahr aus nächster Nähe
gespräch Frank Haas mit Hartmut Rosa
Herr Rosa, die Menschheit hat nun schon zwei Jahre hinter sich, in denen wir stark auf Abstand zueinander gehen mussten und das sogenannte Social Distancing ist normal geworden. Was hat das mit uns gemacht? »Social Distancing« ist eigentlich der falsche Begriff. Man wollte die Leute ja nicht sozial auseinander bringen, sondern räumlich. Mittlerweile aber ist schon auch eine echte Social Distance eingezogen, eine soziale Distanz zum anderen, insbesondere, was die körperliche Begegnung angeht, also, dass der andere potenziell als Gefahr wahrgenommen wird. Man hat direkt körperlich das Gefühl, da ist eine Bedrohung, wenn man in die Nähe von Menschen kommt. Und interessanterweise hat sich auch unser Raumsinn geändert. In den LockdownPhasen ist ein neuer Ausnahmemodus entstanden: das Gefühl, dass sich die Welt in konzentrischen Kreisen um uns herum aufbaut. Früher war das der Normalmodus. Die Wohnung war der Mittelpunkt, das war unsere Welt, dann kam der Garten und die Straße bis zum Laden, alles eng und vertraut. Dahinter lag der Dorfrand oder, je nachdem, wo man lebte, der Wald, die Berge, das alles war noch erreichbar. Dahinter wiederum wurde es immer diffuser und London und New York waren überhaupt nicht erreichbar, sondern unverfügbar. Früher war es nicht normal, dass man dachte, nächstes Wochenende bin ich in Wien, danach habe ich noch diesen Termin in Innsbruck und die Welt ist wie ein Atlas, der vor mir liegt und auf dem ich mich bewege. Das hat sich während der Pandemie wieder geändert.
Viele Menschen haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass die Verbindungen mit der Welt loser geworden sind – man geht den gewohnten Hobbys nicht mehr so intensiv nach wie früher oder trifft seltener Freundinnen und Freunde. Stattdessen greift ein Gefühl der Stumpfheit und der Entfremdung um sich, was eine Theorie von Hartmut Rosa stützt: Für ein gelingendes Leben sei es absolut erforderlich, so der Soziologe, dass wir unsere Umwelt wahrnehmen und uns auf sie einlassen – ohne über sie verfügen zu wollen. Kurz: Dass wir mit ihr in Resonanz treten. Was aber, wenn die Bereitschaft dazu etwas eingerostet ist? Frank Haas hat sich mit Hartmut Rosa über Entschleunigung, soziale Interaktionen und die Folgen von Social Distancing unterhalten.
Hartmut Rosa ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der FriedrichSchillerUniversität Jena und hat seit 2002 eine Gastprofessur an der New School University in New York. Im Rahmen seiner Soziologie des guten Lebens hat er das soziologische Konzept der Resonanz beschrieben, bei dem Körper und Seele beziehungsweise Mensch und Umwelt so miteinander in Einklang gebracht werden, dass sie sich gegenseitig anregen und eine Schwingung entsteht.
Harmut Rosa is a professor of Sociology at Friedrich Schiller University in Jena; since 2002 he has been associated with the New School University in New York City as a visiting professor. In connection with his work Sociology of the Good Life, Rosa formulated the sociological concept of resonance in which body and soul –i.e. humans and their environment – can enter into a balanced relationship of mutual motivation which generates resonance.
»Erst, wenn man sich überwindet, stellt man fest, was man die ganze
Zeit vermisst hat.«
Obwohl wir uns jetzt in einer Phase befinden, in der die Hoffnung auf eine Normalisierung keimt, habe ich persönlich mittlerweile ein Gefühl von Welthemmung. Ich bekomme zwar endlich wieder Einladungen, denke aber, dass ich eigentlich gar nicht mehr so richtig mag. Können Sie das nachvollziehen? Das kann ich nicht nur nachvollziehen, das kann ich auch erklären. Was Sie mit Welthemmung meinen, ist die Beobachtung, dass eine Art von Distanz zwischen mir und der Welt eingetreten ist. Ich hatte schon im Mai 2020 den Eindruck, dass sich dieses Gefühl wie Mehltau über die Gesellschaft legt. Viele Menschen berichteten, dass man Einladungen gar nicht mehr unbedingt annehmen will oder dass man denkt: »Ich könnte zwar den oder die mal wieder anrufen und mit ihm oder ihr reden – aber ich hab irgendwie keine Lust darauf.« Woran liegt das? Mir ist aufgegangen, dass man zunächst Energie braucht, um sich in die Interaktion mit der Welt zu stürzen. Das gilt übrigens für alle Arten von Interaktion, auch zum Beispiel für das Rausgehen, wenn die Sonne scheint. Da denkt man ja auch schnell: »Eigentlich habe ich keine Lust, ich bin zu müde, zu abgeschlafft oder zu lustlos, ich bleibe lieber auf dem Sofa.« Die Energie kommt aber durch die Aktivität, sie ist nicht einfach in mir, und das gilt insbesondere für soziale Interaktion. Und je weniger soziale Interaktion stattfindet, desto weniger scheinen Menschen das Bedürfnis danach zu haben. Das wissen wir aus der Einsamkeitsforschung. Wenn Menschen lange genug allein sind, haben sie irgendwann gar kein Bedürfnis mehr, mit anderen zu reden. Die anderen werden dann genau zu dem, was wir schon besprochen haben, nämlich zur Gefahr oder zum Krafträuber. Erst, wenn man sich überwindet und trotzdem wieder in die Volleyballgruppe geht oder in den Chor – oder welcher Gruppe auch immer man angehören mag –, stellt man fest, was man die ganze Zeit vermisst hat und wie sehr wir solche Begegnungen als Lebenselixier brauchen. Das, was uns zusammenhält und uns wechselseitig Energie und Kreativität verleiht, ist durch die Pandemie zum Erliegen gekommen. Und ich glaube, wir können die entstandene Distanz nur überwinden, indem wir diese Dinge wieder aufnehmen und hingehen, obwohl wir keine Lust haben. Es ist die alte Sache mit dem Schweinehund.
Sie selbst sind während der Pandemie zu einem sehr gefragten Gesprächspartner geworden, weil Ihre Philosophie offenbar gerade einen Nerv trifft. Wie sehen Sie das? Ja, ein bisschen ist das so, aber ich habe das in keiner Weise vorausgesehen. Corona hat ja zwei Seiten: Die eine ist das Virus und was es mit uns körperlich macht. Die andere Seite ist, wie wir als Gesellschaft darauf reagieren und welche Politik, welche Maßnahmen wir dabei erfahren. Im Zusammenhang mit diesen beiden Seiten hat die CoronaZeit alle meine drei Forschungsdimensionen in den Vordergrund gerückt – Beschleunigung, Resonanz und Verfügbarkeit. Zunächst war nur Beschleunigung mein großes Thema, und das ist ja auch für ein Logistikunternehmen interessant. Seit Gründung von Gebrüder Weiss 1474 hat die kinetische Unruhe – damit meine ich die materielle, physische Bewegung auf der Welt – ununterbrochen zugenommen. Selbst in Rezessionsphasen war das so und erst recht in Kriegsphasen, wo ja ganz viel in Bewegung gesetzt wird. Es geht mir dabei aber nicht um Spitzengeschwindigkeiten, sondern darum, wie viel Materie, also wie viele Menschen, wie viele Waren, wie viele Rohstoffe zu einem bestimmten Zeitpunkt insgesamt weltweit unterwegs sind. Und da stellen Sie fest, dass dieses Volumen und die Durchschnittsgeschwindigkeit eigentlich immer weiter zugenommen haben. Dieses DieWeltinBewegungSetzen ist mit Flugzeugen noch deutlich verschärft worden, und inzwischen schickt Elon Musk irgendwie Tausende Satelliten ins Weltall, das muss man sich mal vorstellen! Und die CoronaKrise hat diese Bewegung zum ersten Mal massiv angehalten oder sogar umgedreht. Bis zu 95 Prozent des Flugverkehrs blieben am Boden, der innerstädtische Verkehr ist um bis zu 80 Prozent zurückgegangen, der auf Autobahnen um bis zu 50 Prozent, das ist eigentlich irre! Die Welt so anzuhalten, um ein Virus auszubremsen! Das war eine radikale Entschleunigung, die Sie sogar seismografisch messen konnten. Das gilt vielleicht nicht, wenn man im Gesundheitswesen tätig ist, und auch nicht, wenn man digitale Software oder Hardware herstellt, aber insgesamt ist für sehr, sehr viele plötzlich das Lebenstempo gesunken, und die Kalender haben sich geleert statt gefüllt.
Die normale Erfahrung war zuvor, dass jede noch so kleine Lücke im Kalender irgendwie zugeschrieben wird – durch einen privaten Termin, einen Arzttermin, einen Termin beim Steuerberater, egal durch was. Und auf einmal wird der Geschäftstermin abgesagt, die Schulfeier fällt aus, die Hochzeit und die Party auch, die Theaterkarten werden storniert. Menschen haben in großem Maße Entschleunigung erfahren, und da gab es dann die Idee, dass wir jetzt neue Resonanzerfahrungen machen, wenn wir endlich Zeit dafür haben. Manche haben vielleicht gedacht, sie würden endlich Wagner hören oder Klavier spielen und dann mit dem Instrument eine Resonanzbeziehung eingehen. Oder sie würden anfangen zu kochen, anstatt sich immer nur Tiefkühlpizza zu machen – Kochen ist eine elementare Weltbeziehung. Oder endlich gärtnern. Und jetzt hatten die Menschen also die Gelegenheit, alles das zu tun, und viele haben festgestellt, dass es so einfach gar nicht ist. Man kann eine Resonanzachse nicht ohne Weiteres anknipsen. Insofern war die Coro
»Wenn die Welt gefährlich wird, dann ist Rausgehen in die Natur ein reso nantes Geschehen.«
naZeit auch eine Phase der Desillusionierung. Und das dritte Thema ist die Unverfügbarkeit. Sehr viel von der Welt ist unverfügbar geworden und, die Kernthese in meinem Buch dazu ist, dass gerade unser Versuch, die Welt in jeder Hinsicht beherrschbar zu machen, monströse Unverfügbarkeit hervorruft. Die Finanzmärkte sind beispielsweise unverfügbar geworden, weil eigentlich keiner mehr weiß, wie die genau ticken. Das ist ein hochexplosives Geschehen, in vielerlei Hinsicht. Und auch digital erreichbar gemachte Welt kann unverfügbar werden, wenn einfach das Internet ausfällt oder der Akku leer ist. Auch die CovidKrise hat die Welt radikal unverfügbar gemacht, insofern ist es tatsächlich so, dass alle meine drei Themen einen massiven Boost durch diese Krise erlebt haben.
Nicht nur einen Boost, sondern auch Bestätigung. Und unsere Wünsche und unsere Hoff nungen, die wir am Anfang der Pandemie hatten, haben sich in der Regel nicht erfüllt, weil uns die Energie dafür gefehlt hat. Ja, Covid hat die Resonanzdrähte zum Teil richtig angehalten. Mein nächstes Buch will ich deshalb über Energie schreiben, weil wir in den Sozialwissenschaften kein Konzept davon haben, was echt seltsam ist. Wir denken Energie immer physisch, und dafür haben wir gute Konzepte in der Physik oder in der Chemie, also in den Naturwissenschaften. Allenfalls denken wir Energie noch psychisch und sprechen von Antriebsenergie und Motivationsenergie. Aber es ist ganz unklar, was das eigentlich ist. Und meiner Auff assung nach darf man Energie nicht einfach nur als einen individuellen Besitz verstehen, sondern als etwas zwischen mir und der Welt. Ich möchte allerdings eine Einschränkung machen: Ganz viele Leute berichten – und das ist auch meine eigene Erfahrung gewesen, dass es eine sehr verlässliche Resonanzachse gibt, die in der Krise einen richtigen Boom erlebt hat: die Natur. Wenn die Welt gefährlich wird und soziale Beziehungen nicht mehr so gehen, dann ist Rausgehen in die Natur ein resonantes Geschehen, in dem wir uns lebendig fühlen und Energie zurückgewinnen.
Und nun schlittert die Welt aber von der einen Krise in die nächste, wenn wir auf die Weltpolitik schauen. Sehen Sie da einen Zusammenhang? Sie haben eingangs das Phänomen beschrieben, den anderen plötzlich als Gefahr wahrzunehmen. Ich glaube, man muss vorsichtig sein, da kausale Verbindungen herzustellen. Aber wenn Sie mich als Soziologen fragen, dann möchte ich schon meinen, dass Corona zwei Dinge bewirkt hat: Zum einen hat die Pandemie unser Weltverhältnis prekarisiert, das heißt, wir trauen der Welt und dem Leben nicht mehr so ohne Weiteres. Wie gesagt, der andere wird zur Gefahr, sobald er mir zu nahe kommt. Genau genommen, hat die CoronaKrise uns gelehrt, dass man seinem Nächsten nicht trauen kann. Sogar ein Freund könnte einen umbringen, wenn er das Virus weitergibt und man selbst entsprechend vorbelastet ist. Und nicht einmal sich selbst und den eigenen Sinnen kann man mehr trauen, denn man sieht das Virus nicht, man hört es nicht, man riecht es nicht und kann trotzdem bereits damit infi ziert sein und andere anstecken. Und dieses Gefühl generalisiert sich auch gegenüber der Politik – viele haben das Gefühl, dass man auch der Politik nicht trauen kann. Das schaff t, so glaube ich, eine Grund beziehung zur Welt, die von Angst und Misstrauen geprägt ist. Die Kehrseite davon ist, dass die Menschen sauer werden, wenn sie nicht mit der Welt in Resonanz treten können. Die Welt soll dann entweder resonant gemacht werden oder bitte verschwinden. Das Verhältnis von Angst und Wut ist meiner Meinung nach etwas, das politische Konfl ikte kennzeichnet und befl ügelt. Man misstraut einander, man hat das Gefühl, der andere wird zur Bedrohung und zum Feind, den man am besten zum Schweigen bringen sollte. Allerdings gab es diesen Prozess auch schon vor der Pandemie. Schauen Sie sich die politische Kultur an, das kann man überall beo bachten, zum Beispiel bei BrexitBefürwortern und BrexitGegnern, die angefangen haben, sich zu beschimpfen, oder in den USA, wo TrumpAnhänger und Demokraten nicht einfach nur unterschiedlicher Meinung sind, sondern sich inbrünstig hassen. In Europa sind es vielleicht gerade die ImpfBefürworter gegen die ImpfGegner. Wenn Menschen das Gefühl haben, die Welt sei eine Bedrohung, dann entsteht Wut. Und an die Stelle von echtem Dialog tritt eine Art StatementPolitik, wo man sich nur noch überbieten will und dem anderen zeigen muss, dass man noch härter ist und noch konsequenter im Abbügeln aller Arten von Verbindungen. Ich glaube, dass das in die Katastrophe führt, und ich hoff e, dass wir alle da möglichst bald umlernen.
Frank Haas ist Leiter Markenstrategie und Kommunikation bei Gebrüder Weiss – und als Chefredakteur verantwortlich für den ATLAS.