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Chance bäuerliche Direktvermarktung
Landwirt/innen beschreiten auch in Südtirol immer häufiger innovative Wege und finden neue Erwerbsquellen, um die Zukunft ihres Hofes zu sichern. Besonders die Direktvermarktung von regionalen, naturbelassenen und hochwertigen Produkten bietet dafür beste Chancen, so die Ergebnisse der neuen Studie des WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen.
Bis dato war die Datenlage zu den Direktvermarktern sehr lückenhaft, weshalb das WIFO erstmals eine umfassende Strukturanalyse durchgeführt hat Dazu wurden im ersten Halbjahr 2021 in einer Umfrage 203 Direktvermarkter erhoben und zum anderen mit 14 Expert/innen der Direktvermarktung ausführliche Interviews geführt Südtirol zählt 455 Direktvermarkter, die im Jahr 2019 mindestens 10 000 Euro Umsatz durch die Direktvermarktung erzielt haben. Dabei halten sich die Produzenten, die vorwiegend Produkte aus pflanzlichem Anbau und jene, die vorwiegend Produkte aus der Haltung von Tieren vermarkten, in etwa die Waage
Zahlen und Fakten
Die Südtiroler Produzent/innen erwirtschafteten im Jahr 2019 einen Umsatz aus der Direktvermarktung in der Höhe von 44,7 Millionen Euro, was durchschnittlich 98.400 Euro je Betrieb entspricht. Die Umsatzverteilung der Direktvermarktung nach Produktgruppen zeigt, dass 20,6 Millionen Euro auf Wein und andere alkoholische Getränke entfallen Dahinter folgen Käse und Milchprodukte, verschiedene Produkte aus pflanzlichem Anbau sowie Eier.
In Bezug auf die Absatzkanäle zeigt sich, dass die meisten Direktvermarkter auf den Ab-Hof-Verkauf setzen Außerdem sind viele auf Bauernmärkten vertreten und bieten Hauszustellungen an. Neben den Kanälen, die direkt an die Endkonsument/innen gerichtet sind, sind auch andere Betriebe (Gastronomiebetriebe, Einzelund Zwischenhändler) relevante Kunden für die Direktvermarkter
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Anteil an den Direktvermarktern in Prozent, Mehrfachantworten möglich
Erhöhung Wertschöpfung am Hof Freude an Verarbeitung von Produkten
Unabhängigkeit
Hof im Vollerwerb bewirtschaften
Direkter Kundenkontakt
Hof zukunfts-/krisensicher machen
Neue Betriebsausrichtung
Individuelle Zeiteinteilung
Vereinbarkeit Familie und Beruf
Alleinstellungsmerkmal hervorheben
Keine and Vermarktungsform geeignet
Andere Gründe
Quelle: WIFO (eigene Erhebung)
Die drei wichtigsten Gründe für den Einstieg in die Direktvermarktung sind die Erhöhung der Wertschöpfung am Hof, die Freude an der Verarbeitung von Produkten und die betriebliche Unabhängigkeit
Die WIFO-Studie 4.22 „Chance bäuerliche Direktvermarktung. Struktur, Herausforderungen und Ausblick“ liegt in der Handelskammer Bozen in Papierform auf oder steht auf der Website www.wifo.bz.it/studien zum Download bereit.
„Die Nachfrage nach regionalen und transparent erzeugten Qualitätsprodukten, sowohl von Seiten der lokalen Bevölkerung als auch der Gäste, nimmt zu Daraus ergibt sich ein großes Potential für die bäuerliche Direktvermarktung in Südtirol “
Dr Michl Ebner Präsident der Handelskammer Bozen
Herausforderungen
Die Direktvermarktung bringt, auch laut Einschätzung der befragten Expert/innen, einige Herausforderungen mit sich. Beispielsweise stuft die Hälfte der Produzent/innen den Arbeitsaufwand als sehr hoch ein Außerdem belasten gesetzliche Vorschriften, die aufwändige Vermarktung der Produkte und die hohen Investitionskosten die Direktvermarkter. Von der Politik und den Verbänden wünschen sich die Direktvermarkter vor allem mehr Unterstützung für die Sensibilisierung der Konsument/innen zum Kauf von regionalen Produkten und verstärkte Beratungsangebote in den Bereichen Vermarktung und rechtliche Regelungen (zum Beispiel Genehmigungen, Arbeitsrecht und Etikettierung)
54,2 Prozent der Produzent/innen planen zukünftig den Ausbau der
Direktvermarktung, vorwiegend durch Erhöhung der Produktionsmenge Einige wollen auch zusätzliche Produkte anbieten Alles in allem blicken die Produzent/innen positiv in die Zukunft.
Ausbau der Direktvermarktung
Zur Unterstützung der Direktvermarkter gilt es folgende fünf Ansatzpunkte zu schärfen und auszubauen:
- Wesentlich ist die Aus- und Weiterbildung, da die Produzent/innen die bestehenden Bildungsangebote noch selten in Anspruch nehmen
- Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Beratung. In der Landwirtschaft gibt es schon viel Knowhow, das angehende Direktvermarkter nutzen können
- Besonders in Zusammenarbeit mit der Innovationsabteilung im Südtiroler Bauernbund, dem
Versuchszentrum Laimburg, dem NOI Techpark und der Freien Universität Bozen kann für die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren Know-how noch stärker gesammelt und aufgebaut werden.
- Es sollten auch weitere, innovative, ergänzende Vermarktungsmöglichkeiten angedacht werden In den Detailhandelsgeschäften der Genossenschaften könnten beispielsweise mehr heimische Produkte verkauft werden.
- Die hochqualitativen Produkte der Direktvermarkter sind nicht nur für das Gastgewerbe, sondern auch für das Tourismusland Südtirol insgesamt ein wichtiger Imagefaktor und Mehrwert.
INFO
WIFO – Wirtschaftsforschung
Tel 0471 945 708 wifo@handelskammerbz it wwwwifo bz it
„Landwirte, die bereit sind, den Schritt in die Direktvermarktung zu wagen und die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen, gilt es bestmöglich zu unterstützen - durch Beratung, Ausbildungsangebote und den Abbau von bürokratischen Hürden.“
Leo Tiefenthaler Landesobmann
Südtiroler Bauernbund
Biomassefernheizwerke in Südtirol
78
Biomassefernheizwerke gibt es in Südtirol.
7
Wipptal
17
Eisacktal
22
17
Vinschgau
6
Burggrafenamt
8
Salten-Schlern
1
Überetsch-Unterland
Pustertal
Produzierte Wärmeenergie Einsparung an Heizöl
1 Million MWh
Rund18.000 Haushalte werden versorgt, das sind rund 7,9 Prozent aller Haushalte in Südtirol.
108.914.000 Liter
Das entspricht der Lademenge von 9.500 Tanklastwagen (18t). Stoßstange an Stoßstange ergibt das eine Strecke von Bozen bis nach Sterzing
Einsparung CO2 pro Person in Südtirol
Die Trassen sind insgesamt 880km lang
Rohstoff
Jährlich werden rund 1,5 Mio. m3 Biomasse verfeuert.
600 kg
22 % 44 % 34 % von Südtiroler Land- und Forstwirten von Südtiroler Holz- und Hackguthändlern und Sägewerken
Quelle: Südtiroler Energieverband, Werte pro Jahr aus den Nachbarprovinzen (überwiegend aus dem Trentino und Tirol)
Gemeinsam sind wir stark
1995 wurde in Stern im Gadertal die Ligna Calor Frenademetz AG gegründet, die dort das zweite Biomassefernheizwerk in Südtirol errichtet hat. Aktuell werden damit über 3.000 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr eingespart Wir haben mit dem Präsidenten des Verwaltungsrates, Luigi Frenademetz, gesprochen.
Luigi Frenademetz ist seit 2009 Präsident des Verwaltungsrates der Ligna Calor Frenademetz AG, welche das Fernheizwerk in Stern - La Villa führt Zudem ist er auch Präsident des Verwaltungsrates beim Liftbetreiber „Seggiovia Santa Croce AG“ Der 49-Jährige wohnt in der Gemeinde Abtei, ist seit 20 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder, Matthias 17 und Sara 15 Jahre Seine Leidenschaften sind die Berge, das Radfahren und die Jagd
Herr Frenademetz, warum hat sich Ihr Vater im Jahr 1995 für die thermische Energie aus „grüner“ Biomasse entschieden?
Luigi Frenademetz: Die Entscheidung war geprägt von den Ölkrisen der Jahre 1973 und 1977 sowie der Verlegung der Gasleitung über das Grödnerjoch in Richtung Corvara und Abtei. Die Verfügbarkeit und der Preis der fossilen Brennstoffe hängen von der internationalen Politik ab. Mein Vater wollte daher in der Energieversorgung ein Zeichen der Unabhängigkeit und Klimafreundlichkeit setzen.
Wie haben die Haushalte in Stern Mitte der 1990er Jahre auf das Angebot eines nachhaltigen Systemwechsels reagiert?
Die Haushalte haben Vertrauen und Zuversicht gezeigt. Es wurden damals gemeinsame Treffen organisiert und das Projekt dem Dorf vorgestellt. Der Start erfolgte dann im Jahre 1995 Anfangs war nur der zentrale Dorfteil an die Fernwärme angeschlossen, in den darauffolgenden Jahren wurde das Verteilernetz auf die ganze Ortschaft Stern ausgedehnt Heute zählt Ligna Calor über 400 Abnehmer.
Welche Vorteile bietet die lokale Produktion von Wärme heute für die Dorfgemeinschaft und für die Verbraucher/innen in Stern?
Ich bin überzeugt, dass die Umwelt am meisten profitiert. Vergleicht man Fernwärme mit Heizöl, dann kann man feststellen, dass in Stern jährlich über 3 000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Wir als lokaler und bodenständiger Partner sind zudem jemand, mit dem man reden kann. Die Entscheidung für Fernwärme aus Biomasse bedeutet klimafreundlich und von der internationalen Politik unabhängig zu sein, eine Minimierung der Brand- und Explosionsgefahr sowie kaum vorhandene Instandhaltungskosten
Auch bei der Versorgung mit Fernwärme spielt der Preis eine wichtige Rolle…
Für uns spielen die Qualität der Dienstleistung und der persönliche Kontakt eine wichtige Rolle. Wir bieten tagtäglich einen professionellen Kundenservice, 24-Stunden-Bereitschaft, Weiterentwicklung und eine seriöse Verwaltung. Der Preis sollte dabei nicht immer an erster Stelle stehen
Woher stammt die im Heizwerk verfeuerte Biomasse?
Die verfeuerte Biomasse stammte in den letzten Jahren bis zu stolzen 95 Prozent aus dem eigenen Tal. Nach Vaia, Schneefällen und dem Borkenkäfer haben wir uns nur mehr auf die einheimische Biomasse konzentriert Damit haben wir den Bauern, den Waldbesitzern und den Waldarbeitern unsere Unterstützung gezeigt. Das einzige Sägewerk im Gadertal beliefert uns auch schon seit 27 Jahren mit Hackgut und für die Spitzenzeiten wird die in Pufferspeichern vorhandene Energie genutzt
Sprechen wir über technische Innovationen und die Entwicklung neuer Angebote Welche Perspektiven für die Zukunft gibt es für Ihren Betrieb?
Wir versuchen stetig am Ball zu bleiben, auch was die Digitalisierung betrifft. Zudem gibt es interessante Wärmesysteme und ansprechende Lösungen für Neu- und bestehende Bauten Wir verfolgen neue Produktionsprozesse und Verfahrenstechniken, eine zusätzliche Stromproduktion mit Biomasse ist nicht auszuschließen. Auch ein möglicher Zusammenschluss mit anderen lokalen Energieproduzenten könnte in Zukunft erfolgen –denn gemeinsam sind wir stark
Was macht die Handelskammer für die Jugend?
Die Handelskammer Bozen versteht sich als Partner der Jugend und fördert mit einer Reihe von Initiativen die Kompetenzen der Jugendlichen.
Das Thema Jugend ist das heurige Jahresthema der Handelskammer. So standen auch die drei Neujahrstreffs 2023, mit denen das neue Wirtschaftsjahr traditionell begrüßt wird, im Zeichen der Jugend (siehe eigenen Bericht auf der nächsten Seite) Auch das WIFO – Institut für Wirtschaftsforschung befasst sich 2023 in einer neuen Studie und der im Sommer stattfindenden Veranstaltungsreihe „Zukunftswerkstatt Südtirol“ intensiv mit dem Jahresthema Jugend Dabei werden die Einstellungen und Erwartungen der Südtiroler Jugendlichen zur Arbeitswelt im Mittelpunkt stehen.
Talentcenter
Bereits im Alter zwischen 13 und 15 Jahren treffen die Schüler/innen mit der Wahl des zukünftigen Bildungs- bzw. Berufsweges eine wichtige Entscheidung für ihre Zukunft. Auch die Zukunft der Wirtschaft und des sozialen Wohlergehens liegt in der Förderung der Jugendlichen und in der Bekämpfung des Fachkräftemangels, der sich schon allein aufgrund des demografischen Wandels weiter zuspitzen wird.
Das Talentcenter hat das Ziel, die Schüler/innen der Mittelschule bei ihrer Berufsorientierung durch wissenschaftlich fundierte und standardisierte Testverfahren zu unterstützen Im Talentcenter, das im Handelskammer-Gebäude in Bozen errichtet und dessen Regelbetrieb ab September geplant ist, können sie ihre Fähigkeiten testen und bekommen eine Rückmeldung darüber, in welchen Bereichen ihre Stärken und Talente liegen Dabei spielen nicht nur kognitive Kenntnisse, sondern auch berufsrelevante und praktische Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Mit dem Ergebnis können sich die Jugendlichen an die Berufsberatung zu einem persönlichen Gespräch und einer vertiefenden Beratung wenden
Talente-Aperitivos
Bei diesen Events, welche in München, Wien und Graz stattfinden, lernen im Ausland lebende Südtiroler Studierende heimische Unternehmen und deren Praxisfelder kennen Umgekehrt entdecken die Unternehmen Kompetenzen und Potentiale von Südtiroler Studierenden. Aus diesem Austausch können sich in der Folge Praktikumsoder Jobmöglichkeiten ergeben.
Weitere Initiativen
Der Bereich Schule-Wirtschaft des WIFO konzentriert sich vor allem auf die Schüler/innen in Südtirol. So wird in den Schulen mit Unterrichtsunterlagen und Workshops Wissen zur Südtiroler Wirt- schaft vermittelt, wobei auch Tipps für das Erstellen von Lebensläufen und zu Bewerbungsgesprächen gegeben werden
„Das Jahresthema 2023 der Handelskammer Bozen ist der Jugend gewidmet. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Begabungen der Jugendlichen zu fördern und sie bei der Berufsorientierung zu unterstützen. Zahlreiche Initiativen, allen voran das neue Talentcenter, gehen in diese Richtung.“
Dr Alfred Aberer Generalsekretär der Handelskammer Bozen
Zudem werden Handelskammerbesuche von Schulklassen organisiert Diese ermöglichen es den Jugendlichen, die verschiedenen Dienste für die Unternehmen kennen zu lernen. Sollten sie später selbst einen Betrieb gründen wollen, wissen sie an wen sie sich wenden können Nicht zu vergessen der jährliche Ideenwettbewerb, der das unternehmerische Denken und Handeln der jungen Südtiroler/innen fördert: Dabei haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Aufgabe, sich in die Rolle eines Unternehmers bzw einer Unternehmerin zu versetzen und innovative Produkte oder Dienstleistungen für die Südtiroler Wirtschaft zu entwickeln.
Beim Wettbewerb „Dein Praktikum & Co im Videoclip“ können Schüler/innen zudem ihre Praktikumsoder Projekterfahrungen in einem Videoclip festhalten und auf lokaler sowie nationaler Ebene gewinnen.
INFO
Generalsekretariat
Handelskammer Bozen
Tel 0471 945 615 generalsekretariat@handelskammerbz it